Samuel Adams verkauft in Wolgograd Öl an missverstandene britische Millenials – Vermischtes 06.02.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) How Russia dodges oil sanctions on an industrial scale

For Russia, an expansion of the grey trade has advantages. It puts more of its export machine outside of the control of Western intermediaries. And it makes pricing less transparent. Western estimates of Urals prices, based on few actual trades, are struggling to track costs. Indian customs data from November—the latest available—show the country bought oil at much lower discounts than those reported at the time, notes a former Russian oil executive. Grey-market intermediaries, which capture costs such as freight, offer a conduit for funnelling money to offshore company accounts that the Kremlin can probably influence. Meanwhile, Russia’s sanctions-dodging will have nasty side-effects for the rest of the world. One will be to further split the oil trade along sharp geopolitical lines. In December several Western majors, including ExxonMobil and Shell, said they would no longer hire tankers that have carried Russian oil, forcing owners to take sides. The other will be to make oil trading a riskier business. A growing chunk of the world’s petroleum is being ferried by firms with no reputation, on ageing ships that make longer and dicier journeys than they have ever done before. Were they to cause an accident, the insurers may be unwilling or unable to cover the damage. Ukraine’s allies have good reasons for wanting to wash their hands of Russian oil. But that will not prevent debris from nearby wreckages from floating to their shores. (The Economist)

Der ganze Artikel ist eine sehr lesenswerte und ausführliche Recherche, die Interessierten sehr empfohlen sei. Ich habe hier das Fazit zitiert. Unter Russlandfreunden ist das Narrativ, dass Russland eher mehr Öl verkauft als vor den Sanktionen, ja schon seit Monaten populär. Das geht aber in meinen Augen am Thema vorbei. Denn relevant ist ja etwas anderes: dass WIR das nicht mehr von Russland kaufen (und ja, klar, wir kaufen auch russisches Öl über die Sekundärmärkte, aber nicht bewusst). Da geht es um strategische Unabhängigkeit. Und zweitens sind wir gerade in einer (künstlichen) Knappheit. Wenn die Transformation der Energiemärkte weitergeht beziehungsweise sich sogar beschleunigt – was sie in meinen Augen tun wird – dann werden die zusätzlichen Transaktionskosten sehr schnell zu einem großen Problem für Russland. Und würde der Westen entschlossener in die Regulierung dieses ganzen Schattenhandels eingreifen, etwa indem man das Unwesen der Entflaggung und solche Geschichten besser angeht, dann würden diese Transaktionskosten noch rapide weitersteigen. Klar ist es aufwändig, die Lieferketten zu verfolgen, aber für was hat man denn Behörden und Geheimdienste?

2) Satirischer Wochenrückblick: RAF es endlich!

So oder so. Die zumeist deutlich unter der Gürtellinie operierenden Attacken auf Franca Lehfeldt sind zwar gleichsam so vorhersehbar wie inakzeptabel, davon unabhängig aber darüber hinaus leider auch an der Tagesordnung. Die Frage, ob ein derartiger Versprecher nicht auch einem selbst unterlaufen könnte (zumal in einer hektischen Situation während einer Live-Nachrichtensendung), stellt sich heutzutage niemand mehr. Ein in seinen grundsätzlichen Ausrichtungen klar definiertes Feindbild gehört selbstverständlich zum guten Ton. Vergehensunabhängig bei jeder kleinsten sich ergebenden Gelegenheit mit der größtmöglichen Wucht auf einen Protagonisten oder eine Protagonistin der vermeintlichen Gegenseite einzutrümmern, offenbar ebenfalls. Die Absurdität dieses Perpetuum Mobile des Echauffierens wird spätestens dann sehr schnell erkennbar, wenn man sich folgende Frage stellt: Was wäre passiert, wenn einer prominenten Journalistin des Öffentlichen Rundfunks derselbe Versprecher passiert wäre. Dunja Hayali etwa. Genau die Pulitzerpreis-Anwärter, die sich tagelang über die eine, versehentlich zusätzlich in Franca Lehfeldts Satz gerutschte Vokabel „Fraktion“ empörten, hätten dann in meterlangen Abwiegelungs-Tweets verschiedene Doktorarbeiten dazu geschrieben, dass man ja wohl mal einen kleinen Fehler machen dürfe und wie ehrenrührig und peinlich es doch sei, darauf nun mit so einem großen Furor zu reagieren. Und umgekehrt. Viele von denen, die Franca Lehfeldt nun zur Seite springen, würden im Falle von Frau Hayali vermutlich die grenzenlose Verkommenheit und Inkompetenz des Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunks beschreien und nichts weniger fordern als die umgehende Abschaffung der Rundfunkgebühren (bei Querdenkern und NZZ-Lesern gerne „Zwangsabgabe“ genannt). (Marie van der Benken, Web.de)

Mir war von Anfang an völlig unklar, wie sich irgendjemand an einem Versprecher dermaßen aufhängen konnte. Leider habe ich davon in meiner Timeline ziemlich viel gesehen. Und van der Benken hat völlig Recht, dass die Rollen einfach nur 180° vertauscht wären, wenn die Verursacherin dem anderen Lager angehören würde. Das macht diese „Skandale“ auch so ungeheuer ermüdend. Man sieht dasselbe übrigens auch an der Causa Klomrath. Die Konservativen und Liberalen malen öffentlich-rechtliche Propaganda-Offensiven an die Wand, während sie gleichzeitig kein Problem mit Christian Lindners Ehe haben. Und das völlig zurecht! Ich muss doch von Profis erwarten können, dass sie das trennen und sich gegebenenfalls für befangen erklären und fertig. Himmel.

3) Hanged on a Venerable Elm

Things were different only a couple of generations ago, when the cult of the founders underpinned consensus. In the 1960s sociologists discussed the role of a non-denominational ‘civil religion’ centred on the founders’ secular scriptures – the Declaration of Independence, the constitution and the Bill of Rights – and a calendar of public observance. Was America’s civil religion a substitute for Christianity, or merely a supplement to it? In the easy-going days before the rise of the evangelical right, it didn’t seem to matter, and the cult of the founders had no ulterior partisan or ideological significance. Indeed, liberals were just as committed to it as conservatives, happily hymning the Jeffersonian separation of Church and state. […] Inevitably, American history in the second half of the 18th century has become a major theatre in the culture wars, and not only for the right. Lin-Manuel Miranda’s musical Hamilton, which attempts to update and defamiliarise the founders for a multicultural, multiracial America, derived from Ron Chernow’s 2004 biography of Alexander Hamilton. In recent decades many academic historians have turned away from the old civil religion, depicting instead the lives of women, the enslaved and the poor in the era of the American Revolution. Nevertheless, there remains a seemingly unquenchable demand for books on the founders. (Colin Kidd, London Review of Books)

Ich mag diesen Begriff „Zivilreligion“; wenn mich nicht alles täuscht, gibt es den für Frankreich und die dortige Sakralisierung der Republik auch. In den USA ist das nur etwas komplizierter, weil die Zivilreligion mittlerweile untrennbar mit dem Fundamentalismus der Evangelikalen verbunden ist. Das ist vermutlich eine Begleiterscheinung des Wandels der Progressiven: in dem Ausmaß, in dem Political Correctness, Wokeness und Black Studies dort erst salonfähig und dann Mehrheitsmeinung wurden, war die Zivilreligion nicht mehr aufrechtzuerhalten (man denke nur an die Schmerzen in den 2010er Jahren über das Jefferson-Jackson-Dinner und die Jackson-Debatte generell!). Dadurch wurde sie plötzlich parteiisch, und in dem Ausmaß, in dem Kritik an den „Founders“ in der Linken populär wurde, wurde spiegelbildlich auf der Rechten jegliche Kritik unmöglich, die Sakralisierung vorangetrieben. – Der verlinkte Artikel ist im übrigen eigentlich eine Rezension eines Buchs über Samuel Adams, die für sich lesenswert ist, ich wollte nur diese Anfangsbeobachtungen kommentieren.

4) Trouble at the millennials

None of that history of the last 15 years will come as a shock to anyone – but it is important to see it all together. There are people who have been in the workforce for 15 years now, who have known nothing but constant economic and political crisis. We have experienced only bust. “Booms” we only really know about from our half-remembered university classes – or as the reason that we can’t buy a house anywhere near where we can get a good job.  […] While we millennials are accepting our status as bagholders – a term of art for the person left with the mess at the end of a crash – we should think about the ultimate bagholding: the heavy lift of preventing catastrophic climate change is still ahead of us. Society is making the easier steps now, but has chronically under-invested and ducked the hard decisions. The big changes, the big sacrifices, and the big effort is still ahead – and that’s without considering any of the debates around mitigating the effects of climate change, compensating the countries that are most affected, and managing the effects of global climate refugee movements. When it comes to climate, our hard times are ahead. (James Ball, The New European)

Es ist nicht nur so, dass Millenials diesen Generationenkampf verloren haben, bevor sie auch nur wussten, dass er überhaupt geführt wurde. Sie bestreiten oft auch, dass es diese Benachteiligung gibt. Aber von den Gehältern über die Zusatzleistungen, überall stinken sie (im Schnitt, natürlich) gegen die Boomer ab. Gleichzeitig gibt es aber einen tiefen Pessimismus: ich kenne niemanden aus dieser Generation, der die Erwartung hat, dass alles besser wird als früher. Im Gegenteil; der „status as bagholders„, wie Ball das so schön nennt, ist tief verwurzelt. Mein Gefühl ist, dass die Millenials wieder in den Modus der Nachkriegsgenerationen zurückfallen: „unseren Kindern soll es einmal besser gehen als uns.“ Vermutlich war die vorhergehende Kohorte da echt die Ausnahme.

5) »Noch mehr Arbeit für die, die noch stehen«

Im Ernst: Lehrerinnen und Lehrern, die längst am Limit sind, erst zusätzliche Arbeit aufzubürden und ihnen dann Resilienztraining anzubieten, das ist schon frech. Denn diese Trainings vermitteln unterschwellig, dass es der Einzelne schon irgendwie schaffen kann, dem systemischen Versagen mit dem Lotussitz zu begegnen. Aus dieser Idee sprechen pure Hilflosigkeit und sogar Fahrlässigkeit. Die Botschaft ist, dass die politisch zu verantwortende Misere individuell an der Front behoben werden muss. Dabei sind Kollateralschäden zwangsläufig. Die Stimmung unter den Lehrkräften war auch zuvor oftmals schon auf dem Nullpunkt. Angesichts immer höherer Erwartungen auf der einen und zusätzlicher Arbeit ohne entsprechende Ressourcen auf der anderen Seite wird ein Gedanke nun immer attraktiver: das System zu verlassen. Oder sich zu verteidigen – mit mehr Teilzeit, Dienst nach Vorschrift, weniger Engagement. Aus Selbstschutz. […] Zynisch könnte man sagen: Es gibt auch Positives. Die Maßnahmen kosten keinen Cent. Und wer die Probleme kurzfristig so angeht, kann zugleich hoffen, dass der Langzeiteffekt dieser Scheinlösung erst dann einschlägt, wenn die Legislaturperiode auch diese Verantwortung umverteilt hat. Denn darum handelt es sich: Mehrarbeit für Lehrkräfte ist eine Lösungsimitation, mehr nicht. Denn sie zeigt nur, dass es keine Lösung für das Problem gibt, außer seine Folgen für weitere Jahre nach hinten zu verschieben. (Bob Blume, SpiegelOnline)

In der Lehrkräftebubble zumindest haben die Vorschläge der Ständigen Kommission für einige Erregung gesorgt. Ich bin tendenziell bei Bobs Einschätzung hier: Die Vorschläge sind alle eher eine Kapitulation als alles andere. Mir ist klar, dass die Kommission durch die Parameter der KMK gebunden war, aber in meinen Augen sorgt das lächerliche Ergebnis gerade dafür zu zeigen, wie problematisch diese Parameter sind: man versucht, wie ja auch schon in der Pandemie, mit aller Macht den Status Quo aufrechtzuerhalten.

Auffällig ist für mich auch zweierlei: dass man einerseits mal wieder die Lehrkräfte nicht gefragt hat. Natürlich liegt hier die „wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen“-Antwort nahe, aber es geht ja eben gar nicht um Sümpfe. Denn die Lehrkräfte können ja nichts für den Personalmangel. Würde die Kommission Missstände im Bildungssystem angehen, wäre das tragfähig, aber das tut sie nicht. Sie verlangt große Opfer von den Beschäftigten, aber die werden nicht mit einbezogen. Muss man natürlich zumindest bei den Beamten auch nicht, das ist ja der große Vorteil des Beamtenstatus‘ für den Staat, aber sinnvoll wäre es schon. Und andererseits besteht weiterhin der für alle Bildungsdiskussionen auffällige Mangel an Empirie. Viele Annahmen sind zwar theoretisch durchaus wohl fundiert, aber die Unterrichtsforschung ist einfach zu klein und produziert zu wenig vernünftige Daten.

Natürlich gibt es Kritik auch in die andere Richtung, die möchte ich an der Stelle nicht verleugnen, genausowenig wie positive Würdigungen der Arbeit der Ständigen Kommission, wie sie etwa bei dieser sehr positive Würdigung bei Jan-Martin Wiarda zu finden sind.

6) Klärung einiger nicht unbedeutender Missverständnisse

Eigentlich ist alles ganz einfach: Die Qualifikation für ein politisches Amt liegt in einer Präposition. […] Wer für die Politik lebt, der betreibt sie mit Leidenschaft – nicht zu verwechseln mit Aufgeregtheit! – im Sinne von Sachlichkeit, sprich: leidenschaftlicher Hingabe an eine Sache, dem Hineinfuchsen in die Herausforderungen und Themen, um sich in Sachen Kompetenz von niemandem schlagen zu lassen (der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist da sicher ein gutes Beispiel). Hinzukommen sollten Verantwortungsgefühl und – als Notbremse vor zu viel Leidenschaft – Augenmaß (dazu gehört auch eine gewisse Distanz zu den Dingen und sich selbst, was vor Eitelkeit, nach Weber eine der schlimmsten Sünden von Politikern, schützt). […] Mit diesen Qualifikationen ausgestattet – und man sollte ein wenig Erfahrung, Durchsetzungskraft und Nervenstärke ruhig noch hinzurechnen – ist man für ein Amt, das politische Leitlinien, gut begründete Entscheidungen, Vorausschau, Strategien und mithin Führung braucht, gut gewappnet. Für die besondere Expertise, das administrative Kleinklein, die politische Umsetzung hat der Minister oder die Ministerin ja Staatssekretäre und einen „Apparat“: ein gut ausgestattetes Ministerium, eine manchmal gewaltige, kompetente Institution für das gute Regieren. Doch ein Problem bleibt: die „Erfahrungsleere“, die vollständige gesellschaftliche Isolation durch Sitzungen, Aktenlektüre, Gesetzesvorlagen, Reden, Termine und noch mehr Termine. Hans Magnus Enzensberger konstatierte einmal: „Der Eintritt in die Politik ist der Abschied vom Leben, der Kuss des Todes.“ Viele Politiker wissen um das Problem, sie versuchen es mit Bataillonen aus Beratern, Experten, Spin-Doktoren, Coaches, persönlichen Referenten, Think Tanks mehr oder weniger zu kompensieren. […] Vor fünfzig Jahren war alles viel einfacher. Es gab noch kein Twitter und nur zwei Talkshows: den „Internationalen Frühshoppen“ und Dietmar Schönherrs „Je später der Abend“. Dort wurde geraucht, geflucht, gesoffen. Und man wusste, wen man einlud, wenn es um Politik ging: Politiker, Journalisten und Intellektuelle. Letztere konnten Wissenschaftler sein, aber auch Künstler, vor allem aber olympische Schriftsteller wir Böll, Grass, Frisch. Größer war der Kreis im Wesentlichen nicht. Heute, im Zeitalter der Sozialen Medien, der Spartenkanäle und unzähligen Gesprächsrunden, in denen Wasser gepredigt und Wasser getrunken wird, hat sich der Kreis verändert und zugleich erweitert: Zu den Politikern und Journalisten sind Aktivisten, Promis, Betroffene und Experten gestoßen. (Bernd Rheinberg, Salonkolumnisten)

Rheinberg hat hier einen insgesamt sehr lesenswerten Artikel geschrieben, den ich unbedingt empfehlen möchte. Ich will hier zwei Dinge betonen. Einerseits den Kampf gegen das nicht totzukriegende Argument, Minister bräuchten irgendwie Erfahrung aus dem Bereich, den sie übernehmen: nein, brauchen sie nicht, aus den von Rheinberg genannten Gründen. Und zweitens, der Verlust der Meinungshoheit bestimmter Gruppen. Viele aktuelle Konflikte gehen darauf zurück, dass mittlerweile einfach viel mehr Menschen als früher sich am politischen und gesellschaftlichen Diskurs beteiligen. Das hat zwangsläufig zu einem Machtverlust der alten Eliten geführt, die diesen früher dominiert haben. Und die reagieren darauf reichlich angekäst.

7) The College Board Strips Down Its A.P. Curriculum for African American Studies

The College Board purged the names of many Black writers and scholars associated with critical race theory, the queer experience and Black feminism. It ushered out some politically fraught topics, like Black Lives Matter, from the formal curriculum. […] In January, Governor DeSantis of Florida, a Republican who is expected to run for president, announced he would ban the curriculum, citing the draft version. State education officials said it was not historically accurate and violated state law that regulates how race-related issues are taught in public schools. The attack on the A.P. course turned out to be the prelude to a much larger agenda. On Tuesday, Governor DeSantis unveiled a proposal to overhaul higher education that would eliminate what he called “ideological conformity” by, among other things, mandating courses in Western civilization. […] And even that list, in a nod to local laws, “can be refined by local states and districts.” The expunged writers and scholars include Kimberlé W. Crenshaw, a law professor at Columbia, which touts her work as “foundational in critical race theory”; Roderick Ferguson, a Yale professor who has written about queer social movements; and Ta-Nehisi Coates, the author who has made the case for reparations for slavery. Gone, too, is bell hooks, the writer who shaped discussions about race, feminism and class. (Anemona Hartocollis/, New York Times)

Und das, liebe Kinder, ist Cancel Culture. Eine staatliche Institution verbietet aus ideologischen Gründen im akademischen und schulischen Sektor die Werke bestimmter Autoren und verhindert jede Beschäftigung mit ihnen. Wer es dennoch tut, wird entlassen. DAS ist echte Cancel Culture, nicht ein paar demonstrierende Knalltüten. Und das ist auch die Gefahr. Die entsteht immer dann, wenn die Macht staatlicher Institutionen dahintersteht, nicht dann, wenn sich irgendwelche Sparren mit Schildern vor den Hörsaal stellen und Sprüche schreien oder sich Leute auf die Straße kleben. Als interessante Seitenbemerkung: Ron de Santis, der Trump-Erbe in spe, hat mit der Entscheidung wohl nichts zu tun, pflegt aber gerne die Vorstellung, dass dem so wäre, um seine Anti-Bildungs-credibility aufzubürsten. Dass man bei den Republicans gegen die Bildung auftreten muss, um erfolgreich zu sein, ist auch so ein Faktor für sich, mit fatalen Folgen für eine Hälfte des politischen Spektrums.

8) Mittlerweile bekommen auch gute Schüler Nachhilfe (um noch besser zu werden)

20 Prozent der Nachhilfeschülerinnen und -schüler starten mit «befriedigend» oder einer noch besseren Note in die Nachhilfe. Laut Einschätzung des VNN wollen viele gute Schüler durch den Zusatzunterricht ihre Noten sichern oder weiter verbessern, weil sie einen bestimmten Durchschnitt für Ausbildung oder Studium brauchen. 47 Prozent haben zu Beginn der Nachhilfe die Note «ausreichend» in dem Nachhilfefach, 33 Prozent «mangelhaft» oder «ungenügend». Spitzenreiter unter den Nachhilfefächern ist mit Abstand Mathematik: 48 Prozent der Nachhilfeschülerinnen und -schüler bekommen Zusatzunterricht in diesem Fach. Deutlich abgeschlagen folgen danach Deutsch mit 24 Prozent und Englisch mit 21 Prozent Anteil. (News4Teachers)

Ich weiß nicht, inwieweit das Etikett „mittlerweile“ verdient ist – ich würde vermuten, das hat es schon immer gegeben – aber ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass dem so ist. Der Nachhilfesektor ist ohnehin ungemein gewachsen. Die Zahl der Schüler*innen, die Nachhilfe nehmen, und die Zahl der professionellen wie unprofessionellen Anbieter ist gewaltig. Das Schlimme ist, dass die meiste dieser Nachhilfe völlig für den Popo ist. Da werden Milliardenbeträge in ein Loch geschaufelt und angezündet, metaphorisch gesprochen. Der Grund dafür ist in meinen Augen, dass die überwiegende Mehrheit der Kund*innen keine Nachhilfe will. Was die kaufen, ist ein gutes Gewissen. Und genau das kriegen sie auch, aber das ist halt was anderes als ein Erkenntnis- oder Lernzuwachs. Ebenfalls auffällig – und in der Debatte total ignoriert – ist das Ausmaß der Leute, die Probleme mit Mathe haben. Das ist auch meine Erfahrung in der Schule: wenn in Deutsch eine Klausur mit einem Schnitt von 3,7 produziert wird, fragen sich alle, was da schiefgelaufen ist. In Mathe zucken alle die Schultern. Ist halt Mathe. Da war ich auch schlecht. Seit Jahrzehnten sind die deutschen Schüler*innen furchtbar in Mathe, und das wird einfach als naturgegeben hingenommen.

9) Britain Is Much Worse Off Than It Understands

If the U.K.’s economic performance is so poor, why are comparisons with the 1970s considered outlandish? Narratives are often crafted by those who have profited from the changes, especially if those winners are powerful people in politics and media. The policy shifts in the late 1970s and early 1980s benefited particular groups within society—the better off, primarily—leading to a steep rise in inequality. The United Kingdom remains one of the most unequal developed countries to this day, according to the Equality Trust. In a very unequal society, people with the influence to sustain narratives tend to be insulated from what is happening to most of the population. Many individuals genuinely think the country’s economic situation is better than it is because their personal circumstances are strong. They are among the higher earners and have wealth to cushion themselves against risk. In the U.K., they also tend to have generous private pensions and usually bought their houses before prices rose dramatically relative to earnings. […] The bigger the gap between the dominant narrative and reality experienced by most people, the greater the political risk. A government needs to be honest about the challenges a country faces and put in place long-term strategies to address them. Voters do not expect miracles, but they need to feel confident that things are moving in the right direction. If not, the way is open for social unrest, a loss of respect for political institutions, and growing ungovernability. (Simon Tilford, Foreign Policy)

Ich glaube, das Narrativ des „British Decline“ in den 1970er Jahren war einfach so festgefahren (genauso wie die angebliche Erholung unter Thatcher), dass es mit den Fakten eh nicht mehr viel zu tun hat. Und das ist aktuell für den Brexit nicht der Fall, zumindest noch nicht. Ich vermute, das liegt mit daran, dass es eine so selbst zugefügte Wunde ist. Ein Akt kollektiven Blödsinns, für den niemand die Verantwortung übernehmen will, und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, gibt man sich weiterhin irgendwelchen Fantasien hin. Aber wie Tilford richtig sagt, irgendwann ist Zahltag, und die britischen Wähler*innen wären die ersten, die ihre Politiker*innen damit entschuldigten, dass sie einsehen, dass sie mindestens genauso schuld an der Misere sind. Und deswegen macht man keine Volksabstimmungen über solche Fragen: sei diffundieren Verantwortlichkeiten.

10) Nicht auf Augenhöhe

Am gestrigen 80. Jahrestag der Schlacht von Stalingrad besuchte der Vorsitzende der Alternative für Deutschland, Tino Chrupalla, die Kriegsgräberstätte in Seelow – wo kurz vor Kriegsende 1945 erbittert gekämpft und die Schlacht um Berlin eingeläutet wurde. Den Ort, so schreibt der Parteichef anschließend, habe man als Ersatz gewählt, weil es die „aktuelle Situation leider nicht zuläßt, Wolgograd zu besuchen“. […] „Gedenk- und Kriegsgräberstätten sind Orte des gemeinsamen Gedenkens“, schreibt Chrupalla ganz richtig. Es gehe dabei „um menschliche Werte, wie Mitgefühl und Anteilnahme“, man müsse eine „gemeinsame Erinnerungskultur pflegen“. Die russische Botschaft resümiert das Treffen der beiden Männer etwas anderslautend: Am Jahrestag der „Zerschlagung der deutsch-faschistischen Truppen“ bei Stalingrad hätten Botschafter Sergej Netschajew und der AfD-Vorsitzende „gemeinsam der Soldaten der Roten Armee gedacht, die im Kampf gegen den deutschen Nazismus gefallen sind …“ Im Klartext: Der deutschen Gefallenen gedachte der Deutsche allein, und zusammen mit dem Vertreter Rußlands nur der sowjetischen. Ist das dann ein „gemeinsames Gedenken“, steht das für – gegenseitiges – Mitgefühl und Anteilnahme? Und ist es jetzt ernsthaft Lesart einer deutschen konservativen Partei, in der man sich gern besonders patriotisch gibt, daß die in Stalingrad unter entsetzlichen Umständen krepierten Soldaten der Wehrmacht, die Hunderttausenden, die anschließend in sowjetischer Kriegsgefangenschaft starben, „faschistisch“ und Teil des „deutschen Nazismus“ waren? Ganz zu schweigen vom Wüten und den Massenvergewaltigungen der Sowjet-Soldaten in Deutschland. Was folgt als nächstes? Ein Antrag der AfD-Bundestagsfraktion, den 8. Mai zum arbeitsfreien „Tag der Befreiung“ zu machen? Oder Reemtsmas Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ in der Parteigeschäftsstelle? Ein Lenin-Orden für verdiente Parteiaktivisten? Liebe AfD, daß Ihr für mehr Schwarz-Rot-Gold eintretet, ist gut – aber bitte nicht für das mit Hammer und Zirkel! Frieden, Versöhnung, ja gern – aber auf Augenhöhe, nicht als fünfte Kolonne. Eine eigenständige Position gegen den aktuellen Mainstream – warum nicht? Aber doch nicht als schmückendes Beiwerk für die Propaganda fremder Mächte. Deutsche Interessen vertreten, mehr nationale Souveränität einfordern ist das Gegenteil von: anderen in den Hintern kriechen. (Christian Vollradt, Junge Freiheit)

Ich zitiere das Schmutzblatt der Jungen Freiheit vor allem deswegen, weil es interessant zu sehen ist, welche Geisteshaltung diese Rechtsextremisten haben: das Problem ist nicht die gemeinsame Kranzniederlegung mit den Russen (die übrigens en passant ignoriert, dass „Russland“ und „Sowjetunion“ nicht dasselbe sind, wie das leider ständig passiert), sondern dass die Russen nicht die Leiden der Wehrmacht und SS anerkennen! Für diese Spinner ist man schon kurz vor Linksextremismus, wenn man das macht. Blanker Irrsinn.

In dem Zusammenhang spannend sind übrigens diese Worte des sachsen-anhaltinischen Vizechefs der AfD: „Wir, die Normalen, Vernünftigen, Verwurzelten haben erkannt, dass unser Feind das Regenbogenimperium ist, und im Widerstand gegen dieses Imperium steht uns Russland am nächsten. In Russland herrscht eine in der Tradition verwurzelte Lebensweise, die sich mehr und mehr als Gegenentwurf zur traditions-, identitäts- und geschlechtslosen Regenbogengesellschaft des Westens begreift.“ Man sieht schon deutlich, warum die AfD so mit Russland liebäugelt.

Resterampe

a) Die USA geben pro Verbrechen doppelt so viel für Polizei aus wie noch vor 30 Jahren. Der Erfolg spricht für sich. Nicht.

b) Spannender Thread über die Langzeitwirkung von Huntingtons „Clash of Cultures“-These.

c) Was geht mit Hubert Aiwanger, Teil 2.

d) Überrascht es wen, dass Elon Musk persönlich Leute bei Twitter blockt, die er nicht leiden kann oder die seinen Wirtschaftsinteressen entgegenstehen? Free Speech Absolutism, my ass.

e) Sachsen manchmal, echt ey.

f) Ich finde, das schließt sich überhaupt nicht aus.

g) Wir hatten ja letzthin im Vermischten die Diskussion über die Verantwortung von Medien; dieses Prachtstück der NYT passt da gut dazu.

h) Journalist*innen entlassen und stattdessen den Meinungsteil stärken ist nicht unbedingt eine Garantie für besseren Journalismus…

i) Interessanter Thread zum unterschiedlichen Rechtsverständnis von Deutschen und Schweizern.

j) Guter Thread zum Grundsatzkonflikt in der koalitionären Verkehrspolitik.

k) Dieses Video von Katja Adler über ihre Kritik an „woke“ wird gerade viel geteilt, aber ich kann die Kritik nicht nachempfinden. Ich finde das gar nicht so schrecklich. Sie beschreibt letzten Endes das, was „woke“ ist (bzw. der Kampf dagegen): ein Gefühl. Sie weiß was es ist, wenn sie es sieht. Und ich verstehe völlig, was sie meint, auch wenn ich ihre Sicht nicht teile. Dagegen ist Tilos Punkt in meinen Augen intellektuell nicht ehrlich. Keine Sau weiß, woher der Begriff „woke“ ursprünglich stammt, und im 21. Jahrhundert verwendet ihn keiner in der ursprünglichen Bedeutung. Siehe auch hier.

l) Stefan Pietsch muss jetzt ganz stark sein: der Soli ist verfassungsgemäß – noch.

m) Echt irre Blüten, die das True-Crime-Genre so treibt.

n) Grandioser Thread zur Debattenkultur in Deutschland. Passt auch zum Podcast.

o) Interessante Gedanken zur enshittifaction von Amazon, gerade in Reaktion auf das letzte Vermischte.

p) Kevin Drum fürchtet eine Rezession im nächsten Jahr. Ich gehe mit.

q) Schon merkwürdig, dass sich die LINKE dafür nicht interessiert…

r) Legislative Asymmetrie zwischen Democrats und Republicans. #NotBothSides

s) Spannendes Interview mit Hedwig Richter über die Lehre an einer Bundeswehruni, die politische Haltung von Bundeswehrsoldat*innen und den Kampf gegen die Klimakrise.

t) Iran baut in Russland eine Fabrik zum Bau der Selbstmorddrohnen gegen die Ukraine. Ist der Iran jetzt Kriegspartei? Eskaliert es zum Weltkrieg? Merkwürdig, wie still die ganzen Russlandfreunde sind.

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  • Lemmy Caution 6. Februar 2023, 07:57

    zu 10) Putins Russland und die AfD sind natürliche Verbündete. Die fühlen sich durch die permissivere und pluralistischere Gesellschaft kulturell bedroht und schlagen halt zurück.
    Sehr interessant zu dem Thema dieses Interview mit dem bulgarischen Gesellschaftswissenschaftler Ivan Krastev in Sternstunden vom Schweizer Fernsehen.
    https://www.youtube.com/watch?v=3VAVFn107Jk

  • Detlef Schulze 6. Februar 2023, 09:00

    a) Die USA geben pro Verbrechen doppelt so viel für Polizei aus wie noch vor 30 Jahren. Der Erfolg spricht für sich. Nicht.

    Wieso? Verstehe ich nicht. Die Kriminalität geht doch nach unten und die Ausgaben für die Polizei hat sich nicht wesentlich erhöht. Das ist doch gut. Das Verhältnis von Ausgaben zu Verbrechen ist ein denkbar schlechter Paremeter, er steigt ja wenn es wenig Verbrechen gibt.

    • Tim 6. Februar 2023, 10:38

      @ Detlef Schulze

      In westlichen Gesellschaften gibt es (oft) ein krasses Missverhältnis zwischen Kriminalität und wahrgenommener Kriminalität. Die Politik orientiert sich gern an letzterer und erhöht dann aus rein politischer (statt polizeilicher!) Motivation die Ausgaben oder verschärft Sicherheitsgesetze. Oft spielen hier die Medien eine sehr unrühmliche Rolle.

      Die Folge sind ineffiziente Polizeistrukturen, wie Stefan sie verlinkt hat. Schlecht ausgegebenes Geld, das an anderer Stelle besser aufgehoben wäre.

      Man muss allerdings bedenken, dass Polizeistatistiken (zumindest in Deutschland) notorisch unzuverlässig sind. Oft ist schon ein Vergleich über 20 Jahre kaum noch aussagekräftig, da z.B. Straftaten umdefiniert wurden oder sich das (ohnehin wenig transparente) Anzeigeverhalten geändert hat. Eine entsprechende Effizienzstatistik für Deutschland würde mich trotzdem sehr interessieren.

      • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 11:19

        Ist das in den USA anders?

      • Thorsten Haupts 6. Februar 2023, 11:23

        Können Sie knicken. Zumindest in der oberen Mittelschicht werden „Bagatell“verbrechen wie Handtaschen- oder Fahrraddievstahl seit langem nur noch angezeigt, wenn das versicherungsrelevant ist (oder der Arbeitgeber z.B. bei Laptopdiebstahl den Nachweis braucht). Warum? Bekannte Aussichtslosigkeit = Zeitverschwendung! Dementsprechend sind die offiziellen Polizeistatistiken vielleicht noch brauchbar für Gewaltverbrechen und Totschlag (hier vermute ich aus anekdotischen Begegnungen eine andere Schicht, die für das erstere nicht automatisch zur Polizei läuft). Und das war´s dann – alles andere wird als unvermeidbares und de facto nicht beklämpftes Schicksal einfach hingenommen, dementsprechend bewegt sich das nicht gemeldete Dunkelfeld in astronomischen Grössenordnungen.

        Weshalb ich überhaupt nicht davon überzeugt bin, dass es zwischen wahrgenommener und tatsächlicher Kriminalität tatsächlich eine so grosse Diskrepanz gibt. Alle derartigen Behauptungen beruhen auf der Voraussetzung, dass die polizeiliche Kriminalitätsstatistik ein Spiegelbild der tatsächlichen Kriminalität ist – und das halte ich für eine Urban Legend 🙂 .

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Tim 6. Februar 2023, 11:53

          @ Thorsten Haupts

          Es gibt zumindest immer wieder Studien, die einen sehr engen Zusammenhang zwischen Medienrealität und wahrgenommener Realität zeigen – wenn es sich um Themen handelt, die Menschen nicht/kaum aus eigener Anschauung kennen (oder bestenfalls mit anekdotischer Evidenz). Interessanterweise gilt das oft auch für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Realität.

          Menschen lassen sich gern und viel einreden, wenn es um die Realität geht.

          • Thorsten Haupts 6. Februar 2023, 12:28

            Korrekt, nur bin ich bei Kriminalität nicht davon überzeugt, dass es zutrifft. In einer Runde von mehreren Dutzend Ingenieuren und Projektleuten hatten 90% eigene (!) Erfahrungen mit Kriminalität, aus solchen Gesprächen kenne ich die Anzeigebereitschaft.

            • Tim 6. Februar 2023, 14:26

              Das ist eben anekdotische Evidenz. Statistisch noch unzuverlässiger als die PKS. Aber grundsätzlich Zustimmung, das ganze Feld ist ein Wirrwarr an Aussagen.

        • Detlef Schulze 6. Februar 2023, 13:14

          @ Thorsten Haupts
          Sicherlich werden nicht alle Bagatell-Delikte angezeigt. Aber war das früher anders? Die Mordrate, zumindest, ist in Deutschland in den letzten 30 Jahren um ca. 40% gesunken.

          OT:
          Ich empfehle Fahrrad-Diebstähle auf jeden Fall anzuzeigen. Mir wurden bisher 5 Fahrräder gestohlen. Drei mal bin ich zur Polizei gegangen und einmal davon hat es die Polizei wiedergefunden. Ich kenne auch andere Fälle, wo die Polizei Fahrräder wiedergefunden hat. Manche Menschen sichern ihre Räder mit AirTags und können sie nach dem Diebstahl lokalisieren. Die Polizei findet dann natürlich nicht nur das gesicherte Fahrrad, sondern gleich einen ganzen LKW voller Fahrräder, deren Rahmennummern mit geklauten Fahrrädern abgeglichen wird.

        • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 13:36

          Ich kann mich dran erinnern, dass einen Fahrraddiebstahl anzuzeigen in den 1990ern auch nicht aussichtsreicher war als heute.

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 11:18

      Hm, das ist natürlich ein Argument.

    • derwaechter 6. Februar 2023, 16:20

      Verstehe ich auch nicht. Der Graph zeigt einen Zeitraum in dem die Anzahl der Polizisten um 23% gestiegen und Verbrechen um 48% gesunken sind.

      Ohne weiteren Kontext, liegt da die Vermutung nahe, dass mehr Polizei zu weniger Verbrechen führt.

  • Tim 6. Februar 2023, 10:59

    (6 – Klärung einiger Missverständnisse)

    Viele aktuelle Konflikte gehen darauf zurück, dass mittlerweile einfach viel mehr Menschen als früher sich am politischen und gesellschaftlichen Diskurs beteiligen.

    Sehr interessanter Gedanke. Ich würde hinzufügen: Viele Menschen fühlen sich heute in vielen Bereichen besser informiert als früher – ob durch Fake-News oder Wissenschaftsblogger, sei einmal dahingestellt. Das führt wahrscheinlich zu unversöhnlicheren Debatten.

  • Dobkeratops 6. Februar 2023, 11:05

    Und van der Benken hat völlig Recht, dass die Rollen einfach nur 180° vertauscht wären, wenn die Verursacherin dem anderen Lager angehören würde. Das macht diese „Skandale“ auch so ungeheuer ermüdend.

    Zustimmung, dass das Problem unabhängig von politischen Vorlieben gleichermaßen existiert. Wo ich allerdings einen Unterschied sehe ist die Bereitschaft dazu, es dann irgendwann auch einfach mal gut sein zu lassen. Söders „Crystal Mett“ war ca. zwei Tage lang lustig, danach redete keiner mehr darüber. Auch der Spott über Franca Lehfeldt wird eher früher als später wieder abebben. Die andere Seite hingegen hält „höhö, Kobolde“ auch Jahre später noch für total witzig.

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 11:19

      Höhö Kobolde…?

      • Dobkeratops 6. Februar 2023, 12:14

        Annalena Baerbock hat mal in einem Interview zweimal hintereinander „Kobalt“ wie „Kobolt“ ausgesprochen. Das ist zugegebenermaßen sehr lustig, aber klar als Versprecher erkennbar. Trotzdem ist es seitdem ein Dauerbrenner, der mindestens 2-3 Mal in Leserkommentaren auftaucht, wenn es in einem Artikel um Baerbock oder auch nur allgemein die Grünen geht.

        • Tim 6. Februar 2023, 12:21

          Viel cooler von ihr fand ich „Energie wird im Netz gespeichert“. 🙂

          • Detlef Schulze 6. Februar 2023, 13:35

            Viel cooler von ihr fand ich „Energie wird im Netz gespeichert“.

            Wenn ich meinen Kollegen frage, wo er die Datei gespeichert hat, dann sagt der auch immer „im Netz“. Haha wie dumm ist der denn! Der weiss noch nicht einmal, dass Dateien auf Festplatten gespeichert werden! 🙂

            Ok, Spass beiseite. Ich finde es durchaus legitim die Speicher dem „Netz“ zuzurechnen. Glaubt wirklich einer der Kritiker, dass Baerbock denkt Energie wird in der Leitung selber gespeichert?

            Naja, es gibt ja auch Leute, die sich mockieren, wenn jemand „Stromspeicher“ statt „Energiespeicher“ oder „Atomenergie“ statt „Kernenergie“ sagt.

            • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 13:41

              Diese Dinger sind generell nur parteipolitischer Hickhack. Am besten einfach ignorieren. Von allen Seiten.

            • Tim 6. Februar 2023, 14:32

              @ Detlef Schulze

              Viele Energiewende-Politiker haben keine Ahnung von den technischen Realitäten, und vor Habeck war die Litanei der Ahnungslosen gerade bei den Grünen oft schwer erträglich. Ich hab dieses Baerbock-Interview mit besagter Aussage nicht mehr genau im Kopf, das war ja noch vor ihrer Zeit als Außenministerin. Ich meine mich aber zu erinnern, dass das gehörige Maß an Unwissenheit schon deutlich zu erkennen war. Damals galt sie übrigens als Expertin für die Energiewende.

              Vielleicht hat sie geglaubt, Strom fließt langsam und braucht Stunden von der Nordsee bis ins energiehungrige Bayern? 🙂

              • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 14:53

                Ich meine mich aber zu erinnern, dass das gehörige Maß an Unwissenheit schon deutlich zu erkennen war.

                Genau. Der falsche Begriff war sicher ein Versprecher, aber in dem Interview strahlte sie wahrlich keine Kompetenz aus. Die selbe Baerbock erleben wir aktuell, wenn sie davon spricht, Deutschland befinde sich im Krieg mit Russland. Ein schwerer diplomatischer Faupax, der ihr auf dem Flug nach Brüssel dann auch klar geworden ist und von ihr nicht wiederholt wurde.

        • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 13:38

          Noch nie gehört 😀 Ich glaube, das ist wie immer so ein Blasending.

          • derwaechter 6. Februar 2023, 16:33

            Das war völlig bescheuert. Ihre Aussagen waren inhaltlich völlig in Ordnung. Sie hat einfach nur Cobalt falsch ausgesprochen. Das passiert allerdings schnell, da es auf englisch tatsächlich wie Kobolt ausgesprochen wird.
            Und, fun fact, etymologisch wirklich von den Kobolden kommt.

            • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 18:40

              Wie gesagt, mich interessiert so Unfug eigentlich auch nicht, üblicherweise. Ich versuche zumindest ganz hart, mich nicht dafür zu interessieren 😀

          • Honk 8. Februar 2023, 10:58

            Pietsch hat den Unsinn selbst mal in einen Artikel eingebaut (https://www.deliberationdaily.de/2021/05/die-gruene-ikara/) und er und seine rechte Bagage haben den „Gag“ hier seinerzeit auch in Dauerschleife gefahren.

            Wenn du das noch nie gehört hast, liest du deine eigene Seite nicht sehr genau.

            • derwaechter 8. Februar 2023, 18:14

              Auch Lustig.

              Sein damaliger Kommentar dazu :

              „Und ein Versprecher schien es auch nicht zu sein. Dazu lieferte sie zu oft solche „Versprecher“.“

              Und jetzt:

              „Der falsche Begriff war sicher ein Versprecher“

              🙂

            • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:27

              Ich hab eine gute Fähigkeit entwickelt, das ständige Grünen-Bashing auszublenden 😉

  • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 12:03

    2) Satirischer Wochenrückblick: RAF es endlich!

    Man sieht dasselbe übrigens auch an der Causa Klomrath. Die Konservativen und Liberalen malen öffentlich-rechtliche Propaganda-Offensiven an die Wand, während sie gleichzeitig kein Problem mit Christian Lindners Ehe haben.

    Es ist wieder einer Deiner absurden Vergleiche. Ein Journalist hat die Unabhängigkeit zu wahren, vor allem, wenn er im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk beschäftigt ist. Gerade dort gibt es aber längst die größten Zweifel. Die ehemalige Ehefrau von Christian Lindner, die heutige Chefredakteurin der WELT, Dagmar Rosenfeld, zog sich aus der Berichterstattung über die FDP zurück. Dennoch stand sie unter Beobachtung und erntete Kritik, wenn sie vermeintliche Interna öffentlich machte.

    Für Louis Klamroth hieße das Rückzug aus der Kommentierung von allem, was mit Klima zu tun hat. Das geht natürlich so nicht, außer er ließe sich bei Hart aber fair vertreten. Zu was für einem Eiertanz seine Causa führt, ließ sich vor Wochenfrist beobachten, als er eine eine Radikale im Studio hatte und sie im Gegensatz zu den Vertretern der sogenannten Autolobby geduldig ihre kruden Thesen verbreiten ließ. Und dazu wurde der Zuschauer gewahr, dass er mit der Radikalen per Du ist. Journalistische Unabhängigkeit stellt man sich irgendwie anders vor.

    Dazu muss er sich den Vorwurf der Täuschung gefallen lassen, als er erst nach Vertragsabschluss seine in Konflikt stehende Beziehung offenbarte. Natürlich ist das ein Kündigungsgrund, was denn sonst?! Angenommen ich heuere bei Daimler an und erzähle danach, dass ich auch an BMW beteiligt sei, wäre das ein gravierender Verstoß sowohl gegen Gesetz als auch Compliance-Regeln.

    Mein Unternehmen hat sich vor einigen Monaten von dem führenden Vorstand getrennt. Seine Ehefrau blieb jedoch beschäftigt, die Kündigung wurde kurz danach eingeleitet. Vor wenigen Tagen wies das zuständige Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage zurück. Begründung: Selbstverständlich liegt ein wesentlicher Kündigungsgrund vor, wenn der Ehepartner ein Konkurrenzunternehmen betreibt.

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 13:37

      Ich sag doch, dass er offensichtlich nicht über FFF berichten kann. Genausowenig wie Lindners Frau über die FDP. Ich sehe da keinen Unterschied. Klamroth kann aber Klimathemen moderieren, genauso wie Lindners Frau fiskalpolitische Themen besprechen kann. Pack mal deinen parteipolitischen Kampfmodus ein.

      • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 14:50

        Nicht nur FFF. Die Organisation ist offensichtlich mit der Letzten Generation verbandelt und in den Forderungen weitgehend deckungsgleich. Da derzeit in Sendungen über den Klimawandel immer Vertreter der Aktivisten sitzen, schließt das seine Moderation weitgehend aus. Sieh‘ Dir die Sendung von Montag letzter Woche an, dann kannst Du einen befangenen Moderator agieren sehen.

  • Tim 6. Februar 2023, 12:09

    @ Stefan Sasse

    Mal ganz grundsätzlich: herzlichen Dank für Deine wahnsinnige Fleißarbeit hier im „Vermischten“. Für mich ist eine neue Folge der Fundstücke immer ein kleines Lesefest, das ich mit Spannung erwarte. Klar, Deine Auswahl und Bewertung sind höchst subjektiv, ermöglichen aber eben im besten Sinne auch Deliberation (wenn es das Wort im Standarddeutsch überhaupt gibt 🙂 ). Hoffe sehr, dass Du das Programm noch lange durchziehst.

    Finde, das hier ist die interessanteste Presseschau, die ich kenne.

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 13:38

      Vielen Dank!!!

    • Ariane 6. Februar 2023, 14:29

      Schließ ich mich gerne an, vielen Dank!

      • Thorsten Haupts 6. Februar 2023, 15:40

        Yup (meistens).

    • cimourdain 7. Februar 2023, 10:11

      Berechtigt, sollte man auch mal sagen … +1

  • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 12:16

    6) Klärung einiger nicht unbedeutender Missverständnisse

    inerseits den Kampf gegen das nicht totzukriegende Argument, Minister bräuchten irgendwie Erfahrung aus dem Bereich, den sie übernehmen: nein, brauchen sie nicht, aus den von Rheinberg genannten Gründen.

    Diese Meinung ist nur in der grünen Bubble mehrheitsfähig. Sonst nicht. Das ist schon bezeichnend. So herrscht auch im politischen Betrieb die Position vor, dass die Rechtsresorts Justiz und Innen von Juristen zu leiten seien. Zwölf der 16 Justizminister der Länder sind dann auch Juristen. Nur die Grünen büxen aus – und produzieren mit ihren Fachversagern Skandale in Hamburg und Thüringen. Und auch der Quotenfrau Lambrecht merkte man überdeutlich an, dass sie von dem Resort, das sie leiten sollte, so gar nichts verstand. Angesichts dessen solch einen Satz rauszuhauen, zeigt, wie wenig man sich von Erfahrungen beeinflussen lässt.

    8) Mittlerweile bekommen auch gute Schüler Nachhilfe (um noch besser zu werden)

    Aktuelles aus der Notengebung: ein geistig behindertes Mädchen bekommt eine 1 in Englisch. Eine andere erhält in Sport, obwohl sie bei einem Teil geloost hat, eine 1, weil sie sich ja bemüht hat. Danach brauchen wir zum Wert der heutigen Beurteilung durch qualifiziertes Lehrerpersonal nichts mehr zu sagen. So macht sich der gesamte Betrieb nur noch lächerlich.

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 13:39

      Merkst du eigentlich noch, was du zusammenschreibst?

      • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 14:46

        Ich hoffe doch.

        6) Gemäß Umfragen. Wenn Du anderes behauptest, sitzt Du Fake News auf.

        8) Ich glaube nicht, dass Dir solche Absurditäten unbekannt sind.

  • Ariane 6. Februar 2023, 15:16

    5)

    Zu dieser Konferenz, bzw den Vorschlägen hatte ich mich schon etwas eingelesen, weil du mir zur Podcastvorbereitung einen Link zu der Lehrerseite geschickt hattest. Mein Eindruck war auch der einer Kapitulation, gerade weil es ja eher dafür sorgt, dass man den Beruf noch viel unattraktiver macht, damit man dann in zwei Jahren noch schlimmere Probleme hat. Aus der kurzfristigen Lösung wird dann ein (weiteres) langfristiges Problem.

    Im Ernst: Lehrerinnen und Lehrern, die längst am Limit sind, erst zusätzliche Arbeit aufzubürden und ihnen dann Resilienztraining anzubieten, das ist schon frech. Denn diese Trainings vermitteln unterschwellig, dass es der Einzelne schon irgendwie schaffen kann, dem systemischen Versagen mit dem Lotussitz zu begegnen

    Unbedingt! Ich persönlich bin auch der Meinung, dass Positiv-denken, Achtsamkeit oder Yoga dazu neigen, dann eher zusätzliche Stressfaktoren zu werden, weil man auch ja glücklich bei Überarbeitung sein soll!

    6)
    Angekäst kenne ich nicht, ist das im Schwäbischen ein fester Begriff? Muss ich gleich übernehmen 🙂

    Ansonsten sehr guter Artikel. Geht mir auch immer auf den Keks und ich vermute, dass es da irgendein Missverständnis gibt, was Politik eigentlich ist und leisten soll. Die ist ja per se uneindeutig und muss verschiedene Interessen zusammenführen und kann nicht (oder selten) nach Faktenlage entschieden werden.
    Ähnliche Diskussionen gibts ja auch immer zur Berufserfahrung (besonders bei Kühnert und Baerbock), da geistert ja oft rum, dass nur ein guter Politiker ist, der 20 Jahre lang einen ordentlichen Job hatte (vermutlich aufm Bau, was quasi nie vorkommt) Mal abgesehen davon, dass Kühnert im Call-Center sehr viel näher an meiner Lebensrealität dran ist als die 80% Rechtsanwälte, die im Parlament sitzen.
    Da geistern sehr viele irreale Vorstellungen herum und mE reagiert die Politikergilde auch viel zu defensiv darauf, die werden damit gerne Opfer ihres eigenen Populismus.

    10)
    In dem Zusammenhang spannend sind übrigens diese Worte des sachsen-anhaltinischen Vizechefs der AfD: „Wir, die Normalen, Vernünftigen, Verwurzelten haben erkannt, dass unser Feind das Regenbogenimperium ist,

    Hach, so gefährlich abgedreht wie auch poetisch großartig! Der Feind, das Regenbogenimperium.

    Streift jetzt nur das Thema, passt aber auch zu k) mit woke. Das sind ja oft Fremdbezeichnungen, die vom politischen Gegner genutzt werden bzw findet man die meisten Gemeinsamkeiten dann eh darin, was man ablehnt.
    So wie das früher mit linksgrünversifft war. Dafür gibts garantiert auch keine Definition, aber als Oberbegriff funktioniert das super. (obwohl woke mir persönlich einfach zu religiös angehaucht ist)

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 16:12

      6) Weiß nicht wie schwäbisch das ist, aber zumindest nutze ich es ^^

      10) Jepp.

  • Thorsten Haupts 6. Februar 2023, 15:34

    Zu 3)
    … Political Correctness, Wokeness und Black Studies dort erst salonfähig und dann Mehrheitsmeinung wurden …
    Ach, die sind Mehrheitsmeinung? Staun …

    Zu 4)
    … ich kenne niemanden aus dieser Generation, der die Erwartung hat, dass alles besser wird als früher.
    Wenn Du recht hast – gaaaaanz schlecht für die Gesellschaft. Erklärt dann aber gut den lustvollen Ausflug ins Sektenwesen (Wokies).

    Zu 6)
    … leidenschaftlicher Hingabe an eine Sache, dem Hineinfuchsen in die Herausforderungen und Themen, um sich in Sachen Kompetenz von niemandem schlagen zu lassen …
    Melde Dich, wenn Du DEN beschriebenen Politiker gefunden hast. Wunder muss man im Kalender verewigen.

    Zu 7)
    DAS ist echte Cancel Culture, nicht ein paar demonstrierende Knalltüten.
    Addendum: In den USA besteht progressive Cancel Culture in gekündigten Buchverträgen, Entlassungen, und Auftrittsverboten. Bitte, gern geschehen, hast Du bestimmt nur vergessen.

    Zu 9)
    Ich glaube, das Narrativ des „British Decline“ in den 1970er Jahren war einfach so festgefahren …
    Wer die ernsthaft bestreitet, kann mit Coronaleugnern einen Verein aufmachen.

    Zu a)
    Sounds about right: https://www.statista.com/statistics/191219/reported-violent-crime-rate-in-the-usa-since-1990/

    Zu b)
    Ah. Aus der äusserlichen Ähnlichkeit einer von Huntington verwendeten Karte mit der eines obskuren Rassisten aus den 1920ern wird umstandslos UND OHNE WEITERE INDIZIEN geschlossen, H. sei ein Rassist. Debatte, Anstand, WOKIE-Edition. Ist das eklig …

    Zu f)
    Vertrauen und Kontrolle sind üblicherweise ein Gegensatzpaar.

    Zu g)
    Stimme Stefan S zu – die liberale Presse hat sich nicht ausreichend bemüht, den bewussten Verstoss gegen glasklare Sicherheitsrichtlinien bei Biden ausreichend und ausführlich zu entschuldigen, da wäre mehr gegangen.

    Zu t)
    Ein bisschen Mitgefühl mit den Theokraten im Iran, bitte. Die haben nix anderes gelernt als woanders Unruhe zu stiften und ihre Frauen zu Tode zu prügeln, da greift man nach jeder verbeliebenden Geschäftsidee.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 16:13

      3) Bei den Democrats? Schon, oder?

      4) Ja, mich stimmt das auch nicht optimistisch.

      6) Man darf ja ein Ideal formulieren.

      9) Ich bestreite das sicher nicht, es geht mehr um das Ausmaß relativ zu anderen Krisen.

      • Thorsten Haupts 6. Februar 2023, 19:04

        Zu 3)
        Ich hatte „Demokraten“ nicht mit „Democrats“ in Verbindung gemacht. So geht´s einem mit eindeutig mehrdeutigen Begriffen 🙂 .

        • Stefan Sasse 7. Februar 2023, 07:49

          Ich habe „Progressive“ geschrieben.

          • Thorsten Haupts 7. Februar 2023, 08:36

            Wer lesen kann, ist deutlich im Vorteil. Stimmt.

            • Stefan Sasse 7. Februar 2023, 12:22

              Wir sind letztlich beide schuldig; ich habe ursprünglich „Progressive“ geschrieben, weil nicht alle Progressive Democrats sind (und umgekehrt). Von daher war meine Antwort auch so halb falsch 😉

  • derwaechter 6. Februar 2023, 16:15

    g) Was ist denn da der Vorwurf gegen die NYT?

    Die Analyse ist doch weitesgehend korrekt, oder nicht?
    https://www.nytimes.com/2023/01/24/us/politics/biden-trump-documents-special-counsel.html

  • Erwin Gabriel 6. Februar 2023, 16:22

    @ Stefan Sasse

    l) Stefan Pietsch muss jetzt ganz stark sein: der Soli ist verfassungsgemäß – noch.

    Sag mal, hast Du vorher gelesen, was Du verlinkt hast?

    Allerdings darf der Bund diese nicht „einfach so“ erheben und damit quasi die Einkommenssteuer einseitig erhöhen. Vielmehr darf es die Ergänzungsabgabe nur dann und nur so lange geben, wie die Voraussetzungen dafür vorliegen.

    Die Voraussetzungen wurden vorher erklärt und eine Befristung genannt.

    Zum einen braucht es einen vorübergehenden Finanzbedarf des Bundes. Und zum anderen einen guten Grund für diesen Mehrbedarf. Unstreitig handelt es sich bei den Kosten, die im Zusammenhang mit der deutschen Einheit entstanden sind, um einen solchen Mehrbedarf und unstreitig ist die deutsche Einheit auch ein entsprechender Grund für den Mehrbedarf.

    Unstrittig ist auch, dass dieser genannte Grund bestenfalls zur Hälfte griff. Auslöser für die Gedanken zum Soli war die Finanzierung der Teilnahme am Irak-Krieg. Dass die Entscheidung maßgeblich über den Aufbau Ost „verkauft“ wurde; sei’s drum, der ist auch schon lange abgeschlossen.

    Der Gesetzgeber habe 2019 im „Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags“ nachvollziehbar begründet, dass es nach wie vor einen wiedervereinigungsbedingten Finanzbedarf gebe, unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts.

    Da kriege ich doch das große Kotzen. Ursprünglich befristet auf zwei Jahre, zieht und dreht man sich, missachtet Anweisungen des BGH, und nach knapp 30 Jahren hat man eine Ausrede gefunden, mit der man weitermachen kann?

    Das ist eine Verarsche hoch drei, bei der das BGH vermutlich nur mitmacht, um die Peinlichkeit unter dem Teppich zu kehren, dass man sich so lange hat auf der Nase herumtanzen lassen. Und auch hier schert sich niemand um Fragen wie „warum sind wir so ineffizient“ oder „wann ist es genug“ oder „welche Probleme sind überhaupt zu lösen“.

    Natürlich ist – auf eine gewisse Art – der Aufbau Ost nicht abgeschlossen, wird es nie sein, so wie nichts in staatlicher Verantwortung je abgeschlossen sein wird. Autobahnen müssen immer repariert, Schulgebäude immer gewartet werden, aber dafür sind die normale Steuereinnahmen da. Und mit dem Aufbau West ist noch nicht einmal begonnen worden.

    Wenn es für mich noch irgend eines Belges bedurfte, dass sich Politiker in regierungs“verantwortung“ um Kopf und Kragen lügen, um irgendwo, mit welchen Tricks auch immer, irgendwem ein paar Euro aus der Tasche zu ziehen.

    Solche Zirkustricks lassen mich in Sachen Steuerpolitik immer radikaler werden. Warum soll ich auf Argumente (wie „Finanzierung deutsche Einheit“, „Klimawandel“, Budneswehr“ etc.) hören, wenn in dem Moment, in dem das vorgebliche Ziel erreicht ist, einfach ein neues erfunden wird – Hauptsache, das Geld fließt weiter.

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 18:39

      Denkst du, das ließe sich vermeiden? Also durch härtere Vorgaben oder klarere Grenzen oder so? Angesichts des Lavierens mit der Schuldenbremse bin ich da skeptisch.

    • cimourdain 7. Februar 2023, 12:48

      Sie sprechen einen ganz wichtigen Punkt an: Bei Steuern gibt es grundsätzlich keine Zweckbindung. Es fließt alles in den großen Haushaltstopf der jeweiligen Einheit ( Bund, Land, Gemeinde) und wird dann nach Bedarf herausgeschöpft.
      Das Besondere am SolZ ist, dass er nur dem Bund zugutekommt. Und da hat Herr Pietsch etwas sehr stichhaltiges erwähnt: Solange er existiert, sind weitere Sonderabgaben für Mehrbedarf durchsetzbar. Wenn er dagegen abgeschafft wird, ist wieder alles offen, Krisen, die einen Mehrbedarf rechtfertigen könnten, wird es sicherlich dann geben.
      Eine kleine Korrektur noch zum Irakkrieg: Der Soli wurde zwei Mal eingeführt, der Irakkrieg griff nur beim ersten Mal (1991). 1995 war nur die Einheit das Argument.

      • Stefan Pietsch 7. Februar 2023, 14:51

        Das Besondere am SolZ ist, dass er nur dem Bund zugutekommt.

        Genau. Und damit wird die im Grundgesetz festgelegte Aufteilung der Einkommensteuer unterlaufen. Das ist einer der Gründe, weshalb

        Solange er existiert, sind weitere Sonderabgaben für Mehrbedarf [nicht] durchsetzbar.

        Der Bund darf nämlich nicht beliebig Ergänzungsabgaben erfinden und damit das Einkommensteuersystem de facto unterlaufen. Der immer noch bestehende Soli verhindert weitere Abgaben.

        • Stefan Sasse 7. Februar 2023, 22:13

          Macht Sinn. Ich meine, der besteht doch effektiv nur noch aus symbolpolitischen Gründen, oder?

          • Stefan Pietsch 7. Februar 2023, 23:04

            Nein. Der heutige Soli erfüllt mehrere Funktionen:

            a) Das fiskalpolitische Motiv: Der Bund nimmt weiterhin jährlich 11 Milliarden Euro ein. Die Ansprüche der Resorts in den Haushaltsberatungen sind dergestalt, dass sie ein solcher Betrag politisch nicht so einfach einsparen lässt.

            b) Das verteilungspolitische Motiv: Der Soli ist heute die vom linken politischen Spektrum so lange gewünschte Reichensteuer. Nur die obersten 6 Prozent der Einkommensteuerzahler müssen die Ergänzungsabgabe entrichten. Und Kapitalgesellschaften. Die unter Steinbrück aus dem gleichen Motiv eingeführte, explizit von ihm so genannte Reichensteuer in Einkommensteuergesetz konnte diese Funktion nie wirklich erfüllen, weil sei einfach zu wenige Steuerzahler betraf, um als politisches Kampfmittel zu funktionieren.

            Die Politik hat mit der Reform mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die politische Ökonomie besagt, entlaste 90 Prozent der Bürger (Einkommensteuerzahler) und verzichte dabei nur auf 40% der Einnahmen. Bediene dazu Neid- und Ausgrenzungsreflexe (die da oben).

            Allerdings hat das nicht so recht gefunzt. So zumindest lassen sich die diesbezüglichen Umfragen interpretieren. Für die meisten war die Entlastung eben kaum spürbar, von Beginn an belastete der Soli die oberen 10 Prozent viel stärker als der Spitzensteuersatz. Erleichterung stellte sich bei vielen der Entlasteten nicht wirklich ein. Dazu verletzte es offensichtlich das Gerechtigkeitsgefühl der meisten, denn in Umfragen sprachen sich drei von vier für die vollständige Abschaffung aus.

            Dieses Fenster ist sicher heute geschlossen. Heute wäre die Abschaffung ein kleiner politischer Kraftakt, denn inzwischen setzt er sich als Reichensteuer fest – und die ist tatsächlich in der Bevölkerung populär.

            Andererseits geht die Politik steigende Risiken auf der Finanzseite ein und blockiert sich in der steuerlichen Gestaltung. Je länger diese Steuer besteht, desto verfassungsrechtlich fragwürdiger wird sie. Auf diese Tendenz hat schließlich auch der BFH hingewiesen. Weiterhin steigen die Einnahmen aus dem Soli stärker als die Inflationsrate, eine spätere Abschaffung sorgt für eben auch steigende Entzugseffekte. Und es schwebt weiterhin das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit darüber und damit teurer Rückzahlungen an eine elitäre Gruppe der Steuerzahler. Ein negatives Urteil aus Karlsruhe wäre für die Staatskasse der Super-GAU.

            Vor sicher 15 Jahren habe ich in einer Debatte über die zusätzliche Einführung einer Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer von Grundgesetzkommentatoren gelesen, eine solche sei nicht möglich, so lange der Soli erhoben wird. Mit dem Volumen sei der Spielraum des Gesetzgebers für solche Zusatzabgaben erschöpft.

            Dazu muss man wissen: Das Grundgesetz legt in Artikel 106 die Verteilung der Steuerarten auf die Gebietskörperschaften fest. Ergänzungsabgaben auf die Einkommensteuer gehen tendenziell zu Lasten der anderen Ebenen, denn das Verbot erdrosselnder Steuern legt eine imaginäre Obergrenze fest, die eben auch mit Ergänzungsabgaben nicht überschritten werden darf. Schließlich könnte der Staat ja auch die Einkommensteuer erhöhen, allerdings müsste dann der Bund seine Einnahmen mit den Ländern und Kommunen teilen.

            Damit sich die eine Ebene (Bund) nicht zu Lasten der anderen Ebenen bereichert, sehen Grundgesetzexperten die Möglichkeiten für Ergänzungsabgaben eng begrenzt. Das ist auch das, was ich im Studium gelernt habe. Für den Bund sind solche Steuern einfach, es bedarf nur einer einfachen Mehrheit im Bundestag und die Regierung kann einfach an der Schraube drehen.

            Dies ist derzeit blockiert.

            • Stefan Sasse 8. Februar 2023, 09:25

              Würdest du dann Einsparungen fordern oder sagen, dass man die 11 Milliarden anderweitig kompensieren muss?

              Das symbolpolitische meinte ich mit b). Für die Linken ist das ein Symbol für „gerechte“ Steuern (was auch immer man drunter versteht).

              Danke für die ausführliche Erklärung.

              • Stefan Pietsch 8. Februar 2023, 12:04

                So ist das nicht.

                Zweimal jährlich erstellt ein Expertengremium die neue Steuerschätzung. Die generelle Erwartung daran ist, dass der Staat in dem Tempo der Gesamtwirtschaft wächst. Meist jedoch nehmen die Staatseinnahmen stärker zu.

                Wächst der Staat mit dem GDP, so ergeben sich kein neuen Verteilungsspielräume. Will die Politik Akzente setzen, müsste sie beispielsweise die Renten langsamer wachsen lassen als die Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen zunehmen. Das ist schon deswegen problematisch, weil die Resorts mit unterschiedlichen politischen Farben und damit Parteiinteressen besetzt sind.

                Nicht nur der Bundesrechnungshof (BRH) sieht den Großteil des Staatshaushaltes ersteinert. Mehreinnahmen können nur zur Befriedigung bereits feststehender Ausgaben verwendet werden. Die Überweisungen an die EU wachsen ebenso wie die an die Gesetzliche Rentenversicherung. Da kann die Politik gar nichts mehr machen.

                Der Bundeshaushalt beträgt rund 480 Milliarden Euro. Über 90 Prozent der Ausgaben gelten als versteinert. Jährlich kann der Finanzminister über 20-50 Milliarden Euro Ausgaben verfügen, die er nach politischer Opportunität einsetzen kann. Doch diese sind mit den Koalitionspartnern abzustimmen, schließlich bedarf der Haushalt einer Mehrheit im Bundestag.

                Der Bundeshaushaltsplan wird Bottom-up aufgestellt. D.h., die Ministerien planen und geben ihre Bedarfsanforderungen an das Finanzministerium. Dieser stellt den Entwurf des Haushalts auf und stimmt diesen mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages ab.

                Die Minister lesen natürlich Zeitung und erfahren von den geplanten Mehreinnahmen. Diese Informationen berücksichtigen sie bei ihren Bedarfsanforderungen. Entsprechend ist der Entwurf des Haushaltsplanes stets wesentlich höher als die geplanten Einnahmen. Dann geht es in die Einzelabstimmung und die Minister werden vom Haushaltsausschuss ziemlich eingemacht.

                Die Folgen sind klar: Der Bund kann noch so hohe Einnahmen generieren, in der Haushaltsaufstellung hat er immer zu wenig und die Minister müssen verzichten. Da müssten alle Regierungsmitglieder schon einer Partei anhängen, damit sie sich auf eine Abschaffung des Solis verständigen könnten, immerhin würde dieser 20-40 Prozent der überhaupt frei zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel beanspruchen.

                Bei der Frage, Frührente, mehr Ausgaben für die Bahn, Subventionen für die Windparkindustrie oder Abschaffung des Solis müssen die Befürworter der Abschaffung immer hinten runter fallen. Das ist politische Ökonomie. Wie schwer nur das Normalste für einen Staat ist, nämlich die Einkommensteuer der Inflation anzupassen, erleben wir als Zuschauer Jahr für Jahr.

                Nein, die Abschaffung des Solis kann nur juristisch erzwungen werden, nicht parteipolitisch. Das zeigt die Schwäche unserer Demokratie und verlagert Verantwortung auf die Ebene des Rechts. Italien ist auf diesem Weg übrigens sehr viel weiter fortgeschritten.

                • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:31

                  Diese Versteinerung ist doch aber in allen westlichen Staaten zu finden. Das non-discretionary spending etwa in den USA macht auch gut 90% des Etats aus. Das scheint mir weitgehend normal zu sein. Genauso will natürlich jede*r Ressourcen für das eigene Ressort. Das kennt man doch auch aus Unternehmen, wo jede Abteilung wachsen will – oder nichts abgeben, je nachdem, wie sie aufgestellt ist.

                  • Stefan Pietsch 9. Februar 2023, 11:58

                    Da ist was dran, aber so ist das nicht gemeint. Mit Versteinert meinen Ökonomen, dass sich Ausgaben selbst dann nicht ändern lassen, wenn ein politischer Wille dies versuchte.

                    Die Versteinerung der Haushalte ist besonders ausgeprägt in den großen westeuropäischen Demokratien. Das gilt für Deutschland besonders. Ausgaben für Investitionen, Subventionen, Gebäude lassen sich ändern. Hier sind Staaten wie Unternehmen anpassungsfähig.

                    Ansprüche von Bürgern sind ebenso wenig veränderbar wie die Finanzkosten. Der deutsche Staat gibt besonders viel für Pensionen und sonstige Aufwendungen der Altersvorsorge (Krankheit, Pflege) aus. Diese Ansprüche der Bürger sind langjährig erworben, nicht kündbar, nicht beliebig anpassbar und dann noch dem demographischen Wandel unterworfen.

                    Das ist nicht trivial. In den Achtzigerjahren gingen zahlreiche Unternehmen in die Knie, weil sie wie der Staat keine Rückstellungen für Pensionszusagen gebildet hatten. Der Gesetzgeber reagierte darauf erst 1987 mit der Reform der Bilanzierungsregeln. Bis in die neuere Zeit bin ich auf Unternehmen getroffen, die die früheren Pensionszusagen stark belasteten. Versteinerte Kosten.

                    Angelsächsische Staaten wie auch die Osteuropäer haben einen weit höheren Anteil an Investitionen in ihrem nationalen Budget. Diese sind anpassbar. Dazu ist die Abgabenlast in den meisten genannten OECD-Ländern signifikant niedriger, der Staat hat die Möglichkeit, auf Kostensteigerungen mit Steuererhöhungen zu antworten. Diese Möglichkeiten sind in Westeuropa mit seinen stark alternden Gesellschaften weitgehend erschöpft. Weitere Steuererhöhungen für Unternehmen wie qualifizierte Beschäftigte würden vor allem zu Lasten der ohnehin schwindenden Steuersubstanz gehen.

                    Es ist richtig, dass auch Unternehmen meist eine Bottom-up-Planung aufstellen und dabei von den Vergangenheitswerten ausgehen. Das funktioniert so lange, wie die Umsätze steigen. Doch das ist auf Dauer kein Standard im Unternehmensleben. Dann muss das betrieben werden, was der spätere amerikanische Präsident Jimmy Carter auf für das Präsidentenbudget einführte: Zero Base Budgeting.

                    Dabei wird hingeschaut, was wird an Aufgaben und Ausgaben benötigt. Das ist das, was ich auch immer für den deutschen Staat fordere: Wir müssen hinschauen, was brauchen wir wirklich, welche Aufgaben muss der Staat absolut übernehmen? Der Spielraum dafür ist jedoch sehr eng geworden, weil Deutschland besonders viel in lange Transferzusagen und wenig für Investitionen verausgabt. Dazu fesselt das Beamtenverhältnis der Angestellten den Staat zusätzlich. Anders als die Osteuropäer oder Angelsachsen kann eine Behörde nicht einfach geschlossen, das Personal verschlankt oder Funktionen outgesourct werden. Es ist alles über Jahrzehnte fixiert.

                    Ich weiß nicht, als junger Mensch würde ich jeden Tag mit einem solchen Staat hadern, der keinen Spielraum für eine Neuorganisation lässt. Nun gut, meine Lebensplanung sieht vor, nicht für immer in diesem Staat zu leben, sondern ihn irgendwann sich selbst zu überlassen und junge Menschen die Freuden extrem hoher Abgaben genießen zu lassen, die sie in der Pubertätsphase ihres politischen Werdens gefordert und gutgeheißen haben.

                    • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 17:52

                      Ja, so hab ich das auch verstanden.

                    • Stefan Pietsch 9. Februar 2023, 18:24

                      Eigentlich ging es ja darum, welche politischen Möglichkeiten zur Abschaffung des Solis bestehen. Aus meiner Sicht keine. Die Politik hat das Zeitfenster 2019/2020 nicht genutzt, das sich aus dem Auslaufen des Solidarpakts II ergab. Man entschied sich für ein politisches Manöver.

                      Jetzt gibt es keine auf der Hand liegende politische Begründung für die Abschaffung der Ergänzungsabgabe. Die Begründung der Politik hat nach über 30 Jahren Deutsche Einheit noch vor dem BFH funktioniert. Dazu muss man wissen, dass die Richter des obersten Finanzgerichts aus der Finanzverwaltung kommen und den Finanzbedürfnissen des Staates wohlwollend gegenüberstehen. Das ist bei Verfassungsrichtern nicht zwangsläufig gegeben.

                      Aber: Die Münchner Finanzrichter haben angedeutet, dass der Bund zunehmend Probleme mit der Begründung bekommt, es beständen tatsächlich noch Sonderbedarfe. Immerhin nähern wir uns dem 40-Jahreszeitraum, so lange bestand die DDR gerade. Spätestens 2030 würde es also völlig absurd.

                      Ich glaube nicht, dass der Soli so lange bestehen bleibt. Ich würde nach wie vor Wetten abschließen, dass Karlsruhe die Abgabe in den nächsten zwei Jahren kassiert. D.h. nicht, dass ich dauerhaft von einer Verringerung der Abgabenlast ausgehe. Dazu muss man sich nur die mittel- und langfristigen Finanzprobleme des deutschen Staates ansehen.

                      Die guten Jahre werden bald enden. Wenn die Zahl der Erwerbspersonen drastisch fällt, ist auch die Sonderkonjunktur vorbei, die wir bisher durch die stetig steigende Erwerbstätigkeit erleben. Dann sinken die Staatseinnahmen und das in einer Situation, wo der Finanzbedarf des Staates eher zunimmt.

                      Gut, meine Lebensplanung sieht nicht vor, in der Zeit in Deutschland zu leben. Wahrscheinlich werde ich mir das eher von außen betrachten. Ich habe nicht verstanden, warum Deine Generation vor 15-20 Jahren für den weiteren Ausbau des Sozialen und Kreditfinanzierung eintrat. Inzwischen erkenne ich bei der Mehrheit der heute 20-30jährigen ein Umdenken. So langsam dämmert jungen Menschen, dass es für sie selbst in einigen Jahren sehr knapp werden dürfte.

                      Anekdote: Einer Mitarbeiterin habe ich Anfang des Jahres eine Gehaltserhöhung von 667 Euro p.m. gegeben. Heute beklagte sie, dass davon nur 200 Euro bei ihr angekommen sind. Das Gros dieser üppigen Gehaltserhöhung hat der Staat gefressen. Würdest Du das als fair bezeichnen?

                    • Stefan Sasse 10. Februar 2023, 07:51

                      Ja, die Einschätzung würde ich teilen.

                      Über deine Frage muss ich etwas nachdenken.

        • cimourdain 8. Februar 2023, 10:38

          Danke für die Ergänzung des [nicht]. So war es natürlich gemeint.

  • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 16:50

    l) Stefan Pietsch muss jetzt ganz stark sein: der Soli ist verfassungsgemäß – noch.

    Der Haken an der Sache: Die Befürworter einer weiteren Ergänzungsabgabe sind blockiert. Nach herrschender Mehrheitsauffassung ist der mögliche Rahmen für eine solche Ausnahme von der Einkommensteuer mit dem Soli ausgeschöpft. Soweit also Pläne bestehen, für den Klimawandel und andere politische Prioritäten Sonderabgaben zu beschließen, sind sie blockiert.

    Die Rechtsfolge des Urteils ist erst einmal, dass der BFH die Entscheidung nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen muss. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich Karlsruhe nicht doch mit dem Soli beschäftigt, nur eben nicht über den Weg der obersten Gerichte. Sollte das Bundesverfassungsgericht in einigen Jahren zu einer gegenteiligen Rechtsauffassung gelangen, so erhielten die Solizahler nicht nur die zuviel gezahlten Steuern, sondern auch Zinsen von 6% p.a. erstattet.

    Also, ich kann das einigermaßen gelassen sehen. Karlsruhe hat in der Rechtsgeschichte häufiger den Kollegen vom BFH widersprochen.

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 18:41

      Das war auch eher scherzhaft gemeint als dass ich damit eine Tiefenanalyse verbinde. Yanking your chain. 🙂

      • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 19:05

        Na ja, die Tiefenanalyse hast Du ja bekommen.

        Die Sache ist eben nicht endgültig entschieden. Derzeit ist eine Klage mehrerer FDP-Abgeordneter, so dem heutigen Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Dann wird die Sache (hoffentlich) abschließend entschieden.

        Schau‘ die Sache ist so: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sah den Soli mit dem Auslaufen des Solidarpakts II als nicht mehr verfassungskonform an. Es gibt also schwergewichtige Interpreten des Grundgesetzes, die einer Klage weiterhin Aussicht auf Erfolg bescheinigen.

        Den Soli für Besserverdiener weiterlaufen zu lassen, ist zuerst eine politische Entscheidung. Dagegen kann ich nichts machen, außer sie hinnehmen. Mein Vertrauen in politische Zusagen ist dadurch natürlich nicht gestärkt, das kann niemand verlangen angesichts der Geschichte der Abgabe.

        Bestätigt Karlsruhe die Münchner Kollegen vom BFH, dann ist die Sache entschieden und ich zahle zurecht eine Reichensteuer. Erklären die Roten Roben die Abgabe für verfassungswidrig, hat dies zweierlei zur Folge: Zum einen wäre bescheinigt, dass der Staat sich wieder einmal zugunsten der Staatskasse über seine eigenen Prinzipien hinwegsetzt. Das würde ich auf ewig hier anführen, wenn wieder jemand mit angeblich verfassungskonformen Verhalten um die Ecke kommt. Zum anderen aber würde es sich finanziell für mich auszahlen. Hey, in Zeiten niedriger Zinsen (bis 2021) und wachsender Unsicherheiten eine Kapitalanlage mit garantieren 6% verzinst zu bekommen, ist nicht das Schlechteste.

        Übrigens: Wir verdanken es den Verfassungsrichtern, dass das Existenzminimum von der Einkommensteuer ausgenommen ist. Der BFH hatte die Besteuerung auch existenziell notwendigen Einkommens für absolut verfassungskonform erklärt.

        • Erwin Gabriel 8. Februar 2023, 02:06

          @ Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 19:05

          Den Soli für Besserverdiener weiterlaufen zu lassen, …

          Das ist die richtige Bezeichnung: Eine Steuer nicht für Reiche, sondern für Besserverdiener.

          Mein Vertrauen in politische Zusagen ist dadurch natürlich nicht gestärkt, das kann niemand verlangen angesichts der Geschichte der Abgabe.

          Volle Zustimmung.

          Ich liege unterhalb der Bemessungsgrenze und muss keinen Soli zahlen, aber das durch die diversen Regierungen exerzierte Prinzip kotzt mich regelrecht an.

          • Stefan Sasse 8. Februar 2023, 09:25

            Der Begriff „Reiche“ ist eh so ein Gummibegriff. Das Gegenteil von „Mitte“. Beim einen wollen alle dabei sein, beim anderen keiner.

            • Erwin Gabriel 8. Februar 2023, 14:38

              @ Stefan Sasse 8. Februar 2023, 09:25

              Der Begriff „Reiche“ ist eh so ein Gummibegriff.

              Korrekt. Für jeden bedeutet er „jemand, der mehr hat als ich“. Das wiederum bedeutet, dass bei zusätzlichen Lasten jeder auf einen (vermutet) Wohlhabenderen zeigt. Das wiederum fördert Neid-Debatten und soziale Spaltung, und fördert, dass fast jeder, der mit einer auf „Reichtum“ basierenden Steuer oder Abgabe belastet wird, sich ausgebeutet und betrogen fühlt.

              Das Gegenteil von „Mitte“.
              Natürlich nicht; nicht einmal was komplett anderes. Es handelt sich doch nicht um einen Schrank mit Schubladen, sondern Du hast ein System mit fließenden Übergängen.

              Zumal hier im Forum offenbar seit geraumer Zeit die Einsicht vorherrscht, dass „Reichtum“ sich vielleicht nicht in Euro und Cent berechnen lässt, aber die grobe Einteilung zwischen „wohlhabend“ und „reich“ (bzw. „vermögend“) sich doch dahingehend treffen lässt, dass Reichtum ein Leben nur aus dem Vermögen ermöglicht; wer für seinen Lebensstandard arbeiten muss, mag vermögend sein, ist aber nicht automatisch aufgrund eines sehr hohen Gehalts reich.

              Des weiteren – ohne, dass ich genaue Angaben machen kann über die direkten Kontributionen der Reichen (nach o. g. Definition) in unsere Gesellschaft und unser System (soll heißen: Schaffung von Arbeitsplätzen, Versorgung der Gesellschaft mit Produkten etc. mal außen vor), so weiß ich doch, dass die obersten 10 Prozent der Einkommen für 90 Prozent der Einkommenssteuer (und für einen Großteil der anderen Steuern) aufkommen.

              Wie irgend jemand auf den Gedanken kommen kann, dass das nicht genug sei, ist mir auf einer gewissen Ebene unverständlich.

              • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:33

                Ich denke nicht, dass reich als „jemand, der mehr als ich hat“ definiert wird. Ich definiere nicht den Stefan als reich, obwohl der sicher mehr hat als ich. Da gibt es schon noch eine Barriere drüber. Aber keine Frage, dass da keine klaren Grenzen bestehen und dass du mit dem betrogen fühlen Recht hast.

                Wie bereits mehrfach gesagt, die Einkommenssteuer ist für mich nichts, an dem man rumspielen müsste.

                • Erwin Gabriel 9. Februar 2023, 20:23

                  @ Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:33

                  Ich denke nicht, dass reich als „jemand, der mehr als ich hat“ definiert wird.

                  Gefühlt 90 Prozent der Normalos tun das, In jedem Fall das Gros der Bevölkerung.

                  Ich definiere nicht den Stefan als reich, obwohl der sicher mehr hat als ich. Da gibt es schon noch eine Barriere drüber.

                  Deine Meinung hat sich im Laufe der Jahre sicherlich ein Stüpck weit geändert.

                  • Stefan Sasse 10. Februar 2023, 07:51

                    Das kann natürlich sein, das merkt man selbst häufig nicht.

            • Thorsten Haupts 8. Februar 2023, 14:51

              Der Grund dafür ist politisch sehr einfach: Beschränkte man „reich“ auf die herkömmliche Definition (die Du ja auch unterschreibst), nämlich „kann von den Erträgen seines Vermögens leben, muss nicht mehr arbeiten“), ist der steuerliche Gewinn von „Reichen“steuern sehr, sehr überschaubar. Wenn man also zusätzlich „nur“ die oberen 5% bis 10% Einkommensbezieher erreichen will/muss, dann wird es politisch zwingend notwendig, den Begriff des „Reichen“ auf diese Gruppe auszuweiten. Und eh voila – genau so verläuft die mediale und politische Reichtumsdefinition seit geschätzt 20 bis 30 Jahren …

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Erwin Gabriel 8. Februar 2023, 16:01

                @ Thorsten Haupts 8. Februar 2023, 14:51

                Und eh voila – genau so verläuft die mediale und politische Reichtumsdefinition seit geschätzt 20 bis 30 Jahren …

                Genau das

              • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:33

                Kein Widerspruch.

  • Detlef Schulze 6. Februar 2023, 17:39

    q) Schon merkwürdig, dass sich die LINKE dafür nicht interessiert…

    Ist nicht so merkwürdig. DIE LINKE ist ja eine deutsche Partei. Warum sollte sie sich zur Ungleichverteilung in Russland aeussern? Es ist natuerlich klar, dass die teilweise Russland-freundliche Einstellung vieler Linker daraus resultiert, weil sie (i) Russland als Nachfahre der Sowjetunion und (ii) Russland als Gegenpol des kapitalistischen Westens ansehen.

    Im Uebrigen, der gezeigte Index ist sehr klein in Sowjet-Zeiten, steigt in der Jelzin-Aera stark an und erreicht Hoechstwerte um das Jahr 2000. Ab dann (unter Putin) sinkt er wieder deutlich, was natuerlich auf der getwitterten Uebersicht nicht zu sehen ist. Es gibt also gar keinen Grund Russland hierfuer zu kritisieren, schon gar nicht von den LINKEN.

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 18:41

      Weil sich zur Ungleichheit in den USA alle ständig äußern?

    • Erwin Gabriel 8. Februar 2023, 16:05

      Detlef Schulze 6. Februar 2023, 17:39

      q) Schon merkwürdig, dass sich die LINKE dafür nicht interessiert…

      Ist nicht so merkwürdig. DIE LINKE ist ja eine deutsche Partei. Warum sollte sie sich zur Ungleichverteilung in Russland aeussern?

      Da geht es ein stückweit auch um die in vielen Fällen unreflektierte Anlehnung an dieses Land, dass so gar nichts mehr mit linken Idealen zu tun hat.

  • cimourdain 7. Februar 2023, 10:03

    1) Ich lese viele Widersprüchlichkeiten: Warum gehst du nicht auf eines der Kernthemen ein, die ökologischen Kosten durch längere Transportwege? Willst du wirklich Geheimdienste (historisch die größten Schieberbanden) grauen Markt kontrollieren lassen? Und der Rest ist Pfeifen im Walde.

    2) Du hast recht, natürlich ist ein Versprecher ein albernes Thema. Mangelnde Unabhängigkeit von Journalisten (was du hier reinrührst) ist es nicht, angesichts von Berichterstattung, die sich wie eine Bewerbung für den nächsten Pressesprecherjob in einem Ministerium anhört.

    3) Ein sehr wichtiger Begriff, ich würde hier nur drei Kategorien herausheben:
    i) Verehrung von Nationalsymbolen, Fahneneid und derartiges. Neben den Beispielen USA und Frankreich fällt das vor allem in Autokratien, wie Nordkorea auf. Aber auf der anderen Seite ist auch im dagegen stark immunisierten Deutschland das entweihen(!) der Flagge Straftat.
    ii) Das Aufwerten von Geschichtsepisoden zur identitätsstiftenden Quasimythologie, was interessanterweise auch gut erklärt, warum Geschichte als Fachbereich so umkämpft ist. Es geht in gewisser Weise darum, welche Teile ‚Kanonisiert‘ werden.
    iii) Die Ideologisierung von Debatten, die sich mit den religiösen Begrifflichkeiten Orthodoxie-Häresie gut beschreiben lässt. Aber auch der aktuell gerne beschworene ‚Systemkonflikt’ hat etwas von manichäischer Eschatologie.

    6) Wir haben hier einen so deutlichen Zielkonflikt: Zum einen sind Minister Leiter von ‚Betrieben‘ mit tausenden Mitarbeitern. Natürlich müssen sie sich in ihrem Bereich auskennen, schon allein um verantwortlich entscheiden zu können. Wir hatte diese Diskussion bei Managern in den 90ern, als der Vorwurf („Nieten in Nadelstreifen“) aufkam, dass diese vor lauter BWL zu wenig vom operativen Geschäft verstünden. Das andere Ziel ist die notwendige (selbst)Vermarktung. Platt gesprochen: Wenn der Schwerpunkt auf Talkshow und Twitter liegt, dann ist er nicht auf Amtsführung.

    8) Zum Thema Mathematik: Du hast letzthin bemerkt, dass der gesellschaftliche Stellenwert von Geschichte für ein Nebenfach sehr hoch ist. Mathematik leidet unter dem umgekehrten Effekt. Einfache Demonstration: Wann war das letzte Mal, als du in den allgemeinen Medien ein Thema aus diesem Bereich wahrgenommen hattest? Wahrscheinlich als Peter Scholze die Fields-Medaille erhalten hatte.

    10) Und so sieht Nationalismus aus: Für die Junge „Freiheit“ zählen nur deutsche Opfer des Krieges, für Putin nur russische, für Melnyk nur ukrainische. Und weil der Rest der politischen Klasse diesen Teil des zweiten Weltkriegs totschweigen möchte, können sich ausgerechnet AfD-Leute da inszenieren.

    a) Zur Beobachtung von Detlef Schulze, dass Polizei nicht effektiver Geld verwendet, wenn es mehr Verbrechen gibt, kommen noch zwei Faktoren: Inflation und Bevölkerungswachstum.

    c) bayerischer Politiker hät Bierzeltrede – jetzt halt auf Twitter. Positiv gesprochen: Wenn es mehr solche Dauerlieferanten ‚saftiger‘ Zitate gäbe, bräuchte man sich nicht über läppische Versprecher aufregen.

    i) Zum Rechtsverständnis kann ich wenig sagen, aber eine andere Beobachtung zur Schweiz ist vielleicht interessant: Sie schlägt sogar Deutschland im Sachen Bildungs-Flickenteppich. Da ist sogar die Frage , ob weiterführende Schulen integriert oder separiert sind, Sache der Kantone.

    t) Ein Whataboutism zu deinem Whataboutism: Heckler & Koch baut aktuell eine Waffenfabrik in Saudi-Arabien. Macht das Baden-Württemberg zum Akteur in dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg dort? Soll ich ein Trollinger-Embargo durchsetzen?

    • Stefan Sasse 7. Februar 2023, 12:34

      1) Tue ich indirekt ja: wir gehen ja generell von den fossilen Brennstoffen weg.

      2) Aber genau diese „mangelnde Unabhängigkeit“ bezweifle ich.

      3i) guter Punkt.
      3ii) Absolut!
      3iii) Ich bin immer etwas skeptisch bezüglich der Religionsparallelen.

      6) Sicher. Aber auch die Selbstvermarktung ist a) nicht an Fachwissen gebunden und b) einfach Teil des Jobs.

      8) Wer hat was erhalten? – Und ja. Das wird praktisch nicht diskutiert. Ich sag es immer wieder: Mathe ist institutionell kaputt.

      10) Ich verstehe den Punkt nicht. Wer schweigt was tot?

      c) Ja.

      i) Bescheuert. 🙁

      t) Als Antwort: nein, tut es nicht.

      • cimourdain 8. Februar 2023, 08:55

        1) Dann ist aber Öl ein schlechtes Beispiel, dort hat es 2022 keinen so deutlichen Rückgang wie beim Gas gegeben.

        2) Agree to disagree

        3)iii) Vielleicht helfen die „Brückenbegriffe“ #Weltanschauung und #Glaubenssystem

        6) Job Politiker: Ja / Job Minister aus der Perspektive des (indirekten) Arbeitgebers: eigentlich nein

        8) Moment, ich rede hier von der Wissenschaft und nicht dem Schulfach. Da kommt es nicht auf die institutionelle Organisation an, sondern auf die ‚Holschuld‘ der Gesellschaft.

        10) Das ist ein Anwendungsbereich dieser identitätsstiftenden Geschichtsmythisierung aus 3)ii). Für die Sowjetunion war der deutsch-sowjetische Krieg Teil der Nationalidentität, der dann auch von Russland weitergeführt wurde (warum das in den anderen Sowjetrepubliken nicht stattfand, möchte ich jetzt gar nicht erörtern). Für Deutschland (West) galt das zwar auch für den Zweiten Weltkrieg in der Gesamtheit, aber mit anderem Fokus – hier war die Shoah Kern der Erinnerung. Wegen dieser unterschiedlichen Perspektive hat sich auch in den Jahren von 1989 bis 2014 keine ‚Symbolgeste‘ der Versöhnung ergeben. Ich meine so etwas wie der Händedruck Kohl-Mitterrand in Verdun. Und diese Lücke instrumentalisiert der Demagoge Putin für seine Propaganda.

        • Stefan Sasse 8. Februar 2023, 09:30

          1) True.

          2) Ok. 🙂

          3iii) Ja, schon eher.

          6) Die Leute beklagen sich immer, wenn Politiker*innen sich nicht gut selbst vermarkten können.

          10) Verstehe.

    • Ariane 7. Februar 2023, 21:23

      6)
      Naja, das Wesen der Politik ist nun mal, dass Selbstvermarktung oder meinetwegen auch Wählerwerbung zum Kern des Jobs gehört. Sonst haben wir Leute wie Heil, die gute Ministerarbeit leisten, nur dummerweise bekommt niemand was davon mit und als nächstes wird ein Scheuer gewählt, der mehr im Rampenlicht steht.

      Zum einen sind Minister Leiter von ‚Betrieben‘ mit tausenden Mitarbeitern. Natürlich müssen sie sich in ihrem Bereich auskennen, schon allein um verantwortlich entscheiden zu können
      Ganz interessant, ich würde allerdings zumindest teilweise widersprechen. Irgendwer meinte mal, die wichtigste Kompetenz von Politikern ist, sich schnell in Themen einzulesen. Siehe auch das Interview von Hedwig Richter, die meinte, Hofreiter wäre an der Bundes-Uni sehr beliebt, weil er das so gut kann. Ich denke, gerade in Bundesministerien sind die Aufgabengebiete einfach zu gewaltig. Wissing kann vielleicht Straßenbaumeister sein, hat dann aber keine Ahnung von Flugsicherheit. (und dann nur auf einem Gebiet expertig unterwegs zu sein, sorgt bestimmt eher für ungute Schräglagen)
      Insofern wäre es höchstens hilfreich, im jeweiligen Ressort schon mal reingeschnuppert zu haben um nicht ganz bei Null anzufangen. Zumindest relevanter als dass Pistorius seinen Wehrdienst in Achim geleistet hat und da mal mit einem Panzer herumgefahren ist.
      Als Gegenbeispiel gerade zu Lambrecht könnte man vielleicht AKK nennen, glaub die ist da auch einfach reingerutscht und hat einen guten Job gemacht.

      • Stefan Sasse 7. Februar 2023, 22:14

        Ja, so sehe ich das auch.

      • Erwin Gabriel 8. Februar 2023, 02:12

        @ Ariane 7. Februar 2023, 21:23

        Irgendwer meinte mal, die wichtigste Kompetenz von Politikern ist, sich schnell in Themen einzulesen.

        Nach meiner Einschätzung scheint die wichtigste Kernkompetenz die der Selbstdarstellung und des Networking zu sein. Danach folgt, sich von eigenen Meinungen und Vorstellungen lösen zu können (vulgo: Kompromissfähigkeit). Danach mag vielleicht fachliche Kompetenz folgen.

        Das spiegelt nicht wieder, was ich für gut halte, sondern das, was ich als Realität wahrnehme.

        • Ariane 8. Februar 2023, 06:36

          Das spiegelt nicht wieder, was ich für gut halte, sondern das, was ich als Realität wahrnehme.

          Ganz interessante Frage, wie Realität und Ideal da zueinander stehen. Mitarbeiterauswahl und -führung würde ich auch noch ergänzen, gerade weil man so sehr drauf angewiesen sind, sich dann die Fachkompetenzen zu holen und sich beraten zu lassen in Detailfragen. Ich finds schade, dass sich die öffentliche Debatte da oft in so flachen Themen bewegt („ist schon mal Panzer gefahren“), allerdings ist die Arbeit der Bundesminister auch schwer einzuschätzen. Man kann ja fast nur die Selbstdarstellung bewerten, zumindest wenn man nicht krasse Deppen wie Scheuer an der Spitze hat.
          Ich fand AKK als Verteidigungsministerin richtig gut, aber die Bewertung bezieht sich auch hauptsächlich auf ihre Persönlichkeit, sprich Rhetorik. Keine Ahnung, ob die Facharbeit nun gut oder schlecht war.

          • cimourdain 8. Februar 2023, 09:07

            Ein unbedingtes Ja bei ‚Mitarbeiterauswahl und -führung‘.

            Aber Krampp-Karrenbauer ist ein interessantes Beispiel, wie im der Politikwahrnehmung da der Marketingaspekt diese Kompetenz schlägt. Es gab da 2021 einen potentiellen Skandal, weil sie im Verteidigungsministerium eine Leitungsposition mit einem früheren Wahlkampfhelfer(?) statt nach Fachkompetenz besetzt hatte. Dank freundlicher Medien ging das sehr geräuschlos über die Bühne.

          • Stefan Sasse 8. Februar 2023, 09:27

            Ja, so geht’s mir auch.

          • Thorsten Haupts 8. Februar 2023, 11:57

            Ich fand AKK als Verteidigungsministerin richtig gut …

            (Auch) Ihr Ergebnis ist die heutige Bundeswehr. Mehr muss man nicht wissen. Als Projektmanager beurteile ich zuallererst Ergebnisse, danach professionelle Anstrengung, Auftritt kommt ganz am Schluss mit Wichtigkeit nahe 0. Exakt die gegenteilige Reihenfolge gilt im Medienzirkus – das erklärt die öffentliche Beliebtheit von AKK, Merkel, Altmeier, Habeck ziemlich zufriedenstellend. Beschwerden an die Wähler, erst dann an den Medienzirkus, bitte.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Erwin Gabriel 8. Februar 2023, 16:15

              @ Thorsten Haupts 8. Februar 2023, 11:57

              (Auch) Ihr Ergebnis ist die heutige Bundeswehr.

              Nicht falsch, nicht richtig.
              Wenn zu Guttenberg und de Maizière mit ihren Eingriffen die (damals noch halbwegs) gesunde Basis der Bundeswehr zerlegten, und von der Leyen sich in ihren gut fünfeinhalb Jahren auf andere Themen konzentrierte, dann sind von Kramp-Karrenbauer in den gut zwei Jahren (mit zunehmendem Stress in Afghanistan) keine Wunder zu erwarten.

              Und wenn ich auf die lange Liste von Versagen schaue, ist zumindest für mich das Bemühen schon ein feststellbarer Unterschied 🙂

          • Erwin Gabriel 8. Februar 2023, 16:00

            @ Ariane 8. Februar 2023, 06:36

            Ganz interessante Frage, wie Realität und Ideal da zueinander stehen.

            Bin mir sicher, dass es besser ist, wenn wir die Antwort nicht erfahren.

            Mitarbeiterauswahl und -führung würde ich auch noch ergänzen, gerade weil man so sehr drauf angewiesen sind, sich dann die Fachkompetenzen zu holen und sich beraten zu lassen in Detailfragen.

            Ich teile diese Einschätzung nur eingeschränkt. Es gibt ganz grob zwei Arten von Führungsverantwortung für Politiker: Innerhalb der eigenen Partei, und innerhalb einer Regierung.

            Innerhalb der Partei ist sicherlich entscheidend, wie man nach außen wirkt und wer mit wem kann. Stimmt die Außendarstellung nicht, holt man keine Verbündeten, landet man nicht in Führungspositionen. Welche Themen man vertritt, ist nachrangig, solange sie breite Zustimmung finden.

            In der Regierung ist nur die Spitze des Ministeriums politisch; der Minister ernennt ein, zwei politische (Staats-)Sekretäre, aber extrem viel organisatorische Macht liegt beim verbeamteten Staatssekretär. Der Apparat selbst ist halt der Apparat, in dem direkte Wirkungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Hier kommt man eventuell mit Umstrukturierung (das Beispiel Verteidigungsministerium hatte das ja vor kurzen Stefan Sasse angesprochen) oder Umorganisation (Beispiel hier: Herauslösen des Bereichs Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen aus dem Umweltministerium) erreichen.

            Was die „Fachkompetenzen“ angeht: In solch einer Position stürmen so viele Meinungen auf einen Minister ein, dass es nicht möglich ist, in jedem Fall richtige, kompetente und ausgewogene Entscheidungen zu treffen. Also vermute ich, dass man meist auf die Empfehlung hört, die dem eigenen Weltbild am Ehesten entsprechen.

            Ich finde es schade, dass sich die öffentliche Debatte da oft in so flachen Themen bewegt („ist schon mal Panzer gefahren“), …

            Ja, aber …

            Panzerfahre ist Folklore, aber wenn eine Ministerin in Stöckelschuhen oder ein Minister im Golf-Outfit daherkommt, disqualifiziert sich diese Person selbst.

            … allerdings ist die Arbeit der Bundesminister auch schwer einzuschätzen. Man kann ja fast nur die Selbstdarstellung bewerten, zumindest wenn man nicht krasse Deppen wie Scheuer an der Spitze hat.

            Zustimmung, bis auf Scheuer. Der war kein Depp. Ich bin mir sicher, dass der genau wusste, was er tat und was er unterließ.

            Ich fand AKK als Verteidigungsministerin richtig gut, aber die Bewertung bezieht sich auch hauptsächlich auf ihre Persönlichkeit, sprich Rhetorik. Keine Ahnung, ob die Facharbeit nun gut oder schlecht war.

            Da schließe ich mich an, ich mochte sie in der Position auch. Klar, die Leistung ist nicht so einfach zu beurteilen; viel Zeit hatte sie ja nicht. Bei den Entscheidungen um den Rückzug aus Kabul hat sie zwar auch die falschen Entscheidungen getroffen mitgetragen, aber da war eher Außenminister Maas im Lead, und der Rest von Merkel bis Seehofer sind dem Prinzip Hoffnung gefolgt.

            Gefallen hat mir, dass sie die Aufgabe mit Respekt angenommen hat; Ursula von der Leyen hat das Amt nur als Zwischenstufe für größere Aufgaben gesehen und zur Selbstdarstellung genutzt, und Christine Lambrecht, schien weder zu wissen, wie sie da hingekommen ist, noch, was sie da sollte. Das war bei Frau Kramp-Karrenbauer spürbar anders.

        • Stefan Sasse 8. Februar 2023, 09:26

          Ich denke, Ariane und ich reden eher von dem, was für die kompetente Ausübung des Amts notwendig ist. Die von dir genannten Kompetenzen sind natürlich elementar, um es überhaupt bekommen und behalten zu können. Aber da nehmen sich ja Politiker*innen und CEOs nichts.

          • Stefan Pietsch 8. Februar 2023, 11:35

            CEOs kommen fast ausschließlich aus den Bereichen Sales, Produktion, Finanzen. Sie verstehen damit sehr viel von den Feinheiten des Geschäfts, was sie qualifiziert.

            Marketing, HR, Einkauf werden oft nicht einmal mit einem Vorstandsresort bedacht.

            • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:29

              Ohne Netzwerken und Selbstdarstellung kommen sie an den Posten nicht, das war mein Punkt. Da brauchst auch eine spezifische Sorte Mensch.

              • Erwin Gabriel 9. Februar 2023, 20:33

                @ Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:29

                Ohne Netzwerken und Selbstdarstellung kommen sie an den Posten nicht, das war mein Punkt. Da brauchst auch eine spezifische Sorte Mensch.

                Grundsätzlich richtig. Aber der Punkt vom anderen Stefan war, dass sich in der Wirtschaft die Auswahl der Selbstdarsteller aus dem Pool der Kompetenten bedient, während in der Politik praktisch ausschließlich entweder Selbstdarsteller (Sigmar Gabriel, oder auch Frau von der Leyen; letztere war Familienministerin und übernahm anschließend Verteidigung) oder Loyalität (etwa Thomas de Maizère oder Peter Altmaier; die konnten beide immer alles, zumindest letzterer aber nie etwas richtig).

                • Stefan Sasse 10. Februar 2023, 07:53

                  Scholz, Lindner, Habeck, Baerbock fallen alle nicht in die Kategorie Selbstdarsteller oder Loyalität. Nur so aus der Top-Riege. Ich halte das Urteil für viel zu pauschal.

                  • Erwin Gabriel 10. Februar 2023, 12:06

                    @ Stefan Sasse 10. Februar 2023, 07:53

                    Scholz, Lindner, Habeck, Baerbock fallen alle nicht in die Kategorie Selbstdarsteller oder Loyalität.

                    Stimmt, die Kategorie für Scholz habe ich vergessen, weil es nicht so oft vorkommt: Der „letzte, der übrig blieb“. 🙂

                    Die anderen drei fallen in die Kategorie Selbstdarsteller. Lindner war, als er Parteichef wurde, auch der letzte, der noch über war, und hat dann sehr viel über Selbstdarstellung gemacht. Baerbock und Habeck fallen ganz klar in die Kategorie Selbstdarsteller.

                    Dass jemand Selbstdarsteller ist oder über Loyalität mitgezogen wird, soll nicht heißen, dass die betreffende Person ansonsten inkompetent ist, sondern nur, dass das primäre Auswahlkriterium nicht die Kompetenz war. Habeck hat sich hierzulande eine Weile als „Brad Pitt aus dem Norden“ feiern lassen (ich wohne in Schleswig-Holstein). Er ist immer über Auftreten und Reden gekommen, hat immer die Bedenken seiner Zuhörer aufgenommen, und wird dadurch für kompetent gehalten. Er ist Kinderbuch-Autor, alles andere kommt von Beratern.

                    Themenwunsch: Es wäre mal spannend zu betrachten, welche Potentiale in den einzelnen Parteien liegen: Wer ist in fünf Jahren bei welcher Partei am Zug; wer hat das Potential für mehr … ?

                    • Stefan Sasse 10. Februar 2023, 18:49

                      Ok…wer ist dann KEIN Selbstdarsteller?

                      Themenwunsch als Artikel meinst du?

                    • Erwin Gabriel 11. Februar 2023, 12:56

                      @ Stefan Sasse 10. Februar 2023, 18:49

                      Ok…wer ist dann KEIN Selbstdarsteller?

                      Thomas de Maizère, zum Beispiel. Ein Stück weit Olaf Scholz. Annegret Kramp-Karrenbauer. Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Saskia Esken. Janine Wissler. Bernd Lucke. Hubert Ailwanger.

                      Themenwunsch als Artikel meinst du?
                      Ja 🙂

                    • Stefan Sasse 11. Februar 2023, 14:26

                      Strack-Zimmermann? Das kann nicht dein Ernst sein. Ich find sie auch super, aber wenn das keine Selbstdarstellerin ist, dann ist es auch keiner der anderen. Dem Rest stimme ich halbwegs zu.

                      Da kann ich leider nicht dienen; ich interessiere mich viel zu wenig für Personal. Das ist ein journalistisches Genre, das ich meide wie der Teufel das Weihwasser. Mich interessieren vor allem Strukturen.

      • cimourdain 8. Februar 2023, 08:35

        Anmerkung zu Hedwig Richter und Hofreiter: Sie schreibt, dass er wegen seiner Kompetenz i.S. Waffensysteme beliebt ist. Er sitzt da in gewisser Weise an der Quelle, in seinem Wahlkreis (München-Land) sitzen mehrere wichtige Rüstungsunternehmen (prominent Krauss-Maffei-Weegmann)

        • Stefan Sasse 8. Februar 2023, 09:28

          Interessanter Punkt, aber ich glaube, er hat sich erst zu Beginn der Ukrainekrise da eingearbeitet. Vorher wäre er mir nicht als Verteidigungsexperte aufgefallen.

          • cimourdain 8. Februar 2023, 10:48
            • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:26

              Der zweite ist hinter Paywall, aber der Teaser ist schon aussagekräftig genug. Ich bin generell nicht so der Fan von „Umfallen“. Zwischen 2015 und 2022 hat sich halt einiges getan.

              • Thorsten Haupts 9. Februar 2023, 11:00

                Na ja. Die Blitzwandlung der Grünen vom Protagonisten des deutschen Bequemlichkeitspazifismus zu Bellizisten war 2022 genauso atemberaubend, wie die während der Balkankriege in den neunzigern. In eine Partei, die ausser der LINKEN den geringsten Solatenanteil im deutschen Parteienspektrum aufweist. Da fällt auch mir „Umfallen“ ein. Wofür ich zwar aktuell durchaus dankbar bin, nur mache ich sehr dicke Fragezeichen hinter die Nachhaltigkeit dieser Blitzwandlungen.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Pietsch 9. Februar 2023, 12:04

                  Grüne Politiker haben sich auf den Wertewandel ihrer Wählerschaft eingestellt: Die Mehrheit junger Menschen steht militärischen Interventionen aus humanitären Gründen nicht so ablehnend gegenüber, wie das fast alle ihrer Spitzenpolitiker tun.

                  Vor einigen Wochen war interessant zu beobachten, wie in einer der vielen Talkshows zum Ukrainekrieg praktisch alle Diskutanten im Alter 50-70 betonten, dass sie eigentlich Pazifisten seien. Es ist die Generation, die seinerzeit im Bonner Hofgarten gegen den NATO-Doppelbeschluss demonstrierte.

                  • cimourdain 9. Februar 2023, 17:29

                    Zwei Beobachtungen zur ‚professionellen‘ Politsprache:

                    – „…dass sie eigentlich Pazifisten seien“: ‚eigentlich‘ macht aus einer Aussage das Gegenteil, besonders wenn es mit einer weiteren Relativierung verwendet wird. Hörbeispiel: „Eigentlich habe ich nichts gegen XYZ, aber…“

                    – Wer von „militärischen Interventionen aus humanitären Gründen“ spricht, möge zur Verlogenheit des Begriffs „Sonderoperation“ schweigen.

                    • Stefan Pietsch 9. Februar 2023, 18:07

                      Na ja, es ist ein allgemeiner Begriff, der Mittel und Ziel beschreibt.

                      Ich war ja nie Pazifist. Putin führt einen imperialen Krieg zur Eroberung eines fremden Staatsgebiets zwecks wirtschaftlicher oder sonstiger Ausbeutung. Das ist die klassische Kriegsform. Mein „Ideal“ sind der erste Irakkrieg und der Kosovokrieg, also die gezielte, punktuelle Bombardierung Belgrads. Mittels Einsatz kriegerischer Mittel wurde ein brutaler Aggressor und Invasor gezwungen, auf die weitere Kriegsführung und Vernichtung der Zivilbevölkerung zu verzichten bei geringen Opferzahlen.

                      Das muss Ihnen nicht gefallen, aber Sie könnten die Beschreibung respektieren.

                • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 17:51

                  Ich halte das für eine völlige Fehlinterpretation. Das sind ja nicht nur Abgeordnete. Alle Umfragen zeigen deutlich, dass die WÄHLENDENSCHAFT der Grünen am emphatischsten hinter der Ukraine steht. Die unsichersten Kantonisten unter den demokratischen Parteien sind die FDP!

                  • Thorsten Haupts 9. Februar 2023, 20:47

                    Die GRÜNEN waren bis 2021 DIE Partei des deutschen Bequemlichkeitspazifismus und haben – erst in Form der Friedensbewegung, dann als deren politischer Erbe – die deutsche Verteidigungsunfähigkeit am stärksten und leidenschaftlichsten mit vorangetrieben. Da beisst keine Maus einen Faden ab – und dass die GRÜNEN Wähler jetzt „empathisch“ hinter der Ukraine stehen, nützt angesichts der Einsatzunfähigkeit der Bundeswehr und der ihr folgenden Lieferunfähigkeit schlicht gar nichts. Typisch neudeutsch, nämlich folgenlos.

                    Die Soldatenverachtung des grünen Sympathisantenfeldes habe ich in BW-Uniform in der Öffentlichkeit noch selbst erleben dürfen.

                    Ganz nebenbei misstraue ich denjenigen meiner Vorgesetzten am stärksten, die mir versichern, sie stünden voll hinter mir …

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Erwin Gabriel 9. Februar 2023, 23:47

                      @ Thorsten Haupts 9. Februar 2023, 20:47

                      Ganz nebenbei misstraue ich denjenigen meiner Vorgesetzten am stärksten, die mir versichern, sie stünden voll hinter mir …

                      Kannte mal einen, der ständig betonte, dass er hnter seinen Leuten stehe. Sein Stellv. war von anderem Kaliber. Der sagte, dass er vor den Leuten stehe, statt sich hinter ihnen zu verstecken. Tat er auch.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 10. Februar 2023, 07:56

                      Oh cool, hast du eine Anekdote?

                    • Stefan Sasse 10. Februar 2023, 07:55

                      Das stimmt doch einfach nicht. Wenn es eine bequemlichkeitspazifistische Partei gibt, dann wohl die SPD. Und die linke Basis war und ist schon immer bundeswehrfeindlich, egal ob bei LINKE, SPD oder Grüne. Aber ich glaube, du willst FDP und CDU echt auch nicht an ihrer Parteijugend messen.

                    • Thorsten Haupts 10. Februar 2023, 14:41

                      Bin ja gerne bereit, Dinge zu diskutieren. Auf der Basis von Fakten:

                      – Bis 1994 einschliesslich forderten die GRÜNEN (Bund) die Auflösung der Bundeswehr
                      – Noch bis mindestens 8. November 2001 lehnten 11 der 16 grünen Landesverbände die Beteiligung Deutschlands am Afghanistaneinsatz ab
                      – Erst nach der Regierungsübernahme von Rot/Grün 1998 äusserte sich die jetzt in Regierungsämtern ansässige Parteispitze erstmals (!) positiv zur NATO, und auch das sehr wahrscheinlich nur aus taktischen aussenpolitischen Erwägungen heraus
                      – Noch im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 lehnten die GRÜNEN es entschieden ab, sich das 2% Ziel zur Finanzierung einer angemessen ausgestatteten deutschen Armee zu eigen zu machen
                      – Unter den jüngeren Abgeordneten (Jahrgang grösser/gleich 1978) gab es bei den GRÜNEN 2018 nicht einen einzigen, der Wehrpflicht geleistet hatte (FDP: 5)

                      Also lass mich bitte mit der wundersamen Wandlung der GRÜNEN zufrieden, die ist so belastbar wie ein Kartenhaus.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 10. Februar 2023, 18:53

                      1994 ist 30, 2001 20 Jahre her. Zu der Zeit war es in der CDU noch heiß umkämpft, ob man Vergewaltigung in der Ehe gutfindet und ob man Zwangsarbeiter*innen entschädigen soll. Oder ob es patriotisch ist, sich an den Holocaust zu erinnern. Vielleicht lassen wir Mottenkiste einfach zu.

                      Dass die Grünen sich da massiv gewandelt haben, steht ja außer Frage. Aber ich verstehe nicht, wie du deswegen darauf kommst, dass diese Wandlung nicht belastbar sei.

                    • Thorsten Haupts 10. Februar 2023, 23:09

                      Siehe weiter unten 🙂 .

  • cimourdain 9. Februar 2023, 11:34

    6) Ein Nachtrag zum Konflikt zwischen Ministeramt und Selbstvermarktung:
    Die Innenministerin begibt sich da in (juristisch) ziemlich unübersichtliche Gewässer.
    https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/nancy-faeser-innenministerin-spitzenkandidatin-landtagswahl-hessen-spd-twitter-umwidmung-amtlicher-in-privater-account-unzulaessige-einwirkung-auf-wahlkampf/

  • cimourdain 9. Februar 2023, 12:05

    Nachtrag zu 7)
    De Santis möchte auch Mathematik-Lehrbücher als zu ‚woke‘ vom Unterricht ausschließen. Das könnte aber auch ganz andere Gründe als Kulturkampf haben:
    https://truthout.org/articles/desantis-ban-on-math-books-financially-benefits-another-anti-crt-gop-governor/

    • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 17:52

      Ich würde das nicht überbewerten. Da geht es hauptsächlich um Politik, nicht finanzielle Interessen. Das läuft eher umgekehrt: Verlage, die davon profitieren, sind natürlich GOP-nah.

  • Floor Acita 10. Februar 2023, 20:38

    k)
    Kann Dich hier nicht nachvollziehen. Ich finde sie stammelt, macht gerade keinen guten job das Wort zu definieren. Dagegen finde ich seine Definition wesentlich einleuchtender. Die mag aus den 30ern sein, aber wieso „verwendet ihn keiner“ „im 21. Jahrhundert“ „in der ursprünglichen Bedeutung“? Was er beschreibt ist genau was ich höre, höre ich den Begriff woke? Jeder den ich kenne verwendet den Begriff in dem Sinn? Nenne mir mal umgekehrt ein paar Leute die den Begriff in ihrem Sinne verwenden – als Selbstbezeichnung/-identifikation wohlgemerkt. Ansonsten hätte er ja keinerlei Bedeutung? Wieso sollte ich meinen politischen Gegner ‚woke‘ nennen, hier ist doch schon eine Selbstidentifizierung insinuiert die dann abgelehnt wird oder verstehe ich was falsch? Und das war bei political correctness doch nicht anders oder sind beide Begriffe d.E. auf der rechten Seite des politischen Spektrums entstanden als reine Fremdbezeichnung? Aber warum werden beide dann aus der Ecke immer so ausgesprochen als lehne man das Wort selbst ab? Bin verwirrt…

    • Stefan Sasse 11. Februar 2023, 09:43

      Es nennt sich auch keiner neoliberal. Solche politischen Schimpfworte gibt es immer. Oder wer nennt sich denn heute „Faschist“?

      • Floor Acita 14. Februar 2023, 06:23

        Aber wieso nennst Du das dann ehrlich? Wie soll denn jemals eine sinnvolle Auseinandersetzung – letztendlich ja um Phänomene, nicht Worte – möglich sein, wenn ständig Definitionen geändert, aus dem Zusammenhang gerissen und umgedeutet werden? Faschist war eine Selbstbezeichnung, wurde dann von u.a. Umberto Eco versucht allgemeiner zu fassen. So sollte es m.E. auch verwendet werden. Letztendlich sind solche Worte / Wortdefinitionen meist das Resultat akademischer Auseinandersetzung. Dazu kommt noch, dass Worte die dem AAVE entlehnt sind ja explizit kreiert wurden um über Rassismus zu sprechen.

        Eine bewusste Strategie und Taktik den gesellschaftlichen Diskurs zu torpedieren / vergiften, kann daher m.E. nicht als harmlos bezeichnet werden / „blosse Definition“ sein. Im Gegenteil SOLLTE der Finger m.E. in genau diese Wunde gelegt und die Leute daran erinnert werden, was sie da eigentlich sagen. Warum sollte ich das unehrlich nennen?

        Wir haben Jahrzehnte lang Worte wie Mohr, Neger etc „unbeschwert“ verwendet und hatten trotzdem gesellschaftliche Debatten dagüber. Die Strategie hinter der Umdeutung von woke, canceln etc ist m.E. wesentlich perfider als einen Schwarzen „schwarz“ auf Latein zu nennen…

        • Stefan Sasse 14. Februar 2023, 14:21

          Aber das ist doch normal im politischen Diskurs? Ich meine, wir Linken haben mit „neoliberal“ doch dasselbe gemacht.

  • Thorsten Haupts 10. Februar 2023, 21:16

    Weil´s hier so schön herpasst:

    Die Schrumpfung des Sondervermögens für die Bundeswehr.

    https://www.welt.de/politik/deutschland/plus243711843/Bundeswehr-Sondervermoegen-schrumpft-um-13-Milliarden-Euro.html

    Grüne Zeitenwende, my ass.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 11. Februar 2023, 09:44

      Jepp. Aber das verwundert nicht – es sind dieselben Mechanismen wie überall. Warum sollten die ausgerechnet hier nicht greifen? Das ist ja systemisch.

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