Sinema macht in Bautzen auf dem Fahrrad einen Sandwich und postet das Bild mit Impfungen bei Facebook – Vermischtes 09.01.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Was, wenn die besten Jahre vorbei sind?

Dies ist keine Untergangsprognose, kein Doomismus, kein Adventismus. Für viele Menschen wird das Leben in zwanzig oder dreißig Jahren die meiste Zeit über sehr gut sein und für einige sogar viel besser als das Leben heute. Wir stehen nicht am Ende von allem, nur am Ende der begründeten Hoffnung auf das »immer besser«, das natürlich, dazu gleich mehr, bis zu einem gewissen Grad immer eine Illusion war, ein Selbstbetrug. Es bedeutet dennoch eine Schubumkehr der Geschichte. Die Notwendigkeit, uns völlig neu in der Zeit zu orientieren, politisch, als Gesellschaft, als Einzelne. Sind wir darauf auf nur ein kleines bisschen vorbereitet? Auf die Scham, die Angst, die Schuld, die Konflikte, die Unsicherheit, die neuen Fragen? […] Gesellschaften, die den Mangel verwalten mussten, gab und gibt es reichlich. Kollektive, die den sicheren Untergang vor Augen haben, ebenfalls. Aber wie entwirft man in dieser Zwischenwelt ein politisches Programm, das mitreißt und anschiebt, aber dabei trotzdem ungeschönt die Wirklichkeit anerkennt? Wie orientiert sich eine Gemeinschaft, die weder der Apokalypse entgegensieht noch der goldenen Zukunft, sondern der stetigen Erosion? (Jonas Schaible, SpiegelOnline)

Genau diese von Jonas angesprochene Thematik habe ich als das „Sandwich-Problem der Politik“ bezeichnet. Völlig unabhängig davon, was man von den jeweiligen Maßnahmen hält – Degrowth, massive Investments, was auch immer -, sind diese Schübe so riesig, die Herausforderungen so gewaltig und die Maßnahmen so umfassend, dass sie im Rahmen normaler demokratisch-pluralistischer Politik überhaupt nicht bewältigbar sind. Angesichts der Unmöglichkeit, in so großem Ausmaß zu handeln, verfällt man dann gerne in den Schwarz-Weiß-Trugschluss, dass dann gar nichts möglich ist, und ignoriert den „Kleinkram“ in der Mitte des Sandwichs, der zwar das Problem individuell nicht löst, in der Summe aber viel beiträgt.

2) How do you solve a problem like Facebook?

[…] it’s pretty common knowledge that Facebook discovered early on that outrage was the emotion that kept people engaged and kept them coming back. So their algorithms were tuned to focus on posts that created outrage. In the political world that means hard left and hard right. I assume that our editorial colleagues on the conservative side faced similar pressures from Facebook in the opposite direction. So we ended up with small but influential cadres of insane wokeness on the left and big influential cadres on the right who produced Donald Trump. Things were always worse on the right because Facebook never had as much control there. Fox News was the big kahuna, and they controlled the outrage. Unluckily for all of us, they preferred more outrage than Facebook. That was their business from the start, after all, not just the bloodless consequence of geeks tuning an algorithm to get more hits. Dialing down this outrage is the task of the rest of the decade. We just have so many bigger fish to fry than whether critical race theory is taking over our kindergartens or cutting early voting by three days is bringing back Jim Crow. But I don’t know how we’re going to get there. (Kevin Drum, Jabberwocky)

Ich will zu Beginn die Prämisse Drums stützen, dass es a) überhaupt ein Problem ist und b) eines, das „wir“ lösen müssen. Denn letztlich ist Facebook (pars pro toto, in meinem Verständnis) ein Privatunternehmen, das ein Produkt anbietet. Aber ich habe hier schon öfter gesagt, dass das ein Kategorienfehler ist: letztlich stellt Facebook (wie auch Twitter et al) einen öffentlichen Raum dar, der eben nicht dem Verfügungsbereich eines Privatunternehmens unterliegt.

Die von ihm kritisierte Dynamik ist ja auch kein Problem, das nur Facebook betrifft, wie er das ja auch sagt. Nur dass es dort eben einprogrammiert ist und ohne weiteren menschlichen Input passiert, während Leute wie Tucker Carlson sich jeden Tag aufs Neue dazu entscheiden, das zu tun. Ich wüsste aber nicht, wie man eine vernünftige Regulierung schreiben sollte, die den Algorithmus vorschreibt, der dieses Problem umgeht. Ein wirklich hartes Problem.

3) Kyrsten Sinema Is Playing Chicken

Sinema’s declaration of independence from the party is a ploy to avoid the primary and keep her job. Democrats could still run a candidate against her in the general election, of course, but they would face an extremely difficult prospect of winning. So her calculation in leaving the party is that she can bluff it into sitting out the campaign altogether, endorsing her as the lesser-evil choice against the Republican nominee. It may work. If it doesn’t, it is because Sinema has underestimated just how much ill will she has generated across the breadth of the Democratic Party by reconceptualizing her role as the personal concierge of the superrich. In an op-ed announcing her move, Sinema presents her defection from the party as a response to popular demand, lacing the prose with repeated references to “everyday Americans,” such as: “There’s a disconnect between what everyday Americans want and deserve from our politics, and what political parties are offering.” That may be true, but the problem is that everyday Americans demonstrably do not want what Sinema is offering. The primary disconnect in American politics is that Democrats are to the left of the public on social issues, and Republicans to the right on economic issues. Both parties are pulled to these extremes by activists and donors. Sinema’s unique brand is a more extreme version on both dimensions. She has combined a cosmopolitan, progressive social-issue profile with a far-right economic agenda, the appeal of which is confined to an extremely rarified circle of affluent libertarians. […] Sinema’s willingness to carry water for even the most politically toxic elements of the plutocratic agenda has generated cynicism and suspicion on the left. But it is difficult to discern any personal interest she is advancing through these positions. That she has put her own political future at risk suggests the motivating force is genuine conviction, albeit of a pathetically gullible variety. Sinema seems to have grown so receptive to special pleading from the wealthy that she is unable to distinguish between their interests and those of the public. (Jonathan Chait, New York Times)

Das amerikanische primary-System funktioniert nicht richtig, das wird hier einmal mehr klar. In der Theorie sollte es dazu führen, dass die Kandidat*innen vorher bereits durch eine Art Auswahlprozess laufen und dass entsprechend Auswahl existiert. In der Praxis verzerren aber mehrere Faktoren diesen Prozess in eine sehr ungesunde Richtung. Der erste Faktor, und der wichtigste, ist die Polarisierung der US-Politik. Dadurch, dass sich keine Seite vorstellen könnte, unter irgendwelchen Umständen Kandidat*innen der Gegenseite zu wählen, gibt es keinerlei Anreiz zur Moderation.

Das führt zum zweiten Faktor, denn die Vorwahlen haben eine extrem geringe Wahlbeteiligung (zwischen 5-15% üblicherweise) und sind heftig in Richtung der jeweiligen Aktivist*innen verzerrt, weswegen radikale Kandidat*innen bessere Chancen haben. Je sicherer ein Wahlkreis, desto ideologisch randständiger kann ein*e Kandidat*in sein. In Sinemas Fall kann sie sich halten, weil das Mehrheitswahlrecht des US-Systems bedeutet, dass entweder sie oder ein Republican gewählt wird. Obwohl praktisch niemand sie will, hat sie deswegen gute Chancen, im Amt zu bleiben – ein perverses Resultat.

4) Da geht noch was

Gute Auswege sind gar nicht so schwer. Jeder erste Parkplatz an jeder Ecke einer Straßenkreuzung könnte – mit Pollern gesichert – ein Radstellplatz werden. Aufwand und Verlust wären gering, die Sicht auf die Straße besser, Fahrräder verschwänden von Gehwegen. Leihfahrzeuge müssten generell auf der Straße geparkt werden, ebenso Motorräder – theoretisch geht das laut Verkehrs- und Umweltsenatorin Bettina Jarasch jetzt schon; praktisch ändert sich das nur mit dafür abgesperrten Flächen. Vor Schulen und Kitas könnte wie in Paris der Bürgersteig so verbreitert werden, dass hier keine Autos mehr halten – so wären Kinder weniger gefährdet. Dazu bessere Ampelschaltungen, klar. Und es muss sowieso mehr gehen: Für einen klimagerechten Umbau Berlins braucht es Grünstreifen, Versickerungsflächen, Trinkbrunnen, auch Bänke für älter werdende Menschen in einer heißer werdenden Stadt. Warum sollte all das auf Bürgersteige gepflanzt werden und die klimafreundlichste Fortbewegung behindern? Es führt kein Gehweg dran vorbei: Das herumstehende Auto muss dem herumgehenden Menschen mehr Platz machen. Aus Standstreifen müssen städtische Mischstreifen werden. Berlin wäre dann nicht Bullerbü, sondern wirklich eine moderne Metropole. (Robert Ide, Tagesspiegel)

Bevor jemand denkt, dass hier mal wieder nur grüne Fanatiker*innen das Auto zerstören wollen, auch der FDP-Politiker Johannes Vogel bläst in dieses Horn. Die einseitige Ausrichtung der Verkehrsinfrastruktur auf das Auto wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit mehr und mehr in die Kritik geraten und ihren Status als „normal“ verlieren. Für die Metropolen scheint mir dieser Prozess langsam auch in Gang zu kommen, wenngleich Deutschland da international noch Nachholbedarf hat. Aber für alles, was nicht Millionenstadt ist, sehe ich bislang keinerlei Konzepte vorliegen. Zwar wird gerne betont, dass der ÖPVN für „Menschen auf dem Land“ (eine extrem fluide Kategorie) keine Alternative darstellt, weil viel zu wenig in der Fläche verankert, aber was genau dann die Alternative ist, bleibt merkwürdig unbeantwortet.

5) Bautzener Verhältnisse

Das war kein Versehen, kein Ausrutscher und schon gar kein Einzelfall, genauso wenig wie die gemeinsame Abstimmung mit der AfD in der Woche zuvor. Da rechtfertigte sich die CDU-Fraktion im Kreistag mit dem ebenfalls bekannten Argument, es gehe auf kommunaler Ebene nicht um Parteipolitik oder „Kindergartenspielchen“, wie sich der CDU-Fraktionschef im Kreistag ausdrückte, sondern um die Sache. Und Witschas, der ebenfalls mit der AfD gestimmt hatte, ergänzte, dass er „mit allen Kreisräten vernünftig“ zusammenarbeite. Also auch mit jenen von der AfD. Oder vielmehr: gerade mit jenen von der AfD. Denn der Antrag, Integrationsleistungen für abgelehnte Asylbewerber zu kürzen, hat mit Sachpolitik wenig zu tun. Es geht dabei lediglich um Zuschüsse des Landkreises zu Sprachkursen oder Beratungen zu Kita- und Schulbesuch, insgesamt eine überschaubare Summe. Für die Einwohner würde das keinen Unterschied machen, für einige Asylbewerber sehr wohl. Und genau darum geht es. Der Antrag oder Reden wie die von Witschas’ Video besitzen einen hohen Symbolgehalt. Die CDU-Basis rebelliert damit gegen eine Asylpolitik, die sie nach Merkels Abschied nun durch die Ampelkoalition in Berlin auch noch verschärft sieht. Es geht darum, „denen da oben“, also in Berlin und auch dem Westen, von dem man sich ohnehin nicht verstanden fühlt, eins auszuwischen. Und die entsetzten, zum Teil auch maßlos übertriebenen Reaktionen von dort bestärken die Verursacher insgeheim in dem Gefühl, die Schmerzpunkte getroffen zu haben. […] Allerdings geht es manchen in der Union auch um tatsächliche politische Nähe, die sie zur AfD fühlen. Dafür spricht, dass viele in der sächsischen CDU auch mit Vertretern der Linken persönlich vertraut sind, aber mit ihnen nicht gemeinsame Sache machen. Im Gegenteil. Da funktioniert die Abgrenzung, die von der Basis nicht nur begrüßt, sondern eingefordert wird. […] Die Linke sei eine verfassungsfeindliche Partei, heißt es an der CDU-Basis. Auf die Frage, ob selbiges auch auf die AfD zutreffe, gibt es sehr differenzierte Antworten. Selbst über abfällige Äußerungen, Beleidigungen und Beschimpfungen durch AfD-Vertreter sehen CDU-Mitglieder erstaunlich großzügig hinweg. (Stefan Locke, FAZ)

Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass es nicht mehr lange dauert, bis wird wir in Sachsen oder Thüringen die erste CDU-AfD-Koalition haben. Es ist auffällig, wie sehr die östlichen Landesverbände von der Bundes-CDU emanzipiert sind. Ich kenne mich zu wenig aus, um zu wissen, ob das mit der SPD ähnlich ist; die ersten Koalitionen mit der LINKEn gab es ja auch hier. Weiß da jemand mehr? Aber Merz scheint mir da auf einem ziemlichen Pulverfass zu sitzen. Die Bundes-CDU hat eine Linie vorgegeben, die von den Landesverbänden mindestens mal Thüringens und Sachsens, gelinde gesagt, so nicht geteilt wird. Das ist ganz schön explosiv, und ich bezweifle ehrlich gesagt, dass Merz sich dem ernsthaft entgegenstellen könnte. Diese Frage hat die SPD jahrelang zerrissen und mindestens mal Kurt Becks Vorsitz torpediert, aber an der Quadratur dieses Kreises scheiterten sie letztlich alle.

6) Government action to hold down energy bills will save lives in Europe

Even with government interventions, prices this year are far higher than they were from 2000 to 2019. This is the period our model used to determine the relationship between energy prices and deaths. It is impossible to know whether the relationship remains the same now. Assuming it does, we estimate that price cushions on residential retail electricity in our set of 19 countries will reduce energy prices by around 22% on average, and cost around €140bn between October 2022 and April 2023. We estimate that this will save around 75,000 lives over the same period—at an average cost of €1.8m per person saved. The advantages of that spending for its beneficiaries go beyond saving lives: many people will be warmer, will have more to spend on other essentials and will have greater peace of mind (although the reverse will be true for those suffering from higher prices elsewhere in the world as a result of these subsidies). More targeted measures might have done this more cheaply, and resulted in better conservation of scarce global energy supplies. Data collected by Bruegel, an economic think-tank, on 29 European countries—the 27 EU states plus Britain and Norway—indicate that all but two have introduced cash transfers to vulnerable groups on top of price subsidies. Studies have shown that such targeted transfers reduce the number of deaths over winter, and improve the health of elderly people by enabling them to heat their homes. The exact impact that these measures will have this year is hard to model. Confining support to poor households and the old may be a cheaper way of reducing the death toll this winter. But most governments have chosen to cut the cost of cosiness for everyone. (The Economist)

Einmal abgesehen davon, dass diese Rechnungen sich immer leicht pervers anhören, sollte eigentlich nichts davon allzu überraschend sein. Es sterben weniger Leute im Winter, wenn sie nicht frieren müssen? Das wussten schon die Höhlenmenschen. Und dass direkte Geldtransfers die beste und effizienteste Methode aller sozialstaatlichen Leistungen sind, schreibe ich hier schon seit Jahren. Wären Transfers nur für die ärmeren Schichten die effizientere Methode gewesen? Ohne Zweife. Waren sie politisch möglich? Ohne Zweifel nicht. Seit dem Beginn der Krise um die Gaspreise im letzten Oktober war für mich klar, dass der Staat in irgendeiner Weise intervenieren würde. Kein Staat kann solche Preissteigerungen im Grundbedarf der Menschen hinnehmen und erwarten, seine Legitimität zu behalten. Und genauso kam es auch.

7) How Vaccine Skeptics Took Over the Republican Party

It is worth noting that DeSantis didn’t have a surgeon general on hand who happened to turn crazy on vaccines. He recruited him from out of state specifically because of his crank anti-vaccine beliefs. DeSantis took these steps, because the anti-vaccine movement is a vocal constituency within his party. Promoting vaccine skepticism wins over support without alienating pro-vaccine conservatives, who continue to justify his position as merely anti-mandate. The asymmetry of willpower between the fanatics and people who are determined to remain their coalition partners has shifted the party’s center of gravity sharply rightward. Not only have Republicans turned against the COVID vaccine, but they are turning against other vaccines. One survey finds only 22 percent of Republicans have gotten a regular flu shot this fall — as opposed to 49 percent of Democrats. In a healthy party, pro-vaccine Republicans would be able to fight back. But on this issue, just as has happened with all the others, they have helplessly allowed the fanatics to win. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Kevin Drum beschreibt die Dynamik als „Out-Trumping Trump„. Die Kandidat*innen überbieten sich gegenseitig in radikalem Quatsch. Vieles davon ist vorauseilender Gehorsam: um sich ja keine ideologische Blöße zu geben, rammt man die Pflöcke so weit außen ein wie irgendwie möglich. Das wird durch das Wahlsystem auch direkt belohnt (siehe Fundstück 3). So werden viele Themen auch identitätspolitisch aufgeladen, die eigentlich gar keinen großen Bezug zu den „normalen“ ideologisch dominierten Themen haben, wie etwa die Impfungen. Die Zahlen übrigens sprechen für sich: Republikanisch regierte Staaten haben 11% höhere Sterberaten an Covid als demokratisch regierte; Gebiete, in denen viele Konservative leben, sogar 26%. Dieser Mist kostet Menschenleben, und zwar auf der einen Seite des politischen Spektrums wesentlich mehr als auf der anderen.

8) Ohne Störenfried kein Fortschritt

Es liegt dabei in der Logik der Sache, dass die Störer einer gegebenen Ordnung an den Rand gedrängt werden. So war es mit bei den Protestbewegungen der Studierenden in den Sechzigerjahren, die verkrusteten Strukturen den Kampf angesagt hatten, der Frauenbewegung, die die Familienordnung störte, oder bei der Antiatomkraftbewegung in den Achtzigerjahren. Und wir erleben es aktuell ebenso bei den Protesten im Iran wie bei der Letzten Generation. Zu den Geschichten und der Geschichte dieser Bewegungen gehört auch, dass sich die Schwellen des Abweichens stückweise vergrößern, je nachdem, wie auf Impulse reagiert wird. Sich selbst und den straffreien Lebenslauf riskieren, ist sicher nicht der erste gewählte Schritt von Aktivistinnen. […] Dabei wurde geflissentlich übersehen, dass diese Bewegung sich in ihren Forderungen eben nicht gegen bestehende Gesetze oder Rechtsordnungen wendet, sondern deren Einhaltung und Verschärfung einfordert. […] Dass diese Reaktionen so schnell und heftig ausfielen, ist bemerkenswert, besonders wenn man sie mit dem Umgang mit anderen Gruppen in den vergangenen Jahren vergleicht, die sich weder um wissenschaftliche Evidenz scheren (radikale Corona-Leugner und Verschwörungserzählgruppen aus anderen Bereichen beispielsweise) noch demokratische Werte schätzen, diese sogar bekämpfen wie die Reichsbürger. (Thomas Beschorner, ZEIT)

Ich habe diese Interpretation der Proteste der Letzten Generation – „Sie fordern nur die Einhaltung bestehender Gesetze“ – schon öfter gelesen und halte sie für einen Irrtum. Die Aktivist*innen fordern nicht nur die Einhaltung und Verschärfung bestehender Regeln ein, sondern gehen darüber hinaus. Ich weiß, dass sie in ihren Policy-Forderungen gerne vergleichsweise moderat daherkommen (was es dann Sympathisant*innen erleichtert, die scharfe Rhetorik zu ignorieren), aber das sind Nebelkerzen. Würde die Ampel heute alle Forderungen erfüllen, würden diese Leute ja nicht einpacken und nach Hause gehen. Die Ideologien, die hinter der Letzten Generation und anderen solchen Aktivist*innen wie Extinction Rebellion stehen, sind nicht der breite Konsens der FFF-Bewegung vom Kampf gegen den Klimawandel, da stecken so randständige Überzeugungen wie Degrowth und eine grundsätzliche Bereitschaft, die Grenzen der Rechtsordnung zugunsten der Sache zu sprengen, drin. Ich halte wenig von solchen Verharmlosungen.

9) „Es ist nichts verloren, und nichts ist hoffnungslos“ (Interview mit Karin Prien)

Mehr Koordination, aber weniger Koordinierungsrunden? Wie soll das gehen?

Das geht, wenn wir das KMK-Sekretariat so ausstatten, dass es die verschiedenen, oft parallel laufenden Strategieprozesse führen und ausfüllen kann und wir die Gremienstrukturen reformieren. Im Augenblick fehlt ihm dafür das Personal, es fehlt ihm das Selbstverständnis, es fehlt ihm auch der dafür nötige Auftrag durch die Länder. Im Moment führen das Sekretariat und auch weitere Gremien ein gewisses Eigenleben, das manchmal von der Arbeit in den Landesministerien abgekoppelt ist. Sicherlich ist seine Aufteilung in zwei KMK-Standorte, in Bonn und Berlin, auch nicht gerade förderlich. Doch jede Stärkung des Sekretariats hängt davon ab, dass die einzelnen Länder sie wollen und mitziehen. Die KMK kann nur stark sein, wie die Länder es zulassen.  

Es gab mal einen stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden, dem schon diese KMK zu stark war. Ende 2004 warnte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulf, sein Land werde aus der Kultusministerkonferenz austreten, wenn es nicht zu „schlanken Strukturen“ komme. Woraufhin das Sekretariat 20 Prozent der Stellen abgeben musste – und ihm das agile Selbstverständnis, das Sie fordern, gründlich ausgetrieben wurde.

Das war ein Verständnis von Bildungsföderalismus, das überhaupt nicht mehr kompatibel ist mit den Herausforderungen ans Bildungssystem, die wir heute sehen. Wenn jedes Land sich bei jedem Problem erstmal allein auf den Weg macht, ist das nicht nur total ineffizient, es wird auch nicht zu wirklich guten Lösungen führen. (Jan-Martin Wiarda)

Die Maus beißt sich beim Bildungsförderalismus permanent selbst in den Schwanz. Man verfolgt das Ziel einer größeren Vereinheitlichung, will aber auf gar keinen Fall von den länderspezifischen Idiosynkratien lassen. Das kann nicht gehen. Die mangelhafte Ausstattung der KMK sowohl an Personal als auch an Kompetenzen überrascht deswegen nicht; wie sollte es auch anders sein? Es gibt auch überhaupt keinen Konsens, in welche Richtung eine Vereinheitlichung überhaupt gehen sollte. Von der Frage der Gesamtschulen, die mittlerweile eigentlich nur noch als ideologische Kernbestände verhandelt werden, bis über die G8-oder-G9-Debatte hin zu den Inhalten des Bildungsplans gibt es überall Grundsatzstreitigkeiten, von den wirklich notwendigen, tiefergehenden Reformen – die überhaupt nicht auch nur am Horizont wetterleuchten – gar nicht zu reden.

10) Iran Uses Rape to Enforce Women’s Modesty

One gauge of the hypocrisy of the Iranian regime is that there are credible reports that it is enforcing its supposedly strict moral code by arresting women and girls accused of advocating immodesty, and then sexually assaulting them. […] Accounts of sexual violence are difficult to verify because of the victims’ feelings of shame and fear, and CNN reported that the authorities sometimes film assaults to blackmail protesters into silence. What’s absolutely clear is that protesters keep turning up dead. […] Fearless young girls are at the forefront of today’s protests. When a member of the Basij paramilitary force spoke at one school, the girls pulled off their hijabs and heckled him. At a girls’ school in Karaj, students threw water bottles at an official and chased him out. […] Pressuring Iran is difficult, for it is already isolated and heavy sanctions have already been imposed on it. But we must try because Iran is now beginning its next phase: It has begun executing protesters to try to terrify the population into surrender. […] More than four decades later, Iranians are desperately trying to pull themselves out of that well, led by schoolgirls who persevere despite the threat of arrests, torture and execution. They understand that gross immorality lies not in a girl’s uncovered hair but in the government that rapes her for it, and they should receive far more international support. (Nicholas Kristoff)

Auch das sollte eigentlich niemanden verwundern. Die religiösen Fundamentalisten reden ständig vom „Schutz“ „ihrer“ Frauen und der „Ehre“, für die sie angeblich einstehen, aber das ist alles Kappes. Die Verwendung von Vergewaltigungen als Waffe sollen die Identität und die sozialen Bindungen dieser Menschen zerstören. Es ist letztlich eine Art der Kriegsführung, eine Kriegsführung eines diktatorischen Regimes gegen sein eigenes Volk. Leider gibt es aktuell wenig Anzeichen, dass die Proteste erfolgreich sein werden. Das Regime tötet, vergewaltigt, verstümmelt und verhaftet weiterhin. So inspirierend es ist, die Frauen des Iran so an der Spitze der Proteste zu sehen, so wenig dürften die Forderungen nach „international support“ irgendetwas ausrichten. Wie sollte der auch aussehen? Die feministische Außenpolitik stößt hier an harte Grenzen, und das Schweigen Annalena Baerbocks zum Iran ist ohrenbetäubend – und nicht gerade ein Ruhmesblatt für die Außenministerin.

Resterampe

a) Niemand der Autofahrenden, die bei den Klimaprotesten keine Rettungsgasse gebildet und damit die Rettungskräfte behindert haben, hat eine Anzeige bekommen.

b) Diese Umfrage mit Selbst- und Fremdwahrnehmungen des politischen Spektrums ist hoch interessant.

c) Großartiger Thread über nationale Identitäten und Macht.

d) Thread über deutsche Geldpolitik im europäischen Kontext.

e) Solarenergie macht weiterhin gigantische Fortschritte.

f) Gute englischsprachige Bilanz der Ampelkoalition soweit.

g) Why Democrats want a 51-49 majority.

h) Twitters Algorithmus hat übrigens, egal was Musk sagt, Rechte bevorzugt.

i) Über 90% der Befragten sind für Preisobergrenzen bei Lebensmitteln. Wundert mich keine Sekunde.

j) Die 15 Punkte gegen den Lehrkräftemangel der GEW sind sehr vernünftig.

k) Schäuble macht den Elder Statesman echt gut.

l) Ganz interessante Analyse von Robert Habecks Gaspolitik und Beliebtheitswerten.

m) Super Thread zum Problem der Gender Studies.

n) Warum der Luftverkehr für den Klimawandel so wichtig ist.

o) Es wird euch überraschen, aber auch Elon Musk gibt sein Geld nicht „charity“, sondern sich selbst, und spart auch noch Steuern. Alles das gleiche Gesindel.

p) Warum genau gilt hier nicht dasselbe Argument wie für CEOs?

q) Spannende Analyse der Änderungen im Electoral College seit 1992.

r) Die von Richard David Precht so gern eingeforderte Studie zur Regierungsnähe der Medien ist da, aber ich bezweifle, dass er das Ergebnis anerkennen wird.

s) Korrekte Sicht auf selbstfahrende Autos, meiner Meinung nach.

t ) Ebenso korrekte Sicht auf die wirtschaftliche Performance der USA.

u) Und um die Trilogie vollständig zu machen, eine korrekte Sicht auf die Politik der Fed.

v) Einschätzung der Chancen Trumps 2024.

w) Zelensky knows the clock is ticking.

{ 247 comments… add one }
  • Tim 9. Januar 2023, 13:12

    (4 – Da geht noch was)

    „Aber für alles, was nicht Millionenstadt ist, sehe ich bislang keinerlei Konzepte vorliegen.“

    In der Tat. Wir müssen schnell mindestens 50%, besser 2/3 der Asphaltflächen in funktionierende(!) Grünflächen umwandeln, wenn wir in 10 Jahren in den Sommermonaten noch städtischen Leben draußen haben wollen (von Verkehrssicherheit, Wiederbelebung des öffentlichen Platzes usw. mal ganz zu schweigen). Ein paar öffentliche Parkplätze kann es ja meinetwegen auch noch geben, aber im Wesentlichen werden wir überall auf einspurigen Verkehr mit gelegentlichen Ausweichflächen für den Gegenverkehr umsteigen müssen.

    Doch wir leben im Zeitalter des Auto-Extremismus. Eine gesellschaftliche Mehrheit für den radikalen Städteumbau ist nicht in Sicht. Wir fahren lieber jede Woche zehn Menschen zu Brei, als unsere Autofixierung aufzugeben.

  • Tim 9. Januar 2023, 13:17

    i) Über 90% der Befragten sind für Preisobergrenzen bei Lebensmitteln.

    Man hätte fragen sollen, ob sie auch für Angebotsverknappung und/oder Qualitätsverschlechterungen sind, denn das ist ja die andere Seite der Medaille. Ich staune immer wieder, wie sehr Menschen bei wirtschaftlichen Zusammenhängen magische Kräften annehmen, durch die alles gut wird. There ain’t no free lunch.

    • Stefan Sasse 9. Januar 2023, 18:13

      Man fragt sich immer, wie viel schlechter unsere Lebensmittel noch werden sollen.

      • Tim 10. Januar 2023, 07:56

        Was genau findest Du an unseren Lebensmitteln schlecht?

        • Thorsten Haupts 10. Januar 2023, 08:56

          Würde mich auch interessieren 🙂 .

        • Stefan Sasse 10. Januar 2023, 14:40

          Qualitativ nicht gut.

          • Thorsten Haupts 10. Januar 2023, 15:30

            Verglichen mit was, bitte?

          • Tim 10. Januar 2023, 16:03

            @ Stefan Sasse

            Selbst wenn Du Dich von den billigsten Lebensmitteln ernährst, die Du im billigsten Supermarkt findest, wirst Du nicht verhungern. Noch mal zur Verdeutlichung: nicht verhungern. Das ist die wichtigste Funktion von Lebensmitteln. Darum heißen die auch so. Hunger – schon mal gehört? Im Fernsehen bringen sie manchmal was drüber. War jahrtausendelang eines der größten Probleme der Menschheit, ist heute aber für uns gelöst. Übrigens von der üblen Lebensmittelmafia.

            Also noch mal zur Erinnerung: Nicht verhungern ist wichtig. Alles andere sind dann first world problems. Aber selbst die kannst Du bei uns in beliebiger Detailtiefe lösen. Selbst wenn Du nicht zu den reichsten 10 % gehörst.

            Mal im Ernst, ich verstehe nicht, wie man eine dermaßen arrogante Haltung vertreten kann. „Qualitativ schlechte Lebensmitteln“ – das ist mit der größte Blödsinn, den ich hier je gelesen habe.

            Sorry für die Polemik, aber ich bin gerade echt etwas fassungslos.

            • Thorsten Haupts 10. Januar 2023, 16:54

              Es ist sogar noch besser: Bei richtiger Auswahl der billigsten Lebensmittel im billigsten Supermarkt bekommt der Körper auch noch alle wesentlichen Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe.

              Nur wer sich ausschliesslich von Chips, Cornflakes und CocaCola ernährt, hat natürlich Ernährungsprobleme – aber die bekommt man auch bei ausschliesslicher Ernährung mit bei Vollmond erzeugtem Dinkelbrot, normannischem Rohmilchcamenbert aus Alnatura-Vollmilch und Iberico-Schinken von handgestreichelten Eichenwaldschweinen.

              Woher die ausgerechnet bei den formal bestgebildetsten deutschen Bürgern weitverbreiteten und ungebildeten Vorurteile gegen industriell erzeugte Lebensmittel herkommen, habe ich in meinem Leben noch nie verstanden.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Tim 10. Januar 2023, 17:10

                Oft steht der Wunsch nach sozialer Distinktion hinter solchen Attitüden. In einer satten Wohlstandsgesellschaft kann man sich damit wunderbar gegenüber anderen Wohlhabenden auszeichnen. Würde ich bei Stefan allerdings nicht annehmen, darum vermute ich schlicht eine unbedachte Aussage.

                • Stefan Sasse 10. Januar 2023, 17:43

                  – Unser Fastfood ist im Großen und Ganzen furchtbar im Vergleich
                  – Die Restaurants auch
                  – Was man im Supermarkt kriegt hat sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert, das war früher schlimmer

                  Und ne, Distinktion geht nicht, ich bin viel zu unkultivierter Plebejer dafür 😀

                  • Stefan Pietsch 10. Januar 2023, 18:51

                    Die Lebensmittelpreise sind in Deutschland mit die niedrigsten der führenden Industrieländer. Wir haben die höchste Dichte an Discountern. Der Lebensmittelhandel ist im internationalen Vergleich sehr margenschwach.

                    Denkst Du, das hat keine Auswirkungen auf die Qualität? Wenn Deutsche ins Ausland kommen, wundern sie sich über die hohen Preise an der Ladentheke und in den Restaurants. Spoiler: das liegt nicht an den Touristenvierteln.

                    • Thorsten Haupts 10. Januar 2023, 22:19

                      Ich habe langjährige Erfahrungen mit franzöischem und belgischem Supermarktangebot zwischen 2006 und 2014. Deren Preise haben NICHTS mit höherer Qualität zu tun (ausgenommen winzige Segmente regionaler Spezialitäten) – im grossen und ganzen findet sich dort dasselbe Angebot internationaler Lebensmittelkonzerne, wie in Deutschland, nur mit anderen Labels.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Tim 11. Januar 2023, 07:40

                      @ Thorsten Haupts

                      Ich habe langjährige Erfahrungen mit franzöischem und belgischem Supermarktangebot zwischen 2006 und 2014. Deren Preise haben NICHTS mit höherer Qualität zu tun

                      Richtig. Ein erheblicher Teil der niedrigen deutschen Lebensmittelpreise geht auf die extrem gut organisierten deutschen Supermarktketten zurück, man erinnere sich etwa an das Deutschland-Debakel von Walmart vor 25 Jahren. Und in Großbritannien haben sich die teuren Platzhirsche zu recht in die Hose gemacht, als plötzlich Aldi & Lidl angriffen. Es ist auch albern zu sagen, der Apfel bei Aldi habe eine niedrigere Qualität als bei Alnatura.

                    • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 08:52

                      Das ist mehr oder weniger mein Punkt.

                    • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 09:48

                      Also, warum sind die Deutschen so wenig bereit für Essen zu bezahlen?

                    • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 18:48

                      Jahrzehntelanges Training. Wir bezahlen dafür Unsummen für Autos.

                    • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 09:52

                      @Tim

                      Das ist keine Besonderheit des deutschen Lebensmittelhandels. Die Einzelhandelsmärkte sind national sehr unterschiedlich. Es ist ja nicht nur Wallmart, die sich in Deutschland eine rote Nase geholt haben, sondern viele globale Einzelhändler. GAP fällt mir spontan ein bei meinem schlechten Namensgedächtnis. Es ist sehr schwer, in andere Märkte zu gehen – und sehr teuer. Franzosen sind sehr qualitätsorientiert, während Niederländer den Service hochhalten. Und die Deutschen sind eben besonders preissensitiv.

                    • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 09:57

                      @ Thorsten Haupts

                      In den USA sind die Fast Food Erzeugnisse günstiger als in Europa. Und es gibt viel mehr Ketten. Umgekehrt ist werthaltiges Essen spürbar teurer. Das führt dazu, dass man in den USA so deutlich wie sonst nirgends die Einkommensunterschiede am Körpergewicht der Leute ablesen kann.

                      Wer sich kein teures, nahrhaftes Essen leisten kann, haut sich kalorienreiche Burger rein. Andere geben dann schon mal 70$ für ein Essen aus.

                    • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 18:48

                      Ich dachte, selbst fast food sei in den USA teurer als hier. Ich war noch nie da, nur gehört.

                    • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 12:58

                      Also, warum sind die Deutschen so wenig bereit für Essen zu bezahlen?

                      Woran auch immer das liegt war hier nicht das Thema. Im Angebot der Supermärkte – und das war hier das Thema – spiegelt sich das im europäischen Ausland nur in den höheren Preisen, aber nicht in einer höheren Qualität des Angebotes.

                      Es ist sehr schwer, in andere Märkte zu gehen …

                      ALDI und LIDL sind im europäischen Ausland aber überall erfolgreich …

                    • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 13:40

                      Nun, in Deutschland wird schon ein hoher Anteil von Billigfleisch verkauft. Der Grund ist, dass im Supermarkt allein nach dem Preis entschieden wird. Und Aktivisten dann klagen, dass so viel Billigfleisch verkauft wird.

                    • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 21:20

                      @Stefan

                      Nein, die USA sind auf dem Feld günstiger, was sicher auch am intensiven Wettbewerb liegt. Da Amerikaner meist auswärts essen und nicht zuhause kochen – selbst fürs Frühstück gibt’s Diners – gehen prekär Lebende zu Taco Bell, Del Taco, KFC und wenn sie mehr ausgeben wollen zu Denny’s und Wendy’s. Die billigen Ketten verteilen viel mehr Kalorien als in Europa. Riesen-Burger und große Tonnen Frittiertes stehen auf der Anzeige. Beispiel: Hier bekommst Du bei Pizza Hut als Vorspeise 3 kleine Hähnchenflügel angeboten, in den USA sind es bei der Kette gleich 6.

                      Deswegen kann man bei Amerikanern am Gewicht das Einkommen ablesen: Menschen mit niedrigen Löhnen sind meist dick bis adipös, Wohlhabende immer schlank. Entsprechend verteilen sich die Jobs – ein Teufelskreis. Nur Schlanke werden für gut bezahlte Jobs berücksichtigt, um schlank zu sein, braucht man aber Geld.

                      In den meisten europäischen Ländern ist Fast Food teurer als in Deutschland.

                    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 13:10

                      Danke!

                  • Thorsten Haupts 10. Januar 2023, 22:25

                    – Unser Fastfood ist im Großen und Ganzen furchtbar im Vergleich

                    Kann ich für Belgien, die Niederlande und Frankreich grosso modo nicht bestätigen.

                    – Die Restaurants auch

                    Wenn man bereit ist, ähnliche Preise zu zahlen, wie in einer Pariser Brasserie oder einem Ghenter Restaurant? Mitnichten.

                    Ich habe hier bisher nichts, absolut nichts, gehört, dass auf schlechte Qualität industriell erzeugter Lebensmittel schliessen lässt. Weder absolut noch im europäischen Vergleich. Kommt da noch was substantielles?

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

              • Erwin Gabriel 11. Januar 2023, 04:25

                @ Thorsten Haupts 10. Januar 2023, 16:54

                … von handgestreichelten Eichenwaldschweinen.

                🙂 🙂 🙂

                I like

            • Stefan Sasse 10. Januar 2023, 17:42

              Naja…da wir in Deutschland kein Problem mit Hunger haben, sondern eher mit Übergewicht, geht es mir schon um Qualität.

              • Tim 11. Januar 2023, 07:48

                Na bitte, da kommen wir doch langsam der Wahrheit näher. Dir geht es um Essgewohnheiten. Das hat nun aber nicht das Geringste mit Qualität zu tun.

                Aber nicht untypisch: Manche Leute verhalten sich anders, als andere Leute (in diesem Fall: Du) es gern hätten, also hat die Industrie Schuld. 🙂

            • CitizenK 10. Januar 2023, 18:04

              Antibiotika sind nicht nur im Fleisch ein Problem, sondern auch als Bedingung der Erzeugung. Chemikalien in den Verpackungen sind auch nicht ohne.

              • Thorsten Haupts 10. Januar 2023, 22:30

                Antibiotika betreffen dann auch Frischware, europaweit nebenbei. Und „Chemikalien in der Verpackung“ halte ich für ein Gerücht – es gibt in keiner Grossregion der Erde strengere Lebensmittel(verpackungs)vorschriften denn in EU-Europa.

                Fun Fact – als ich bei einem informellen Treffen von Ingenieuren mal die ungeheuer hohen Sicherheits- und Materialvorschriften von Kernkraftwerken ansprach, hat mir ein Ingenieur, der aus der Lebensmittelindustrie kam, freundlich nachgewiesen, dass deren Vorschriften deutlich strenger sind 🙂 . War ein heilsamer Dämpfer.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • CitizenK 11. Januar 2023, 06:30
                  • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 08:19

                    Aus Ihrer zweiten Quelle:

                    „Besteht ein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Phthalataufnahme aus Lebensmitteln und anderen Quellen?

                    Das ⁠BfR⁠ hat die DEHP-Aufnahme, stellvertretend für weitere Phthalate, abgeschätzt. Dazu wurden Daten zum Verzehrsverhalten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland sowie die verschiedenen Aufnahmepfade über 37 Lebensmittelgruppen, Spielzeug, Verbraucherprodukte aus Kunststoffen wie Schuhe, Kosmetika, Textilien, Hausstaub und die Innenraumluft von Autos berücksichtigt.

                    Das Ergebnis: Verbraucherinnen und Verbraucher nehmen DEHP hauptsächlich oral auf – Hauptaufnahmequelle sind Lebensmittel. Die Aufnahmemengen von DEHP aus den verschiedenen Eintragsquellen sind aber in der Regel so gering, dass kein Gesundheitsrisiko besteht. Sie liegen unterhalb der Menge, die täglich ein Leben lang ohne gesundheitliches Risiko aufgenommen werden kann, ohne dass eine gesundheitsschädliche Wirkung eintritt.“

                    Ja …

                    • CitizenK 11. Januar 2023, 17:55

                      Kann sein, kann auch nicht sein. Unbedenklichkeitsbescheinigungen gab es auch für Holzschutzmittel in den 80ern, Contergan, DDT.

                    • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 19:06

                      Schön. Ist – verglichen mit der realen Lebenmittelsicherheit von vor 200 Jahren – ohnehin ein nebensächliches Argument. Einfluss kann auch in der Vergangenheit nicht gross gewesen sein, sonst stiege europäische Lebenserwartung nicht seit Jahrzehnten kontinuierlich.

                • Tim 11. Januar 2023, 07:55

                  @ Thorsten Haupts

                  ein Ingenieur, der aus der Lebensmittelindustrie kam, freundlich nachgewiesen, dass deren Vorschriften deutlich strenger sind

                  Grundsätzlich stimme ich zu, das Qualitätsniveau in der Lebensmittelindustrie ist extrem hoch (vgl. etwa die Debatte um natürliche vs. naturidentische Aromastoffe). Gilt allerdings nicht für die gesamte Branche. Bauernmärkte z.B. sind weitgehend unreguliert.

                  Am niedrigsten ist das Niveau in Privathaushalten. Wenn die Gewerbeaufsicht dort einmal Küchen untersuchen würde, müsste halb Deutschland verhungern.

                • CitizenK 13. Januar 2023, 09:03

                  An manchen Gerüchten ist was dran:
                  „Paternal preconception phthalate exposure alters sperm methylome and embryonic programming“

                  https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412021003184

              • Tim 11. Januar 2023, 08:01

                @ CitizenK

                Chemikalien in den Verpackungen sind auch nicht ohne.

                Es ist noch viel schlimmer. Wein enthält z.B. Alkohol. Das ist ein starkes krebserregendes Zellgift. Und es kommt noch übler: Es ist in Wein nicht nur spurenweise enthalten, sondern mit Konzentrationen bis zu 15 %. Es gibt in deutschen Lebensmitteln kein anderes Risiko, das auch nur annähernd an die Gefährlichkeit von Alkohol herankommt. Hat allerdings noch nie jemanden gejuckt.

                Wenn Foodwatch eines Tages herausbekommt, dass die Winzer Alkohol in ihre Produkte panschen, gibt das den größten Skandal aller Zeiten!

                • cimourdain 11. Januar 2023, 10:30

                  „Wenn Foodwatch eines Tages herausbekommt, dass die Winzer Alkohol in ihre Produkte panschen, gibt das den größten Skandal aller Zeiten!“ Historische Anmerkung hierzu: Es gab in den 80ern einen Skandal , als österreichische Winzer ihren Wein mit dem zweiwertigen Alkohol Ethan(1,2)diol (Trivialname Glykol) gesüßt haben.

                  Steigerung: In allen Getränken finden sich signifikante Mengen von Hydrogenalkohol (H – OH)
                  😉

                  • Tim 11. Januar 2023, 10:43

                    Ganz schlimm soll es auch mit Dihydrogenoxid sein. Angeblich lässt sich das inzwischen auch in entfernten Ozeanregionen in hohen Konzentrationen nachweisen …

                    • CitizenK 11. Januar 2023, 13:21

                      Es wird aber weltweit immer schwieriger, den Stoff sauber zu halten. Millionen Menschen haben keinen Zugang. Sogar Kriege deshalb werden befürchtet. Und bei uns ist in manchen Gegenden zuviel Nitrat drin – wegen billiger Lebensmittel.

                    • Tim 11. Januar 2023, 14:40

                      @ CitizenK

                      Und bei uns ist in manchen Gegenden zuviel Nitrat drin – wegen billiger Lebensmittel.

                      Sicher können wir noch vieles verbessern. Aber man muss die Kirche auch mal im Dorf lassen. Wichtig ist, dass heute kaum noch Menschen verhungern müssen – im Vergleich zu jedem anderen Zeitpunkt in den vergangenen ca. 5000 Jahren. Das wird oft als selbstverständlich abgetan, aber das ist es ganz und gar nicht. Die Versorgung (fast) der gesamten Menschheit mit bezahlbaren Lebensmitteln ist eine titanische Leistung. Alles andere ist im Vergleich dazu eben … ein first world problem.

                    • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 18:52

                      Großartig, aber mit dem Argument kann ich JEDE Diskussion beenden und den Blog zumachen. Das ist so richtig wie nutzlos.

                    • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 19:53

                      Ich halte Dein Qualitätsargument – völlig unabhängig von Tims Entwicklungsargument – nach wie vor für mehr als dünn belegt. Scheint mir eher ein bequemes und über Jahrzehnte tradiertes Vorurteil zu sein.

                    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 13:09

                      Möglich.

                    • Tim 12. Januar 2023, 10:43

                      @ Stefan Sasse

                      Großartig, aber mit dem Argument kann ich JEDE Diskussion beenden und den Blog zumachen.

                      Richtig. Dafür sind treffende Argumente schließlich auch da.

                      Um es mal runterzubrechen: 1. Am allerwichtigsten is(s)t, genügend zu essen zu haben. 2. Wichtig ist, sich abwechslungsreich zu ernähren (siehe Thorsten Haupts zutreffender Kommentar oben). 3. Sehr egal ist, ob Dein Apfel von Demeter kommt oder vom billigsten Penny-Zulieferer.

                    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 13:15

                      Ich meinte auch das mit First-World-Problem.

                      Meine Essensregeln: 1) Eat food. 2) Not too much. 3) Mostly plants.

                      Deckt eigentlich alles ab 😀

                    • Tim 12. Januar 2023, 21:03

                      Meine Essensregeln: 1) Eat food. 2) Not too much. 3) Mostly plants.

                      Finde ich durchaus plausibel. Aber was bitte ist die Alternative zu 1)? 🙂

                    • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 07:49

                      Keine. Das soll ja auch nur die Einfachheit der Grundregeln unterstreichen 🙂

  • CitizenK 9. Januar 2023, 13:39

    8) „randständige Überzeugungen wie Degrowth“

    Viel wäre schon gewonnen, wenn BIP und Wachstum kritischer gesehen würden:

    „Die Fixierung auf eine Zahl, die keinen Unterschied macht zwischen klimaschädlichen Kohlekraftwerken oder Erzeugern regenerativer Energien“
    „… die steigt, wenn irgendwo ein Auto gegen einen Baum fährt und repariert werden muss.“
    „ die nicht berücksichtigt, wenn Menschen neben ihrer Arbeit Angehörige pflegen oder Kinder erziehen.“
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/vom-zauber-einer-zahl-die-erfindung-des-wirtschaftswachstums-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

  • Tim 9. Januar 2023, 14:20

    e) Solarenergie macht weiterhin gigantische Fortschritte.

    Aber warum müssen die Statistiken immer so verzerrend sein? Die installierte Leistung sagt wenig aus, in Deutschland liegt die reale Leistung von Windkraft & PV im Schnitt bei 15-20 % der Nennleistung. Diese Hurra-Statistik muss doch im Jahr 2023 nun wirklich nicht mehr sein.

    • Stefan Sasse 9. Januar 2023, 18:14

      Kann ich nicht beurteilen.

    • derwaechter 9. Januar 2023, 19:51

      Installierte Leistung ist halt einfacher zu erheben und um Entwicklungen über Zeit zu sehen auch sinnvoll.
      Produktion schwankt ja aus vielen Gründen (Wetter, Rohstoffpreise usw.), die für die langfristige Entwicklung nicht unbedingt relevant sind.

      Aber klar, Solar überholt Kohle ist so dargestellt natürlich Quatsch.

    • Detlef Schulze 9. Januar 2023, 21:20

      e)
      Die Graphik verschleiert noch was anderes. Fürs Klima ist es egal, wieviel Strom aus erneuerbaren Energien kommt, entscheidend ist wieviel Strom aus fossilen Energieträgern kommt. Und da tut sich leider nichts. Die Kohleverstromung nimmt global nicht ab, und die Verbrennung von Erdgas nimmt sogar zu. Die neu installierten erneuerbaren Energieträger stellen also global nur zusätzliche Energie zur Verfügung, anstatt die Fossilen zu ersetzen.
      Source: https://ourworldindata.org/electricity-mix

      • Tim 10. Januar 2023, 07:55

        @ Detlef Schulze

        Und das ja auch nur in Bezug auf die Stromerzeugung. Wir wollen aber nicht bloß Strom möglichst sauber erzeugen, sondern Energie ganz allgemein. Das wird noch häufiger verwechselt als Energie mit Leistung. 🙂

  • Thorsten Haupts 9. Januar 2023, 15:09

    Zu i):

    90% der Leute in Umfragen sind für Freibier ist genausowenig eine Meldung, wie „Gestern ging die Sonne auf“. Das ist der menschliche Normalzustand in Umfragen (die aufgrund der immer fehlenden Umstände, Nebenbedingungen und Kosten mit dem realen Leben absolut rein gar nichts zu tun haben).

  • derwaechter 9. Januar 2023, 18:51

    3)
    „gibt es keinerlei Anreiz zur Moderation“

    Ausser den Anreiz Mehrheiten zu gewinnen. Die (viel zu) wenigen kompetitiven Staaten oder Wahlbezirke werden meist von moderaten (und gerne einigermaßen qualifizierten) Kandidaten gewonnen.

    Das hat ja die letzte Wahl wieder mal exemplarisch gezeigt. MAGA Republikanern haben viele umkämpfte Rennen verloren und letztendlich den Senat und eine stabile Mehrheit im Repräsentantenhaus gekostet.

  • derwaechter 9. Januar 2023, 19:20

    4

    „aber was genau dann die Alternative ist, bleibt merkwürdig unbeantwortet.“

    Individualverkehr.

    • Stefan Sasse 9. Januar 2023, 22:27

      Alternative dazu, Scherzkeks.

      • derwaechter 9. Januar 2023, 23:35

        Umweltfreundlicherer Individualverkehr. Also v.a. Elektromobilität als Auto aber auch Zweirad.
        Ist je nach Bevölkerungsdichte wohl dem ÖPNV umwelttechnisch nicht unbedingt unterlegen.

  • Stefan Pietsch 9. Januar 2023, 21:28

    1) Was, wenn die besten Jahre vorbei sind?

    Ich finde solche, am Ende dennoch apokalyptischen Artikel unsinnig. Welchem Zweck sollen sie dienen. Glaubt Jonas z.B. tatsächlich, nicht nur 20, 30 Jahre in die Zukunft blicken zu können, sondern sogar die Lebensqualität von Millionen, ja Milliarden Menschen bewerten zu können? Was für eine Anmaßung!

    Tatsächlich hat die Menschheit über solch lange Perioden hinweg seit der Industrialisierung immer an Lebensqualität gewonnen. Es ist also äußerst originell, für die kommenden Jahrzehnte das Gegenteil zu prophezeien. Moment, das kenne ich seit den Siebzigerjahren. Also, so originell ist Jonas dann doch nicht. Aber viele haben’s versucht.

    2) How do you solve a problem like Facebook?

    Wenn schon, dann ist Facebook ein öffentlicher Raum, der von einem Menschen, der nicht Öffentlichkeit war, geschaffen wurde. Es steht jedem frei, diesen Raum zu nutzen, er ist kostenlos. Ich nutze ihn z.B. nicht, obwohl ich bei FB angemeldet bin. Und jedem Menschen steht es frei, FB nicht zu nutzen. Tatsächlich verabreden sich Unzählige auf der Plattform und machen es so zu einem öffentlichen Raum. Doch das ist so als würden sich viele Menschen, die ich eingeladen habe, in meinem Haus zum täglichen Gedankenaustausch treffen. Mein Haus wird öffentlich, so denken Linke ja oft und meinen damit ein Recht zur Enteignung ableiten zu können.

    Aber es bleibt am Ende mein Haus.

    • Tim 10. Januar 2023, 08:46

      @ Stefan Pietsch

      Mein Haus wird öffentlich, so denken Linke ja oft und meinen damit ein Recht zur Enteignung ableiten zu können.

      In Spanien ist das übrigens so, zumindest in gewisser Weise. Wenn Ihre Immobilie von fremden Personen besetzt wird, haben diese unter bestimmten Umständen eine Bleiberecht. Dieses Recht wird aus der spanischen Verfassung abgeleitet, die in diesem Fall eine würdige Unterkunft höher einstuft als das Eigentumsrecht. Das kann man anders sehen, aber es ist eben eine gesellschaftliche Entscheidung. Eigentum ist nichts Absolutes, auch wenn es in den meisten (westlichen) Staaten heute noch einen quasi-absoluten Status hat. Das wird sich aber wahrscheinlich ändern.

      PS: Natürlich führt das spanische Hausbesetzerrecht dazu, dass immer mehr gated communities entstehen und manche Viertel festungsartig wirken.

      • Stefan Pietsch 10. Januar 2023, 11:59

        Ja, das ist mir bekannt, ist aber in der OECD eher ein Sonderfall. Schließlich ist Eigentum ein Menschenrecht und in Rechtsstaaten sehr hoch bewertet – höher übrigens als in Deutschland, wo wir im Artikel 14 GG ja ein paar Einschränkungen haben. Wie Sie daher darauf kommen, dass sich die spanische Rechtssicht weiterverbreiten würde, verstehe ich nicht.

        • Tim 10. Januar 2023, 12:59

          @ Stefan Pietsch

          Nicht die spanische Rechtssicht wird sich verbreiten, sondern der teilweise öffentliche Charakter des (Immobilien-)Eigentums. Wir werden in den nächsten Jahrzehnten in fast allen entwickelten Ländern immer schärfere Verteilungsdiskussionen erleben, bei denen neben immer dringenderen sozialen Gesichtspunkten übrigens auch ökologische Fragen wichtiger werden.

          Wir sind ja heute bereits alle der Meinung, dass z.B. Emissionen keine rein private Sache sind. In einigen Jahrzehnten wird man auch über Landbesitz und -nutzung so denken. Wir werden es etwa absurd finden, dass Menschen beliebig viel Grund besitzen und ihre Grundstücke fast nach Belieben bepflanzen können und wohlhabende Familien durch die steuerliche Privilegierung von Erbschaften gefördert werden.

          All dies wird nicht ohne Schmerzen passieren, doch Umweltbedingungen und gesellschaftlicher Frust werden uns zwingen.

          • Thorsten Haupts 10. Januar 2023, 15:32

            Wir sind ja heute bereits alle der Meinung …

            Nein!

          • Stefan Pietsch 10. Januar 2023, 19:02

            Die meisten OECD-Staaten haben eine höhere Quote beim Immobilienbesitz als Deutschland. Die Konsequenzen für die Politik sehen Sie sowohl in Deutschland als auch in Italien und Griechenland. Während in den Südländern die Steuern auf Immobilienbesitz selbst in der Wirtschaftskrise nicht angehoben und später sogar gesenkt wurden, werden sie in Deutschland erhöht.

            Es fehlt also Ihrer Argumentation nicht nur die rechtsstaatliche, sondern auch die demokratische Nachvollziehbarkeit.

            Wir sind ja heute bereits alle der Meinung, dass z.B. Emissionen keine rein private Sache sind.

            Dieser Meinung sind wir mehrheitlich in einigen westlichen Ländern. In den USA ist das schon sehr weit umstritten und wird sonst weitgehend abgelehnt.

    • sol1 10. Januar 2023, 12:38

      „Tatsächlich verabreden sich Unzählige auf der Plattform und machen es so zu einem öffentlichen Raum. Doch das ist so als würden sich viele Menschen, die ich eingeladen habe, in meinem Haus zum täglichen Gedankenaustausch treffen.“

      Wenn du daraus ein Gewerbe machst, unterliegst du durchaus staatlicher Aufsicht.

      • Stefan Pietsch 10. Januar 2023, 19:05

        Kein Widerspruch. Nur zwischen Aufsicht und Enteignen besteht ein sehr großer Graben. Die staatliche Aufsicht überwacht auch Bordelle. Nur kann sie weder Frauen zur Prostitution anhalten noch den Einrichtungen permanente Polizeiüberwachung anheimstellen.

  • Stefan Pietsch 9. Januar 2023, 21:41

    4) Da geht noch was

    In den letzten regennassen Wochen sind wir häufig nach Frankfurt rein und natürlich wieder herausgefahren. Nicht das Parken ist dabei eine Katastrophe, schließlich kann man zur Not ins Parkhaus. Doch raus kommt man als Autofahrer nur noch mit langen Wartezeiten. Einerseits sind die Hauptverkehrsadern geschickt mit Baustellen blockiert, inzwischen in einigen Großstädten wie z.B. Mannheim ein beliebtes Instrument der ideologisch unterwegs befindlichen Stadtverwaltungen.

    Andererseits gehört jetzt ein Drittel zahlreicher Innenstadtstraßen den Radfahrern. Nur, es fahren dort keine Radfahrer. Meistens nicht, schon gar nicht wenn es regnet. Wenn es regnet fahren nur Autos. Die Zweidrittel für die motorisierten Fahrzeuge werden ein Vielfaches intensiver genutzt als das übrige Drittel Straße. Das lässt sich kaum als sinnvolle Platznutzung beschreiben.

    Zwar wird gerne betont, dass der ÖPVN für „Menschen auf dem Land“ (eine extrem fluide Kategorie) keine Alternative darstellt, weil viel zu wenig in der Fläche verankert, aber was genau dann die Alternative ist, bleibt merkwürdig unbeantwortet.

    Tja, Ökonomen wissen da die Antwort. Wie überall: dort, wo uniforme Produktionen keine ausreichende Nachfrage generieren, bleibt nur die individuelle, aber teurere Einzellösung. Wissen aber nur Ökonomen.

    5) Bautzener Verhältnisse

    In Thüringen sitzen zu über 50% Extremisten im Parlament. Es ist damit zwangsläufig, dass Extremisten an der Regierung beteiligt sind. Nun mag mancher eine Vorliebe für die LINKE haben, die Partei der Mauermörder und Dikaturanbeter, es ändert aber nichts am Sachverhalt. Die Bürger müssen schon selbst entscheiden, ob sie Extremisten an der Regierung wollen. Die Parteien können sie, wenn es hart auf hart kommt, nicht davor bewahren. Was ist das auch für ein Demokratieverständnis, die Mehrheit im Parlament von der Regierung ausschließen zu wollen?

    • Stefan Sasse 9. Januar 2023, 22:27

      Ist das eine ernsthafte Frage?

      • Stefan Pietsch 9. Januar 2023, 23:15

        Ja. Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit. Doch was, wenn die Mehrheit extremistisch ist?

        • Stefan Sasse 10. Januar 2023, 14:38

          Dann müsste sich die Demokratie verteidigen. Was ist denn das für eine Frage? Wir haben doch wohl alle gelernt, dass eine demokratiefeindliche Mehrheit nicht demokratisch sein kann.

          • Stefan Pietsch 10. Januar 2023, 18:53

            Du willst die Demokratie gegen die demokratische Mehrheit verteidigen? Das ist ja wohl ein Widerspruch in sich.

            • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 08:53

              Nein, ist es nicht. Du wirfst doch gerne mit dem GG um dich: das ist explizit nicht neutral, wo es um diese Frage geht. Das war doch eine der zentralen Lektionen von Weimar!

              • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 09:47

                Das Grundgesetz bietet keine Handhabe zu verhindern, dass die AfD, sollte sie über 50% kommen, die Regierung übernimmt. Wenn Du das anders siehst, wäre ich auf Deine Ausführungen gespannt.

                • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 13:02

                  Korrekt. Dazu müsste sie vom BVerfG als verfassungsfeindlich eingestuft werden – und mir fällt seit Jahren auf, dass bei aller Rhetorik „Alles Rechtsextremisten und Nazis“ noch nicht einmal ein einziger dementsprechender Antrag gestellt wurde. Aber nur eines kann richtig sein – a) entweder die AfD besteht aus rechtsextremisten (dann Verbot einfach) oder b) die öffentliche Mehrheitsrhetorik ist eine glatte Lüge. Zur Zeit tendiere ich zu b).

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 13:39

                    Selbst die wesentlich extremistischere NPD konnte nicht verboten werden. Das ist ein No Brainer.

                    Überall, wo populistische bis hin zu extremistischen Parteien (relative) Mehrheiten errungen haben, kamen sie über kurz oder lang auch an die Macht. In Ostdeutschland versucht man den Dammbruch mit Bündnissen bis hin zur ebenfalls populistischen bis extremistischen LINKEN zu umgehen und schließt Koalitionen, welche die Demokratie deformieren.

                    Anfang der Zehnerjahre arbeitete ich in Lettland. Die Partei der Russen war gerade als Wahlsieger hervorgegangen. In einem Land, wo es zum gesellschaftlichen Konsens gehört, Russen nicht an der Regierung zu beteiligen, verursachte dies große Probleme. Zeitweise wurden Koalitionen über alle Parteigrenzen hinweg erwogen und verhandelt, von Nationalisten bis hin zu Kommunisten. Und ich fragte schon damals: brauchen die Letten noch etwas Unterricht in Demokratie?

                    Im Deutschen Bundestag stehen 20 Prozent des Elektorats außerhalb des gesellschaftlichen Common Sense. Aus den übrigen 80 Prozent mussten die Parteien eine Mehrheit von 50 Prozent schrauben. Schon dies führte zu einer Koalition über die Lager hinweg, mit der niemand so recht zufrieden ist – weder die Parteivorderen noch die Wähler.

                    Wie viel schwerer bis unmöglich wird die Geschichte, wenn 30 oder gar 40 Prozent der im Parlament vertretenen Parteien nicht über jeden demokratischen Zweifel erhaben sind? Und kann man dann überhaupt einer Partei vorwerfen, mit den Extremisten zusammengegangen zu sein?

                    Der Slapstick, die Demokratie vor der Demokratie zu bewahren, funktioniert nicht. Aber vielleicht hat Stefan ja eine Idee.

                  • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 18:50

                    Da man nicht mal die NPD verbieten konnte, macht es null Sinn, das bei der AfD zu versuchen. Die sind aktuell ja auch gar nicht verfassungsfeindlich genug dafür.

                    • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 19:50

                      Ist ja okay. Dann wird man sich damit abfinden müssen, dass sie irgendwann irgendwo in Deutschland auch an Regierungen beteiligt ist. Ich habe das Gegenmodell – alle Parteien grenzen genau eine aus und machen notfalls Allparteienkoalitionen – in Belgien (Flandern) einige Jahre lang „bewundert“ und es hat mich nicht überzeugt.

                      Dass man in der Zwischenzeit versucht, der Union einzureden, sie müsse zu allem und jedem ja und amen sagen, um ja niemals mit der AFD, ist durchsichtige, eigennützige, Propaganda und NICHT Sorge für die Demokratie.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 13:09

                      Ich denke es läuft auf das LINKE-Modell raus: in den Ländern ja (vorerst nur im Osten), im Bund nein.

                • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 18:47

                  Nein, tut es nicht (sieht man vom Widerstandsrecht mal ab, aber das ist blanke Theorie). Mein Punkt ist der, dass eine Regierung nicht automatisch demokratisch legitimiert/legitim ist, nur weil sie von einer Mehrheit gewählt wurde.

                  • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 21:31

                    Nun ja, das ist Ansichtssache.

                    Thorsten und mein Punkt ist, dass wir (die Demokratien) auf Dauer unser System verbiegen, wenn wir praktisch um jeden Preis Extremisten von der Macht fernhalten wollen. Das muss schon der Wähler selbst erledigen. Wenn solche Parteien erst relevante Stimmen errungen haben, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Und wollen wir wirklich warten, bis die AfD in Sachsen erst über 40 Prozent erringt und nur noch eine All-Parteien-Koalition gegen sie möglich ist?

                    Irgendwann kommt der Punkt, indem der Ausschluss von Extremisten überprüft werden muss. Das war übrigens ein Keypoint fürdie erste von der PDS geduldete Minderheitenkoalition von SPD und Grünen. Zur Erinnerung: Die Ost-SPD hatte sich wenige Jahre zuvor explizit als Revolte gegen die SED gegründet und die Sozialdemokraten verweigerten sich als einzige der alten Parteien, Funktionäre der DDR aufzunehmen. Die damalige PDS bestand fast ausschließlich aus Alt-Kadern.

                    Ich bin ein prinzipieller Gegner von Koalitionen mit Extremisten. Soweit klar. Aber nicht um jeden Preis, nicht um den Preis, die Demokratie ad absurdum zu führen.

                    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 13:11

                      Ich halte es nach wie vor für den größten Fehler der SPD der Wendezeit, dass sie sich der Zerschlagung der PDS verweigert haben, indem sie Wechselwillige aufnehmen.

                  • Thorsten Haupts 12. Januar 2023, 09:34

                    Mein Punkt ist der, dass eine Regierung nicht automatisch demokratisch legitimiert/legitim ist, nur weil sie von einer Mehrheit gewählt wurde …

                    Doch, genau das ist sie in jedem Fall. Sie ist möglicherweise trotzdem verfassungsfeindlich, kleprokrat oder was auch immer, aber demokratisch legitimiert ist sie.

    • sol1 10. Januar 2023, 12:29

      „…über 50% Extremisten im Parlament…“

      Die AfD Thüringen wird vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft:

      https://verfassungsschutz.thueringen.de/fileadmin/Verfassungsschutz/VSB_2021.pdf

      Aber wo wird Die Linke Thüringen als extremistisch eingestuft?

      • Stefan Sasse 10. Januar 2023, 14:44

        Das ist das Pietsch’sche Hufeisen.

      • Stefan Pietsch 10. Januar 2023, 19:10

        Wir können uns darauf einigen, dass Bodo Ramelow kein Extremist ist. Teile seiner Partei stehen unter verfassungsschutzrechtlicher Beobachtung, und das, obwohl die Partei an mehreren Landesregierungen beteiligt ist und einen stärkeren Einfluss auf die Sicherheitsorgane und deren Bewertung hat.

        Da fällt mir ein: In Thüringen regiert ja eine links-grüne-linke Koalition… Die generelle Aussage, die AfD sei eine extremistische Organisation, die LINKE aber nicht, fällt da schon leichter.

        Disclaimer: der Autor widerspricht damit nicht der Aussage des Verfassungsschutzes.

  • Detlef Schulze 9. Januar 2023, 21:50

    4)
    Aber für alles, was nicht Millionenstadt ist, sehe ich bislang keinerlei Konzepte vorliegen.

    Wieso Millionenstadt? In jeder kleineren Stadt, die gross genug für einen Mediamarkt und eine Einkaufspassage ist, sollte der ÖPNV kostengünstig realisierbar sein. Die Stadtstruktur muss nur dicht genug sein und Arbeitgeber vor Ort vorhanden sein.

    Und auf dem Land ist der ÖPNV nur nicht effizient, weil jeder ein Auto hat und daher die Nachfrage klein und die Taktung schlecht ist. In vielen weniger entwickelten Ländern, wo nicht jeder ein Auto hat, kommt man mit Bussen und Sammeltaxis auch recht einfach in eher entlegene Gegenden.

    Es gibt auch in Deutschland Versuchsprojekte, in denen Busse, Bahnen und Sammeltaxis verbunden werden um so den ÖPNV auch in ländliche Gebiete zu bringen:
    https://ecobus-online.de/

  • Stefan Pietsch 9. Januar 2023, 21:52

    6) Government action to hold down energy bills will save lives in Europe

    Das Problem ist: Der Staat erzeugt die Energieknappheit. Aus Knappheit resultiert Inflation, befeuert durch billiges Geld. Am Ende werden alle ärmer und der Staat bietet sich als Retter an. Dass immer noch so viele glauben, das Modell könne funktionieren, ist die eigentliche Dummheit der Bevölkerung.

    a) Niemand der Autofahrenden, die bei den Klimaprotesten keine Rettungsgasse gebildet und damit die Rettungskräfte behindert haben, hat eine Anzeige bekommen.

    Was für ein Unfug! Tagtäglich erhalten Autofahrer wegen Nichtigkeiten Strafzettel. Und falls es nicht jeder mitbekommen hat: Die Behinderung von Rettungsfahrzeugen durch Autofahrer ist inzwischen eine Straftat.

    e) Solarenergie macht weiterhin gigantische Fortschritte.

    Ich lach‘ mich tot.

    p) Warum genau gilt hier nicht dasselbe Argument wie für CEOs?

    An dieser Stelle möchte ich eine Bildungslücke füllen: CEOs haben kurze Zeitverträge und werden von Aktionären auf freiwilliger Basis bezahlt. Intendanten werden von Gebührenzahlern, die des öfteren nicht einmal das Programm schauen, mit Zwangszahlungen zur Finanzierung der Intendanten verpflichtet. Es ist mir durchaus klar, dass Linke zwischen Freiwilligkeit und Zwang keinen Unterschied erkennen. Es soll trotzdem hier erwähnt sein.

    • Stefan Sasse 9. Januar 2023, 22:29

      a) Lies nochmal, dass sich das nicht auf „irgendwo in Deutschland“ sondern einen konkreten Ort und eine konkrete Zeit bezieht. Ich kann mich auch in meiner Garageneinfahrt auf den Asphalt kleben, das wird dann nur niemand stören.

      p) Du drückst dich um die Kurzfristigkeit und die Frage der Personalknappheit.

      • Stefan Pietsch 9. Januar 2023, 23:14

        a) Wie kommt der Autor darauf, dass keine Rettungsgasse gebildet wurde? Wie kommst Du darauf?

        p) Ich denke ich verstehe Dich nicht. Was für einen Vergleich ziehst Du? Siehst Du die Pension aufgrund der Kurzfristigkeit als unangemessen an? D‘accor. Ziehst Du einen Vergleich mit CEOs? Falsch.

        • Stefan Sasse 10. Januar 2023, 14:37

          a) War in Berichten zu lesen.

          p) Meine Frage war, warum Intendant*innen nicht auch gut bezahlt werden sollen, wenn sie wie CEOs verantwortungsvolle Führungsaufgaben haben und dafür jederzeit entlassen werden können.

          • Stefan Pietsch 10. Januar 2023, 18:58

            a) Klar. Berichte. Weißt Du, was verkehrsrechtlich eine Rettungsgasse ist? Die Verkehrsteilnehmer sind verpflichtet, an den äußersten Rand der Fahrbahn zu fahren. Zur Fahrbahn gehören nicht der Standstreifen und auch nicht Fahrradwege. Wenn z.B. ein Fußgängerweg die Fahrbahnbreite verknappt, bleibt weniger Platz für eine Rettungsgasse. Schon gar nicht für ein Panzerfahrzeug. Da das Rettungsfahrzeug abgebildet war und ich die Berliner Straßen kenne, ist es nicht völlig fernliegend, dass der Platz für eine breite Rettungsgasse schlicht nicht ausreichend war.

            Schreibt natürlich kein öko-linker Journalist oder Twitterer.

            p) Weil sie z.B. nicht von Eigentümern, sondern vom Gebührenzahler bezahlt werden? Bezahlung richtet sich immer nach Branche, Ertragskraft und Eigentümerstruktur. Das ist so auf diesen Ebenen. Den Rest kannst Du wegpacken.

            • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 08:54

              a) Du machst immerhin Annahmen auf gar keiner Basis. Da bleibe ich bei Berichten von Polizei und Presse.

              p) Seit wann ist denn die Eigentümerfrage die relevante Kategorie für „Bezahlung nach Leistung“?

              • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 09:46

                a) Wenn Du Dich auf Polizeiberichte beziehst, widersprichst Du Dir. Denn wenn solche Vorgänge in Polizeiberichten auftauchen, dann gibt es eine Erfassung und damit Einleitung von Ermittlungsverfahren. Also, nur eins kann richtig sein. Du hast ein logisches Gap.

                p) Ich nehme an Du wärst nicht in der Lage, einem Geschäftsführer ein Gehalt von 100.000 Euro zu zahlen. Und dann bestimmen Eigentümer zufällig über die Höhe von Gehältern.

                Unternehmen wie BMW zahlen vergleichsweise niedrige Vorstandsgehälter. Unternehmen ohne einen solch engen Anker bei den Eigentümern – wie z.B. VW oder Mercedes – zahlen sehr hohe Vergütungen.

                • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 18:46

                  Mein Punkt ist: deine Argumentation für hohe Führungskräfte-Gehälter war bisher immer das Risiko, dem sie ausgesetzt sind, weil sie ja jederzeit entlassen werden können. Warum gilt das hier nicht?

                  • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 21:37

                    Das ist ein Irrtum. Ich argumentiere nicht für hohe Führungskräfte-Gehälter. Ich argumentiere stets für die Vertragsfreiheit, ein Grundrecht. In dem (Teil-) Konzern, in dem ich arbeite, liegen die Vorstandsgehälter ungefähr ein Drittel über dem der höchstbezahlten Festangestellten, bei persönlicher Haftung und befristeter Beschäftigung von 3 Jahren. Das ist wenig in der Abwägung, weshalb schon Leute den Organvertrag abgelehnt haben. Es steht in Rede, dass ich aufrücken könnte. Und ich bete, dass dieser Kelch an mir vorübergehen möge.

                    Das kannst Du nur bezweifeln, wenn Du Dich nicht mit der Sache beschäftigst.

                    • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 22:44

                      Es steht in Rede, dass ich aufrücken könnte. Und ich bete …

                      Völlig überflüssig, ablehnen reicht 🙂 .

                    • Stefan Pietsch 12. Januar 2023, 00:17

                      Ja, nett. So einfach ist das nicht. Solche Angebote folgen der Regel „Nehmen oder Gehen“. Und manchmal hängt man an seinem Job. Es ist ja nicht das erste Mal. Am liebsten ist mir eine Konstellation, wie ich sie ein paar Jahre hatte: Operativ allein verantwortlich, aber der CEO hat den Geschäftsführer gemimt.

                      Was viele übersehen, ist das persönliche Haftungsrisiko, das heute mit Geschäftsführerpositionen und Vorstandsposten einhergeht und weshalb des öfteren die Besetzung schwer ist. Denn hundert oder zweihunderttausend Euro mehr Gehalt rechtfertigen nicht das Risiko.

                    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 13:12

                      Ich wünsch dir auf jeden Fall alles Gute.

                    • Thorsten Haupts 12. Januar 2023, 09:21

                      Mann. Man lehnt auch nicht erst dann ab, wenn man gefragt wird. Sondern macht schon im Vorfeld deutlich, dass man nicht zur Verfügung steht. Sehe nicht, dass das zwangsläufig in einen Rausschmiss münden muss.

                      Und operativ alleinverantwortlich, aber jemand anders hat den formalen Hut auf, ist das, was ich im Projektmanagement mit am meisten hasse – organisierte Verantwortungslosigkeit! Verstehe gut, warum Sie das wollen, macht es nicht richtiger.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 12. Januar 2023, 11:26

                      Danke für den Hinweis, aber so funktioniert das nicht. Man guckt sich jemanden nach Persönlichkeit und Funktion aus. Beide Seiten müssen das dann durchziehen, halbe Sachen gibt es auf der Ebene nicht.

                      Derjenige, der mich geholt hat, verlässt, lange geplant, die Funktion als Finanzvorstand. Er ist eigentlich nicht mehr da und die Position wird von mir ausgeübt.

                      Inzwischen hat der Bereich eine ausreichende Zahl von Vorständen, vier genau. Alle sind nur Sales Leute. Wenn die Konzernleitung unbedingt das Resort Finanzen auf Vorstandsebene will, führt kein Weg an mir vorbei. Ob ich das selber will oder nicht, spielt dann keine Rolle. Aber die Funktion ist ja auch nett ohne Vorstandstitel.

                      Auf gesellschaftsrechtlicher Ebene geht es heute um persönliche Haftung, was im Grunde ein Widerspruch in sich ist, aber Ergebnis politischer und gesellschaftlicher Debatten nach einen Wirtschaftsskandalen, angefangen beim Fall Enron.

                      Amerikanische Finanzchefs müssen seitdem eine Garantieerklärung abgeben, dass sämtliche Vorgänge im Konzern den US-GAAP und der Gesetzeslage entsprechen. Sorry, so eine Erklärung kann niemand wirklich abgeben.

                      Auch in Deutschland wurde die persönliche Haftung massiv erweitert. D.h., wir reden immer vom Privatvermögen der Organe von Gesellschaften. Und da es dann leicht um höhere Millionenbeträge geht, sind Organverträge für die meisten nicht mehr wirklich interessant.

                    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 13:12

                      Das meine ich nicht. Mir ging es um deine Antwort auf die Frage, warum manche so hohe Gehälter haben. Und das war deine Begründung!

                    • Stefan Pietsch 12. Januar 2023, 19:24

                      @Stefan

                      Politisch ist meine Situation nur deswegen relevant, dem Argument vorzubeugen, Vorstand / Geschäftsführer zu sein sei so geil. Auch mit anderen Jobs reicht es für eine warme Mahlzeit am Tag.

                      Finanziell ist es schwer zu beziffern, wann die Risikoübernahme lohnt. Jedenfalls habe ich in den vergangenen Jahren fast nur Leute kennengelernt, die – immer aus Haftungsgründen – den Job als Vorstand / Geschäftsführer ablehnt haben und meist auch geschieden sind. Das ist keine Koketterie.

                      Das ist der Unterschied zu Intendanten. In Kapitalgesellschaften tragen die Organe (übrigens auch Aufsichtsräte) persönliche Haftungsrisiken. Das hat der Gesetzgeber so festgelegt. Intendanten haften nicht. Beispiel Steuerschuld: zahlt ein Unternehmen seine Steuern, z.B. Umsatzsteuer, nicht fristgemäß, schlägt das Finanzamt beim Geschäftsführer auf. Öffentlich-Rechtliche Einheiten unterliegen keiner Steuerpflicht. Beispiel Bilanzierungsfehler und Bilanzierungsbetrug. ARD und ZDF unterliegen nicht den bilanzrechtlichen Regeln des HGB. Intendanten sind nur dann strafrechtlich zu belangen, wenn sie Betrug begehen, nicht wenn sie fahrlässig oder grob fahrlässig gehandelt haben.

                      Wie gesagt, Kapitalgesellschaften müssen schauen, unter welchen Bedingungen sie Menschen finden, die in die gesellschaftsrechtliche Verantwortung gehen. Auf meinen Fall gewendet: ich würde 100.000 vielleicht 150.000 Euro gegenüber heute zulegen. Dafür müsste ich mich zusätzlich gegen Haftungsrisiken versichern, würde statt meines Angestelltenverhältnisses einen 3-Jahres-Vertrag bekommen und würde mit Sicherheit schlechter schlafen.

                      Das ist nicht prickelnd. Doch am Ende würde ich es machen, weil ich ein Pflichtenmensch bin. Nur hoffe ich, dass die Situation nicht eintritt.

                    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 20:29

                      Ist ja auch immer eine Relationsfrage noch dazu. Sind 100k bis 150k eine Verdopplung des Einkommens? Eine Anderthalbfachung? Nur 20% mehr? Davon hängt das ja auch massiv ab. Für mich wären 100-150k MEHR im Jahr eine verzweieinhalbfachung meines Einkommens. Da machst du ja ganz andere Kalkulationen mit.

                    • Stefan Pietsch 12. Januar 2023, 21:30

                      Nein, es ist eine Frage des Risikos. Denn Du haftest als Geschäftsführer / Vorstand auch für die Vergangenheit der Gesellschaft. Manchmal ist sogar eine Selbstanzeige das geeignete Mittel um sich zu exkulpieren.

                      Nehme die 100k€ und setze 20k€ für den Versicherungsschutz an. Dann stellst Du jährlich 10.000€ für kalkulatorische Rechtsanwaltskosten zurück. Damit bist Du noch längst nicht safe, denn das sind nur die Basiskosten der Absicherung.

                      Aus 35jähriger beruflicher Erfahrung kann ich Dir sagen, dass die meisten Unternehmen Haftungsrisiken in ihrem Keller haben. Mein aktuelles auch. Als Finanzchef kenne ich sie. Die typischen Risiken haben mit Staatsanwaltschaft, Sozialversicherungsträgern und natürlich der BP zu tun. Das ist kein Spaß.

                      Vor ein paar Monaten hat einer der wichtigsten Mitarbeiter den Vorstandsvertrag abgelehnt. Zum Jahresende hat der das Unternehmen verlassen. Also, es ist eine Frage der adäquaten Abdeckung des Risikos, nicht der Relation zu dem aktuellen Verdienst.

                    • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 07:51

                      Verstehe. Für mich wäre das eh nichts, ich hab kein Interesse an Führungspositionen, die über meinen aktuellen Stand rausgehen.

          • Erwin Gabriel 11. Januar 2023, 04:38

            @ Stefan Sasse 10. Januar 2023, 14:37

            p) Meine Frage war, warum Intendant*innen nicht auch gut bezahlt werden sollen, wenn sie wie CEOs verantwortungsvolle Führungsaufgaben haben und dafür jederzeit entlassen werden können.

            Der Besitzer eines Unternehmens kann frei entscheiden, wie viel er seinen Führungskräften zahlt; ist sein Geld.

            Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es keinen Besitzer; die Sendeanstalten sind zwangsfinanziert und jammern über zu wenig Geld.

            Nun zum Thema „verantwortungsvoll“: Was ist denn der schlimmste Schaden, den ein Intendant in einer Sendeanstalt anrichten kann? Welche Folgen mag der haben)

            Und nun ersetze „Sendeanstalt“ durch Audi oder VW, Bosch, BASF, SAP oder Deutsche Bank.

            • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 08:55

              Welche Rechtfertigung hat dann ein Reichelt für sein Einkommen?

              • cimourdain 11. Januar 2023, 10:42

                Aktuell ein schlechtes Beispiel: Der Mann wurde 2021 von der Axel Springer SE entlassen und ist m.W. derzeit rein selbständig unterwegs.

              • Erwin Gabriel 11. Januar 2023, 12:43

                @ Stefan Sasse 11. Januar 2023, 08:55

                Welche Rechtfertigung hat dann ein Reichelt für sein Einkommen?

                Du schmeißt ganz gerne die Ebenen durcheinander.

                Die eine Ebene ist: Ich kann meiner Putzfrau gerne 1 Mio. Euro pro Stunde zahlen, solange es mein Geld ist. Ich kann das aber nicht machen, wenn ich das Geld vorher bei anderen Leuten zwangseintreiben lasse und dann mit der Begründung, dass es bei mir trotz Putzfrau immer noch schmutzig ist, noch mehr Geld eintreiben lassen.

                Die andere Ebene ist: Macht sie, wofür sie bezahlt wird, so, wie ich das möchte – das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe.

                In der freien Wirtschaft ist es halt so, dass Unternehmen Gewinne erzielen und wieder ausgeben können. Verblasen sie beispielsweise zuviel an den Vorstand, so dass nichts für Investitionen überbleibt, gehen sie irgendwann den Bach runter, und das Problem erledigt sich von selbst.

                Im Falle von zwangsweiser Finanzierung (ob über Steuern oder Gebühren) ist dieses Risiko offenbar nciht gegeben. Bei Bedarf zieht man einfach noch mehr Geld ein.

                Im Fall Reichelt bezahlen ihn Leute freiwillig für das, was immer er macht; Du aber nicht (nicht mal freiwillig), also kannst Du an seinem Einkommen kaum herumnöckern.

                • Tim 11. Januar 2023, 13:51

                  @ Erwin Gabriel

                  Hinzu kommt, dass Einrichtungen mit Zwangsfinanzierung sehr gern darüber klagen, dass sie „kaputtgespart“ werden. Aktuell kennen wir es von der Bundeswehr, seit Jahrzehnten ist aber vor allem im Kulturbereich eine beliebte Klage. Wer zwangseingetriebenes Geld des Steuerzahlers bekommt, will es auch in Zukunft bekommen und am liebsten immer mehr.

                  Dabei können nur Unternehmen (bei nicht nachgefragter Leistung) wirklich totgespart werden, und zwar völlig zu Recht von ihren Kunden.

                  • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 18:52

                    Die ÖRR haben wahrlich genug Geld. Es ist wohin das fließt…

                    • Stefan Pietsch 11. Januar 2023, 21:11

                      Das ist keine offizielle Position und Einschätzung.

                • Stefan Sasse 11. Januar 2023, 18:49

                  Siehe meine Frage an Stefan zu dem Thema.

  • cimourdain 10. Januar 2023, 10:43

    4) Ich finde es interessant, wie von immer mehr Lueten die städtische Verkehrspolitik als Verteilungskonflikt des öffentlichen Raums gesehen wird. Ich bin mir nicht sicher, ob das die ‚richtige‘ Denkweise ist oder ob dadurch dieses ‚Wegnehm‘-Denken zu viel Eigendynamik bekommt. Ich habe mich jedenfalls an diese (alte) Groteske von Karl Valentin erinnert gefühlt:
    https://groups.google.com/g/de.talk.jokes/c/50_Oc-3V9Ho

    6) Auch hier möchte ich auf die populistische Rechnung hinweisen, wie viele Wohnungen für den Preis eines Kampfflugzeugs beheizt werden können. Die Mittel wären da, sie werden halt nur für ‚wichtigeres‘ verwendet.

    7) Bei deinen Zahlen musst du auf die KorrelationKausalität Fallacy achten. Mehrheitlich konservative Gebiete sind im Schnitt älter und ärmer – beides starke Risikofaktoren für COVID.

    8) Bei der neuen Klimabewegung stehen in meinen Augen klar die Methoden gegenüber den Zielen im Vordergrund. Die Forderungen sind zwar moderat, aber sicherlich würde ein Erfüllen dieser die Proteste nicht beenden. Man kann es eher so sehen, dass im Gegensatz zu 2019 die Klimabewegung keine parlamentarische Interessensvertretung hat und deshalb „Full-APO“ geht.

    10) Es ist ein wenig seltsam, dass hier angesichts der real nachweisbaren Gräuel im Iran (Exekutionen) ein zweifelhafter Vorwurf in den Vordergrund gestellt wird. Die Formulierung „ hard to verify“ Im Artikel bedeutet, dass sich keine Primärquellen gefunden haben. Da es sich im Iran auch um einen PR-Konflikt handelt, liegt der Verdacht „Gräuelpropaganda“ leider nah – insbesondere, da deren Codes nachgerade lehrbuchhaft präsentiert werden.

    c) Überlegung zum Weiterdenken: Lassen sich diese Thesen anhand der ostdeutschen Identität verifizieren? Sollte leichter sein als für Taiwan.

    h) interessanter als das Links-Rechts-Spiel (Im Fall D wären übrigens die bevorzugten „Rechts“-Inhalte die von SPD und FDP) ist doch die Einflussnahme von Parteien, Regierungen und Sicherheitsbehörden auf Twitter, die durch die Twitter-Files öffentlich gemacht wurde (Bei aller Kritik ein positiver Verdienst von Musk).

    k) Na ja, dafür sind seine kontroversen Positionen und seine Parteirolle noch zu frisch. Um wirklich in diese Rolle zu kommen, müsste er sich (wie etwa Heiner Geißler) überparteilich zeigen – und vor allem seine Spendenskandal-Omerta aufgeben.

    r) Die Zahlen geben kein so klares Bild. Man kann – berechtigt- die Studie auch deutlich negativer lesen: https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Konflikt-und-deutsche-Leitmedien-Vielfalt-und-Ausgewogenheit-in-der-Kriegsberichterstattung-7446598.html
    Und hier kommen wir der Wirklichkeit näher. Das Gesamtbild ist nicht einheitlich in verschiedenen Grauschattierungen. Dass Reisin hier versucht dieses Grau als Weiss zu verkaufen (nach dem Motto „immerhin sind nicht alle Medien zu sämtlichen Themen komplett gleichgeschaltet“), kann man mit seiner ÖR-Sozialisierung erklären – oder als Teil eben dieses Konformitätssystem deuten.

    • Stefan Sasse 10. Januar 2023, 14:42

      4) Naja, der Raum ist halt limitiert, nicht?

      6) Korrekt.

      7) Klar, aber nicht in dem Ausmaß.

      8) Klingt richtig.

      r) Klar, kann man immer. Aber ich halte es hier für falsch.

      • cimourdain 11. Januar 2023, 17:46

        4) siehe Antwort an Tim unten

        r) Warum?

    • Tim 11. Januar 2023, 08:13

      @ cimourdain

      Ich finde es interessant, wie von immer mehr Lueten die städtische Verkehrspolitik als Verteilungskonflikt des öffentlichen Raums gesehen wird.

      Immer mehr Leute verstehen halt, dass Platz eine unserer knappsten Ressourcen ist und wir dem Autoverkehr Platz wegnehmen müssen, um Platz für Leben und andere Mobilitätsformen zu schaffen. Meine eigene Schätzung ist übrigens, dass wir den motorisierten Verkehr um 90 % reduzieren müssen, um lebenswerte Städte zu erhalten. Der Rest-Autoverkehr dann wird mit dem Rest-Platzangebot prima zurechtkommen.

      • cimourdain 11. Januar 2023, 17:44

        Das sehe ich durchaus ähnlich. Mir geht es nur um eine anderen Blickwinkel: Die meisten sind je nach Situation Rad-, ÖPNV- oder Autofahrer, Fußgänger oder (mittelbar) Lieferdienstnutzer. Je stärker sich Autofahrer mit dieser einen Rolle identifizieren, desto hartleibiger wird ihre Gegenhaltung. ‚Knackig‘ formuliert: Wir müssen dem Auto vornehmlich die Menschen wegnehmen, alles weitere ist dann viel einfacher.

        • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 22:52

          Wir müssen dem Auto vornehmlich die Menschen wegnehmen …

          Exakt. Wird funktionieren, gestreckt über einen sehr langen Zeitraum (meine Einschätzung: 30 bis 40 Jahre). Wer´s schneller will, braucht ne Revolution und bewaffnete Autoverhinderungsbrigaden.

          • cimourdain 12. Januar 2023, 08:08

            ‚bewaffnet‘ sagten Sie? Das wären ja schon fast Waffenlieferungen, für die ich warm werden könnte. Insbesondere schweres Gerät wäre da sehr effektiv.

          • Tim 13. Januar 2023, 10:36

            @ Thorsten Haupts

            Wird funktionieren, gestreckt über einen sehr langen Zeitraum (meine Einschätzung: 30 bis 40 Jahre).

            Das sind umgerechnet etwa 100.000 Verkehrstote und einige Millionen Schwerletzte. Damit haben die Deutschen kein Problem. Müsste also grob hinkommen.

            • Stefan Pietsch 13. Januar 2023, 11:18

              Könnten Sie das bitte in Relation setzen zu der Anzahl der insgesamt Sterbenden, der durch sonstige Unfälle sich Verletzenden und ums Lebenkommenden? Dann haben wir ein besseres Bild, womit die Deutschen generell kein Problem haben.

  • sol1 10. Januar 2023, 12:18

    3) Bislang sieht es nicht so aus, als ob sich ihr Manöver ausgezahlt hätte:

    „In a hypothetical three-way general-election race with Lake and Gallego, Sinema comes in at an anemic 13 percent with Lake (at 41 percent) and Gallego (at 40 percent) in a dead heat. Perhaps more strikingly, Gallego (48 percent) and Lake (47 percent) would also be in a dead heat if Sinema didn’t run at all in the general election.“

    https://nymag.com/intelligencer/2022/12/poll-sinema-would-get-crushed-as-an-independent-in-2024.html

    5) Da fehlt mir dann doch die Fantasie, mir eine solche Koalition vorzustellen, denn die AfD ist mittlerweile weitgehend im NPD-Modus – erst recht in Ostdeutschland.

    „Es ist auffällig, wie sehr die östlichen Landesverbände von der Bundes-CDU emanzipiert sind.“

    Das hängt wohl mit dem niedrigen Organisationgrad im Osten zusammen, der Randfiguren mehr Einfluß verleiht. Die Tabelle im Wikipedia-Artikel läßt sich nach „Mitglieder pro Einwohner ab 16 Jahren“ sortieren, und da landen die fünf Ostverbände zusammen mit Bremen und Hamburg auf den letzten Plätzen:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Christlich_Demokratische_Union_Deutschlands

    8) Relevanter Gastbeitrag in der SZ, in der diesen Gruppen vorgeworfen wird, die Wissenschaft zu ignorieren – und zwar die Sozialwissenschaft:

    https://www.sueddeutsche.de/wissen/extinction-rebellion-letzte-generation-klimaproteste-1.5710340

    • Stefan Sasse 10. Januar 2023, 14:44

      4) Zahlt sich aus, wenn die Dems aus Furcht niemanden aufstellen.

      5) Das scheint die nicht abzuhalten.

      Interessant, danke!

      8) Zahlschranke.

      • sol1 11. Januar 2023, 13:03

        „Zahlt sich aus, wenn die Dems aus Furcht niemanden aufstellen.“

        Wenn die Umfragewerte so bleiben, werden sie sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Und wie will dann Sinema ihren Wahlkampf finanzieren, wenn sie so aussichtslos hinten liegt?

        „Das scheint die nicht abzuhalten.“

        Kretschmer scheint jetzt leichte Zweifel an seinem Kurs zu haben:

        https://twitter.com/DerMonologist/status/1610975811187744769

        „Zahlschranke.“

        Bypass Paywalls Clean knackt jetzt auch Die Welt, die SZ und den Tagesspiegel.

        https://archive.ph/93WWm

  • sol1 10. Januar 2023, 12:36

    10) „…und das Schweigen Annalena Baerbocks zum Iran ist ohrenbetäubend…“

    Ich teile diese Einschätzung nicht.

    /// Zum Iran. Das Regime hart zu kritisieren, ist nicht schwer. Es ist aber unendlich schwer, aktuell etwas für die Protestierenden zu erreichen. Quält Sie diese Ohnmacht? 

    Es ist keine Ohnmacht, denn wir haben ja in den letzten drei Monaten in der EU und der UN schon einiges erreicht, um den Druck auf das Regime zu erhöhen und den Menschen in Iran beizustehen, aber ja: Es lässt mich alles andere als kalt, immer wieder erkennen zu müssen, wo die eigene Handlungsfähigkeit endet. Das auszuhalten und nicht zu resignieren, sondern immer wieder auszuloten was möglich ist, ist die wichtigste Aufgabe von Außenpolitik. Denn ein Regime austauschen – das können nur die Menschen, aus ihrer eigenen Kraft heraus.

    Das klingt resigniert.

    Ganz und gar nicht. Realistisch. Das einfachste wäre ja zu sagen: Bringt eh nichts, wir können nichts tun. Mein Job ist, zu überlegen, was wir bei den begrenzten Möglichkeiten tun können, um dennoch zu helfen – und dafür Mehrheiten zu finden. Jede Person, die nicht hingerichtet wird, ist es wert, zu kämpfen. In der EU haben wir erreicht, dass wir die Konten der Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen einfrieren, wir verwehren ihnen Reisen nach Europa. Und wir können die Menschen im Iran genauso wie die Menschen in Belarus unterstützen, indem wir die Menschenrechtsverletzungen öffentlich machen, indem wir die Beweise für die Verbrechen sammeln. Das haben wir im Iran mit der Resolution im Menschenrechtsrat getan.

    Wann ist für eine Außenministerin der Moment gekommen, etwas zu riskieren. Also eine Initiative zu starten, deren Erfolg auf den ersten Blick sehr unwahrscheinlich ist? Zum Beispiel einen Versuch zu unternehmen, mit dem Regime in Teheran zu reden, um es für eine andere Politik zu gewinnen?

    Kerngeschäft von Außenpolitik ist Sisyphusarbeit hinter den Kulissen, Telefonate, um Mehrheiten zu organisieren – zum Beispiel um eben im Menschenrechtsrat Länder, die bei Länderresolutionen immer mit dem Verweis auf „innere Angelegenheiten“ mit „Nein“ gestimmt hatten, zu einer Enthaltung zu bewegen, trotz des Drucks aus Peking und Moskau. Viele hatten davon abgeraten, das überhaupt zu versuchen. Am Ende waren es 25 „Ja“- und nur sechs „Nein“-Stimmen für unsere Resolution. Auch das ist ein Erfolg. Es rettet zwar in dem Moment noch kein Leben, aber es wird dazu führen, dass irgendwann Schuldige zur Anklage gebracht werden können, weil die UN jetzt Beweise sammeln können. Das war härtere Arbeit als ein Telefonat mit dem iranischen Außenminister.

    Das klingt nach: hoffen wir auf das Beste.

    Klare Worte und leise Töne sind kein Widerspruch. Aus meiner Sicht besteht eine starke Diplomatie darin, dass man sich bewusst macht, wann man mit leisen Tönen etwas erreicht – und wann klare Worte nötig sind. Klare Worte sind für mich kein Selbstzweck; klare Worte zu wählen, um sich selber stark zu fühlen, bringt einen kein Stück weiter. Aber umgekehrt gilt das Gleiche: Manchmal kann Schweigen mehr zerstören als wenn man Dinge auch mal klar und deutlich anspricht. ///

    https://web.archive.org/web/20230104092559/https://table.media/berlin/analyse/die-welt-ist-kein-wunschkonzert/

  • CitizenK 11. Januar 2023, 17:08

    „der Apfel bei Aldi habe eine niedrigere Qualität“

    Sagt auch keiner. LIDL schneidet bei test fast immer gut ab, z. T. besser als Bio-Produkte.

    „first world problem“
    Das stimmt natürlich, aber gilt das nicht für so gut wie alle problems, die wir hier diskutieren? Sollen wir deshalb aufhören, Lösungen zu suchen?
    Weil viele Menschen in der Dritten Welt nicht gut mit Medikamenten versorgt sind, machen wir hier die Antibiotika kaputt, damit das Fleisch billig bleibt?
    Weil dort 50 Kinder in einer Klasse sitzen ohne Bücher und Hefte, stoppen wir die Diskussion über die Digitalisierung hierzulande?
    Weil anderwo Menschen zu wenig zu essen haben, finden wir uns ab mit Übergewicht und Diabetes?

    Das kann es doch nicht sein.

  • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 19:11

    … finden wir uns ab mit Übergewicht und Diabetes …

    Sie haben die einmalig nervende Angewohnheit, Diskussionsgegenstände beständig zu verschieben.

    WENN Sie keine direkte, nachweisbare und treibende (!) Verbindung zwischen industriell hergestellten Lebensmitteln und Übergewicht oder Diabetes herstellen können (wofür es absolut keinen Beleg gibt), hat beides offensichtlich andere Ursachen, als die Qualität industriell hergestellter Lebensmittel. Und nur die ist Gegenstand der Debatte.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • CitizenK 11. Januar 2023, 19:31

      Das ist keine Verschiebung. Bezieht sich auf das „First world“ Argument.
      Übrigens: Lidl stoppt die Werbung für ungesunde Kindernahrung. Und reagiert damit auf eine Empfehlung der WHO. Es gibt also doch einen Beleg.

    • derwaechter 12. Januar 2023, 09:24

      „industriell“ ist glaube ich die falsche Kategorie. Denn sie sagt nichts über den Verarbeitungsgrad oder Inhaltsstoffe aus. Müsli oder Vollkornmehl kann genauso in diese Kategorie fallen wie Cola oder Fertigpizza.

      Für gesundheitliche Effekte ist glaube ich eher

  • Ralf 11. Januar 2023, 20:15

    zu 2) (“How do you solve a problem like Facebook?”)

    Idee:

    Eine staatliche AI entwickeln, die erkennt, wenn ein Medium (z.B. soziales Netzwerk oder Fernsehkanal oder Zeitung) signifikant negativen Content und “Aufreger” pusht, der an Emotionen appelliert, und bei Anschlagen, das Medium sofort und automatisch stilllegen. Beim ersten Mal für eine Woche. Beim zweiten Mal für zwei Wochen. Dann für vier Wochen usw.. Nach einigen Jahren Wohlverhalten verfallen “negative Punkte”, wie bei den Flensburger Punkten …

    • cimourdain 12. Januar 2023, 08:05

      Ernsthaft jetzt? Überwachung und Zensur durch eine staatliche KI? Kommunikationszugang nur bei Wohlverhalten. Entweder ist das (gute) Satire oder Sie haben eine 80er-Jahre Dystopie als Bedienungsanleitung gelesen.

      Stefan S. war empört. Da hatte sich wieder jemand in seinem Forum über die hohen Lebensmittelpreise und den Krieg gegen Eurasien beschwert – und das, wo der Status seines Netzwerks schon auf ‚orange‘ stand. Da musste er gegenarbeiten. Also hämmerte er auf die Tastatur ein: „Wir sollten alle in Ehrfurcht der großen Programmiererin für ihre grenzenlose Weisheit danken …“

      • Ralf 12. Januar 2023, 11:20

        Weshalb müssen wir Kommerzinteressen dienende private AIs hinnehmen, die unseren Demokratien zunehmend den Boden entziehen und in steigendem Maße Menschenleben kosten und ganze Gesellschaften destabilisieren, dürfen aber nicht mit einer Gemeinschaftsinteressen dienenden staatlichen AI dagegenhalten, um erstere abzuschalten?

        • Stefan Pietsch 12. Januar 2023, 12:14

          Grundrechte? Ein paar?

          • CitizenK 12. Januar 2023, 13:01

            Grundrechte schützen die Privatsphäre gegen den Staat. Wer oder was schützt sie gegen Digitalkonzerne?

          • Ralf 12. Januar 2023, 13:15

            Exakt. Genau diese Grundrechte sind in unserem gegenwärtigen Modell in Gefahr, denn ihre Garantie bedingt stabile Demokratien, in denen Konflikte durch Kompromisse und Wahlen, nicht Gewalt und Revolutionen gelöst werden.

            • Stefan Pietsch 12. Januar 2023, 19:10

              Grundrecht auf Eigentum: Jeder kann prinzipiell mit seinem Eigentum machen, was er will. Das gilt insbesondere außerhalb des Bereichs des Grundgesetzes.

              Grundrecht auf freie Meinungsäußerung: Es kommt nicht auf den Wahrheitsgehalt einer Aussage und im Prinzip auch nicht auf die Art der Äußerung an, um als zulässig zu gelten. „Dieser Blog ist das Letzte“, „Araber hassen Frauen“, „Milliardäre gehören nicht zur Demokratie“ sind zulässige Äußerungen, obwohl sie aufhetzend, emotionalisierend und falsch sind.

              Das Recht auf Gewerbefreiheit und Berufswahl: Eine Abschaltung eines Mediums wegen einer nicht regelkonformen Sache verletzt jede Norm für Verhältnismäßigkeit, zerstört selbst bei nur tageweiser Abschaltung das Medium und vernichtet die Beschäftigung in dem Unternehmen.

              Und warum diese Rasenmähermethode? Sie wollen gegen diffuse Verletzungen angehen und die Demokratie retten. Doch so wenig wie man die Menschheit vor Viren schützen kann, kann man die Demokratie dadurch bewahren, dass man sie in Quarantäne setzt. Demokratie ist wehrhaft, schon weil dahinter die Mehrheit steht. Und nur eine Mehrheit von Demokraten kann die Demokratie schützen.

              • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 20:28

                Ja, da bin ich weitgehend bei dir. Ich denke, der Schaden ist einfach größer als der Nutzen.

          • Thorsten Haupts 12. Januar 2023, 14:39

            Genau. Wir retten die Demokratie, indem wir einer staatlichen Aufsichtsbehörde das Recht übertragen, Zensur auf internationalen Internetplattformen durchzusetzen. Was soll dabei schon schiefgehen. Puh …

        • cimourdain 12. Januar 2023, 20:45

          Mal davon abgesehen, dass Sie die Demokratie vergiften wollen, um Unkraut loszuwerden… ist es doch per aktuellem Stand eher umgekehrt so, dass der Staat in Gestalt von Regierungen, Parteien und Behörden die sozialen Medien steuern, um öffentliche Meinung zu machen. Deshalb hatte ich weiter oben die Twitter-files erwähnt. Und auch für die Datensammlung der Digitalkonzern finden sich vor allem staatliche Abnehmer in Form von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden. Mit dem Staat machen Sie da den Bock zum Gärtner. Sinnvoller wäre eine Offenlegung der Algorithmen gegenüber der Gemeinschaft.

          • Ralf 12. Januar 2023, 22:36

            Das “Unkraut” zerstört ganze Staaten, vernichtet Wohlstand, zersetzt Gesellschaften, hetzt Menschen gegeneinander und produziert Terror. Wenig glaubhaft, dass eine “Vergiftung” dieses “Unkrauts” negativere Folgen hätte. Im übrigen halte ich die Aussage, dass die Parteien und Regierungen die sozialen Medien steuern, für extrem gewagt. Ich sehe weder auf Facebook noch auf LinkedIn Werbung oder Meinungsmache für Scholz, Baerbock oder Lindner. Noch nichtmal für Merz. Dafür werde ich überschwemmt mit Verschwörungstheorien, Hass auf die Demokratie, Fake-News und AfD-naher Propaganda. Unser System befindet sich im Abwehrkampf gegen diese Bedrohung. Und verliert. Wir sehen das an Trump. An Brexit. An Covidioten. An Reichsbürgern. An Qanon. An Italiens faschistischer Regierung. An den deutschen Parlamenten, in denen im Osten fast ein Viertel der Sitze mit Nationalsozialisten besetzt ist. Nichts von alledem wäre in dem Maße ohne die sozialen Netzwerke denkbar gewesen. Und der negative Trend ist stark steigend.

            Die Offenlegung der Algorithmen der sozialen Netzwerke ist ein erster Schritt, reicht aber nicht aus. Genauso wie es nicht ausgereicht hat, auf Zigarettenschachteln Nikotin- und Teerwerte anzugeben, hässliche Bilder auf die Schachteln zu drucken und das Gesundheitsministerium eine Kampagne gegen Lungenkrebs machen zu lassen. Was die Zahl der Raucher schließlich gesenkt hat, war die heftige staatliche Verteuerung des Rauchens und das Verbot am Arbeitsplatz, in der Kneipe, im Restaurant, im Zug, im Flugzeug und an praktisch fast allen öffentlichen Orten zu rauchen.

            • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 07:52

              Völlige Zustimmung, was die Gefahr angeht.

            • cimourdain 13. Januar 2023, 09:12

              1) Ein Vorteil von alten Männern (und Frauen) ist, dass sie sich daran erinnern, dass es eine Zeit vor Facebook gab, dafür auch mit Rechtspopulisten, Verschwörungstheorien und unfähigen US-Präsidenten.

              2) Dein Destabilisierungs-Argument könnte genauso auch im Iran gelten. Dort bist du (hoffentlich) für zensur- und kontrollfreie TOR-Zugänge ins Internet.

              3) Fundstück h) zeigt unter anderem, dass die relative Reichweite von SPD, FDP und CDU Inhalten höher ist als die der AfD. Kann es sein, dass dir der hässliche Teil einfach mehr auffällt, weil du ihn sehen willst?

              4) Stichwort Rauchen: Warum nicht aufhören. Ich bin nicht bei Facebook und Konsorten.

              5) Watch your language: Dein plakativ-alarmistischer Ton („überschwemmt“ , „Abwehrkampf“, „Nationalsozialisten“) erinnert mich doch unangenehm an genau die Populisten, die du bekämpft sehen willst.

              • Ralf 13. Januar 2023, 23:40

                zu 1)

                Ja, Rechtspopulisten und -extremisten hat es früher auch gegeben. Die Republikaner haben 1992 mal in Baden-Württemberg 10,9% geholt. Die Republik hielt den Atem an. Heute sitzen Nazis auf einem Viertel der Sitze in so manchem ostdeutschen Parlament. Und ja, Verschwörungstheoretiker gab es auch früher. Aber das waren einzelne Spinner, nicht globale Bedrohungen mit internationalem Terrorpotential wie Qanon. Und es liefen auch keine Massenmörder mit Helmkamera durch die Straßen, um in Ego-Shooter-Manier das Abknallen ihrer Opfer ins Internet zu streamen. Und ja, unfähige US-Präsidenten gab es auch vor dem Internetzeitalter. Aber niemals hat einer wie Donald Trump versucht sich nach verlorener Wahl an die Macht zu putschen. Und das war nun wirklich nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal von Donald Trump …

                zu 2)

                Mit dem Argument müssten wir im Westen Gefängnisse abschaffen, denn im Iran werden Gefängnisse für politische Zwecke missbraucht. Wir sind aber nicht im Iran. Und selbstverständlich würde in einem Rechtsstaat die Arbeit einer AI einer menschlichen Kontrolle unterliegen und Entscheidungen wären transparent und nachprüfbar.

                zu 3)

                Die relative Reichweite von SPD/CDU/FDP-Inhalten ist in der Tat hoffentlich höher, weil diese drei Parteien zusammengenommen mehr als 50% der Wähler repräsentieren. Die relative Reichweite von AfD-Inhalten übersteigt ihren Wähleranteil hingegen maßlos.

                zu 4)

                Ich beneide Dich um die Ruhe, die Du vermutlich genießt. Leider kann ich aber bestätigen, dass Deine Abwesenheit bei Facebook das Bedrohungspotential der sozialen Netzwerke für unser Land nicht gemindert hat. Es ist fast so, als wenn ein Problem nicht verschwindet, nur weil man die Augen schließt.

                zu 5)

                Sprache muss dem beschriebenen Sachverhalt angemessen sein. Wir haben uns lange genug beschwichtigt, die Terroristen schöngeredet und kommerziellen Hintermänner mit “Freiheit” entschuldigt. Es wird Zeit, dass wir die Dinge als das benennen, was sie sind.

            • Thorsten Haupts 13. Januar 2023, 11:16

              Geht´s ne Nummer kleiner? In Italien gibt es keine „faschistische“ Regierung und selbst die Rechtsextremisten in der AfD sind keine „Nationalsozialisten“.

              Unser System befindet sich im Abwehrkampf gegen diese Bedrohung. Und verliert.

              Was unterscheidet Ihre Panik von der in rechtspopulistischen und -radikalen Kreisen beliebten „linksgrünversifften“ Übernahme der Medien in Deutschland?

              Wir werden schon lernen, mit den neuen Medien angemessen umzugehen. Was Sie beschreiben, ist eine Übergangsphase, die man nicht überbewerten sollte.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Ralf 13. Januar 2023, 14:05

                Dank der “Übergangsphase” hing es 2019/20 an drei, vier integeren Individuen, dass die über 200jährige Demokratie in den USA nicht kollabiert ist. In Großbritannien wurde mit dem Brexit der Wohlstand eines gesamten Landes und die Zukunft einer Generation zerstört. Terror – ob rechtsradikal, islamistisch oder verschwörungstheoretisch motiviert – hat dramatisch zugenommen. In vielen Ländern sind Verfolgungen von Minderheiten bis hin zu Pogromen und Vertreibungen direkt mit der Hetze in sozialen Netzwerken verbunden. Allein in Deutschland sind Tausende, möglicherweise Zehntausende Menschen an Covid gestorben, wegen mystischer Online-Lügenpropaganda. Ich bin nicht mehr bereit mehr von dieser “Übergangsphase” hinzunehmen und will dass die beendet wird.

                • Thorsten Haupts 13. Januar 2023, 14:55

                  Schön. Dann hoffe ich, Sie finden dafür keine Mehrheit. Ich brauche und will keine Wahrheitskommission für öffentliche Äuserungen.

                  Und mich entsetzt tatsächlich, wie leichtfertig Sie hier eine der Existenzgrundlagen westlicher Zivilisation über Bord schmeissen. Es gibt keine – KEINE – Möglichkeit, Zensur auch nur halbwegs politikneutral zu organisieren. Deshalb darf es sie gar nicht erst geben.

                  Ihre Pläne sind übrigens – aber das nur nebenbei – mit unserem derzeitigen Grundgesetz offen verfassungsfeindlich.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Ralf 13. Januar 2023, 18:07

                    Ein Recht mit einem globalen Megaphon Menschen irrezuleiten und zu Spaltung, Hass und Terrorismus aufzurufen, ist nicht in der Verfassung verankert.

                    • Stefan Pietsch 13. Januar 2023, 19:31

                      Doch, gibt es. Es nennt sich Meinungsfreiheit kombiniert mit Grundrechten wie Eigentum. Schließlich dürfen Sie sich auch in Berlin mit einem Megaphon auf die Straße stellen und rumtrompeten. In der Verfassung ist das Megaphon zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber da steht vor allem nicht, dass Sie es nicht dürfen.

                      Zu Straftaten darf allerdings nicht aufgerufen werden, aber das dulden Facebook & Co. schließlich auch nicht (was ja Ihr Diskussionsgegenstand war). Dafür brauchen Sie also wahrlich keine Beamten.

                      Nur, was Sie wollen, ist nicht nur verfassungswidrig, es ist geradezu verfassungsfeindlich.

                    • Ralf 13. Januar 2023, 19:39

                      Niemand nimmt Ihnen Ihre Meinungsfreiheit. Sie können sich gerne auf den Marktplatz stellen und dort reden, was immer Sie möchten. Was ich Ihnen aus der Hand nehmen will, ist das globale Megaphon, auf das Ihnen keine Verfassung der Welt ein explizites Recht gibt.

                    • Stefan Pietsch 13. Januar 2023, 20:46

                      Wieso kein globales Megaphon? Wer sollte mir das verbieten? Meiner Erinnerung nach hat Zuckerberg sein Facebook nicht zusammengestohlen. Vor ihm gab es kein Facebook. Und nachdem er dies „globale Megaphon“ aufgebaut hat, meinen Sie berechtigt zu sein, es wegzunehmen, weil Sie „Angst um die Demokratie“ haben.

                      Nur so aus Neugier: Würde Facebook heute einfach eingehen, würden Sie Herrn Zuckerberg mit einem sehr, sehr hohen Milliardenbetrag für sein trauriges Schicksal entschädigen? Nein? Warum nicht? Also, Sie meinen, weil er erfolgreich ist, haben Sie eine Berechtigung, ihm das Megaphon wegzunehmen. Wird er plötzlich erfolglos, ist Ihnen das egal. Das ist opportunistisch.

                      Zuckerberg wird ganz sicher nicht jeden Post auf seiner Plattform kontrollieren. Ob Frau X etwas zu viel Busen zeigt, ist ihm mit Sicherheit egal, normalerweise weiß er das mit Sicherheit nicht. Es sind einfache Beschäftigte und Teamleiter, die solche Fragen entscheiden. Es gibt bei solchen Konzernen sehr, sehr allgemeine Regeln, die der Vorstand absegnet. Alles weitere liegt sehr weit in der Hand von Tausenden Mitarbeitern.

                    • Ralf 13. Januar 2023, 21:06

                      Wieso kein globales Megaphon?

                      Aus demselben Grund, aus dem Sie kein Sturmgewehr besitzen dürfen. Es mag zwar Spaß machen, ist aber extrem gefährlich und richtet enormen Schaden an.

                    • Thorsten Haupts 13. Januar 2023, 23:22

                      Tschuldigung, aber Sie haben so einen wunderbaren Paternalismus drauf – Sie hätten vor 30 Jahren prima in die CSU gepasst. Und nein, ein globales Megaphon ist in absolut keiner Weise vergleichbar mit einem Sturmgewehr. Direkte Aufrufe zu Gewalt oder Mord können und müssen Plattformen heute schon selbst bereinigen (und tun das auch), alles andere ist tatsächlich freie Meinungsäusserung, und wenn Sie Ihnen oder mir noch so missfällt.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Ralf 13. Januar 2023, 23:49

                      Selbstverständlich ist ein globales Megaphon in keinster Weise mit einem Sturmgewehr vergleichbar. Geschickt eingesetzt gelingt mit der Kraft der sozialen Netzwerke eine zehntausendfach höhere Tötungsrate und das ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Für einen aktuellen Fall siehe z.B. hier:

                      https://time.com/6217730/myanmar-meta-rohingya-facebook/

                    • Thorsten Haupts 14. Januar 2023, 14:56

                      Dass Sie erwachsenen Menschen Verantwortung absprechen – die armen Hascherln wurden zu Massakern durch Posts auf sozialen Medien „verführt“ – ist ziemlich hanebüchen. Darüber hinaus – die in Frage kommenden Posts würden gar nicht unter Ihren „Algoritmus“ fallen – gegen das Löschen und Bannen direkter Gewalt- und Mordaufrufe hat hier noch niemand argumentiert. Verteidigen Sie Ihren Zensurvorschlag bitte einmal direkt und nicht über Strohpuppen.

                      Sie schreiben … Dafür werde ich überschwemmt mit Verschwörungstheorien, Hass auf die Demokratie, Fake-News und AfD-naher Propaganda. Unser System befindet sich im Abwehrkampf gegen diese Bedrohung … Nichts davon ist strafrechtlich relevant, trotzdem wollen Sie es offenkundig gelöscht/abgestellt haben. Eine Demokratie, die diese Art von Propaganda nicht überlebt und kontern kann, ist intrinsisch instabil und damit auf gar keine Weise zu „retten“.

                      Aber ich finde Ihre späte nachträgliche Rechtfertigung für die damals vereinzelt erhobene Forderung nach Zensur der Werke von Adorno und Horkheimer – das war im Kern Hetze gegen die parlamentarische Demokratie und das geltende Grundgesetz – schon bemerkenswert.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Ralf 14. Januar 2023, 17:39

                      Dass Sie erwachsenen Menschen Verantwortung absprechen – die armen Hascherln wurden zu Massakern durch Posts auf sozialen Medien „verführt“ – ist ziemlich hanebüchen.

                      Eine schockierende Erkenntnis der letzten Jahre ist, dass das eben leider überhaupt nicht hanebüchen ist. Es gibt unter anderem dokumentierte Fälle schwerer Gewaltausbrüche gegen ethnische Minderheiten – oben hatte ich Dir ein Beispiel gepostet – die in direktem Zusammenhang mit Hass und Hetze auf sozialen Netzwerken stehen. Aber wir müssen garnicht in die dritte Welt reisen. Auch im Westen wären der amerikanische 6. Januar oder die Rekrutierung von tausenden europäischen IS-Terrorkämpfern – um nur zwei Beispiele zu nennen – ohne Facebook, Twitter, Telegram und Co nicht möglich gewesen.

                      Im übrigen handeln und denken Menschen nicht per se rational, nur weil sie erwachsen sind. In Russland, zum Beispiel, erklären sich die hohen Zustimmungswerte zu Putin und seinem Vernichtungskrieg nicht durch eine genetisch verankerte Schlechtigkeit der Russen, sondern durch den jahrzehntelangen gesteuerten Einfluss von Propaganda, Desinformation und Fake-News. Was daraus folgt ist, dass jede menschliche Population in ihrer übergroßen Mehrheit das glaubt und denkt, womit sie erzogen und aufgewachsen und ihr Leben lang begleitet worden ist. Wären Du und ich in Moskau geboren und aufgewachsen, dann wären wir beide heute sehr wahrscheinlich glühende Anhänger von Wladimir dem Großen.

                      Im Westen haben wir jahrzehntelang unsere Demokratien stabilisieren können, weil der größte Teil der Medien entweder unter Kontrolle unserer staatlichen Gemeinschaft stand oder die Neutralität der Medien gesetzlich vorgeschrieben war. Das hat die Verbreitung von Fake-News, von Desinformation und Lügen, von gefährlichen Verschwörungstheorien und von extremistischer Propaganda unter unseren Bürgern dramatisch begrenzt. Die Aufkündigung dieses Gesellschaftsvertrags bescherte den USA z.B. Fox News, ein Sender der – wohlgemerkt nie ein Gesetz brechend – zum Sargnagel der amerikanischen Demokratie geworden ist. Das Privatfernsehen in Deutschland und dann vor allem das Internet und am allerschlimmsten die sozialen Netzwerke bewerkstelligen seither die Zersetzung des politischen und gesellschaftlichen Systems bei uns. Und wir sehen das auch immer klarer. Eine Rückabwicklung des Internets ist allerdings schwer denkbar. Massive Zensur ist deshalb der einzige realistisch gangbare Weg. Damit wir eben nicht wie unsere hypothetischen Pendents in Moskau enden. Und nein – die Meinungsfreiheit ist damit in keinster Weise angegriffen. Meinen und sagen, was Du willst, kannst Du nach wie vor. Nur eben nicht mit einem globalen Megaphon.

                    • Thorsten Haupts 14. Januar 2023, 20:19

                      „Es ist schädlich und gefährlich, deshalb darf es nicht gesagt, gedruckt oder gesendet werden“. Hauptwahlspruch aller autoritären Staaten seit Beginn schriftlicher Aufzeichnungen in der Geschichte. Eine Menschheitskonstante.

                      Ich begehe keinen Selbstmord aus Angst vor dem Tod, genau das ist leider Ihre Position. Schlage vor, wir brechen hier ab?

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Ralf 14. Januar 2023, 21:10

                      Wir leben aber nicht in einem autoritären Staat, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass eine entsprechende Regelung gehandhabt würde, wie in einem autoritären System.

                      Und sollten wir jemals in einem autoritären Staat leben, dann wird die Zensur ohnehin kommen, völlig gleich wie das Internet zuvor reguliert oder nicht reguliert worden ist. Auf diese schaurige Zukunft bewegen wir uns gegenwärtig durch Nichtstun mit großen Schritten zu. Am Ende dieses Weges werden Dir die, die Du mit Deinem falsch verstandenen Freiheitsbegriff schützt, all Deine heiß geliebten Freiheiten wegnehmen.

                      Aber ok, wir finden bei diesem Thema wohl nicht zueinander. Da können wir uns auf ein “Agree to disagree” einigen …

                    • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 09:56

                      Aber haben nicht Schäuble und von der Leyen genau die Argumentation für ihre eigenen Überwachungsfantasien benutzt?

                    • Stefan Pietsch 14. Januar 2023, 22:29

                      @Ralf

                      Das mit dem Megaphon haben Sie ja schon selbst abgeräumt. Nach Ihrer gestrigen Definition müssten Sie auch Küchenmesser verbieten, denn Sie können damit potentiell Menschen umbringen – und zwar unmittelbar.

                      Das ist noch etwas, was mir aus früheren Debatten mit Ihnen in Erinnerung ist: Die Gleichsetzung von unmittelbaren mit mittelbaren und abstrakten Gefahren. Von einem Sturmgewehr geht eine unmittelbare Gefahr aus. Aber auch Sie unterstellen Facebook & Co. keine unmittelbare, sondern sehr abstrakte Gefahr. Eine Abstraktion, die jedoch extreme Eingriffe rechtfertigt.

                      Strafbar ist in einem Rechtsstaat jedoch immer nur das Unmittelbare, nicht das Abstrahierbare.

                      Einleitend hatte ich Aussagen angeführt, die nach Ihrer Definition nicht erlaubt sein dürfen: „Dieser Blog ist das Letzte“, „Araber hassen Frauen“, „Milliardäre gehören nicht zur Demokratie“. Alles enorm emotionalisierende Aussagen und dazu noch objektiv falsch. Aber erlaubt. Nicht jedoch, wenn es nach Ihnen geht.

                      Mir fehlt bei Ihnen die eigene Auseinandersetzung mit solchen offensichtlichen Widersprüchen. Denn entweder übergehen Sie es oder Sie behaupten, das natürlich nicht zu meinen. Doch was meinen Sie überhaupt?

                      Dazu noch der Hinweis: Sie können Facebook global nicht verbieten. Das ist unmöglich. Wenn Sie es nur formulieren, setzen Sie sich selbst dem Vorwurf des Diktatorischen aus. Denn tatsächlich erklären Sie Ihre Position und Ihre Einschätzung für maßgebend für einige Dutzend Demokratien und Rechtsstaaten auf diesem Globus.

                    • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 09:57

                      Sehr guter Punkt mit dem Abstrakten.

                    • Ralf 14. Januar 2023, 22:49

                      Das Küchenmesser dürfen Sie behalten. Und ich möchte auch nicht die lokale Schülerzeitung zensieren. Ich rede von Medien mit sehr großer Nutzerzahl und hoher Reichweite.

                    • Ralf 15. Januar 2023, 12:29

                      Sehr guter Punkt mit dem Abstrakten.

                      Ja, ein großartiges Argument. Wenn die Demokratie nicht aus direkten, sondern nur aus indirekten, abstrakten Gründen zerstört wird, dann brauchen wir uns natürlich keine Sorgen zu machen. Ich hab wohl einfach überreagiert …

                    • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 19:11

                      Glaub mir, ich weiß, wie frustrierend das ist. Aber rechtsstaatliche Regeln müssen für alle gelten. Und der Unterschied, den Stefan aufmacht, ist einfach real.

                    • Ralf 15. Januar 2023, 12:38

                      Aber haben nicht Schäuble und von der Leyen genau die Argumentation für ihre eigenen Überwachungsfantasien benutzt?

                      Klar haben sie das. Aber in einem Rechtsstaat kannst Du gegen unliebsame Entscheidungen demokratisch legitimierter Entscheidungsträger protestieren. Du kannst Deinen Unmut auf Demonstrationen äußern. Du kannst Abgeordnete anschreiben. Du kannst eine außerparlamentarische Koalition von Institutionen hinter Dich bringen, die politisch Druck macht. Du kannst Gerichte die Verhältnismäßigkeit von Entscheidungen überprüfen lassen. Du kannst die Gesetzmäßigkeit von Entscheidungen überprüfen lassen.

                      Und wenn das alles nicht hinhaut, kannst Du Schäuble und von der Leyen spätestens vier Jahre später abwählen.

                      (Perfekt ist das zweifellos nicht. Möglicherweise wird zum Zeitpunkt der Abwahl bereits Schaden entstanden sein. Möglicherweise wird man nicht jedes Unrecht immer verhindern können. Aber Kontrolle durch den wählenden Bürger ist, wie bereits oben gesagt, von allen schlechten Optionen der Kontrolle, die am wenigsten schlechte)

                    • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 19:11

                      Klar, aber wenn ich die Effekte von FOX News und Konsorten in den USA sehe, wo diese Mechanismen kaum richtig greifen…color me sceptical.

                    • Ralf 15. Januar 2023, 19:29

                      Glaub mir, ich weiß, wie frustrierend das ist. Aber rechtsstaatliche Regeln müssen für alle gelten. Und der Unterschied, den Stefan aufmacht, ist einfach real.

                      Ja, der Unterschied ist real. Aber bedeutungslos. Der Demokratie ist egal, ob sie direkt oder indirekt zerstört wird. Und die Folgen für uns alle sind die gleichen.

                      Und dass rechtsstaatliche Regeln für alle gelten müssen, bestreitet niemand. Ich will halt nur andere Regeln -> Regeln, die kompatibel damit sind, dass Deutschland auch in 20 Jahren noch eine Demokratie ist. Gegenwärtig befinden wir uns auf der abschüssigen Fahrt in die andere Richtung.

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 10:27

                      Das ist mir zu schwarz gemalt. Ich sehe für Deutschland, anders als etwa für die USA, derzeit keine existenzielle Gefahr für die Demokratie.

                    • Ralf 15. Januar 2023, 19:41

                      Ich verstehe Dein Argument nicht. Welche Mechanismen greifen denn bei Fox News nicht? In den USA gibt es überhaupt keine “Mechanismen. Ein Sender wie Fox News ist aber exakt die Art von Medium, die ich staatlich schließen würde. Um die Verlogenheit und Manipulation solcher extremen Akteure zu erkennen, brauche ich natürlich keine AI. Aber eine AI kann schnell reagieren, subtile Algorithmen mit heftigen Folgen erkennen, in Real-Time gigantische Datenmengen auswerten und damit ein paralleles Monitoring von tausenden Playern betreiben und ein Urteil dokumentieren. Dabei ist sie objektiver als ein Mensch, da sie nicht aufgrund von Emotionen, sondern einzig aufgrund ihres Training-Datensets agiert. Und letzteres kann man nachtrainieren, wenn sich Defizite zeigen.

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 10:28

                      So sehr ich FOX News geschlossen sehen wollen würde, ich sehe nicht, wie du das machen willst und eine liberale Rechtsordnung erhalten.

                    • Ralf 16. Januar 2023, 10:57

                      Das ist mir zu schwarz gemalt. Ich sehe für Deutschland, anders als etwa für die USA, derzeit keine existenzielle Gefahr für die Demokratie.

                      Als jemand, der lange in den USA gelebt hat, kann ich Dir sagen, dass dort vor 2016 auch niemand eine existentielle Gefahr für die Demokratie gesehen hat. Man hat sich über die Crazies der republikanischen Primaries 2012 lustig gemacht. Waren halt Clowns, die niemals an die Macht kommen würden. Man hat die radikalen Tea Party-Spinner ignoriert. Das mächtige Partei-Establishment würde die doch ganz bestimmt unter Kontrolle halten können. Man hat die terroristischen Anschläge, wie den des Oklahoma City-Bombers, ignoriert. Das waren ja schließlich nur Einzelfälle. Und als Trump Präsident wurde, hörte man von seinen moderateren (anti-Hillary) Wählern immer wieder den Spruch “You’ll see, it will be fine”. Ein Mann alleine wird doch nicht eine über zweihundertjährige Demokratie aus den Angeln heben können.

                      Der Zusammenbruch von Systemen erfolgt fast nie graduell. Stattdessen passiert sehr, sehr lange scheinbar fast garnichts, weil Institutionen Schocks absorbieren, und dann implodiert das geschwächte, destabilisierte Gebilde ganz plötzlich und alle wundern sich, wie es nur soweit kommen konnte.

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 15:38

                      Ja, aber ich sehe nicht, wo die Schocks in Deutschland aktuell wären. Also was machst du da aus?

                    • Ralf 16. Januar 2023, 11:24

                      Medien haben als Vierte Gewalt eine besondere Stellung in der Gesellschaft und stehen deshalb zurecht unter besonderem staatlichen Schutz. Aber das ist keine Einbahnstraße. Die Verantwortung geht in beide Richtungen. Medien können diesen besonderen staatlichen Schutz nur rechtfertigen, wenn sie redlichen Journalismus betreiben, sachlich informieren und sich ethisch anständig verhalten. Das einzufordern ist unser gutes Recht. Es ist unser gutes Recht, weil Medien, die unredlichen Journalismus betreiben, die unsachlich informieren und die unethisch handeln, nicht nur in ihrer Rolle als Vierte Gewalt versagen, sondern unsere Demokratie und unser gesellschaftliches System von innen heraus zersetzen und zerstören. Sie sind ein aktiver Angriff auf unsere Community.

                      Und jetzt meine Frage: Glaubst Du, dass Du mit einer fairen Analyse belegen könntest, dass Fox News unredlich, unsachlich und unethisch berichtet? Ich zögere keine Sekunde, diese Frage für mich persönlich mit einem klaren “Ja” zu beantworten. Und wenn ich die Muster von Verzerrung, Manipulation und Lüge bei Fox News entdecken kann, dann kann das auch eine AI. Nur halt schneller und gründlicher und tiefgehender. Und wenn diese Muster bei einem Medium das Kerngeschäft ausmachen – wohlgemerkt, wir reden nicht von zwei, fünf oder dreizehn missglückten Beiträgen, sondern von einem systematischen, system-inhärenten Problem, dann ist es nicht illiberal einen solchen Konzern zu schließen. Eine Sprengstofffabrik, die wiederholt und systematisch Sicherheitsbestimmungen verletzt, wird schließlich auch dicht gemacht, ohne dass die Leute von “verletzter Freiheit” faseln.

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 15:40

                      Definiere unredlich, unsachlich, unethisch, auf eine Weise, die objektiv messbar ist. Das ist das Problem, nicht, dass ich nicht sagen würde, dass FOX all das nicht ist. Der Scheißladen ist das Krebsgeschwür der Demokratie.

                    • Thorsten Haupts 16. Januar 2023, 13:53

                      … dass Fox News unredlich, unsachlich und unethisch berichtet?

                      Ach, tatsächlich? Berichtet, also Nachrichten, nicht die Shows von Tucker und Konsorten? Dann machen Sie mal hinne – den Nachweis würde ich ja zu gerne sehen. Wird Ihnen ziemlich schwerfallen 🙂 .

                      Und was die Shows angeht – wenn Sie einen Sender deshalb schliessen wollen, dann verlange ich die sofortige Dichtmachung von ARD und ZDF. Weder die „heute show“ noch die „Anstalt“ et al. genügen irgendeinem journalistischen Kriterium, verbreiten regelmässig Hetze und Verunglimpfung demokratisch legitimierter Politiker, sind dabei nachweisbar völlig einseitig und tun all das bewusst.

                      Sie sind ein aktiver Angriff auf unsere Community.

                      Das Argument kenne ich – aber bisher nur von links- und rechtsradikal. Je mehr Sie „begründen“, umso mehr überzeugen Sie mich vom Gegenteil. Ich möchte unter gar keinen Umständen, dass Leute mit Ihrer Geisteshaltung jemals die Kontrolle über die Medienlandschaft eines Landes bekommen. Und zwar selbst dann nicht, wenn absolut sicher wäre (was es mitnichten nicht ist), dass sonst die Demokratie untergeht – weil sie MIT der Umsetzung Ihrer Zensur- und Schliessforderungen ebenso sicher untergeht.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Ralf 16. Januar 2023, 13:55

                      Wenn man kein Interesse an einer sachlichen Debatte hat, dann kann man auch einfach mal die Klappe halten.

                    • Thorsten Haupts 16. Januar 2023, 14:26

                      Nö.

                    • Ralf 16. Januar 2023, 16:01

                      Ja, aber ich sehe nicht, wo die Schocks in Deutschland aktuell wären. Also was machst du da aus?

                      Unter anderem die Fragmentierung des Parteiensystems; die Etablierung der AfD trotz rasanter Radikalisierung; Flächenbundesstaaten, in denen die konventionelle Mitte keine Mehrheit und die Rechtsextremen ein Viertel der Sitze haben; das Wachstum des Reichsbürgermythos (meines Wissens nach vor den Neunzigern unbekannt); die Explosion von Coronamythologen; wachsende Wissenschafts- und Expertenfeindlichkeit; sinkende Wahlbeteiligung; sinkende Zahl an Parteimitgliedern; sinkende Bindekraft von Gewerkschaften, Kirchen und anderen Institutionen; Vertrauensverlust in Medien; Verrohung im Fernsehen wie im Internet; hohe Einwanderung bei geringer Integration …

                      Und so weiter.

                      Und das alles im Angesicht von umwälzenden, bevorstehenden Transformationen (Klima, Digitalisierung, Verkehr). Eine toxische Mischung mit enorm viel gesellschaftlicher Sprengkraft.

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 17:03

                      – Etablierung: Ja, aber die AfD hat max. 15%.
                      – Flächenstaaten: Ja, aber die sind zum Glück nicht dermaßen wichtig im Vergleich.
                      – Reichsbürgermythos: Ne, aber früher gab’s anderen Unfug.
                      – Coronamythen, Expert*innenfeindlichkeit, Vertrauensverlust: Ja, das sehe ich.
                      – Wahlbeteiligung, Parteimitglieder, Gewerkschaften, Kirchen: Korrekt, aber ich denke nicht, dass das existenzbedrohlich ist.
                      – Verrohung, Einwanderung bei geringer Integration: sehe ich nicht.

                      Sprengkraft besteht. Aber halt auch viel Integrationskraft. Ich bleibe verhalten optimistisch.

                    • Ralf 16. Januar 2023, 16:33

                      Definiere unredlich, unsachlich, unethisch, auf eine Weise, die objektiv messbar ist. Das ist das Problem, nicht, dass ich nicht sagen würde, dass FOX all das nicht ist. Der Scheißladen ist das Krebsgeschwür der Demokratie.

                      Findest Du es nicht merkwürdig, dass Du mit solcher Gewissheit sagen kannst, dass Fox News ein “Krebsgeschwür der Demokratie” ist, aber nicht in der Lage bist zu erklären warum? Der Grund dafür ist, dass Fox News die Summe unzähliger Einzelsendungen und -berichte und -formate ist. Bewerten muss man das Gesamtprodukt. Objektiv kann man Lügen identifizieren, wie etwa, dass Donald Trump die Wahl 2020 gewonnen hat. Objektiv kann man konstatieren, dass viele Berichtsegmente ad hominem “argumentieren” und eine Sprache benutzen, die polarisiert, polemisiert und aufwiegelt (da könnte man etwa eine Wortanalyse durchführen). Objektiv kann man ermitteln, dass Gegenargumente und -perspektiven selten Raum bekommen, und wenn, dann nur um sie abzuwerten.

                      Im Endeffekt stellt sich aber die Frage, wie viel Prozent des Gesamtsendeanteils und wieviel Prozent des Zuschaueranteils wird mit Sendungen in diesem Stil gefüllt. Für Dich persönlich ist das schwer zu ermitteln, weil Du monatelang jede einzelne Sendung anschauen und dokumentieren und auswerten müsstest. Eine AI macht das hingegen in ganz kurzer Zeit und identifiziert den negativen Ton, die Polarisierung, die Unausgewogenheit. Und gibt Dir die Worte in die Hand, weshalb Fox News das “Krebsgeschwür der Demokratie” ist.

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 17:03

                      Ich kann dir problemlos sagen warum. Kann ich das in ein Gesetz gießen, das objektiv auf alle anwendbar ist und nicht eine Lex FOX darstellen würde? Nein.

                    • Ralf 16. Januar 2023, 20:41

                      Ich kann dir problemlos sagen warum. Kann ich das in ein Gesetz gießen, das objektiv auf alle anwendbar ist und nicht eine Lex FOX darstellen würde? Nein.

                      Ok, zwei Punkte:

                      Du selbst nanntest Fox News das “Krebsgeschwür der Demokratie”. Wir wissen beide, wohin Krebs am Ende führt. Was ist jetzt also Deine konkrete Gegenstrategie? Nichts tun und auf eine Wunderheilung hoffen? Der Demokratie beim Sterben zusehen und am Grab den Satz sagen “Schade, dass wir nichts konnten”?

                      Dass Du problemlos sagen kannst, was mit Fox News falsch läuft, erstaunt mich. Ich persönlich habe zwar einen Eindruck von dem Sender und genug gesehen, um mir ein Urteil zu bilden. Aber für eine überzeugende “Lex Fox News” müsste ich Daten aus zwei Jahrzehnten auswerten, die Unsachlichkeit und Unredlichkeit der Berichterstattung, die Manipulation, die Hetze messen und exakt quantifizieren. Das könnte vielleicht eine Expertenkommission in jahrelanger Arbeit hinkriegen. Dass Dir das alleine gelänge, dazu reicht meine Phantasie nicht.

                      Aber eine AI kann lernen Muster zu erkennen. Wortwahl und Satzkonstruktionen in gemäßigten Texten sind andere als in polarisierenden, hetzerischen Texten. Auch ob verschiedene Perspektiven beleuchtet werden, kann eine AI erkennen. Wenn das Trainingsmaterial gut ist, dann detektiert die AI die Patterns, die exakt jene Berichterstattung prägen, die Fox News betreibt. Und diese AI würde dann zum Maß. Nicht nur für Fox News. Dieselben Muster würden auch bei Breitbart gefunden. Und in diversen Telegram-Kanälen. Und und und.

                      Dabei ist klar, dass man die Funktion künstlicher Intelligenz kontrollieren muss. Dazu kann man etwa ein Gremium zusammenstellen, dass von der Bundesregierung, den Landesregierungen und relevanten gesellschaftlichen Gruppen gewählt wird, etwa von Gewerkschaften, Arbeitgebern bis hin zu Greenpeace und meinetwegen Fridays for Future. Beispiele hierfür gibt es bereits in der BRD auf anderen Feldern, z.B. im Rundfunkrat. Ein solches Gremium kann auf Klage hin den Fall als erste Instanz evaluieren und gegebenenfalls die Entscheidung der AI rückgängig machen und diese nachtrainieren. Unterstützt das Gremium die AI, bleibt der Weg vor ein Gericht – allerdings sollte der Betrieb dann meiner Meinung nach solange geschlossen bleiben, bis die Probleme entweder glaubhaft behoben worden sind oder ein gerichtliches Urteil gefällt worden ist. Ein Restaurant, bei dem das Gesundheitsamt schwere Mängel feststellt, wird schließlich auch erstmal geschlossen bis belegt ist, dass Missstände behoben wurden.

                    • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 08:22

                      Mein Problem ist weniger die technische Umsetzbarkeit einer solchen KI, das geht problemlos. Mein Problem ist, dass die nächste republikanische Regierung nicht den Algorithmus ändert und ihn auf MSNBC hetzt.

                    • Ralf 17. Januar 2023, 08:34

                      Mein Problem ist weniger die technische Umsetzbarkeit einer solchen KI, das geht problemlos. Mein Problem ist, dass die nächste republikanische Regierung nicht den Algorithmus ändert und ihn auf MSNBC hetzt.

                      Wenn die Republikaner willens sind MSNBC abzuschalten, können sie das jederzeit tun – so sie an der Macht sind. Sie können es ohne Algorithmus tun (Erdogan und Orban haben schließlich auch keinen Algorithmus gehabt). Oder sie können ihren eigenen Algorithmus entwickeln.

                      Dein Argument läuft darauf hinaus, dass die Demokratie nicht wehrhaft sein darf, weil ein sinistrer Player irgendwann in der fernen Zukunft mal die Werkzeuge missbrauchen könnte. Das Problem ist aber, dass eine Demokratie, die nicht wehrhaft ist, irgendwann gerade von diesen sinistren Playern ausgehebelt wird. Und die haben dann erfahrungsgemäß überhaupt keine Probleme sich ihre eigenen Werkzeuge zur Unterdrückung der Menschen zu basteln.

                    • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 09:43

                      Danke für die Debatte. Ich muss das eine Weile sacken lassen.

              • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 18:21

                Dein Wort in Gottes Ohr.

            • Stefan Pietsch 13. Januar 2023, 16:27

              Wie so oft wundere ich mich, dass Sie den Rechtsstaat nicht verstehen. Mit den Grundrechten scheinen Sie wenig anfangen zu können und Demokratie ist nur soweit okay, wie die Mehrheiten für einen sind. Eine echte Blüte:

              Ich sehe weder auf Facebook noch auf LinkedIn Werbung oder Meinungsmache für Scholz, Baerbock oder Lindner. Noch nichtmal für Merz.

              Tja, warum ist das s0? Warum gibt es keine Werbung für Spitzenpolitiker? Wer sollte diese bezahlen? Soweit eine Privatperson dieses schaltet und bezahlt, wäre das Wahlkampfwerbung, selbst wenn kein Wahlkampf ist. Unternehmen sind aus gutem Grund meist laut Satzung zur Neutralität verpflichtet. Parteien sparen sich die Mittel für die Wahlkämpfe und Ministerien dürfen keine Parteiwerbung schalten. Eigentlich ganz klar, für Sie jedoch ein heimlicher Skandal.

              Dafür werde ich überschwemmt mit Verschwörungstheorien, Hass auf die Demokratie, Fake-News und AfD-naher Propaganda.

              Kommt darauf an, wo Sie sich rumtreiben. Ich bekomme nichts von alledem. Und die meisten Wähler auch nicht. Denn die Mehrheit ist über 50 und hat mit Twitter und Instagram gar nichts und mit Facebook nur sehr wenig am Hut. Und dass die Mitglieder von LinkedIn mehrheitlich rechtsradikal wären, ist zumindest originell.

              Unser System befindet sich im Abwehrkampf gegen diese Bedrohung.

              Die Zustimmung zu Demokratie und Marktwirtschaft – eigentlich System, aber meiner Erfahrung nach mit Ihnen zählt das nicht – hängt maßgeblich von den eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen ab. Und die Zustimmung im Osten des Landes war schon, beginnend mit 1990, deutlich geringer als im Westen. Zwei Jahrzehnte haben bis zu ein Drittel der Ostdeutschen die ehemalige Diktaturpartei SED-PDS-LINKE gewählt. Die Parteikader waren lange größtenteils identisch, die LINKE immer systemfeindlich. Das stört Sie nicht. Seitdem bis zu ein Drittel der Ostdeutschen Rechtspopulisten bis Rechtsextreme wählen, sieht die Geschichte natürlich anders aus. Merke: Systemfeindlich ist nicht gleich systemfeindlich.

              Wir sehen das an Trump. An Brexit. An Covidioten. An Reichsbürgern. An Qanon. An Italiens faschistischer Regierung.

              Man steht fassungslos vor solchen Einlassungen. Trump hatte, das sollten Sie ziemlich gut wissen, keine Mehrheit hinter sich. Trump war mehr das Ergebnis des Mehrheitswahlrechts als rechter Hetze. Wenn die Briten den BREXIT in deutlicher Mehrheit bereuen würden, wäre Ihrem Argument ja noch etwas abzugewinnen. Aber diese Mehrheit passt Ihnen nicht, daher schlecht.

              Ich darf erinnern, dass Sie zu den Anhängern von NoCovid gehörten. Wie man spätestens in China gesehen hat, einer extremistischen Ansicht über den Kampf gegen ein Virus – und noch dazu erwiesenermaßen völlig erfolglos. Heute muss man jene, die andere mit Covidioten beschimpft haben, selber das Etikett anhängen. Aber auch das zeigt, dass Sie, wie Thorsten Haupts mit einigem Recht schreibt, Probleme mit unserem Rechtsstaat, Demokratie und Verständnis von Grundrechten haben. Es ist Ihnen natürlich unbenommen, die neue italienische Regierung als faschistisch zu stempeln – womit Sie die Italiener mehrheitlich zu Faschisten erklären. Es ist zwar völliger Blödsinn, aber das ist freie Meinungsäußerung in diesem Land – von der Sie selbst wenig halten.

              Die Offenlegung der Algorithmen der sozialen Netzwerke ist ein erster Schritt

              Wofür? Die Algorithmen sind Eigentum (Grundrecht). Ihre Offenlegung zerstört den Wettbewerb (marktwirtschaftliches System). Der Algorithmus ist nicht das Problem. Wenn Sie sich auf rechtsradikalen Seiten tummeln, kann ein Social Network mit einigem Recht annehmen, dass Sie rechtsradikale Umtriebe interessieren. Und wenn Sie das nicht interessiert, können Sie wie bei Apple die angepasste Werbung abschalten. Es liegt einzig bei Ihnen, nicht am Algorithmus.

              Was die Zahl der Raucher schließlich gesenkt hat, war die heftige staatliche Verteuerung des Rauchens und das Verbot am Arbeitsplatz, in der Kneipe, im Restaurant, im Zug, im Flugzeug und an praktisch fast allen öffentlichen Orten zu rauchen.

              Kopfschüttel. Das haben Sie wirklich exklusiv. Kein Suchtforscher folgt Ihnen da. Und wie neuere Zahlen zeigen, steigt die Zahl der Raucher wieder. Was Ihre These endgültig in die Tonne kloppt.

          • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 07:48

            Die These halte ich auch für Unfug. Wo werden denn „die sozialen Medien gesteuert“?

    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 13:10

      Puh, staatliche KI und daran Strafen koppeln…? Color me sceptical.

      • Ralf 12. Januar 2023, 18:14

        Weil Du nicht an die technische Möglichkeit glaubst, dass die AI schädlichen von nicht schädlichem Content unterscheiden kann? Oder weil schädlicher Content straffrei sein sollte? Oder weil der Ansatz zwar richtig ist, aber der Staat nicht involviert sein sollte?

        • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 18:55

          1) Weil jede KI von einem Menschen programmiert wird, der seine eigenen Vorstellungen reinbringt. Das sehen wir doch bei den ganzen Silicon-Valley-Narren. Deren Ideologien, die sie nicht einmal als solche erkennen, bescherten uns doch so Mist wie den Facebook-Algorithmus. Warum sollte das bei Programmierer*innen in staatlichem Auftrag anders sein?
          2) Ich finde es schon beknackt, dass dumme Milliardäre eine solche Kontrolle über uns haben. Das dem Staat in die Hand zu geben – nope, nope, nope. Ich trau dem Staat nur, soweit ich ihn werfen kann.

          • Ralf 12. Januar 2023, 22:18

            Der “Staat” ist nicht irgendsoein anonymer Typ mit sinistren Absichten, sondern der Staat sind wir alle. Die Entscheidungen einer AI kann man transparent veröffentlichen. Klare Fehlentscheidungen kann man manuell korrigieren. Und AIs kann man mit neuen Daten nachtrainieren, wo man Änderungsbedarf sieht.

            • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 07:52

              Auf abstraktem Level sind wir alle der Staat, aber die Behörden sind schon ein eigenes Ding. Hast du das Gefühl, du wärst BND oder Verfassungsschutz? Oder auch nur Polizei? Dass du Finanzamt bist, oder Agentur für Arbeit? Ich meine, da arbeiten Menschen, und wo das passiert, ist Missbrauchspotenzial.

              • Ralf 13. Januar 2023, 11:17

                Es liegt mir fern zu behaupten, dass Behörden perfekt seien oder dass es in staatlichen Einrichtungen keinen Missbrauch gäbe. Aber wie transparent und community-orientiert Behörden arbeiten, liegt in Demokratien letztlich am Wähler. Die Medien, insbesondere im Internet, sind hingegen unter der totalen Kontrolle einzelner Supermilliardäre.

                • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 18:22

                  Verzeih, wenn ich kein übergroßes Vertrauen in das Interesse und die anhaltende Kontrollfähigkeit der Wählenden habe.

                  • Ralf 13. Januar 2023, 18:27

                    Ein großartiges Argument für die Monarchie … 😉 ^^

                    Klar ist die Kontrolle durch die Wählenden suboptimal und funktioniert oft erst mit Verzögerung und manchmal auch permanent garnicht. Aber von allen schlechten Möglichkeiten der Kontrolle ist die durch die Wählenden die am wenigstens schlechte …

                    • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 19:22

                      Das ist ein völlig anderes Thema. Da bin ich völlig bei dir. Allein, ich sehe wenig Grund, solche Machtmittel an IRGENDWEN rauszugeben.

                    • Thorsten Haupts 13. Januar 2023, 21:18

                      Allein, ich sehe wenig Grund, solche Machtmittel an IRGENDWEN rauszugeben.

                      Yup. Das ist der Punkt, den er nicht verstanden hat – selbst eine demokratische Mehrheit darf sich nur innerhalb der Grenzen unserer Verfassung bewegen. Und „schädlichen Content“ kennt unsere Verfassung nicht.

                      Aber sollte eine Internetzensur grosser Plattformen realisiert werden – na, wartet nur ab, bis ich die Kontrolle über die entsprechende Behörde und/oder Algorithmen übernommen habe. Was schädlich ist, bestimme ich! F*ck yeah.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

          • cimourdain 13. Januar 2023, 08:34

            1) Und da hast du genau das falsche Bild, wie die Algorithmen arbeiten. Sie entstehen durch machine-learning und werden vor allem durch die Nutzer selbst ‚programmiert‘. Ihr Ziel ist es, möglichst viel Aufmerksamkeit als Selbstzweck zu generieren. Und da sind ‚rechte‘ Inhalte oft wirkungsvoller. Der Algorithmus ‚merkt‘, dass „Ausländer schuld an Krawallen“ öfter geteilt wird als „Der sozioökonomische Hintergrund der Delegitimation des Staates“ und präsentiert solche Inhalte auch häufiger – weil es das ist, was die Nutzer wollen.
            Staatliches Eingreifen versucht das zu steuern, indem bestimmte Inhalte verboten werden (z.B. Volksverhetzung). Programmierer setzen das durch, indem Sie den Verkehr nach Begriffskombinationen (z.B. „Juden“ und „Verschwörung“) durchforsten und dies dann blockieren lassen.
            Nur sind KIs nicht besonders gut darin Kontexte zu erkennen und blocken deshalb auch unbegründet. Bekannt ist etwa, dass Facebook Posts mit dem berühmten Bild des „Napalm-Mädchens“ aus Vietnam wegen Kinderpornographie geblockt hat.

            • Stefan Sasse 13. Januar 2023, 10:01

              Aber genau solche Fehler sind es ja, die mich mit kritisch machen. Und klar, machine learning und so – aber auch das basiert ja auf dem, was Menschen machen, was du ja in der von dir beschriebenen Dynamik explizit thematisierst!

  • Thorsten Haupts 11. Januar 2023, 21:48

    Eine staatliche AI entwickeln, die erkennt …

    ROFLMAO: Alles daran ist schön 🙂 .

  • CitizenK 12. Januar 2023, 13:52

    „… dass sie sich der Zerschlagung der PDS verweigert haben“

    So war es ja nicht. Die SPD war – im Gegensatz zur CDU – prinzipienfester, skrupulöser und wollte keine SED-Stasi-Leute aufnehmen. Gedankt hat es ihr niemand, wie immer. Größter Fehler – das sehe ich auch so.

    P.S. Für die Kommunisten waren immer die Sozis der Hauptgegner.

    • Stefan Sasse 12. Januar 2023, 18:51

      Sag ich ja ^^ In dummen Entscheidungen für das Wohl des Landes ist die SPD Spitzenreiter. Quasi das Partei-Brand seit 1918. Verantwortungsvoll bis zum Ende.

  • CitizenK 14. Januar 2023, 15:29

    „gegen das Löschen und Bannen direkter Gewalt- und Mordaufrufe hat hier noch niemand argumentiert“

    Da ist die Argumentation allerdings nicht mehr stringent: Erwachsene Menschen mit Verantwortungsgefühl werden sich auch dadurch nicht zu Taten verführen lassen. Also sollte man die auch unzensiert lassen?

    • Thorsten Haupts 14. Januar 2023, 17:12

      Aufrufe zu Gewalt oder Mord sind Aufrufe zu schweren Straftaten und damit ihrerseits bereits Straftaten. Fake News, Verschwörungstheorien oder AfD nahe Propaganda ist das nicht. Unterschied klar?

      • CitizenK 14. Januar 2023, 19:24

        Ja und Nein. Wenn es wirkungslos wäre, müsste (und dürfte!) es nicht verboten und unter Strafe gestellt werden.

        Das Argument von den Erwachsenen mit Verantwortungsbewusstsein ist ja tricky. Erwachsene verantwortungsvolle Bürger fahren auch nicht betrunken Auto, um ein banales Beispiel zu nehmen. Würden alle Bürger als verantwortungsvolle Erwachsene handeln, könnten wir die Hälfte (mindestens) unserer Gesetze abschaffen.

        Das Megafon-Argument verdient ein genauere Prüfung. In kleinerem Maßstab besteht das Problem schon mit den klassischen Massenmedien. Murdoch, Hearst oder … Hugenberg. Und was wäre Hitler gewesen ohne das damalige „Megafon“ Radio und Film? Der hat ja anfangs nicht zum Massenmord an unschuldigen Menschen aufgerufen, sondern „lediglich“ Verschwörungstheorien geäußert.

        Der von Ralf beschriebene Wirkmechanismus der sozialen Medien ist ja belegt. Ein Gegengewicht zu suchen, ist eine „deliberation“ wert. Verfassungswidrig (gar ..feindlich) ist es nicht.

        • Thorsten Haupts 14. Januar 2023, 20:14

          Ihre Argumentation enthält IMHO mehrere Fehler:

          1) Aufrufe zu Straftaten sind ihrerseits Straftaten, alles andere wäre auch widersinnig.
          2) Das Megafon-Argument gilt dann auch für links – ich hatte Adorno/Horkheimer (die beiden einflussreichsten deutschen Intellektuellen für eine ganze Generation) ja schon weiter oben genannt. Sie akzeptieren das?
          3) Der Wirkmechanismus wird (plausibel) angenommen, belegen können Sie in den Sozialwissenschaften (mangels möglicher Falsifikation) nichts.
          4) Mit dem „Megafon“-Argument kann man jede beliebige, einflussreiche, Meinungsäusserung, die man selber für schädlich hält („verdirbt die Jugend“), umstandslos verbieten. Dieses willkürliche Verbot ist nach x-mal widerholter Rechtsprechung des BVerfG verfassungswidrig, ich verschärfe das zu verfassungsfeindlich.

          Mir leuchtet tatsächlich nicht ein, wie man eine freie Gesellschaft ausfrechterhalten und gleichzeitig nicht strafbewehrte Meinungsäusserungen mit Staatsgewalt untersagen oder verhindern will. Es geht nur eines von beidem. Stefan S macht Sie bestimmt gerne mit Beispielen bekannt, in denen radikalere republikanische Majoritäten in US-Bundesstaatsparlamenten Ihr Megafon-Argument in Gesetze umsetzen …

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • CitizenK 15. Januar 2023, 06:39

            Die Grenzen der Meinungsfreiheit in der Demokratie sind eine sehr grundsätzliche Frage. Wenn man sicher sein kann, dass auch extremistische „Meinungen“ den Bestand der Demokratie nicht gefährden, braucht es keine Verbote. In Dänemark ist Nazi-Propaganda erlaubt, obwohl das Land auch unter den Nazis gelitten hat. Trotzdem finde ich es richtig, dass das in D anders gehandhabt wird – was gegen das Credo der vollständigen Meinungsfreiheit verstößt.
            1) Hier im Ergebnis kein Dissens
            2) Argumente wirken immer in beide Richtungen. Das mit Horkheimer habe ich nicht verstanden.
            3) Beweisen wie in den Naturwissenschaften nicht, klar.
            4) Ein Wahrheitsministerium darf es nicht geben. Um ein komplettes Verbot geht es ja aber auch nicht. Die Frage ist, an welchem Punkt die wehrhafte Demokratie ansetzt. Das NetzDG ist ein solcher Ansatz. § 130 StGB auch. Beides mit dem Postulat der unbeschränkten Meinungsfreiheit nicht vereinbar.

          • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 09:55

            Also, in dem Moment, in dem Linke zu Gewalt und Straftaten aufrufen – ja klar gilt das dann. Nur, wann genau ist diese Grenze erreicht? Will ich das ne KI entscheiden lassen? Aktuell wird das nur im Zweifelsfall geprüft, durch Gerichte. Dabei können wir es gerne belassen. Vielleicht – ich kenne mich da zu wenig aus – macht es Sinn, dass Gerichte solche KI als eine Art Sachverständigenurteil heranziehen, um Merkmale von Hassrede zu prüfen, nicht als definitives Urteil, sondern als ein Beleg. Aber das ist nur so eine Idee. Automatisiert mit Algorithmus finde ich das sehr bedenklich.

            • Thorsten Haupts 15. Januar 2023, 12:39

              Also, in dem Moment, in dem Linke zu Gewalt und Straftaten aufrufen – ja klar gilt das dann.

              D’accord. Nur ist das die geltende Rechtslage – und genau die wollen Ralf und CitizenK ja verschärfen, auf „Hetze“ oder Verschwörungstheorien. Genau die aber kann kein Mensch (also auch kein Algorithmus) ohne politische Vorurteile definieren. Ätzende, übertreibende und emotionale Kritik des Kapitalismus ist z.B. aus meiner Sicht Hetze, deshalb die Frage an Citizen. Der er mit Allgemeinplätzen ausgewichen ist 🙂 .

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • CitizenK 15. Januar 2023, 13:03

                „Hetze“ wendet sich immer gegen Menschen: „“Volksverhetzung“ ist es, wenn andere Menschen böswillig beschimpft, verächtlich gemacht und dadurch in ihrer Würde verletzt werden.
                Systemkritik, auch ätzende, ist keine Hetze.
                Gemeinplätze? Dann aber bitte jetzt konkret: Soll die Strafbarkeit von Holocaust-Leugnung und
                Verherrlichung des Nationalsozialismus
                deiner/Ihrer Meinung nach straffrei sein? Dann auch von Lehrern in der Schule als zu tolerierende „Meinung“ zulässig sein?

                • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 19:14

                  Ich finde es gut, dass das strafbewehrt ist, aber es ist ein ziemlicher Ausnahmefall und sollte das auch bleiben. Schon, weil wir das in dem Fall sehr genau definieren können und das in anderen Fällen WESENTLICH schwieriger ist.

                  • CitizenK 15. Januar 2023, 20:50

                    Sicher. Ob eine AI dazu eine gute Idee ist, sei mal dahingestellt. Zuerst kommt doch die Frage: Wer entscheidet, was gesagt/geschrieben/gepostet werden darf, von wem und in welchem Medium. Der (oder die) hat (oder haben) große Macht. Hier hat Thorsten H. einen Punkt.
                    Meine (tastende) Überlegung: Demokratisch legitimierte Gremien entscheiden auch jetzt auch wie wir leben. Wäre eine solche Kontrolle nicht besser als – Fox News?
                    Der Status Quo ist unbefriedigend – milde ausgedrückt. Ralf sucht wenigstens nach Lösungen, seine Kritiker verteidigen den Status Quo.

                    • Thorsten Haupts 15. Januar 2023, 21:48

                      Meine (tastende) Überlegung: Demokratisch legitimierte Gremien entscheiden auch jetzt auch wie wir leben. Wäre eine solche Kontrolle nicht besser als – Fox News?

                      Demokratisch legitimierte Gremien heisst letztlich nichts anderes, als die aktuelle Wählermehrheit. Wollen Sie genau diese aktuelle Mehrheit allen ernstes entscheiden lassen, was eine Lüge, was Hetze und was ein nicht zulässiges Geschäftsmodell ist? Und um auch das abzuräumen – kein Algorithmus ist besser, als seine Programmierer bzw. dessen Auftraggeber.

                      Ralfs Modell – das Sie für zumindest bedenkenswert halten – liegt nur um eine Sackhaaresbreite von den illiberalen demokratischen Modellen Polens und Ungarns entfernt. Es ist historisch erwiesenermassen völlig unmöglich, eine politische Mehrheit davon abzuhalten, Meinungsäusserungen (und von denen reden wir) nicht objektiv, sondern im Partei-/Ideologie-Interesse zu bewerten. Und eine einmal zerstörte Medienplattform/Zeitung /Fernsehsender stellen Sie auch nicht über Nacht wieder her, indem nach Wahlen eine andere politische Mehrheit denselben Algorithmus dann anders gestaltet.

                      Vorausgesetzt, diese andere Mehrheit könnte es überhaupt noch geben – Kritik am wohlmeinenden Paternalismus des demokratieerhaltenden Algorithmus ist doch bereits antidemiokratische Hetze und darf deswegen kein Megaphon bekommen …

                      Warum müsssen wir hier eigentlich noch einmal alle seit Jahrhunderten etablierten Argumente zur Meinungsfreiheit neu diskutieren? Es gibt ohne Meinungsfreiheit langfristig keine Demokratie mehr – und wie oben schon ausgeführt begehe ich keinen Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Ralf will im Ergebnis die liberale Demokratie abschaffen, ob ihm das klar ist oder nicht. Die lebt von der Auseinandersetzung und ganz sicher nicht von der Entscheidung eines Gremiums, ob eine bestimmte Kritik „demokratiegefährdend“ ist.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 10:32

                      Genau das ist auch mein Problem.

                    • Ralf 15. Januar 2023, 22:23

                      Sorry, aber daran ist jetzt so vieles falsch, dass ich garnicht weiß, wo ich anfangen soll.

                      Erstens kann man die Arbeitsweise und Ergebnisse einer AI transparent und von Gremien kontrollieren lassen, die nicht deckungsgleich sind mit der ständig wechselnden aktuellen Wählermehrheit im Bund. Die Wirtschaftsweisen wären etwa ein Beispiel. Oder der Bundespräsident. Oder das Bundesverfassungsgericht. Oder der Rundfunkrat.

                      Dass Kritik an der vorgeschlagenen AI in meinem Modell als demokratiefeindliche Hetze gelten müsste, ist eine freie Erfindung Deinerseits und hat mit der Realität meines Vorschlags genauso wenig zu tun, wie Deine Behauptung, dass ich die liberale Demokratie abschaffen möchte.

                      Mit Polen und Ungarn hat mein Modell ebenfalls nichts zu tun. Das sind unbegründete, unsachliche Analogien, die außer polemisch auf den Putz zu hauen, keinerlei sinnvollen Debattenbeitrag leisten.

                      Und zum x-ten Mal: Niemand schafft die Meinungsfreiheit ab. Wenn Du auf dem Marktplatz für Deine Ansichten werben möchtest, wenn Du Flugblätter verteilen möchtest, wenn Du einen Club gründen möchtest oder am Stammtisch einfach bierselig reden möchtest, bleibt Dir das unbenommen. Ich will Dir nur das globale Megaphon wegnehmen und Medien mit besonders hoher Reichweite zur journalistischen Redlichkeit und Demokratiefreundlichkeit verpflichten. Mit anderen Worten: Ich will eine Medienlandschaft, die mehr so aussieht, wie Anfang der Achtziger Jahre, als es weder Internet noch Privatfernsehen gab.

                      Meines Erachtens nach waren die Achtziger Jahre in der BRD kein illiberales System.

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 10:30

                      Stimme ich dir zu. Ich lehne Ralfs Lösungsvoschlag nur ab. Ich will auch nicht, dass Fox News die Kontrollinstanz ist.

              • Ralf 15. Januar 2023, 13:06

                Die Problematik existiert, aber sie existiert genauso bei anderen Abwägungsfragen und ist somit kein fundamentaler Hinderungsgrund. So müssen Gerichte z.B. in Beleidigungsfällen entscheiden, ob die strafrechtliche Grenze zwischen legitimer Kritik und Beleidigung überschritten wurde. Auch diese Grenze ist undefinierbar, plastisch, und reflektiert letztlich eine Meinung (man könnte auch sagen ein Vorurteil). In unserer Gesellschaft werden solche Fragen letztlich ausgehandelt und es existieren Mechanismen Exzesse zu vermeiden.

                • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 19:15

                  Genau. Und bei Gerichten ist das ok, die sind für Einzelfallentscheidungen da. Aber Algorithmen?

                  • Ralf 15. Januar 2023, 19:52

                    Mein Vorschlag ist nicht Gerichte durch Algorithmen zu ersetzen, sondern AI einzusetzen, um diejenigen Medien zu identifizieren, deren Geschäftsmodell auf Manipulation, Hetze und Demokratiefeindlichkeit beruht oder die kommerziell von Lügen profitieren und diese deshalb aktiv fördern. Bei Finden eines solchen Falls sollte das Medium zunächst geschlossen werden. Selbstverständlich besteht anschließend die Möglichkeit eines Gangs vor ein Gericht. Eine AI würde allerdings eine Beweiskette vorlegen, die das Unternehmen dann eben widerlegen müsste. Das wäre kostenintensiv und – wenn die AI solide arbeitet – juristisch wenig vielversprechend. In der Folge würden Medien einen starken Anreiz haben, polarisierende, negative Posts, hasserfüllte Sprache und Verschwörungstheorien zu unterdrücken und ihr Geschäftsmodell woanders zu suchen.

                    • Thorsten Haupts 15. Januar 2023, 20:11

                      … kommerziell von Lügen profitieren …

                      Definiere Lüge …

                    • Ralf 15. Januar 2023, 20:37

                      Eine Lüge ist eine wider besseres Wissen verbreitete Unwahrheit.

                      Populäre Beispiele sind – unter anderem – dass die US-Demokraten in einer Pizzeria in Washington einen Kinderpornoring betreiben, dass das Massaker an der Sandy Hook Elementary School nie stattgefunden hat, dass Donald Trump die US-Wahl 2020 gewonnen hat, dass das Coronavirus nicht existiert etc.

                    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 10:29

                      Wenn du ein Medium „vorläufig bis zur gerichtlichen Entscheidung schließt“ ist das genauso wie wenn du es dichtmachst. Ein Medium, das aufhört zu senden, hört auf zu existieren. Kein Problem mit AI zur Identifizierung – als Indiz für eine gerichtliche Entscheidung. Aber dein Vorschlag geht mir wesentlich zu weit.

              • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 19:13

                Für mich ist das keine Hetze, genauso wenig wie eure ätzende, übertriebene und emotionale Kritik am Genderstern Hetze darstellt. Das ist einfach nur ätzende, emotionale, übertriebene Kritik. Hetze wäre, wenn ich dazu aufrufe, Banker*innen aufzuknüpfen oder erkläre, dass Gender-Studies-Professor*innen keine Menschen sind und aus dem Land gejagt gehören oder so was.

        • Stefan Sasse 15. Januar 2023, 09:51

          Das sehe ich genauso. Ich lehne Ralfs Idee ab, aber ich denke nicht, dass sie grundsätzlich verfassungsfeindlich ist.

  • CitizenK 16. Januar 2023, 07:17

    Information und Meinungsbildung bilden die Basis einer demokratischen Willensbildung. In diesem Punkt sind wir alle einig.
    Das Internet ist ein so tolles Instrument auch dafür, dass wir es nicht den Hetzern überlassen dürfen.
    Wenn die Entwicklung – wie oft – übern Teich kommt, sollten wir vorbereitet sein. Die Manipulationsmöglichkeiten von Sprache und Bild sind inzwischen so weit, dass kein Normalbürger mehr entscheiden kann, ob der oder die das wirklich gesagt hat oder nicht. Damit bricht ein Teil der Basis weg.
    Ich denke auch nicht an die „Zerstörung“ von Plattformen, sondern an ein Pendant zum Kartellamt. Eine Pflicht zur Gegendarstellung (analog zum Presserecht) wäre eine Möglichkeit bei den krassen Fällen in den genannten Fällen. Oder eine Aufforderung zum Vorlegen von Beweisen.
    Außerdem: Die Forderung nach völliger Meinungsfreiheit läuft auf die Abschaffung der ÖR-Medien hinaus, die ich trotz aller Skandale und Schwächen für unverzichtbar halte. Reformbedürftig, aber reformierbar.

    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 10:34

      Wieso läuft die darauf raus?

      • CitizenK 16. Januar 2023, 11:45

        Weil in den Augen der Meinungs-Libertären hier ein quasi-staatliches Gremium („Staatsfunk“) Zensur ausübt?

        Ich freue mich aber, wenn ich mich in diesem Punkt irren sollte.

  • CitizenK 16. Januar 2023, 12:00

    Man muss sich das schon nochmal vor Augen halten: Der Putsch ist letztlich – wie Ralf sagt – an wenigen integren Personen gescheitert. An Raffensberger und letztlich an Pence.
    @ Stefan Sasse
    Ein Kollaps der amerikanischen Demokratie hätte auch uns nicht unberührt gelassen.
    Anlass zur Hoffnung gibt die zähe Aufarbeitung durch den Untersuchungsausschuss.

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