Bohrleute 32: Bella Italia, sconosciuto Italia, mit Alexander Clarkson
byStefan Sasseon12. Oktober 2022
Bella Italia! Kaum ein Land ist sogleich Sehnsuchtsland der Deutschen als auch Sündenbock für alles Mögliche. Die italienische Lebensart wird bewundert, die italienische Arbeitsethik verdammt. Spätestens seit der Eurokrise hat sich in Deutschland ein Bild von Italien festgesetzt, das mit der pulsierenden Volkswirtschaft wenig zu tun hat. Auch Italiens außenpolitisches Gewicht wird in Deutschland chronisch unterschätzt. Wir sprechen mit Alexander Clarkson über die Mittelmeerhalbinsel und ihren Platz in Europa.
Als langjähriger Economist Leser, kann ich nicht unwidersprochen lassen, dass die Einheit zu wenig thematisiert wurde als es um den Sick man of the Euro ging.
Zitate aus der Ausgabe von 99
„For much of the 1990s, the Bundesbank kept interest rates high in response to pressures from German unification“
„The first and biggest shock was the unification of East and West Germany in 1990. This was always going to hit the much bigger and richer western part of the country hard, especially after the less productive easterners won over-generous wage rises. Much of the early, tax-driven investment in the east went, in effect, down a black hole. The pain continues. The level of subsidy to the east, which accounts for roughly 5% of overall German GDP, has barely fallen since 1990. The rejoining of Germany led to a series of mini-booms and busts, exacerbated by further wage rises at the first hint of recovery and a sharp appreciation of the D-mark, which stung exporters.“
Jepp, das ist korrekt. Ich hab den entsprechenden Artikel in meinem Geschichtsunterricht, da ist eines der großen Ergebnisse, dass die SuS rausarbeiten müssen, die Belastung durch die Einheit. Aber: das ging im Diskurs ziemlich unter zugunsten des „Reformstaus“, der deutlich die Diskussion dominiert hat.
derwaechter13. Oktober 2022, 21:28
Das kann gut sein. Mir war nur aufgefallen, das er das dem Economist auch vorzuwerfen schien. Und das wunderte mich.
Bin in etwa seit der Zeit Abonnent 🙂
In Analogie zur Überschrift möchte ich am Ende sagen „Italia fortificata, Italia ancora sconsciuta“.
Ernsthaft wäre dies die Gelegenheit gewesen, die unterschiedlichen Strukturen zu zeigen, in der Staatsorganisation (z.B. die starke Rolle des Präsidenten), im Parteiensystem, etc.. Wenn ihr zurecht die die Wirtschaft ansprecht, ( bei verarbeitenden Gewerbe ist Italien sogar Platz 6 weltweit), könntet ihr auch fragen, wie das Ergebnis verwendet wird (beim Index menschlicher Entwicklung ist Italien trotz dieses Wohlstands ‚nur noch‘ auf Platz 30). Ihr sprecht Energie an, verschweigt aber, dass Italien der größte Netto-Stromimporteur ist mit einem regenerativen Anteil vergleichbar Deutschland. Selbst bei dem Leib- und Magenthema Militär wären unterschiedliche Strukturen interessant gewesen. Ihr erwähnt zwar kurz die Carabinieri, aber ordnet sie nicht ein als Militäreinheit, die Polizeiaufgaben wahrnimmt. Die ‚Guardia di Financia‘ (Polizeieinheit im Finanzministerium mit militärischer Organisation) wird auch nur indirekt erwähnt.
So drängt sich mir das Bild auf, dass auch hier letztlich nur eine deutsche Nabelschau betrieben wird.
Es ist auch etwas unklar geblieben gewesen, wo die FdI bei den europäischen Parteien steht. Sie ist nicht in dem nationalistischen Block und auch nicht mit dem mehrfach zitierten Orban in der CDI, sondern in der Europapartei EKR (deren Vorsitzende Meloni ist). Da ist von stramm rechts (Vox (Spanien) über rechtskonservativ (PIS Polen) bis liberalkonservativ (ODS Tschechien) diverses enthalten, immer mit einem national-neoliberalem Touch (Deutschland liefert Luckes Splitterpartei LKR).
Eine weitere ‚Troll’frage noch: Könnte man Meloni nicht auch als progressiven Erfolg framen? Die erste Frau an der Spitze Italiens.
Ich meine, ich stell da eh nur naive Fragen weitgehend, ist nicht meine Expertise. Das mit den Carabineri haben wir in einer der beiden vorangegangenen Folgen mit Alex schon diskutiert (ich glaube in der ersten), deswegen wollte ich das nicht wiederkäuen. Und ja, reine Trollfrage, weiter bitte.
cimourdain16. Oktober 2022, 10:59
muss ich reinhören. Danke für den Hinweis
CitizenK15. Oktober 2022, 11:51
Keine Trollfrage: Warum ist Italien bei der Bekämpfung von Geldwäsche so viel weiter als Deutschland? Passt auch nicht so richtig zu dem Images.
Ich nehme mal an, dass die das als Problem wahrnehmen. Hierzulande hält man Geldwäsche für etwas, das nur in anderen Ländern vorkommt. Das ist wie mit Steuerhinterziehung: es fehlt jedes Schuldbewusstsein einerseits und jegliche Realisierung der Größe des Problems andererseits.
cimourdain16. Oktober 2022, 11:02
Das mit dem Schuldbewusstsein ist sehr relevant. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern als Bestechungsgelder im Ausland als Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden konnten.
Einer der faszinierenden (und ehrlich gesagt auch milde erschreckenden) Bestandteile des Älterwerdens ist die Feststellung, dass der eigene Referenzrahmen von... Lesen →
Die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben bei den Grünen eine Sinnkrise ausgelöst, die zuletzt nicht nur... Lesen →
Als langjähriger Economist Leser, kann ich nicht unwidersprochen lassen, dass die Einheit zu wenig thematisiert wurde als es um den Sick man of the Euro ging.
Zitate aus der Ausgabe von 99
„For much of the 1990s, the Bundesbank kept interest rates high in response to pressures from German unification“
„The first and biggest shock was the unification of East and West Germany in 1990. This was always going to hit the much bigger and richer western part of the country hard, especially after the less productive easterners won over-generous wage rises. Much of the early, tax-driven investment in the east went, in effect, down a black hole. The pain continues. The level of subsidy to the east, which accounts for roughly 5% of overall German GDP, has barely fallen since 1990. The rejoining of Germany led to a series of mini-booms and busts, exacerbated by further wage rises at the first hint of recovery and a sharp appreciation of the D-mark, which stung exporters.“
Jepp, das ist korrekt. Ich hab den entsprechenden Artikel in meinem Geschichtsunterricht, da ist eines der großen Ergebnisse, dass die SuS rausarbeiten müssen, die Belastung durch die Einheit. Aber: das ging im Diskurs ziemlich unter zugunsten des „Reformstaus“, der deutlich die Diskussion dominiert hat.
Das kann gut sein. Mir war nur aufgefallen, das er das dem Economist auch vorzuwerfen schien. Und das wunderte mich.
Bin in etwa seit der Zeit Abonnent 🙂
Ein paar Jahre später war übrigens Italien auf dem Cover. Als „the real sick man of Europe“ https://images.app.goo.gl/4k2p9vu6fxqu1aFHA
Einfallsreich 😀
Anregend, dieser Blick. Danke dafür. Gern mehr davon.
Der von Alex oder der auf Italien?
Beides. Auch auf die anderen EU-Südländer.
Werd’s versuchen!
In Analogie zur Überschrift möchte ich am Ende sagen „Italia fortificata, Italia ancora sconsciuta“.
Ernsthaft wäre dies die Gelegenheit gewesen, die unterschiedlichen Strukturen zu zeigen, in der Staatsorganisation (z.B. die starke Rolle des Präsidenten), im Parteiensystem, etc.. Wenn ihr zurecht die die Wirtschaft ansprecht, ( bei verarbeitenden Gewerbe ist Italien sogar Platz 6 weltweit), könntet ihr auch fragen, wie das Ergebnis verwendet wird (beim Index menschlicher Entwicklung ist Italien trotz dieses Wohlstands ‚nur noch‘ auf Platz 30). Ihr sprecht Energie an, verschweigt aber, dass Italien der größte Netto-Stromimporteur ist mit einem regenerativen Anteil vergleichbar Deutschland. Selbst bei dem Leib- und Magenthema Militär wären unterschiedliche Strukturen interessant gewesen. Ihr erwähnt zwar kurz die Carabinieri, aber ordnet sie nicht ein als Militäreinheit, die Polizeiaufgaben wahrnimmt. Die ‚Guardia di Financia‘ (Polizeieinheit im Finanzministerium mit militärischer Organisation) wird auch nur indirekt erwähnt.
So drängt sich mir das Bild auf, dass auch hier letztlich nur eine deutsche Nabelschau betrieben wird.
Es ist auch etwas unklar geblieben gewesen, wo die FdI bei den europäischen Parteien steht. Sie ist nicht in dem nationalistischen Block und auch nicht mit dem mehrfach zitierten Orban in der CDI, sondern in der Europapartei EKR (deren Vorsitzende Meloni ist). Da ist von stramm rechts (Vox (Spanien) über rechtskonservativ (PIS Polen) bis liberalkonservativ (ODS Tschechien) diverses enthalten, immer mit einem national-neoliberalem Touch (Deutschland liefert Luckes Splitterpartei LKR).
Eine weitere ‚Troll’frage noch: Könnte man Meloni nicht auch als progressiven Erfolg framen? Die erste Frau an der Spitze Italiens.
Ich meine, ich stell da eh nur naive Fragen weitgehend, ist nicht meine Expertise. Das mit den Carabineri haben wir in einer der beiden vorangegangenen Folgen mit Alex schon diskutiert (ich glaube in der ersten), deswegen wollte ich das nicht wiederkäuen. Und ja, reine Trollfrage, weiter bitte.
muss ich reinhören. Danke für den Hinweis
Keine Trollfrage: Warum ist Italien bei der Bekämpfung von Geldwäsche so viel weiter als Deutschland? Passt auch nicht so richtig zu dem Images.
Ich nehme mal an, dass die das als Problem wahrnehmen. Hierzulande hält man Geldwäsche für etwas, das nur in anderen Ländern vorkommt. Das ist wie mit Steuerhinterziehung: es fehlt jedes Schuldbewusstsein einerseits und jegliche Realisierung der Größe des Problems andererseits.
Das mit dem Schuldbewusstsein ist sehr relevant. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern als Bestechungsgelder im Ausland als Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden konnten.
Exakt!