Lindner fordert Notbremse bei der Umverteilung von Nostalgie bei Exxon im Finanzministerium – Vermischtes 16.01.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Lindner fordert Zeitenwende auch in der Wirtschaftspolitik

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will Deutschland im Standortwettbewerb zurück nach vorn bringen. Der FDP-Politiker bat daher seine Fachleute, Maßnahmen für ein „Wachstumspaket 2023/2024“ zu erarbeiten. Das interne Papier ist nunmehr fertig, trägt die Datumsangabe 22. Dezember und liegt der F.A.Z. vor. Die Kernthese lautet: Auf die Zeitenwende in der Sicherheitspolitik muss eine Zeitenwende in der Wirtschaftspolitik folgen. Ob Energie, Infrastruktur, Fachkräfte oder Digitalisierung – überall sei die Bundesrepublik zurückgefallen. „Nach einem Jahrzehnt der Verteilungspolitik und der Nachfragestärkung müssen wir eine ordnungspolitische Trendwende zur Angebotspolitik wagen“, heißt es. […] „Dieser Herausforderung können wir nicht dauerhaft mit mehr staatlichem Geld und industriepolitischen Subventionen begegnen.“ Man müsse internationales Kapital nach Deutschland lenken statt es zu vertreiben. In dem Abschnitt zur Steuerpolitik geht es um die Abwehr von weiteren Belastungen („steuerpolitische Brandmauer“), um die abermalige Einführung der degressiven Abschreibung, um eine Investitionsprämie („Super-AfA“), um eine Erweiterung der Ansparabschreibung, um eine Ausweitung der Forschungsförderung („zum Beispiel auf Sachkosten“) und um eine Verbesserung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung („noch im Jahr 2023“). Damit nicht genug: „Neben den genannten Maßnahmen kommt auch eine generelle Reduzierung des Tarifs bei Einkommen- und Körperschaftsteuer in Betracht. Alternativ denkbar ist der Entfall der Ergänzungsabgabe (,Solidaritätszuschlag‘).“ Zur empfohlenen Trendwende in der Wirtschaftspolitik gehört der Appell, den Arbeitsmarkt beschäftigungsfreundlich zu gestalten. (Manfred Schäfers, FAZ)

Um eines gleich vorwegzunehmen: Lindners Aussagen konstituieren mit Sicherheit kein neues Lambsdorff-Papier. Anders als diverse linke Kritiker*innen, die ich in der Timeline hatte, sehe ich darin auch keinen Schritt zurück zu Westerwelle und der FDP von 2009. Lindner flüchtet sich teilweise in Wortwolken aus viel sinnlosen Floskeln, aber das ist wahrlich kein Alleinstellungsmerkmal. Ich sehe etwa nicht, wo „industriepolitische Subventionen“ böse, die von ihm vorgeschlagenen Förderungen aber gut sind: das ist letztlich nur eine Verkleidung von Policy-Präferenzen in die Sprache hehrer Prinzipien. Für mich ist das, was er sagt, eine Mischung aus altem Wein in alten Schläuchen – etwa die Rede von „Beschäftigungsfreundlichkeit“, was für mich verdächtig nach „Arbeitgeberfreundlichkeit“ klingt, oder die Steuersenkungen, die einfach immer und zu jedem Thema gefordert werden – und guten Ideen.

So spricht in meinen Augen vieles für bessere Abschreibemöglichkeiten, für mehr Forschungsförderung, eine Mitarbeiter*innenkapitalbeteiligung und so weiter. Wo die wirklichen Konflikte liegen ist die Forderung nach einer angebotsorientierten Grundlinie. Diese wird sich nur sehr schwer mit den aktuellen Herausforderungen in Einklang bringen lassen, von seinen beiden Koalitionspartnern einmal ganz abgesehen. Letztlich sehe ich darin aber auch mehr eine Positionierung als eine ernsthafte Forderung: machbar ist das in dieser Koalition ohnehin nicht (nicht, dass die CDU das machen würde…). Ich hoffe, dass von Lindners Policy-Vorschlägen einiges umgesetzt wird, denn hier ist einmal mehr das Fortschrittspotenzial der Koalition erkennbar und die konstruktive Rolle, die die Liberalen hier spielen können. Den Rest verbuche ich mal unter „Theaterdonner“.

2) In India, warnings that independent news media are teetering on a precipice

Some Indian observers say that the impending hostile takeover by Gautam Adani, the third richest man in the world, of what in 1998 became India’s first 24-hour news channel could signal the death knell of independent voices in India’s mainstream media outlets. NDTV, they say, has been the only remaining Indian broadcast network that continues to question Modi’s Hindu nationalist agenda. The other nearly 20 English or Hindi news channels across India, they assert, have taken to brazenly touting the party line. […] The future of NDTV, founded by Dr. Prannoy Roy and his wife, Radhika Roy, came into play in August when Adani covertly acquired a third-party company that had the largest stake in the network. The Roys tried to fight him off, but apparently in vain. As of last week, Adani owned a 29% stake and has an open offer on another 26%. As a result, the Roys have resigned as directors. […] Adani and Modi both hail from the western state of Gujarat and have had a lengthy relationship. When Modi became prime minister in 2014, Adani’s net worth was $7 billion. Today, it is $147 billion, making him India’s richest man. In a recent interview with the Financial Times, Adani addressed concerns that his taking over NDTV could end its independence. “Independence means if the government has done something wrong, you say it’s wrong,” Adani said. “But at the same time, you should have the courage when the government is doing the right thing every day. You have to also say that.” (Parth N. M., LA Times)

In Indien gilt wie überall, dass die Medienmogule eine der größten Gefahren für die Demokratie sind. Wie in Großbritannien, Italien oder den USA kann man auch hier sehen, dass wenn die Medien von solchen Moguln kontrolliert werden, der Pluralismus massiv leidet und die Qualität des Diskurses allgemein sinkt. Es ist einer der großen Vorteile, die wir hier in Deutschland haben, dass das nicht der Fall ist – und die viel gescholtenen Öffentlich-Rechtlichen haben daran nicht unerheblich Anteil.

Davon einmal abgesehen sind die Entwicklungen in Indien seit der Wahl Modis in höchstem Ausmaß bedenklich. Die Zunahme von ethnisch motivierter Gewalt und das explizite Ziel, einen „reinen“ Hindu-Staat zu gründen, sind angesichts der Diversität des Landes blanke Fantasie mit dem Potenzial von Pogromen in gewaltigem Ausmaß. Dieser nationalistische Unfug, abgesehen von den autokratischen Zügen Modis, stellt einen düsteren Ausblick in die Zukunft dar.

3) Es ist an der Zeit, die Notbremse beim Klimaschutz zu ziehen

In den allermeisten Fällen gibt es zwar Technologien, um das Klimaproblem zu lösen. Doch ihre Implementierung ist langwierig, kompliziert und meistens auch sehr teuer. Weil uns dafür jedoch nicht etwa bis 2050 bleibt, sondern bloß noch wenige Jahre, droht die Menschheit den Kampf gegen den Klimawandel zu verlieren. Wer in dieser Situation zu mehr Optimismus oder gar zum alleinigen Glauben an den technologischen Fortschritt mahnt, ist im besten Fall naiv, im schlechtesten ignorant. […] Vor allem im Westen muss die Politik damit beginnen, die Bevölkerung darauf einzustellen, dass es ohne Verzicht nicht geht – und diesen im Zweifelsfall streng einfordern, statt auf preisgebundene Freiwilligkeit zu setzen, wie das beispielsweise im Rahmen des europäischen CO2-Zertifkatehandels geschieht. Dazu gehört auch, CO2-intensive Importe aus jenen Ländern einzustellen, die es mit dem Klimaschutz nicht so ernst nehmen. Denn auch wenn der Westen nicht mehr Hauptverantwortlicher für die globalen CO2-Emissionen ist, landet der größte Teil aller Güter, die weltweit produziert werden, immer noch hier – und nicht unbedingt dort, wo die Emissionen entstehen. […] Es ist deshalb an der Zeit, die Notbremse zu ziehen, ohne Rücksicht auf etwaige Komfort- und Wohlstandsverluste. Bei der Coronapandemie, die nun vorbei ist und tendenziell weniger Menschenleben bedroht als der Klimawandel, hat das schließlich auch funktioniert. (Kevin Knitterscheidt, Handelsblatt)

Ich sehe dieses Fundstück als gute Ergänzung zu Sandwich-Problem-Debatte im letzten Vermischten. Ich bin genuin unsicher, inwieweit diese Argumentationslinie – dass Verzicht notwendig ist, um das Klima zu retten, und wir im Endeffekt Degrowth brauchen – trägt, aus wissenschaftlicher Sicht (politisch ist sie ein totaler Non-Starter, sofern die Lage nicht völlig dramatisch ist). Aber die Diskussion ist keine linke mehr. Wenn selbst im Handelsblatt Kolumnen in diesem Tenor erscheinen, dann ist Degrowth aus dem Bereich der parteipolitischen Idee in den Bereich einer generellen Maßnahme gekommen. Der nächste Schritt ist, dann über das „Wie“ zu streiten, weil das „ob“ geklärt ist. Ich bleibe da weiter sehr skeptisch, in beiden Fällen.

4) Der Hochmut der Guten

Über das Auseinanderklaffen der Wahrnehmungen, das auch bei anderen Kampagnen gegen Menschenrechtsverletzungen in nichtwestlichen Ländern zu konstatieren ist, macht man sich im Westen meist wenig Gedanken. Für gewöhnlich führt man es bloß auf die durchsichtigen Strategien autokratischer Regime und rücksichtsloser Geschäftemacher zurück, die für ihren Unwillen, etwas an ihren ungerechten und repressiven Praktiken zu ändern, kulturelle oder geopolitische Gründe vorschieben. Doch die Frage ist, weshalb das kulturelle Argument bei großen Bevölkerungsteilen nichtwestlicher Länder verfängt, oft selbst bei solchen Teilen, die allen Grund hätten, gegen die Willkür, der sie ausgesetzt sind, bei einem universell geltenden Recht Zuflucht zu nehmen. Und warum können sogar manche von denen, die aktiv gegen die Unterdrückung in ihren Ländern kämpfen, mit dem Begriff der Menschenrechte wenig anfangen? […] Kein Mensch will von anderen Menschen oder seinem Staat missbraucht, missachtet, verletzt, betrogen, belogen, unterdrückt oder ermordet werden. Doch viele Menschen bestehen zugleich auf einem Recht, mit dem man im Westen oft nicht rechnet: auf dem Recht, dass die kulturellen und religiösen Traditionen, in denen sie ihre höchsten Ideale bewahrt sehen, erhalten bleiben und Respekt erfahren. Aus westlicher Perspektive steht das überhaupt nicht infrage: Jeder Mensch ist ja frei, sich alle Kulturen anzueignen, die er für sich wünscht. Aber in diesem liberalen Credo steckt schon der Keim dessen, was man andernorts als Fremdbestimmung auffasst: Stillschweigend, ohne das eigens zu einem Programm zu machen, erwartet man im Westen offenbar, dass auch der Rest der Weltbevölkerung ein genauso lockeres Verhältnis zur umgebenden Kultur entwickelt. Das aber lehnen viele in den nichtwestlichen Teilen der Welt ab und entwickeln dann auch eine Aversion gegen den Menschenrechtsbegriff, so als ob es sich dabei um ein trojanisches Pferd handelte, das das eigene Lebensumfeld zersetzen soll. Wem es mit den Menschenrechten ernst ist und wer sie nicht bloß als Vehikel zur westlichen Selbstbestätigung benutzen will, muss sich diesem Auseinanderklaffen der Wahrnehmungen stellen. […] Das Verhältnis zwischen kulturellen Traditionen und Universalismus ist also alles andere als spannungsfrei. Doch es löst die Spannung nicht auf, macht sie vielmehr noch explosiver, wenn man so tut, als spielten die Kulturen in Wirklichkeit gar keine Rolle mehr. Wenn im gerade veröffentlichten Menschenrechtsbericht der Bundesregierung etwa von „hohen Menschenrechtsstandards für europäische Lieferketten“ die Rede ist, haben die Formeln einen Grad routinierter Selbstverständlichkeit erreicht, als ob es bloß um eine Art Gütesiegel für einheimische Verbraucher ginge. Man würde den Menschenrechten einen Bärendienst erweisen, wenn ihr Begriff vor allem der Selbstbespiegelung diente. Oder schlimmer noch: der Selbsttäuschung. (Mark Siemons, FAZ)

Der ganze Essay ist unglaublich lesenswert, ich musste mich immer wieder zurückreißen, ihn praktisch komplett zu zitieren. Ich kann das Genre der „wir sind mit unseren Werten zu moralisch und sollten die nicht vertreten denn die Welt ist ein grausamer Ort“-Kolumnen überhaupt nicht leiden, weil ich die zynische bis nihilistische Grundeinstellung furchtbar finde. Siemons hier aber geht weiter als nur in das „Haha, ihr seid alle so doof und ich so abgeklärt realistisch“, das diese Texte allzuoft auszeichnet, und geht wirklich in die Analyse der Gründe, warum eigentlich die liberale Heilsbotschaft so oft auf Widerstand stößt.

Besonders relevant finde ich hier weniger die Feststellung, dass eine gewisse Selbsttäuschung und Heuchelei existiert und dass der Begriff der Menschenrechte allzuoft etwas inhaltsleer ist, sondern: „was man andernorts als Fremdbestimmung auffasst: Stillschweigend, ohne das eigens zu einem Programm zu machen, erwartet man im Westen offenbar, dass auch der Rest der Weltbevölkerung ein genauso lockeres Verhältnis zur umgebenden Kultur entwickelt“. Ich denke, da liegt – neben der jeweils eigenen Propaganda, die liberale Werte als von außen und als das Böse verkauft, unpassend zum eigenen Nationalcharakter (da waren wir Deutsche vor 1945 ja auch spitze drin) der Hase im Pfeffer.

Denn tatsächlich hängt unsere liberale Ordnung ja gerade am „leben und leben lassen“. In dem Moment aber, in dem ich eine bestimmte Sichtweise als übergeordnet betrachte – etwa die Staatsinteressen eines autokratischen Regimes, oder die Religion eines theokratischen – ist das unmöglich. Ich kann kein lockeres Verhältnis zum Patriotismus haben, wenn Dissens Landesverrat ist, und ich kann kein lockeres Verhältnis zu Religion haben, wenn die nicht Privatsache ist, sondern mein Land ein Vorkämpfer zur Verhinderung der Apokalpyse, die durch die Ungläubigen hervorgerufen wird.

Das heißt aber nicht, dass wir auf unsere Werte verzichten sollten. Ich denke vielmehr, dass wir wie im Kalten Krieg wieder mehr kommunizieren müssen, welche wir eigentlich haben und sie als aktive Weltanschauung anstatt als neutrale Prämisse betrachten. Es wird nie möglich sein, ohne Heuchelei auszukommen; auch unsere liberalen Werte sind ein Ideal, an dem wir uns ausrichten, nicht ein Regelwerk, an das wir uns immer und unter allen Umständen halten können. Das war auch noch nie anders. Aber wir müssen wieder attraktiver werden, und dazu gehört, das Konzept des Wohlstands wieder stärker mit diesen liberalen Werten zu verknüpfen. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Es hat in diesem Fall auch den Charme, dass das stimmt.

5) The 1950s Are Greatly Overrated

It’s possible to find people on both sides of the political aisle who wax nostalgic for the 1950s. Many on the right wish for a return to the country’s conservative mores and nationalist attitudes, while some on the left pine for the era’s high tax rates, strong unions and lower inequality. But despite the period’s rapid economic growth, few of those who long for a return to the 1950s would actually want to live in those times. For all the rose-tinted sentimentality, standards of living were markedly lower in the ’50s than they are today, and the system was riddled with vast injustice and inequality. […] So life in the 1950s, though much better than what came before, wasn’t comparable to what Americans enjoyed even two decades later. In that space of time, much changed because of regulations and policies that reduced or outlawed racial and gender discrimination, while a host of government programs lowered poverty rates and cleaned up the environment. But on top of these policy changes, the nation benefited from rapid economic growth both in the 1950s and in the decades after. Improved production techniques and the invention of new consumer products meant that there was much more wealth to go around by the 1970s than in the 1950s. Strong unions and government programs helped spread that wealth, but growth is what created it. (Noah Smith, Bloomberg)

Ich bin über diesen Thread von Noah Smith noch einmal auf diesen älteren Artikel gestoßen. Ich finde es immer wieder faszinierend, dass die Romantisierung der Wirtschaftswunderzeit sowohl von links als auch rechts (wenngleich unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen) relevant ist. Der alte Spruch „Linke wollen in den 50ern arbeiten, Rechte wollen in den 50ern nach Hause kommen“ ist nicht ohne Grundlage. Ich habe aber das Gefühl, dass das langsam abnimmt. Diese Begeisterung für die scheinbare Wachstums-Gleichheit der Epoche spielt vor allem in der klassischeren Linken eine Rolle (das Wagenknecht-Milieu) und hat wegen des offensichtlich konservativen Charakters der Epoche wenig Attraktivität für die progressive Linke. Umgekehrt scheinen mir die 1950er Jahre inzwischen auch als konservativer Referenzrahmen einfach zu weit weg und fremd zu sein. Aber ich mag mich täuschen.

6) Exxon Scientists Predicted Global Warming, Even as Company Cast Doubts, Study Finds

A new study published Thursday in the journal Science found that over the next decades, Exxon’s scientists made remarkably accurate projections of just how much burning fossil fuels would warm the planet. Their projections were as accurate, and sometimes even more so, as those of independent academic and government models. Yet for years, the oil giant publicly cast doubt on climate science, and cautioned against any drastic move away from burning fossil fuels, the main driver of climate change. Exxon also ran a public relations program — including ads that ran in The New York Times — emphasizing uncertainties in the scientific research on global warming. […] The company’s scientists, in fact, excluded the possibility that human-caused global warming was not occurring, the researchers found. […]  “What I am surprised about is that despite all of this knowledge within the company,” Dr. Garvey said, “they continued down the path that they did.” (Hiroko Tabuchi, New York Times)

Es ist krass albern, dass die NYT das als „breaking news“ ankündigt. Diese Kriminalität ist lange bekannt; ich habe darüber auch in der Rezension zu „Losing Earth“ ausführlich geschrieben. In meinen Augen sind diese Leute, auch wenn das, was sie gemacht haben, nicht strafbar ist, Verbrecher. Wahrscheinlich sind die Verantwortlichen mittlerweile tot oder nahe dran, aber eigentlich bräuchte es echt so was wie ein Nürnberger Sondertribunal. Ich weiß, dass das sehr radikal ist, aber diese mutwillige Bereitschaft, für den Profit unsere Lebensgrundlagen zu zerstören, ist einfach atemberaubend. Dieses Pack gehört mindestens sozial geächtet und ihr Ansehen entsprechend behandelt.

7) Schluss mit der Umverteilung von arm nach reich

Die Betroffenen sind überproportional Menschen mit geringen Einkommen und mit niedrigen Rentenansprüchen, sodass ein Anstieg des Renteneintrittsalters zu mehr Ungleichheit bei der gesetzlichen Rente führt und die Altersarmut befördert. Zudem würde eine Erhöhung somit nicht zwingend zu mehr Nettoeinnahmen führen. Der klügere Weg wäre daher, das Renteneintrittsalters zu flexibilisieren und Hürden für einen späteren Renteneintritt für diejenigen Menschen abzubauen, die länger arbeiten wollen und können. Dies wäre nicht nur eine gerechtere, sondern auch eine ökonomisch und finanziell bessere Option. […] Es gibt bessere Lösungen, um die gesetzliche Rente ausgewogener und gerechter zu gestalten. Dazu gehört nicht nur, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen und Selbstständige und Beamte stärker in die gesetzliche Rente einzubeziehen. Die wichtigste Reform ist eine neue, bessere Definition des Äquivalenzprinzips. Das besagt, dass jeder Euro an Beiträgen den gleichen finanziellen Anspruch an monatlichen Rentenzahlungen erzielt. Dies klingt ausgewogen und gerecht, ist es aber nicht. Denn Menschen mit geringen Einkommen haben nach Renteneintritt eine fünf bis sieben Jahre geringere Lebenserwartung als Menschen mit hohen Einkommen. Damit die deutsche gesetzliche Rente eine Umverteilung von unten nach oben, von arm zu reich. […] Eine kluge Rentenreform in Deutschland sollte zwei weitere Elemente enthalten. Zum einen sollten Menschen mit geringen und mittleren Einkommen stärker bei den Reformen der betrieblichen oder privaten Vorsorge berücksichtigt werden. […] Außerdem muss die Politik Hürden aus dem Weg räumen und den Arbeitsmarkt reformieren, sodass es weniger prekäre Beschäftigung und mehr Beschäftigung und Einkommen gibt. Die wichtigste Reform, um die gesetzliche Rente zu stärken, hat also nichts direkt mit dem gesetzlichen Rentensystem zu tun, sondern mit dem Arbeitsmarkt. Der beste Weg, um Menschen im Alter besser abzusichern und die Altersarmut zu minimieren, sind gute Löhne und Einkommen und eine durchgehende oder zumindest möglichst lange Beschäftigung. (Marcel Fratzscher, ZEIT)

Unabhängig davon, was man von Fratzschers Vorschlägen auf der Policy-Ebene denkt (dazu gleich mehr), finde ich das sprachliche Framing mit dem „klug“, das mehrfach auftaucht, ziemlich typisch. Denn „kluge“ Politik ist immer, wovon man selbst überzeugt ist, aber in der Darstellung kommt das so als objektiv daher, als ob keinerlei spezifische Interessen dahinterstünden. „Kluge“ Politik nimmt für sich in Anspruch, das objektiv Beste für alle zu sein. Eine solche Politik existiert nicht, und ich kann diese intellektuelle Unehrlichkeit nicht leiden, die eigenen Interessen, Prämissen und Vorlieben offenzulegen.

Auf einer Policy-Ebene sind die Vorschläge grundsätzlich nicht falsch, wenngleich sie höchstens am Problem der Finanzierung etwas drehen, nicht aber an dem des Rentenniveaus. Denn die Renten sind ja für die Leute, denen er sie hier über die Kürzung des Äquivalenzprinzips kürzen will, eh schon viel zu niedrig. Seine Reform macht die Rente endgültig unzureichend. Das kann man schon machen – als eine Art Grundrente, die zwingend privater Vorsorge bedarf – das muss man dann aber auch offen machen und kann nur schwierig auf dem Niveau der aktuellen Beiträge legitimiert werden. Die aber kann man nicht senken, denn um die Finanzierung geht’s ja gerade.

Und da beißt sich die Katze auch politisch in den Schwanz, denn die Gruppen, denen Fratzscher hier ans Leder will, sind genau die, die wählen gehen. Diese Ideen umzusetzen ist politischer Selbstmord. Ich halte deswegen wenig von Reformideen, die nur im luftleeren akademischen Raum funktionieren und die den Realitätstest mit der echten Politik keine Sekunde überleben.

8) The Less Talked About Part of Kevin McCarthy’s Deal With Republican Radicals

The closing of the frontier, the growth of industrial capitalism and the transition to wage labor for most workers forced Americans to rethink the terms of republican freedom. Populism — the insurgent movement that emerged in the late 19th century to put national economic life under democratic control by the “common people” — was one attempt to renegotiate the terms of American freedom. The more elite-driven Progressive movement, coming as it did in the wake of the collapse of the Populist Party, was another. For the Populists, freedom meant popular control over economic decision-making. For Progressive intellectuals like Walter Lippmann, it meant security from economic want. “Instead of hanging human dignity on the one assumption about self-government,” Lippmann wrote, “you insist that man’s dignity requires a standard of living.” Government, then, is judged according to whether it is producing “a certain minimum of health, of decent housing, of material necessities, of education, of freedom, of pleasures, of beauty, not whether at the sacrifice of all these things, it vibrates to the self-centered opinions that happen to be floating around in men’s minds.” You can think of the New Deal, in this context, as an attempt to synthesize the Populist and Progressive conceptions of freedom. Organized through industrial unions, workers have the power to shape their collective economic fate and, in turn, use the administrative capacity of the state to secure their economic footing and provide freedom from want and from dependency on the arbitrary power of private employers. Of course, for the employers, this kind of arbitrary power is just another name for “liberty,” and a large part of the conservative opposition to social insurance and the welfare state stems from the belief that this expansion of state power is a threat to the sanctity of the market and the liberty of individuals to act within it. (Jamelle Bouie, New York Times)

Der Begriff der „Freiheit“ ist ein ideologisch höchst umstrittener, in den USA viel mehr als etwa in Deutschland (wo er von einer Seite des politischen Spektrums quasi monopolisiert wurde). Aber Bouies Zusammenstellung hier zeigt wieder einmal deutlich, dass er Begriff keine inhärente, objektive Definition hat. Freiheit ist, was auch immer man darunter versteht. Und keine dieser Definitionen ist perfekt: letztlich wird jeder Freiheitsbegriff jemand anderem nicht ausreichen, wird die Freiheit anderer auf anderen Feldern beschneiden.

Meine Freiheit von Mangel ist deine Unfreiheit im unternehmerischen Handeln, deine Meinungsfreiheit ist meine Unfreiheit von rassistischer Diskriminierung, und so weiter und so fort. Welches Ausmaß an Freiheit wir in welchen Bereichen haben und wo wir bereit sind, Einschnitte vorzunehmen, ist Ergebnis langer gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse. Die europäischen Länder sind da im Schnitt zu anderne Ergebnissen gekommen als die angelächsischen, aber auch innerhalb Europas oder zwischen dem UK und den USA gibt es zahlreiche Unterschiede. Man kann immer für eine andere, gefälligere Form der Freiheit trommeln, aber man sollte nicht den Fehler machen, die eigenen Vorlieben absolut zu setzen.

9) Defund the IRS?

„The current system to ferret out wrongdoers is terrible,“ says Alexis Leondis in Bloomberg, and House Republicans‘ effort to block the IRS‘ new funding „would only make it worse.“ The tax gap — „the difference between what taxpayers owe and what they actually pay“ — was $496 billion a year from 2014 through 2016, and even after audits and enforcement the agency was only able to collect $68 billion, or 14 percent of taxes „owed but not paid.“ The agency just doesn’t have the resources to conduct enough audits on „the people who owe the most,“ and the funding boost Republicans are trying to rescind is intended to help fix that. Depriving the IRS of resources benefits the richest taxpayers. A big share of the tax gap is attributed to „sophisticated“ sole proprietors who report „well above $400,000 in business income on personal returns pass-through business owners, according to a former IRS commissioner. And the audit rate on individual taxpayers making $1 million or more has „dropped from 8.4 percent in 2019 to just 2.4 percent in 2019.“ And the lost opportunity to make sure wealthy taxpayers are paying their fair share is only part of the problem with the GOP attempt to block this new money. The Congressional Budget Office estimated this week that the House bill „would cut government revenue by almost $186 billion and increase the budget deficit by $114 billion over the next 10 years.“ (Harold Maass, The Week)

Es ist die uralte Agenda der Republicans: Steuergeschenke für die Superreichen auf Kosten der Allgemeinheit. Das passt gut zur generellen Tendenz der Sabotage des Staates. Das Praktische aus Sicht der GOP ist, dass sie auf die Art die unpopuläre offizielle Methode umgehen – ein Gesetz einbringen und durchziehen – wofür sie elektoral abgestraft werden, sondern auf technischem Weg die Effizienz des Staats zerstören, was den gleichen Effekt hat, aber abgesehen von einigen Policy Wonks von niemandem bemerkt wird – außer den reichen Spender*innen natürlich, die genau wissen worum es geht und was ihnen ihre Dollars kaufen.

10) CDU-Generalsekretär will Deutschpflicht auf Schulhöfen (Lehrer sollen sie kontrollieren)

CDU-Generalsekretär Mario Czaja will fremdsprachigen Schülern verbieten lassen, sich in der Schule während der Pausen in ihrer Muttersprache zu unterhalten. «Es geht nicht, dass auf den Schulhöfen andere Sprachen als Deutsch gesprochen werden“, sagte er in einem Interview der «Welt». Überhaupt dürfe generell kein Kind ohne Deutschkenntnisse eingeschult werden, forderte Czaja. Stattdessen solle es zuvor verpflichtende Besuche von Kitas oder Vorschulen mit Sprachunterricht geben. Kritik an dem Vorstoß kam prompt. […] Weiter betonte der CDU-Generalsekretär: «Davon abgesehen sollte konsequent darauf geachtet werden, dass in den Schulen vor allem Deutsch gesprochen wird. Es geht nicht, dass auf den Schulhöfen andere Sprachen als Deutsch gesprochen werden. Dazu müssen Schulen, gerade dort, wo viele Migranten leben, gestärkt werden. Durch Sozialarbeiter, Sprachmittler und Sozialpädagogen. Sie, aber auch die Lehrkräfte und Schulleitungen, müssen aber dann auch dafür Sorge tragen, dass die Schülerinnen und Schüler unsere Sprache sprechen. Ansonsten entstehen schon in den Schulen Parallelgesellschaften.» […] In der Schweiz, wo immer wieder die Forderung nach einer Deutschpflicht auf Schulhöfen aufkommt, hatte der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband unlängst eingewandt, ein Verbot für Schülerinnen und Schüler, andere Sprachen zu sprechen, sei von Lehrkräften gar nicht kontrollierbar. (News4Teachers)

Die Verbotspartei ist wieder dabei. Wann immer irgendwo in Deutschland Sprechverbote diskutiert werden, kann man sicher sein, dass in Klammern ein CDU hinter dem Namen steht. Dass ausgerechnet diese Partei sich zur Wahrerin der Freiheit und als Partei gegen Sprechverbote und Political Correctness, Cancel Culture oder was auch immer stilisiert, ist echt nur ein Treppenwitz. Es bestätigt einmal mehr meine Dauerkritik: niemand ist pauschal gegen Verbote oder Einschränkungen; es kommt immer nur darauf an, ob man ihnen zustimmt. Das ist partei- und lagerübergreifend so, und die Heuchelei der Behauptung des Gegenteils ist einfach nur noch nervig.

Die Idee selbst ist einfach kompletter populistischer Unfug. Ein solches Sprachverbot ist überhaupt nicht durchsetzbar. Pausenaufsichten kriegen ja schon kaum die normale Aufsicht unter, also dass da nicht gerannt, geprügelt, geschubst und so weiter wird. Wie soll ich denn dann auch noch Sprache kontrollieren, geschweige denn sanktionieren? Einmal abgesehen davon, dass man den Kindern damit kommuniziert, dass sie „falsch“ und unerwünscht sind, dass ihre Identität nicht akzeptabel ist – alles Faktoren, die psychisch unglaublich belastend sind und alle möglichen Schäden anrichten, aber eines ganz sicher nicht tun: die Integration befördern. Typisch CDU, einfach.

Resterampe

a) Gute Erklärung, warum die Tories so radikal Politik für Autofahrende machen. In guten Teilen auch auf Deutschland anwendbar.

b) Super Beispiel für absurde Bürokratie bei der Bundeswehr.

c) Und die Probleme im Beschaffungswesen.

d) „Freiheit“ ist Unwort des Jahres. Ziemlich überzeugende Begründung.

e) Interessanter Beitrag zur Filmadaption von Videospielen. Johannes Frantzen hat eine sehr gute Erwiderung/Ergänzung dazu.

f) Großartiger Artikel zu Götz Aly und seiner These vom NS-Wohlfahrtsstaat.

g) Sehr guter Thread zu den deutsch-polnischen Beziehungen.

h) Ebenso guter Thread zu geschlechtergerechter Sprache.

i) Guter Punkt zur deutschen Energiepolitik.

j) Gute Zusammenstellung von aktuellen Ökonom*innenmeinungen aller möglichen Richtungen zum Thema Klimawandel und Wirtschaft.

k) What does woke mean, anyway?

l) Gute Warnung von Timothy Snyder.

m) Interessanter Beitrag zur Kolonialismus-Debatte.

n) Guter Punkt zum ÖRR.

o) Sehr gute Gedanken zu Lützerath.

p) Spannender Thread zum Sinn und Unsinn eines „Ukraine Special Tribunal“.

q) Relevante Wortmeldung einer Holocaust-Überlebenden.

r) Wokism außer Kontrolle. Echt albern.

s) Gute Einschätzung der Vorgänge in Brasilien.

t) Heftige israelische Kritik an der neuen Regierung Netanyahu.

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  • Tim 16. Januar 2023, 08:54

    (3 – Es ist an der Zeit, die Notbremse beim Klimaschutz zu ziehen)

    Der nächste Schritt ist, dann über das „Wie“ zu streiten, weil das „ob“ geklärt ist.

    Ich saß neulich in einer Runde sehr gut verdienender Ingenieure. Wie üblich wurde über die Politik geklagt, die bei der Energiewende nichts tue .. und überhaupt: alles scheinheilige Idioten. Daraufhin musste ich natürlich einmal genüsslich die Frage stellen, wer in der Runde denn inzwischen Auto und Wohnmobil verkauft und eine Wärmepumpe eingebaut habe. Die Antwort kannst Du Dir denken.

    Bequemlichkeit und Komfort schlagen in einer reichen Gesellschaft alles.

  • Tim 16. Januar 2023, 09:04

    (6 – Exxon Scientists Predicted Global Warming, Even as Company Cast Doubts, Study Finds)

    Ich weiß, dass das sehr radikal ist, aber diese mutwillige Bereitschaft, für den Profit unsere Lebensgrundlagen zu zerstören, ist einfach atemberaubend.

    Atemberaubend ist die Chuzpe, mit der Du hier Exxon die Verantwortung für das Verhalten ihrer Kunden (also z.B. Autofahrer) zuschiebst. Noch einmal zur Erinnerung: Exxon. Verbrennt. Praktisch. Keinen Treibstoff. Das tun nur die Leute, die ihnen das Zeug abkaufen.

    Und Exxon ist natürlich auch nicht der Gralshüter der wissenschaftlichen Wahrheit. Wer wollte, konnte sich schon in der Schule über die physikalischen Grundlagen des Treibhauseffektes informieren.

    Im Grunde behauptest Du, dass wir alle nur mit Exxons Zustimmung Bescheid wissen können über das Klima. Also auf gut Querdenkerisch: Hier der allmächtige Bösewicht, dort wir Schlafschafe. Not really.

    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 10:35

      Moment. Was ich denen vorwerfe ist nicht, dass sie Erdöl verkaufen, sondern dass sie ein riesiges Budget dazu eingesetzt haben, bewusst Falschinformationen zu verbreiten und die Gefahren ihres Produkts zu leugnen.

      • Tim 16. Januar 2023, 10:49

        Das Produkt ist ziemlich ungefährlich. Problematisch wird es erst, wenn es a) von einer sehr großen Zahl von Kunden in geradezu besinnungsloser Weise verwendet wird und b) die Gesellschaft der Meinung ist, dass man Abfall in die Atmosphäre kippen darf.

        Dein Fingerpointing passt natürlich prima in die Zeitstimmung, aber eben auch nur dann, wenn man beim Konsumentenverhalten (wie immer) beide Augen ganz fest zudrückt.

  • derwaechter 16. Januar 2023, 09:26

    „Pausenaufsichten kriegen ja schon kaum die normale Aufsicht unter, also dass da nicht gerannt, geprügelt, geschubst und so weiter wird“

    Schüler dürfen in der Pause nicht rennen?

    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 10:35

      Auf dem Hof meistens schon, aber im Gebäude nicht. Kannst dir vorstellen, wie viele Fünftklässler*innen sich an so was halten.

      • derwaechter 16. Januar 2023, 11:04

        I see. Ich habe nicht mal daran gedacht, dass Pause auch im Gebäude sein kann 🙂

        • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 15:39

          Wenn’s regnet, und natürlich müssen die von den Zimmern ja auf den Hof kommen, die beamen sich ja nicht 😀

  • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 10:47

    1) Lindner fordert Zeitenwende auch in der Wirtschaftspolitik

    Ältere Studien zeigten schon frühzeitig, dass Deutschland in der ersten Hälfte des neuen Jahrhunderts im Pro-Kopf-Einkommen real zurückfallen wird. Die natürlichen Mühlsteine lauten auf die Namen Überalterung und hohe Sozialausgaben. Dazu ist Deutschland wie wesentliche Teile des alten Kontinents im Kern innovationsfeindlich. Diese Bestandsaufnahme wird vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft über den Bundesrechnungshof bis hin zu den Beamten des Bundesfinanzministeriums unisono geteilt.

    Deutschland hat an den Kernpunkten seit fast zwei Jahrzehnten keine Reformen unternommen, die die schwindende Energie im Kern der Volkswirtschaft stärken könnte. Die Ampel-Regierung hat sich bei Amtsantritt vorgenommen, die Herausforderungen zu ignorieren. Lindner dagegen muss demnächst einen neuen Bericht zur Tragfähigkeit der Staatsfinanzen aufstellen. Dann muss die Regierung Scholz die Hosen runterlassen, wie es insbesondere mit der Rente weitergeht – und zwar weniger politisch als mit der Finanzausstattung und damit wissenschaftlich. Acht Jahre hat die Politik sich darum gedrückt, den Menschen etwas mehr reinen Wein einzuschenken. Hubertus Heil übrigens muss zu diesem Teil zuliefern, der Minister, der seit Amtsantritt das Geld weiterhin freihändig raushaut.

    Also, es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder mit anderen Fragen beschäftigen als Einkommensverteilung und Identitätspolitik.

    3) Es ist an der Zeit, die Notbremse beim Klimaschutz zu ziehen

    Die globale Klimaschutzpolitik ist erschreckend national ausgerichtet. Der Klimawandel kann nur global angegangen werden – oder gar nicht. Und da bedarf es längst umfangreicherer Initiativen als eine jährlichen UN-Konferenz. Nicht einmal die USA und Europa haben ein einheitliches Vorgehen, immerhin arbeiten die Biden-Administration und Brüssel an einer Verständigung. Das kann aber schwer werden.

    Wer die Frage des Klimaschutzes zu einer der Verteilung von Wohlstand und Chancen macht so wie die westlichen Klima“aktivisten“, wird scheitern. Menschen verzichten nicht freiwillig auf Wohlstand, schon gar nicht für so ein abstraktes Ziel wie den Klimaschutz. Und das ist es für die Mehrheit in den westlichen Demokratien, noch mehr allerdings für die Menschen in den Schwellenländern.

    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 15:38

      3) Ich glaube, niemand wird widersprechen, dass Klimaschutz international gemacht werden müsste – und gleichzeitig sind wir uns glaube ich alle einig, dass das nicht passieren wird. Das Wünschenswerte ist leider schlicht unrealistisch.

      • Thorsten Haupts 16. Januar 2023, 17:01

        Wenn das so ist und bleibt, wird einseitiger Klimaschutz zu sinnlosem Selbstmord – nützt nix, killt aber den eigenen Wohlstand. Die logische Konsequenz aus: „…international gemacht werden müsste … nicht passieren wird …“

      • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 18:01

        Wenn Du es für unrealistisch hältst, kannst Du das Thema vergessen. Überlege Dir also genau, welche Position Du einnimmst. Wenn Du ein globales Problem nur durch Kooperation lösen kannst, sind nationale Alleingänge sinnlos und schaden nur dem Einzelgänger.

        Mir fällt da als Bild der Film Armageddon mit Bruce Willis ein. Im ersten Drittel erklärt ein Wissenschaftler, wie man einen Meteoriten, der auf die Erde zurast, sprengen könnte. Der Physiker veranschaulicht dies an einem Feuerwerkskörper auf der Hand. Legt man diesen auf die Oberfläche, passiert nur eine leichte Verbrennung. Umschließt man ihn aber mit der Faust, dann – Wam!

        Ich finde, so kannst Du Dir das auch mit der Lösung der Klimakrise vorstellen. Einzelne nationale Maßnahmen bringen nur leichte Verbrennungen, aber bleiben symbolisch. Uns fehlt der Wam-Effekt.

        • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 08:20

          Du, ich bin inhaltlich völli bei dir. Aber wie genau stellst du dir vor, Brasilien, Indien, China, die EU und die USA an einen Tisch zu bringen und massive Maßnahmen zur Lösung der Krise zu koordinieren? Ich sehe das einfach nicht. Ich würde gerne annehmen, dass es geht. Aber wie?

          • Stefan Pietsch 18. Januar 2023, 19:21

            Wir wählen den falschen Ansatz. Wir denken, alle würden im Prinzip so denken (müssen) wie wir, weil aus unserer Sicht ja schließlich die Konsequenzen für alle gleich seien. Und wir denken, dass durch unser Vorbild andere unserem Beispiel folgen.

            Das ist übrigens ein religiöser Ansatz. Die monotheistischen Religionen sind so aufgebaut. Es entspricht jedoch nicht menschlichem Verhalten. Das ist interessengeleitet. Und das Hauptinteresse von wirtschaftlich rückständigen Ländern (relativ gesehen) ist immer Aufholung und Wohlstandsgewinnung. Das erfolgt immer mit den billigst zur Verfügung stehenden Mitteln. Es ist also für die Bauern am Amazonas sinnvoll, den sie umgebenden Regenwald abzufackeln. Meine Tränen interessieren sie gar nicht.

            Zu Deiner Frage: Der Kern sind Verhandlungen. Das haben die früheren Klimagipfel ja auch deutlich gezeigt. Kyoto beispielsweise scheiterte in dem Moment, wo der Know-how- und Finanztransfer aus dem Westen in den Schwellenländer stockte.

            Am Anfang kluger Verhandlungsführung steht nicht so sehr die Frage, was will ich. Damit habe ich mich ja lange beschäftigt. Da steht die Frage: was will der Andere. Das führt dann zu der Frage, wo gibt es Schnittmengen der Interessen. Nur wenn zwei Parteien am Tisch sitzen, die keine Schnittmengen besitzen, kommt es zu Kampfhandlungen. Die heißen Krieg und Streik. Doch darum geht es hier nicht.

            Haben die alten Industrieländer und die Schwellenländer unterschiedliche Interessen? Eindeutig ja. Während erstere auch postmateriellen Zielen folgen, steht für die ärmeren Länder der materielle Wohlstandsgewinn im Vordergrund. Der Kern der Interessenunterschiede ist das Entwicklungsungleichgewicht, die Unterschiede im Reichtum.

            Jetzt wollen wir, dass die ärmeren Staaten unseren Zielen folgen, obwohl sie andere Interessen besitzen. Wie könnte man das erreichen? Antwort: Wir werden sie bezahlen müssen. Brasilien und Indien haben hierzu Preise angedeutet. Lula will, dass der Westen zahlt, wenn die Abholzung des Regenwaldes gestoppt werden soll. Zur Erinnerung: In seiner ersten Amtszeit ließ Lula mehr Bäume fällen als Bolsonaro. Indien wiederum sagt, sie brauchen die billige Kohleverstromung, um das Wachstum des Landes zu bewältigen. Kohle ist billig, Atom und Solar dagegen vergleichsweise teuer. Wie könnte also ein Finanz- und Wissenstransfer aussehen?

            So nähert man sich einem gemeinsamen Vorgehen. Je mehr beteiligte, desto freizügiger die Mittel. Religionen für Gläubige sind strikt: Entweder man hält sich sklavisch an die Vorgaben oder man muss Buße tun. Bis hin zum Tod. Beim Klimaschutz geht es nicht um Religion, das müssen wir begreifen. Es geht um Interessen.

            • Stefan Sasse 18. Januar 2023, 20:20

              Da bin ich völlig bei dir. Ich bin ja auch schon lange der Überzeugung, dass es diese Transfers braucht. Kein Widerspruch. Ich sehe auch nicht, wo sich Klima- und Interessenpolitik gegenseitig ausschließen sollten, wie das manche ja gerne insinuieren.

            • CitizenK 18. Januar 2023, 22:21

              Ich lese immer: Die Entwicklungsländer leiden sehr viel mehr unter der Erderwärmung als wir. Die möglichst schnelle Reduzierung der CO2-Emissionen liegt doch in beider Interesse?

              • Stefan Sasse 19. Januar 2023, 07:37

                Klar. Aber die gleiche Dynamik wie bei uns greift auch bei denen. Klimaschutz ja, aber bitte nicht auf Kosten des (potenziellen) Wohlstands.

              • Stefan Pietsch 19. Januar 2023, 17:48

                Wieso maßen wir uns an zu bestimmen, was die Interessen anderer Menschen zu sein haben? Ich schrieb davon, herauszufinden, was die Interessen anderer sind. Sie legen gleich wieder die Attitüde an, die hätten die gleichen Interessen wie wir zu haben.

                Schauen Sie auf die Politik der Länder, Demokratien wie Indien und Brasilien. Schauen sie auf die Befragungen in den Ländern, was für sie die wichtigsten Themen sind. Interessiert Sie das? Da rangiert der Klimaschutz erst nach einer Reihe von Punkten. Eigentlich erstaunlich für uns arrogante Westler. Die Länder, die tendenziell stärker vom Klimawandel betroffen sind, setzen das nicht als Top-1-Thema auf ihre Liste.

                Nein, die Inder haben nicht das erste Interesse, die Landesemissionen runterzubekommen. Es wäre auch das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass ein Land versucht mit teurer Technologie den wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen. Auf solche Ideen kommen nur arrogante Westler.

                Die Klimaschützer verbieten Nigeria, Öl zu fördern. Nicht, weil das gut für die armen Menschen in Nigeria wäre, sondern weil die Wohlstandskinder in Deutschland damit ihr gutes Gewissen pampern können.

                Nicht philosophieren, CitizenK. Hinfahren, mit den Menschen sprechen, sie ernst nehmen. Wenn Sie Menschen in Favelas sehen würden, kämen Sie schon von selbst nicht auf die Idee, dass der Klimawandel für die Bewohner das Thema Nummer eins sei.

                Schon in den Siebzigerjahren lernte ich von der Abholzung des brasilianischen Regenwaldes. Seit mindestens 50 Jahren beschäftigen wir uns damit. Lula hat es selbst ins Spiel gebracht: Der Regenwald sollte in den Zertifikatehandel aufgenommen werden, d.h. er generiert Verschmutzungsrechte, die EU-Staaten dafür nutzen können, den zeitlichen Druck zu mildern. Ähnliches hatte ich hier in einem Artikel skizziert. Das nützt zwar dem Klima, nicht jedoch dem guten Gewissen von Klimaaktivisten.

                • CitizenK 19. Januar 2023, 20:02

                  Was ist „anmaßend“ daran, auf Berichte wie diesen zu verweisen?
                  https://www.klimareporter.de/gesellschaft/ein-albtraum-der-im-globalen-sueden-taegliche-realitaet-ist
                  Davon gibt es viele. Anmaßend ist eher, den Menschen dort nicht zuzutrauen, die Zusammenhänge zu erkennen.

                  • Stefan Pietsch 19. Januar 2023, 23:50

                    Ja, die Menschen sind zu blöd zur Einsicht.

                    Es geht nicht um die Frage, ob bestimmte Länder besonders vom Klimawandel betroffen sind. Es geht um die Frage, ob das ihre Top-1-Priorität ist. Ganz offensichtlich nicht.

                • Stefan Sasse 20. Januar 2023, 07:52

                  Weil offensichtlich das Interesse aller Menschen ist, auf einem bewohnbaren Planeten zu leben. Und dass Indien besonders von der Erwärmung betroffen ist, ist auch offensichtlich.

                  • Stefan Pietsch 20. Januar 2023, 11:29

                    Danke für die Info. Ich bin sicher, Du bist ein super Verhandler.

                    Die Frage war, wie der Westen es hinbekommt, die Welt hinter das Ziel zu vereinen, die Erderwärmung zu stoppen. Und nachdem ich ausführlich dargestellt habe, wie man einem Verhandlungspartner gegenübertritt – und was man auf keinen Fall tun sollte – kommen die Menschen mit dem guten Gewissen in Gestalt von Dir und CitizenK um die Ecke und meinen, man müsse sich ja gar nicht mit deren Interessen beschäftigen, weil, ganz klar, die müssen ja die gleichen Interessen wie wir haben.

                    Dass ich das in höchstem Maße als arrogant empfinde (und eines der Ärgernisse der Schwellenländer gegenüber den Industrieländern ist), habe ich deutlich gemacht. Doch wenn Ihr ohnehin wisst, dass wir ja alle die gleichen Interessen haben müssen, warum reden wir dann noch? Das macht keinen Sinn.

                    • CitizenK 20. Januar 2023, 12:08

                      Was soll der Quark?
                      Wenn Länder des Globalen Südens einen Ausgleich für Klimaschutzmaßnahmen vom Globalen Norden verlangen, zeigt das doch klar, welche Interessen sie haben.

                    • Stefan Pietsch 20. Januar 2023, 20:36

                      Wofür Ausgleich? Selbst nach Kriegen gab es bei Reparationsregelungen eine klare Zuordnung und Schadensbemessung. Land A hat Land B überfallen. Wenn Land A den Krieg verliert, muss es für angerichtete Schäden haften.

                      Wenn ich das mit der Klimakrise richtig verstanden habe, dann sorgt jede Emission von CO2 für eine Schädigung des Weltklimas. Nun ist es so, dass das Klima nicht nur in Afrika existiert und Deutschland mit seinen Emissionen Afrika schädigt. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat sich Deutschland erstmal selbst geschädigt. Und wie ist es zu werten, wenn Nigeria, einer der bevölkerungsreichsten Staaten, auf Teufel komm raus Öl fördert – wahrscheinlich mit der Absicht, dieses in Länder mit vielen Autos zu verkaufen, die wiederum das Klima schädigen?

                      Sie argumentieren wie das Mitglied einer Gruppe von Panzerknackern. Als Sie erwischt werden und es um die Strafzumessung geht, verklagen Sie Ihre Ex-Kuppels, weil die die Strafe hochgetrieben hätten. Besondere Logik steckt da nicht drin.

                      Die Schwellenländer wollen ganz profan Geld. Wie das genannt wird, ist ihnen egal. Damit sie mehr bekommen können, wurde bei Klimagipfel China in das Lager der Schädiger geschoben. Haben Sie das mitbekommen?

                      Ich bin ja nicht dagegen, in Kooperation Schwellenländer zu unterstützen. Aber nicht mit „Schadenszahlungen“, für die es keine Grundlage und Rechtfertigung gibt. Nur gibt es das nicht umsonst. Der Westen geht viel effizienter bei der CO2-Erzeugung um, Deutschland beispielsweise produziert mit einem Drittel weniger Emissionen die gleiche Menge Strom wie der Rest der Welt. Verklagen wir doch Indien, weil es so verschwenderisch ist.

                    • Stefan Sasse 22. Januar 2023, 11:02

                      Die Idee kommt, soweit ich das verstehe, aus mehreren Quellen. Zum Einen hat der Westen 180 Jahre Vorsprung beim Emittieren von CO2-Emissionen (wobei ich das Argument für nicht sonderlich tragfähig halte, weil der Löwenanteil erst im späteren 20. Jahrhundert emittiert wurde). Zum anderen entstammen sie einem System, das im Westen geschaffen und dem Rest der Welt mehr oder weniger aufgedrückt wurde. Auch dieses Argument finde ich nur eingeschränkt sinnig; mir geht das zu sehr in grundsätzliche Kapitalismuskritik, mit der ich nichts anfangen kann. Bleiben drei Argumente übrig: einerseits fördert ja oft nicht das Land selbst Öl, sondern ausländische Investoren. An der Stelle kriegst du dann eine unvermeidliche Verbandelung mit der leidigen Frage, ob die Unterentwicklung Afrikas die Schuld des Westens bzw. der ehemaligen Kolonialherren ist; die Proponenten dieser Argumentation befürworten das üblicherweise. Ich bin mir unsicher, wie ich dazu stehe. Und zuletzt haben wir die Thematik der letzten 40 Jahre, die ich für am stichhaltigsten halte: wir wissen seither unzweifelhaft um die Mechanismen und Dynamiken des Klimawandels, die Grenzen der Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre, und verbauen effektiv den Entwicklungsländern den Weg. Denn was du sagst, stimmt ja: die sind ja super ineffizient und riesige Dreckschleudern. Ich sehe hinter diesen Forderungen letztlich auch einen Ausgleich, wie du ihn selbst ja schon mal angesprochen hast (Wissens- und Ressourcentransfer). Nur eben einen erzwungenen. Aber insgesamt gibt es wenig Basis darin für konkrete Handlungen. Bleibt noch ein Faktor übrig: der Klimawandel ist weitgehend durch den Westen hervorgerufen (wenngleich andere Länder sich gerade echt Mühe geben aufzuholen), aber die Effekte sind hauptsächlich im „globalen Süden“ spürbar. Das halte ich für das stichhaltigste. Unser Land versinkt nicht im Meer, wir haben keine tödlichen Hitzewellen, unser Land verdorrt nicht.

                    • Thorsten Haupts 22. Januar 2023, 14:36

                      Und zuletzt haben wir die Thematik der letzten 40 Jahre, die ich für am stichhaltigsten halte: wir wissen seither unzweifelhaft um die Mechanismen und Dynamiken des Klimawandels …

                      Das „unzweifelhaft“ ist das Unsinnige an diesem Argument. Theorien/ Modellierungen – unsere Klimamodelle sind genau das – belegen erst dann etwas, wenn sie halbwegs präzise Vorhersagen treffen, die man empirisch überprüfen (falsifizieren) kann. Und soweit waren wir vor 40 Jahren – unzweifelhaft 🙂 – nicht.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 22. Januar 2023, 22:17

                      Unzweifelhaft ist uns seit 40 Jahren klar, was da passiert. Dass wir die Erderwärmung nicht auf das Hundertsel Grad genau vorhersagen können, ändert daran wenig. Die Tendenz war seit mindestens (!) 40 Jahren bekannt, unter anderem den Verbrechern an der Spitze der Erdölkonzerne.

                    • Thorsten Haupts 23. Januar 2023, 22:01

                      Nein. Sie wurde vermutet. Glauben ist nicht wissen.

    • CitizenK 16. Januar 2023, 16:57

      „im Kern innovationsfeindlich“
      Müssten wir dann in diesem Index nicht viel weiter hinten liegen?
      https://www.wipo.int/global_innovation_index/en/2022/

      • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 18:08

        Der Index macht an messbaren Größen fest, wie z.B. die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur die Hard Facts sprechen gegen Deutschland, ja gegen Kontinentaleuropa. Wie viele Erfindungen durch Patente finden hier ihren Weg in marktgängige Produkte, in welchen Branchen sind europäische Unternehmen Technologieführer, wohin fließt das meiste Risikokapital?

        In all diesen Punkten schneidet der alte Kontinent fast schon desaströs gegenüber anderen Weltregionen ab. Ich merke es ja selbst an meiner persönlichen Situation. Vor 20 Jahren wurde ich häufig für Positionen in amerikanischen und asiatischen Unternehmen eingeladen, für Positionen mit internationalem Umfeld. Das hat sich drastisch vermindert, amerikanische Unternehmen suchen wenn dann nur noch für Relocation Führungskräfte, aber nicht mehr für den Neuaufbau, für Start-ups. D.h. nicht, dass amerikanische Unternehmen nicht mehr international investieren, nur tun sie das nicht mehr in Europa.

    • Erwin Gabriel 16. Januar 2023, 17:07

      @ Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 10:47

      1) Lindner fordert Zeitenwende auch in der Wirtschaftspolitik

      Deutschland hat an den Kernpunkten seit fast zwei Jahrzehnten keine Reformen unternommen, die die schwindende Energie im Kern der Volkswirtschaft stärken könnte. …

      Acht Jahre hat die Politik sich darum gedrückt, den Menschen etwas mehr reinen Wein einzuschenken. …

      Alles sooo richtig.

      Also, es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder mit anderen Fragen beschäftigen als Einkommensverteilung und Identitätspolitik.

      Ja. Vielleicht, wie man Innovation und Kreativität so fördert, dass nicht jede Person, die eine gute Idee hat, das Gefühl bekommt, für die erfolgreiche Umsetzung müsse sie auswandern.

      • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 08:19

        Wie macht man das?

        • Erwin Gabriel 17. Januar 2023, 14:49

          @ Stefan Sasse 17. Januar 2023, 08:19

          Wie macht man das?

          Hauptsächlich, wie auch von Stefan P oder Thorsten Haupts schon des Öfteren angesprochen: Entbürokratisieren! Deutlich!

          • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 17:54

            Da findest du keinen Widerspruch bei mir. Allein, bisher sind daran noch alle gescheitert. Entbürokratisierung ist wie Staatsausgaben reduzieren: im Abstrakten lieben es alle, im Konkreten keine*r.

            • Erwin Gabriel 18. Januar 2023, 14:41

              @ Stefan Sasse 17. Januar 2023, 17:54

              Allein, bisher sind daran noch alle gescheitert.

              Nenn mir einen, der es wirklich versucht hat (und auch die Macht hatte, das umzusetzen).

  • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 11:27

    4) Der Hochmut der Guten

    Gutes Anschauungsmaterial zu diesem Thema lieferte die WM in Katar. Die gesamte arabische Welt nahm den westeuropäischen Nationen und insbesondere den Deutschen ihren Hochmut übel. Die DFB-Elf schied in der Vorrunde aus und wurde mit Hohn und Spott verabschiedet.

    Hintergrund war eben, was im Essay beschrieben wird: Die Arroganz gegenüber Kulturen, die nicht so freiheitlich, offen und gesellschaftspolitisch liberal sind. Trotzdem leben nämlich sehr viele sehr gerne in ihren aus unserer Sicht rückwärtsgewandten Ländern.

    Mich hat dieses Turnier sehr nachdenklich gemacht.

    5) The 1950s Are Greatly Overrated

    Es gibt ja kaum noch Leute, die in den Fünfzigern aufgewachsen sind. Ich habe manchmal eine heimliche Sehnsucht nach den Siebziger- und Achtzigerjahren, die Jahre meiner Kindheit und Jugend. Eine gewisse Wehmut empfand ich vor Jahren bei einem alten Louis-de-Funes-Film („Der Gendarm von San Tropez“), der für mich auf angenehme Weise die Langsamkeit des damaligen Lebens zeigte. Kein Wunder, dass Ulrike Herrmann in ihrem Buch ein Zurück zu den Siebzigern beschwört, denn auch sie wurde damals sozialisiert.

    7) Schluss mit der Umverteilung von arm nach reich

    Fratzscher hat hier nicht das Patent auf Originalität. Tatsächlich hat der neoliberal Ökonom Straubhaar schon vor längerem die Idee skizziert, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Theoretisch reizvoll, aber auch ein ganzes Stück zynisch, wenn man darüber nachdenkt. Es müssten für alle Berufsgruppen Sterbetafeln aufgestellt werden und so den Menschen vor Augen halten, wie todbringend ihr Job ist.

    Theoretisch kann ich der Idee etwas abgewinnen. Praktisch dürfte es schwierig werden ganz abgesehen davon, dass uns die Zeit zur Anpassung schlicht davongelaufen ist. Es fängt gerade in den Systemen an zu knallen. Die Leute gehen gerade in Rente, ihnen hinterherzurufen, sie müssten wieder in die Büros, ist nicht nur lächerlich. Es ist im Rechtsstaat auch nicht machbar. Ein großer Philosoph meinte mal: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

    10) CDU-Generalsekretär will Deutschpflicht auf Schulhöfen (Lehrer sollen sie kontrollieren)

    An dem Punkt bei Dir, was Verbote betrifft, nur wählst Du Dir das völlig falsche Thema. Tatsächlich haben wir (nicht nur in Deutschland) mit einiger Vehemenz die Debatte, den Anteil von Migranten an Schulen gleichmäßiger zu verteilen und eben zu verhindern, dass wie bisher an vielen Brennpunktschulen die deutsche Sprache praktisch ausgestorben ist.

    Also, Du arbeitest Dich an einer Petitesse ab, um über das eigentliche Problem nicht sprechen zu müssen.

    d) „Freiheit“ ist Unwort des Jahres. Ziemlich überzeugende Begründung.

    Schau‘ Dir mal die Unworte der Vorjahre an. Dann weißt Du, welch Kind die beiden „Journalisten“ sind.

    h) Ebenso guter Thread zu geschlechtergerechter Sprache.

    Hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun, wenn Behörden und Schulen inzwischen zum Gendern zwingen.

    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 15:42

      5) Bin mal gespannt, wann ich nach den 1990er und 2000er Jahren nostalgisch werde. Bisher bin ich ganz gut resistent.

      7) Zustimmung.

      10) Geht schlecht, solange die Schulen so organisiert sind, wie sie es sind. Die USA hatten das mit dem Bussing in den 1960er und 1970er Jahren schon. Auch hier nix Neues unter der Sonne, leider 🙁

      d) Oder die Leute, die Journalist*innen in Anführungszeichen setzen.

      h) TUN SIE NICHT.

      • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 15:58

        5) Das kommt sicher, auf je mehr Lebenszeit Du zurückblicken kannst. Versteh‘ mich nicht falsch: Ich möchte nicht wirklich in den Siebzigern leben, aber es gibt eben schon Aspekte, die einen nostalgisch werden lassen können. So ist unzweifelhaft unser heutiges Lebenstempo höher, umso mehr fühlen sich Menschen ausgebrannt. Wir schauen dauernd auf unser Handy und setzen uns unter emotionalen Stress, den es in früheren Zeiten gar nicht gab.

        d) Ein Ranking über Werte, dass von gerade 2 Personen erstellt wurde, besitzt keine Aussagekraft.

        h) Tun wir’s wie in der Schule: Tun sie doch!

        • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 16:52

          5) Klar. Ich seh aktuell nur mehr die Vorteile. Das Handy gibt mir so viele Möglichkeiten, da nehme ich den Stress (den ich eh nicht als solchen fühle) gerne in Kauf.

          • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 18:12

            5) Du kennst keine Welt ohne Handy. Das ist wie Deine zweite Natur. Doch meine Generation kennt die Zeit davor und deswegen fremdeln manche heute noch mit den neuen Technologien. Auf jeden Fall hat es die Geschwindigkeit von Veränderung und den Umfang der Erreichbarkeit dramatisch verändert. Immer wenn meine Frau und ich am Wochenende essen gehen, können wir an den Nebentischen Leute beobachten, die mehr mit ihrem Smartphone als ihrem Gegenüber beschäftigt sind. Ich hatte das im Extrem mal bei Starbucks, als eine Familie – Eltern, zwei Kinder – alle auf Bildschirme starrten, aber sich nicht unterhalten konnten.

            Deine Generation muss erst lernen, das Blinkgerät einzupacken – und damit auch Geschwindigkeit zu reduzieren.

            • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 08:21

              Lol, ich kenne was nicht?! Ich hab mein erstes Smartphone 2011 gekauft, damals war ich 27 Jahre alt! Vielleicht solltest du deine Klischees mal etwas runterschrauben, die verstellen den Blick auf die Realität.

      • cimourdain 17. Januar 2023, 11:15

        5) Außer bei Comics und Videospielen. Vielleicht Musik .

        • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 11:59

          Wie meinen?

          • cimourdain 17. Januar 2023, 17:23

            „Bin mal gespannt, wann ich nach den 1990er und 2000er Jahren nostalgisch werde. Bisher bin ich ganz gut resistent.“ – Außer bei Comics und Videospielen

            • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 17:58

              Tatsächlich nicht, ich bin denen gegenüber sehr kritisch. Siehe etwa den Podcast zu Echtzeitstrategiespielen der 1990er. Und Comics sind echt nicht mein Spezialgebiet, aber auch da gilt dasselbe. Ich verkläre die nostalgisch überhaupt nicht. Zumindest wäre mir nicht bewusst, das getan zu haben. Beziehst du dich auf was Konkretes?

  • Tim 16. Januar 2023, 11:46

    @ Stefan Pietsch

    Trotzdem leben nämlich sehr viele sehr gerne in ihren aus unserer Sicht rückwärtsgewandten Ländern.

    In der Tat. Vor allem jene, die von den jeweiligen kulturellen Strukturen profitieren. Frauen, Schwule oder gern auch Personen mit abweichenden Meinungen sehen das allerdings vielleicht anders.

    Der Hinweis auf die eigene Kultur war schon immer ein Trick örtlicher Eliten, autoritäre Strukturen rechtfertigen. Aber das geht meist irgendwann vorbei. Man schaue nur nach Taiwan oder Südkorea.

    • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 12:26

      Das kann man so nicht sagen. Da sind wir bei dem Punkt Hochmut. Bei Homosexuellen gehe ich ja noch mit, aber das sind irgendwo 4% der Bevölkerung. Von Frauen scheinen Sie dagegen weniger Ahnung zu haben.

      • Tim 16. Januar 2023, 15:00

        @ Stefan Pietsch

        Von Frauen scheinen Sie dagegen weniger Ahnung zu haben.

        Man sagt, sie machen all in all 50 % der Bevölkerung aus. Aber ich habe nicht nachgezählt. 🙂

        • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 15:53

          Also als ich studiert habe, waren es 56% Frauen. Wir jungen Männer alle in der Vorlesung: „Oh!“ Der Professor darauf: „Warten Sie, bis Sie das nach Alter sehen.“

          Nein, was ich meine ist, dass Frauen vielfältigeren Lebenszielen folgen und Einstellungen haben als Männer. Nur ein Beispiel: Frauen wollen im Schnitt „nur“ 32 Stunden arbeiten, Männer 39 Stunden. Gute Frage: Warum wollen Männer mehr arbeiten? Eine aktuelle Trendbewegung unter Frauen präferiert gerade ein Lebensmodell aus den 60ern. Will sagen: sehr viele arabische Frauen sind mit dem gesellschaftlichen Modell ihrer Kultur keineswegs unzufrieden, warum auch immer.

          • Lemmy Caution 16. Januar 2023, 19:33

            Darauf 3 Schnapps.
            Laut Destatis haben die Frauen bei der Absolventenquote die Nase leicht vorne.
            Man könnte jetzt argumentieren, dass Frauen Studiengänge mit einer geringen Abbrecherquote bevorzugen.
            Informatik scheint das zu bestätigen. Lediglich Daten vom Ostbalkan konterkarieren das. In Bulgarien habe ich was von einem Frauenanteil von 40% gelesen, Rumänien sogar 60% (!). Die IT in beiden Ländern gilt als sehr kompetent.

          • Stefan Pietsch 16. Januar 2023, 21:07

            Das ist weder interessant noch relevant. Das war schon vor 20 Jahren so.

            Interessanter und relevanter sind andere Aspekte:
            1) Sind Frauen intelligenter und bildungstechnisch begabter? Ansonsten liegt eine auf der Hand liegende Benachteiligung von Männern vor, da der Unterschied nicht situativ ist.

            2) Wie sieht die Erwerbsquote und die Karrierefortschritte nach 20 Jahren aus? Studien zeigen, dass Akademikerinnen 20 Jahre nach ihrem Abschluss weniger erwerbstätig sind und in der Karriere hinter Männern zurückbleiben. Politisch Interessierte führen dies in Mehrheit auf die systematische Diskriminierung von Frauen zurück. Eine allgemeine Erklärung ist dagegen, dass Frauen neben der Erwerbsarbeit stärker auch anderen Interessen folgen.

            In dem Beruf meiner Frau (Erzieherin) tummeln sich seit 10-15 Jahren auch viele Akademikerinnen mit einem sozialen Studienfach. Da in der Branche zu einem Anteil von über 80 Prozent Frauen beschäftigt sind, lässt sich das Argument der geschlechtlichen Diskriminierung ausschließen. Dennoch scheiden auch in diesem Bereich viele jenseits der 30 aus dem Beruf oder reduzieren ihre Arbeitszeit.

            Voila: q.e.d.

    • Stefan Sasse 16. Januar 2023, 15:43

      Ja, das ist auch mein Problem; genau diese Attittüde kritisiere ich ja in meinem Kommentar.

      • Tim 16. Januar 2023, 15:59

        @ Stefan Sasse

        Ich denke, das sind einfach Rückzugsgefechte, verbunden mit der normativen Kraft des Faktischen. Adel und gehobenes deutsches Bürgertum des Jahres 1900 (oder vielleicht auch noch 1950) wären sicher auch nicht erfreut, wenn sie wüssten, wie es im Jahr 2023 bei uns bzw. ihnen aussieht. 🙂

  • sol1 16. Januar 2023, 12:28
  • Erwin Gabriel 16. Januar 2023, 16:59

    7) Schluss mit der Umverteilung von arm nach reich

    Die wichtigste Reform ist eine neue, bessere Definition des Äquivalenzprinzips. Das besagt, dass jeder Euro an Beiträgen den gleichen finanziellen Anspruch an monatlichen Rentenzahlungen erzielt. Dies klingt ausgewogen und gerecht, ist es aber nicht. Denn Menschen mit geringen Einkommen haben nach Renteneintritt eine fünf bis sieben Jahre geringere Lebenserwartung als Menschen mit hohen Einkommen. Damit die deutsche gesetzliche Rente eine Umverteilung von unten nach oben, von arm zu reich.

    Ich tue mich wirklich schwer mit solchen pauschalisierten Aussagen. Genauso pauschal wäre es zu sagen, dass Raucher:innen und Alkoholiker:innen eine kürzere Lebenserwartung haben als Menschen, die auf Tabak und Alkohol verzichten, oder Männer eine kürzere Lebenserwartung haben als Frauen, und daher eine höhere Rente kriegen sollten. Klingt für mich alles gleich absurd.

    Zum einen sollten Menschen mit geringen und mittleren Einkommen stärker bei den Reformen der betrieblichen oder privaten Vorsorge berücksichtigt werden.

    Was einmal mehr darauf hinaus läuft, von oben nach unten umzuverteilen.

    Der beste Weg, um Menschen im Alter besser abzusichern und die Altersarmut zu minimieren, sind gute Löhne und Einkommen und eine durchgehende oder zumindest möglichst lange Beschäftigung.

    Ja, aber …; ein typisches Beispiel für die Art von Argumentation, bei der man nur ein Zahnrad in einem Getriebe verstellen möchte, ohne dass sich die anderen Zahlräder mitdrehen.

    Bessere Löhne und höhere Einkommen müssen erwirtschaftet werden. Ob man das über eine höhere Produktivität (= weniger Arbeitsplätze) oder höhere Produktion (= schädlich für den Klimawandel) oder niedrigere Unternehmenssteuern (ogottogottogott – wovon soll man dann die ganzen „klugen Renten-Reformen“ bezahlen) macht, bleibt sich gleich; es wird von genau den Leuten bekämpft werden, die solche Reformen erfordern.

    Einmal mehr eine idealisierte „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Forderung ohne konkrete Beispiele

    • Thorsten Haupts 19. Januar 2023, 17:10

      Ich tue mich wirklich schwer mit solchen pauschalisierten Aussagen. Genauso pauschal wäre es zu sagen, dass Raucher:innen und Alkoholiker:innen eine kürzere Lebenserwartung haben als Menschen, die auf Tabak und Alkohol verzichten …

      Oh, prima, danke für das Argument. Jetzt bin ich FÜR die entsprechende Reform (Auszahlung der Rente nach angenommener fiktiver Lebenserwartung). Ich bekäme als Raucher ja wegen meiner im Schnitt ceteribus paribus um 7 Jahre geringeren Lebenszeit eine deutlich höhere Rente. Fuck yeah!

      Unwichtige Nebenfrage: Ist es inzwischen eigentlich nur hinreichende oder schon notwendige Voraussetzung, vor der Veröffentlichung in reichweitenstarken „seriösen“ Medien das Hirn abgeschaltet zu haben?

      Gruss,
      Thorsten Haupts

  • Lemmy Caution 16. Januar 2023, 19:11

    zu 4) Perzeption des Westens in Entwicklungs- und Schwellenländern
    Die Komplexität dieses Themas ist gewaltig.
    Wir dürfen die Schuld für unverständliche Interpretationen nicht nur bei uns suchen.

    Zu Chile kann ich da tiefer bohren:
    – private whatsup Gruppe
    – in twitter kann man nachfragen, was manche für mich unverständliche Äußerungen bedeuten.

    Seit Beginn des Ukraine-Kriegs erzeugten Meinungsäußerungen von Chilenen zum Thema im privaten Bereich und auf twitter eine Menge Wut.
    Auf die Dauer ist das für mich aber keine Lösung.
    Weite Teile der russischen Propaganda sind sehr erfolgreich:
    – In der Ukraine wurde jahrelang mit US-Unterstützung zu Chemie Waffen geforscht
    – Europäische Länder werden von den USA herumkommandiert und der Ukraine-Krieg läuft gegen unsere eigenen europäischen Interessen.
    – Zelensky ist ein „Nazi“, u.a. erzählt das Chiles bekanntester schwuler Gewerkschaftsaktivist mit coming out vor vielen Jahren
    – Europäer werden die nächsten Winter frieren müssen und insbesondere Deutschland wird rapide deindustrialisieren
    – Russen werden in der Ukraine brutal unterdrückt und seit 2014 wurden dort angeblich 14.000 Russen getötet.
    – Mit der supertollen Merkel als deutsche Kanzlerin wäre der Krieg überhaupt gar nicht ausgebrochen.
    – geopolitisch behindert die USA und Europa den Aufstieg der „BRICs“,die aber irgendwann
    recht bald die Führungsrolle in der Welt übernehmen werden
    – um den Schutz von Menschenrechten kann es gar nicht gehen, weil wir die Politik Israels in Palästina unterstützen
    – v.a. die nordischen Gesellschaften haben sich von der US-Propaganda erstaunlich stark einseifen lassen. Schließlich hatten Schweden und Finland (!) bekanntlich im Kalten Krieg ein super freundschaftliches Verhältnis mit der Sowjetunion.

    Ich hab zwar starke Zweifel bezüglich historischer Wahrheiten, aber jede einzelne dieser Aussagen ist völlig schwachsinnig. Es ist nicht so, dass *alle* so denken. Auf twitter schrieb ich zum Thema einiges auf Spanisch und bekam Zustimmung von einigen Leuten, darunter erstaunlich viele, die ansonsten politisch rechts von mir stehen.
    Marina Weissband hat zu Beginn des Krieges interessante Erklärungen dazu geliefert, warum die Propaganda so gut bei den Russen verfängt: Sie wollen es glauben. So verhält es sich leider bei vielen Chilenen auch.

    – Unsere weniger von existentieller Bedrohung und viel mehr Luxus geprägten Lebensumstände erzeugen keine Sympathie.
    – Viele haben in persönlichen Krisensituationen darüber nachgedacht in den Kontinent eines großen Teils ihrer Vorfahren zu migrieren, aber unsere – von mir btw grundsätzlich verteidigten Zuwanderungskontrollen – verhindern das.
    – im politischen Diskurs wird Europa permanent als Beispiel für „países serios“ (ernsthafte Länder) angeführt. Musterknaben und Streber erzeugen schnell einmal Abwertungsreaktionen.
    – Während der Corona Krise war die Politik deutscher Unternehmen in Chile viel härter als die im deutschen Mutterkonzern. Selbst bei einer hohen Anzahl von Corona-infizierten mussten die in den Büros erscheinen.

    In einer one to one Diskussion gibts viele, die irgendwann zugegeben, dass sie von Ost-Europa eigentlich sehr wenig wissen. Natürlich wünsche ich mir eine Welt, in der Menschen sich genauer mit denRealitäten in weit entfernten Regionen auseinandersetzen, aber das erscheint im großen Maßstab nicht sonderlich realistisch.

    Länder wie Iran, China und Rußland betreiben seit einigen Jahren offensives Marketing. Am sichtbarsten ist es für mich auf youtube. Am absurdesten für die Weltgegend der tiefen Brustausschnitte der iranische Auftritt Hispan TV. Aber erstaunlich viele konsumieren diese Lügen mit großer Freude. Präsident Boric hat sich übrigens verschiedentlich deutlich auf Seiten der Ukraine positioniert, aber Boric ist nicht Chile.

    Der von mir grundsätzlich geschätzte Soziologe Alberto Mayol hat zu dem Thema nun ein Buch veröffentlicht, dass inzwischen bei großen Online-Buchhändler bezogen werden kann. Ich habe begonne, die ca 300 Seiten zu lesen. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass er den Westen als eine Kultur ansieht, die sich im rasanten Niedergang befindet. Ich kann den Argumenten oft freundlich gesprochen nicht folgen, aber dazu vielleicht später mehr. Habe erst begonnen, dass zu lesen.
    Wir reden hier nicht über irgendeinen Akademiker, sondern einen weit respektierten, eloquenten, viel gelesenen und höchst medienpräsenten Stern der chilenischen Sozialwissenschaften, der es mit 45 in Führungspositionen chilenischer Universitäten gebracht hat. Das ist jetzt das siebte oder achte Buch, das ich von ihm lese.

  • Lemmy Caution 17. Januar 2023, 07:26

    7) Rente
    Fratzscher: Denn Menschen mit geringen Einkommen haben nach Renteneintritt eine fünf bis sieben Jahre geringere Lebenserwartung als Menschen mit hohen Einkommen. Damit die deutsche gesetzliche Rente eine Umverteilung von unten nach oben, von arm zu reich.

    LC: Der nimmt aus der Rechnung nur 1 Faktor (Rentenbezugsdauer) und konstruiert daraus eine sehr steile These. Andere Faktoren wie 100% Umlageverfahren in der gesetzliche Rente und auch andere Elemente im Systemen wirken in die andere Richtung.

    Fratzscher: Zum einen sollten Menschen mit geringen und mittleren Einkommen stärker bei den Reformen der betrieblichen oder privaten Vorsorge berücksichtigt werden.

    LC: Das wäre auch mein Ansatz, nur stelle ich mir die Ausgestaltung sehr schwierig vor.
    Die aktuellen Angebote für private Vorsorge sind für Gutverdiener zum guten Teil deshalb attraktiv, weil man dadurch Einkommenssteuer spart. Leute mit geringen Einkommen haben aber einen geringen Grenzsteuersatz.
    Außerdem verdienen die privaten Versicherer mit. Deren Gewinne bedeuten für die Versicherten Kosten. Ein Teil dieser Kosten sind Fixkosten, die sich für kleine Volumen prozentual stärker auswirken.
    Außerdem: Lassen sich Leute mit geringen Einkommen an das Unternehmen binden, wenn ihnen ein bisschen Betriebsrente in weiterer Zukunft versprochen wird. Oder liegen ihre Anreize stärker auf Einkommensgewinne im hier und jetzt?

    Gute Löhne werden auf dem Arbeitsmarkt ausgehandelt. Da hat der Staat nur sehr indirekten Einfluß.

    Meine Rede: Wir brauchen in der Diskussion dringend Versicherungsmathematiker.

    • cimourdain 17. Januar 2023, 09:26

      „Wir brauchen in der Diskussion dringend Versicherungsmathematiker.“
      Fratzscher argumentiert hier sehr versicherungsmathematisch. Er betrachtet das ‚Auszahlungsrisiko‘ der Rentenversicherung als Produkt von Rentenniveau und Bezugsdauer und möchte dies bei allen Versicherten gleich halten. Die Verkürzung ist, dass er für die Bezugsdauer nur den Faktor Einkommen betrachtet, würden andere Faktoren auch hineinfließen, wäre es eher mehr Ungerechtigkeit denn weniger – siehe den Post von Erwin Gabriel weiter oben.

      • Lemmy Caution 17. Januar 2023, 14:26

        Für die Bedürfnisse der Freunde der politischen Agitation reicht fachlich ein Planschbecken aus. Man braucht ja nur was, auf das man sein jeweiliges Narrativ aufstützen kann. Mich amüsiert diese Rechthaberei und Narrativ-Huberei, aber sie befriedigt mich nicht.

        Ich hätte gerne Rechenmodelle mit wesentlich mehr Tiefe, mit denen man dann die wahrscheinlichen Ausgaben und Einnahmen von verschiedenen prototypischen Personen in/aus dem Rentensystem
        ausrechnen könnte. Die wahrscheinliche Richtung von verschiedenen Aspekten kann ich mir selbst erschließen. Interessant wäre eine Quantifizierung der Aspekte.
        Aus meiner Erwartung werden Bezieher hoher Einkommen in dem reinen Umlageverfahren der Deutschen Rentenversicherung gegenüber anderen Alternativen eher ziemlich deutlich benachteiligt.
        Ich kenne eine Reihe Menschen, die freiwillig irgendwelche offizielle Optionen für die eigene Renten nutzen. Alle von denen sind Gutverdiener. Keiner von denen nutzt freiwillige Beiträge in die Deutsche Rentenversicherung.

        • Erwin Gabriel 17. Januar 2023, 15:00

          @ Lemmy Caution 17. Januar 2023, 14:26

          Aus meiner Erwartung werden Bezieher hoher Einkommen in dem reinen Umlageverfahren der Deutschen Rentenversicherung gegenüber anderen Alternativen eher ziemlich deutlich benachteiligt.

          Hätte ich die gleichen Beträge, die ich in die staatliche Rentenversicherung abzuführen gezwungen war, in eine private Altersvorsorge gesteckt, könnte ich fast die doppelte Rentenauszahlungen einfahren im Vergleich zur staatlichen Rente.

          Das geht bei einer Lebenserwartung von 75+ Jahren an bzw. in den sechsstelligen Bereich. Mit ein Grund, warum ich auf das pauschalisierte „die Reichen sollen mehr zahlen“ so allergisch reagiere.

  • Lemmy Caution 17. Januar 2023, 08:11

    Resterampe:
    u) Der Film „Argentinien, 1985“ hat den Golden Globe für ausländischer Film oder so gewonnen. Der ist im deutschen amazon prime im Angebot. In Original und in Synchronisiert.
    Es geht da um den ersten Prozess gegen einige Protagonisten der Militärdiktatur. Ich weiss nicht, wie viel durch Synchronisierung, fehlendes Kontextwissen sowie fehlender Liebe zu Lokalkolorit, Architektur von Buenos Aires und 80er Jahre Latin Rock/Pop verloren geht.
    Mich hat der Film auch beim seit Freitag dritten Anschauen vor allem emotional fest im Griff.
    Das Schlußpädoyer des Anwalts besitzt nur auf dem ersten Blick erstaunliche Parallelitäten zu den durch Rußlands brutalen Angriffs auf die Ukraine ausgelösten Grauen. Staatlicher Terror besitzt eine hohe emotionale Intensität, aber keine Variationsbreite.
    „Können wir die Entführung von Wehrlosen im Morgengrauen […] als Kriegshandlung werten? Ist es eine Kriegshandlung sie zu foltern und zu ermorden, wenn sie keinen Widerstand leisten konnten? […] Sind neugeborene Babies Militärziele?
    Für diejenigen, die das schmerzliche Privileg hatten, diesen Prozess hautnah mitzuerleben, bedeutete er einen Abstieg in dunkle Bereiche der menschlichen Seele, wo Elend, Abscheu und Schrecken Tiefen erreichen, die man sich vorher schwer vorstellen und nachher schwer begreifen kann […]
    , dass Sadismus weder eine politische Ideologie, noch eine Kriegsstrategie ist, sondern eine moralische Perversion. […]
    Hohes Gericht: Nie wieder.“

  • cimourdain 17. Januar 2023, 09:21

    1) Sieh dir die Vorschläge detailliert an: Gestaltung bei der AfA verschiebt Gewinne (und damit Besteuerung) nur auf der Zeitachse; Investitionszulage und Forschungsförderung würde Lindner andernorts Subvention nennen; Mitarbeiterbeteiligung wird schon jetzt steuerlich gefördert, Ausweitung käme vor allem der Leitungsebene zugute.

    2) Weißt du, dass es in Indien einen starken staatlichen Radio-, Fernseh- und Nachrichtenkanal gibt ( Prasar Bharti), der unter der Regierung Modi deutlich ausgeweitet wurde ? Insgesamt ist der verlinkte Artikel sehr schwammig, z.B. wäre es interessant, die Marktanteile des neuen Komplexes zu kennen.

    4) Machen wir mal ein Gedankenexperiment: Ein paar Länder wollen die Polygamie (und meinetwegen auch Polyandrie) in Deutschland durchsetzen. Dazu weisen sie bei jeder Gelegenheit auf die Diskriminierung von Mehrpersonenehen hin und belasten so die Diplomatie. Als nächstes stören sie dafür die Handelsbeziehungen (Wirtschaftssanktionen) und wenn all das nichts hilft, stationieren sie Militär hier ( vornehmlich zur ‚Sicherung‘ des Rohstoffnachschubs, aber das ist eine andere Geschichte). Wie wird sich dann wohl die Akzeptanz der Polygamie in Deutschland entwickeln?

    6) Bedenke zwei Punkte:
    Der Nürnberger Prozess wurde von außen gegen die deutschen Kriegsverbrecher geführt. Eine Neuauflage gegen ‚Klimaverbrecher‘ müsste von den Ländern des Südens ausgehen, z.B. der OAS. Würdest du dies akzeptieren (siehe 4) ?
    Denn es kann genauso Politiker treffen, die du für die ‚Guten‘ hältst, weil Sie für Ihre Wirtschaftskriege auf Braunkohle und Fracking setzen.

    10) Der Postillon hat die Idee wenigstens konsequent durchgedacht:
    https://www.der-postillon.com/2023/01/deutschpflicht.html

    d) Detailkorrektur: ‚Freiheit‘ ist nicht Unwort des Jahres (das ist ‚Klimaterrorist‘), sondern Floskel des Jahres. Und damit kommen sie mehrere Jahre zu spät. Wir hatten da einen Bundespräsidenten, der mit diesem Begriff regelmäßig hausieren gegangen ist – außer ihm haben Leute (Demonstranten, Whistleblower) nicht gepasst, deren Freiheit war nicht so zentral.

    • Stefan Sasse 17. Januar 2023, 10:26

      1) Hm. Das überrascht jetzt nur eingeschränkt 🙁

      2) Nein, ich kenn mich da fast gar nicht aus. Danke!

      4) Good point.

      6) Ja, würde ich. Wenn das ein rechtsstaatlicher Prozess ist, hätten die Leute auch eher weniger zu befürchten. Das sind ja völlig andere Kategorien.

      10) 😀

      d) Ah, sorry, right. Und ja, das ist ja immer so.

      • Thorsten Haupts 18. Januar 2023, 13:02

        Zu 6) Spannend. Welche Länder des Südens hälst Du für Rechtsstaaten? Und wie würde der Anklagepunkt präzise lauten (auch in den Nürnberger Prozessen wurden Leute für konkrete Verstösse gegen international gültige Normen verurteilt, die schon zum Zeitpunkt ihrer Verbrechen galten)?

      • Stefan Pietsch 18. Januar 2023, 13:50

        Was soll denn da strafbar und anklagbar sein? Du argumentierst in moralischen Kategorien und hältst Du für rechtlich maßgebend.

        Die Schwellen- und Entwicklungsländer sind auch nicht an Prozessen interessiert, das ist eine alberne westliche Debatte von Leuten, die zuviel Freizeit haben. Länder wie Brasilien und Indien wollen Geld und Unterstützung bei der Entwicklung. Wenn das bisher nicht klar war – für alle, die etwas schläfrig sind – dann sollte es nach der Weltklimakonferenz in Ägypten klar geworden sein. Also hört auf mit diesem Quatsch.

        • Stefan Sasse 18. Januar 2023, 18:56

          Nein, das ist ja mein Punkt: es gibt effektiv keine Basis, um die anzuklagen. Die SOLLTE es geben, aber es gibt sie nicht.

          • Stefan Pietsch 18. Januar 2023, 18:59

            Mir fehlt jede Begründung für Dein Sollte. Wer sollte klagen können (prinzipiell jeder Staat) aus welche – ggf. zu schaffendem – Grund?

          • Thorsten Haupts 19. Januar 2023, 14:56

            Noch spannender. Wie lautet der Rechtsgrundsatz, den Du aufstellen willst, gegen den zu verstossen dann strafbar wird (rückwirkend geht das eh nicht, zumindest nicht rechtsstaatlich?

            • Stefan Sasse 20. Januar 2023, 07:50

              Ich bin kein Jurist. Ich kann dir da keine detaillierten Vorschläge machen. Dass das rückwirkend nicht geht ist aber selbstverständlich.

              • Thorsten Haupts 20. Januar 2023, 07:52

                Das ist Feigheit vor dem Feind 🙂 . Um einen Rechtsgrundsatz zu formulieren, der eine Strafbarkeit begründet, muss man echt kein Jurist sein. „Du sollst nicht stehlen“ wurde auch nicht von Juristen formuliert.

              • Stefan Pietsch 20. Januar 2023, 11:31

                Wenn Du so etwas loslässt, musst Du eine Vorstellung haben. Egal ob das Juristisch feinsinnig ist oder nicht. Aber wir wissen nach Tagen des Austausches nicht einmal, was Du ahnden willst und warum. Da hat Thorsten Haupts recht, das ist Feigheit vor dem Feind. 🙂

      • CitizenK 21. Januar 2023, 07:53

        6) Die Rechtsordnung schützt uns nicht vor diesen gewissenlos-zynischen Verbrechern. Zwei weitere Beispiele, auf die ich zufällig gerade gestoßen bin (ich wollte eigentlich etwas Entspannendes lesen):

        Hanford (USA). Über Jahrzehnte wurden Millionen Liter hochradioaktiv verseuchtes Wasser in den Columbia River geleitet. Die Öffentlichkeit wurde bewusst getäuscht mit Proben aus Lachsen – wohl wissend, dass diese – im Gegensatz zu anderen Tieren – hier in der Zeit keine Nahrung aufnehmen.

        Sellafield (UK). Auch hier wurde jahrzehntelang hochradioaktive Abfälle in der Irischen See entsorgt – mehr freigesetzte Radioaktivität als alle anderen AKWs, Atombombentest und Chernobyl zusammen (lt. Jacob D. Hamblin, Oregon State University). Allein die Dekontiminierung des Geländes kostet 79 Mrd. Pfund.

        Zu Hanford: „Die USA zahlen über zwei Milliarden US-Dollar jährlich an private Konzerne für die erforderliche Dekontimination der Anlage; zudem müssen etwa 200.000 Kubikmeter radioaktiven Abfalls entsorgt werden..[6] (…) Ein vorläufiger Plan sah als Ende der Arbeiten das Jahr 2047 vor, seit 2014 geht das Energieministerium von mindestens 2052 aus.[3]
        https://de.wikipedia.org/wiki/Hanford_Site#Dekontamination_in_Hanford
        Aber Schwarzfahrer kommen hinter Gitter.

        • Stefan Sasse 22. Januar 2023, 11:04

          Wirtschaftskriminelle werden selten bestraft, das ist ja hinreichend bekannt. Schon allein, weil a) der Nachweis sehr schwierig ist und der Rechtsstaat halt für alle gilt und b) weil vieles legal ist.

          • CitizenK 22. Januar 2023, 11:14

            Also kann man nichts machen? Obwohl der Schaden weitaus größer ist als der von Gerichten verhandelte?
            So war das auch mit der Mafia in Italien. Eine Wende brachte eine rechtstaatlich akzeptable Lösung – die Umkehrung der Beweislast und die Konfiszierung unrechtmäßig „erworbener“ Vermögen. Das wirkt stärker als Gefängnisstrafen.
            In Frankreich gibt es den Straftatbestand „unlautere Geschäftspraktiken“.
            https://guichet.public.lu/de/entreprises/creation-developpement/projet-creation/definition/responsabilite-penale-dirigeant.html
            Gänzlich wehrlos ist der Rechtsstaat also nicht. Wenn er will.

            • Stefan Sasse 22. Januar 2023, 22:16

              Wie ich schon sagte: ich kenn mich viel zu wenig aus, um sagen zu können, wie da genau die Spielräume sind. Das ist mein Problem.

  • CitizenK 21. Januar 2023, 07:47

    „auf Teufel komm raus Öl fördert – wahrscheinlich mit der Absicht, dieses in Länder mit vielen Autos zu verkaufen“

    Was war zuerst? Ursache und Wirkung! „Wir“ wollen ja, dass die „auf Teufel komm raus fördern“.

    • Stefan Pietsch 21. Januar 2023, 08:48

      Sie produzieren einen richtigen Slapstick. Wir zwingen ein souveränes Land, für uns Öl zu produzieren, damit wir es in seinen Lebensgrundlagen schädigen können. Deswegen natürlich hat Nigeria einen Schadensersatzanspruch gegen Deutschland – neben den Devisen für Öl versteht sich.

      Sonst haben Sie nichts zu erwidern und „Ihre“ Ausgleichsansprüche zu begründen?

  • CitizenK 21. Januar 2023, 16:46

    „Ausgleich“ bezog sich auf die Entwicklung seit der Industriellen Revolution.
    Was (fast) jeder Schüler heute weiß: Der Norden hat hat es überwiegend verursacht, der Süden leidet besonders unter den Folgen.
    https://www.deutschlandfunk.de/die-armen-leiden-am-meisten-100.html

    Und auch heute noch kommt das Zeug vor allem aus den „Ländern mit den vielen Autos“.

    • Stefan Pietsch 21. Januar 2023, 18:37

      Die entwickelten Länder sollen sich dafür entschuldigen und die armen Länder entschädigen, weil sie entwickelt sind? Das soll wohl ein Scherz sein. Der Weg zur entwickelten Nation, zu Wohlstand, führt über die Nutzung und Verschmutzung der Umwelt und CO2-Emissionen. Das zeigen aktuell Indien und China.

      Auf solche Ideen und Ansichten können nur Linke kommen. *Kopfschüttel

      Dürfen wir eigentlich Entwicklungshilfe, Schuldenerlass und Importe gegenrechnen (siehe Nigeria / Öl)?

      • CitizenK 22. Januar 2023, 11:21

        Ich seh‘ das so: Wer im Rausch in den Pool gepinkelt und Müll reingeworfen hat, sollte nach der Party bei der Reinigung und beim Aufräumen dabeisein.
        Es geht umd das Prinzip Verantwortung, nicht um Entschuldigungen.
        Und ja: Kann gegengerechnet werden, wäre aber ein Thema für sich.

        • Stefan Pietsch 22. Januar 2023, 13:21

          Na ja, Ihre Analogie ist schon ziemlich geschmacklos. Dazu noch schräg.

          Die Sache ist ja die, dass alle (!) in den Pool pinkeln und das weiter tun. Und Sie sagen, derjenige, der am meisten gepinkelt hat, muss die Sauerei wegmachen.

          Tatsächlich verlangen Sie eine Emissionssteuer auf wirtschaftliche Entwicklung. Kenia hätte wahnsinnig gerne den Pro-Kopf-Ausstoss wie die USA, wenn sie deren Pro-Kopf-Einkommen hätten. China emittiert alleine über 10 Milliarden Tonnen, so viel, wie alle Industrieländer der OECD zusammen. Und wieso soll eigentlich die Emissionssteuer für Schadstoffe fällig werden, die vor 50 Jahren ausgestoßen wurden? Das Klima ist nicht so nachtragend, aber Linke.

  • CitizenK 22. Januar 2023, 15:59

    Und soweit waren wir vor 40 Jahren – unzweifelhaft – nicht.

    Zum Popper-Kriterium (Falsifizierbarkeit): Theorien müssen so formuliert sein, dass die prinzipiell falsifizierbar sind, sonst sind sie wertlos. Das heißt nicht, dass sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums widerlegt werden. Ersteres war auch vor 40 Jahren schon gegeben.

  • CitizenK 22. Januar 2023, 16:13

    „Schadstoffe, die vor 40 Jahren ausgestoßen wurden“
    Was spielt das für eine Rolle? Das Zeug ist nun mal da und schadet massiv. Die Umwelt ist in der Tat „nachtragend“. Ist es nicht auch „geschmacklos“, die Atmosphäre und die Meere als Müllkippe zu benutzen? Diese Analogie stammt nicht von mir, ist auch in konservativen Blättern immer wieder zu lesen.
    Diese ewige „Linken“-Bashing ist auch geschmacklos angesichts dessen, was Rechte (dezidiert Anti-Linke) in der Welt anstellen (Brasilien, USA, GB usw.). Auch die ganz großen Verbrecher sind dezidiert keine „Linken“.

    • Stefan Pietsch 22. Januar 2023, 20:46

      Nun, so vertraut sind sie mit biologischen Prozessen anscheinend nicht. In der Natur werden Schadstoffe abgebaut – übrigens auch Kohlendioxid. Kohlendioxid wird von der Natur selbst produziert und wieder zurückgebaut – ganz erstaunliche Prozesse, hatte ich mal in Bio.

      Das Problem ist, das kann ich Ihnen versichern, heute nicht das CO2, das 1970 emittiert wurde, sondern maßgeblich das Klimagas, das 2022 emittiert wurde. 36 Milliarden Tonnen sind ein bisschen viel für unsere Erdatmosphäre. Aber das sind für unsere Debatte anscheinend zu viele Details.

      P.S.: Nochmal: Gerade Indien „pinkelt“ massiv. Dennoch soll Indien Profiteur einer globalen Finanzierung sein. Irgendwie strange, das versteht kein Ökonom. Also muss man dazu Linker sein, denn Liberale und Konservative verstehen das auch nicht.

    • Stefan Pietsch 22. Januar 2023, 21:00

      Diese ewige „Linken“-Bashing ist auch geschmacklos angesichts dessen, was Rechte (dezidiert Anti-Linke) in der Welt anstellen (Brasilien, USA, GB usw.).

      In Lulas erster Regierungszeit fielen 86468 Quadratkilometer Regenwald dem Landraub zum Opfer, unter Bolsonaro waren es 45586 Quadratkilometer. Aber Sie finden den Rechtsextremisten den schlimmeren Umweltschädiger.
      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/478063/umfrage/menge-der-abgeholzten-waldflaeche-im-amazonasgebiet/

      Muss man nicht verstehen, außer man ist ein Linker.

      • CitizenK 23. Januar 2023, 13:56

        Eine erstaunlich oberflächliche „Analyse“.
        Lula hat anfangs in der Tat auf Wachstum gesetzt auch auf Kosten der Umwelt – nach neoliberalem Rezept.
        Der Unterschied: Die Abholzung ging in seiner Amtszeit runter, bei Bolsonaro ging sie rauf
        https://www.dw.com/de/bolsonaro-und-der-regenwald-eine-bilanz/a-63060457
        und würde nach seiner eigenen Aussage – weiter raufgehen. B. hat die Umweltbehörde und Umwelt-Organisationen geschwächt, die Goldsucherei legalisiert, die ebenfalls schwere Schäden verursacht.

        • Stefan Pietsch 23. Januar 2023, 13:58

          Bolsonaro war bekanntlich nur vier Jahre Präsident.

          Aber das gleiche Thema haben Sie in Bolivien und Peru und spätestens dann funktioniert Ihre Argumentation von den schrecklichen Rechten nicht mehr.

          • Stefan Sasse 23. Januar 2023, 14:12

            Du kannst nicht absolute Zahlen vergleichen und dich dann darauf zurückziehen, dass einer nur vier Jahre Präsident war. Entweder rechnest du alles auf die Amtszeit um (also relativ), oder du nutzt absolute Zahlen (die nutzlos sind). Aber du suchst es dir gerade raus wie des dir passt, das ist unehrlich.

            • Stefan Pietsch 23. Januar 2023, 14:57

              CitizenK hat darauf verwiesen, dass in späteren Jahren die Abholzung unter Lula geringer wurde. Eine solche Fortschreibung gibt es wegen der Kürze der Amtszeit von Bolsonaro nicht. Nehmen wir den Durchschnitt der Flächenvernichtung bei Lula über 8 Jahre, liegt er immer noch deutlich vor Bolsonaro.

              Wie kommt CitizenK also aus der Nummer raus, Bolsonaro als das größere Übel zu nennen? Nach objektiven Zahlen jedenfalls nicht.

              • Stefan Sasse 23. Januar 2023, 16:49

                Hast du auch keine, das ist mein Punkt. Aktuell werft ihr euch nutzlose Kennzahlen an den Kopf, und keiner wird schlauer.

  • CitizenK 23. Januar 2023, 08:04

    Putschversuche zählen nicht? Die größte Gefahr für die Demokratie geht (wieder mal) von Rechtsaußen aus: USA,Brasilien, Israel.

    • Stefan Sasse 23. Januar 2023, 09:08

      Worauf beziehst du dich?

      • CitizenK 23. Januar 2023, 12:18

        USA/Brasilien: Sturm auf das Kongress- bzw. Regierungsgebäude durch Trump resp. Bolosonaro-Anhänger.
        Israel: Schwächung/Entmachtung? der Justiz nicht nur durch „Anhänger“, sondern durch die Regierungskoalition. Allerdings gibt es in Israel eine starke Gegenbewegung.

        • Stefan Pietsch 23. Januar 2023, 12:45

          Was hat das mit dem Thema „Klimakrise“ zu tun? Richtig, gar nichts.

        • Stefan Sasse 23. Januar 2023, 14:10

          Ich meinte ob du dich auf irgendeinen Kommentar beziehst, mir ist der Zusammenhang unklar. Denn inhaltlich, klar, offensichtlich.

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