Diskussion: Schematische Modelle von politischen Dimensionen

Ich habe einen kurzen Punkt, bei dem ich um eure Meinung fragen möchte. Ich möchte für die Schule – also ohne wissenschaftlichen Anspruch – eine schematische Übersicht zentraler politischer Dynamiken des 19. und 20. Jahrhunderts erstellen. Mein aktueller Ansatz ist folgender:

Was soll das darstellen? Ich würde behaupten, dass im 19. Jahrhundert der Hauptstreit auf einer Art Geraden verlief: auf der einen Seite Konservative, die Monarchie, Ständestaat und Gottesgnadentum soweit wie möglich erhalten wollten; Liberale, die zwar die Monarchie erhalten, aber in eine konstitutionelle verwandeln und mit starken bürgerlichen Freiheiten modifizieren wollten; und Demokraten, die die Monarchie zugunsten Gleichheit und Freiheit abschaffen wollten. Ultimativ würden sich die Demokraten durchsetzen und die politischen Gewichtungen verschieben.

Für das 20. Jahrhundert sehe ich einen Hauptkonflikt zwischen drei Ideologien: einerseits dem Liberalismus, der im späten 19. Jahrhundert in die Krise geraten zu sein schien, sich aber als widerstandsfähig erwies und 1991 über seine Gegner triumphierte; und Kommunismus und Faschismus, die als „moderne“ und „junge“ Gegenbewegungen den Liberalismus in Frage stellten. Den Konservatismus sehe ich hier nicht mehr als relevant. Es gab zwar noch Leute, die Ständestaat und Monarchie restaurieren wollten, aber das war im Gegensatz zu den anderen drei Optionen nie auch nur ansatzweise mehrheitsfähig. Alle anderen Strömungen, von der Christdemokratie über Sozialdemokratie und Konsorten, sind quasi irgendwo zwischen diesen Polen.

Was haltet ihr davon? Wie gesagt, mein Hauptziel ist nur, das für Schüler*innen halbwegs verständlich zu visualisieren.

{ 38 comments… add one }
  • Erwin Gabriel 6. November 2022, 18:34

    Hallo Stefan,

    etwas Besseres vorschlagen kann ich auch nicht.

    Grafik 1 leuchtet halbwegs ein, aber mir fehlt der Sozialismus, der über das Bestreben der Demokraten deutlich hinausging; zumindest war es eine diskutierte politische Bewegung. Aber den Schieberegler kann ich mir vorstellen.

    Die zweite Grafik finde ich in der vorliegenden Form etwas weniger aussagekräftig. Wäre es möglich, Zwischenstufen einzubauen (etwa Nationalsozialismus zwischen Faschismus und Kommunismus) oder das portugiesische System einer gewählten Diktatur á la Salazar zwischen Faschismus und Liberalen? Dann wird es vielleicht klarer.

    In jedem Fall tue ich mich etwas schwer mit Deinen Begrifflichkeiten: Unter Konservativen oder Liberalen verstehe ich offenbar etwas vollkommen anderes als Du. Und Wenn Du zum 19. Jahrhundert Liberale wie folgt definierst: (… Liberale, die zwar die Monarchie erhalten, aber in eine konstitutionelle verwandeln und mit starken bürgerlichen Freiheiten modifizieren wollten …), scheint das nicht mit dem Liberalismus in Einklang zu liegen, der (… sich aber als widerstandsfähig erwies und 1991 über seine Gegner triumphierte …). Da fände ich „Demokratie“ vermutlich treffender. Liberale sind für mich die, die 1848 losgerannt sind und aus Herrschaften Nationalstaaten machen wollten (die nicht zwangsläufig eines Königs oder Herzogs bedurft hätten). Deine Definitionen finde ich also unklar.

    Wie auch immer: Du willst ja nur einen Kommentar zu den grafischen Schemata, und das erste funktioniert ganz gut. Für das zweite hättest Du statt eines Dreiecks auch ein Hufeisen wählen können 🙂

    • Stefan Sasse 6. November 2022, 20:18

      Ich brauch Grafik 1 vor allem für Vormärz, 1848 und die deutsche Einigung (also preußischer Verfassungskonflikt etc.), Sozialismus und Kommunismus werden ja erst Ende des 19. Jahrhunderts relevant. Und die Sozialdemokraten, die ja in Deutschland die Hauptrolle spielen, gehen dann stark in eine reformerische Richtung und sind dann eher eine Spielart der Demokraten. Der Kommunismus als Herausforderung des Liberalismus (den ich deswegen in Grafik 2 an die Spitze stelle) kommt ja erst ab 1917.

      Ich wähle deswegen ein Dreieck, weil ich auf die Herausforderung des Liberalismus (der quasi als dominante Ideologie des ausgehenden 19. Jahrhunderts hervorgeht) durch seine beiden Antithesen aufzeigen will. Die von dir genannten Spielarten finden sich, die Konservatismus und Sozialdemokratie, dann quasi zwischen den Extremen (Sozialdemokratie sozusagen auf dem linken Schenkel und Konservatismus auf dem rechten Schenkel). Spanien und Portugal waren nicht faschistisch, sondern „nur“ Autokratien. Die wären quasi auf dem rechten Schenkel im unteren Bereich.

      Macht das Sinn?

      • Erwin Gabriel 7. November 2022, 10:47

        @ Stefan Sasse 6. November 2022, 20:18

        Die von dir genannten Spielarten finden sich, die Konservatismus und Sozialdemokratie, dann quasi zwischen den Extremen (Sozialdemokratie sozusagen auf dem linken Schenkel und Konservatismus auf dem rechten Schenkel). Spanien und Portugal waren nicht faschistisch, sondern „nur“ Autokratien. Die wären quasi auf dem rechten Schenkel im unteren Bereich.

        So war’s von mir gemeint.

        Wie gesagt, eine Definition der jeweiligen politischen Strömungen zur damaligen Zeit sollten beiliegen. Wer in Kategorien wie „konservativ = CDU“, „liberal = FDP“, „faschistisch = AfD“ denkt, rennt fett vor die Wand.

        • Stefan Sasse 7. November 2022, 18:14

          Exakt! Genau deswegen mache ich die Dinger ja überhaupt.

  • Lemmy Caution 6. November 2022, 20:22

    Ich würde im 20. Jahrhundert 2 weitere Ideologie-Pole sehen
    a) In dem Revisionismusstreit entwickelte in der SPD Bernstein einen eigenen Sozialdemokratischen Pol. Der grenzte sich eindeutig gegen den Kommunismus ab. Noskes harte Entscheidung war ja keiner Laune geschuldet. Als Teenager war ich Zeuge der unterhaltsamen Weiterführung von Konflikten der 20er Jahre: meine Opa (KPD) und sein Schwager (SPD). Dagegen ist Twitter harmlos. Vor allem skandinavische Politiker griffen Bernsteins Richtung auf. Tage Erlander z.B., über den man heute so wenig findet. Auch Labour erscheint mir über weite Strecken eher sozialdemokratisch.
    Endgültig gebrochen hat die deutsche Sozialdemokratie möglicherweise erst mit dem Godesberger Programm. Das müsste untersucht werden. Mein korrupter Held der jungen Bundesrepublik war aber lange vor Godesberg nach seiner Flucht aus der Sowjetunion Anti-Kommunist: Herbert Wehner. Ich hatte in der Schule gute GeschichtslehrerInnen, aber dieser für mein Verständnis deutscher Politik im 20. Jahrhundert fundamental wichtige Bruch Bernsteins mit Marx blieb da für meinen Geschmack ein wenig unterbelichtet.
    b) Christdemokraten: War ideologisch unterfüttert von der „christlichen Soziallehre“. Davon weiss ich leider sehr wenig, aber ich sehe Adenauer und Kohl nicht als Liberale. Adenauer machte als Kölner Oberbürgermeister eine Menge Schulden für sinnvolle Öffentliche Güter wie z.B. den Grüngürtel, d.h. ein großer Park um die eher mittelalterlich geprägte Stadt. Die Christdemokratie hat demokratische und konservative Wurzeln. Wichtig ist der Christdemokratie ein starker und auch fürsorglicher Staat. Vor Thatcher dachten die britischen Konservativen eher christdemokratisch. De Gaulle und Giscard d’Estaing sehe ich wegen deren ausgeprägten französischen Estatismus nicht als Liberale.

    • Stefan Sasse 6. November 2022, 21:58

      Ja, ich sehe die aber beide nicht als Alternative zum Liberalismus, sondern eher als Spielarten. Deswegen würde ich die da rauslassen.

      • Lemmy Caution 6. November 2022, 22:06

        what?!??
        Du wirfst damit Popper und Rawls in einen Topf.
        Dazwischen liegen Welten.

        • Stefan Sasse 7. November 2022, 07:47

          Wie gesagt…es geht um eine sehr starke Vereinfachung für die Schule, nicht ein wissenschaftlich belastbares Modell.

  • Lemmy Caution 6. November 2022, 20:41

    Als gutes Beispiel für die Verbindung von Faschismus und Liberalismus sehe ich Francos neue Wirtschaftspolitik nach 1960. Nachdem sein auf Berufsständen und Autarkie beruhendes Modell so überhaupt nicht funktionierte, liberalisierte er Spaniens Wirtschaft. Politisch, sozial und kulturell blieb das Land sehr autoritär und repressiv.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Francisco_Franco#Wirtschaftlicher_Aufstieg_in_den_1960er_Jahren

    • Stefan Sasse 6. November 2022, 21:59

      Ja, aber das macht ja China heute auch. Eine Wirtschaft, die von einem Diktator Freiheiten bekommt, ist aber nicht liberal. Der Staat kann ja immer noch jederzeit eingreifen.

  • Thorsten Haupts 6. November 2022, 20:47

    Für eine wirklich grobe Übersicht und erste Einordnung passt beides hervorragend. Weniger ist gerade bei Erst-Wissensvermittlung fast immer mehr, von daher macht es wenig Sinn, beide einfachen Graphen mit mehr Details zu verkomplizieren.
    Du könntest den ersten Graphen sogar noch weiter vereinfachen – der Hauptgegensatz verlief in Europa zwischen Konservativen und Liberalen, die Demokraten waren „nur“ radikalere Liberale. Sozialisten wie Sozialdemokraten spielten erst am Ende des 19 Jahrhunderts eine politische Rolle, von daher ist deren Weglassen zielgerecht.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 6. November 2022, 22:00

      Danke. Ich nehm die Demokraten deswegen rein, weil ich den Streit innerhalb der „Linken“ (sofern man den Begriff für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt verwenden will) abbilden möchte. Der ist für Vormärz und 1848 einfach zentral, weil die Fragestellung „Republik oder konstitutionelle Monarchie“ sonst verpufft.

      • Thorsten Haupts 6. November 2022, 23:07

        Auf die spezifisch deutsche Situationvon 1848 bezogen ist das korrekt, für die wesentlichen Konfliktlinien des 19. Jahrhunderts in Westeuropa eher weniger. Und ich hatte Dich so verstanden, dass Du diese vermitteln wolltest.

        Du läufst zusätzlich in die Gefahr, dass Du mit dieser Darstellung die kleiner Bruchlinie innerhalb der Liberalen überzeichnest und damit die grössere zwischen Liberalen und Konservativen vernebelst. Ein Demokrat kann mit einer konstitutionellen (aka Parlaments-) Monarchie leben, für einen Konservativen sind die roten Linien damit schon überschritten.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Hias 7. November 2022, 01:17

          Wenn ich es noch richtig im Kopf habe, dann waren die Demokraten damals die Radikalinskis, die für eine Republik waren, die Liberalen waren eher gemäßigter, für sie war ein starkes Parlament wichtig, sie konnten auch mit einem Monarchen als Oberhaupt leben. Die Konservativen, oder besser Monarchisten dagegen wollten unbedingt einen starken König, die waren maximal für ein schwaches, eher beratendes Parlament, wenn nicht sogar für Ständeversammlung oder gar Neo-Absolutismus.

          Bezüglich der Bruchlinie, ja, die größere war zwischen Liberale und Konservative, aber zum Verständnis der der Situation 1848/49, warum zB Bundestruppen nach Baden entsandt wurden, da ist die Unterscheidung nicht ganz unwichtig

          • Stefan Sasse 7. November 2022, 08:51

            Genau! Macht es vielleicht Sinn, Demokraten/Liberale dann noch mit Nationalismus und Monarchisten mit Konservatismus zu verknüpfen…? Bin unsicher bezüglich der Begriffe da.

        • Stefan Sasse 7. November 2022, 07:48

          Hm, guter Punkt. Du würdest also als bipolare Beziehung konstruieren?

          • Thorsten Haupts 7. November 2022, 10:19

            Als grundlegenden Gegensatz – ja. Das war die Hauptbruchlinie.

  • Dennis 6. November 2022, 23:49

    Zitat Stefan Sasse:
    „Ich würde behaupten, dass im 19. Jahrhundert der Hauptstreit auf einer Art Geraden verlief: “

    Okay, aber wo ist da die Arbeiterbewegung und alles rund um den Sozialismus? Das ist schon gefragt worden, aber noch nicht von allen^. Es erschließt sich mir nicht ganz, wer die „Demokraten“ im Rahmen der gegebenen Betrachtung gewesen sein sollen. Die gehören IMHO entweder in die Kiste „liberal“, meinetwegen als Radikalliberale, oder zur Sozialdemokratie, die parteimäßig in D in den 60er Jahren entstanden ist. Lassalleaner ab 1863, also eigentlich nicht soooo spät im 19. Marxens Manifest immerhin schon anno 1848. Die zahlreichen Friktionen hier beiseite gelassen, okay.

    Kommunismus und Faschismus sind eigentlich nicht originär, sondern Bastarde. Die post-religiösen Großideologien wurden wesentlich im 19. gebastelt mit Vorarbeit im 18. Insofern also IMHO in Ordnung, die Zeitleiste nicht weiterzuziehen. Das Dreieckskonzept für das Zwanzigste find ich schon einleuchtend. Allerdings ist andererseits der Konservativismus ja nicht ausgestorben, wurde aber ideologisch umgemodelt, bis hin zu einer angestrebten sog. „konservativen Revolution“ (lol) immerhin, obwohl so was ja eigentlich nicht konservativ ist. Also vielleicht ein Viereck mit „Konservativismus (neu)“ ^ an einer weiteren Ecke oben und irgendwie unten dann die beiden Bastarde Kommunismus, als nachhaltige leninistische Abspaltung von den Sozen nach den zahlreichen „kleineren“ Friktionen im sozialistischen Lager; und dann der Faschismus als Potpourri aus enttäuschtem Nationalismus als aggressiver Jetzt-erst-recht-Supernationalismus einerseits und Sozialreform zu Gunsten derer da unten andererseits. Konventionell betrachtet eigentlich ein Paradoxon, etwas zusammenbastelnd, was im Lehrbuch „eigentlich“ gar nicht zusammenpasst, was wiederum deutlich macht, dass Logik in all diesen Dingen keine große Rolle spielt. Den Faschismus würd ich avant la lettre eigentlich schon mit dem Boulangisme in Frankreich (80er Jahre, 19. Jahrh.) beginnen lassen, aber es soll ja nicht so kompliziert werden.

    Zu verklaren, dass letztlich alles mit allem zusammen hängt bzw. zu sehen, dass reine Lehren im richtigen Leben nicht lange rein bleiben, wäre m.E. wichtig, denn alles schön sauber trennen funktioniert am Ende des Tages nur auf dem Papier.

    Ach ja, und Nationalismus fehlt im 19. eigentlich auch, obwohl doch sehr bedeutsam, IMHO. Könnte man für damals mit „liberal“ zusammenpacken und en passant deutlich machen, dass all diese Begriffe heutzutage mit einer deutlich anderen Sinnstiftung bepackt werden als ursprünglich mal. Immerhin war die Nation mal ein „fortschrittliches“ Konzept. Ist heute eher bei den Konservativen gelandet, die damit in der betrachteten Zeit, also Anfang bis Mitte Neunzehntes, nichts am Hut hatten.

    • Stefan Sasse 7. November 2022, 07:51

      Wie gesagt, Sozialisten, Kommunisten etc. sind eine super kleine Bewegung bis zum Erfolg der Sozialdemokratie ab 1880, 1890 rum.
      Die Idee mit dem Nationalismus ist spannend. Welchen Begriff würdest du dann mit Konservatismus verbinden?

      • Dennis 7. November 2022, 14:09

        Stefan Sasse:
        „Welchen Begriff würdest du dann mit Konservatismus verbinden?“

        Na ja, genau das was du schreibst: „….auf der einen Seite Konservative, die Monarchie, Ständestaat und Gottesgnadentum soweit wie möglich erhalten wollten;…“

        Die „Heilige Allianz“ bildet das IMHO auch ganz gut ab:

        https://de.wikipedia.org/wiki/Heilige_Allianz

        Eigentlich der Kampf gegen die schleichende Entchristlichung (nach deren Auffassung), denn die Monarchien wurden wesentlich als Ausdruck des christlichen Prinzips verstanden, während die neumodischen Nationen mit ihren versachlichten inneren Beziehungen letztlich Gott als eigentlichen, auch politischen Souverän zu verdrängen drohten – zugunsten einer „Volkssouveränität“, die selbstverständlich abzulehnen ist. Im Übrigen war die Heilige Allianz transnational angedacht, was heute insoweit unter „modern“ verbucht würde, damals indes altmodisch.

        Dieser Paläo-Konservativismus aus dem frühen 19. und davor spielt im 20. praktisch keine Rolle mehr. Schon 2. Hälfte Neunzehntes haben sich die K-Leute mit der modernen Nation allmählich angefreundet (if you can’t beat them, join them) und heute sieht es so aus, als ob das Nationale „eigentlich“ eine konservative Idee wäre.

        Als konservativ geblieben und weiter wirkmächtig ist ansonsten ein eher unspezifischer Anti-Modernismus bzw. das Flechten von alten Zöpfen namentlich in sittlichen Fragen (in einem breiten Wortsinn) aller Art sowie natürlich die Zuneigung zum Autoritären sowie zu einer möglichst homogenen Gesellschaft, was immer das heißen mag.

        Am besten gefällt mir die Mitte^. Da hat man freie Hand zum Synkretismus und muss sich nicht mit weltanschaulicher Erbsenzählerei beschäftigen. Auf diesen Trichter ist weiland schon der Adenauer gekommen^.

        • Stefan Sasse 7. November 2022, 18:17

          Genau. Ich hab es erst heute wieder im Leistungskurs staunenden Schülerinnen erzählt: bis so in die 1860er Jahre war „Deutschland Deutschland über alles“ ein LINKER bzw. LIBERALER Schlachtruf; es waren die Rechten, die das weit von sich wiesen.

          • cimourdain 8. November 2022, 10:38

            Liberal ist bei Fallersleben sicher nicht falsch, aber links? [Das übliche Problem mit der Sitzordnung] Sein Werk (auch diese Zeile) ist von antifranzösischem Revanchismus geprägt (nicht verwunderlich bei einem Arndt-Schüler) und auch religiöser Antisemitismus ist vorhanden.

            • Stefan Sasse 8. November 2022, 14:27

              Links bezieht sich hier nur auf „nicht rechts“, also nicht monarchistisch. Wie du sagst, Sitzordnung. Links als sozialistisch etc. kommt ja frühestens (!) ab 1848.

  • Hias 7. November 2022, 01:12

    Also prinzipiell kann man das schon so machen, wichtig ist halt dabei herauszuarbeiten, dass die Begriffe im damaligen Kontext verstanden werden müssen, aber das hast Du ja sicher aufm Schirm. Ich denke nur da fehlt was.
    Für den Vormärz und die 1848er Revolution bis ca. 1870 würde die Linie auch passen, ebenso wie die Unterscheidung zwischen Demokraten und Liberale, auch wenn erstere nur eine Minderheit waren. Aber ich denke, die Unterscheidung braucht man schon um die Konfliktlinien 1848/49 zu verstehen und die daraus folgende Entwicklung und Aufspaltung der Liberalen. Ich würde nur statt Konservative Monarchisten als Begriff nehmen.
    Auch das Dreieck im 20. Jahrhundert ist so ab ca. der 1920er für ein Verständnis der diversen politischen Strömungen ganz gut.

    Ich denke aber, Du bräuchtest was für die Zeit zwischen ca. 1870 und 1920, auch um erklären zu können, wo Faschismus und Kommunismus auf einmal herkommen und was mit den Demokraten und den Konservativen (Monarchisten) passiert ist. Der Bruch ist da schon ziemlich krass.

    • Stefan Sasse 7. November 2022, 08:51

      Mit der französischen Revolution hast du die Republik und die Zerstörung der Monarchie halt immer als Negativfolie. Die waren zwar nicht groß in Deutschland, aber das waren die Kommunisten später ja auch nicht. Aber die Idee ist unglaublich wirkmächtig, vor allem eben als Negativfolie.

      Es ist ja letztlich auch ein Bruch. Dieser Bruch ist der Erste Weltkrieg. Ohne den haben wir weder Faschismus noch Kommunismus.

  • Sebastian 7. November 2022, 09:02

    Probiere doch mal beides über den Political Compass mit seinen zwei Achsen bzw. vier Quadranten zu mappen.

    • Stefan Sasse 7. November 2022, 09:58

      Da hätte ich effektiv oben rechts Faschismus und Monarchisten, oben links Kommunismus. Mein Problem ist aber damit, dass die Monarchisten effektiv auf demselben Platz wie die Faschisten rumhängen. Und das halte ich für problematisch.

      • Sebastian 7. November 2022, 14:13

        Oder Du zeigst somit, dass kollektivistischer Autoritarismus historisch in verschiedenen Spielarten daherkommt.

        Oder wie wäre es mit dreidimensionalen Modell? Das ist dann natürlich optisch schon wieder nicht wirklich eingängig.

        • Stefan Sasse 7. November 2022, 18:18

          Der Link geht nicht.

          Und ja, die Anforderung ist schon, dass es auf ein Blatt Papier geht 🙂

          • cimourdain 8. November 2022, 06:52

            Mit einer Regler-Darstellung kannst du problemlos ein Dutzend verschiedene politische Dimensionen auf ein Blatt bekommen. Da sieht man genau, wo Monarchisten und Faschisten übereinstimmten und wo nicht:

            Machtkonzentration — ——– ——– — Gewaltenteilung
            Monarchisten
            Faschisten

            Tradition ————– — ——- —– —- —— Moderne
            Monarchisten
            Faschisten

          • cimourdain 8. November 2022, 08:26

            Korrektur: Die letzten Zeilen sollen natürlich so aussehen

            Tradition ————– — ——- —– —- —— Moderne
            Monarchisten
            ……………………………………………………..-..Faschisten

            • Stefan Sasse 8. November 2022, 14:22

              Da bin ich bei dir!! 🙂

              Aber: ich brauch so zu viele Regler. Das Perfekte ist der Feind des Guten. Ich will ein simples, übersichtliches Modell.

  • cimourdain 7. November 2022, 09:22

    Du hast da in meinen Augen Stoff für zwei Unterrichtsinhalte zusammengefasst, wodurch es verkürzt ist:

    Das eine ist die Entwicklung der Ideologischen Konfliktlinien – wobei ich von den drei klassischen Ideologien ausgehen würde. Da kannst du an diesem Dreieck (mit den Ecken Konservative/Monarchisten – Liberale/Demokraten – Sozialisten/Sozialdemokraten) dann darstellen, wie sich die Konfliktlinie im 19. JH von Konservativ – / – Liberal (Vormärz) zu Konsevativ(+liberal) – / – sozialistisch (soziale Frage) gewandert ist. Und dann kannst du diskutieren, ob sich der Faschismus im 20. Jh. In dieses Dreieck einordnen lässt (wie der Kommunismus als radikale Version des Sozialismus eingeordnet wird) oder ob er etwas neues jenseits dieses Ideologiedreiecks ist.

    Das andere ist die Entwicklung politischer Richtungsdiagramme. Das ist ein imho wichtiges und interessantes Thema. Da kannst du zeigen, wie von Anfang an die ‚Gesäßgeographie‘-Linie zu eindimensional war (Während der französischen Revolution war die Gegnerschaft der linken Montagnards zum zentristischen Marais als zu rechten Gironde. Dann kannst du weitergehen zum Dreieck der klassischen Ideologien (s.o.), und den Versuchen einer Neubewertung im 20.Jh. Hufeisendiagramm, Nolan-Diagramm bis zum politischen Kompass (den ich persönlich noch am ehesten schätze). Wichtig wären in dem Zusammenhang ein paar Grundideen:
    – Es gibt Grundideen die die politisch-ideologische Orientierung beschreiben und diese kann man auf ‚Achsen‘ anordnen, aber man muss aufpassen nicht Dinge durch schematisches Denken zu sehr zu vereinfachen.
    – Ein oder zwei Achsen sind noch ‚darstellbar‘, aber man kann sich auch zusätzliche Dimensionen vorstellen (z.B. ‚Tauben‘ -/-‚Falken‘ oder Zentralistisch -/- Regionalistisch)
    – In einer Darstellung fließt fast immer eigene Ideologie mit ein: typisch das Nolan-Diagramm, das die Ideen seines Schöpfers (Libertarismus) ganz nach oben stellt

    • Stefan Sasse 7. November 2022, 10:00

      Ich habe nicht vor, beides gleichzeitig zu verwenden. Ich wollte die hier nur im selben Post diskutieren, das ist alles.

      Grundsätzlich ist die allgemeingültige Einordnung à la politischer Kompass ein anderes Thema. Ich benutze den im Politikunterricht, aber in Geschichte will ich ja spezifische, festgelegte Dynamiken abbilden.

      • Thorsten Haupts 7. November 2022, 10:22

        Ja. Und da ist zum Einstieg radikale Vereinfachung der wirksamste Ansatz.

  • cimourdain 7. November 2022, 16:41

    Meta: Mir ist aufgefallen, dass keiner (mich eingeschlossen) gefragt hat, um welche Altersgruppe es eigentlich gehen soll, 14-jährige 8Klässlys oder politisch vorgebildete Kollegstüfys. Stattdessen hat jeder seine Rezepte aus Jahrzehnten geschichtlichen und politischen Interesses präsentiert.

    • Stefan Sasse 7. November 2022, 18:19

      Oberstufe! Also Klasse 11/12 (G8) bzw. 12/13 (G9). Die sind üblicherweise 17-19 Jahre alt.

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