Christian Lindner senkt die Steuern für Henri Nannen und bereitet die Machtübernahme in den USA mit Hilfe der Ungeimpften vor – Vermischtes 01.08.2022

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Is Democracy Constitutional?

In Moore v. Harper, North Carolina Republicans are arguing that no other state body, including the state supreme court, has the power to restrict the legislature’s ability to set voting rules—specifically ones allowing legislators to gerrymander the state, in defiance of a ruling by the state supreme court finding that their plan violated the state constitutional amendment guaranteeing the right to vote. This belief is based on a crank legal premise called the “independent-state-legislature theory.” […] You’d think that the theory’s recent vintage would make it anathema to self-identified originalists, but among most of the justices this philosophy is implemented with scarcely more rigor than one might put into scanning Wikipedia to win an argument with a stranger online. More disturbing, the popularity of the theory among conservative legal elites is further indication of their commitment to an idea of “democracy” in which the Republican Party is simply not allowed to lose, and of their desire to alter the system to ensure that it cannot. […] The beginnings of this idea came from a concurrence in Bush v. Gore, the case that threw the 2000 election to George W. Bush, written by the segregationist and then–Chief Justice William Rehnquist, joined by Clarence Thomas and the late Antonin Scalia. […] Indeed, as Helen White of Protect Democracy writes, in election cases in 2020, Justices Neil Gorsuch, Samuel Alito, Clarence Thomas, and Brett Kavanaugh “all indicated that they would have adopted the theory and its vast consequences.” That theory, she notes, is “at odds with more than a hundred years of Supreme Court precedent and would disrupt whole bodies of law written by state legislatures and reviewed by state courts relying on that precedent.” That might be true. But it is not at odds with the partisan interests of the right-wing justices, a far more important factor in Supreme Court decisions. (Adam Serwer, The Atlantic)

No, I wouldn’t think that. Wie ich schon öfter, besonders prominent aber hier, beschrieben habe ist der Originalismus eine reine Fassade. Es ist so offensichtlich Bullshit und schon immer gewesen. Man erinnere sich nur an Bush v Gore, als der „Originalist“ Scalia das ihm genehme Ergebnis erzwang und so schlecht begründete, dass er in seiner eigenen Begründung erklärte, es könne keinesfalls einen Präzedenzfall darstellen. Aber zum Thema.

Die Idee „independent state-legislature theory“ ist genauso wie der Originalismus ein transparenter Versuch (leider dank der idiotischen Medien sehr erfolgreich), einen intellektuellen Anstrich zu „wir machen was wir wollen“ zu produzieren. Im 19. Jahrhundert wurde genau dasselbe gemacht: „Nullification Theory“ nannte man das damals, die Idee, dass die Staaten jederzeit Gesetze ignorieren könnten, die ihnen nicht in den Kram passen. Es brauchte einen Bürgerkrieg, um den Blödsinn endgültig zu beerdigen. Und jetzt buddeln die Rechten den stinkenden Kadaver wieder aus.

Die „states rights“ waren schon im 19. Jahrhundert eine reine Fassade. So bestanden die Südstaaten zwar darauf, dass der Bund ihnen keine Vorschriften zur Sklaverei machen konnte (denn darum ging es), aber sie hatten null Probleme damit, mit dem „Fugitive Slave Act“ sämtliche nördlichen Bundesstaaten zu zwingen, permanent eine Hilfspolizei für die Sklavenfänger des Südens zu spielen. Um zu bezweifeln, dass diese Leute das ohne mit der Wimper zu zucken wieder machen würden, muss man schon echt sehr naiv sein.

2) Die Schuldenbremse wird zum Sicherheitsrisiko

Unter den Bedingungen der Schuldenbremse werden deshalb die erforderlichen Ausgaben für Militär, Diplomatie und internationales Engagement weit hinter dem Notwendigen zurückbleiben. Schlimmer noch: Notwendige Zukunftsinvestitionen werden durch die Schuldenbremse systematisch verhindert. Eigentlich sollte die Schuldenregel, so das Versprechen der Befürworter, zukünftige Generationen schützen. In der Realität nimmt sie ihnen Zukunftsfähigkeit. […] Verpasste Investitionen sind eine größere Sünde an zukünftigen Generationen als Schulden. Öffentliche Investitionen garantieren zukünftiges Wachstum, Sicherheit und Lebensqualität. […] Historiker werden eines Tages mit staunendem Schaudern die Geisteshaltung der Angela-Merkel-Jahre sezieren. Nicht nur hat Deutschland in der Zeit die gefährlichen Abhängigkeit von den autoritären Großmächten Russland und China verstärkt. Es hat infolge einer fatalen wirtschafts- und finanzpolitischen Orthodoxie auch die Gelegenheit verpasst, dringend notwendige Investitionen in einer Zeit wirtschaftlicher Stärke und Negativzinsen vorzunehmen. Als der Bund mit Schulden Geld machen konnte, verkündete die CDU stolz, dass sie zu ihrem Fetisch der schwarzen Null stehe. Ergebnis der Merkel-Jahre ist ein massiver Verlust an Substanz und Zukunftsfähigkeit, der jetzt immer deutlicher zu Tage tritt. […] ommen kann, dass Sicherheit in Europa nur gegen, nicht mit Russland möglich ist, dann ist zu hoffen, dass sich ein Friedrich Merz auch ein Deutschland ohne die Schuldenbremse vorstellen kann. (Thorsten Brenner, Tagesspiegel)

Die Einschläge kommen immer näher. De facto ist die Schuldenbremse bereits tot. Die Polykrise von Corona und russischem Krieg in der Ukraine haben gezeigt, dass die regierende Koalition (egal, welche Partei darin ist) jederzeit per einfacher Mehrheit ihre Aussetzung erklären kann. Die Schuldenbremse existiert also nur, solange ein Partner der Koalition das will – Gratulation, das hatten wir vorher schon. Das nennt man „eine parlamentarische Mehrheit für den Haushalt haben“. Was übrig ist, ist ein immer absurder werdender politischer Tanz mit „Sondervermögen“ und „Ausnahmesituationen“, um die Aussetzung zu rechtfertigen, aber letztlich ist das alles Geschichte. Nachdem jetzt neben den üblichen linken Verdächtigen auch die Sicherheits-Community auf den Zug aufspringt, die Schuldenbremse abschaffen zu wollen, werden auch weitere folgen. Das Argument wird stets das gleiche sein: grundsätzlich ist die Schuldenbremse ja super, aber just zu diesem Zeitpunkt für mein Anliegen muss eine Ausnahme gemacht werden. Sobald diese Argumentation sich mal verselbstständigt hat, wird die Ausnahme von der Schuldenbremse zu einem Routine-Akt der jährlichen Haushaltsberatungen, bei ritualisiertem Widerspruch der Opposition.

3) Was Henri Nannen und Erich Honecker gemeinsam haben

Theo Sommer geht das offenbar viel zu weit: Er sieht das Lebenswerk des „Stern“-Herausgebers und Kunststifters Nannen in Gefahr durch die Selbstgerechtigkeit der in die Bundesrepublik geborenen „Hundertfünfzigprozentigen“, die sich einbildeten, „sie wären auf jeden Fall im Widerstand gewesen“. Ja, Nannen habe „widerliche“ Schriften und Karikaturen zu verantworten, Kriegsverbrechen seien das aber nicht gewesen (was auch niemand behauptet). Viel wichtiger sei, dass er nach dem Krieg eine glaubhafte innere Umkehr durchgemacht habe, dass er daran mitgearbeitet habe, die Demokratie in Deutschland zu etablieren und somit eben doch ein wichtiges Vorbild sei. […] Bei Sommer kommen solche neueren Erkenntnisse und Forschungsstände nicht vor. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er weite Teile seiner Kolumne abgeschrieben hat – bei sich selbst.  Vor 29 Jahren, anlässlich der Entlassung Erich Honeckers aus dem Gefängnis, schrieb Sommer in der „Zeit“ den Artikel „Lieber lernen als strafen“. Sommer plädiert dort dafür, nur die Hauptverantwortlichen der DDR und anderer Unrechtsregime zu verurteilen und den Rest von der Demokratie zu überzeugen, zu versuchen, sie alle in Arbeit zu bekommen, und sich ansonsten mit individuellen Schuldzuweisungen zurückzuhalten. […] Sommer präsentiert also 2022 den Meinungs- und Forschungsstand aus einer Zeit, als in der Bundesrepublik noch Züge der Deutschen Reichsbahn fuhren. Immerhin kann man ihm dabei nicht vorwerfen, einseitig zu sein: Theo Sommers Imperativ des vergebenden Vergessens gilt nicht nur für NS-Mitläufer, sondern auch für jene aus der DDR. Und für Apartheid-Südafrika. Und El Salvador. Nur die ganz großen Themen eben. (Moritz Hoffmann, Übermedien)

Der Artikel lässt mich etwas ratlos zurück. Inhaltlich soweit alles richtig, aber – was folgt? Sommer ist ein Relikt einer beinahe ausgestorbenen Generation. Es ist kein Zufall, dass die ganzen Debatten über die Bewertung von NS-Täterschaften jetzt wieder auftauchen, wo praktisch alle Beteiligten tot sind – nicht nur die Täter selbst, sondern in den meisten Fällen auch ihre direkten Nachkommen. Die Enkel-Generation hat da üblicherweise ein wesentlich kühleres Verhältnis dazu. Dass 1950 keine durchgreifende Säuberung möglich war, weil der Staat irgendwie funktionieren musste und sich zu viele hunderttausende bis Millionen schuldig gemacht hatten ist keine sonderlich atemberaubende Erkenntnis. Dass man sehr leicht verziehen hat, auch nicht. Also was nun?

4) Press “bothsideism” has failed Biden, and America

If it strongly criticized Donald Trump during his presidency (and since), then it follows that it must also strongly criticize Joe Biden, which is exactly what it’s done. Fair, isn’t it? Balanced, too, right? Wrong. Not only does criticism not come in equal shapes and sizes, appropriate for all presidents and both political parties (a journalistic curse called “bothsideism”), but, when unfairly applied, as it has been in covering Biden, it runs the serious risk of further damaging our still free press and weakening our already shaky democracy. […] My own experience as a journalist for more than three decades corroborates Patterson’s research. I had a much better chance of getting my story on the evening news if I was reporting an administration disaster than if I wanted to report a success. […] By living on negativity, the press has only compounded the inherent problems of governing a democracy already spinning out of control. […] The tendency to wallow in the negative represents a major and continuing failure of the American press, which has now mushroomed into a problem of such historic importance that, if left unattended, may soon contribute mightily to the undermining of American democracy. It is that serious. Sadly it is not a new problem. In 1947, the Hutchins Commission concluded a special study of press failings by saying “the time had come” for the American press to stop being so negative and start becoming “responsible” for the way it covers the nation’s business. That the press in this country is “free” is a blessing, without question, but a blessing that, operating alone, may not be able to meet the challenges of a robust, swiftly changing, and troubled democracy. Change was necessary in 1947. It is desperately necessary now.

Ich habe darauf hier auch immer wieder hingewiesen: die falsche Äquivalenz (false equivalence) ist eine Seuche. Sie hat 2016 bereits zur Wahl Trumps beigetragen. In einem Zwei-Parteien-System werden der Bothsiderismus und die falsche Äquivalenz immer dazu führen, dass, egal wie radikal eine Seite ist, sie normalisiert wird. Das ist ein Vorteil in unserem System: wenn die AfD über die Stränge schlägt, stehen mit der CDU und FDP zwei vernünftige rechts orientierte Parteien zur Verfügung, während jede Idiotie der LINKEn als solche benannt werden kann, weil mit SPD und Grünen zwei vernünftige links orientierte Parteien bereitstehen.

Man kann auch gar nicht genügend betonen, dass das ein sehr altes Problem ist. Ich würde es sogar als universell ansehen. Es ist ein Bedürfnis von Leuten, sich durch Kritik von zwei Extremen in der Mitte zu positionieren. Man fühlt sich dabei immer intellektuell wahnsinnig ehrlich. Ich kenne das auch von mir selbst; nie hat man dieses Gefühl von Erhabenheit, wie wenn man bequem beide Seiten eines Streits kritisieren kann, weil man beiden nicht verbunden ist. Und das ist der Haken an der Sache: das geht nur, wenn man sich ständig über den jeweiligen Streitgegenstand erhebt. Mir fällt das bei dieser Atomkraft-vs-Tempolimit-Debatte etwa leicht. I don’t give a shit. Und im globalen Maßstab spielt es auch keine Rolle. Aber das wird schnell anders, wenn wir bei „wichtigen“ Themen sind.

Und „wichtig“ definieren wir natürlich immer alle selbst.

5) Ungeimpfte? „Kann nicht wahr sein, dass die Politik diese Menschen aufgegeben hat“ (Interview mit Ulrich Weigeldt)

WELT: Wegen des Personalmangels in vielen Branchen wird diskutiert, ob die verpflichtende Isolation wegfallen sollte. Halten Sie das für richtig?

Weigeldt: Ich halte diese permanente Debatte aktuell für sinnlos. Wir haben ein Informationschaos, das mehr vewirrt, als dass es hilft. Meiner Ansicht nach sollten wir bei den aktuellen, vernünftigen Regeln bleiben, die ja bereits die Isolationsdauer auf fünf Tage verkürzt haben. Wer einen positiven Test hat, sollte einige Tage zu Hause bleiben, auch wenn er sich ganz gut fühlt. Das gilt natürlich umso mehr, wenn man im medizinischen Bereich arbeitet. So vermeiden wir weitere Ansteckungen. […]

WELT: Ab wann empfehlen Sie Ihren Patienten die vierte Impfung? Ab 70 Jahren, ab 60 Jahren – oder allen?

Weigeldt: Das ist wieder so eine Debatte, bei der der eine Hü und der andere Hott sagt. […] Was mich mehr umtreibt, ist allerdings, dass sich viele bis heute kein einziges Mal haben impfen lassen. Es heißt dann immer: Wer es bisher nicht getan hat, wird es auch jetzt nicht mehr tun. Es kann nicht wahr sein, dass die Politik diese Menschen aufgegeben hat. So einfach dürfen wir es uns nicht machen. Das gilt auch für die Drittimpfung, bei der es große Impflücken gibt. (Katja Klapsa, Welt)

Ich bin völlig bei Weigeldt, was die Kritik am Hü und Hott der Corona-Kommunikation angeht. Das ist einfach nur ein Volldesaster. Ich habe mittlerweile so keine Lust mehr auf den ganzen Mist, ich kann das gar nicht in Worte fassen. Aber entschiedener Widerspruch bei „es kann nicht sein, dass die Politik diese Menschen aufgegeben hat“. Doch, kann sein. Wir haben uns gegen eine Impfpflicht entschieden. Wir reden seit über einem Jahr von Impfungen, und es gab wahrlich genug (und hier auch eindeutige und zweifelsfreie!) Aufklärung über den Nutzen der Impfungen. Fuck alle die, die es nicht fertiggebracht haben, sich in 16 Monaten impfen zu lassen. Und kommt mir nicht mit denen, die sich nicht impfen können. Die hätten wir mit einer Impfpflicht schützen können. Haben wir nicht. Eine Maskenpflicht in Innenräumen würde helfen. Gibt’s nicht. Luftfilter würden sie schützen. Sind uns zu teuer. Ich sehe genau, wer da verantwortlich ist. Aber bei denen, die sich nicht impfen lassen WOLLEN? Fuck these people. Wir reden ständig von Eigenverantwortung. Dann sollen sie die jetzt auch übernehmen.

6) Lindner widerspricht und stellt Steuersenkungen für 2023 in Aussicht

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat einem Bericht der „Bild“-Zeitung, wonach er die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplante Vorstellung eines neuen Hilfsprogramms für Geringverdiener verhindert habe, widersprochen. Auf „Twitter“ schrieb Lindner dazu, „das Gegenteil ist der Fall“. Er schlage für 2023 unter anderem einen höheren Grundfreibetrag und einen fairen Tarif der Lohn- und Einkommensteuer vor. Der Plan sei vereinbar mit der Schuldenbremse. Des Weiteren stellte Lindner aufgrund der hohen Preise für das kommende Jahr eine Steuersenkung in Aussicht. Es gehe dabei um Geringverdiener, aber auch die „arbeitende Mitte“, sagte der FDP-Politiker am Montag in Berlin. Durch die Abschaffung der sogenannten kalten Progression sollten sie entlastet werden. Als kalte Progression bezeichnet man eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. […] Lindner hätte demnach mit Blick auf die Schuldenbremse im nächsten Jahr zusätzliche Ausgaben verhindern wollen. Im Bundesetat gebe es kaum weiteren Spielraum für zusätzliche Ausgaben, habe der Finanzminister dem Bericht zufolge argumentiert. Ähnlich hatte sich der FDP-Chef bereits am Wochenende geäußert. „Wir werden innerhalb des von der Verfassung vorgegebenen Rahmens wirtschaften und wirtschaften müssen“, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. (dpa, Tagesspiegel)

Das ist einfach so typisch FDP. Ein Programm, das Geringverdienenden wirklich hätte helfen können (vielleicht) wird verhindert und durch eines ersetzt, das ihnen nicht hilft. Aber wenn man nur einen Hammer hat, muss man jedes Problem als Nagel betrachten. Was meine ich? Ein Single, der oder die Vollzeit Mindestlohn verdient (ca. 1900€ brutto), bezahlt pro Monat – Trommelwirbel – 139 Euro Steuern. Wie viel von einer hypothetischen Steuersenkung für die „arbeitende Mitte“ soll diese Person danach mehr im Monat haben? 10 Euro? 20? Letzteres wäre eine Steuersenkung, die so massiv wäre, dass die Schuldenbremse allenfalls eine Lachnummer bliebe. Nicht, dass die FDP das in dem Fall stören würde. Denn Lindner blockiert Investitionen in Klimaschutz, Schienennetz oder in Hilfen für Geringverdienende zwar mit dem Argument, das Geld sei nicht da, aber stellt gleichzeitig eine Steuersenkung in Aussicht.

Und das kann man ja machen! Der Abbau der Kalten Progression ist der Heilige Gral der Steuerpolitik seit mindestens den 1990er Jahren und ein sinnvolles Vorhaben. Aber dieses heuchlerische „sorry, kein Geld, Schuldenbremse“ und dann das Geld aber für Steuersenkungen haben, die eben nicht den Geringverdienenden am meisten helfen, sondern der Mittelschicht (erneut: gutes Vorhaben, mach, aber lüg nicht so dreckig darüber, was du tust!) – das ist einfach nur eklig. In den Momenten sehe ich echt nur den hässlichen Lindner, mit dem aalglatten BWL-Sprech, in der Hoffnung, dass niemand versteht, was er meint. Eine Hoffnung, die offensichtlich nur zu berechtigt ist.

7) Tweet


Ausnahmsweise zitiere ich hier mal einen Tweet, weil mein Kommentar etwas länger wird. Das ganze Problem des schwarz-gelben Politikverständnisses findet sich in diesem Tweet konzentriert. Für Friedrich Merz ist Klimaschutz ein Klientel-Thema, auf demselben Level angesiedelt wie Hilfen für Porsche. Ob man Windräder baut oder Katalysatorregeln für den Zuffenhausener Autobauer aufweicht, ist ihm grundsätzlich gleich – nur schmiert die eine Industrie sein Brot und die andere das von Habeck, gewissermaßen.

Und genau das ist das Problem. Da besteht überhaupt keine Gleichwertigkeit. Der Klimaschutz ist die Jahrhundertaufgabe der gesamten Menschheit. Wenn eine Ökolobby die Führungs- und Leitungsfunktionen übernommen hätte, dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Denn eine „Ökolobby“ ist halt nicht dasselbe wie Porsche: die einen betreiben Lobbyismus für die Bilanz eines Unternehmens (wenngleich eines volkswirtschaftlich nicht eben unbedeutenden), während die anderen Lobbyismus für Klima- und Umweltschutz betreiben. Das sind fundamental unterschiedliche Kategorien.

Das sieht man ja auch am Personal: da sind ja nicht Vertreter*innen eines bestimmten Windradherstellers im Ministerium, sondern Leute von Greenpeace und Co. Sind das die besten vorstellbaren Leute für den Job? Vermutlich nicht. Sind sie ideologisch einseitig ausgerichtet und haben zu wenig Erfahrung in wichtigen Bereichen, Stichwort Wirtschaft? Vermutlich. Haben sie ihre Prioritäten an der richtigen Stelle? Aber hallo. Es wäre an der CDU, eine eigene Ökolobby aufzubauen, aber stattdessen ziehen sie das Ganze auf die Frage runter, wer einen überteuerten Stand auf dem Parteitag kauft. Mit diesen Leuten ist kein Staat zu machen.

8) „Ausgaben befeuern Inflation“ (Interview mit Christian Lindner)

Das 9-Euro-Ticket läuft Ende August aus. Haben Sie mit Ihrem Parteifreund, Verkehrsminister Volker Wissing, darüber gesprochen, was danach kommen könnte?

Für den ausweislich der Zahlen erfolgreichen Tankrabatt und für das 9-Euro-Ticket ist keine Fortsetzung vorgesehen. Aus diesem Grund habe ich Offenheit signalisiert, etwas bei der Entfernungspauschale zu tun – die übrigens entgegen anderslautenden Gerüchten nicht nur Autofahrern gewährt wird, sondern für alle Verkehrsmittel gilt. Menschen im ländlichen Raum, wo es vielleicht keine S-Bahn, keinen Bahnhof gibt, können das 9-Euro-Ticket kaum nutzen, zahlen aber über ihre Steuern mit. Das ist Ungerechtigkeit. Ich bin kein Freund einer Gratismentalität. Die führt nicht zu effizientem Umgang mit Ressourcen. Hinzu kommt, es ist eine Kernaufgabe der Länder, den Regionalverkehr zu organisieren. (Dietrich Creutzburg/Manfred Schäfers, FAZ)

Das 9-Euro-Ticket ist eine der erfolgreichsten Maßnahmen der letzten Jahre. Da nicht weiterzumachen, ist einfach absurd. Dass Lindner jetzt die Entfernungspauschale ins Spiel bringt und das mit der Gerechtigkeit begründet, ist völliger Unfug. Die Idee war ja gerade, die Verkehrswende durch eine Aufwertung des ÖPVN zu befeuern. Sozialleistungen mit der Gießkanne wie die Entfernungspauschale leisten genau das nicht. Sie reißen einfach nur ein Loch in die Kassen. Aber sie betreffen natürlich viele FDP-Wählende, die eher nicht zum Kernklientel des ÖPVN gehören.

Auch das andere Gerechtigkeitsargument ist Blödsinn. Ich zahl eine Menge mit meinen Steuern, was ich nicht nutze. Auch bei Lindners eigenem Vorschlag passiert das ja: die Leute mit kurzem Arbeitsweg zahlen über ihre Steuern eine Subvention für die Leute mit langem Arbeitsweg. Das ist einfach völlig inkonsistent. Auch das Gerede von der „Gratismentalität“ ist Unfug, ich kaufe ja immer noch ein Ticket. „Gratismentalität“ war ja bei Tankrabatt und jetzt bei der Entfernungspauschale auch nicht das Thema. Und „effektiver Umgang mit Ressourcen“ wäre, so viel Verkehr wie möglich in den ÖPVN zu bekommen und den so stark wie möglich auszubauen, auch und gerade auf dem Land. Aber darum geht es Lindner halt nicht; der schaut eher auf Porsche (siehe Fundstück 7).

9) A radical plan for Trump’s second term

They intend to stack thousands of mid-level staff jobs. Well-funded groups are already developing lists of candidates selected often for their animus against the system — in line with Trump’s long-running obsession with draining “the swamp.” This includes building extensive databases of people vetted as being committed to Trump and his agenda. The preparations are far more advanced and ambitious than previously reported. What is happening now is an inversion of the slapdash and virtually non-existent infrastructure surrounding Trump ahead of his 2017 presidential transition. These groups are operating on multiple fronts: shaping policies, identifying top lieutenants, curating an alternative labor force of unprecedented scale, and preparing for legal challenges and defenses that might go before Trump-friendly judges, all the way to a 6-3 Supreme Court. […] Trump, in theory, could fire tens of thousands of career government officials with no recourse for appeals. He could replace them with people he believes are more loyal to him and to his “America First” agenda. […] Such pendulum swings and politicization could threaten the continuity and quality of service to taxpayers, the regulatory protections, the checks on executive power, and other aspects of American democracy. […] No operation of this scale is possible without the machinery to implement it. To that end, Trump has blessed a string of conservative organizations linked to advisers he currently trusts and calls on. […] One uniting theme connects all of these disparate groups: fealty, to Trump himself or his “America First” ideology. Now, they are functioning as a series of task forces for a possible Trump administration. They are rookeries for former Trump staff. They are breeding grounds for a new wave of right-wing personnel to run the U.S. government. (Jonathan Swan, Axios)

Der Artikel ist hervorragend recherchiert, extrem detailliert, ausführlich und lang und ist hier nur in winzigen Auszügen zitiert. Auffällig ist für mich vor Allem eines: anders als 2016/17 geht Trump dieses Mal mit einem klaren Plan an die Sache heran. Das ist sehr Besorgnis erregend, und das geht auch über die Person Trumps hinaus, weil ähnliche Pläne ja auch bei deSantis und Co in der Schublade liegen. Zur Erinnerung: nichts hat uns 2017-2021 so sehr geholfen wie Trumps eigene Inkompetenz, die völlige Unfähigkeit, zu regieren, die auch am ausgewählten Personal lag. Dieses Mal scheint nicht nur sehr viel mehr Kompetenz von Anfang an versammelt zu sein. Es gibt auch eine Bereitschaft und die Vorbereitung zu riesigen politischen Säuberungen.

Eine der zentralen Schwächen der Trump-Administration 2017 war, dass viele konservative Fachleute nicht bereit waren, in seiner Regierung zu dienen. Dazu beförderte er hauptsächlich cronies und Speichellecker. Das ist nicht mehr gegegeben. Die GOP ist die Partei des MAGA, und eine ganze Menge Leute stehen bereit, den Staat zu übernehmen und in ihrem Sinne umzugestalten. Das ist die viel größere Gefahr als die Person, die am Ende 2024 gewinnen könnte.

10) Lindners Steuerpläne könnten Topverdienern besonders viel einbringen

Die Steuersenkungen, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagen hat, könnten vor allem Topverdienern besonders viel bringen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Modellrechnung der Arbeitnehmerkammer Bremen. […] Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Katja Hessel, sagte hingegen der Nachrichtenagentur AFP, der Ausgleich der kalten Progression sei »ein Gebot der Fairness gegenüber der hart arbeitenden Mitte in unserem Land«. Es gehe nicht um »irgendwelche Steuergeschenke«, sagte die FDP-Politikerin, sondern mit Blick auf die hohe Inflation um »die Verhinderung einer massiven Steuererhöhung«. […] Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte, die von Lindner angekündigte Abschaffung der Kalten Progression reiche nicht aus. Geringverdiener würden kaum erreicht, weil sie meist keine oder sehr wenig Einkommenssteuer bezahlten. Erwerbstätige mit mittleren Einkommen würde eine solche Maßnahme durchaus entlasten, so Esken: »Doch im höchsten Maße profitieren Höchstverdiener, die unsere Unterstützung nicht benötigen.« Für Geringverdiener dagegen müsse es zusätzlich zur Erhöhung des Mindestlohns direkte Zuwendungen wie einen Kinderbonus oder einen Heizkostenzuschuss im Wohngeld geben. Esken sprach sich erneut für höhere Steuern auf sehr hohe Einkommen aus, um den Spielraum des Staates für das geplante Bürgergeld und eine Reform des Wohngelds zu erhöhen. (dpa, SpiegelOnline)

Ein FDP-Steuerplan, der Topverdienende begünstigt. Ich bin schockiert. Was kommt als Nächstes? Eine Forderung nach höherem Mindestlohn von der LINKEn? Aber Scherz beiseite, ich bin völlig bei Lindner, wenn es um die Abschaffung der Kalten Progression geht. Das hätte schon seit vielen Legislaturperioden passieren sollen und ist tatsächlich dringender denn je. Wenn die FDP das tatsächlich hinbekommt, Kudos, damit wäre eine mittlerweile seit sicherlich 30 Jahren verschleppte Steuerreform endlich mal vom Tisch.

Aber: es ist völlig albern, dass Lindner so tut, als ob mit einer Senkung der Einkommenssteuertarife irgendwie den Geringverdienenden geholfen würde. Ein Single mit Mindestlohn (12€) zahlt pro Monat 139€ Steuern. Um das soweit zu senken, dass diese Person das überhaupt merkt – vor allem angesichts einer zu erwartenden Mehrbelastung von mehreren hundert bis tausend Euro durch die Gasumlage – müssten die Steuern in einem Ausmaß gesenkt werden, das völlig fantastisch ist.

Nein, die Einkommenssteuer hilft hier einfach nicht. Wenn Lindner tatsächlich etwas tun möchte, um Geringverdienenden über den Winter zu helfen, wird er nicht darum herumkommen, Eskens Vorschlägen zu folgen. Höhere Steuern für hohe Einkommen, Anathema für die FDP und mittlerweile ebenso reflexhaft bei Linken vorgebracht wie Steuersenkungen bei der FDP, sind dafür auch gar nicht nötig, schon allein, weil wir von zeitlich sehr begrenzten Leistungen reden. Genauso wie bei der unsäglichen Debatte um die Verlängerung der Atomkraftwergslaufzeiten oder das Tempolimit macht mich das Ritualhafte an diesen Forderungen nur noch kirre. Man fordert, was man schon 1999 gefordert hat. Nur die Begründungen werden immer an die Krise du jour angepasst.

Resterampe

a) Die Ehe ist seit 1949 beständig auf dem Rückzug, und es hat nichts mit 68 oder Feminismus zu tun. Kevin Drum nennt stattdessen das relevanteste Argument dafür: Geld.

b) Die Ironie ist echt nett. Wir hatten das letzthin schon mal bezüglich anderer Kunstformen.

c) Irrtümer rund um den gelben Sack.

d) Ich habe dieses Argument, dass niedrige Zinsen den Armen schaden, noch nie verstanden.

e) Klasse Thread zum Ausbau der Solarenergie.

f) Spanien verbindet zwei sehr gute Policies, die in Deutschland als unmöglich gelten.

g) Die Republicans verschwenden keine Zeit: der erste Politiker fordert jetzt, die Legalität der gemischtrassigen Ehe „den Bundesstaaten zu überlassen“. Widerspruch seitens der GOP? Keiner.

h) Und gleich noch mal Übergewinnsteuer: in Frankreich gibt es zwar keine, aber die glaubhafte Drohung reichte, dass die Konzerne die Benzinpreise senken. Was da nicht alles möglich ist, wenn man nur will.

i) Habe nichts hinzuzufügen, spreche aber eine unbedingte Leseempfehlung aus.

j) Spannender Thread über Thomas Manns Verhältnis zum Kommunismus.

k) Boris Johnson hat echt ganze Arbeit beim NHS geleistet. Der Spiegel ist da viel zurückhaltend.

l) Republic.ch hat einen tollen Zweiteiler zur Ernährung der Welt. Teil 1, Teil 2.

m) Super spannender Einblick, wie die kleinen Anfragen die Berliner Verwaltung lahmlegen. Wie so oft: gut gemeint kann problematische Nebenwirkungen haben.

n) So kann man Corona-Managment auch machen.

o) Die ganze Absurdität der Corona-Regeln am Beispiel Oktoberfest.

p) Interessantes Interview zum ERA und der Serie „Ms. America“ anlässlich des Dobbs-Urteils; ich hatte darüber seinerzeit auch einige Sätze geschrieben, aber ich finde sie nicht mehr. Punkt war: die Serie zeigt, vielleicht unabsichtlich, weil glorifiziert, einige der größten Probleme der Linken: eine Überbewertung symbolischer Handlungen (Houston 1977) und eine Unterbewertung tatsächlicher politischer Macht (Schlaflys Kampagne) und ständiges infighting.

q) Der New Statesman hat auch was zu Thomas Mann, indem er ihn als illustrativ für Deutschlands Russophilie hernimmt. Spannend.

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  • Tim 1. August 2022, 09:25

    l) Republic.ch hat einen tollen Zweiteiler zur Ernährung der Welt. Teil 1, Teil 2.

    Ach nee. Die Agrarrevolution in Verbindung mit dem globalen Handel war also so erfolgreich, dass wir heute 8 Mrd. Menschen günstig ernähren können, aber leider auch zu erfolgreich, weil das System fragil ist und ärmere Länder sich jetzt keine Importe mehr leisten können? Und der Autor benennt nicht ein einziges Mal den Elefanten im Raum? Dass es deren Gesellschaften nämlich seit Jahrzehnten nicht gelingt, stabile Bedingungen für wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen?

    In solchen Artikeln kommt immer wieder das latent neokolonialistische Denken vieler Zeitgenossen durch (gepaart natürlich mit Kapitalismuskritik aus der Mottenkiste). Offenbar halten sie die Armut von Ländern wie Somalia, Äthiopien und Kenia für schicksalhaft. Die können es halt nicht besser! Doch genau diese Länder lagen noch in den 50ern wirtschaftlich vor Südkorea. Südkorea muss heute nicht hungern. Wer Hunger bekämpfen will, sollte sich mit der Erfolgsgeschichte Südostasiens beschäftigen, statt mitleidig und arrogant auf Afrika zu schauen. Ich kann das echt nicht mehr sehen. Mit diesem muffigen Denken wird man die Probleme ganz gewiss nicht lösen.

    Und dann kommt auch noch so ein Klopper:

    „Denn wir stecken viel mehr fossile Energie in unsere Nahrung, als sie uns letztlich zurückgibt. In der Schweiz benötigt die Produktion einer Nahrungs­kalorie im Durchschnitt mehr als das Eineinhalbfache an Energie aus Erdöl und Erdgas.“

    What?! Wenn der Wert stimmt, ist das sensationell und geradezu ein ikonisches Beispiel für die Leistungsfähigkeit der modernen Landwirtschaft! Aber vielleicht ist dem Autor auch einfach nicht bewusst, dass die Grundlage des Pflanzenwachstums (Photosynthese) so ziemlich der ineffizienteste Prozess ist, den man sich vorstellen kann. Er kann ja mal berechnen, wieviel Energie die Sonne in eine Pflanze steckt und wieviel die dann letztlich daraus macht. 🙂

    Ich will nicht sagen, dass in dem Artikel nur Bullshit steht. Die Klage über die elenden Agrarsubventionen in den reichen Ländern ist zum Beispiel voll berechtigt. Aber wir müssen aufhören, die armen Länder immer nur als Opfer zu betrachten. Das ist eine respektlose westliche Attitüde, die einfach nicht mehr in die Zeit passt.

    • Thorsten Haupts 1. August 2022, 11:49

      Kann man gar nicht oft genug sagen. Ich bin sicher, dass ich meine Vorurteile habe – aber für den tiefsitzenden, als Paternalismus oberflächlich getarnten, Rassismus der Kapitalismuskritiker und Dritter-Welt-Versteher reicht es nicht.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 1. August 2022, 14:46

      Bezüglich dem Punkt Südostasien: Hast du je „How Asia works“ gelesen? (https://amzn.to/3oM409i) Könnte was für dich sein. Da spielen Agrarreformen eine zentrale Rolle als erster Wegstein aus der Armut. Und wie du schön sagst, alles ganz ohne westliche Hilfe. Von wegen der neokoloniale Blick und so.

      Ich fand übrigens den zweiten Teil des Artikels wesentlich stärker als den ersten, wollte aber beide verlinken.

      • Tim 1. August 2022, 15:14

        Klingt spannend, danke für den Tipp! Ich weiß nicht, mit welcher Droge Du diese Lektüreleistung immer schaffst, aber sie muss gut sein.

        Bei der Entwicklung (Süd-)Ostasiens ab den 1950ern spielten aus meiner Sicht drei Komponenten die Hauptrolle: verlässliche Eigentumsrechte, stabile politische Verhältnisse (mit wenig Willkür) und ein klarer Fokus auf Bildung.

        • Stefan Sasse 1. August 2022, 18:38

          Der Geheimtipp ist: Hörbücher. Und dann nutzt du jede Minute dafür. Wann immer du etwas machst, das deinen Kopf nicht erfordert – Hörbuch an. Putzen, Workout, Weg zur Arbeit, Aufräumen, Spülmaschine, Einkaufen – alles. Auf die Art schaffst du EINE MENGE. Oh, und die Hörbücher auf 1,4facher Geschwindigkeit abspielen.

          • Tim 1. August 2022, 21:59

            Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder? 1,4-fache Geschwindigkeit? Sag bitte, dass das ein Scherz ist. 🙂

            • Stefan Sasse 2. August 2022, 08:14

              Kein Scherz. Reine Gewohnheittssache. Fang bei 1,1 an und steigere dich langsam.

    • Lemmy Caution 1. August 2022, 19:13

      Das hab ich 1998 auch so gesehen.
      Beschäftige mich seitdem sehr intensiv mit der Entwicklung in Lateinamerika und insbesondere Chile.
      Die Kurzversion: Die Schaffung effektiver Spielregeln für ein halbwegs vertretbares sozial-marktwirtschaftliches System ist eine Sysiphus und Herkules-Aufgabe. Gleichzeitig. Ohne konkrete, intensive Einblicke unterschätzt man das.
      Ich stimme absolut überein, dass sich Schwellen-/Entwicklungsländer nicht nur als Opfer sehen sollten. Allerdings ist auch das sehr schwierig.

      • Tim 1. August 2022, 22:41

        Ich dachte vor allem an die europäische Perspektive, also wie wir Länder in Afrika sehen. Aber natürlich ist auch die Eigensicht wichtig. Faustregel: Wenn sich ein Land erst einmal als Opfer sieht, ist es für Jahrzehnte verloren.

        • Lemmy Caution 2. August 2022, 05:49

          Ich find deine Faustregel unrealistisch.
          Natürlich haben die Ausnutzung von Machtverhältnissen zwischen Nationen/Imperien einen gewaltigen Einfluß auf das Leben von Menschen, auch über Generationen.
          Es ist unmöglich, vollständige Gerechtigkeit zu schaffen.
          Als Deutscher ist man da vergleichsweise Profiteur, trotz zweier verlorener Weltkriege. Ich trag deshalb keine persönliche Schuld, aber es ist mir bewußt.

  • Tim 1. August 2022, 09:29

    b) Die Ironie ist echt nett. Wir hatten das letzthin schon mal bezüglich anderer Kunstformen.

    Ich hab mich auch schon öfter gefragt, warum die Ludwig-Erhard-Stiftung nicht lautstark fordert, die Finanzierung der politischen Stiftungen zu stoppen. 🙂 Es gibt ja nun wirklich kein sichtbareres Beispiel für politischen Nepotismus als diese albernen Clubs.

    • Stefan Sasse 1. August 2022, 14:47

      Ich könnte dir die Antwort geben, aber die kennst du sicher. Äste absägen auf denen man sitzt und so 😀

      • Tim 1. August 2022, 15:14

        Liberal heißt im liberalen Sinne nicht nur liberal.

        • Stefan Sasse 1. August 2022, 18:38

          Wait what? 😀 Das musst du mir erklären.

          • Tim 1. August 2022, 22:12

            🙂 Ein Sketch von Loriot, in dem der FDP-Abgesandte – großartig gespielt von Edgar Hoppe – in der Elefantenrunde diesen Satz immer und immer wieder aufsagt. Habe leider keinen Videolink gefunden.

  • Tim 1. August 2022, 09:34

    d) Ich habe dieses Argument, dass niedrige Zinsen den Armen schaden, noch nie verstanden.

    Gern noch einmal kurz erklärt:

    a) Es ist genau umgekehrt: Niedrige Zinsen nutzen vor allem den Wohlhabenden. Immobilien und so.

    b) Niedrige Zinsen mindern staatlichen Reformdruck. Politiker werden faul. Schwierige politische Themen werden nicht (mehr) angefasst, statt dessen gibt es finanzielles Strohfeuer mit rein symbolischem Wert. Nach einer Niedrigzinsphase stehen die Reichen viel besser da als vorher (siehe a), für die Ärmeren hat sich aber nichts geändert.

    • Stefan Sasse 1. August 2022, 14:49

      Das ist ja aber nicht armenspezifisch. Höhere Zinsen helfen denen ja auch nicht. Wenn die Finanzen knapp werden hat keine Regierung je gesagt: „Jetzt, wo die Spielräume schwinden, lasst uns mal auf die Armen konzentrieren!“ Let’s face it, die Politik macht nichts für die Ärmeren, weil die keine vernünftige Interessenvertretung haben und kaum wählen gehen.

      • Tim 1. August 2022, 15:24

        Es ging ja explizit um die Wirkung niedrigerer Zinsen, ansonsten gebe ich Dir aber leider recht.

        • Stefan Sasse 1. August 2022, 18:39

          Schon, aber das Argument hier war ja, dass hohe Zinsen angeblich die Politik zu Disziplin zwingen (was ich für eine höchst fragwürdige Prämisse halte, aber nehmen wir mal an, sie stimmt). Dann nützen hohe Zinsen den Armen halt auch nichts.

          • Tim 1. August 2022, 22:16

            Wenn das Geld knapp ist, könnte die Politik evtl. mal eine wirksame Bildungs- oder Erbschaftsteuer-Reform starten, statt Rentengeschenke oder Subventionen zu verteilen.

            O.K., das ist jetzt extrem verkürzt, aber so in die Richtung halt.

            Das Steuergeld sitzt bei uns immer noch viel zu locker für zielführende Politik.

            • Stefan Sasse 2. August 2022, 08:15

              Ich glaube nicht, dass das ein Problem des lockeren Geldes ist. Wenn das Geld enger säße, bekämen wir keine zielführendere Politik, sondern einfach nur weniger Politik. Ich bin der Überzeugung, du musst die Politik ändern – dann ändert sich auch, wohin und wie das Geld fließt.

          • Lemmy Caution 2. August 2022, 05:54

            Hohe Zinsen sind in aller Regel kein Dauerzustand. Sie sind ein kurzfristiges Mittel, um den makroökonomischen Rahmen einer Volkswirtschaft wieder in einen Zustand zu bringen, der einen höheren Wachstumspfad ermöglicht.

            • Stefan Sasse 2. August 2022, 08:18

              Hängt natürlich auch von der Definition von „hoch“ ab, aber wir hatten sehr, sehr lange hohe Zinsen vor der Niedrigzinsphase der 2000er Jahre.

              • Lemmy Caution 2. August 2022, 12:13

                sehr, sehr lange hohe Zinsen?
                find ich nicht: https://de.wikipedia.org/wiki/Leitzins#/media/Datei:Leitzinsen.png
                Investitionsentscheidend sind ja eher die Realzinsen… und angesichts der vergleichsweise hohen Inflation in den 70ern.

                • Stefan Sasse 2. August 2022, 12:42

                  Von 1967 bis 2000 fast konstant >5%?

                  • Thorsten Haupts 2. August 2022, 13:27

                    Für Privatleute (Konsumentenkredit) konstant > 11%, Immobilienkredite um die 8. War zwischen 1980 und 2000 Marktstandard.

                  • Lemmy Caution 2. August 2022, 15:14

                    Leitzinsen Deutsche Bundesbank ist die schwarze Kurve.
                    Das braune ist die Kurve von der Federal Reserve.
                    Vergleichsweise hatte die Bundesrepublik immer niedrige Nominalzinsen. War oft bei 3% und wurde während der „Rheinischen Republik“ bei Konjunkturüberhitzung temporär erhöht. Um 1980 Reaktion auf die Hochzinspolitik der Fed. Dann Zinssenkungen aus der Rezession raus. Mitte-80er Boom +v.a. Zinssteigerungen im Post-Wiedervereinigungs Kater.
                    Zivilisiertere Zeiten als Euro.

                    Argentinien hat z.Zt. über 30% … und die ist real viiiiel zu niedrig, weil ca. 70% Inflation.
                    Chile hat 9,75%, bei ca. 10,5% Inflationsrate, die allerdings sinkt. Weltweit vergleichsweise richtig hoch. Zu hoch. Das ist eine super-Darstellung der Argumentation warum, aber ich schweife ab.
                    (https://www.youtube.com/watch?v=jD2f6LtQbdg)

  • Stefan Pietsch 1. August 2022, 09:56

    2) Die Schuldenbremse wird zum Sicherheitsrisiko

    Richtig ist, dass die Schuldenbremse politisch tot ist, wenn sie weiter ausgesetzt wird. Verfassungsrechtlich ist darüber nicht befunden. Da sind wir aber schon bei den Unterschieden. Im Gegensatz zur früheren Regelung (Kreditaufnahme nicht höher als Investitionen) ist die Schuldenbremse rechtlich scharf geschaltet. So zittern alle vor dem Spruch aus Karlsruhe, wo bereits Verfassungsbeschwerden liegen. Ich erinnere nur daran, wie Lindner seine erste Rede als Finanzminister Wort für Wort vom Blatt abgelesen hat, wohlwissend, dass sie urteilsrelevant würde.

    Ich weiß auch gar nicht, warum ausgerechnet Leute außerhalb des Parlaments so jubeln, wenn es keine Schuldenbremse gäbe. Die Regelung ist ein Schutz der Bürger vor der Übergriffigkeit der Politik. Frankreich hat es geschafft, binnen nur einer Dekade seine öffentlichen Finanzen so zu ruinieren, dass sie bei der wirtschaftlichen Prosperität weit hinter Deutschland zurückgefallen sind. Im Süden Europas ist das Kernproblem die Überschuldung der Staaten. Darüber zu jubeln, dass sich Regierungen weitgehend ohne parlamentarische und rechtliche Kontrolle verschulden können, erscheint irgendwie… nicht klug, vorsichtig ausgedrückt.

    5) Ungeimpfte? „Kann nicht wahr sein, dass die Politik diese Menschen aufgegeben hat“ (Interview mit Ulrich Weigeldt)

    Alle freiheitlich gesinnten Länder haben sich gegen die Impfpflicht entschieden. Deutschland ist gerade noch von seinem Sonderweg abgekommen, nicht zuletzt dank der FDP.

    Jedem steht frei, eine Maske zu tragen. Und viele tun das immer noch. Da braucht es keine Anordnung der Obrigkeit. Ach ja, und die Luftfilter. Gestern im Presseclub wurde behauptet, diese seien längst in großer Zahl angeschafft, jedenfalls hatte die Politik großzügig Budgets bereitgestellt. Nur würden diese inzwischen in den Kellern verrotten. Aber immer, wenn man auf linker Seite nicht zufrieden ist: Geld drauf, dazu eine Verordnung und das Problem sollte gelöst sein.

    Noch ein Hinweis: Eigenverantwortung führt nicht zu den gleichen Ergebnissen, im Gegenteil. Nur Anordnungen tun das, zumindest auf dem Papier. Wer sich darüber beklagt, dass nicht alle das Gleiche tun, hat Freiheit und Liberalität nicht verstanden.

    • Tim 1. August 2022, 10:07

      @ Stefan Pietsch

      Ach ja, und die Luftfilter. Gestern im Presseclub wurde behauptet, diese seien längst in großer Zahl angeschafft, jedenfalls hatte die Politik großzügig Budgets bereitgestellt.

      Aktuelles Beispiel von einer befreundeten Lehrerin: Vor ein paar Wochen wurden endlich (mit nur 2 Jahren Verspätung, gar nicht übel für Deutschland) die Luftfilter geliefert, 4 Stück pro Klassenraum. Problem 1: Es gibt in fast keinem Klassenraum genügend Platz für die Geräte. Problem 2: Sie dürfen nicht angeschlossen werden, weil das Stromnetz dann kollabieren würde.

      Ein Beamter im Ministerium hat seine Pflicht ordentlich erledigt, aber Denken war im Prozess nicht vorgesehen. Warum auch, Projektverantwortung, Controlling und Zielerfüllung existieren im öffentlichen Dienst nicht.

      • Stefan Pietsch 1. August 2022, 11:48

        Beweis 4711: Das Argument mit dem fehlenden Geld ist Mist.

      • Stefan Sasse 1. August 2022, 14:51

        Ja, absolut furchtbar. Und keinerlei Wille, das zu ändern. Kommt im nächsten Vermischten auch was zu.

        • Tim 1. August 2022, 22:44

          Warum ist der Wille nicht vorhanden? Es muss doch jedem klar sein, dass das Ministerium für viele Entscheidungen nicht der richtige Ort ist.

    • Stefan Sasse 1. August 2022, 14:50

      2) Weil die Schuldenbremse nichts tut, um gesunde Finanzen zu schaffen. Das tut nur gute Finanzpolitik. Aktuell sorgt sie vor allem dafür, dass die ganze Konzentration in rechtssichere Regierungserklärungen und juristische Winkelzüge geht. Nicht unbedingt ein Erfolg. Dabei müsstest du als Wirtschaftler doch das System von Anreizen gerade verstehen 😉

      5) Ich plädiere auch nicht für eine Impfpflicht. Ich sage: Wenn wir keine haben, haben wir Eigenverantwortung. Und wenn wir Eigenverantwortung haben, dann heißt dass, das irgendwann auch mal Schluss ist. Und nach zwei Jahren wäre das so langsam mal.

      • Erwin Gabriel 1. August 2022, 19:00

        @ Stefan Sasse 1. August 2022, 14:50
        2) Weil die Schuldenbremse nichts tut, um gesunde Finanzen zu schaffen. Das tut nur gute Finanzpolitik.

        Die Schuldenbremse ist durchaus überflüssig, wenn sich alle zusammenreißen. Das wird ja nicht gemacht; ein jeder verschwendet, so gut er kann.

        • Stefan Sasse 1. August 2022, 20:30

          Ja, und mein Punkt ist, dass die Schuldenbremse davor ja auch nicht schützt.

          • Tim 2. August 2022, 11:57

            Das ist leider richtig. Und der Bürger ist ja auch nicht blöd und denkt nicht zu Unrecht: typische Trickserei des verkommenen Politiker-Packs.

            Und wieder haben wir etwas mehr Rechtsunsicherheit, etwas weniger Vertrauen in unsere staatlichen Strukturen, etwas mehr unernste Politik.

            • Stefan Sasse 2. August 2022, 12:41

              Deswegen sollte man solchen Blödsinn erst gar nicht machen.

              • Erwin Gabriel 3. August 2022, 10:37

                @ Stefan Sasse 2. August 2022, 12:41

                Deswegen sollte man solchen Blödsinn erst gar nicht machen.

                Allein Deine Wortwahl …

                Natürlich schützt die „schwarze Null“ nicht vor allem, aber größere Ausgaben werden halt schon stärker in die Diskussion gestellt. Die Einstellung von Dir und Deinesgleichen, Einnahmen umgehend rauszuhauen und für jedes noch so klein Extra-Problem Schulden aufzunehmen, ist ja nun auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluss.

                • Stefan Sasse 3. August 2022, 11:55

                  Tu ich ja auch nicht. Wie alle anderen auch will ich ja Schulden aufnehmen für die Sachen, die ich politisch befürworte. Das Argument mit dem Geld bringen ja alle immer nur, wenn es darum geht, vorhaben abzuwehren, die man selbst nicht mag. Wann ist je eine CDU-FDP-Steuererleichterung an den Finanzen gescheitert? Das Argument war schon immer vorgeschoben. Die Schwarze Null erfüllt in meinen Augen aber vor allem das von dir genannte Ziel nicht, größere Ausgaben stärker in die Diskussion zu stellen. Stattdessen werden sie entweder gar nicht unternommen (tödlich, was Infrastruktur und Klimakrise angeht) oder aber von einem Allparteienkonsens getragen, den wir aus der Merkelära kennen und der auch nicht eben der Debatte förderlich ist. Dir Ursünde der Schuldenbremse war, das politischste Thema überhaupt – den Haushalt – der politischen Diskussion entziehen zu wollen.

                  • Erwin Gabriel 3. August 2022, 14:30

                    @ Stefan Sasse 3. August 2022, 11:55

                    Tu ich ja auch nicht. Wie alle anderen auch will ich ja Schulden aufnehmen für die Sachen, die ich politisch befürworte.

                    Das ist legitim, das ist nicht meine Kritik. Die liegt darin, dass man von linker Seite bereit ist, Schulden aufzunehmen, um Konsum zu finanzieren.
                    Und dort, wo man vielleicht eine Investition im Auge hat, durch höhere konsumptive Ausgaben erst die Notwendigkeit zu erzeugen, diese Investition über Schulden zu finanzieren.

                    • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:25

                      Ich plädiere dafür, massiv in den Ausbau des ÖPVN und der Erneuerbaren sowie die Grundlagenforschung zu investieren und dafür Schulden aufzunehmen. Ich sehe das nicht eben als Konsumausgaben.

                    • Erwin Gabriel 3. August 2022, 20:07

                      @ Stefan Sasse 3. August 2022, 18:25

                      Ich weiß, dass das keine Absicht von Dir ist, aber Du machst mich einfach wütend.

                      Ich plädiere dafür, massiv in den Ausbau des ÖPVN und der Erneuerbaren sowie die Grundlagenforschung zu investieren und dafür Schulden aufzunehmen. Ich sehe das nicht eben als Konsumausgaben.

                      Wir haben hier jahrelang über die Schuldenbremse diskutiert, Du wolltest sie immer abschaffen, und Gott weiß was für einen Scheiß (sorry) schuldenfinanzieren. Alles vergessen?

                      2011 (nach überwundener Finanzkrise) lagen die Steuereinnahmen in Deutschland bei gut 573 Mrd. Euro. 2021 lagen sie (trotz Corona-Einbruch 2020) bei 833 Mrd. Euro. Das bedeutet, dass in 10 Jahren die Einnahmen um fast 50 % bzw. über 300 Mrd. Euro gestiegen sind. 2015 dann die Flüchtlingskrise; immerhin: das kann man mal einen Grund für erhöhte Ausgaben annehmen.

                      Dennoch: auch in den Folgejahren stiegen die Steuereinnahmen in Schritten von 5 – 6%, bei einer Inflationsrate von irgendetwas deutlich unter 2 %, was locker auch dafür hätte reichen müssen.

                      Wichtiger als dringend erforderliche Diskussion über eine besonnene Ausgabenpolitik war aber ein anderes Thema: fleißig würde über mehr „Steuergerechtigkeit“ diskutiert, und darüber, dass „starke Schultern“ mehr tragen sollen.

                      Parallel dazu stieg die Staatsverschuldung (die im Jahr 2000 noch bei 1.211 Mrd. Euro lag), von 2.012 Mrd. (im Jahr 2010) um über 300 Mrd. an (2021: 2.321 Mrd. Euro).

                      Was ist in der Zeit passiert, dass man trotz sprudelnder Einnahmen die Staatsverschuldung in 10 Jahren über 300 Mrd. Euro aufpumpen musste (und bleiben wir realistisch – ohne Schuldenbremse wäre es deutlich mehr geworden)? Von der Flüchtlingskrise abgesehen –nichts. Keine großartigen Infrastrukturverbesserungen, keine barrierefreien öffentlichen Gebäude, praktisch nix in Sachen Digitalisierung oder Bildung, kein Umbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs (von Streichungen mal abgesehen), keine Verbesserung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr (im Gegenteil), keine Energiewende – die Zuwächse sind einfach im Sozialstaat versickert, sind einfach weg. Es sind nicht nur, was Chancen und Aufgaben angeht, verlorene Jahre, sondern auch, was die gewaltig anwachsenden Staatseinnahmen angeht, verschwendete Jahre.

                      Aber wie bekommt man derart steigende Steuereinnahmen und derart steigende Staatsschulden unter den gleichen Hut, wenn KEINE nennenswerten Investitionen getätigt wurden? Schnee von gestern, weg ist weg, interessiert nicht – was jetzt gebraucht wird, ist wichtig.

                      Nochmals sorry, aber es kotzt mich regelrecht an, wenn von linker Seite ständig die Abschaffung der Schuldenbremse gefordert wurde, obwohl Einnahmen und Schulden drastisch stiegen. Und nun tut man so, als hätte man immer Recht gehabt, weil jetzt eine kritische Situation die andere jagt?

                      Ja, für die genannten Investitionen müssen jetzt kräftig Schulden gemacht werden, keine Frage (wie gut, dass gerade die Zinsen steigen). Aber nicht, weil uns plötzlich wie Kai aus der Kiste so enorme Aufgaben vor die Tür gelegt wurden, sondern weil man sich vorher Jahrzehnte vor diesen offensichtlichen Aufgaben drückte, so gut es eben ging, weil man die vorhandene Substanz hat vergammeln lassen und das vorhandene Geld weitgehend verprasst hat. Und auf linker Seite fallen dann Begriffe wie „Blödsinn“.

                      Und, nicht bös sein, Stefan, im Großen und Ganzen fandst Du das all die Jahre in Ordnung, während beispielsweise Stefan Pietsch, ich und der eine oder andere hier im Forum vergeblich darauf hinwiesen, wie unser Staat heruntergeritten wird.

                    • Stefan Sasse 4. August 2022, 08:18

                      Du hast sicher Recht damit, dass ich früher wesentlich zu unkritisch gegenüber dem mangelnden Vermögen des Staates war, da vernünftig zu agieren.

                      Vielleicht mal folgender Versuch der Synthese: mein Problem mit der Schuldenbremse ist ihre Zweckentfremdung als politisches Kampfmittel, um dumme Ausgabenpolitik zu rechtfertigen. Weder CDU noch FDP wollten die Investitionen in die von mir genannten Bereiche, also nutzten sie „Ausgabendisziplin“ und „Schuldenbremse“ und so weiter als Knüppel. Das hat sie aber nie davon abgehalten, ihre eigenen Sachen zu machen. Nur: natürlich haben die beiden den Vorteil, dass sie auch relativ wenig machen wollen. Es besteht quasi ein Ungleichgewicht. Verstehst du, was ich meine?

                    • Stefan Pietsch 3. August 2022, 21:50

                      @Stefan

                      Die Forderungen sind Jahrzehnte alt und werden kurz nach den Dinosauriern erhoben. Als politisch interessierter Mensch wird Dich sicher brennend interessieren, warum eine Forderung jahrzehntelang von unterschiedlichen Generationen erhoben, aber nach den gleichen Maßstäben sehr ungenügend umgesetzt wurde.

                      Ich bin brennend interessiert…!

                    • Stefan Pietsch 3. August 2022, 21:53

                      @Erwin

                      Sic! Und danke!

                    • Stefan Pietsch 3. August 2022, 22:06

                      Merke: das 9-Euro-Ticket sind Konsumausgaben und der ÖPNV erhält gerade massive Zuschüsse. Mehr kann er gar nicht verbrauchen.

                      Einfaches ökonomisches Prinzip: Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen sind aus laufenden Einnahmen zu bestreiten. Sie sind im engeren Sinne keine Investitionen und erhöhen nicht den Kapitalstock. Erweiterungsinvestitionen können durch Kreditaufnahme finanziert werden. Dann aber braucht es einen genauen, objektbezogenen Tilgungsplan. Liefere ihn, verpflichte Dich und wir können diskutieren. Liefere ihn nicht – was willst Du dann? Und warum soll irgendein Konservativ-Liberaler sich auf rein linke Sichtweisen einlassen, wenn Linke sich kein bisschen auf konservativ-liberale Sichtweisen einlassen wollen? Wo ist die Bereitschaft, die Welt ein Stück aus der Perspektive des Gegners zu betrachten?

                    • Stefan Pietsch 4. August 2022, 12:01

                      @Stefan

                      Die Schuldenbremse als politisches Kampfmittel wird doch nur von jenen genutzt, die Dir politisch nahestehen. Sie ist eine verfassungsrechtliche Regelung. Darüber diskutiere ich eigentlich so wenig wie über die Verteilung der einzelnen Steuerarten oder über die Wahl des Bundeskanzlers. Aber die linken Parteien tun es mit Verve.

                      Die Ausgabenpolitik des Bundes wurde in den letzten 20 Jahren, eigentlich in den letzten 25 Jahren, maßgeblich von den linken Parteien bestimmt. Von 1998-2005, weil sie da regierten, von 2005-2021, weil Merkel der SPD in den großen Koalitionen den Boden bereitete, und seit 2021, weil so die Aufgabenverteilung in der Ampel vorgesehen ist. Es bedarf da schon einiger Phantasie sich vorzustellen, wie eine Ausgabenpolitik aussähe, hätten die linken Parteien alleine das Sagen.

                      Die letzte große Koalition hat 100 Milliarden Euro Investitionen für die Deutsche Bahn beschlossen. Das war sicher in Deinem Sinne. Dieses Programm sorgt jetzt und für die nächsten 8-10 Jahre dafür, dass die Bahnfahrer mit massiven Einschränkungen und ungekannten Verspätungen leben müssen. Unter Merkel wurden auch die Bahnhöfe deutlich ausgebaut und modernisiert, ob in Frankfurt, München oder Hannover. Wofür willst Du ernsthaft Kredite aufnehmen?

                      Die FDP will ein umfangreiches Anlageprogramm zur kapitalgedeckten Altersvorsorge. Nur leider ist dafür kein Geld da. Die FDP will auch die Armutsfalle zwischen Steuer- und Sozialrecht beseitigen, der es für Menschen im prekären Bereich überhaupt erst lukrativ macht, sich aus der Transferabhängigkeit zu befreien. Linke sind davon nicht begeistert.

                    • Erwin Gabriel 4. August 2022, 12:28

                      Ich mache mal weiter unten weiter …

                  • Stefan Pietsch 3. August 2022, 14:55

                    Weder Konservative noch Liberale plädieren dafür, Steuersenkungen auf Pump zu finanzieren.

                    Der Staat hatte ein Jahrzehnt unfassbar höhere Einnahmen als es der normalen Wirtschaftsentwicklung entsprochen hätte. 90% davon gingen in Soziales. Woher kommt der Optimismus, dass eine Kreditaufnahme zu einem anderen Ergebnis führen würde – abgesehen von der bisherigen offensichtlichen Verschwendung?

                    Dazu müssten doch jene ein Konzept vorlegen, die für Verschuldung gegen Investitionen argumentieren. Ich habe dazu noch nie etwas gehört.

                    Ja, bei finanziellen Engpässen leiden als erstes die Investitionen. Das ist bei Unternehmen so, bei Haushalten und auch beim Staat (Stichwort: der Staat ist so anders). Aber Kredite in den Konsum zu stecken, führt in den sicheren Ruin – bei Haushalten, bei Unternehmen und auch bei Staaten (siehe Italien, siehe Frankreich).

                    • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:28

                      Weder Konservative noch Liberale plädieren dafür, Steuersenkungen auf Pump zu finanzieren.

                      Lol, ja klar, die sagen immer, dass dann tolles Wirtschaftswachstum entsteht und sie sich so selbst finanzieren, ich weiß.

                    • Erwin Gabriel 3. August 2022, 20:11

                      @ Stefan Sasse 3. August 2022, 18:28

                      [Weder Konservative noch Liberale plädieren dafür, Steuersenkungen auf Pump zu finanzieren.]

                      Lol, ja klar, die sagen immer, dass dann tolles Wirtschaftswachstum entsteht und sie sich so selbst finanzieren, ich weiß.

                      Lol, ja klar. Bitte bring einen Beleg dafür, dass Liberale oder Konservative für Steuersenkungen Schulden aufnehmen woll(t)en.

                    • Stefan Sasse 4. August 2022, 08:19

                      Das ist doch genau das, was ich sage: es wird behauptet, es seien keine notwendig, weil Fantasieversionen künftigen Wachstums gegengerechnet werden.

                    • Stefan Pietsch 3. August 2022, 21:31

                      Erwin! Du weißt nicht was Du tust! Stefan kommt mit einem 40 Jahre alten Beispiel mit dem Zusatz q.e.d.

                    • Erwin Gabriel 4. August 2022, 15:14

                      @ Stefan Sasse 4. August 2022, 08:19

                      … weil Fantasieversionen künftigen Wachstums gegengerechnet werden.

                      Du kannst doch lesen, oder?
                      Wenn Du mir die Zahlen zu den ständig wachsenden Steuereinnahmen (+3 bis +5%) bei niedriger Infaltion (-1bis +2 %) nicht glaubst, lies doch selbst mal bei Statista nach. Ist halt keine Fantasie, sind Fakten .

                      Lol, ja klar … ^^

                  • Thorsten Haupts 3. August 2022, 17:02

                    Dir Ursünde der Schuldenbremse war, das politischste Thema überhaupt – den Haushalt – der politischen Diskussion entziehen zu wollen.

                    Vollkommene Fehldarstellung – es wurde nur die über einen bestimmten Anteil hinausgehende Neu-(Höher-)Verschuldung der politischen Debatte entzogen.

                    Und wenn ich mir ansehe, mit welcher Leichtfertigkeit jetzt politisch mit zwei- und dreistelligen Milliardensummen (jährlich) zusätzlich (!) hantiert wird, um dieses oder jenes zu bezahlen, wurde die Verschuldung wohl zu Recht der politischen Debatte entzogen. Die Droge ist einfach zu stark für Otto Normalpolitiker – und für die MMT-Esoteriker ist der bis über beide Ohren verschuldete Staat eh der gewünschte Normalzustand.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:34

                      Wie gesagt, das ist eine Wunschvorstellung. Und keine besonders schöne noch dazu. Politikverachtung ist kein guter Ratgeber.

                    • Thorsten Haupts 3. August 2022, 20:45

                      Ich habe den kontinuierlichen, ungebremsten, unaufhörlichen Anstieg der Schulden vor der Schuldenbremse zwischen 1980 und 2012 live miterlebt. Man erzähle mir nichts über Politikverachtung.

                    • Erwin Gabriel 5. August 2022, 11:14

                      @ Stefan Sasse 3. August 2022, 18:34

                      Wie gesagt, das ist eine Wunschvorstellung. Und keine besonders schöne noch dazu. Politikverachtung ist kein guter Ratgeber.

                      Wenn in zehn, zwanzig Jahren sich die dann regierenden Politiker:innen und Bürger:innen die Haare über die hohe Schuldenlast und die eingeschränkten Spielräume raufen, wird ein rentierter Olaf Scholz in irgendwelchen Talk Shows erklären, wie groß damals die Krisen waren.

                      Und dann schaue ich z.B. auf das Sondervermögen zur Bundeswehr: Da hat man mal eben 100 Milliarden Euro rausgehauen, ohne den geringsten Plan zu haben, was man damit macht. Ich bin hier sicherlich – vermutlich nach Thorsten Haupts – der letzte, der eine schwache Bundeswehr will. Aber das?

                      Das perverse an der Nummer ist, dass es die Politik als Erfolg verbuchen wird, wenn das Geld weg ist – ohne genau verstanden zu haben, wofür es eigentlich ausgegeben wurde.

                      Es zählt nicht, dass eine gewisse Wehrbereitschaft erreicht, bestimmte moderne Waffensysteme eingeführt, Strukturen im Ministerium verbessert – kurz: ein vorher festgelegter besserer Zustand erzielt – wurden. Was ausschließlich zählt, ist, dass irgendetwas Vorzeigbares irgendwie besser wurde, und dass das Geld ausgegeben ist.

                      Oder gibt es irgendjemanden, der von Olaf Scholz oder Christine Lambrecht mehr erwartet?

                      Keiner auf konservativer oder (wirtschafts-)liberaler Seite stört sich grundsätzlich an Schulden für Invstitionen. Was nervt, sind Politiker, die ihren Erfolg nicht an erreichten Zielen, sondern an ausgegebenem Geld messen.

                    • Stefan Sasse 5. August 2022, 12:12

                      Ich bin in der Kritik völlig bei dir. Das Problem ist aber eben gerade nicht, DASS das Geld ausgegeben wird, sondern wie (oder wie nicht, je nachdem). Und sorry, die liberale und konservative Seite hat in den letzten zwanzig Jahren auch Schulden für Investitionen verdammt. Ich gebe dir in der Sache völlig Recht, aber in die Scheiße haben wir uns letztlich alle gemeinsam geritten: wir auf dem linken Spektrum mit „hauptsache Geld raus“, ihr auf dem rechten Spektrum mit „hauptsache kein Geld raus“. Wir haben völlig falsche Benchmarks geschaffen. Und was das noch absurder macht: das Blog hat genau mit der Erkenntnis angefangen (https://www.deliberationdaily.de/2013/09/simpler-ist-einfacher-die-zukunft-des-regierens-teil-1/). Wir sind schon so ein rationales Volk.

                    • Stefan Pietsch 5. August 2022, 14:12

                      Wir haben völlig falsche Benchmarks geschaffen.

                      Welche bitte?

                      Wir haben seit der Finanzkrise über 90% der zusätzlichen Mittel in Soziales gesteckt. Das war eine demokratische Entscheidung und wer ist befugt, sie zu kritisieren? Ich habe gerade heute mit jemanden zusammengesessen, der natürlich die 63-Regel in Anspruch nehmen will.

                      Uns sind Frühverrentungen nun einmal wichtiger als eine digitalisierte Verwaltung und modernere Züge. Das ist so. Also akzeptiere es. Und wenn Du es nicht akzeptieren willst, dann streite dagegen, überzeuge Deine Mitmenschen, dass sie bei den nächsten Wahlen gegen Sozialversprechen und für moderne Infrastruktur stimmen.

                      Es wird Dir nicht gelingen, aber ich wünsche Dir viel Spaß dabei. Und wenn Du das irgendwann erkannt hast, wirst Du die Sinnhaftigkeit der Schuldenbremse erkennen. Denn der einzige Weg, dass Du neben den vielen Zusatzausgaben auch noch eine moderne Infrastruktur bekommst, führt dann über den Weg der zusätzlichen Verschuldung. Und nach dem, was wir jetzt hier in Breite diskutiert haben, sollte Dir klar sein, dass das der Weg ins Verderben ist. Denn auch eine hypermoderne Digitallandschaft braucht ständige Pflege und wird in ein paar Jahren total veraltet sein. Und dann kämst Du aufs Neue mit dem Argument: Aber wir brauchen doch!

                      Wie gesagt: es gibt viele Wege, sich zu ruinieren. Linke wissen die schnellsten.

      • Stefan Pietsch 1. August 2022, 20:21

        Was ist gute Finanzpolitik?

        Für die Anschaffung eines neuen Autos unterbreitest Du Deinem weiblichen Finanzvorstand vier Vorschläge. Welcher ist wirtschaftlich unsolide?

        a) Du sparst, bis Du das Geld zusammen hast.
        b) Du nimmst einen Kredit auf, der mit einem klaren Tilgungsplan aus Deinem zukünftigen Gehalt unterlegt ist.
        c) Du entscheidest Dich für ein Leasing-/ Abomodell.
        d) Du sagst Deiner Frau, Du wirst nicht tilgen, schließlich wirst Du immer Einkommen haben, womit der Bank Deiner Solvenz belegt ist.

        Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Deine Frau bei Wahl von Option d) von Dir trennen wird, schätze ich für relativ hoch ein. 🙂

        Ich wiederhole: In dem Zeitraum, wo Deutschland sich auf die Schuldenbremse eingerichtet hat, hat Frankreich in Rekordgeschwindigkeit durch ausufernde Verschuldung seine Staatsfinanzen für lange Zeit ruiniert. Es bedarf einer sehr guten Begründung, das als „solide“ bezeichnen zu können.

        Die Schuldenbremse zwingt die Regierung zu dem, was immer im Leben vernünftig ist: Prioritäten zu setzen. Einige NATO-Länder, übrigens nicht die vermögendsten, schaffen es, das 2%-Ziel einzuhalten und sogar überzuerfüllen. Sie leiten Steuereinnahmen in den Militärhaushalt, die die Berliner Kassenwarte ins Soziale lenken (ohne dabei die Ziele „mehr soziale Gerechtigkeit“ zu erreichen). Deutschland will jetzt das 2%-Ziel einhalten, allerdings wird die Differenz zwischen den heutigen 1,4% und den 2% durch Kreditfinanzierung ausgeglichen. Das ist, als wenn Du Deinen Urlaub mit einem Konsumentenkredit bezahlst. Völlig unseriös, machen aber einige. Später wundern sie sich über ihre hohen Kredit- und Zinszahlungen.

        Das Problem ist, dass wir uns in Politik und Gesellschaft weigern, Prioritäten zu setzen. Wir wollen alles und alles gleich: Mehr Militär, mehr Wohnungen, mehr Ausgaben für den Klimaschutz, mehr soziale Sicherheit. Das gibt es nirgends im Leben und wer versucht, dies mit Krediten zu ermöglichen, ruiniert sich rasend schnell. Das ist auf staatlicher Ebene genauso, siehe Frankreich.

        5) Wir haben Eigenverantwortung. Die muss Dir ja nicht gefallen. Jedenfalls sind Politik wie Demoskopie zu dem Schluss gekommen, dass die restlichen, ungeimpften Ü60jährigen einen harten Kern bilden, dem man kam noch durch Werbung und Überzeugung beikommt. Den gibt es in jeder Gesellschaft, größer und kleiner. In Deutschland ist er größer, weil im deutschsprachigen Raum immer die Skepsis vor der Schulmedizin, die Ausbeutung durch Big Pharma und die Sorge vor Impfungen gepflegt wurde. Das lässt sich nicht in ein paar Jahren drehen.

        Jetzt kann man fragen, ist es dann vernünftig, den Widerständigen eine Impfung aufzuzwingen, die für die Allgemeinheit wenig bringt? Denn die einzige Begründung hierfür kann ja sein, dass eine Impfung die Weiterverbreitung eines Virus stark einschränkt, wenn nicht verhindert. Das aber gilt für die aktuellen Impfstoffe eben nicht. Damit fehlt jede Begründung für eine Impfpflicht in einer freien, liberalen, rechtsstaatlichen Gesellschaft.

        • Stefan Sasse 1. August 2022, 20:36

          Wie oft muss man dir noch erklären, dass Privathaushalte und der Staat nicht vergleichbar sind? 😀

          Deutschland hat in dem Zeitraum sprudelnde Staatsfinanzen durch eine solide Wirtschaftslage gehabt. Die Schuldenbremse wurde nicht eingehalten, weil total diszipliniert gehaushaltet wurde, sondern einfach nur, weil Kohle da war.

          5) Erneut, ich bin doch gar nicht für eine Impfpflicht.

          • Stefan Pietsch 1. August 2022, 21:09

            Ja, das habe ich schon mal gehört. Das Problem damit ist, dass es dem Argument an Substanz mangelt. So wird es denn auch als Totschlagsargument verwandt. Der Staat ist anders. Warum? So wie Männer halt. Wenn meine Frau fragt, warum ich im Stehen pinkle, dann ist meine Antwort: Weil ich es kann. Wenn Du Dir darauf jetzt eine Erwiderung überlegst, es ist die Gleiche, die auf die Staatsverteidiger passt.

            Auch beim Staat gelten die Regeln der Physik. Und wenn er sich an den Markt (z.B. für Arbeiter) begibt, gelten für ihn die gleichen Regeln von Angebot und Nachfrage. Der Unterschied: Der Staat bestimmt selbst, wann er pleite ist (meist lange, nachdem es andere gemerkt haben) und was er zahlen muss.

            2008 hatten Deutschland und Frankreich sehr ähnliche Ausgangslagen: ähnliche Staatsverschuldung, gleiche Bonität, ähnliches Wirtschaftswachstum. Frankreich hatte dazu den Vorteil einer deutlich jüngeren Bevölkerung mit weniger demographischen Problemen. Zwölf Jahre später war die Situation völlig verändert. Obwohl Deutschland etwas mehr von der Finanzkrise getroffen war und daneben noch die Last einer selbstverschuldeten Flüchtlingskrise heben musste, ist Frankreich wirtschaftlich angeschlagen und in seiner Haushaltslage inzwischen stark von der Notenbankpolitik abhängig. Irgendwo sind unsere Nachbarn falsch abgebogen. Finde den Fehler.

            Wie in einer Artikelserie gezeigt, konnten die Nordländer aufgrund ihrer soliden Wirtschafts- und Haushaltspolitik mehr ausgeben als die Südländer. Diese Ungerechtigkeit willst Du ja ändern.

            Das zentrale Argument für die Schuldenbremse bleibt: Sie ist das wichtigste Instrument, die Politik zur Prioritätensetzung zu zwingen. Wir können uns als Staat alles leisten. Nur eben nicht alles zur gleichen Zeit und nicht zusammen.

            5) Das weiß ich. Du bemisst aber Eigenverantwortung daran, inwieweit alle zu der gleichen Lösung eines Problems kommen und kannst andere Einstellungen nicht so respektieren. Dabei sagen Liberale: es kommt nicht darauf an, dass alle das Gleiche tun. Sondern darauf, dass jeder bereit ist, die Folgen seines Handelns zu tragen. Manchmal sogar den eigenen Tod.

            • Thorsten Haupts 3. August 2022, 10:16

              Das zentrale Argument für die Schuldenbremse bleibt: Sie ist das wichtigste Instrument, die Politik zur Prioritätensetzung zu zwingen. Wir können uns als Staat alles leisten. Nur eben nicht alles zur gleichen Zeit und nicht zusammen.

              War auch immer mein Argument. Gilt nur dann nicht mehr, wenn man die Schuldenbremse buchungstechnisch routiniert austrickst – genau den Weg scheinen wir gerade zu gehen. Und wenn die Politik bereit ist, im Ergebnis de facto Verfassungsbruch zu begehen, wird die Schuldenbremse nicht nur albern, sondern schädlich.

              Dass eine Politik der ungebremsten Schuldenaufnahme nichts taugt, muss vielleicht jede Generation neu lernen. Ich wünsche den heute 35jährigen viel Spass damit. Wir haben mit Frankreich und Italien ja schon Anschauungsmaterial, wie sich das auswirkt :-).

              Gruss,
              Thorsten Haupts

            • Erwin Gabriel 3. August 2022, 10:43

              @ Stefan Pietsch 1. August 2022, 21:09

              Der Unterschied: Der Staat bestimmt selbst, wann er pleite ist (meist lange, nachdem es andere gemerkt haben) und was er zahlen muss.

              2008 hatten Deutschland und Frankreich sehr ähnliche Ausgangslagen: ähnliche Staatsverschuldung, gleiche Bonität, ähnliches Wirtschaftswachstum. Zwölf Jahre später … ist Frankreich wirtschaftlich angeschlagen und in seiner Haushaltslage inzwischen stark von der Notenbankpolitik abhängig. Irgendwo sind unsere Nachbarn falsch abgebogen.

              Das zentrale Argument für die Schuldenbremse bleibt: Sie ist das wichtigste Instrument, die Politik zur Prioritätensetzung zu zwingen.

              Alles richtig, kann ich alles unterschreiben.

              Wie in einer Artikelserie gezeigt, konnten die Nordländer aufgrund ihrer soliden Wirtschafts- und Haushaltspolitik mehr ausgeben als die Südländer. Diese Ungerechtigkeit willst Du ja ändern.

              Nun ja, die Idee ist ja, dass wir die Südschulden mitbezahlen. Wie war das nochmal mit dem Wohneigentum der Bürger im Süden?

        • CitizenK 3. August 2022, 11:58

          „Wir haben Eigenverantwortung“

          Ich könnte jetzt eine Stunde lang Institutionen, Gesetze und Vorschriften aufführen, die wir alle nicht brauchen würden, hätten wir wirklich Eigenverantwortung.

    • Erwin Gabriel 1. August 2022, 18:56

      @ Stefan Pietsch 1. August 2022, 09:56

      2) Die Schuldenbremse wird zum Sicherheitsrisiko

      Ich weiß auch gar nicht, warum ausgerechnet Leute außerhalb des Parlaments so jubeln, wenn es keine Schuldenbremse gäbe. Die Regelung ist ein Schutz der Bürger vor der Übergriffigkeit der Politik.

      Zustimmung.
      Wird ja stets interpretiert in die Richtung „die reichen wollen keine Steuern zahlen“. Dass alle betroffen sind, kommt nicht so durch.

  • mikefromffm 1. August 2022, 10:34
  • sol1 1. August 2022, 10:52

    q) Allerdings haben sich die selbsternannten Pragmatiker in der Einschätzung von Putins Rußland geirrt, während die Grünen mit ihren Wurzeln in der Romantik recht behalten haben.

    • Stefan Sasse 1. August 2022, 14:52

      Absolut! Da schreibe ich gerade auch an einem Artikel dazu…

      Kurzfassung: Es ist keine Romantik, es ist Realismus. Der so genannte „Realismus“ ist die Romantik.

      • CitizenK 3. August 2022, 11:51

        Die „Traumtänzer“ als die wahren Realisten – schwer auszuhalten. Den Irrtum einzugestehen macht es leichter.

    • Thorsten Haupts 3. August 2022, 13:39

      Jau. Wenn man mal grosszügig vergisst, dass sie als Erbe der Friedensbewegung DIE bequemlichkeitspazifistische Partei Deutschlands waren – bis zum März 2022.

      • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:22

        Das ist schlicht falsch und von bequemer Unkenntnis geprägt. Die Grünen sind schon sehr viel länger in andere Richtung unterwegs. Die Bequemlichkeitspazifisten sind die SPD.

        • Thorsten Haupts 4. August 2022, 15:53

          Die Grünen sind schon sehr viel länger in andere Richtung unterwegs.

          Das wäre dann anhand öffentlicher Äusserungen grüner Schwergewichte (Partei- oder Fraktionsvorsitzende) und/oder entsprechender Haushalts- und Gesetzesinitiativen und Veränderung des Parteiprogrammes nachzuweisen. Nein, ich frage nicht danach – nichts davon existiert.

  • Stefan Pietsch 1. August 2022, 11:41

    6) Lindner widerspricht und stellt Steuersenkungen für 2023 in Aussicht

    Das ist einfach so typisch FDP.

    Zum Glück! Zum Glück interessiert wenigstens die Vertreter einer rechtsstaatlichen Partei (verfassungs-) rechtliche Vorgaben. Die Erhöhung des Grundfreibetrags ist eine Obliegenheit, die Bürger in Karlsruhe erfochten haben. Es geht danach nicht an, dass die Sozialhilfesätze steigen, der Grundfreibetrag jedoch nicht.

    In die gleiche Kategorie fällt die Anpassung des Steuertarifs. Auch hier gibt es eine gesetzliche Verpflichtung, die Bereiche des Einkommensteuertarifs gemäß der Inflation anzupassen. In der Vergangenheit haben es sich Finanzminister immer bequem gemacht und seltsamerweise die Inflation für das Folgejahr vergleichsweise niedrig angesetzt. Das traf auch auf den Finanzminister Lindner im Dezember zu, der trotz drohender Inflation den Tarif nur mäßig anhob. Doch man kann nicht an allen Enden Ausgleich für die Inflation fordern, die Einkommensteuerzahler aber immer stärker zur Kasse bitten. Das ist ausbeuterisch und verfassungswidrig. Dass Linke damit kein Problem haben, ist jedoch bekannt.

    Wird der Grundfreibetrag für 2023 um 8% angehoben, so macht dies für einen Geringverdiener mit Mindestlohn 504€ Steuerersparnis im Jahr aus. Das ist dann schon mal die Gaspreiserhöhung. Das mag für Linke wenig sein – oder ekelig -, für manchen aber doch ganz erkleckerlich.

    8) „Ausgaben befeuern Inflation“ (Interview mit Christian Lindner)

    Das 9€-Ticket kostet aufs Jahr 11-12 Milliarden Euro und befeuert eine Mobilität, die die öffentlichen Netze so gar nicht brauchen können. Seit Einführung der Ermäßigung hat jeder Zug in den Raum des Einzugsgebietes von Frankfurt durchschnittlich eine halbe Stunde Verspätung. Die Schaffner (und Lokführer) wissen selbst Sekunden vor der Abfahrt nicht, dass sie dransind. Echt mehr davon? Irgendjemand hat mal gemeint, wir bräuchten keine subventionierte Mobilität. Es sei denn, es geht um die Zugfahrt in völlig heruntergewirtschafteten öffentlichen Verkehrsmitteln.

    Die Kosten des 9-Euro-Tickets entsprechen den Kosten für die Erhöhung des Grundfreibetrags. Da ist doch keine Frage, dass die Steuerentlastung sinnvoller ist.

    • CitizenK 3. August 2022, 11:54

      „gesetzliche Verpflichtung, die Bereiche des Einkommensteuertarifs gemäß der Inflation anzupassen“

      Woraus ergibt sich die?

      • Stefan Pietsch 3. August 2022, 13:48

        Diese Beispiele verdeutlichen, dass die relative Entlastung umso größer ausfällt, je kleiner das Einkommen ist. Deshalb und aus grundsätzlichen finanzwissenschaftlichen Erwägungen begrüßen wir es, dass der Deutsche Bundestag erstmals 2015 beschlossen hat, den Einkommensteuertarif durchgehend um Inflationseffekte zu bereinigen. Zuvor war das Problem der kalten Progression von politisch verantwortlicher Seite immer wieder negiert worden. Eine Inflationsbereinigung ist finanzwissenschaftlich dringend geboten. Damit wird sichergestellt, dass Einkommen, die lediglich nominal gestiegen, aber kaufkraftbezogen konstant geblieben sind, auch nur mit konstanten und eben nicht steigenden Durchschnittssteuersätzen belegt werden. Dies ist mit den bisherigen Indexierungen der Einkommensteuertarife 2016 bis 2020 grundsätzlich erreicht worden. Der Gesetzentwurf sieht Fortsetzungen dessen durch Indexierungen für 2021 und 2022 vor. Seit dem Tarif 2017 erfolgten die Indexierungen im 2-Jahres-Rhythmus synchron zum Steuerprogressionsbericht der Bundesregierung.
        https://www.bundestag.de/resource/blob/794732/495667c0ea30d1524cdcaf29660663ef/01-Bd-d-Steuerz-data.pdf

        Stefan leistet sich in seiner Kommentierung zweimal einen Luxus an den Fakten vorbei. Zum einen kommen die Erhöhung des Grundfreibetrags wie die Indexierung des Einkommensteuertarifs überproportional den unteren Einkommensgruppen zugute. Zum anderen kritisiert Stefan, dass allein ein FDP-Minister sich rechtskonform (und damit koalitionsvertragstreu) verhalten will.

        Übrigens: Für das Jahr 2022 hat der Bundesfinanzminister eine Inflationsrate von 1,5% in der Tarifanpassung unterstellt. Das ist das Problem und macht eine außerordentliche Anpassung notwendig.

        • CitizenK 3. August 2022, 14:44

          Danke für die Info. Hatte ich nicht mitbekommen. Früher hatten wir in D ja die Linie: Keine automatischen Anpassungen an die Inflation (wie in anderen Ländern), um diese nicht anzutreiben.

          Die Anpassungen im Steuerrecht wegen der kalten Progression haben ihre Berechtigung. Andererseits haben Geringverdiener keinen solchen Ausgleich: Kindergeld, BaföG, Altersbezüge. Mein Einkommen erhöht sich dieses Jahr gar nicht – pardon, doch: im Dezember um 1,2 Prozent.

          • Stefan Pietsch 3. August 2022, 16:47

            Heute behält sich der Finanzminister immer noch vor, den Tarif über seine Inflationsschätzung zu beeinflussen. Wie vor einiger Zeit gezeigt, fällt die Rechnung immer noch zugunsten der Staatskasse aus, aber der Effekt wird kleiner.

            Die Einkommensteuer ist für Einkommensteuerzahler. Sie folgt dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Wenn die Leistungsfähigkeit nicht steigt, soll jemand auch nicht (relativ) mehr Steuern zahlen.

            Die meisten Sozialleistungen des Staates sind in irgendeiner Form indexiert. Das gilt für Renten wie Hartz-IV-Sätze. Ich denke, an der Front besteht kein echter Diskussionsbedarf.

            Mein Einkommen erhöht sich diese Jahr auch nicht (mehr). Danach muss ich verhandeln, das läuft nicht automatisch. 😉

  • Stefan Pietsch 1. August 2022, 11:45

    10) Lindners Steuerpläne könnten Topverdienern besonders viel einbringen

    Huhu! Steuerentlastungen kommen denen zugute, die Steuern zahlen, also jenen, die Leistungen erbringen.

    h) Und gleich noch mal Übergewinnsteuer: in Frankreich gibt es zwar keine, aber die glaubhafte Drohung reichte, dass die Konzerne die Benzinpreise senken. Was da nicht alles möglich ist, wenn man nur will.

    Ha. Ha. Ha. In Deutschland wird gerade und rein zufällig auch die Steuerentlastung vollständig weitergegeben. Wahrscheinlich reagieren auch hier die Konzerne auf Drohungen. Ha. Ha. Ha.

    • Lemmy Caution 1. August 2022, 21:20

      Stefan schrieb letztens, dass er eine Altenpflegerin einen Stundensatz von 15 Euro erhält. Mir geben meine Auftraggeber ein Vielfaches davon und zahle
      davon Steuern.
      Leiste ich ein Vielfaches von dieser Altenplegerin?
      Oder gibt es möglicherweise zusätzliche Kriterien als der Stundensatz für die Leistung?
      Und sollte eine Zivilisation nicht diese weiteren Kriterien bei der Einkommensverteilung mitberücksichtigen?

      • Stefan Pietsch 1. August 2022, 23:12

        Die Frage stelle ich mir nie. Mein Einkommen ist das Ergebnis von Nachfrage und Verhandlungen. Mein Gehalt ist absolut marktkonform. Meine Frau ist Erzieherin und damit einkommenstechnisch unter mir angesiedelt. Das macht sie nicht zu einem schlechteren Menschen, ganz im Gegenteil. Und umgekehrt macht mich mein Einkommen nicht zu einem fleißigeren Menschen, weil meine Fähigkeiten seltener und gefragter sind.

        Ich finde es absolut falsch, menschliche Qualitäten am Gehalt festzumachen. Ein Wellensittich ist auch kein schlechterer Vogel als ein Papagei, nur weil er im Laden billiger ist.

        Ich habe die Richtung meiner Arbeit bewusst gewählt. Neben Neigung waren die Einkommenschancen kein unwichtiges Kriterium. Meine Frau hat ebenfalls eine sehr bewusste Entscheidung getroffen und auf besser bezahlte Tätigkeiten verzichtet. Gehalt und Einkommen waren für sie ein weniger zentrales Kriterium wie für mich. Wir verdienen, wie wir uns entschieden haben. Wieso sollte das ungerecht sein?

        • Tim 1. August 2022, 23:45

          Ein Wellensittich ist auch kein schlechterer Vogel als ein Papagei, nur weil er im Laden billiger ist.

          Himmel, das ist jetzt wirklich der Satz des Monats in diesem Blog, großartig! 🙂

          Da steckt alles drin: Marktwirtschaft, Moral, Emotionen, Witz, Verdinglichung. Chapeau!

          • Stefan Pietsch 2. August 2022, 11:02

            Danke!

          • CitizenK 3. August 2022, 12:18

            Ein Sklave ist auch kein schlechterer Mensch, nur weil er auf dem Markt weniger kostet als ein bezahlter Arbeiter?

        • Stefan Sasse 2. August 2022, 08:17

          Mein Gehalt und meine Bezüge sind auch absolut marktkonform. Trotzdem lässt du keine Gelegenheit aus, dagegen Sturm zu machen.

          • Stefan Pietsch 2. August 2022, 11:24

            Das liegt an Deinem Verständnis von marktkonform. Ein idealer Markt besteht aus vielen Anbietern und vielen Nachfragern. In meinem Markt kommen theoretisch ein paar hunderttausend Unternehmen in Frage und es gibt tausende Manager dafür. Selbst regional sortiert sind es einige hundert, die sich ernsthaft mit meinem Profil beschäftigen und beschäftigen würden.

            Am Ende bieten sie ein bestimmtes Entgelt, das sich in einer Range von vielleicht 20.000 – 30.000 Euro Unterschied bewegt. In diesem Markt kann ein Unternehmen frei entscheiden, mich zu beschäftigen und ich bin frei, das Angebot von Unternehmen A oder Unternehmen X anzunehmen, sowie Höhe und Nebenleistungen (Firmenwagen, Gehaltssteigerungen, Pensionsanspruch) zu verhandeln. So, wie man das bei vielen Hotelbuchungen, Einkäufen bei Tiffany, Bestellung eines SUVs auch tun kann. Auf der einen Seite des Tisches sitzt eine Person, nämlich ich, auf der anderen steht ein Unternehmen. Das Ergebnis dieses Prozesses führt zu einem marktkonformen Gehalt.

            Das ist bei Dir nicht der Fall. Bei Dir sitzt auf der einen Seite des Tisches eine Arbeitnehmervertretung, deren Ziel es ist, mit der Marktmacht aller Beschäftigten einen möglichst günstigen Tarifvertrag für alle zu verhandeln. Und auf der anderen Seite des Tisches sitzt ein Monopolnachfrager nach Lehrerleistungen. Zwei Monopolisten zerren um Tarifeinstufungen. Monopole und Kartelle sind dazu da, Wettbewerb auszuschalten, nicht ihn zu befördern.

            Am Ende steht ein Entgelt, dass nicht Deinem individuellen Versprechen auf eine bestimmte Leistung entspricht, sondern der Einstufung von allgemeinen Qualifikationen in einem Raster. Du bekommst weitgehend das gleiche Entgelt wie Dein weniger beliebter Kollege, Deine didaktisch unfähige Kollegin und Dein fleißigerer Kollege. Einfach, weil Du vom Monopolverhandler in dem Raster einsortiert wurdest. In einem solchen hat der glänzende Apfel im Korb den gleichen Wert wie der mit Dellen, weil – es ist eben ein Apfel.

            Marktkonforme Preise sorgen für Markträumung. Deswegen kommt es in meinem Markt durchaus vor, dass Einkommen auch fallen können, so zuletzt Anfang der Nullerjahre. In Deinem „Markt“ sind fallende Löhne von den „Markt“-Beteiligten nicht vorgesehen.

            Die Entgelte im Erzieherwesen sind auch nicht marktkonform. Gute Erzieher werden so bezahlt wie schlechte Erzieher. Die Löhne sorgen auch nicht für Markträumung. Zwar sind kaum Erzieher arbeitslos, aber die Nachfrage ist größer als das Angebot. In einem vollkommenen Markt würden die Löhne für die guten Erzieher deutlich steigen, die für die schlechten vielleicht sogar sinken und am Ende wären die Löhne so, dass keine Einrichtung weitere Erzieher beschäftigen wollte, weil das gesamte mögliche Budget ausgeschöpft wäre.

            Du willst keine Entgeltdifferenzierung, wie Du vor ein paar Monaten geschrieben hast. Du willst keinen auf Deine individuelle Leistung und eine mögliche Nachfrage angepassten Lohn. Dann behaupte allerdings auch nicht, Dein Entgelt sei „marktkonform“.

            • Stefan Sasse 2. August 2022, 11:47

              Es ist natürlich eine sehr schmeichelhafte Geschichte, die eigene wirtschaftlich gute Situation mit einem objektiv-rationalen Urteil des Marktes über die glänzenden eigenen Fähigkeiten zu erklären, aber da steckt natürlich noch viel mehr dahinter. Es gibt einfach nur sehr wenige Leute, die deinen Job machen, während meiner von 120.000 Kolleg*innen allein in BaWü gemacht wird. Das setzt der Individualisierung Grenzen. Dazu kommt, dass die Messung von „Leistung“ ein riesiges Problem ist, besonders bei meinem Job. Nein, ich bin sehr für die Kategorien und Laufbahnprinzipien. Ich will das gerne.

              • Stefan Pietsch 2. August 2022, 12:08

                Wie gesagt, mein Entgelt könnte ich unter bestimmten Umständen auch in Chile beziehen. Da steckt also schon etwas Objektivität dahinter.

                Es gibt viele Finanzchefs. Ich rangiere im oberen Fünftel bei der Bezahlung. D.h., es gibt viele die nicht einmal die Hälfte beziehen oder sogar noch weniger. Das sind enorme Unterschiede. Solche Unterschiede gibt es nur in freien Märkten, nicht in vermachteten, in dem Monopolisten bestimmen.

                Menschliche Leistung ist pauschal selten einfach zu messen. Aber sie ist durchaus quantifizierbar. Mein Job ist sehr individuell. Die Leistung der Führung einer ziemlich großen Einheit ist schlicht nicht messbar und daher nicht bewertbar. Was bewertbar ist, ist jedoch die Qualität der (Jahres-) Abschlüsse, der Voraussagefähigkeit meines Bereichs (Forecasts), die Unterstützung vorderer Bereiche wie Top-Management und Vertrieb und ein Stück Beitrag zum Unternehmenserfolg. Entsprechend werde ich auch variabel vergütet.

                Und so lassen sich auch in anderen Bereichen, die individuell ausgelegt sind, messbare Erfolgsparameter finden. Man muss sich das jedoch zum Ziel setzen. Und bitte entschuldige, wenn Du den Eindruck hast, dass ich Dich da zu sehr angreife. Das meine ich nicht, sondern ich betrachte es allgemeiner. 😉

                • Thorsten Haupts 2. August 2022, 13:32

                  Tschuldigung Sir, aber ich finde es reichlich albern, wenn ein Angehöriger der Einkommengruppe oberste 0,5% in Deutschland über Gehaltsfindung bei Normalbürgern redet. Die sind in grösseren Unternehmen ausnahmslos tarifgebunden, Verhandlungsmasse 0. Und das gilt bei vielen TVs inzwischen selbst für Gehälter, mit denen man in Deutschland unter die oberen 5 bis 10% Einkommensbezieher fällt.

                  Mit deutlich oberhalb von 100k/Jahr gehört man zu einer absoluten Ausnahmegruppe. Ohne Übertragbarkeit.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Stefan Pietsch 2. August 2022, 14:20

                    1. Ich habe nachgeschaut: ich gehöre zu den oberen 3%. Aber das interessiert mich peripher, ich habe nichts davon.

                    2. Es geht nicht um eine bestimmte Gruppe, sondern wie Löhne und Gehälter festgelegt werden. Außerhalb der Tarifangestellten gibt es die Außertariflichen (ATs) und die Leitenden Angestellten. Und dann gibt es noch die nicht Tarifgebundenen. Alle diese abhängig Beschäftigten müssen gezwungenermaßen ihre Gehälter selbständig verhandeln.

                    3. Auch nachgeschaut: mit einem T-Gehalt schafft man es nicht in die oberen 5%.

                    Stefans Behauptung war, dass sein Gehalt marktkonform sei. Allein darum ging es.

                  • Stefan Sasse 2. August 2022, 15:18

                    Das meine ich.

                    • Thorsten Haupts 3. August 2022, 11:04

                      Ich habe nachgeschaut: ich gehöre zu den oberen 3%. Aber das interessiert mich peripher, ich habe nichts davon.

                      Mit der Einstufung beziehen Sie sich vermutlich auf das Familien-Nettoeinkommen?

                      Ansonsten lägen Sie nach dem SPIEGEL-Gehaltsrechner (als alleinlebender vollzeitbeschäftigter Mann, Link unten) nur bei 4500 bis 4900 Euro/netto oder brutto in Steuerklasse 1 bei 100K bis 108K/Jahr. Und das würde nicht zu den marktüblichen Gehaltsbedingungen für einen CFO passen.

                      https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/gehaltsrechner-gehoeren-sie-zu-den-oberen-zehn-prozent-a-f5a19d00-84b3-407f-aff2-bce27e8088cf

                      Wobei auch die Zugehörigkeit zu den 3% nichts Wesentliches an meiner Kernaussage ändert: Sie sind einfach kein Masstab für die Masse der deutschen Lohn- und Gehaltseinkommen, die eben normalerweise nicht verhandelt werden.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 3. August 2022, 11:36

                      Ganz so wenig ist es dann doch nicht. Jetzt habe ich mein steuerpflichtiges Einkommen eingesetzt, es sind 1,9%:
                      https://www.einkommensverteilung.eu/deutschland/

                      Aber wie gesagt, das ist mir egal, weil ich bekomme dafür nichts und Ranking-Fragen sind mir nicht wichtig. Der Finanzchef liegt meist unter den ersten drei bis vier im Unternehmen.

                      Was ist mit ATlern, nicht Tarifbeschäftigten? Das ist ein weites Feld. Ich habe nie in meinem Berufsleben einen angebotenen Vertragsentwurf so genommen. Und ich war nicht immer leitend.

                    • Stefan Sasse 3. August 2022, 11:59

                      Die allermeisten haben doch gar nicht die Wahl. Als könntest du mit Aldi verhandeln als Kassier*in. Oder mit Bosch als normale Arbeitskraft. Du nimmst den Vertrag, oder du nimmst ihn nicht.

                    • Stefan Pietsch 3. August 2022, 13:34

                      Als ich anfing, hatte ich etwas mehr als ein Durchschnittsgehalt. In 80-90 Prozent kannst Du verhandeln, beim Rest nicht.

                      Der Punkt war, dass Du ein zwischen zwei Monopolisten (Staat als Arbeitgeber, Gewerkschaft als Vertreter aller Beschäftigten) Tarifeinkommen als „marktkonform“ anpreist.

                    • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:21

                      Das war eigentlich nur ein Riff auf deine glorifizierte Selbstdarstellung. Lass an der Stelle beenden.

                    • Stefan Pietsch 3. August 2022, 21:59

                      Jauw. Wollte ich eigentlich nicht. Sorry und von daher hast Du Recht.

            • Erwin Gabriel 3. August 2022, 10:51

              @ Stefan Pietsch 2. August 2022, 11:24

              Ein idealer Markt besteht aus vielen Anbietern und vielen Nachfragern. In meinem Markt kommen theoretisch ein paar hunderttausend Unternehmen in Frage und es gibt tausende Manager dafür.

              Es gibt sicherlich viele relevante Lehranstalten, und offenbar so wenig tüchtiges Personal, dass sich die Schulen Bundesland-übergreifend die Lehrer abwerben.

              Wenn es keine mit Deinem beruf vergleichbare Marktsituation gibt, liegt es daran, dass auf der Arbeitgeberseite die öffentliche Hand sitzt, die es sich leisten kann, zu sparen, wo sie will. Man wird vom Gesetzgeber zwar zur Schule verpflichtet, hat aber wenig Auswahlmöglichkeiten und praktisch keinen Einfluss auf die Qualität des Lehrprodukts.

              Allein deswegen ist Dein Vergleich unsinnig; die Beurteilung einer angemessenen Zahlung erst Recht. Ich würde mir für einen Netto-Tausender mehr im Monat den Job nicht geben (und Du vermutlich auch nicht 🙂 ).

        • Lemmy Caution 2. August 2022, 08:22

          Ich verhandele meinen Stundensatz auch.
          Was ist dagegen einzuwenden, dass Unterstützung in der Krise nicht nur über die Senkung von Steuern läuft sondern auch nach Wegen gesucht wird, um Leute zu erreichen, die von Steuersenkungen wenig profitieren? Es ist ja offensichtlich, dass Leute mit geringeren Steuersätzen viel weniger von Steuersenkungen profitieren. Sie werden aber verhältnismässig stärker von der Krise betroffen, da ein relativ höherer Teil ihres Einkommens für Lebensmittel und Heizung draufgeht.
          Vollständige Gerechtigkeit wirds natürlich nie geben.
          Stark profitieren Leute mit vor kurzem abgeschlossenen Hypotheken-Krediten. Bei 7% Inflation dieses Jahr wären das bei einem mir bekannten Vertrag -6,2% Realverzinsung.
          Leute mit Wertpapieren werden oft auch prozentual oberhalb der Inflation verloren haben.

          • Stefan Pietsch 2. August 2022, 11:30

            Was ist dagegen einzuwenden, dass Unterstützung in der Krise nicht nur über die Senkung von Steuern läuft sondern auch nach Wegen gesucht wird, um Leute zu erreichen, die von Steuersenkungen wenig profitieren?

            Gar nichts. Das Problem unseres Sozialwesens ist allerdings, dass es Strukturen zementiert. Einmal gewährte Zuschüsse werden beibehalten, einmal eingeführte Steuererhöhungen werden nicht zurückgenommen. Während der Pandemie wurde die Sanktionierung unwilliger Empfänger ausgesetzt. Danach war sich die Politik weitgehend einig, dass sie nicht wieder eingeführt werden sollten. Der Solidaritätszuschlag wurde mit Verweis auf die Kosten der Deutschen Einheit erhoben und politisch wie verfassungsrechtlich mit dem zwischen Bund und Ländern geschlossenen Solidarpakt verknüpft. Der Solidarpakt ist ausgelaufen, der Solidaritätszuschlag wurde beibehalten.

            Genau diese Verhaltensweisen machen es so schwer, besonderen Krisenleistungen zuzustimmen. Daraus werden nämlich meist Dauereinrichtungen. Die Menschen gewöhnen sich daran.

  • Thorsten Haupts 1. August 2022, 12:19

    Zu 7): Haben sie ihre Prioritäten an der richtigen Stelle? Aber hallo.
    Ach tatsächlich? Wer sagt das, hat das anhand von deren Positionen einmal geprüft? Und seit wann reicht es, wenn Leute in organisatorischen/ gesetzgeberischen Leitungsfunktionen „ihre Prioritäten an der richtigen Stelle“ haben?

    Zu 8): Das 9-Euro-Ticket ist eine der erfolgreichsten Maßnahmen der letzten Jahre. Da nicht weiterzumachen, ist einfach absurd.
    Jo, Freibier ist halt immer gut, ned wahr? Ansonsten ist das eine arg steile Behauptung – ich jedenfalls kann zu Stosszeiten jetzt nicht mehr Bahn fahren und würde bei einer Weiterführung des 9 Euro Tickets ernsthaft den Umstieg auf ein Auto prüfen. Mit 61 und für mehr als 40 Jahre Vielbahnfahrer. Zwei Kolleginnen sind schon umgestiegen.

    Und das nur nebenbei, auf der fraglichen Strecke kann nicht ein Zug mehr fahren (!), also würde das dauerhafte 9 Euro Ticket die Überlastung des regionalen Verkehrs ebenso dauerhaft machen.

    9):
    ROFL. Nachdem – mit Ausnahme von Militär und Polizei – alle staatlichen Exekutivfunktionen in der Hand von Liberalen (US-Definition) sind, ist natürlich ein erstmals konsequent geplanter Stellenumbau zugunsten einer anderen Gruppe ein Angriff auf die eigenen Futtertröge. Verstehe ich. Dazu verliert man die implizite Blockademacht und einen unerschöpflichen Strom von „Whistleblowern“.

    Zu e):
    Ein naiver Idealist? Will die Politik weder hören noch würde sie es verstehen – dafür sind Politprofis heute viel zu weit von der Realität entkoppelt.

    Zu m):
    Es gab vor einigen Jahren eine kurzlebige Mediendebatte zu den explosionsartig zunehmenden kleinen Anfragen im Deutschen Bundestag (besonders gerne von GRÜNEN und LINKEN genutzt), die drohten, die Bundesverwaltung teilweise lahmzulegen. ÖRR im Verbund mit den deutschen liberalen Leitmedien deklarierte damals, das sei kein Problem, sondern gelebte Demokratie. Kann also auch in der Berliner Verwaltung kein Problem sein!

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 1. August 2022, 14:53

      8) Meine eigene anekdotische Evidenz spricht für keinen Kollaps durch 9-Euro-Ticket.

      • Stefan Pietsch 1. August 2022, 20:28

        Ich empfehle einen Praxistest. Eine Woche lang den RB51 und RE50 zwischen Frankfurt und Fulda nutzen. Und ich garantiere ganz neue Einblicke.

        Die Bahngewerkschaften berichten unisono von einer starken Überlastung von Mensch und Material und begründen damit weitere Lohnforderungen. Irgendwie scheinen die das anders wahrzunehmen.

        • Kning4711 2. August 2022, 09:53

          Ich halte auch das 9,- EUR Ticket für eine gute Idee, da es mehr Menschen ermuntert auf die Bahn umzusteigen. Das Experiment zeigt aber auch, dass die Bahn den gesteigerten Passagiermengen nicht gewachsen ist. Insfoern sollte das Experiment jetzt beendet werden, bevor noch weiteres Personal verschlissen wird. Aktuell bezahlen die Mitarbeitenden der DB den Preis für das 9,- EUR Ticket in Form von Überlastung und verlorener Nerven.
          Gebt der Bahn Budget und 1 Jahr Zeit sich besser zu rüsten und sukzessive die Kapazitäten zu erhöhen. Dann kann man im nächsten Sommer den Versuch 9,- EUR Ticket 2.0 starten.

          Ohne weitere Maßnahmen wird aus gut gemacht nur ein gut gemeint mit entsprechenden Auswirkungen auf Passagiere und DB Mitarbeitende.

          • Stefan Pietsch 2. August 2022, 11:35

            Gegen das Ziel ist ja nichts zu sagen. Es ist auch nicht falsch einen pauschalen Monatspreis für Leistungen des öffentlichen Verkehrsnetzes einzuführen. Es ist jedoch falsch, zusätzliche Nachfrage nach Mobilität zu erzeugen, die nicht gegeben wäre, wenn die Preise nicht (hoch-) subventioniert wären. Wenn Menschen nur deswegen am Wochenende in den Schwarzwald fahren – egal ob mit dem Auto oder dem Nahverkehr – weil es praktisch kostenlos ist, so verursacht das hohe Kosten (Umweltschädigung) ohne echten Nutzen (Erholung) zu stiften.

            Ökonomisch – betriebswirtschaftlich, verkehrstechnisch oder umweltökonomisch gedacht – führen subventionierte Preise zu wirtschaftlichem Irrsinn.

            • Erwin Gabriel 3. August 2022, 11:19

              @ Stefan Pietsch 2. August 2022, 11:35

              Es ist jedoch falsch, zusätzliche Nachfrage nach Mobilität zu erzeugen, die nicht gegeben wäre, wenn die Preise nicht (hoch-) subventioniert wären. Wenn Menschen nur deswegen am Wochenende in den Schwarzwald fahren – egal ob mit dem Auto oder dem Nahverkehr – weil es praktisch kostenlos ist, so verursacht das hohe Kosten (Umweltschädigung) ohne echten Nutzen (Erholung) zu stiften.

              Zustimmung!

          • Stefan Sasse 2. August 2022, 11:41

            Sofern man damit entsprechend loslegt, von mir aus.

          • Thorsten Haupts 2. August 2022, 21:11

            Gebt der Bahn Budget und 1 Jahr Zeit sich besser zu rüsten …

            Machen Sie da 10 bis 20 draus, dann wird´s vielleicht was. Auf vielen Strecken bspw. der Rheinschiene können (!) nicht mehr Züge untergebracht werden, Strecken-Neubauten haben einen Vorlauf von mindestens 20 Jahren und es fahren schon Doppelstöcker.

            Ich habe auch hier im Forum den Eindruck, viele wissen gar nicht, wie lange ein Umstieg auf ÖPNV zur Zeit tatsächlich dauern würde, selbst wenn man Geld auf unendlich stellt. Da können wir dann mit der Politik (so ich deren öffentliches Reden zum Nennwert nehme) einen Verein aufmachen.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 3. August 2022, 09:48

              Doch, das Trauerspiel ist mir leider nur zu gut bekannt. Aber auf die Art würde wenigstens Druck gemacht.

              • Thorsten Haupts 3. August 2022, 10:09

                Zu (ausschliesslich) Lasten der Bahn-Berufspendler und des Bahnpersonals? Also der Leute, die nicht ausweichen KÖNNEN? Auch ne Vorgehensweise.

            • Erwin gabriel 3. August 2022, 14:24

              @ Thorsten Haupts 2. August 2022, 21:11

              [Gebt der Bahn Budget und 1 Jahr Zeit sich besser zu rüsten …]

              Machen Sie da 10 bis 20 draus, dann wird´s vielleicht was. Auf vielen Strecken bspw. der Rheinschiene können (!) nicht mehr Züge untergebracht werden, Strecken-Neubauten haben einen Vorlauf von mindestens 20 Jahren und es fahren schon Doppelstöcker.

              Genau das

              Ich habe auch hier im Forum den Eindruck, viele wissen gar nicht, wie lange ein Umstieg auf ÖPNV zur Zeit tatsächlich dauern würde, selbst wenn man Geld auf unendlich stellt.

              Zustimmung. Geld auf unendlich reicht nicht, wenn die erforderlichen Planungs- und Arbeitskräfte fehlen (von mangelnden Kompetenzen und Kapazitäten in den Ämtern mal abgesehen).
              Dazu sind sehr viele Bahnstrecken in sehr schlechtem Zustand; man ist quasi schon damit ausgelastet, den Betrieb halbwegs sicherzustellen; an Ausbau ist derzeit nicht zu denken.
              Auch dauert beispielsweise die durch die öffentliche Hand durchgeführte Sanierung der Autobahn Hamburg – Fehmarn (knapp 150 km) über 20 Jahre, was in etwa der Nutzungsdauer der Fahrbahndecke entspricht; kaum ist man oben angekommen, kann man unten wieder anfangen.

              Das alles unter der Bedingung, dass man mit einem Plangenehmigungsverfahren über die Runden kommt. Wird ein Planfeststellungsverfahren erforderlich, kann man locker nochmal ein Jahrzehnt draufpacken (ein neues Windrad dauert zwischen Antrag und Fertigstellung aktuell zwischen 16 und 30 Jahre).

              • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:24

                Ich glaube wir sind uns hier alle einig, dass mit der Verwaltung und den Regulierungen kein Staat zu machen ist.

                • Erwin Gabriel 3. August 2022, 20:14

                  @ Stefan Sasse 3. August 2022, 18:24

                  Ich glaube wir sind uns hier alle einig, dass mit der Verwaltung und den Regulierungen kein Staat zu machen ist.

                  Wenn man weiß, dass man den Ausbau nicht hinkriegt, braucht man ihn auch nicht zu fordern. Dann braucht man auch keine Schulden aufnehmen. Denn nicht Geld ist das Problem, sondern schlechte Strukturen und mangelnde Fachkräfte.

                  • Stefan Sasse 4. August 2022, 08:19

                    Ich halte BEIDES für das Problem. Aktuell allerdings sind es vor allem die Strukturen und Fachkräfte, das ist korrekt.

                    • Stefan Pietsch 4. August 2022, 09:59

                      Ist die Frage, wie Du „aktuell“ definierst. 2008/2009 haute der Bund ein Konjunkturpaket für die Gemeinden raus, richtig viele Milliarden. Bei mir in der Region baute man damit eine Unmenge an Kreiseln, während die Straßen und Gebäude nicht erneuert wurden. Ich wusste nicht, dass wir einen solchen Bedarf an Kreiseln haben an Stellen, wo kaum Seitenverkehr stattfindet.

                      Jedenfalls, das Geld war weg. Gut so. Was also meinst du mit „aktuell“?

                    • Stefan Sasse 5. August 2022, 08:20

                      Jetzt, 2022.

                    • CitizenK 4. August 2022, 10:18

                      „mangelnde Fachkräfte“

                      Früher haben Unternehmen über Bedarf ausgebildet. Aus gesellschaftlicher Verantwortung, wie ich von einem mittelständischen Unternehmen in Heilbronn (wo ich zur Schule ging) weiß.

                      Auf den „neoliberalen Bierdeckel“
                      @Lenny, danke!
                      passt das natürlich nicht. Und das ist nicht mal die Verantwortung des einzelnen Unternehmers, sondern systembedingt – Wettbewerbsfähigkeit. Das wusste schon Karl Marx.

                    • Erwin Gabriel 4. August 2022, 13:08

                      @ CitizenK 4. August 2022, 10:18

                      [„mangelnde Fachkräfte“]

                      Früher haben Unternehmen über Bedarf ausgebildet. Aus gesellschaftlicher Verantwortung, wie ich von einem mittelständischen Unternehmen in Heilbronn (wo ich zur Schule ging) weiß.

                      Oh, Citizen …

                      Das wollen die Unternehmer immer noch, sie suchen Händeringend nach Azubis. Wer die gesellschaftliche Verantwortung nicht „wahrnimmt“, sind die vielen Jugendlichen, die sich in einem der 16.000 bis 18.000 unterschiedlichen Bachelor-Studiengänge austoben wollen, statt ein Handwerk zu erlernen.

                    • Erwin Gabriel 4. August 2022, 16:28

                      @ Stefan Sasse 4. August 2022, 08:19

                      Ich halte BEIDES für das Problem. Aktuell allerdings sind es vor allem die Strukturen und Fachkräfte, das ist korrekt.

                      Ob Bahn, Wohnungsbau, Straßenbau, Energiewende – es ist deutlich mehr Geld im Markt, als verarbeitet werden kann. Es sind deutlich weniger Fachkräfte im markt, als benötigt werden. Mehr Geld in eine Sache stecken mag die fördern, aber nur zu Lasten einer anderen Aufgabe.

                    • Stefan Sasse 5. August 2022, 08:32

                      völlige Zustimmung. Aber: Würden wir die Sachen in dem Umfang angehen wollen, der notwendig ist, wäre auch das Geld nicht da.

                    • Stefan Pietsch 5. August 2022, 09:25

                      Tja, komisch dass wir gleiche Probleme schon 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, … 2021 hatten. So ein Zufall!

                    • Erwin Gabriel 5. August 2022, 11:26

                      @ Stefan Sasse 5. August 2022, 08:32

                      Würden wir die Sachen in dem Umfang angehen wollen, der notwendig ist, wäre auch das Geld nicht da.

                      Würden wir die Sachen in dem Umfang angehen wollen, der notwendig ist, wäre Deutschland aufgrund der vielen Baustellen auf Jahre lahmgelegt; Auto- und Bahnverkehr, Bürokratie, Schulen – alles in Reparatur.

                      Ein Land wie unseres in Schuss zu halten ist eine permanente Aufgabe. Da kann man nicht mal eben ein paar Jahrzehnte aussetzen. Wenn man alle Aufwendungen maßvoll hochfährt und dann vierzig, fünfzig Jahre durchzieht, mag es gehen. Werden wir beide aber nicht mehr erleben.

                    • Stefan Sasse 5. August 2022, 12:13

                      Das ist genau das Problem. Es wurde mehrere Jahrzehnte lang verschleppt und vergammeln lassen. Den Preis bezahlen wir jetzt.

                    • Stefan Pietsch 5. August 2022, 14:03

                      Und Du meinst, ein Problem, das über Jahrzehnte entstanden ist und erhalten wurde, ließe sich in einem halben oder einem ganzen Jahrzehnt mit Kreditfinanzierung heilen? Nur mal zur Einordnung: Zur Restaurierung der maroden DDR-Infrastruktur brauchte es fast 3 Jahrzehnte, während denen man längst wieder begann, die nach 1990 instandgesetzten Straßen und Gebäude wieder zu reparieren. Wie Erwin sagte: das sind Permanentaufgaben. Da lässt sich auch nichts „aufholen“. Eine kaputte Straße wird repariert. Nur weil der Zyklus ein- oder zweimal ausgesetzt wurde, heißt das nicht, dass nun doppelte oder Dreifachkosten anfallen.

                      Der Punkt ist, und an der Stelle landet man immer bei Debatten mit Verschuldungsverfechtern: Man will alles und zwar sofort. Und man will keine Prioritäten setzen. Diese Bedingungen gibt es aber nirgends auf der Welt außerhalb von Takatuka.

                    • Stefan Sasse 5. August 2022, 19:08

                      Nein, das meine ich nicht. Was ich meine ist: wir sollten aufhören über so Mist zu streiten und endlich anfangen.

                    • Stefan Pietsch 5. August 2022, 21:08

                      Wie gesagt, das ist nicht das Problem. Das Problem sind Mehrheiten. Keine Lapallie in einer Demokratie.

                    • Erwin Gabriel 7. August 2022, 18:42

                      @ Stefan Sasse 5. August 2022, 12:13

                      Das ist genau das Problem. Es wurde mehrere Jahrzehnte lang verschleppt und vergammeln lassen. Den Preis bezahlen wir jetzt.

                      Sorry, den kann ich mir nicht verkneifen:

                      Wie heißen nochmal die Kommentatoren, die das hier seit Jahren verkünden?

                      Was soll’s; besser spät klug als nie. Willkommen 🙂

                    • Stefan Sasse 8. August 2022, 08:31

                      Magnanimous in victory, hm?

  • Tim 1. August 2022, 12:38

    @ Stefan Sasse

    Das 9-Euro-Ticket ist eine der erfolgreichsten Maßnahmen der letzten Jahre.

    Extrem geringe Anforderungen an den „Erfolg“ staatlicher Maßnahmen – einer der Gründe, warum so vieles nicht mehr klappt in Deutschland.

    Ab morgen zahlt der Staat 10 Euro an jeden, der sein Auto direkt auf der Straße abstellt. Viele werden das tun. Eine der erfolgreichsten Maßnahmen der letzten Jahre! 🙂

  • Erwin Gabriel 1. August 2022, 18:50

    @ STEFAN SASSE on 1. AUGUST 2022

    2) Die Schuldenbremse wird zum Sicherheitsrisiko
    Das Argument wird stets das gleiche sein: grundsätzlich ist die Schuldenbremse ja super, aber just zu diesem Zeitpunkt für mein Anliegen muss eine Ausnahme gemacht werden. Sobald diese Argumentation sich mal verselbstständigt hat, wird die Ausnahme von der Schuldenbremse zu einem Routine-Akt der jährlichen Haushaltsberatungen, bei ritualisiertem Widerspruch der Opposition.

    Mich nervt so ungemein an dieser Thematik, dass man über Jahrzehnte die wirklich üppig gestiegenen zusätzlichen Steuereinnahmen in Form sozialer Wohltaten als Wahlgeschenke an die Klientel ausgeschüttet hat; was haben sich da „wohlmeinende“ linke Gruppen mit Forderungen überschlagen nach dem Motto „das Geld ist doch da“.

    Sparen und Schuldenabbau sind sicherlich die schlechteren Alternativen zu Modernisierungen der Ministerial-Bürokratie oder zu zu sinnvollen Investitionen in Sachen Bildung, Digitalisierung, Energie, Gesundheit, Klima, Militär, Pflege, Umwelt, oder Verkehr, aber es waren die besseren Alternativen zum einfachen Verjubeln.

    Ich stimme zu, dass man jetzt viel Geld braucht. Aber zu wissen, wie sehr man es vorher verschleudert hat, und zu verstehen, wieviel der aktuellen Ausgaben durch unsere unsäglichen Strukturen vergeudet wird, macht mich wirklich aggressiv.

    5) Ungeimpfte? „Kann nicht wahr sein, dass die Politik diese Menschen aufgegeben hat“ (Interview mit Ulrich Weigeldt)
    … [die] … Corona-Kommunikation … ist einfach nur ein Volldesaster. Ich habe mittlerweile so keine Lust mehr auf den ganzen Mist, ich kann das gar nicht in Worte fassen. Aber entschiedener Widerspruch bei „es kann nicht sein, dass die Politik diese Menschen aufgegeben hat“. Doch, kann sein.

    Zustimmung zu beidem. Die Kommunikation taugt nicht, und wer nicht will, hat schon.

    6) Lindner widerspricht und stellt Steuersenkungen für 2023 in Aussicht
    Das ist einfach so typisch FDP.

    Warum stört Dich das? Die FDP ist die einzige der im Bundestag vertretenen Parteien, deren Zielgruppe die Leistungsträger der Gesellschaft sind. Du wirfst den Grünen ja auch nicht vor, dass sie sich auf Klimapolitik kaprizieren.

    7) Tweet
    Für Friedrich Merz ist Klimaschutz ein Klientel-Thema, auf demselben Level angesiedelt wie Hilfen für Porsche. Ob man Windräder baut oder Katalysatorregeln für den Zuffenhausener Autobauer aufweicht, ist ihm grundsätzlich gleich – nur schmiert die eine Industrie sein Brot und die andere das von Habeck, gewissermaßen.

    Warum liegt er da falsch?

    Sicherlich, der Klimawandel wird alle betreffen, wir werden alle darunter leiden. Klimaschutz tut Not. Aber WIE man den Klimaschutz macht, ist Klientelpolitik.
    Dass unsere Wirtschaft floriert, dass die Menschen Jobs haben, Geld haben, betrifft ebenfalls alle. Aber WIE man mit Unternehmen und Leistungsträgern umgeht, ist ebenfalls Klientelpolitik.

    8) „Ausgaben befeuern Inflation“ (Interview mit Christian Lindner)
    Das 9-Euro-Ticket ist eine der erfolgreichsten Maßnahmen der letzten Jahre.

    Bevor ich diesen Satz zerpflücke, definiere „erfolgreich“

    i) Habe nichts hinzuzufügen, spreche aber eine unbedingte Leseempfehlung aus.
    Danke.

    j) Spannender Thread über Thomas Manns Verhältnis zum Kommunismus.
    Kommt mir vieles auch in der heutigen Zeit unter.

    m) Super spannender Einblick, wie die kleinen Anfragen die Berliner Verwaltung lahmlegen. Wie so oft: gut gemeint kann problematische Nebenwirkungen haben.
    Das geht bei uns überall so zu.

    • Stefan Sasse 1. August 2022, 20:25

      2) Verstehe ich. Mir geht es so bei der Energiewende. Hilft aber alles nichts.

      6) Nö, ich mach denen auch keinen Vorwurf aus Interessenpolitik, nur soll man das auch so benennen,

      7) Porsche macht keine Klimaschutzpolitik, das ist mein Punkt.

      8) Mehr Leute nutzen ÖPVN, was die Absicht war.

      • Erwin Gabriel 3. August 2022, 11:11

        @ Stefan Sasse 1. August 2022, 20:25

        2) Schuldenbremse
        Verstehe ich. Mir geht es so bei der Energiewende. Hilft aber alles nichts.
        Das Kind liegt bereits im Brunnen, also Schwamm drüber? Nervt mich, diese Einstellung. Man muss ja auch verhindern, dass solche Entgleisungen sich ständig wiederholen. Aus Bequemlichkeit Geld verschwendet? An den Pranger gestellt, mit dem Finger drauf gezeigt. Klimawandel versaut? An den Pranger gestellt und mit faulen Tomaten beworfen.
        Allein, dass sich Politiker gegenseitig und generationsübergreifend die Persilscheine ausstellen, nervt. Dass es Bürger gibt, die das akzeptieren, nervt noch mehr.

        6) FDP
        Nö, ich mach denen auch keinen Vorwurf aus Interessenpolitik, nur soll man das auch so benennen.
        Da lügst Du Dir in die eigene Tasche: Zum einen wirfst Du ihnen die Interessenpolitik vor. Zum anderen tust Du (nicht immer, aber immer wieder) so, als würden andere Parteien keine Interessenpolitik machen, bzw. als wären andere Policies keine durch Interessen bestimmte Politik.

        7) Porschegate
        Porsche macht keine Klimaschutzpolitik, das ist mein Punkt.
        War er nicht 🙂
        Ansonsten finde ich Hintenrum-Kungeleien zwischen Politik und Wirtschaft widerlich.

        8) 9-Euro-Ticket
        Mehr Leute nutzen ÖPVN, was die Absicht war.
        Hmm, bist Du Dir da wirklich sicher?
        Ich habe das so verstanden, dass das 9-Euro-Ticket Flüge und Autofahrten substituieren soll. Das gelingt nur sehr eingeschränkt. Das Ziel war nicht, den öffentlichen Verkehr auszuweiten, koste es, was es wolle. Aber das ist geschehen.
        Dass nebenbei niemand zusätzliche Waggons und mehr Personal für notwendig hielt, zeigt auch, wes Geistes Kind die Entwickler des Konzepts sind. Ist daher nicht mehr als reine Symbolpolitik.
        Zugegeben: Sollte die Intention des 9-Euro-Tickets gewesen sein, den weniger Begüterten zusätzliche billige Möglichkeiten zum Reisen zu geben, ist das Ziel erreicht. Aber das ist dann kein Klimaschutz, sondern eine weitere indirekte Sozialleistung.

        • Stefan Sasse 3. August 2022, 11:59

          2) Ja, aber was ist die Alternative? Die meisten der dafür verantwortlichen Politiker*innen sind doch gar nicht mehr im Bundestag oder an der Regierung. Scholz ist glaube ich fast der einzige.

          6) Den Eindruck will ich nicht erwecken. Alle Parteien betreiben Interessenpolitik, weil jede Politik Interessenpolitik ist. Allein, nicht alle Interessen sind gleich.

          7) Wer nicht? Aber die wird es immer geben. Die gehören quasi dazu.

          8) Also, so zumindest hab ich es verstanden. Das Ding ist ja so ein bisschen ein Rorschachtest langsam, alle sehen darin, was sie sehen wollen 😀 Aber ich zumindest hab es sehr aktiv zur Substitution benutzt. Durch das 9-Euro-Ticket bin ich sehr viel weniger Auto gefahren, weil sich kurze, auch spontane Fahrten plötzlich lohnen. Normalerweise sind die viel zu teuer, als dass das eine Alternative wäre.

          • Erwin Gabriel 3. August 2022, 14:52

            @ Stefan Sasse 3. August 2022, 11:59
            2) Die meisten der dafür verantwortlichen Politiker*innen sind doch gar nicht mehr im Bundestag oder an der Regierung. Scholz ist glaube ich fast der einzige.
            Den Gerhard Schröder jagt man doch auch durch jede Gosse. Und dass der bei Rosneft aktiv war, hat uns eher genutzt als geschadet. Nordstream 2 nach der Annexion der Krim durch Russland und trotz der lautstark geäußerten Bedenken der Ost-EU-Länder und von Nato-Staaten durchzuziehen, ist im Vergleich dazu eine andere Nummer. Merkel hinhängen, Steinmeier hinhängen, wäre ein Anfang.
            Oder 2013 zu sagen, dass Internet Neuland ist …
            Der erste Aldi-PC kam 1996 auf den Markt.

            6) Den Eindruck will ich nicht erwecken.
            Das denke ich mir, dass Du den Eindruck nicht „erwecken willst“ 🙂 . Ist aber unvermeidlich, so wie Du Dich äußerst.

            Alle Parteien betreiben Interessenpolitik, weil jede Politik Interessenpolitik ist. Allein, nicht alle Interessen sind gleich.

            Here we go again …
            Der Kampf gegen den Klimawandel ist sicherlich die aktuellste aller lang- und mittelfristigen Aufgaben. Wenn das Ergebnis von Klimapolitik ist, die Wirtschaft zu ruinieren, hat man was falsch gemacht. Beides – Kampf dem Klimawandel, Erhalt der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft – sind unabdingbare Voraussetzungen für unsere Zukunft. Ja, wie das geschieht, ist Klientelpolitik, auf jeder Seite. Aber so wie der Kampf gegen den Klimawandel (losgelöst von der interessengeleiteten Detailpolitik) eine übergeordnete Aufgabe ist, ist es auch der Kampf um den Erhalt der deutschen Wirtschaft (bei der die Detailpolitik natürlich auch interessengeleitet ist).

            Bei beiden Aufgaben stehen wir schlechter da, als wir dürften. Beim Klima siehst Du das, bei unserer Wirtschaft (durch die alle anderen Leistungen erst möglich werden) siehst Du das nicht.

            8) Also, so zumindest hab ich es verstanden.
            Irgendjemand hier im Forum haut jedem einen um die Ohren, der „anekdotische Evidenz“ als Argument einsetzt. Wer war das nochmal ???

            • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:27

              2) Ja, aber das ist doch mein Punkt: diese Politrentner sind doch durch.

              6) Nein, ich sehe das durchaus. Aber erhalten wir unsere Volkswirtschaft oder einzelne Geschäftsmodelle und Unternehmen? Das sind zwei sehr unterschiedliche Paar Stiefel.

              • Thorsten Haupts 4. August 2022, 14:30

                Zu 6)
                Noch genauer – wir sollten in Deutschland den industriellen Kern unserer Volkswirtschaft erhalten. Womit die Kluft zwischen Volkswirtschaft und Geschäftsmodell allerdings deutlich kleiner wird.

              • Erwin Gabriel 5. August 2022, 12:03

                @ Stefan Sasse 3. August 2022, 18:27

                Aber erhalten wir unsere Volkswirtschaft oder einzelne Geschäftsmodelle und Unternehmen? Das sind zwei sehr unterschiedliche Paar Stiefel.

                Bin da bei Thorsten.

                Grundsätzlich sind einzelne Unternehmen und Geschäftsmodelle wichtig, aber nicht systemisch von übergeordneter Bedeutung. Immer wieder sterben Geschäftsmodelle (Fuhrbetriebe mit Pferdekutschen, die Produktion von Wählscheiben-Telefonen etc.) oder Unternehmen (Borgward, Hentschel, Karstadt), oder verändern sich stark (z.B. wurde aus der Preussag die TUI). Das ist nicht das Problem.

                Was zählt, ist ein Umfeld, indem unsere (Volks-)Wirtschaft, indem die deutschen Unternehmen in der Lage sind, die Menschen hier zu beschäftigen, zu ernähren, die erforderlichen Summen für den Erhalt des Staats zu finanzieren. Unsere Wirtschaft hat (noch) eine hohe Leistungsfähigkeit, aber das ist eben nicht selbstverständlich.

                • Stefan Sasse 5. August 2022, 12:14

                  Aber da widerspreche ich doch gar nicht?

                  • Erwin Gabriel 5. August 2022, 22:20

                    Hallo Stefan,
                    Ich hatte Deinen Kommentar als Frage verstanden.

                    • Stefan Sasse 6. August 2022, 11:15

                      War es ja auch. Ich glaube, wir haben uns da missverstanden irgendwo zwischendrin. Aber macht ja nichts 🙂

          • Stefan Pietsch 4. August 2022, 18:29

            8) Durch das 9-Euro-Ticket bin ich sehr viel weniger Auto gefahren, weil sich kurze, auch spontane Fahrten plötzlich lohnen. Normalerweise sind die viel zu teuer, als dass das eine Alternative wäre.

            So ist das doch nicht gewollt, oder? Genau solche spontanen Fahrten sollen ihren Preis haben. Wenn Du’s Dir nicht leisten kannst, verzichte darauf. Das ist gut für die Umwelt, gut für Deine Mitmenschen (weniger Leute unterwegs), gut fürs Bahnpersonal.

            Genau solche Spontanaktionen wollen Grün-Linke deutlich reduzieren. Findest Du das gut? Oder falsch? Das ist die eigentlich interessante Frage.

            • Stefan Sasse 5. August 2022, 08:33

              Wieso denn das? Ich rede davon, spontan STATT AUTO den ÖPVN zu nehmen. Nicht spontan in die Heide fahren.

              • Stefan Pietsch 5. August 2022, 10:22

                Das ging für mich nicht klar hervor. Das war mein Punkt. Dennoch bleibt die Aufforderung von Grünen und Klimaaktivisten, auf die Hälfte solcher „nicht notwendigen“ Fahrten zu verzichten. Soweit würde der Klimaschutz bei Dir aber nicht gehen?

                • Stefan Sasse 5. August 2022, 12:10

                  Ich verstehe nicht, was du meinst.

                  • Stefan Pietsch 5. August 2022, 14:15

                    Umweltverbände und die Grünen fordern (oder fordern auf) auf die Hälfte der „nicht notwendigen Fahrten“ zu verzichten. Zusammen mit einem Tempolimit hätte man damit die durch den Krieg notwendigen Einsparungen bei der Energie zusammen.

                    • Stefan Sasse 5. August 2022, 19:09

                      Ich habe in den letzten zwei, drei Jahren meine Fahrten generell massiv reduziert. Ich fahre inzwischen teilweise über eine Woche gar kein Auto mehr. Also von daher, ja. Ich leiste meinen Beitrag.

              • Erwin Gabriel 5. August 2022, 11:29

                @ Stefan Sasse 5. August 2022, 08:33

                Wieso denn das? Ich rede davon, spontan STATT AUTO den ÖPVN zu nehmen. Nicht spontan in die Heide fahren.

                Ja, Du.
                Andre fahren spontan in die Heide (oder nach Sylt 🙂 )

                • Stefan Sasse 5. August 2022, 12:13

                  Ich bin gerade auf Sylt, und das mit der Bahn. 😀

                  • Stefan Pietsch 5. August 2022, 13:57

                    Sag‘ bitte nicht mit dem 9-Euro-Ticket.

                    • Stefan Sasse 5. August 2022, 19:08

                      Ab Hamburg mit dem 9-Euro-Ticket. Ich wäre die ganze Strecke gefahren, aber das dauer 14,5 Stunden und das setzt voraus, dass alle Züge pünktlich sind (hahahahahahaha). Mein ICE von Stuttgart nach Hamburg, fährt durch ohne Umsteigen, hatte 107 Minuten Verspätung, bei 5,5 Stunden Fahrtzeit gesamt.

                    • Stefan Pietsch 5. August 2022, 21:09

                      Und Du findest fast 2 Stunden Verspätung okay?

                    • Stefan Sasse 6. August 2022, 11:12

                      Kein Stück, das ist ja genau mein Punkt. Aber das liegt ja nicht am 9-Euro-Ticket, mit dem darfst du ICE ja gar nicht fahren.

    • CitizenK 5. August 2022, 19:48

      „Wahlgeschenke“

      In dem Wort steckt ziemlich viel Verachtung für den mündigen Bürger, den „Souverän“. Dem doch eigentlich die ganze Veranstaltung dient.

      • Stefan Sasse 5. August 2022, 19:50

        Jepp, ich hasse dieses Wort. Es ist rein pejorativ und beschreibt auch immer nur, was man selbst nicht leiden kann.

      • Erwin Gabriel 7. August 2022, 18:38

        @ CitizenK 5. August 2022, 19:48

        [„Wahlgeschenke“]

        In dem Wort steckt ziemlich viel Verachtung für den mündigen Bürger, den „Souverän“. Dem doch eigentlich die ganze Veranstaltung dient.

        Wie kann man nur so viele Fehlannahmen in einen Satz packen 🙂

        Ich würde nicht „Verachtung“ sagen, sondern „Realität“. Helmut Kohl hat mit der Umsetzung der Deutschen Einheit etwas für unser Land und unsere Gesellschaft erreicht, und Gerhard Schröder hat sich mit der Agenda 2010 auch aus der Deckung der eigenen Partei herausgewagt. Alles an Policies, was folgte, war auf Wählerschaft gezielte Klientelpolitik.

        Dann fällt es mir schwer, das Wort „mündig“ in einen logischen Zusammenhang mit dem Wort „Bürger“ zu stellen. Schon uns beide, die ich in Sachen Politik- und Gesellschaftsverständnis bzw. -interesse (grob und zum Vorteil des Rests geschätzt) zu den oberen 10 Prozent der Bevölkerung zähle, sind uns kaum über uns einig. Über Reichsbürger, Corona-Leugner, 1.-Mai-Apologeten etc. habe ich da noch gar nicht gesprochen.

        Der „Souverän“ ist auch nicht souverän, wenn jede Regierung im Großen und Ganzen ihr Ding macht und, wenn es gut läuft, ein Drittel der Bürger vertritt.

        Und das die Aktivitäten der Politik als oberste Priorität das Wohl des Volkes im Auge haben, was doch durch Deinen „mündigen Bürger“ impliziert wird, erfährt bereits durch die folgende Begriffswahl „Souverän“ (= Wahlberechtigte) eine erste Einschränkung.

        Als weiteren Beleg möchte ich Stefan Sasse anführen, der den Begriff „Wahlgeschenke“ als Beschreibung für etwas wahrnimmt, „was man selbst nicht leiden kann“, sich mithin auf etwas bezieht, was nicht allen zugutekommt und nicht von allen Bürgern, auch nicht von allen Wahlberechtigten, gewünscht wird; eine Formulierung, die ich dahin gelten lasse, dass eben jede Partei versucht, bei der Verteilung von Geld (=Geschenke) ihre Zielgruppe zu versorgen.

        Auch das „Vorschläge“ dafür in der Regel im Vorfeld einer Wahl vorgestellt werden, stützt meine Wahrnehmung.

        Es grüßt
        E.G.

        • CitizenK 7. August 2022, 22:51

          Die Idee der repräsentativen Demokratie: Die Bürger wählen Vertreter und lassen diese dann machen. Dazu brauchen sie Stimmen bzw. Mehrheiten. Demokratie ist, wenn die Wähler-Mehrheit kriegt, was sie will. Nach dem Mehrheitsprinzip stehen diese für das Volk, eben den „Souverän“.

          Folglich sind Wohltaten, die vor der Wahl zugesagt werden – „Wahlgeschenke“ – nichts, was man den Politikern vorwerfen kann. Den Souverän kann man nicht kaufen. Genau das aber insinuiert der Begriff „Wahlgeschenke“.

          Wenn aber das Volk gar nicht so souverän ist und mehrere Legislaturperioden hintereinander eine Regierung wählt, die ihm auf Dauer nicht gut tun – Merkel und ihre Regierung? Die ihr doch für die aktuelle Misere hauptsächlich verantwortlich macht.

          Gleichzeitig redet ihr aber der Eigenverantwortung das Wort. Die mündigen Bürger wüssten schon – besser als die Politiker – was zu tun ist. Diesen Widerspruch wollte ich deutlich machen.

          • Stefan Sasse 8. August 2022, 08:33

            Auch mein Punkt. Da steckt eine Verachtung für „die anderen“ drin. Die lassen sich kaufen, während man selbst natürlich rationale, gemeinwohlorientierte Entscheidungen trifft.

            • Erwin Gabriel 8. August 2022, 15:14

              @ Stefan Sasse 8. August 2022, 08:33

              Auch mein Punkt. Da steckt eine Verachtung für „die anderen“ drin. Die lassen sich kaufen, während man selbst natürlich rationale, gemeinwohlorientierte Entscheidungen trifft.

              Nun ja, mein Bruder, beileibe kein Dummkopf, aber kinderlos, wählt grundsätzlich CDU, weil er da die höchste Rente erwartet. Der stimmte mir bei allem zu, was ich zu Merkel anzumerken hatte, und wählte sie dann aus Egoismus.

              Ja, Wahlgeschenke funktionieren. Und ich finde es irgendwas zwischen bedenklich, gefährlich und widerlich, dass Geldausgeben als Qualifikation für höhere politische Ämter gesehen wird. Das gilt für alle Parteien, ich habe da noch nie eine ausgenommen

              Und da Du meine Kommentare hier schon länger verfolgst, wirst Du wissen, dass ich nicht für ein bequemes Leben, hohe Rente oder sonst etwas argumentiere, sondern für eine bessere Leistungsfähigkeit unseres Staates, selbst wenn das in Einzelfällen zu meinen Lasten gehen würde.

              Wenn Du das Verachtung nennen willst, mach das halt. Aber nicht meine Einstellung ist gefährlich, sondern eher die der anderen.

              • Stefan Sasse 8. August 2022, 18:30

                Wenn ich nach meinen wirtschaftlichen Interessen wählen würde, machte ich mein Kreuz auch bei CDU oder FDP…

                • CitizenK 8. August 2022, 19:09

                  Das wäre auch nicht ehrenrührig. Aber auch wer eine intakten Umwelt für sich höher gewichtet, wählt ja nach seinen Interessen. Pluralismus halt.

                  • Stefan Sasse 8. August 2022, 21:01

                    Davon abgesehen wählen die Leute üblicherweise überwiegend aus identitätspolitischen Gründen 😉

                    • Erwin Gabriel 9. August 2022, 08:38

                      @ Stefan Sasse 8. August 2022, 21:01

                      Davon abgesehen wählen die Leute üblicherweise überwiegend aus identitätspolitischen Gründen 😉

                      sehr „souverän“ 🙂

                    • Stefan Sasse 9. August 2022, 10:47

                      Nichtsdestotrotz wahr.

          • Stefan Pietsch 8. August 2022, 11:09

            Folglich sind Wohltaten, die vor der Wahl zugesagt werden – „Wahlgeschenke“ – nichts, was man den Politikern vorwerfen kann.

            Sicher, die Mütterrente ist in dem Sinne kein Wahlgeschenk. Wenn aber die Transferausgaben des Staates justament in Wahljahren deutlich steigen und diese oft auf Pump finanziert sind – wie aktuell in Italien – dann reden wir zurecht von Wahlgeschenken, denn es geht darum, die Wähler den Regierenden wohlwollend zu stimmen. Das Problem damit ist halt immer, es passiert mit dem Geld derer, die bestochen werden.

            Politiker machen sich damit ein Informationsdefizit der Regierten zunutze. Die Wähler sind sowohl im Unklaren über die Kosten als auch die Relationen. Beispielhaft gilt hier, dass die Deutschen die Einkommensungleichheit so hoch wie in den USA einschätzen, obwohl sie eher unterdurchschnittlich ist. Politiker lassen das meist unerwähnt und die Studien der Forschungsinstitute werden nicht gelesen.

            Politiker sind nicht klüger als die regierte Bevölkerung. Aber wenn sie sich Informationsvorsprünge zunutze machen, um Wähler in ihrem Sinne zu beeinflussen, dann ist das sehr wohl Wählerbestechung.

          • Erwin Gabriel 8. August 2022, 15:18

            @ CitizenK 7. August 2022, 22:51

            Gleichzeitig redet ihr aber der Eigenverantwortung das Wort. Die mündigen Bürger wüssten schon – besser als die Politiker – was zu tun ist. Diesen Widerspruch wollte ich deutlich machen.

            Ist nur ein halber Widerspruch, aber ja. zwischen den Ohren sind die Menschen alles andere als gleich, und die Einstellung „wenn jeder nur an sich denkt, ist an jeden gedacht“ finde ich auch nicht so gut.

            Wie gesagt, „Mündig“ und „Bürger“ kriege ich nicht unter einen Hut.

            • CitizenK 8. August 2022, 16:28

              Das war mein Hintergedanke. Siehst du mir das nach?

              • Erwin Gabriel 9. August 2022, 08:44

                @ CitizenK 8. August 2022, 16:28

                Das war mein Hintergedanke. Siehst du mir das nach?

                Na klar. Ich bin kein Freund von Schwarz-Weiß-Denken. Ich finde in jeder Partei Punkte, die mir gefallen, und in jeder Partei Punkte, die ich ablehne.

                Ich bin kein Fan von Extrem-Kapitalismus, und schätze allzu brachialen Egoismus nicht so sehr. Ich verstehe aber durchaus, dass es für bestimmte Aufgaben Egoismus und ein gesundes Eigeninteresse braucht, und ich sehe, dass in erster Linie Unternehmer und Mittelstand unser Land mit ihren Initiativen, Ideen etc. am Laufen halten. Idealismus ist sicherlich schön, aber Du brauchst eben ausreichend Pragmatiker, Macher, Realisten, Unternehmer, um ihn Dir leisten zu können.

                • CitizenK 9. August 2022, 11:55

                  Völlig d‘accord.

  • Stefan Pietsch 1. August 2022, 20:37

    7) Tweet

    Das ist die Methodik, mit der Linke seit Jahrzehnten versuchen, andere Meinungen zu delegitimieren. Hervorragendes Beispiel.

    Die Interessen der Automobilindustrie (für die ja Porsche nur stellvertretend steht) sind reine Lobbyinteressen. So wie die (reicherer) Steuerzahler für niedrigere Steuern. Und jetzt kommt der Trick: Klimaschutz ist anders als Steuergerechtigkeit eine allgemeine gesellschaftliche Aufgabe. Entsprechend dienen linke Parteien und Organisationen bis hin zu Linksextremisten dem Allgemeinwohl.

    Einerlei, dass sie durch die Bank nicht einfach für Klimaschutz kämpfen. Sie verlangen ultimativ eine bestimmte Haltung und bestimmte Maßnahmen. Andere Maßnahmen werden wiederum delegitimiert. Wer darauf hinweist, dass der Klimawandel gar nicht mehr aufzuhalten ist und die Menschheit sich eher auf ein 4°-Ziel den ein 2°-Ziel einrichten müsste und deswegen mindestens die Vorkehrungen so betreiben müsste wie die Anstrengungen und die Emissionsvermeidung, ist ein Klimawandelleugner und ein Rechtsextremer. Andere Länder gehen längst so vor, Deutschland ist im Griff der Öko-Lobbyisten. Die dürfen nur nicht so genannt werden, weil, sie dienen ja einem höheren Ziel.

    • Stefan Sasse 2. August 2022, 08:12

      Porsches Interessenvertretung ist völlig legitim. Was ich anprangere ist die Gleichsetzung.

      • Stefan Pietsch 2. August 2022, 10:19

        Das Interesse von Klimaaktivisten ist völlig legitim. Was ich anprangere, ist die Gleichsetzung der Lobbyinteressen mit allgemeinen Interessen.

        • Stefan Sasse 2. August 2022, 11:43

          Für Klimaschutz einzutreten ist Allgemeininteresse. Welche Art von Klimaschutz ist Lobbyinteresse (Solar, Wind, ÖPVN, eFuels, whatever). Das ist übrigens auch mit einer der Gründe, warum FFF so einbricht, aber ich habe ja darüber geschrieben.

          • Stefan Pietsch 2. August 2022, 11:56

            Für ein faires, leistungsgerechtes Steuersystem auch. Doch es ist purer Lobbyismus, den Ausbau von Windenergie zu fordern und zu fördern, eine Technologie, die mit enormen Flächenverbrauch zulasten privater Bürger einhergeht. Schon die Forderung nach einem bestimmten Ziel (2°) ist grenzwertig ob Lobbyismus oder Allgemeinwohl, aber darüber hinausgehend zu einzelnen Maßnahmen reden wir immer von Lobbyismus. Und da stehen alle Maßnahmen auf der gleichen Stufe, egal ob ich Gutes für die Solarbranche oder die Automobilindustrie fordere.

            • Erwin Gabriel 3. August 2022, 11:15

              @ Stefan Pietsch 2. August 2022, 11:56

              Und da stehen alle Maßnahmen auf der gleichen Stufe, egal ob ich Gutes für die Solarbranche oder die Automobilindustrie fordere.

              Yep.

            • Lemmy Caution 3. August 2022, 11:40

              Erwartete Externe Effekte von politischen Maßnahmen sind neutral?
              Das nenne ich mal radikal.
              Unterstützung für regenerative Energien ist ja Teil unserer Strategien gegen die Bedrohung des Klima-Wandels.

              • Thorsten Haupts 3. August 2022, 13:35

                Das, Sir, ist genau der Punkt: Die politische Festlegung auf Wind- und Solarenergie (anstatt bspw. Nuklearenergie, Geo-Engineering, CO2-Lagerung oder Umsiedlung) IST das Ergebnis von Lobbyarbeit. Und es macht Lobbyarbeit nicht weniger lobbyistisch, dass sie zu einem Zeitpunkt X genau zu den Prioritäten der Politik passt.

                Zur Bewältigung des Klimawandels gibt es einige dutzend denkbare Massnahmen, sich auf die Massnahmen a und b festgelegt zu haben, ist eben nicht das Ergebnis rationaler Politikabwägung aus der Vogelperspektive, sondern das Ergebnis gezielten Lobbyismus. Darauf will Stefan P hinaus – und damit hat er natürlich Recht.

                Nur dass die Berufung eines ehemaligen Porsche-Geschäftsführers zum Staatsekretär im Verkehrsministerium ein echte Skandal wäre …

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • CitizenK 3. August 2022, 14:49

                  „eben nicht das Ergebnis rationaler Politikabwägung“

                  Doch. Genau das. Alle genannten Alternativen haben Nachteile und/oder Gefahren. Weshalb sie eben abgelehnt werden.

                  • Thorsten Haupts 3. August 2022, 16:55

                    Wo soll ich da anfangen? Ich lasse es einfach – für Sie sind wegen der Nachteile/Gefahren Sonnen- und Windenergie der einzig rational gangbare Weg, egal, ob das den Klimawandel aufhält oder nicht. Der ja – angeblich – eine existenzbedrohende Menschheitsgefahr darstellt …

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:33

                      Die Klimakrise bedroht uns unzweifelhaft als Zivilisation. Die Spezies übersteht ihn wahrscheinlich. Aber dasselbe gilt auch für einen Atomkrieg.

                  • CitizenK 3. August 2022, 17:26

                    „Rational abgewogen“ ist also nur dann, wenn am Ende des Prozesses rauskommt, was Du richtig findest.

                    Und: Die Abwägungen wurden getroffen VOR dem Überfall auf die Ukraine. Jetzt wird neu abgewogen. Bei den Grünen, aber nicht bei den Atomfans. Deren Haltung stand schon immer fest wie der Beton der Meiler.

                    • Thorsten Haupts 7. August 2022, 17:35

                      Nur als freundlicher Hinweis: Bei konsequentem Ausbau der Kernenergie würden wir jetzt nicht über Klimawandel reden. Offenkundig hatten die Atomfans recht.

                      https://www.youtube.com/watch?v=ZdeJZCssSiI

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 8. August 2022, 08:29

                      Frankreich hatte Strommangel und musste von uns Gasstrom kaufen, weil die Kühlungssysteme versagten…

                    • Thorsten Haupts 8. August 2022, 13:14

                      Problem hätte es mit ausreichend europäisch-amerikanisch-japanischen Kernkraftwerken gar nicht gegeben, weil es ja keinen Hitzesommer hätte geben können? Der ist ja – ganz sicher, sagen Experten – ausschliesslich Folge des Klimawandels.

              • Stefan Pietsch 3. August 2022, 14:05

                Warum ist der Einsatz für Windkraft eine für das Allgemeininteresse, der für Atomkraft aber Lobbyismus? Und wieso ist der Ausbau regenerativer Energien überhaupt im allgemeinen Interesse? Das sind doch Fragen, die durch demokratische Wahlen entschieden werden und nicht durch einzelne politische Parteien, nicht durch Wissenschaftler und schon gar nicht durch Aktivisten.

                • Lemmy Caution 3. August 2022, 20:05

                  For the record: Ich bin für den Weiterbetrieb der Atommeiler für 10 Jahre.
                  Gegenfrage: Warum ist es im allgemeinen Interesse, dass es keine differenzierte Mehrwertssteuer für Luxusgüter gibt? Lassen wir es durch demokratische Wahlen entscheiden… bitte nicht.
                  In vielen Ländern werden die regenerativen Energien massiv ausgebaut. Deutschland ist in der Zahl „Beitrag der regenerativen Energien an der Stromerzeugung“ gerade von Spanien und Chile überholt worden. Diese vielen Entscheidungen für z.B. Windkraft werden von Menschen mit höchst unterschiedlichen Grundüberzeugungen getroffen… so funktioniert Marktwirtschaft.
                  Auch wenn man sein Leben mit einem eindrucksvollen Arbeitseinkommen bestreitet, muss man nicht alles bestreiten, was nicht auf einen Bierdeckel neoliberaler Rhetorik passt.

                  • Stefan Pietsch 3. August 2022, 21:46

                    Zuerst zu den Fakten (die Linke standardmäßig bestreiten).

                    (1) Deutschland ist ein in Summe vergleichbar hoch besteuernder Staat. Wenn wir uns nicht mit den Skandinaviern (so 20 Millionen Einwohner), den Belgiern oder den Franzosen (traditionell sehr hohe Steuerquote jenseits 50%) vergleichen wollen, bleibt nicht viel.

                    (2) Die Besteuerung der Einkommen und Gewinne ist sehr hoch.

                    (3) Die Besteuerung von Konsum ist durchschnittlich.

                    (4) Die Besteuerung von Vermögen ist unterdurchschnittlich.

                    Du kannst mit mir über wahnsinnig viel diskutieren. Mit Linken nicht. Wenn jemand nix wüsste, so, um welches Land es sich handelt, würde er als vernünftige Policy vorschlagen:

                    (1) Es ist nicht sinnvoll, das ohnehin hohe Steuer- und Abgabenniveau weiter auszudehnen. Zu groß wäre die Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen.

                    (2) Das Land sollte die Belastung der Einkommen senken.

                    (3) Das Land sollte das Niveau der Konsumbesteuerung beibehalten.

                    (4) Das Land könnte die Besteuerung der Vermögen maßvoll erhöhen.

                    Leider bin ich nicht von vernünftigen Leuten umgeben, sondern von Ideologen. Warum soll ich aber über Absurdes diskutieren?

                    Deutschland ist in der Zahl „Beitrag der regenerativen Energien an der Stromerzeugung“ gerade von Spanien und Chile überholt worden.

                    Und? Viele kennen weder Spanien noch Chile. Du schon. Warum kommst Du mit so etwas? Chile hat eine sehr große Wüste (Idealer Ort für Solar!!!) und eine extrem lange und windreiche Küste – die übrigens in Nähe zu den Industriezentren liegt.

                    Spanien ist ebenfalls sehr sonnenreich. Spanien hat aufgrund der Lage der Iberischen Halbinsel nicht nur viele Berge, sondern auch viele Winde. In Deutschland haben wir rund 30% des Jahres Windflaute. Von der Sonnenflaute rede ich gar nicht. Problemlos wird Windkraft an der Küste erzeugt. Dummerweise ist Deutschlands Küste relativ wenig und maximal von den Industriezentren entfernt – wo wiederum relativ wenig Wind weht.

                    Das sind Deine Vergleiche. Naturgegeben. Und das passt nicht auf einen Bierdeckel, sollte man aber als Globetrotter wissen und anderen nicht als Pseudoargumente unterschieben.

                    • Lemmy Caution 4. August 2022, 08:16

                      kurz, weil wenig Zeit.
                      1. Besteuerung:
                      Meine Grundüberzeugung ist ja diese:
                      a) Die Nord/Mitteleuropäische Idee des starken Sozialstaats ist eine verdammt gute. Das System benötigt einen hohen Grad der Umverteilung.

                      b) Dies darf allerdings das Funktionieren der Marktwirtschaft nicht zu stark schädigen. Die Marktwirtschaft sorgt letztlich v.a. für Anreize, um produktiv tätig zu werden.

                      c.) Besteuerung des Konsums: Der Großteil läuft über die Mehrwertssteuer. Die stieg über die Jahre in Deutschland an. Hier faszinierender Link: https://www.zinsen-berechnen.de/mehrwertsteuer-umsatzsteuer/historische-entwicklung-mehrwertsteuer-deutschland.php
                      Allerdings wirkt die Mehrwertssteuer nicht progressiv, d.h. Leute mit hohen verfügbaren Mitteln werden genauso besteuert wie Leute mit niedrigen. Mit der Wohlstandsmehrung von Gesellschaften kann die Konsumbesteuerung maßvoll angehoben werden.

                      d.)Ich bin völlig für eine stärkere Besteuerung der Vermögen. Wenn Maßnahmen zur Besteuerung von Vermögen nachweisen, dass sie wirklich die Einnahmen des Staates erhöhen, können die Arbeitseinkommen um einen ähnlichen Betrag gesenkt werden.

                      2.
                      Ich informiere mich über unseren Nationalstaat hinaus. Zum einen wird unsere Welt immer globaler und zum anderen gibt das eine Möglichkeit der vergleichenden Betrachtung. Aktuell schaue ich im Schnitt 2 Stunden argentinische Info am Tag. Was dort aktuell politisch passiert ist tragisch, bedrohlich und großes Kino. Es ist übrigens ein Fall, wo 1. b (s.o.) wirklich massiv beschädigt ist.
                      Globetrotter passt eigentlich nicht. Mein Blick ist über die Jahre immer nüchterner, skeptischer und bewußter für die Vorzüge meiner eigenen Gesellschaft geworden.

                      3. Regenerative Energien
                      a) Für mich stellt globale Erwärmung und weitere Einflüsse der Spezies Mensch auf die Umweld eine ernsthafte Bedrohung unserer Zukunft dar.
                      Regenerative Energien versprechen eine Linderung der negativen Effekte.
                      b) Unsere starke Abhängigkeit von fossilen Energieträgern führt auf den Märkten für zeitweise extrem hohe Profite aus der Erzeugung derselben. Leider werden nicht alle Lagerstätten von fossilen Energieträgern von reifen Gesellschaften wie die Norwegens kontrolliert. Die windfall profits sorgen anderswo zur erdrückender Konzentration von politischer Macht. Dies ist mir in der Beschäftigung mit venezolanischer Politik (ca 2009 bis 2017) so richtig bewußt geworden. Wir haben weitere Kandidaten, in denen dieses Problem sich sehr stark auswirkt -> Moskowien (aka Russland), Iran, Saudi Arabien

                      c) Europäische Unternehmen mit Kenntnissen in der Umsetzung von Projekten zur Erzeugung Regenerativer Energien verdienen sehr gutes Geld im Ausland. Gilt auch für Experten. Ich hörte aus gut-informierter Quelle, dass etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten europäischen Experten Gehälter von 250 Tsd bis 500 Tsd Euro zahlten. In den VAE gibts keine Einkommenssteuer, btw. Bezüglich der frühzeitigen Förderung der Regenerativen Energien in Deutschland schlägt sich Lists Infant Industry Argument wohl sehr gut. Im Importsubstituierungs-Wahn Argentiniens 1946 bis heute offenbar nicht.
                      It depends.

                    • Stefan Pietsch 4. August 2022, 10:42

                      Das ist bei Dir kurz?! Was bitte ist dann lang?

                      Wir haben in Europa keinen Sozialstaat, sondern Wohlfahrtsstaaten. Im Sozialstaat werden die Bedürftigen unterstützt, im Wohlfahrtsstaat kommen die Transfers prinzipiell allen zugute, bedürftig oder nicht. Der Sozialstaat ist zu niedrigen gesellschaftlichen Kosten zu haben, der Wohlfahrtsstaat droht immer wieder Politik, Demokratie und die Gesellschaft in Gänze zu korrumpieren. Die Korruption ist erkennbar in den Wahlkämpfen: Deutsche, italienische, griechische, französische Regierungspolitiker bestechen ihr Wahlvolk mit neuen Transferversprechen. Es ist genau das, was ich zutiefst ablehne.

                      Konsumbesteuerung: In Deutschland gelten allein bei der Umsatzsteuer drei Steuersätze, wovon nur der Höchstsatz in den letzten 40 Jahren mehrmals erhöht wurde. Genau das sorgt sehr wohl für eine gewisse Progression. Nur wird vergessen, dass für einen Porsche weit mehr Steuern anfallen als für einen Renault Twingo. Und bitte, was ist Geld wert, wenn man es nicht zur Bedürfnisbefriedigung ausgeben kann?

                      Vermögensbesteuerung: Die Besteuerung von Vermögen ist viel kostenintensiver und weit weniger ergiebig als die Besteuerung von Einkommen und Konsum. Genau deswegen hat sich in den Jahrzehnten nach dem Krieg eine starke Verschiebung der Aufkommen in allen OECD-Ländern ergeben. Das ist kein Zufall. Die Besteuerung von Vermögen dient vor allem der Befriedigung von Gerechtigkeitsvorstellungen, weniger zur Staatsfinanzierung. Dafür sind die Leistungsansprüche längst zu hoch.

                      Nur, die Linken wollen ja zweimal umverteilen: Zum einen ist die Bereitschaft, überhaupt Freiheit über die eigenen Möglichkeiten den Bürgern zurückzugeben, unterausgeprägt. Vermögensbesteuerung soll zur Erhöhung der Leistungsversprechen herangezogen werden. Stefan ist ja auch immer an der Stelle ganz still. Wenn sich eine gewisse Kompensation nicht vermeiden lässt, dann bitte nur an die unteren Einkommensgruppen. Aber Vermögen wird immer im Mittel- und Oberbau der Gesellschaft gebildet. Linke wollen keinen Vermögensaufbau durch die Bürger.

                      Ich denke mir, dass Dir die Situation in Argentinien zusetzt. Ich lese mit Schrecken. Ich sehe Europa allerdings vor allem vergreisen. Alt, bequem, verteilen das was da ist, statt den Ehrgeiz und Leistungshunger der Menschen zu entfachen.

                      Deutschland mit den Großteil seiner Fläche für die Windkraft nutzbar machen, um 30% seines Primärenergiebedarfs hieraus ziehen zu können. Auf jeden Quadratkilometer, egal ob Wald, See oder Stadt, muss hierfür ein Windrad stehen. Das macht kein Land! Das ist Wahnsinn! Wir müssen die Dinge dort nutzen, wo sie zu geringen Kosten nutzbar sind und nicht dort, wo die gesellschaftlichen Kosten exorbitant wären.

  • Kning 2. August 2022, 10:13

    Zu 3
    Wie viel Schuld kann durch späteres Gutes Tun aufgewogen werden? Ich finde wir sollten uns einen realistischen Blick auf die Nachkriegszeit angewöhnen. Hitler war kein böser Geist, der die Deutschen verzaubert hat, sondern das NS-Regime profitierte von Opportunisten im Kleinen, wie im Großen. Das die Entnazifizierung nicht klappte war schon den Zeitgenossen klar. Die Spruchkammern mit ihren Persilscheinen waren von Anfang an eine Farce.
    In Summe muss man sagen, dass wir in der Aufarbeitung individueller Schuld als Deutschland keinen guten Job gemacht haben (aber immerhin besser als jedes andere Volk auf diesem Planeten mit Verbrechen dieses Ausmaßes umgegangen sind). Ich halte es hier mit Karl Jaspers:
    „Tausende haben in Deutschland im Widerstand gegen das Regime den Tod gesucht oder doch gefunden, die meisten anonym. Wir Überlebenden haben nicht den Tod gesucht. Wir sind nicht, als unsere jüdischen Freunde abgeführt wurden, auf die Straßen gegangen, haben nicht geschrien, bis man auch uns vernichtete. Wir haben es vorgezogen, am Leben zu bleiben, mit dem schwachen, wenn auch richtigen Grund, unser Tod hätte doch nichts helfen können. Dass wir leben, ist unsere Schuld.“

    Ich finde es wichtig kritisch auf die eigene Vergangenheit zu schauen. Ob Behörden, Unternehmen oder auch die eigene Familie. Das begangene Unrecht kann man nicht ungeschehen machen, all das gute was daraus später erwachsen ist, sollte man aber auch nicht im Lichte des Unrechts verdammen. Ich kann dem Grossvater ein andenken bewahren, mir aber auch bewusst machen, dass er eben auch Schuld auf sich geladen hat. Diese Ambiguität auszuhalten und damit umzugehen, dass ist unsere Herausforderung.

    Henri Nannen hat sich unzweifelhaft Verdienste um den deutschen Journalismus erworben. Insofern kann ich auch einen Preis nach ihm benennen, ich muss aber auch wissen, dass er eben kein strahlender Held ist, sondern eben auch ein erstes Leben als Waffen-SSler.

  • Dennis 2. August 2022, 10:44

    3)

    Zitat:
    „Der Artikel lässt mich etwas ratlos zurück.“

    Da gibt es möglicherweise Abhilfe: Man lese den Original-Artikel (in der ZEIT leicht zugänglich) statt einen Artikel über den Artikel. Das wirkt auch gegen den Stille-Post-Effekt.

    Zitat:
    „Es ist kein Zufall, dass die ganzen Debatten über die Bewertung von NS-Täterschaften jetzt wieder auftauchen,“

    Das, was da so zum Thema Nannen aktuell kolportiert wird, ist keine Debatte, sondern ausgemachter Schwachsinn. Merkwürdige Leute behaupten, sie wüssten was „Neues“, obwohl es substanziell nichts Neues gibt. Alle wesentlichen Fakten – einschl. Äußerungen Nannens („Ja, ich wusste es, und ich war zu feige, mich dagegen aufzulehnen.“) liegen vor, seit Jahrzehnten, einschl. die erfundenen und unwahren „Italien-Vorwürfe“ Löwenthals (ZDF-Magazin), die das ZDF in einer im Fernsehen vorgetragenen Erklärung förmlich zurücknehmen musste. Hierzu gab es auch eine Debatte (in diesem Fall ist der Begriff berechtigt), so ca. 1970, Nannen-Löwenthal im Fernsehen. Die Gnade meiner frühen Geburt^ erlaubte es mir als Jungspund, mir das anzugucken.

    O-Ton Nannen (bei anderer Gelegenheit) zum Nazi-Massenmord:

    „Ich wusste es…….Schaun Sie mal hier im Emden….die Leute haben doch gesehen, dass der Seligmann auf der anderen Straßenseite plötzlich abgeholt wurde….mir kann kein Mensch erzählen, dass meine Generation das nicht gewusst hat…..ne, ne ne…das waren WIR; meine Generation; Ob jemand daran beteiligt war, das macht schon einen Unterschied……aber wir können und doch nicht aus unserer Verantwortung davon stehlen.“

    Anders als heute üblich wurde aus dem Zusammenhang völlig klar, dass er sich in das WIR ausdrücklich inkludiert hat.

    Der soundsovielte Aufguss der Tatsache, dass Nannen ein Mitläufer war, was er nie bestritten hat, hat wohl eher was mit Leuten zu tun, die aktuell aufmerksamkeits-ökonomischen Bedarf haben.

    Jedenfalls ist klar: Was Nannen für die Liberalisierung (im breiten Wortsinn) der jungen Bundesrepublik publizistisch (in einer völlig anderen publizistischen Welt, die diesbezüglich mit der heutigen nichts mehr zu tun hat) geleistet hat, kapiert so manch einer heutzutage, der davon entfernt profitiert, offensichtlich nicht.

    Zitat:
    „Dass 1950 keine durchgreifende Säuberung möglich war, ….“

    Das, was Nannen geleistet hat, kann man durchaus als Säuberung bezeichnen, und zwar eine sehr effektive. Säuberung muss ja nicht unbedingt Kopfjägertum heißen. Auch andere Begriff-Interpretationen sind möglich.

    • Stefan Sasse 2. August 2022, 11:43

      Mir ging es ja aber eben gerade um den Artikel über den Artikel. 😀

  • CitizenK 3. August 2022, 12:06

    Für eine 4 köpfige Familie ist eine ÖPNV-Fahrt in die Stadt so teuer, dass sie ohne Äquivalent für das 9-Euro-Ticket mit dem Auto gemacht wird. Selbst das Parkhaus ist billiger. Fahrrad geht nicht immer.

    • Stefan Sasse 3. August 2022, 18:20

      Exakt das. Sobald zwei Personen unterwegs sind ist das Auto garantiert billiger, oft genug sogar für eine.

      • Stefan Pietsch 4. August 2022, 18:37

        Jauw, für die, die nicht rechnen.

        Ein Auto kostet im Monat mit allem zwischen 600 und 1.200 Euro. Dafür kann man einige Monatskarten kaufen. Die Behauptung hat nur einen wahren Kern, wenn man allein die Benzinkosten rechnet. Klar, aber wie war das mit Ersatzinvestitionen und Instandhaltung? Ach so, die fallen halt so an.

        Wie teuer muss Benzin eigentlich sein, dass man nicht mehr solche Aussagen bekommt? Die Grünen wollten mal 5 Mark auf den Liter, meinten das aber perspektivisch. Die Perspektive ist da. Aber gefällt offensichtlich nicht.

        • CitizenK 4. August 2022, 20:56

          Grenzkosten?

          • Stefan Pietsch 4. August 2022, 21:33

            Eben. Grenzkosten ist eine ganz kurzfristige Betrachtung. Unternehmen kalkulieren nicht zu Grenzkosten, sondern zu Vollkosten, selten Teilkosten.

            Wer seine vielen Autofahrten – viel unnötig heißt viele Fahrten – ist ein wirtschaftlicher Vollidiot. Sein Auto muss öfter in die Werkstatt, zur Inspektion, eventuell muss die Leasingrate erhöht werden (die meisten Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen sind in irgendeiner Form finanziert) und sehr schnell muss ein neues Auto angeschafft werden.

            Ich habe Bahnfahrten immer umgekehrt betrachtet: sie schonen die Abnutzung bzw. mein km-Budget bei der Leasing. Heute fahre ich einen Firmenwagen, aber auch da gibt es ein Budget.

        • Stefan Sasse 5. August 2022, 08:34

          Diese Milchmädchenrechnung kommt aus der gleichen Ecke wie Hartz-IV-Kochbücher, in denen man im Supermarkt 20g Frischkäse und 0,37l Milch kaufen kann. Der ÖPVN ersetzt kein Auto komplett, außer vielleicht in den Großstädten. Wir haben also ein Auto. Die ganzen Instandhaltungskosten und Investitionen haben wir so oder so.

          • Stefan Pietsch 5. August 2022, 10:20

            Und wo packst Du die Fixkosten für das Auto hin?

            Ich empfehle Dir, zukünftig Dein Auto zu leasen. Dann verstehst Du mehr den wirtschaftlichen Aspekt. Denn da merkst Du die durch Mehrkilometer verursachte Abnutzung wie Zusatzkosten in Form von Budgetüberschreitung.

            Und so wie Du argumentierst, ist die Quintessenz, dass ÖPNV immer teurer ist – was ein wirklich seltsames Argument ist und dazu schräg. Denn Gemeinschaftstransporte sind immer günstiger – selbst wenn wir gemeinschaftlich fliegen. Um zum gegenteiligen Ergebnis zu kommen, muss man schon die wesentlichen Kostenbestandteile des einen (Auto) eliminieren, während sie auf der anderen Seite stehenbleiben. Mir fallen nur echt keine netten Begriffe für die Denkweise ein.

            • CitizenK 5. August 2022, 13:25

              Beim geleasten Auto ist es anders, da entstehen zusätzliche Kosten, nutzungsabhängig, die der Entscheidung zurechenbar sind.
              Im betrieblichen Rechnungswesen haben diese Überlegungen zur Abkehr von der Vollkostenrechnung geführt.

              • Stefan Pietsch 5. August 2022, 13:56

                Wieso entstehen da zusätzliche Kosten?

                Die Leasingrate wird ermittelt aus dem Anschaffungswert ./. Restwert plus Finanzierungszins. Der Anschaffungswert steht auf der Rechnung. Der Restwert bestimmt sich kalkulatorisch aus der jährlichen Laufleistung und dem geschätzten Marktwert (z.B. Schwacke). Daraus resultiert ein Betrag von X / Laufzeit in Monaten. Und der Leasinggeber muss den Anschaffungswert finanzieren, wofür ein Zins fällig ist.

                Was sind da bitte „zusätzliche Kosten“? Es sind genau die Kosten, die für Sie bei einem Kauf auch anfielen, wenn Sie ehrlich kalkulieren würden. Woher nehmen Sie beispielsweise die 50.000 EUR Anschaffungswert? Wenn Sie ihn gespart haben, verzichten Sie mit der Ausgabe auf Zinsen und Renditen. Und Ihr Auto ist umso weniger wert, je mehr Kilometer Sie im Jahr draufhauen.

                Ich besitze deswegen seit über 10 Jahren kein Auto mehr. Entweder habe ich einen Firmenwagen (erkauft durch Gehaltsverzicht) oder ich fahre ein Leasing- oder Abomodell. Das ist ehrlich und ich sehe monatlich die Kosten. Und damit bin ich schon gar nicht in der Versuchung, mich selbst über den Tisch zu ziehen.

                Sie irren auch sonst: die Vollkostenrechnung dominiert heute.

                • CitizenK 5. August 2022, 14:52

                  Ich ging von einem Mietwagen aus mit km-abgängigem Nutzungsentgelt. Leasing in Ihrem Beispiel entspricht dem Kauf.
                  Vollkosten auf lange Sicht, natürlich. Bei Einzelentscheidungen ist die Teilkostenbetrachtung wirtschaftlicher. Sonst hätte auch die Deckungsbeitragsrechnung keinen Sinn.

                  • Stefan Pietsch 5. August 2022, 15:20

                    Leasing ist eine Miete. Generell spiegeln Leasingkosten (im Wirtschaftsleben sehr verbreitet) die tatsächlichen Kosten eines Vermögenswertes wieder. Die Kosten werden so monatlich operabel.

                    Die Höhe der Leasingrate richtet sich nach der geplanten Laufleistung. Wenn ich Lust habe, öfter „nicht notwendige“ Fahrten zu unternehmen, erhöht sich meine monatliche Rate (oder meine Schlusszahlung). Wer also überlegt, ob er eine Tour mit dem Auto oder mit dem Zug unternehmen soll, wird zwangsläufig die höhere Leasingrate in Betracht ziehen.

                    Es bleibt die Frage: welche „zusätzlichen Kosten“ meinten Sie?

                    Wieso sollte die Teilkostenbetrachtung bei Einzelentscheidungen wirtschaftlicher sein? Wir leben nicht mehr im Jahr 1980. Eine Vollkostenrechnung mit Umlageschlüssel ist heute mit nur wenig mehr Aufwand verbunden. Zur Ermittlung von Stundensätzen wird ohnehin auf Vollkosten abgestellt. Und wir rechnen heute mit DB I, DB II und DB III.

          • Thorsten Haupts 6. August 2022, 00:45

            Der ÖPVN ersetzt kein Auto komplett, außer vielleicht in den Großstädten.

            Streich das vielleicht (mehr als 40 Jahre Erfahrung). Und das betrifft dann schon mal 30% der Einwohner Deutschlands, für die man die von Stefan P. korrekt dargestellte Rechnung aufmachen muss. Nur die anderen 70% haben (meistens) eine gute Begründung dafür, es nicht zu tun.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 6. August 2022, 11:14

              Ich bin kein Großstadtmensch, deswegen das vielleicht. Ich kann das einfach nicht mit Autorität sagen 🙂

      • CitizenK 5. August 2022, 21:58

        Ich hab das mal für den Fall überschlagen, den ich bei meinem Beitrag im Kopf hatte: Familie mit 2 Kindern, wohnt im Vorort, will in die Stadt zum Einkaufen oder ins Kino oder in den Zoo. Entfernung 5 km.
        Die Tickets für den ÖPNV kosten 19.20 €, Tagesticket gibt es nicht.
        Sprit (Golf, Diesel, 1,91E/l) für Hin- und Rückfahrt 0,96 €, also 1 €.
        Fixkosten: Wertminderung vernachlässigbar (10 km von 200000).
        Versicherung/Kfz-Steuer – keine Auswirkung. Früher zur Inspektion oder zum TÜV? Kaum. Bleibt noch der Reifenabrieb. Die Entscheidung ÖPNV statt Auto kostet die Familie also rund 18 Euro, wenn sie kostenlos parken können. Auch ich als ÖPNV-Fan kann es ihnen nicht verdenken, wenn sie manchmal das Auto nehmen.

        • Stefan Sasse 6. August 2022, 11:14

          Genau mein Punkt.

        • Stefan Pietsch 6. August 2022, 20:31

          … ich leg‘ noch zwei Elefanten und eine 75jährige Oma drauf. Da ist die Autofahrt immer günstiger, obwohl es möglicherweise Probleme mit der Zuladung geben könnte, wegen der Oma.

          „Und als sie das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten sich ihre Anstrengungen.“
          Mark Twain

          Warum fällt mir in Diskussionen mit Ihnen und Stefan oft dieser Spruch ein? Wissen Sie noch, was Sie belegen wollten? Ich weiß es noch. Stefan behauptete, schon bei zwei Leuten sei das Auto günstiger. Nun, Mathe-Genies werden Sie beide in diesem Leben nicht mehr. Zwei Erwachsene, zwei Kinder, dazu noch zwei Elefanten und eine Oma (75jährig) sind mehr als zwei.

          Eine handelsübliche Bahnfahrt für die Strecke Frankfurt – Fulda kostet im ICE mit der Bahncard 50 36 Euro für zwei Personen. Die Benzinkosten für einen gehobenen BMW liegen hierbei für die 111 km bei 17 Euro. Die steuerlich abzugsfähigen Kosten betragen 33 Euro und die wirtschaftlichen Kosten belaufen sich bei 30.000 km Jahresleistung für einen BMW 330d auf insgesamt 42 Euro. Nach jeder wirtschaftlichen Betrachtung liegt der Break-even des Autos bei mehr als 2 Insassen.

          Was Ihnen offensichtlich nicht klar ist, oder Sie haben schlicht die Übersicht verloren: Irgendwann ist tatsächlich der Individualtransport günstiger als die Massentierhaltung namens Bahn. Das liegt in der Natur der Sache, so teuer kann ein Auto gar nicht sein.

          Bei einer Vollbesetzung des Autos liegen die CO2-Emissionswerte auch nahe Parität zur Bahn: Bei einer Fahrt mit dem ICE zwischen Frankfurt und München enstehen 12 kg Emissionen pro Person. Mit besagtem BMW sind es 52 kg. Warum sollte man in so einem Fall noch für die Bahn plädieren?

          Hätten Sie keinen Brummkreisel, würden Sie die Debatte auf die Frage lenken, wie man die vielen Einzelfahrer für die Bahn gewinnen könnte. Wieso fahren Leute wie ich konsequent mit dem Auto, obwohl die Bahn doch günstiger wäre.

          Die Bahn ist für mich ein tolles Unternehmen – wenn sie so wäre, wie ihre Imagebeschreibung es behauptet. Nur leider trifft das Gegenteil zu. Ich bin früher zumindest die Strecken zwischen den großen Städten vorzugsweise mit dem Zug gefahren. Und obwohl mein Ideal ein Job ist, der für mich leicht mit der Bahn erreichbar wäre, habe ich so nur die ersten vier Jahre meines Berufslebens (zeitweise) fahren können.

          1. Krasse Unpünktlichkeit
          Stefan mag es nichts ausmachen, wenn er bei einer Fahrtzeit von geplant 5,5 Stunden eine Verspätung von fast 2 Stunden einsammelt. Für normale Menschen ist das eine Katastrophe, dieman nur selten bereit ist zu akzeptieren. Das ist Lebenszeit, die man der Bahn opfert. Das Auto ist dagegen ein außerordentlich pünktliches Verkehrsmittel, das die geplante Fahrtzeit in den meisten Fällen ziemlich gut einhält – was für das Schienenunternehmen eine Blamage sondergleichen ist.

          Maskenzwang
          Die Bahn hat mich für weitere 9 Monate verloren. Wieso soll ich mir ein Verkehrsmittel zumuten, das mich anschreit, hier sei es gefährlich und meine Atmung beschränkt? Noch dazu ist die Bahn das einzige mir bekannte Unternehmen, dass seine Kunden maßregelt und verspottet. Selbst die Lufthansa wagt sich keine Durchsagen der Art:
          „Für den Fall, dass Sie es in den letzten 2 Jahren vergessen haben, erinnere ich Sie daran, dass sie weiterhin verpflichtet sind, in den Zügen der Deutschen Bahn eine Maske zu tragen. Dabei haben Sie auf eine korrekte Mund-/Nasenbedeckung zu achten. Die Maske ist dafür vollständig über Nase und Mund bis zum Kinn zu ziehen. Das nicht korrekte Tragen einer Maske wird mit einem Ordnungsgeld von 50 Euro geahndet und sie müssen den Zug an der nächsten Station verlassen. Außerdem gefährden sie andere und mich.“

          Andere Kostprobe: „Durch das Nicht-Freiräumen der Türen hat unser Zug inzwischen 2 Minuten Verspätung. Bitte bedenken Sie, dass diese Verspätung der Bahn Kosten von 2.000 Euro verursachen, die sie besser in Züge, Preise oder eine bessere Bezahlung des Zugpersonals investieren könnte.“

          Kein Witz – das ist alles Original diese Woche. Wer da noch Bahn fährt, ist Masochist.

          3. Verdreckt
          Wer Bahn fahren will, muss sich in den Ballungsräumen durch eine Ansammlung von Drogensüchtigen und Bettlern wühlen. Bahn und Staat sind unfähig oder unwillig, den Bereich in und um die Bahnhöfe von den großen Problemfällen der Gesellschaft freizuhalten. Die Züge sind oft verdreckt, die Toiletten nicht benutzbar, Unterführungen vollgekot… Niemand muss das vor seiner Haustür ertragen, niemand würde so Autofahren.

          4. Erreichbarkeit
          Ich wohne in einer Stadt, wo im Raum 45.000 Menschen unmittelbar wohnen. Die Region ist überdurchschnittlich wohlhabend. Dennoch erreiche ich außerhalb der Rush Hour die City der Großstadt Frankfurt schneller mit dem PKW als öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Landeshauptstadt Wiesbaden wird gar nicht direkt angefahren. Mit dem Auto 80 km, benötigt die Bahn zwischen 1 ½ und 2 Stunden – Verspätungen nicht gerechnet.

          Wenn Sie beide die Orientierung wiedergefunden haben, kommt man vielleicht zu vernünftigen Diskussionen. Und vielleicht beantworten Sie irgendwann auch mal Fragen, statt immer nur Provokationen abzusondern.

          • CitizenK 7. August 2022, 08:10

            Wenn Sie irgendwann mal beim Thema bleiben – gerne.

            Ich schrieb: Auto ist besser als ÖPNV. Selbst in der Stadt
            Stefan P schreibt: Auto ist besser als ÖPNV. Selbst in der Stadt.

            Ist jetzt damit meine Aussage widerlegt? Sie muss wohl einfach deshalb falsch sein, weil sie von einem sogenannten „Linken“ kam.

            • Stefan Pietsch 7. August 2022, 09:57

              Exakt das. Sobald zwei Personen unterwegs sind ist das Auto garantiert billiger, oft genug sogar für eine.

              Stefan schrieb:
              Exakt das. Sobald zwei Personen unterwegs sind ist das Auto garantiert billiger, oft genug sogar für eine.

              Daran entzündete sich die Debatte. Denn ich antwortete darauf (nicht auf Ihren Post):

              Jauw, für die, die nicht rechnen.

              Und Sie nahmen das an mit der Frage nach den Grenzkosten. Dass ein Auto günstiger ist, wenn vier Leute mitfahren, hat niemand bezweifelt. Zu keinem Zeitpunkt.

              Sie schrieben auch nicht, Atuo sei besser als ÖPNV. Es sei günstiger. Weshalb? Es wurde klar: weil Sie nur die Grenzkosten betrachten. Und ich schrieb eben nicht, Auto sei besser als ÖPNV, sondern ganz im Gegenteil:

              Die Bahn ist für mich ein tolles Unternehmen – wenn sie so wäre, wie ihre Imagebeschreibung es behauptet.

              Das scheint Sie aber nicht die Bohne zu interessieren. Klar, ich bin ein neoliberaler Autofetischist, der gerne mit maximal Speed über die Autobahnen brettert.

              Niemand bestreitet, dass es verkehrspolitisch und klimapolitisch sinnvoll ist, mehr Personen und Waren über die Schiene zu transportieren. Wo aber Ihr Linksdenken in die Quere kommt: mehr Geld, moralische Appelle und das wuppt.

              Ich argumentiere im Gegensatz zu Ihnen mit vielen Argumenten und gehe auf die meines Gegenübers in aller Ausführlichkeit ein. Das macht kein anderer so. Aber so etwas interessiert Sie nicht, wenn Sie nicht Ihren Standard anbringen können: mehr Geld, mehr Einsicht.

              Ich fahre sehr gerne mit der Bahn und benutze in Großstädten U- und S-Bahnen – wenn man mir denn ein Angebot an Pünktlichkeit, Service, Schnelligkeit und Sauberkeit macht. Das gilt in Deutschland längst nicht mehr und deswegen fahre ich hier seit Jahren nicht mehr mit der Bahn oder dem ÖPNV.

              Das Problem hier ist, wir weigern uns zu lernen. Und das liegt auch an Leuten wie Ihnen, die in holzschnittartigen Lösungen denken. Gehen Sie mal nach Dänemark, nehmen Sie in Dänemark die Underground. Oder in Valencia. New York ist auch prima.

              Wir müssen Gas geben in diesem Land. Und das beginnt nicht bei der Bereitstellung von Geld (durch Kredite), sondern in dem wir unseren Kopf aus dem Ar… bekommen. In dem wir aufhören, die Welt belehren zu wollen und uns Sonderwege bei allem und jedem ausdenken, und erstmal wieder die Basics lernen. Und Basics sind z.B. einen öffentlichen Personen-Nah- und Fernverkehr bereitzustellen, der funktioniert.

              • CitizenK 7. August 2022, 10:50

                as Thema war: Rechnet (rechnet!) sich der ÖPNV, wenn man selten in der Stadt unterwegs ist.

                Von der Qualität (Sauberkeit, Betrunkene, Verspätungen, Ausfälle dünner Fahrplan am Abend und an Wochenenden usw. war noch gar nicht die Rede. Davon könnte ich auch ein unschönes Lied singen. Ist aber ein anderes Thema!

                Was ich will (und vermutlich Stefan auch): Einen ÖPNV wie in der Schweiz. Flächendeckend (Postbus auch ins kleinste Bergdorf), pünktlich (getaktet), sauber, zuverlässig. Oder wenigstens wie in BENELUX oder Skandinavien oder mindestens pünktlich wie in Italien (!) und Spanien.

                Wenn man mir sagt, wie das ohne Geld geht: Super. Aber nach meinen Informationen aber ist es so: Mitarbeiter und Gleisbau-Unternehmen und die Hersteller von Loks und Waggons wollen leider genau das: Geld.

                Zurück zur Rechnung: Bei kurzfristigen Überlegungen ist es oft wirtschaftlicher, nur die zusätzlichen Kosten der Entscheidung zu berücksichtigen. Dass dies keine „Grenzkosten“ i. e. S. darstellen, weiß ich auch. Je öfter man fährt, desto mehr muss man natürlich die Fixkosten einbeziehen Wenn es darum geht, das Auto abzuschaffen und ganz auf ein ÖPNV-Abo umzusteigen , müssen alle Fixkosten mit in die Rechnung.

                Nochmal: Es ging um diesen Punkt, um nichts anderes. Deshalb gehen auch Ihre Vorwürfe ins Leere. Es betrübt mich immer ein bisschen, wenn man mich für dämlicher oder boshafter hält als ich (wahrscheinlich) bin.

                • Stefan Pietsch 7. August 2022, 11:42

                  Sie basteln sich nachträglich ein Thema. Das geht nicht. Thema ist, was jemand schreibt und worauf andere antworten. Nichts anderes.

                  Die meisten westlichen Länder sind in der Lage, in ihren Ballungsräumen einen kostendeckenden oder gar profitablen ÖPNV auf die Beine zu stellen. Deutschland kann das nicht und Linke finden tausend Gründe, warum nicht. Und hier fordert niemand (!), dass ein Bus jede 10 Minuten im verlassensten Nest hält. Ich komme eigentlich aus einem sehr idyllischen Kurort im Spessart mit 10.000 Einwohnern. Dort einen umfangreichen ÖPNV zu installieren, wäre schlichter Wahnsinn.

                  Und das ist das zentrale große Problem von Ihnen und Stefan: Sie haben keine Prioritäten. Sie wollen alles. Der ÖPNV soll alles, super komfortabel, jederzeit erreichbar und noch kostenlos sein. Wo in der Welt gibt es das?

                  Auf gesamt staatlicher Ebene: Sie wollen alles. Der Staat soll eine luxuriöse Altersvorsorge, top Gesundheitsvorsorge, umfangreiche Pflege, höchste innere und äußere Sicherheit, kompfortable, nicht fordernde Absicherung von Langzeitarbeitslosen, kostenloser ÖPNV, staatliche Energieversorgung durch regenerative, eine voll digitalisierte und schnelle öffentliche Verwaltung haben und einen Staat, der bei jeder Krise das Händchen hält. Ich könnte ewig weitermachen, was Sie alles wollen.

                  Wo gibt es das?! Jeder westliche Staat, der als modern und effizient gilt, setzt Prioritäten. Keiner leistet alles. Aber das, was sie machen, ist eben gut. Wenn Sie die Schweizer erwähnen, machen Sie sich keine Sekunde Gedanken, wie die das anstellen bei total geringen Steuer- und Abgabequoten. Sie dagegen jammern in einem fort: mehr Geld, mehr Geld!!

                  Zurück zur Rechnung

                  Wenn Ihnen das angeblich klar ist, warum tun Sie beide so als ginge es bei den Leuten um solche, die ein vollständig abbezahltes Auto vor der Tür haben und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur einmal im Jahr fahren? Warum berücksichtigen Sie z.B. nicht Rabattsysteme wie BahnCard? Weil Sie so geeicht sind, nicht einmal aus Böswilligkeit. Und das macht es eher schlimmer.

                  Bahnhöfe von Bettlern und Drogensüchtigen frei zu halten, ist eine Frage des Geldes? Höfliche Bahnbeschäftigte (bzw. deren Disziplinierung) ist eine Frage des Geldes? Als Logistikunternehmen in der Kernkompetenz Pünktlichkeit herstellen, ist eine Frage des Geldes? Bitte verzeihen Sie den Ausdruck, aber das sind Märchen.

                  Die Bahn klagt seit längerem über eins nicht: Fehlendes Geld. Aber das ist offensichtlich bei Ihnen noch nicht angekommen. Schade eigentlich.

                  • CitizenK 7. August 2022, 15:33

                    Ich hab noch nie gern gebastelt. Und auch sonst stimmt in dieser Erwiderung so gut wie nichts:

                    „dass ein Bus jede 10 Minuten im verlassensten Nest hält“
                    Unfug. Aber der Schweizer Postbus fährt immerhin jedes Nest an, wirtschaftlich ist das sicher nicht. Im Flächenland D geht es darum, Ruf-Systeme zu entwickeln. Busse mit einem oder gar keinem Fahrgast sind sicher nicht die Lösung.

                    „vollständig abbezahltes Auto vor der Tür“
                    Ob abbezahlt oder nicht, spielt für meine Rechnung keine Rolle. Der Schuldendienst ist wie Fixkosten zu betrachten.

                    „BahnCard“
                    In der Stadt (Modellannahme) nur minimaler Effekt. Lohnt nur bei häufigeren Fahrten.

                    „die Schweizer“
                    Ja, warum können die das und wir nicht?

                    Die Schweiz hat schon seit Jahrzehnen ein Halbtax-Abo. Dort gingen schon lange Reinigungskräfte durch den Zug (Kosten!) , als, das bei uns noch völlig unüblich war..

                    Die Schweizer planten über Jahrzehnte systematisch Verbindungstrecken für ihr Taktsystem – ein umfassendes, generalsabmäßig (von Behörden!) geplantes Projekt. Bei uns hatten da noch die „Profis“ das Sagen, die die Bahn nach dem Vorbild der Flugbranche umbauen wollten, legten Strecken still und sparten für den Börsengang. Der Ober-Profi wollte sogar den ICE-Halt Mannheim umgehen und daneben einen Knoten neu bauen wegen ein paar Minuten Fahrzeit.

                    Die SBB hält an der Grenze Ersatzzüge bereit für den Fall, dass wieder mal ein ICE aus dem Norden nicht kommt oder kaputt ist. Zuverlässigkeit als Priorität – das bringt auf die Dauer auch mehr Kunden.

                    Dass die Deutsche Bahn jetzt nicht nur die Versäumnisse der Vergangenheit aufholen, sondern auch die Verkehrswende stemmen muss, führt unvermeidlich zu den derzeitigen Zuständen. Der ganze Betrieb eine Baustelle. Dafür gibt es zu wenig Verständnis (ich ärgere mich auch, und wie) und zu viel Häme. Dass es aktuell (im Gegensatz zu früher) am Geld fehlt, habe ich auch nicht behauptet. Ich hab auch nie einen kostenlosen ÖPNV gefordert – wie kommen Sie bloß darauf? Sie sollen billiger werden, indem man der Bahn nicht mehr Steuern auferlegt als anderen Verkehrsträgern (Kerosin, Diesel-Privleg usw.)

                    Die Großstadt-Bahnhöfe sind immerhin deutlich ansprechender als früher. Auch bei der Höflichkeit hat sich einiges getan. Was Betrunkene und Drogenabhängige im Bahnhof angeht – gerade Zürich hat da eine Geschichte.

                    Im Übrigen hab ich großes Verständnis dafür, dass man beim Noch-Zustand des ÖPNV oft das Auto nimmt. Nur sollen die Blechdinger nicht das ganze Stadtbild dominieren, nicht die Luft verpesten und Radfahrer und Fußgänger gefährden.

                    • Stefan Sasse 7. August 2022, 16:59

                      Völlig bei dir.

                    • Stefan Pietsch 7. August 2022, 21:39

                      Auch wenn es im Politischen gerne untergeht: jede Sache im Leben hat Vor- aber auch Nachteile. Es gibt weder Menschen noch Produkte, die nur das Eine haben. Ich fühle mich genötigt, das an dieser Stelle zu sagen.

                      Wenn Sie über die SBB schreiben (so wie in anderen Fällen auch), die fraglos die Sache gut machen, dann kommt Ihnen nie in den Sinn, nach den Nachteilen zu fragen. Und Sie scheinen sich immer nur oberflächlich für die Themen zu interessieren. Beispiel SBB: Ich knie mich in solche Debatten rein, strukturiere Argumente, suche Fakten.

                      Zum einen fällt auf, dass die Schweizer Bahn viel kleiner ist als die Deutsche Bahn. Die SBB erwirtschaftet einen reinen Umsatz von gerade 3,4 Mrd. CHF, gegenüber der deutschen Konkurrenz von 47 Mrd. EUR. Es fällt auch auf, dass die Schweizer Tickets pro Fahrkilometer teurer sind als die hiesigen Preise.

                      Bahnmanager führen das als wesentliches Kriterium an. Freunde großer staatlicher Unterstützung verweisen jedoch auf die Zuzahlungen des Staates. Die sind mit 3,5 Mrd. CHF, als der Höhe der normalen Umsätze, extrem üppig. Nur, auch der deutsche Staat lässt sich nicht lumpen. Die Bahn erhielt 2021

                      2,7 Mrd. Euro Kapitalzuschüsse
                      9,1 Mrd. Euro Investitionszuschüsse (von 14,2 Mrd. Euro)
                      3,5 Mrd. Euro staatliche Zuschüsse
                      15,3 Mrd. Euro gesamt

                      Das sind immerhin ein Drittel der erzielten Umsatzerlöse. Deutschland ist anders als die Schweiz Mitglied der Europäischen Union und als solches sind sämtliche gewährten staatlichen Zuschüsse genehmigungspflichtig in Brüssel. Investitionen in das Streckennetz müssen auch Wettbewerbern offenstehen, während die SBB ein Monopol unterhalten kann.

                      Während die SBB ihre Züge mit weniger Personal besetzt, frequentiert sie ihr Streckennetz wesentlich mehr. Größere Städte werden viermal in der Stunde angefahren, die DB schafft selbst auf der Trasse Frankfurt – Berlin nur den Stundentakt. Die SBB unterhält in Relation nicht mehr Personal, sie nutzt es nur besser.

                      Dazu sind die Züge der SBB deutlich langsamer als die der DB unterwegs. Hier müssten Sie sich entscheiden: Schnelligkeit oder Ordentlichkeit. Genau diese Unentschiedenheit ist ein wesentliches Problem: Das Streckennetz ist nicht unterschieden zwischen Schnelltrassen und solche für den Güter- wie langsameren Nahverkehr. Der Ausbau des Netzes wird von Bürgerinitiativen massiv behindert, nicht vom Geld. Und selbst der Lobbyverband Allianz-pro-Schiene lehnt als Begründung für die massiven Mängel Ihre Standardbegründung, nämlich den gescheiterten Börsengang, als Ausrede ab.

                      Fehlende Strategie, Politik der Eierlegenden Wollmilchsau, unflexible Mitarbeiter, zu günstige Tickets – es gibt viele Gründe für das Desaster der Bahn, die nicht hauptsächlich etwas mit Geld zu tun haben.

                      BahnCard
                      Sie wissen es offensichtlich nicht, aber die Bahn verkauft den wesentlichen Teil ihrer Tickets rabattiert, hauptsächlich über die BahnCard. Dies in Vergleichsrechnungen außen vor zu lassen, ist in höchsten Maße unseriös. Das Halbtax-Abo entspricht übrigens der BahnCard. Und die gibt es auch seit Jahrzehnten.

                      Verkehrswende
                      Das Argument ist Unsinn. Der Bund hat das 100 Mrd. Euro Paket bewilligt, um die unterlassenen Investitionen aufzuholen. Dumm nur, dass die Baustellen so auch in 10 Jahren nicht abnehmen werden. Und wo steht, dass die Bahn das langsamere Fahren in Baustellen nicht in Verkehrsplänen berücksichtigen kann?

                      Die Bahn zahlt keine Steuern für die Bereitstellung der Infrastruktur – die ihr noch vom Hauptfinanzier kostenlos übereignet wird. Die Autofahrer dagegen finanzieren mit ihren Steuern das Straßennetz – und liefern riesige Überschüsse an den Bundeshaushalt. So sehen für Sie Privilegien aus.

                      Ich habe zitiert. Die Bahn penetriert seit zwei Jahren ihre Kunden, schmeißt sie sogar aus dem Zug, wenn diese keine Maske mit sich führen. Andere Unternehmen händigen da eine neue Maske aus. Wie Sie das verharmlosen, ist geradezu grotesk.

                      Jahrzehntelang haben Fahrradfahrer konsequent gegen allgemeine Verkehrsregeln verboten – so z.B. gegen das Fahren gegen die Fahrtrichtung. Die Politik hat darauf reagiert und erlaubt Fahrradfahrern im Gegensatz zu den anderen Verkehrsteilnehmern genau das. Bei Zusammenstößen trägt dann der Autofahrer die Schuld.

  • CitizenK 3. August 2022, 18:47

    e) „dass wir für PV-Anlagen …. Fabriken, Fließbänder, Maschinen, Hebezeuge, etc. benötigen“

    Stattdessen werden in den Fabriken Luxus-E-Autos mit zweieinhalb Tonnen
    gebaut. Nice to have, aber keine Lösung für die unsere Krisen.

    Heidelberger Druckmaschinen hat zusätzlich zum Kerngeschäft eine Sparte für E-Ladesäulen aufgebaut und damit sehr erfolgreich. Warum haben VW, Daimler & Co. keine Solar- oder Bahn-Sparte? Wärmepumpen? Wasseraufbereitung? CO2-Abscheider? Power-to-Gas-Anlagen? Steuerungssysteme für dezentrale Energieerzeugung?

    • Thorsten Haupts 3. August 2022, 20:33

      Warum haben VW, Daimler & Co. keine Solar- oder Bahn-Sparte? Wärmepumpen? Wasseraufbereitung? CO2-Abscheider? Power-to-Gas-Anlagen? Steuerungssysteme für dezentrale Energieerzeugung?

      Warum sollten sie? Offenbar war das Management wie die Anteilseigner der Überzeugung, das sei weder ihre Kernkompetenz noch könnten/sollten/müssten sie schnell genug etwas Wettbewerbsfähiges aufbauen, also haben sie das anderen überlassen.

      Und die Klage, dass auf Produktionsanlagen etwas anderes produziert wird, als ICH für richtig halte – die ist so alt wie die Maschine. Und ebenso lange irrelevant, wo sie nicht ausgesprochen gefährlich wird.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • CitizenK 4. August 2022, 08:52

        „das Management wie die Anteilseigner der Überzeugung waren…“

        Seufz. Warum wollt ihr mir immerzu Dinge erklären, die ich erkennbar auch schon weiß?

        Die Leute wollen dicke Autos? Kriegen sie. Andere Leute wollen mehr Umweltschutz? Bildung? Fachkräfte? Kriegen sie nicht. Weil: „das Management und die Anteilseigner….“

        Erklärt mir doch bitte, warum wir trotz des segensreichen Wirkens der Marktkräfte so viele ungelöste Probleme haben.

        • Thorsten Haupts 4. August 2022, 13:49

          ??????? Weil es für manche Produkte keine Marktnachfrage gibt. bzw. weil kein Markt der Welt auf eine sprunghaft steigende Nachfrage sofort reagieren kann bzw. nur dort kurzfristig, wo es unterausgelastete, genau passende, Kapazitäten gibt.

          Wenn Leute was „wollen“, müssen sie überall auf der Welt dafür bezahlen, systemunabhängig. Bisher waren Umweltschutz, Bildung und Fachkräfte keine mehrheitsfähigen Wünsche, sonst hätten wir anders zusammengesetzte nationale Parlamente bzw. andere Prioritäten in grösseren Parteien Westeuropas.

          Die Frage alleine ist in diesem Zusammenhang tatsächlich kindisch albern. Die Marktwirtschaft stellt nachgefragte Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung. Wo sie etwas nicht zur Verfügung stellt, gab/gibt es entweder schlicht keine ausreichende Nachfrage oder Produkte/Dienstleistungen können nicht zu einem nachfragegerechten Preis hergestellt werden, case closed.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Erwin Gabriel 7. August 2022, 19:00

            @ Thorsten Haupts 4. August 2022, 13:49

            Bisher waren Umweltschutz, Bildung und Fachkräfte keine mehrheitsfähigen Wünsche, sonst hätten wir anders zusammengesetzte nationale Parlamente bzw. andere Prioritäten in grösseren Parteien Westeuropas.

            Soooo RICHTIG !!!

            Man muss nur die Diskussion beispielsweise zur „Ehe für Alle“, die von beiden Seiten mit überflüssiger Vehemenz, Verbissenheit und Ausdauer geführt wurde, mit den Diskussionen zu „Bildung“ vergleichen. Da gibt es einmal im Jahr die üblichen Gesprächsrunden bei Anne Will, Maybrit Illner , Sandra Maischberger, Frank Plasberg oder Markus Lanz, wo dann auch mal Bildungsexperten eine Pflicht-Analysestunde im öffentlich-rechtlichen Stuhlkreis bekommen.

    • Stefan Pietsch 3. August 2022, 23:03

      Auf eins kann ich mich verlassen: Sie lesen einen Bericht in Ihrer Lokalzeitung und jubeln das zur Weltmeldung hoch. Journalisten sind keine Experten, verstehen nur in Ausnahmefällen wirtschaftliche Zusammenhänge und schreiben oft ideologisch.

      Ich kenne Heidelberger Druck. Mit Sicherheit ein bisschen besser als Ihre Heidelberger Journalisten, die es nicht zu einem wichtigen Medium geschaffen haben. Das Kerngeschäft der Heidelberger Druck ist die Entwicklung und der Vertrieb von konventionellen Druckmaschinen, die seit 200 Jahren produziert werden. Die Kunden der Branche sterben weg, das Unternehmen hat seit einem Jahrzehnt Kurzarbeit bei 32 Stunden verordnet. Es fehlen die Mittel für Investitionen wie für den Abbau des überschüssigen Personals, weshalb man sich auf die Strategie des Wegsterbens verlegt hat.

      Heidelberger Druck hat im letzten Jahrzehnt zahlreiche neue Säulen aufgezogen, die so unauffällig zusammengestürzt sind, wie sie mit großem Tamtam angepriesen wurden. Nun also die Litfaßsäulen.

      Der Auftragseingang im dahinsiechenden Druckgeschäft ist um fast 30% gestiegen auf 1,3 Milliarden Euro. Der gesamte Auftragseingang des gerade abgelaufenen Geschäftsjahres belief sich auf weniger als 2,5 Milliarden Euro. So, der Auftragseingang der „Neuen Technologien“, zu denen maßgeblich das Litfaßsäulengeschäft zählt, zeigte mehr als eine Verdopplung – auf 55 Millionen Euro. Das EBITDA lag bei gerade 4 Millionen Euro (bei 161 Millionen Euro gesamt). Das also ist das so erfolgreiche Geschäft. Da lacht sich jeder Manager kaputt.
      https://www.heidelberg.com/global/media/en/global_media/investor_relations/ir_reports_and_presentations/2021_22/220609_cfs_2022_report.pdf

      Warum reden Sie nicht endlich von der Schönwetter AG oder vom Wind- und Solarstark-Konzern? Sie kennen nur alte Strukturen. So wird das nichts mit der Inovationsoffensive. Warum kaufen die Leute heute bei Zalando statt bei Neckermann? Sie kennen Neckermann aber möglicherweise Zalando nicht…

      • CitizenK 4. August 2022, 08:16

        https://www.electrive.net/2021/11/29/heidelberger-druck-plant-smarte-wallboxen-mittels-sap-software/
        Wenn eine Meldung auch in einer Lokalzeitung steht, ist sie irrelevant?
        Und wenn das Kerngeschäft „dahinsiecht“, darf man sich nicht neue Geschäftsfelder suchen?

        Ich kenne übrigens ehemalige Mitarbeiter, die eine sehr dezidierte Meinung über den Zusammenhang der Probleme mit einem ehemaligen Supermanager haben.

        • Stefan Pietsch 4. August 2022, 10:19

          Schaun‘ Sie, es ist mein Job, betriebswirtschaftliche Vorgänge bewerten zu können. Ich bin Profi. Warum arbeitet Ihr Journalist bei einer kleinen Regionalzeitung zu weit geringerem Gehalt als bei der F.A.Z. oder dem Handelsblatt? Weil er nicht so gut ist oder Idealist. Beides sind keine Kriterien, besonders hohe Erwartungen in die Qualität zu setzen, zumindest vorsichtig zu sein. Ihr Beispiel ist ein Beispiel, dass diese Vorsicht gerechtfertigt ist.

          Ja, ich habe mich inzwischen überzeugen lassen, dass Hartmut Mehdorn auch für die Klimakrise maßgeblich verantwortlich ist und das Aussterben der Dinosaurier verursacht hat. Ich hatte erstmals in den Neunzigern Kontakt mit Heidelberger Druck, als sie vor der Übernahme des Eschborner Spezialbauers Linotype Hell standen. Ich war im Due Diligence Team, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO hatte damals das Mandat. Beide Unternehmen waren echte Perlen.

          Bis Mitte der Nullerjahre boomte die Branche für Druckmaschinen, Vorstände teilten Aufträge zu, Kunden bettelten. Das war nicht nur bei Heidelberg so. Damals war Mehdorn allerdings schon längst zur Deutschen Bahn entschwunden. 2007/2008 kam der Absturz, der Konkurrent manroland AG in Offenbach wurde erst an ein Bankenkonsortium veräußert und legte 2011 letztendlich ein veritable Insolvenz hin.

          Die Probleme der Branche sind seit über 10 Jahren gegeben: Ausbreitung des Digitaldrucks, massives Sterben der Druckereien und große Finanzierungsprobleme der Kunden. Wie der CEO von manroland mir gegenüber oft und zurecht betont hat: Die Platzhirsche Heidelberg, König & Bauer in Würzburg und manroland haben alles versucht. Sie haben in Digitaldruckmaschinen investiert, sie haben den After Sales-Bereich ausgebaut – alles war nutzlos. Da kann man kaum behaupten, es läge an einigen unfähigen Managern. Branchen sterben, so wie sie entstehen. Neue Branchen, neue Unternehmen.

          Das ist das, was die Linken am Kapitalismus nicht verstehen: Die Marktwirtschaft bietet aufgrund ihrer Dynamik jenen beste Chancen, reich, Millionär und gar Milliardär zu werden, die den Wandel der Bedürfe der Menschen antizipieren und passende Produkte entwerfen können. Es sie führt zum Niedergang alten Geldadels. Jede Generation bringt unzählige neue Millionäre und Milliardäre hervor, die aus einfachen oder mittleren Verhältnissen stammen.

          Das ist doch toll, oder?

        • Thorsten Haupts 4. August 2022, 13:56

          Die vermeintlichen „Fragen“ …

          Klar kann sich jedes Unternehmen neue Geschäftsfelder suchen. Nur ist ein gut laufendes Unternehmen üblicherweise Spezialist für und Spitze in seinem bekannten Markt, womit noch lange nicht die Kompetenz für einen neuen Markt verbunden ist – das machen Neueinsteiger häufig besser, weil sie sich von Anfang an auf den neuen Markt spezialisieren.

          Wüsste zu gerne, worauf Sie mit ihren „Fragen“ eigentlich hinauswollen? Kommen Sie doch mal mit ihrem Ziel um die Ecke – die Fragen sind zu albern, um wirklich ein Informationsbedürfnis zu erfüllen.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • CitizenK 4. August 2022, 15:13

            Darauf zum Beispiel:

            „wir sollten in Deutschland den industriellen Kern unserer Volkswirtschaft erhalten“

            Der Meinung bin ich auch. Vor nicht allzu langer Zeit war das aber total out. Das industrielle Übergewicht in Deutschland wurde als großer Nachteil gegenüber den Dienstleistungs-orientierten Briten gesehen.

            Management-Moden wechseln. Diversifizierung war vorgestern. Mannesmann wurde in der Wirtschaftpresse hoch gelobt und war mit D2 so erfolgreich, dass es die Männer mit dem V-Zeichen kaperten und für hohe Provisionen außer Landes brachten.

            Jetzt ist „Kerngeschäft“ modern. Was fatale Abhängigkeiten mit sich bringt. Aktuell vom Gas, bald möglicherweise von Elektronik-Bauteilen aus Taiwan. Wenn beides zusammenkommt, wird es wirklich kritisch, nicht nur für den industriellen Kern. Und diese kann man nicht vermeiden, wenn man nur auf die Quartalsabschlüsse schaut. Versorgungssicherheit kostet. Jemand muss bezahlen, das stimmt natürlich. Wer ist das, wenn die Unternehmen es nicht tun? Der Chef von BASF jammert jetzt rum, dass er ohne Gas aufgeschmissen sei. Sein Unternehmen hat zwar ein feines Weingut, aber keine Quelle für das existenziell notwendige Gas. Mit Wintershall hat er (oder sein Vorgänger) noch aktiv dazu beigetragen. Und verantwortlich sollen jetzt nur die Politiker sein?

            • Thorsten Haupts 4. August 2022, 15:55

              Und verantwortlich sollen jetzt nur die Politiker sein?

              Wer denn sonst? Gesetze, internationale Abkommen und Infrastruktur sind Politikaufgabe, weil Unternehmen alle drei Aufgaben entweder gar nicht oder nur im Staatsauftrag wahrnehmen können.

            • Stefan Pietsch 4. August 2022, 16:42

              Schon wieder … Sie sehen ein Problem, aber wären nicht bereit, Konsequenzen zu tragen. Deutschland hat einen sehr hohen Anteil des produzierenden Gewerbes an der Wirtschaftsleistung (so 28%). Dieser Anteil hat in den letzten 15 Jahren noch zugenommen. Ursache ist der Außenhandelserfolg deutscher Industriebauer. Haben Sie sich gegen die Kritik am Exportüberschuss gewandt?

              Deutschland konzentriert sich dabei auf alte Industrien, liefert Maschinen für den ostasiatischen Markt (was Sie kritisieren) und vernachlässigt die digitale Entwicklung (denn die würde nicht in die Industrieproduktion eingehen).

              Immer mehr verwirren Sie, was Sie eigentlich wollen.

            • Erwin Gabriel 7. August 2022, 19:02

              @ CitizenK 4. August 2022, 15:13

              [„wir sollten in Deutschland den industriellen Kern unserer Volkswirtschaft erhalten“]

              Der Meinung bin ich auch.

              Seit wann ? 🙂

              (Sorry, der musste raus …)

    • Stefan Sasse 4. August 2022, 08:14

      Das ist genau meine Kritik an dem Porschelobbyismus. Er verzögert den marktwirtschaftlich notwendigen Wandel.

      • Stefan Pietsch 4. August 2022, 10:22

        Kommt Dir nicht die Idee, dass wir mit E-Autos in eine Sackgasse laufen könnten? Was macht Dich so schlau?

        • Stefan Sasse 5. August 2022, 08:21

          Genau dasselbe, was dich bei anderen Themen wie Atomkraft so schlau macht. Ich hab darüber auch schon mal geschrieben: wir sind die einzigen weltweit, die darauf setzen. Das ist Betamax reloaded.

          • Stefan Pietsch 5. August 2022, 09:24

            Schräger Vergleich. Bei Atomkraft wissen wir exakt, was sie leistet. Nach 60 Jahren ziviler Nutzung können wir auch die Risiken ganz gut abschätzen – außer natürlich Leute wie Greenpeace.

            Beim Elektro stehen wir ganz am Anfang. Bis auf Ausnahmen werden selbst in Europa kaum E-Autos gefahren. Wir haben also kaum Erfahrungswerte.

            • Stefan Sasse 5. August 2022, 12:10

              Das ist völlig irrelevant. Daher mein Betamax-Beispiel. Es ist egal, ob eFuels vielleicht am Ende marginal besser sind. Der Rest der Welt geht auf Elektro und baut dafür die Infrastruktur.

              • Stefan Pietsch 5. August 2022, 13:41

                Der Rest der Welt geht auf Elektro? Woher weißt Du das? Weltweit wurden 2021 2,3 Millionen E-Autos zugelassen, von 80,5 Millionen insgesamt. Davon zu reden, die Welt ginge auf E-Autos, ist arg euphemistisch.

                Ich weiß nicht, mit was Automobile im Jahr 2040 betrieben werden. Ich habe nur arge Zweifel, dass es hauptsächlich BEVs sein werden. Und die Prognosen der Forschungsinstitute sehen das genauso. Der Anteil der Verbrennungsmotoren wird da noch immer als sehr hoch eingeschätzt. Also, entweder es gelingt etwas Cleveres, ein Fahrzeug mit einem dem Benziner überlegenen Antrieb, oder Du kannst weitere Abstriche an den Klimazielen machen.

                • Stefan Sasse 5. August 2022, 19:07

                  Das dem Verbrenner überlegene ist das Elektroauto. Anyway, mir ist es ja grundsätzlich egal. Alles ist besser als Verbrenner. Und klar, sollen sie eFuels entwickeln oder kleine Atomreaktoren hinten drin oder was auch immer. Everything and the kitchen sink. Meine BEFÜRCHTUNG ist aber die, dass hier (wieder mal) der Anschluss verpasst wird, man in eine technologische Sackgasse investiert und einer der wichtigsten Industriezweige den Bach runtergeht. Aber ich mag mich (hoffentlich) irren.

                  • Stefan Pietsch 5. August 2022, 21:11

                    Versuche damit mal in den Rockys zum Einkaufen zu fahren oder in Montana. Dann erfährst Du, wie überlegen BEVs in Wirklichkeit sind.

    • Stefan Pietsch 4. August 2022, 10:21

      Nur mal so: BEVs sind wegen der Batterie deutlich schwerer als Verbrenner. 2,5 Tonnen sind nicht schwer, wenn ein BMW X3 3.0 bereits über 3 Tonnen wiegt.

  • CitizenK 4. August 2022, 09:17

    „Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen sind aus laufenden Einnahmen zu bestreiten“

    Darauf lasse ich mich durchaus ein. Aber wenn das nicht möglich ist – sollen sie dann unterbleiben – trotz der langfristig negativen Folgen und höheren Kosten? Wie bei der Bahn?

    • Stefan Pietsch 4. August 2022, 09:54

      Wieso sollte das nicht möglich sein? Nicht möglich bedeutet, jemand hat überhaupt kein Geld, nicht einmal für die Ersatzwaschmaschine für 200€. Das ist beim Staat nicht der Fall, der hat sogar jedes Jahr höhere Einnahmen als zuvor. Das ist eben die Frage der Prioritätensetzung: Wenn ein Staat so viel seiner Einnahmen verausgabt, dass ihm nicht einmal das wenige für den Ersatz der Waschmaschine bleibt, ist das Ganze korrupt.

  • CitizenK 4. August 2022, 10:36

    @ Stefan Pietsch

    „Warum arbeitet Ihr Journalist bei einer kleinen Regionalzeitung“

    Das ist doch nicht das Thema. Dass Sie sich da besser auskennen als die und ich stellt doch niemand in Frage. Warum Sie aber eine Diversivizierung, die das Unternehmen evtl. retten könnte so runterschreiben, verstehe ich nicht. Das unterstreicht doch Ihre These von der Wandlungsfähigkeit in der Marktwirtschaft.

    Und: Auch Profis sind manchmal betriebsblind. Die Manager von IBM und Nokia waren auch Profis.

    • Stefan Pietsch 4. August 2022, 11:35

      Grrr, es ist zum Haareraufen!

      Wissen Sie wirklich nicht, wie solche Artikel entstehen? Die richtig guten Wirtschaftsjournalisten arbeiten jahrelang in einem Bereich, besichtigen Messen, haben mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt zu den CEOs. Vor allem arbeiten sie bei großen Medien, die sich so etwas leisten können.

      Für solche Artikel ruft die Presseabteilung von Heidelberg den Herrn XY an, man würde gerne ein Gespräch führen. In der Regel wird man sich schnell handelseinig über den Preis, ein paar ganzseitige Anzeigen davor oder danach. Woher ich das weiß? Weil ich selbst schon nach dieser Methode gearbeitet habe, um Informationen im Markt zu platzieren. Da schreibt dann ein Journalist wohlgefällig über einen unauffälligen Bereich.

      Ich brauche als Finanzer einige Monate, um ein Geschäft zu verstehen. Und ich habe Erfahrung. Journalisten sind keine Überflieger.

      Produktpolitik gehört zum Kern der Unternehmensstrategie. Das macht jeder, selbst die Pommes Bude um die Ecke. Aber es hat Grenzen. Dem Pommes Buden-Betreiber würde man jetzt ja auch keine Versicherungspolicen abkaufen.

      Neckermann hatte seine Kernkompetenzen. Nur waren diese Kernkompetenzen irgendwann nicht mehr kompatibel mit der neuen Welt des Bestellens. Neckermann hat es versucht. Nur haben die Kunden es nicht abgenommen. Weil eben die digitale Welt nicht die ursprüngliche Kernkompetenz von Neckermann war. Heute stehen die Gebäude in der Hanauer Landstraße in Frankfurt leer.

      Und das ist etwas, was kein Mensch der Welt im Prinzip drehen kann.

  • CitizenK 4. August 2022, 10:50

    „Idee, dass wir mit E-Autos in eine Sackgasse laufen könnten?“

    Dazu habe ich schon wieder eine Meldung von einem Journalisten, der nicht bei einer größeren Zeitung angekommen ist. Die allerdings diesmal mit Ihrer Sichtweise übereinstimmt. Ob sie das aufwertet?

    Die EKPO Fuel Cell Technologie in Dettingen/Erms steht „an der Schwelle von der staatlichen Förderung zur Kommerzialisierung“, der Markt zur Gewinnung von grünem Wasserstoff wird gigantisch sein“. Zehn Millionen habe die Entwicklung gekostet, die Hälfte hat das Land beigesteuert. Das auch zum Thema Subventionierung.

    Den Link zur Provinzzeitung erspare ich Ihnen. Stattdessen
    https://www.zsw-bw.de/presse/aktuelles/detailansicht/news/detail/News/hyfab-projekt-herstellerunabhaengiger-brennstoffzellenstack-nimmt-gestalt-an.html

    • Stefan Pietsch 4. August 2022, 11:46

      Es geht doch nicht darum, dass mir jemand nach dem Mund redet. Davon habe ich doch nichts!

      BEVs haben im Nutzungsverhalten einige gravierende Nachteile gegenüber Verbrennern. Die Klimabewegung stellt sich auf den Standpunkt, so what, das muss man für die schöne neue Welt hinnehmen. Doch so funktioniert das nicht. Menschen schränken nicht freiwillig ihre Konsumgewohnheiten ein, schon gar nicht auf Dauer und auch nicht für einen guten Zweck.

      Wir betrachten die Dinge aus der westeuropäischen Brille. Das sind aber nicht die großen Märkte. E-Autos haben eine geringe Reichweite, was physikalisch kaum veränderbar ist. Sie sind uniform und machen Unterscheidbarkeit schwer – ein nicht unwesentliches Kriterium für ein Luxusgut. Verbrauch und Reichweite sind stark von Nutzungsverhalten der Nutzer abhängig, der Verzicht auf die Klima im Hochsommer sowie auf die Heizung im Winter ist absolut vorteilhaft für die Reichweite.

      Die Nachteile sind elementar. Darauf zu setzen, dass sie die Verbraucher weltweit akzeptieren, wäre ein Vabanque-Spiel, wenn das ein wesentlicher Eckstein zur Klimaneutralität sein soll. Ich weiß nicht, ob E-Fuels und Wasserstoff die Lösung sind. Noch hat niemand damit Geld verdient. Ihre Nachteile scheinen sich aber leichter kompensieren zu lassen. Sie werden energieintensiv produziert und verbrauchen dabei mehr Energie als sie speichern. Das ergibt nur Sinn, wenn die Energie an Orten genutzt werden kann, wo regenerative Energien praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehen und daher einen niedrigen Preis haben.

      Eben weil der Erfindungsreichtum nicht gebändigt werden soll, ist es wichtig, alles gleichermaßen zu ermöglichen. Denn erst in 20-30 Jahren werden wir möglicherweise wissen, was der richtige Weg war.

  • Erwin Gabriel 4. August 2022, 12:56

    @ Stefan Sasse 4. August 2022, 08:18

    Du hast sicher Recht damit, dass ich früher wesentlich zu unkritisch gegenüber dem mangelnden Vermögen des Staates war, da vernünftig zu agieren.

    Du bist ja nicht der Einzige …

    Wütend macht mich das trotzdem. Jeder kann denken, jeder kann lesen, jeder kann rechnen, und wird die ideologische Prägung drübergelegt, und alles ist sinnlos.

    … mein Problem mit der Schuldenbremse ist ihre Zweckentfremdung als politisches Kampfmittel, …

    Du meinst, so wie die ständige Forderung der Linken nach Steuererhöhungen für „Reiche“, die ständigen Forderungen nach einer Ausweitung der Sozialausgaben? Ein Gutteil der aktuellen Ausgaben ist Corona geschuldet, und obwohl der Staat es mal wieder teilweise verkackt (zu langsam, zu teuer, und zum Teil an die falschen Empfänger), ist der Speck, den wir jetzt aufbrauchen können, durch die Schuldenbremse erst entstanden. Unser Land ist in einer finanziell vergleichsweise beneidenswerten Situation, WEIL die Schuldenbremse zweckentfremdet angewendet wurde (meiner Meinung nach nicht weit genug, aber immerhin). Sonst wären die wirtschaftlichen Schäden durch Corona viel größer.

    Und weil es gerade so schön passt: Das Geld, was wir für Corona, Bundeswehr, Digitalisierung, Klimawandel, Bildung, Soziale Unterstützung etc. ausgeben, wird praktisch ausschließlich von unserer Wirtschaft und den Besserverdienenden (denen, die sich in der Steuerprogression schon etwas hochgearbeitet haben) erwirtschaftet.

    … um dumme Ausgabenpolitik zu rechtfertigen.

    Ach was. JEDE Partei füttert ihre Klientel. JEDE Partei macht dumme Ausgabenpolitik. KEINE Partei denkt nur an den Staat, nur an die Gesellschaft. Die einen argumentieren mit der „Schuldenbremse“ und „Ausgabendisziplin“, die anderen mit „sozialer Gerechtigkeit“. Ich sehe da angesichts der Verteilung der Bundesausgaben aktuell eher die „Gerechtigkeitsfanatiker“ vorne.

    @ Stefan Pietsch 4. August 2022, 12:01

    Die FDP will ein umfangreiches Anlageprogramm zur kapitalgedeckten Altersvorsorge. Nur leider ist dafür kein Geld da. Die FDP will auch die Armutsfalle zwischen Steuer- und Sozialrecht beseitigen, der es für Menschen im prekären Bereich überhaupt erst lukrativ macht, sich aus der Transferabhängigkeit zu befreien. Linke sind davon nicht begeistert.

    Die FDP nimmt das Klimathema bei weitem nicht so ernst, wie sie es sollte. Aber das ist ein anderes Thema.

    Wenn man auf das Ziel schaut, liegen beispielsweise LINKE und FDP dicht beisammen: Allen soll es (finanziell) gut geht gehen. Der Unterschied liegt nur im Ansatz: Die FDP möchte, dass sich jeder auf den eigenen Arsch setzt, um erfolgreich zu sein und im Wohlstand zu leben. Die LINKE will, dass die Reichen den Armen alles so lange bezahlen, bis die einen nicht mehr arm und die anderen nicht mehr reich sind.

    Die aktuelle Gesellschaft bzw. „politische Umgebung“ verhindert derzeit aber beide Lösungen (von Bildung, Chancengleichheit bis mentalität der Gesellschaft).

    • Stefan Sasse 5. August 2022, 08:28

      Ich verstehe deine Wut. Mir geht’s bei anderen Themen gleich.

      Exakt so meine ich das, ja. Ich halte wenig von der Forderung mit der „Steuererhöhung für Reiche“.

      Dass alle Parteien Geld für ihre Klientel ausgeben weiß ich, das hab ich hier schon zigmal so geschrieben.

  • CitizenK 4. August 2022, 14:18

    Ach Erwin,

    die Fachkräfte, die heute fehlen, hätten vor zehn oder zwanzig Jahren ausgebildet werden müssen.

    • Erwin Gabriel 4. August 2022, 16:08

      @ CitizenK 4. August 2022, 14:18

      Ach, Citizen …
      Wie soll ich darauf antworten …
      Du siehst ein Problem, erkennst meist nur eine Ursache, und schreibst sie immer der gleichen Seite ins Buch.

      Was bestimmt denn die Situation der Fachkräfte?
      • Die Bedarf an Fachkräften
      • Die Zahl der Menschen, die in einem Beruf arbeiten
      • Die Zahl der Menschen, die in einen Beruf hineingehen
      • Die Zahl der Menschen, die aus dem Beruf hinausgehen

      Vorab ein paar Infos zur Geburtenzuiffer. Von Deiner Rechnung ausgehend, landen wir in den 2000er-, 2005er Jahren; die damaligen Azubis wurden also in den 90er Jahren geboren.

      In der Zeit, in der ich geboren wurde, lag die Geburtenziffer in der Größe von etwa 2,4 Kindern pro Frau, in den 90er Jahren lag sie zwischen 1,3 und 1,4. Selbst wenn also der gleiche Anteil an Jugendlichen in die Ausbildung gehen würde, wären in den 2000er Jahren DEUTLICH weniger ausgebildet worden als zu meinen Zeiten.

      Dazu kommen andere Effekte, Verlagerungen in andere Berufszweige, ein höherer Studierenden-Anteil usw. So hat die öffentliche Hand im Vergleich zu früheren Zeiten deutlich zu wenig Geld für Investitionen ausgegeben (das meiste wurde in den Konsum gesteckt).

      Ein Beispiel: Im Bauboom zur Wende lag die Zahl der Beschäftigen im Bauhauptgewerbe (grob verallgemeinert: Rohbau für Gebäude, Infrastruktur etc.) bei knapp 900.000; zwanzig Jahre später gab es nur noch etwa 630.000 Beschäftigte – anbei zumindest die <a href="hZahlen für Baden-Württemberg, die einen Rückgang vión einem Drittel (147.000 auf 95.000) zeigen. Ähnliche Entwicklungen gab es auch im Baunebengewerbe (grob verallgemeinert: Innenausbau, Dachdecker, Heizung, Elektrik, Fahrbahnmarkierungen etc).

      Parallel dazu stieg die Anzahl junger Menschen, die statt in eine technische Ausbildung in ein Studium gingen. Auch die einsetzende Digitalisierung hat viel verändert (besonders die beruflichen Interessen junger Menschen).

      Während also an vielen (falschen) Stellen gespart wurde, während über viele Jahre der Bedarf sank, während die Zahl der Azubis im technischen Handwerk aus verschiedensten Gründen schrumpfte, haben wir nun seit erst Kurzem die Situation, dass der Bedarf an Arbeitskräften durch viele gleichzeitige (weil jahrzehntelang verschleppte) Anforderungen wie Wohnungsbau, Infrastruktur, Öko-Wende etc. explodiert, während gleichzeitig die Babyboomer ihrer Rente entgegenstreben.

      Einmal mehr zeigt sich, wie durch Fehleinschätzungen, falsche (bzw. keine) Entscheidungen und unterlassene Investitionen sich über Jahrzehnte eine Situation entwickelt hat, die sich in Kürze bzw. innerhalb einer Legislaturperiode nicht auflösen lässt. Um die Fachkräfte-Situation mal über ein abgewandeltes Zitat meiner Lieblings-Kanzlerin zu beschreiben: „Nun sind sie halt weg“.

      • Erwin Gabriel 4. August 2022, 16:14
        • CitizenK 4. August 2022, 18:42

          Die Kritik ist berechtigt. Schnellschuss aufgrund eigener Erfahrung und Erinnerung. Sorry.

          Der Akademisierungswahn …pardon/-trend ist dem Zeitgeist anzulasten – und der OECD mir ihrer ständigen Kritik an der zu geringen Quote? Danke für die Zahlen. Ist der Rückgang der Beschäftigtenzahlen beim Bau auch auf die Technisierung zurückzuführen?

          Die Kosten für Ingenieure und Statiker bei den Planungsbehörden und der Bau-Aufsicht gehen doch nicht „in den Konsum“. Auch ein erheblicher Teil der Ausgaben für Bildung allgemein ist eher als Investition zu sehen.

          Das Fazit ist mir zu fatalistisch. Über Wege aus der Misere möchte ich mich schon gerne austauschen. Einige Dinge verstehe ich nicht. In der EEG-Branche heißt es, seien zehntausende Jobs verloren gegangen.
          Der letzte Hersteller von Rotorblättern schließt in diesen Tagen. Die Dänen bauen und verkaufen Windenergieanlagen in großem Stil – trotz höherer Löhne und höherer Steuern. Warum können die das und wir nicht?

          • Stefan Pietsch 4. August 2022, 19:57

            Die Kosten für Ingenieure und Statiker bei den Planungsbehörden und der Bau-Aufsicht gehen doch nicht „in den Konsum“. Auch ein erheblicher Teil der Ausgaben für Bildung allgemein ist eher als Investition zu sehen.

            Es kommt nicht darauf an, wie Sie das sehen oder rechnen, sondern wie es gerechnet wird. Und die Ausbildung von Ingenieuren mit Schulden zu finanzieren, ist der helle Wahnsinn. Das Ergebnis ist immer das Gleiche: Ich bin Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre auf die Uni gegangen. Die waren in den Siebzigerjahren ausgebaut und modernisiert worden. Die Bänke waren da schon älter, das technische Equipment auch und die Professoren waren schon etwas angegraut. Das sind Permanentaufgaben. Solche mit Schulden zu finanzieren, führt zwangsläufig in die Überschuldung. Was denn sonst, da Sie und Stefan ohnehin nicht tilgen wollen?

            • CitizenK 4. August 2022, 21:03

              Vielleicht ist meine Rechnung volkswirtschaftlich sinnvoller. Da werden ja Aktiva geschaffen. Brücken, Schienen, die der Wirtschaft zugute kommen. Das Schienennetz der Bahn ist Milliarden wert, wird aber, soviel ich weiß, nicht bilanziert.

              • Stefan Pietsch 4. August 2022, 21:29

                Nein, das ist es auch nicht. Das ist allein Ihre Gedankenwelt. Mit Erhaltungsinvestitionen wird ja nichts Neues geschaffen, sondern das Bisherige nur (einigermaßen) erhalten. Sie können mir auch nicht verkaufen, dass die Reparatur ihres Wagens am Getriebe der Wertsteigerung dienen würde.

                Wieso sollte das Schienennetz nicht bilanziert werden? Hat es einen wirtschaftlichen Eigentümer und einen wirtschaftlichen Wert (Cash-Überschüsse), dann ist es natürlich zu bilanzieren. Da beides mit „Ja“ zu beantworten ist, ist Ihre Ansicht etwas überraschend.

                Natürlich wird das Netz der Bahn bilanziert, bewertet zu Nettowerten (Bruttoanschaffungskosten ./. Abschreibungen). Da Erhaltungsinvestitionen Periodenaufwand darstellen, erhöhen sie bilanziell nicht den Nettowert.

                Das sind die Bilanzierungsregeln, die überall auf der Welt gelten. Wenn Sie jetzt Sonderregeln für die Bahn wünschen, weil Sie die so toll finden, muss ich Ihnen wieder sagen: so geht das nicht!

                Übrigens kann das Schienennetz nach IFRS sich an Zeitwerten orientieren. Ich bete jetzt nicht die Voraussetzungen runter, das ist zu umfangreich. Aber: das ist eine sehr wirtschaftliche Betrachtung.

                Was die Formulierung soll „kommen der Wirtschaft zugute“ verstehe ich nicht. Ein Unternehmen arbeitet allein für den eigenen Gewinn. Der Nutzen für andere wird über Verkäufe versilbert. Kunden der Bahn bezahlen nicht nur die Lokführer und Zugpersonal, sondern auch die Abschreibungen, Erhaltungsinvestitionen und alles andere. Ihre Vorstellung des Wohltäters, wenn da irgendwie etwas mit Staat steht, treibt wirklich bei Leuten wie Erwin, Thorsten und mir den Puls.

                • CitizenK 5. August 2022, 06:23

                  Es geht doch nicht um „Wohltäter“. Wenn eine Brücke monate- oder gar jahrelang gesperrt ist, bis eine neue steht, entstehen den Unternehmen (aka „Wirtschaft“) in dem Bereich (und überregional) enorme Zusatzkosten und andere Nachteile (Kunden springen ab). Und das sind längst keine Einzelfälle mehr.

                  Wie man das buchhalterisch nennt, ist doch Nebensache. Ausgaben für Bildung und Ausbildung von Eltern für ihre Kinder sind formal auch „Konsum“, inhaltlich eine Investition in die Zukunft. Wie für die Gesundheit. Das meine ich mit „Investition.“ Ich bin kein Bilanzbuchhalter.

                  • Stefan Pietsch 5. August 2022, 10:14

                    Das Ziel von Buchhaltung ist, die wirtschaftliche Situation abzubilden. Sie ist kein „das machen ein paar Freaks“.

                    Nehmen wir als Beispiel eine Brücke über den Rhein. Die Herstellungskosten betragen 2 Milliarden Euro, die Nutzungsdauer 20 Jahre, dann ist das Ding hinüber. Sie hat eine Traglast von 50.000 Fahrzeugen pro Tag.

                    Ein privater Betreiber würde sie über eine Finanzierungsgesellschaft aufstellen. Die Nutzungsentgelte der Fahrer müssten in Summe bei 100 Milliarden Euro pro Jahr zuzüglich eines Zinses liegen. Nach 20 Jahren wäre die Brücke finanziert, d.h. die Kredite wären getilgt, der Wert wäre Null, die Brücke müsste ersetzt werden. Alles gut.

                    Der Staat hat solche Brücken auch einstmals mit Krediten finanziert. Auch der Staat erhebt ein Nutzungsentgelt in Form der Mineralölsteuer und der Kfz-Steuer. Denn niemand würde sich ein Auto anschaffen und damit diese Steuern zahlen, wenn nicht eine entsprechende Infrastruktur bereitstände.

                    Der Unterschied zum privaten Finanzier jedoch ist – und da wird dieses Argument absurd, Staat sei halt anders – die Kredite werden nicht getilgt, sondern bleiben stehen. Die Brücke wird 20 Jahre von den Autofahrern finanziert. Nach dieser Zeit haben wir Kredite in Höhe von 2 Milliarden Euro und eine wertlose Brücke (die aber aus staatlicher Sicht noch 2 Milliarden wert ist, schließlich haben wir in der Höhe Kredite).

                    Wir haben also eine nicht mehr nutzbare Brücke, die 2 Milliarden wert sein soll. Finden Sie das nicht absurd? Und jetzt wird sie instandgesetzt, dass wieder 50.000 Fahrzeuge täglich sie nutzen können. Dafür müssen weitere 1 Milliarde Euro aufgewendet werden.

                    Der Unterschied beim privaten Finanzier: er würde die Erhaltungsinvestitionen permanent durchführen und dafür einen Aufschlag zum Nutzungsentgelt verlangen. Aber nach 20 Jahren ist die Brücke eben abbezahlt. Sie dagegen wollen daraus noch einen Vermögenswert machen, auf den Sie nicht nur die Originalschulden von 2 Milliarden Euro, sondern auch die Schulden für die Instandhaltung von 1 Milliarde Euro ablegen. Wie soll sich da ein wirtschaftlicher Sinn ergeben?

                    Quintessenz: Die Steuerzahler haben eine Brücke bezahlt. Und sie bezahlen permanent dafür, dass diese Brücke funktionstüchtig bleibt. Sie wird damit nicht wertvoller, aber sie wird auch mit Instandhaltung älter.

                    Und wir kommen nicht umhin: bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, mit der wir nicht ärmer, sondern wohlhabender werden, müssen objektgebundene Kredite auch getilgt werden.

                    • CitizenK 5. August 2022, 11:35

                      Strohmann. So denke ich nicht. Wenn man bilanziert, muss man natürlich auch den Wertverlust erfassen.

                      Ob das für alle Straßen, Brücken und Schienen sinnvoll geht, ist die eigentliche Frage.

                      Einzelne Kommunen haben schon von Kameralistik auf Doppik umgestellt.

                    • Stefan Pietsch 5. August 2022, 13:46

                      Ob das für alle Straßen, Brücken und Schienen sinnvoll geht, ist die eigentliche Frage.

                      Wie gehabt: Sie wollen Sonderregeln für den Staat. Sie gehen nicht mit einem Mindestmaß an Unvoreingenommenheit an eine Sache ran, sondern mit dem unbedingten Ziel, eine bestimmte Maßnahme durchzusetzen. In diesem Fall basteln Sie sich die Begründungen, wofür sich der Staat eigentlich alles verschulden können dürfte. Ich zähle bereits: Reparaturen der Infrastruktur, Bezahlung von Ingenieuren, Aus- und Weiterbildung aller Art. Da bleibt nicht mehr viel, wo Sie generell sagen: das muss aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden.

                      Auch eine Brücke, die 1950 gebaut und ordentlich repariert wurde, besitzt oft nicht die Leistungsfähigkeit, die im Jahr 2022 benötigt wird. Wiederholung die 1022 an Sie: was machen Sie eigentlich mit den Krediten, die Sie ursprünglich mal für deren Bau aufgenommen haben?

              • Erwin Gabriel 5. August 2022, 03:52

                @ CitizenK 4. August 2022, 21:03

                Vielleicht ist meine Rechnung volkswirtschaftlich sinnvoller.

                Man kann sicherlich über eine andere Betrachtungs- und Bewertungsweise auf dem Papier schönen. Das ändert aber nichts an den Kosten.

                Da werden ja Aktiva geschaffen. Brücken, Schienen, …
                Der Erstbau ins Investition. Der Erhalt nicht. Und z.B. der Neubau einer Brücke stellt die Betriebsfähigkeit wieder her, steigert aber nicht den grundsätzlichen Wert der Strecke.

                … die der Wirtschaft zugute kommen.

                Und ich dachte immer, dass „die Wirtschaft“ etwa durch Frachtkosten, Mautgebühren (die mehr Geld in die Kassen spülen, als an Erhaltung aufgewendet wird) etc. für die Nutzung bezahlen.

                Das Schienennetz der Bahn ist Milliarden wert, wird aber, soviel ich weiß, nicht bilanziert.

                Meinst Du das hier?

                • CitizenK 5. August 2022, 06:29

                  Unter anderem. Aber vor allem das:
                  Erhaltungsinvestition:
                  „Investition, die der Erhaltung der betrieblichen Substanz, d.h. der betrieblichen Leistungsfähigkeit, dient. Zur Substanzerhaltung können Ersatzbeschaffungen oder Erweiterungsinvestitionen notwendig sein“
                  https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/erhaltungsinvestition-35297

                  • Erwin Gabriel 5. August 2022, 11:50

                    @ CitizenK 5. August 2022, 06:29

                    Aber vor allem das: Erhaltungsinvestition …

                    Buchhalterisch (und real) ist das schon so, wie Stefan Pietsch es beschrieben hat. Das, was Du versuchst, ist, bestimmte laufende Aufgaben als Investition zu definieren, um sie über Schuldenaufnahme finanzieren zu können.

                    Natürlich ist die Sanierung einer Brücke irgendwie auch eine „Investition, die der Erhaltung der betrieblichen Substanz, d.h. der betrieblichen Leistungsfähigkeit“ dient. Aber das funktioniert nur, wenn man die vorherige Abnutzung der Brücke einpreist.

                    Soll heißen, dass man die Schulden, die man für den Erstbau der Brücke aufgenommen hat, in dem gleichen Maße herunterfährt, wie die Brücke an Wert verliert. Dann kann ich, wie von Stefan P. beschrieben, für die Sanierung wieder einen Kredit aufnehmen, der wiederum mit der Zeit genauso sinken muss wie die Leistungsfähigkeit der Brücke. So habe ich einen funktionierenden Kreislauf.

                    Die Kredite müssten dann aber aus Maut, Kfz-Steuer, Mineralölsteuer etc beglichen werden. Davon ist nur die Maut (unter 8 Mrd. Euro / Jahr) zweckgebunden; die anderen Steuern fließen in den Staatshaushalt und werden für andere Zwecke ausgegeben. Bilanziert wird dann der Wert der Brücke entsprechend dem Stand der Kreditaufnahme, nicht entsprechend ihrem Zustand.

                    • CitizenK 5. August 2022, 17:47

                      Ich halte fest: Ihr glaubt, an der Infrastruktur Misere kann man nichts ändern. Und denkt, das Land hat damit eine Zukunft.

                      Es wird dich überraschen, auch ich weiß, dass Kredite zurück gezahlt werden müssen. Es geht um den Zeitpunkt. Die in einer Krise zu strecken, hat auch schon manches Unternehmen vor der Pleite bewahrt.

                    • Stefan Pietsch 5. August 2022, 21:22

                      Die Einnahmen aus Steuern belaufen sich auf rund 800 Milliarden Euro. Da wird sich wohl was finden. Die Friedrich-Ebert-Stiftung schreibt:

                      Geld allein ist nicht genug
                      Denn das Geld muss auch in konkreten Projekten verbaut werden. In den letzten Jahren hat sich jedoch genau hier ein kritischer Flaschenhals gebildet, angefangen von den Kapazitäten des Baugewerbes, über den sich verschärfenden Fachkräftemangel in den kommunalen Planungsverwaltungen bis hin zur Komplexität von Standards sowie Beteiligungs- und Genehmigungsverfahren.

                      Die Kapazitätsauslastung der Bauwirtschaft ist nach der Finanzkrise in mehreren Schüben gestiegen. Dies hat zu drastischen Preissteigerungen bei den öffentlichen Bauinvestitionen geführt und äußert sich u.a. darin, dass die Kommunen weniger Angebote auf ihre Ausschreibungen für Bauleistungen erhalten.
                      https://www.fes.de/investitionsoffensive

                      Erste Frage: Verstehen Sie das? Wenn ja, warum haben Sie in den letzten Tagen kein einziges Wort dazu gefunden, aber uns dauernd versucht, für unbegrenzte Kredite zu gewinnen?

                      Wenn Ihnen jedes Problembewusstsein fehlt – wo sollen wir anfangen in der Debatte?

                      Sie waren derjenige, der hier und gegenüber mir die haltlose Verschwendung von Steuer- und Beitragsüberschüssen für absurde Sozialversprechen wie die Rente mit 63, die Mütterrente und die Grundrente verteidigt hat und jetzt greint, er bräuchte mehr Geld und am liebsten durch Kredite. Sie sind derjenige, der zwar behauptet zu wissen, dass Kredite getilgt werden müssen, aber jedes systematische Vorgehen dazu verweigert.

                      Sie haben einen Hammer in der Hand und hauen auf alles drauf. Selbst auf unsere Köpfe.

                    • Thorsten Haupts 5. August 2022, 21:45

                      Ich halte fest: Ihr glaubt, an der Infrastruktur Misere kann man nichts ändern.

                      Und wie man daran etwas ändern kann:

                      – Radikale Ausweitung der technischen Studien- und schulischen Ausbildungskapazitäten
                      – Deutliche Schrumpfung des Studienangebotes, um mehr Menschen in Handwerksberufe zu drängen
                      – Drastische Verkürzung der Planungs- und Bauvorlaufzeiten im wesentlichen durch radikale Schrumpfung der gesetzlichen Vorgaben
                      – Radikale Verkürzung der juristischen Instanzenwege bei öffentlichen Bauvorhaben, es entscheidet nur noch 1 gericht letztgültig
                      – Drastische Ausweitung von Einwanderungskontingenten für nachgefragte Berufe bei gleichzeitiger ebenso drastischer Einschränkung des Asyl- und Flüchtlingsstatus-Missbrauches

                      Die Liste ist mitnichten abschliessend, das wären nur die wichtigsten Massnahmen.

                      Und das Verlässliche in diesem wunderschönen Land ist – nichts, absolut nichts davon wird die Politik umsetzen. Nicht heute und nicht in 5 Jahren.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Erwin Gabriel 7. August 2022, 19:33

                      @ CitizenK 5. August 2022, 17:47

                      Ich halte fest: Ihr glaubt, an der Infrastruktur Misere kann man nichts ändern. Und denkt, das Land hat damit eine Zukunft.

                      Ich halte fest, dass Du nicht lesen kannst.

                      Wenn zehn ladungen transportiert werden müssen, aber nur fünf Lkw zur verfügung stehen, werden fünf Fuhren transportiert, bleiben fünf Fuhren übrig. Das ist die Realität. Wenn Du fünf weitere Lastwagen dahinstellst, für die es keine Fahrer gibt, bleiben trotzdem fünf Fuhren stehen. Das ist die Realität.

                      Zwei Drittel aller Bauunternehmen arbeiten unter ihrer eigentlichen Kapazität, weil Fachkräfte fehlen. Ausbildung dauert drei Jahre, Studium in der Regel vier bis sechs Jahre (je nach akademischem Grad). Aktuell deckt „der Markt“ (abgeschlossene Ausbildungen und Studien) etwa zwei Drittel des Bedarfs. Selbst wenn ab sofort genügend Leute in die entsprechenden Fachausbildungen gehen (sehr unwahrscheinlich, die Babyboomer-Zeiten sind halt vorbei) und alle Ausbildung und Studium abschließen (sehr unwahrscheinlich; ein Viertel bis ein Drittel schafft den schweren Abschluss nicht, die Ausfälle in der Ausbildung sind oft noch größer), steigt der Fachkräftemangel noch weitere fünf Jahre an.

                      Aber der Bedarf steigt …

                      Ein weiterer Aspskt beginnt, sich bemerkbar zu machen: Etwa drei Viertel aller deutschen Unternehmen sind auf die eine oder andere Art durch Materialknappheit und Lieferengpässe eingeschränkt. Ein Großteil des Wohnungsbaus wird im nächsten Jahr zum Erliegen kommen, schlicht weil Baustoffe fehlen.

                      Das ist mein Wissen um die Situation und nichts, was ich „glaube“. Und da ist eine eventuelle weitere mögliche schlimme Corona-Variante noch nicht eingepreist; das ist der Bereich, wo ich mir im Spannungsfeld von Hoffnung und Glauben Annahmen gestatte.

                      Ich sage nicht, dass es nicht vorangehen wird; ich sage, dass es zu viel langsam ist; wir sind soweit von einem erforderlichen Tempo entfernt, wie es in einem finanzstarken, hochindustrialisierten Land eben möglich ist.

                      Ich sagte Dir schon einmal, dass Du in den bereichen, wo Du nicht im Thema bist, sehr positive Annahmen machst. Das ist eine eigentlich schöne Eigenschaft, um die ich Dich beneide, selbst wenn sie die Realität nicht immer trifft.

                      Es grüßt
                      E.G.

                    • Erwin Gabriel 7. August 2022, 19:37

                      @ Thorsten Haupts 5. August 2022, 21:45

                      Und wie man daran etwas ändern kann:

                      – Radikale Ausweitung der technischen Studien- und schulischen Ausbildungskapazitäten
                      – Deutliche Schrumpfung des Studienangebotes, um mehr Menschen in Handwerksberufe zu drängen
                      – Drastische Verkürzung der Planungs- und Bauvorlaufzeiten im wesentlichen durch radikale Schrumpfung der gesetzlichen Vorgaben
                      – Radikale Verkürzung der juristischen Instanzenwege bei öffentlichen Bauvorhaben, es entscheidet nur noch 1 gericht letztgültig
                      – Drastische Ausweitung von Einwanderungskontingenten für nachgefragte Berufe bei gleichzeitiger ebenso drastischer Einschränkung des Asyl- und Flüchtlingsstatus-Missbrauches

                      Die Liste ist mitnichten abschliessend, das wären nur die wichtigsten Massnahmen.

                      Und das Verlässliche in diesem wunderschönen Land ist – nichts, absolut nichts davon wird die Politik umsetzen. Nicht heute und nicht in 5 Jahren.

                      Ich bin immer wieder überrascht, wie erfrischend und unterhaltend Du auch die bitterste Wahrheit rüberbringst.

                      Ich bedanke mich, stimme zu, und grüße zurück
                      E.G.

                    • Thorsten Haupts 8. August 2022, 08:33

                      Danke für die Blumen :-).

          • Erwin Gabriel 5. August 2022, 03:31

            @ CitizenK 4. August 2022, 18:42

            Danke für die Zahlen. Ist der Rückgang der Beschäftigtenzahlen beim Bau auch auf die Technisierung zurückzuführen?

            Nein, auf zu geringe Beschäftigung. Durch den Bauboom der letzten zwei Jahre liegt das Baugewerbe wieder deutlich über 800.000 Beschäftigten; ein Zuwachs, der sich in erster Linie aus Osteuropa speist. Ein zweischneidiges Schwert, denn in Sachen Technologie oder Arbeitssicherheit liegen die zurück (und in beiden Bereichen hat Deutschland Nachholbedarf).

            Die durchschnittliche Größe für deutsche Bauunternehmen liegt irgendwo zwischen 7 und 8 Mitarbeitern, der maßgeblich durch den Süden bestimmte europäische Schnitt zwischen 4 und 4 Mitarbeitern. Das bedingt, dass zu viele Chefs noch mit auf den Baustellen statt am Unternehmen arbeiten.

            Digitalisierung war vor wenigen Jahren in der deutschen Baubranche (anders als etwa in England oder den skandinavischen Ländern) noch ein Randthema, nur etwas für große Projekte privater Investoren. Dank Bundesbauminister Alexander Dobrindt hat sich das geändert.

            Problem beim Bauen ist, dass man in deutlich kleineren Stückzahlen baut. Zahlen wie „400.000 Wohnungen pro Jahr“ klingen immer toll, aber es werden nur 120.000 bis 150.000 fertiggestellt; die Anzahl der Gebäude, in denen die Wohnungen stecken, ist deutlich kleiner. VW baut mehrere Millionen Autos im Jahr. Und wenn etwa der VW Golf ‚zig Ausstattungsvarianten hat, so sind das Unterschiede bei der Farbe, den Sitzbezügen, den Felgen, der Software-Programmierung. Eine Handvoll Motoren mit den Befestigungsösen an der gleichen Stelle …

            Würde man den wie in der Bauindustrie bauen, wäre jeder einzelne Wagen von einem anderen Konstrukteur entwickelt, würde jeder einzelne Wagen von einem jeweils anderen Team in einer eigens errichteten Fabrik gebaut, mit eigens entwickeltem Fahrwerk, eigens entwickelten Motor etc. Das und die normalerweise kleine Betriebsgröße haben weitgehend größere Produktivitätsfortschritte verhindert. Etwa die Hälfte der Zeit wird gewartet, dass irgendetwas geliefert, ein anderer fertig, ein Fehler behoben oder ein Elektrowerkzeug gefunden wird etc.

            In den letzten Jahren tut sich aber wirklich viel. Doch kaum hat man Tritt gefasst, kommt die Auftragsflut, kommen Lieferengpässe, Materialknappheit, während gleichzeitig die Vorgaben strenger werden. So will man zwar aus den alten ineffizienten Heizungen aussteigen, kriegt aber mangels Material weder neue, noch kann man sie einbauen lassen, weil die entsprechenden Handwerker an anderer Stelle für die Energiewende eingesetzt sind.

            Und ja, der Kittel ist für lange Zeit geflickt; Verkehrswende, Energiewende, sozialer Wohnungsbau, sich verändernde Wohnanforderungen, Starkregenereignisse (Kanalisation!) – viel zu viele Aufgaben, viel zu wenige Fachkräfte, viel zu wenig Zeit.

            Die Kosten für Ingenieure und Statiker bei den Planungsbehörden und der Bau-Aufsicht gehen doch nicht „in den Konsum“. Auch ein erheblicher Teil der Ausgaben für Bildung allgemein ist eher als Investition zu sehen.

            Gehälter sind natürlich Konsum und nicht Investition. Und für eine Schule neue Computer kaufen mag eine Investition sein, diese am Laufen zu halten ist Konsum.

            Das Fazit ist mir zu fatalistisch.

            🙂
            Das sagst Du immer an den Stellen, wo Du Dich nicht so gut auskennst. Ich stecke halt in diesen Themen drin, und ich sehe, wie es hier und wie es anderswo gemacht wird. Es läuft einiges schief bei der öffentlichen Hand, und schlimm wird es, wenn nicht nur Beamte, sondern Politiker mitmischen.

            • CitizenK 5. August 2022, 08:00

              Danke für die ausführliche Antwort.

              „aus Osteuropa“
              Erstaunlich, dass das überhaupt funktioniert. Die meisten sprechen doch kein Deutsch.

              „zwischen 7 und 8 Mitarbeitern“
              Immer noch? Man könnte doch annehmen, dass ein Unternehmen, das schneller und/oder billiger baut, wächst und bald große Marktanteile hat?
              Liegt es an den individuellen Kundenwünschen?
              Warum ist die Standardisierung nicht vorangekommen? Fertigbauweise, auch für Mehrgeschossige, ist doch längst möglich. Bis vor ein paar Jahren gab es auch noch genug Holz.

              „Dobrindt“
              Interessant. Was hat der gemacht?

              Warum haltet ihr so zäh an dem kameralistischen Investitionsbegriff fest? Wenn die Bahn Strecken ertüchtigt und Signalanlagen erneuert, damit darauf mehr Züge fahren können – Konsum? Das geplante automatische Koppelungssystem erfordert Milliarden … Investitionen. Nach eurer Definition ist das auch nur „Erhalt“, schließlich kann man die Waggons auch per Hand koppeln. Gilt für: Ausweichstrecken, weniger störanfällige Loks, angepasste Klimaanlagen, attraktivere Züge undundund. Und wenn für einen reibungslosen Betrieb mehr Personal erforderlich ist, dann ist das nach meinem Verständnis auch eine Investition.

              • Erwin Gabriel 7. August 2022, 20:18

                @ CitizenK 5. August 2022, 08:00

                „aus Osteuropa“
                Erstaunlich, dass das überhaupt funktioniert. Die meisten sprechen doch kein Deutsch.

                Man führt ja nicht solche Gespräche wie wir hier … 🙂

                „zwischen 7 und 8 Mitarbeitern“
                Ein Durchschnittswert; es gibt auch in Deutschland einige Bauunternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern.

                Liegt es an den individuellen Kundenwünschen?
                Warum ist die Standardisierung nicht vorangekommen?

                Keiner mag Beton-)Plattenbau; wo gemauert wird, gibt es Handarbeit. Erste versuche mit mauernden Robotern oder dem 3D-Druck von Häusern laufen.

                „Dobrindt“. CitizenK 5. August 2022, 08:00

                Danke für die ausführliche Antwort.

                „aus Osteuropa“
                Erstaunlich, dass das überhaupt funktioniert. Die meisten sprechen doch kein Deutsch.

                „zwischen 7 und 8 Mitarbeitern“
                Immer noch? Man könnte doch annehmen, dass ein Unternehmen, das schneller und/oder billiger baut, wächst und bald große Marktanteile hat?
                Liegt es an den individuellen Kundenwünschen?
                Warum ist die Standardisierung nicht vorangekommen? Fertigbauweise, auch für Mehrgeschossige, ist doch längst möglich. Bis vor ein paar Jahren gab es auch noch genug Holz.

                [„Dobrindt“]
                Interessant. Was hat der gemacht?
                • 20 Jahre lagen die Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur bei etwa 5,35 Mrd. Euro (es gab keinen inflationsausgleich). Dobrint hat die dreifachen Mittel zur Verfügung gestellt.
                • Es gibt ein Verfahren namens BIM – Building Information Modeling. Damit wwird das Bauwerk digital am Computer „vorgebaut“. Sollte es Probleme geben, sieht man das vorher, kann den Bauablauf entsprechend ändern, und baut billiger und zuverlässiger. War damals Standard in Skandinavien und den angelsächsischen Ländern, bei uns nur in der Privatwirtschaft (z.B. Porsche-Museum). Dobrindt hat es bei uns für Projekte ab einer gewissen Größenordnung verpflichtend eingeführt. das war der Durchbruch für BIM in Deutschland.

                Warum haltet ihr so zäh an dem kameralistischen Investitionsbegriff fest? Wenn die Bahn Strecken ertüchtigt und Signalanlagen erneuert, damit darauf mehr Züge fahren können – Konsum?</i<

                Nein. Wenn eine Strecke aufgerüstet wird, so dass mehr Züge fahren können, ist es Investition (die aber auch mit der Zeit entsprechend Nutzung und Zustand abgezahlt werden muss). Das ist aber nicht die aktuelle Herausforderung. Die ist, die Bahnstrecken so intakt zu halten, dass man die Anzahl der Züge und das Tempo aufrecht erhalten kann, und dass Bahnunglücke vermieden werden.

                Nach eurer Definition ist das auch nur „Erhalt“, schließlich kann man die Waggons auch per Hand koppeln.
                Leg uns doch nichts in den Mund …
                Wie beim Auto: Anhängerkupplung neu einbauen = Investition; abgenudelten Kupplungskopf durch einen neuen ersetzen = Erhalt

                Und wenn für einen reibungslosen Betrieb mehr Personal erforderlich ist, dann ist das nach meinem Verständnis auch eine Investition.
                Ja, nach Deinem Verständnis, nicht nach meinem. Das fortgeführt, würde bedeuten, dass auch der Stom, mit der dieser neue Zug fährt, eine Investition ist. Und da liegen wir eben weit auseinander. Betriebskosten sind keine Investitionen.

                Das ist genau der Punkt, wo ich meine, dass Du an der Realität vorbei versuchst, Dinge zu Investitionen zu erklären, um sie über Schulden finanzieren zu können.

                • CitizenK 7. August 2022, 23:09

                  Zum letzten Punkt, auch wenn wir uns da wohl nicht einig werden:
                  Wenn ein Unternehmen die Belegschaft dauerhaft erhöht, bindet oder erfordert das zusätzliches Kapital. Also das, was eine Investition ausmacht. Die Entscheidung ist dann nur noch: Eigen- oder Fremdkapital.

                  • Stefan Pietsch 8. August 2022, 00:10

                    Au weia. Da tut mir jeder Satz weh. Kommt das von Ihnen oder von einem Ihrer Schüler?

                    Ihre zentrale Aussage ist: Also das, was eine Investition ausmacht.

                    Das ist also Ihr Verständnis, warum Personalaufwendungen ihre Berechtigung haben, als Investitionen betrachtet zu werden. Korrekt? Wenn das Ihr Wissensstand ist und damit Ihre Sichtweise begründet – dann würde die Widerlegung Ihres Wissensstandes zwangsläufig dazu führen (müssen), dass Sie die Dinge genau umgekehrt sehen. Sonst wären Sie ja ein Ideologe.

                    Fangen wir an. Tätigt ein Unternehmen eine Investition, so wird diese erfolgsneutral (außerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung) verbucht:

                    Anlagevermögen an Bank.

                    Das ist das Wesen einer Investition: Sie führt zwar sofort zu einem Zahlungsabfluss, aber erst in der Zukunft zu Aufwand (gewinnmindernd) durch Abschreibungen.

                    Wenn Sie neu in einem Unternehmen anfangen und den ersten Gehaltscheck empfangen, wurde dieser bereits als Personalaufwand unter Löhne & Gehälter verbucht. Personalaufwand ist Teil der GuV und damit Teil des Erfolges. Er wird vom erzielten Umsatz abgezogen.

                    Die GuV ist ein Unterkonto des Eigenkapitals. In anderen Worten: Personalkosten können das Eigenkapital vermindern, wenn das Unternehmen nicht gleichzeitig viel Erfolg auf der Umsatzseite hat. Das kann ganz schön gefährlich werden.

                    Nehmen wir als Beispiel ein Unternehmen ohne Eigenkapital. Es besitzt auf der Aktivseite Forderungen von 100 und auf der Passivseite Verbindlichkeiten von 100. In der vorherigen Periode lag der Umsatz bei 100 und die Kosten bei ebenfalls 100.

                    Jetzt wird ein (zusätzlicher?) Mitarbeiter zu Personalkosten von 10 eingestellt. Allerdings erhöht sich der Umsatz nicht. Am Ende der Periode steht ein Verlust von -10. Das ist tragisch.

                    Wenn nämlich jetzt nichts dazukommt, muss der Geschäftsführer wegen der Neueinstellung zum Amtsgericht. Das Eigenkapital steht im Minus und muss daher „auf der falschen Seite“ im Aktiva ausgewiesen werden. Die Überschuldungssituation ist eingetreten.

                    Bei einer Investition wird der Darlehensgeber zwingend einen „Business Case“ verlangen, worin nicht nur die Rückzahlung des Darlehens, sondern auch die Sicherung von Solvenz und Unternehmensfortführung aufgeführt sind. Ist das nicht garantiert, gibt es kein Geld. Sie können keine Gehaltserhöhung aussprechen und dafür einen Kredit beantragen. Die Gehaltserhöhung muss zwingend aus dem unmittelbaren Erfolg des Unternehmens bezahlt werden, sonst landet es in der Insolvenz.

                    Wie sieht es nun mit Ihrer Meinung aus? Hat sie sich gedreht? Die Beantwortung der Frage bestimmt, ob Sie durch Argumente beinflussbar oder ein Ideologe sind.

                    • CitizenK 8. August 2022, 07:45

                      Ha, jetzt hat er mich. Hat er?

                      Wenn ein Student sein Erbe (Eigenkapital) für die Finazierung seines Studiums verwendet oder einen Studienkredit (Fremdkapial) aufnehmen muss, dann hat er: Laufende Aufwendungen/Ausgaben und erst sehr viel spätere (und nicht garantierte) Erträge/Einnahmen.

                      Das nennt man im allgemeinen Sprachgebrauch eine Investition in die Zukunft. Mit diesem Argument hat ein gewisser StefanP in diesem Blog schon mal die Wieder-Einführung von Studiengebühren gefordert.

                      Ich hatte doch erwähnt, dass ich den Begriff hier! in diesem Zusammenhang! nicht buchhalterisch (mit Betonung auf der dritten Silbe) verwende? Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, dass ich mal einen Bilanzbuchhalterkurs besucht habe und über den betriebswirtschaftlichen Begriff Bescheid weiß?

                      Wenn die DB nicht nur Loks und Waggons kauft, sondern auch die Mitarbeiter dazu einstellt (ohne die erstere nichts nützen), ist es genau so: Laufende Aufwendungen/Ausgaben jetzt und erst viel später (hoffentlich) höhere Erträge/Einnahmen. Da muss niemand zum Amtsgericht.

                      Eine Investitionsrechnung im betriebswirtschaftlichen Sinn ist in beiden Fällen nicht möglich, das weiß ich auch.

                    • Stefan Pietsch 8. August 2022, 10:15

                      Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, dass ich mal einen Bilanzbuchhalterkurs besucht habe und über den betriebswirtschaftlichen Begriff Bescheid weiß?

                      Dann sollte davon etwas zu merken sein. Sie versuchen, mit allgemeinen Sprachgebrauch einen wirtschaftlichen Kontext herzustellen. Weil allgemein die Leute bestimmte Ausgaben als Investitionen sehen, sollten wir das auch in der Staatsfinanzierung so behandeln. Stefan lästert ja immer über die schwäbische Hausfrau. Das ist sie in Potenz 10.

                      Die generelle Frage ist, was ist wirtschaftlich? Und damit ist nicht gemeint, was würde ein Selbstmörder in Finanzdingen tun. Wirtschaftlich meint, eine Sache so zu behandeln, dass man am Ende mit mehr und nicht mit weniger Wohlstand dasteht.

                      Was ist eine Investition?
                      Eine Investition meint eine Ausgabe in Geld oder sonstigem Aufwand, um damit in späteren Perioden Einnahmen zu erzielen. Dabei steht die Investition in direktem Zusammenhang mit der zukünftigen Einnahmequelle. Einnahmen und Zeithorizont lassen sich konkret fassen.

                      Sie beschreiben keineInvestition.

                      Stichwort Student
                      Normalerweise hat ein Student kein Geld. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Studium zu finanzieren, aber keine behandelt sie als Investition.

                      a) Der Student finanziert sich den Lebensunterhalt mit Jobben.
                      b) Der Student erhält staatliche Unterstützung.
                      c) Der Student erhält finanziellen Support durch die Eltern.

                      In allen Fällen sind die Ausgaben fürs Studieren als sofortiger Aufwand zu betrachten – wirtschaftlich wie steuerrechtlich. Nur wollen Sie wieder für den Staat einen Sonderfall kreieren.

                      Kennen Sie den Unterschied zwischen Forschung und Entwicklung? Forschung beschreibt das Suchen nach neuen Wegen ohne konkrete Zielorientierung. Entwicklung ist die Umsetzung von Erkenntnissen in Produkte und Leistungen, die Zahlungsüberschüsse generieren.

                      Die meisten Studenten betreiben Forschung in eigener Sache. Wo hätte Kevin Kühnert eine konkrete Absicht belegen können, in einem Alter von 28-45 bestimmte Einnahmenüberschüsse erzielen zu wollen? Gar nicht.

                      Einnahmenüberschüsse. Das ist das, was über bleibt. Eine Investition bedeutet eben nicht die Vorfinanzierung einer Sache, sondern die konkrete Umsetzung. Die dafür begangenen Finanzmittel sind in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang zurückzuzahlen, sonst ist es keine Investition.

                      Das Unseriöse bei Ihnen: Sie reden viel von ausgeben und investieren (mit fragwürdigen Vorstellungen), aber nie von „Zurückzahlen“. Investieren und Tilgen gehören aber immer zwingend zusammen. Und das gilt auch im allgemeinen Verständnis.

                      Studiengebühren machen diesen unmittelbaren Zusammenhang deutlich. Der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern läuft genau auf der Trennlinie und Studien bestätigen es: Studiengebühren halten befähigte Menschen nicht vom Studium ab, die dann in der Lage sind, die aufgelaufenen Kosten auch wieder zu tilgen. Sie halten aber jene vom Studium ab, die ohnehin keine konkrete Vorstellung über die Richtung haben.

                      Es bleibt dabei: Ein Unternehmen geht insolvent, wenn es höhere Ausgaben für Personal nicht sehr schnell in zusätzliche Einnahmen übersetzen kann. Das ist ein mathematischer und juristischer Fakt. Haben Sie die Zahlen der DB verstanden? Ohne die (permanenten) Zuweisungen des Bundes und der Länder könnte die Bahn nicht ihre Ausgaben tragen und müsste Konkurs anmelden. Und diese Situation ist nicht neu, so sah es schon vor 15 Jahren aus. Wann also kommt der Sinn von Investitionen zum Tragen?

                  • Erwin Gabriel 8. August 2022, 15:39

                    @ CitizenK 7. August 2022, 23:09

                    Wenn ein Unternehmen die Belegschaft dauerhaft erhöht, bindet oder erfordert das zusätzliches Kapital. Also das, was eine Investition ausmacht.

                    NNEEEIIINNNNN

                    Kein Unternehmer stellt mehr Mitarbeiter ein, nur um mehr Mitarbeiter zu haben. Die stellt er ein, um neue Maschinen zu bedienen, oder eine weitere Schicht auszubauen etc.

                    Die neue Maschine ist eine Investition. Die Mitarbeiter, die sie bedienen, nicht. Der Strom, der zum Betrieb benötigt wird, nicht. Der Lappen, mit dem man die Maschine putzt, nicht. Die Reifen des Lastwagens, auf dem die Maschine transportiert wurde, nicht.

                    Das kann doch nicht so schwer sein … ?

                    Nach Deiner Definition wäre ALLES eine Investition (was falsch ist). Das impliziert, dass man ALLES über Schulden finanzieren könnte (das ist theoretisch möglich, aber auch falsch).

                    • CitizenK 8. August 2022, 16:39

                      Kommt auf die Situation an. Wenn man ein Unternehmen gründet, das erst in, say, 5 Jahren Einnahmen generieren wird, muss tatsächlich alles finanziert werden. Auch die Personalkosten. Mit Eigenkapital, wenn man hat, sonst halt mit Kredit. War selbst bei amazon viele Jahre so.
                      Ausgangspunkt Bahn: Ohne die Finanzspritze des Staates hätte sie die Modernisierung nicht beginnen können.
                      Wenn das alltagssprachliche „Investition in die Zukunft“ solche Emotionen auslöst, nehme ich ihn halt zurück. In der Sache sehe ich keinen Grund dazu.

                    • Erwin Gabriel 9. August 2022, 09:06

                      @ CitizenK 8. August 2022, 16:39

                      Kommt auf die Situation an. Wenn man ein Unternehmen gründet, das erst in, say, 5 Jahren Einnahmen generieren wird, muss tatsächlich alles finanziert werden. …

                      Es gibt Regeln und es gibt Ausnahmen.
                      Für die Ausnahmen gibt es Regeln, für die wiederum Ausnahmen.
                      Auch für diese Ausnahmen gibt es Regeln, für die wiederum Ausnahmen.

                      Aber da bewegen wir uns auf der dritten, vierten Nachkomma-Stelle, die Du nun zur Hauptregel erhoben haben möchtest.

                      Stefan Pietsch, ich, viele andere, Wikipedia oder das deutsche Steuerrecht betrachten eine „Investition“ genau so, wie Stefan Pietsch das dargelegt hat.

                      Ich will Leute transportieren? Ich kaufe ein Auto (= Investition). Ich bezahle Geld für Fahrer, Benzin, Versicherung (= keine Investition, sondern laufende Betriebsausgaben). Ist halt so.

                      Kann man anders nennen, dies ist ein freies Land. Wird dadurch aber nicht richtiger.

                      Und um auf das eigentliche Thema zurückzukommen: Wenn der Staat eine Brücke baut, kann er die gerne als Investition über einen Kredit finanzieren, solange dieser parallel zur Abnutzung der Brücke getilgt wird. Wird 25 Jahre später eine neue Brücke benötigt, sollte die alte Brücke abbezahlt sein. Ist sie das nicht, stehen Kredite für zwei Brücken in den Büchern, obwohl man nur eine hat.

                      Dass das auf Dauer nicht klappen kann, sollte so einleuchtend sein, dass sich jede Diskussion erübrigt.

    • Stefan Pietsch 4. August 2022, 16:37

      Hm, Sie wissen nicht, dass wir seit Mitte der Neunzigerjahre einen Überschuss an angebotenen Ausbildungsstellen zu Ausbildungswilligen haben?
      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2042/umfrage/angebot-und-nachfrage-auf-dem-ausbildungsmarkt/

      Oder haben Sie sich um 20 Jahre verrechnet?

      Justament damals war eine Ausbildungsabgabe populär. Ich habe Linke gefragt, ob auch Schulabgänger, die eine angebotene Ausbildungsstelle nicht annehmen, dann eine Abgabe zahlen sollten? Wie üblich… da verp…. sich Linke.

      Okay, Frage beantwortet?

      • CitizenK 4. August 2022, 18:54

        Ja, verrechnet. Sorry. Siehe bei E. G.

        Ausbildungsabgabe: Die (damals noch) Arbeitsämter haben versucht, in Mangelberufe hinein zu beraten. Mit wenig Erfolg. Schwieriges Terrain. Ausbildungs- und Berufsfreiheit sind eine große Errungenschaft.

        Helfen Anreize? Bei den (Land-) Ärzten scheint es erste bescheidene Erfolge zu geben.

  • CitizenK 5. August 2022, 21:34

    „dauernd versucht, für unbegrenzte Kredite zu gewinnen?“

    Eine Unterstellung, die an Verleumdung grenzt.

  • CitizenK 7. August 2022, 23:02

    @ E. G.
    Das habe ich alles gelesen – nicht nur bei Dir – und verstanden. Aber Resignation ist keine Option. Thorsten Haupts hat einige Vorschläge gemacht, über die zu diskutieren lohnt.

    Knackpunkt Flüchtlinge. Vielleicht können wir uns die bisherige Großzügigkeit bald nicht mehr leisten, kann sein. Einen Austritt aus der UN-Menschenrechtskonvention (was die wahrscheinliche neue PM in GB will), wäre allerdings ein gewaltiger Bruch.

    • Erwin Gabriel 8. August 2022, 15:50

      @ CitizenK 7. August 2022, 23:02

      Aber Resignation ist keine Option.

      Ich resigniere nicht, ich arbeite ja in der Branche. Ich kann nur besser als Du einschätzen, was geht und was nicht.

      Thorsten Haupts hat einige Vorschläge gemacht, über die zu diskutieren lohnt.

      Ich habe ja auch schon das eine oder andere angesprochen, wenn vielleicht noch nicht in dieser Konsequenz. Bin aber bei Thorsten, ist aber hierzulande nicht machbar. Und, so viel sei verraten, es scheitert nicht an Thorsten oder mir.

      Es gibt bei zu vielen den Wunsch sich „ideal“ und „gut“ zu verhalten. Eine Kollegin von mir würde in dem Verständnis, dass wir damit unser Land ruinieren, jeden Flüchtling ins Land lassen, weil sie ihm nicht ins gesicht sagen mag, dass ausgerechnet er hier nicht leben darf – wasch mich, aber mach mich nicht nass dabei.

      Knackpunkt Flüchtlinge. …

      Meiner Meinung nach sind die Kosten, die wir aufbringen, schon sehr hoch. Aber das eigentliche Problem ist aus meiner Wahrnehmung ein soziologisches.

      • CitizenK 8. August 2022, 16:50

        Wir diskutieren hier vieles, was nicht (noch nicht) machbar ist. Einfluss haben wir sowieso nicht.
        Wenn etwas grundsätzlich änderbar ist (durch politische Entscheidungen) dann folgt das Machen dem Sollen. Fängt oft klein an. Rauchen im Restaurant oder im Flieger, Giftabwässer nicht mehr in den Fluss als negatives, Aufbau des Netzes von Sozialstationen als positives Beispiel.

        T. H. : Ausbildungskapazitäten umschichten. Es fehlen Pflegekräfte und Lehrer, aber die Institutionen können noch gar nicht so viele „liefern“. Also muss man da anfangen.

        Bei Bauingenieuren kenne ich mich in der Tat nicht aus, vermute aber: ähnlich.

  • CitizenK 7. August 2022, 23:37

    Zum Preissystem der DB: das Verramschen in immer neuen Rabattaktionen ist Unfug und ärgert mich als Normalzahler, auch mit Bahncard 25, die 50er lohnt sich für mich nicht.

    Die Investitionsmittel für die Bahn wurden von der EU genehmigt. Sie kamen allerdings sehr, sehr spät. Was ihre Wirksamkeit wesentlich mindert.

    Fahrgäste werden nur rausgeworfen, wenn sie sich weigern, nicht weil sie keine haben. Die Bahnmitarbeiter handeln nach Recht und Gesetz. Rechtsstaat und so.

    Die größere Fläche ist kein Argument. Dafür hat die Schweiz wesentlich schwierigere landschaftliche Bedingungen.

    Inzwischen strebt auch die DB das Taktsystem an. Endlich, aber viel zu spät. Erfordert jahrelange Planung und Vorarbeiten. Streckenausbau dort, hier wurden Strecken still gelegt.
    https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schweizer-bahn-peter-fueglistaler-deutsche-bahn-1.5598198?reduced=true

    Der Ausbau der Bahn war in der Schweiz ein nationales Projekt, abgestützt durch eine Volksabstimmung. Im Autoland Deutschland wurde die Bahn nicht wichtig genommen, Straßen hatten Vorrang.
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/70006/umfrage/investitionen-in-schieneninfrastruktur-pro-kopf/

    • Stefan Pietsch 8. August 2022, 13:46

      Fahrgäste werden nur rausgeworfen, wenn sie sich weigern, nicht weil sie keine haben. Die Bahnmitarbeiter handeln nach Recht und Gesetz. Rechtsstaat und so.

      Dann lügen die Bahnmitarbeiter? Auch eine Interpretation. Und die Lufthansa-Angestellten handeln nicht nach Recht und Gesetz. Herzlichen Dank auch.

  • CitizenK 8. August 2022, 12:31

    Soll ein notwendiges (oder auch nur: sinnvolles) Vorhaben unterbleiben, weil es jetzt noch nicht aus laufenden Einnahmen finanziert werden kann?
    Die Aufwendungen für eine Forschungsabteilung eines Pharmaunternehmens (inkl. Personal, Anteil weitaus größer als bei der Bahn) stellen für mich eine ganz klar eine „Investition“ dar. Egal, wieviel davon bilanziert kann, darf oder soll. Das interessiert mich nicht mehr. Auch hier sind die zukünftigen Erträge/Einnahmen daraus höchst ungewiss und nicht zurechenbar.

    Wenn der Begriff so sehr weh tut, könnte man auch Zukunftsssicherungsaufwendungen oder so ähnlich sagen. Aber was wäre damit gewonnen? Deshalb bleibe ich bei (immaterielle)“Investition“. Und bin nicht allein:
    https://www.buchhaltung-einfach-sicher.de/finanzen/investition

    • Stefan Pietsch 8. August 2022, 13:44

      Schreibe ich chinesisch?! Sie können alles leisten und am Geld mangelt es einem Staat, der fast 60% der erzielten Löhne und Gewinne vereinnahmt, ganz sicher nicht. Schreiben Sie einen Business Case. Der enthält den erwarteten Nutzen und den Finanzierungsvorschlag nebst Tilgung.

      Ansonsten habe ich das Gefühl, mit Ihnen wie mit einer Parkuhr zu sprechen.

      P.S.: Forschungsausgaben werden typischerweise aus laufenden Einnahmen bezahlt. Und wenn eine Sache so wichtig ist, sieht man das an dem Anteil der Mittel, die da hinfließen. Prioritäten.

  • CitizenK 10. August 2022, 08:02

    „Die Malaise begann im vergangenen Herbst, als der Betreiber Électricité de France (EDF) im Rahmen der Zehnjahresinspektion eines Kernkraftwerks auf Rohrrisse am Sicherheitseinspritzsystem stieß. Was zunächst wenig Aufregung hervorrief, wuchs sich zum Jahreswechsel, nachdem auch in anderen Anlagen Risse oder Hinweise darauf entdeckt wurden, zum waschechten Problem aus. Mittlerweile sind allein wegen des Korrosionsphänomens zwölf Reaktoren bis auf Weiteres nicht am Netz, darunter wohlgemerkt die vier modernsten und leistungsstärksten.“ (FAZ 10.8.22

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