Wenn man die Talkshows einschaltet, sieht man dort oft harsche Kritik an der Ukrainepolitik des Westens im Allgemeinen und Deutschlands im Besonderen: Inflation steigt, Gasknappheit droht, man befürchtet die Eskalation des Konflikts. Was mir an dieser Art Kritiken in letzter Zeit immer öfter auffällt ((typisch für die Debatte finde ich diesen Thread) ist die unterschwellige Prämisse, dass Deutschland beziehungsweise der Westen in diesem Konflikt herumschlafwandelten (eine Metapher, die Christopher Clarke übrigens rundheraus ablehnt). Man kann ja durchaus kritisieren, welche strategischen Schritte hier ergriffen werden (und werden das in den Kommentaren sicher auch tun), aber man sollte grundsätzlich anerkennen, dass hier von den Regierungen konkrete Ziele verfolgt werden. Es macht nur Sinn, über die entsprechenden Strategien zu streiten, wenn man diese Ziele anerkennt. Dann kann man konkret kritisieren, ob diese Ziele sinnvoll sind (erstens) und ob die aktuellen Strategien der richtige Weg sind, sie zu erreichen (zweitens).
Dies wird dadurch erschwert, dass es seit dem Februar 2022 einen oder sogar mehrere deutliche Wechsel in der Strategie gab (beziehungsweise sogar mehrere) und dass Olaf Scholz nicht durch sonderlich stringente Kommunikation auffallen würde. Die Neigung der deutschen Öffentlichkeit, alle Themen in einer riesigen Nabelschau immer auf innenpolitische Probleme zu beziehen, tut dem Ganzen auch keinen großen Gefallen.
Als Russland seine verschärften Aggressionen gegen die Ukraine begann – im Winter 2021/22 – war der weithin geteilte Konsens, dass es sich um eine rhetorische Eskalation handle und Putin allenfalls lokal Aktionen unternehmen würde. Der Truppenaufbau an der Grenze zur Ukraine wurde als Bluff betrachtet. Die Möglichkeit, dass er tatsächlich einen umfassenden Krieg führen würde, hatten die wenigsten auf dem Radar (ich übrigens auch nicht, bevor da der gegenteilige Eindruck einer derartigen Behauptung aufkommt). Im Februar spitzte sich die Lage dann spürbar zu. Die westlichen Analysten sagten allesamt korrekt voraus, dass Putin einen Angriff plane, und hatten sogar den exakten Tag entsprechend bestimmt. Dass nun (wie im oben verlinkten Thread) daraus eine Schuld des Westens konstruiert wird, ist geradezu hanebüchen.
Fakt ist, dass Biden den Krieg ankündigte, bevor er begonnen hatte. Als es dann tatsächlich losging, tat er nichts, um ihn zu beenden. Im Gegenteil : Die USA heizen den Konflikt nach Kräften an, mit einem Lend-Lease Programm wie im 2. Weltkrieg
— Eric B. (@LostinEU) July 26, 2022
Ich möchte an dieser Stelle kurz verweilen. Die CIA beziehungsweise die Biden-Administration haben die Informationen über den russischen Truppenaufmarsch ja nicht publik gemacht, weil irgendein kleiner Beamter einen privaten Blog betreibt und den Kram gepostet hat. Das war eine bewusste Entscheidung. Das Kalkül dahinter ist ziemlich offensichtlich: Putin sollte keine Gelegenheit gegeben werden, den Angriff als Reaktion auf irgendeine ukrainische „Provokation“ darzustellen (quasi Sender Gleiwitz reloaded), sondern seine Schuld an der alleinigen Eskalation sollte von Anfang an offenkundig sein. Dieses Kalkül ging, im Rahmen der Möglichkeiten, auf. Ein Narrativ, demzufolge Russland nicht der Angreifer sei, konnte nicht verfangen; die Putinisten verlagerten sich stattdessen von Anfang an auf den aufgezwungenen Krieg.
Auch die Idee, dass früheres Krisenmanagment da völlig anders gewesen sei, ist ahistorischer Unfug:
Diese sogenannten „Geheimdienst-Meldungen“ waren Teil des diplomatischen Spiels. Natürlich hatten die den Zweck, Russland unter Druck zu setzen, um Putin eine Niederlage beizubringen. In der Kubakrise verzichtete man auf solche Spielchen. Zum Glück. https://t.co/iiLwddHCE7
— f.luebberding (@luebberding) July 26, 2022
Die Kubakrise begann quasi offiziell mit der Veröffentlichung von Geheimdienstinformationen durch den amerikanischen UN-Botschafter in einer Vollversammlung der UNO und einer Fernsehansprache Kennedys. Das Ziel war ganz klar, Chruschtschow unter Druck zu setzen und ihm eine Niederlage beizubringen. Diese „Spielchen“ waren von Anfang an drin und haben die Krise im Übrigen auch damals verschärft. Lübberding verfällt hier Präsentismus: weil es gut ausgegangen ist, muss alles total clever gewesen sein. Dazu kommt, dass Chruschtschow unter anderem wegen der Kubakrise 1964 aus dem Amt gedrängt wurde. Der Aufbau von Druck hatte also funktioniert (ob Breschnew dann besser war, sei mal dahingestellt). Insofern arbeitete die westliche Politik hier durchaus mit Plan und Strategie und hatte auch entsprechende historische Vorbilder an der Hand.
Als der Krieg dann begonnen hatte, war die einhellige Erwartung, dass er schnell gehen würde – sowohl von russischer als auch von westlicher Seite. Die westliche Reaktion hatte Putin bereits eingepreist: kosmetische Verschärfungen der bereits bestehenden, zahnlosen Sanktionen und ein Theaterdonner auf diplomatischer Bühne. Stattdessen kam es, wie wir wissen, anders: unerwartete ukrainische Kompetenz und Hartnäckigkeit und ebenso unerwartete russische Inkompetenz sorgten für eine klare Niederlage vor Kiew, worauf sich der Krieg auf den Süden der Ukraine verlagerte und dort seither tobt.
Diese unerwartete Zähigkeit der Ukraine veränderte alles. Die Reaktion des Westens viel WESENTLICH härter und entschlossener aus, als vorher von allen Seiten antizipiert, dem Westen eingeschlossen. Dass Russland tatsächlich so umfassend Krieg führen würde – also die Ukraine in ihrer Gesamtheit anzugreifen statt begrenzte Operationen um das Donezk-Becken herum – veränderte die Sicht auf die Geschehnisse praktisch weltweit. Und hier kommt der nächste Schritt, die nächste Änderung der westlichen Strategie.
Anstatt nur Lippenbekenntnisse und zahnlose Sanktionen abzugeben, wie das ursprünglich ziemlich sicher geplant war, verschob sich das Ziel massiv. Ich bin mir unsicher, ob es je ernsthafte Hoffnungen auf einen Totalzusammenbruch Russlands gab – ich würde eher „nein“ sagen, aber das ist nur Bauchgefühl – ist unklar, aber im westlichen Diskurs war der Schwung noch schärfer als auf politischer Ebene. Plötzlich wurde ernsthaft diskutiert, Russland durch Sanktionen in die Knie zu zwingen. Sie wurden von einem punitiven Instrument zu einem strategischen. Der Westen wurde dadurch quasi „über Bande“ Kriegsteilnehmer in der Ukraine.
Das Ziel der Sanktionen war nun nicht mehr, Russland für sein Verhalten zu bestrafen, sondern ein bestimmtes Ergebnis in einem andauernden Konflikt zu erreichen. Das war eine neue Qualität. Gleichzeitig begann der Westen mit massiven Hilfsprogrammen für die Ukraine (was Bonse nicht falsch als „Lend-Lease“ beschreibt; mehr dazu etwa hier). Mittlerweile ist glaube ich klargeworden, dass Russland nicht einfach zusammenbrechen wird. Wie stark Russland von den Sanktionen betroffen ist, ist schwer zu sagen. Die Ökonom*innenzunft ist über diese Frage seit Monaten heftig zerstritten. Unbestreitbar ist der Vorteil, den die Waffenlieferungen der Ukraine bringen. Ohne westliche Unterstützung könnte das Land vermutlich nicht gegen Russland bestehen; wirtschaftlich ohnehin nicht. Die Ukraine ist de facto bankrott und wird nur durch westliche Unterstützung am Leben erhalten. Das ist eine Situation, die das UK aus dem Zweiten Weltkrieg auch nur zu gut kennt.
Natürlich blieb Russland bei alledem nicht untätig. Putin stehen weit weniger Hebel zur Verfügung, dem Westen zu schaden, als umgekehrt, aber er nutzt, was er hat. Erstaunlich wenig erfolgreich sind die russischen Trollfabriken. Bei Brexit und Trump-Wahl waren sie wesentlich erfolgreicher, was einmal mehr zeigt, dass die entschlossene Reaktion des Westens und das klare Framing Russlands als Aggressor clevere Strategie waren (und nicht etwa, die Lübberding insinuiert, ein Fauxpas). Sie haben die Resilienz der westlichen Gesellschaften deutlich gestärkt. Die schärfste Waffe in Putins Arsenal aber ist das Gas, von dem besonders Deutschland dank der jahrzehntelangen verfehlten Politik eines Mega-Bündnisses aus CDU, SPD, LINKEn und FDP, besonders abhängig ist. Wie abhängig ist unter Ökonom*innen ebenfalls sehr umstritten; die Schätzungen reichen von „wird kein angenehmer Winter“ zu geradezu apokalyptischen Szenarien vom Zusammenbruch der deutschen Gesellschaft.
Die Reaktion der deutschen Regierung im Besonderen hier ist sehr umstritten. Regierungskritiker*innen wie Bonse, Lübberding oder auch Strobl – und, prominter, Leute wie Varwick, Krone-Schmalz, oder Wagenknecht -, die die westliche Einmischung in den Konflikt ablehnen, empfinden die zu erwarteten wirtschaftlichen Lasten als viel zu hohen Preis für etwas, das sie ohnehin als Fehler betrachten. Sie plädieren für einen Kompromiss mit Russland in irgendeiner Form. Die Regierung hat sich von dieser Vorstellung völlig verabschiedet. Ein grüner Wirtschaftsminister (!) kauft Gas (!!) in Katar (!!!) und lässt Flüssiggas im Eilverfahren weltweit importieren. Wenn das keine Zeitenwende ist, weiß ich auch nicht. Ein erbitterter Streit tobt um die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke (den ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen kann: entweder es hilft kurzfristig, dann spricht nichts dagegen, oder es hilft nicht, und dann ist die Debatte müßig).
Dahinter ist eine klare Strategie erkennbar: Deutschland im Speziellen und der Westen im Allgemeinen wollen sich energiepolitisch unabhängig von Russland machen. Man kann nun darüber streiten, ob das ein sinnvolles Ziel ist, aber wenn die Debatte irgendeinen Sinn haben soll, dann muss man anerkennen, dass es eine dezidierte Strategie ist und die Sanktionen und die Gasknappheit nicht Resultat irgendeines Fehlers sind, den die Bundesregierung in Ignoranz begangen hat. Den Verantwortlichen sind die Folgen ihrer Politik völlig klar. Und erneut: wir können gerne sowohl darüber streiten, ob die Politik sinnvoll ist als auch über die Konsequenzen, die die Politik daraus gezogen hat. Aber was wir nicht tun können ist einfach so zu tun, als würden völlig willkürliche Policies aus einer Art Berliner Lotterie fallen.
Das gleiche gilt für die diplomatische Strategie. Von Beginn an verfolgte der Westen das Ziel, Russland politisch zu isolieren. Der worst case wäre ein breites anti-westliches Bündnis in dieser Frage, mit Waffenlieferungen und Unterstützung Russlands durch China. Das ist (bislang) nicht passiert. Der westliche Ansatz zur Isolierung war erstaunlich erfolgreich, mit der Verurteilung des illegalen russischen Angriffskriegs vor den Vereinten Nationen mit erstaunlich großer Zustimmung (und einer gewaltigen Enthaltungswelle; Russland hatte nur sehr wenige „Nein“-Stimmen auf seiner Seite). Solche Ergebnisse gibt es in der UNO sonst nur, wenn es mal wieder gegen Israel geht.
Zuletzt ist ein klares Zusammenrücken innerhalb der NATO und der EU als Folge des Angriffskriegs gegen die Ukraine erkennbar. Die NATO hat ihre Nordostflanke arrondiert und die Ostsee in einen „Lake NATO“ verwandelt, die Militärs werden deutlich aufgerüstet, die Präsenz des Bündnisses in den östlichen NATO-Staaten deutlich ausgebaut, die USA haben ein neues commitment auf dem Kontinent und zahlreiche Konflikte wurden hintenangestellt. Diese Entwicklung ist ein absolutes Desaster für Putin. Selbst wenn er militärisch in der Ukraine gewinnt (was bei weitem nicht ausgemacht ist), so ist die Einigung des vorher so zerstrittenen Bündnisses und Staatenverbundes für ihn eine krasse Niederlage, die alleine rechtertigt, den ganzen Krieg als größten geopolitischen Fehltritt seit mindestens 30 Jahren zu betrachten.
Daher: wenn wir über die westliche Politik und Strategie streiten, dann sollten wir anerkennen, dass es eine solche gibt. Alles andere führt zu wenig, weil eine Debatte darüber, wie doof es ist, dass die Gaspreise steigen, nutzlos ist. Klar ist es scheiße, wenn Unternehmen bankrott gehen, Energiepreise in die Höhe schießen und Menschen deutlich ärmer werden. Aber das passiert ja nicht in einem Vakuum. Die westlichen Regierungen azeptieren diese Ergebnisse (und versuchen sie zu mitigieren) in einem klaren Austausch gegen geopolitische Ziele, in diesem Fall die komplette Abkapselung von Russland und eine deutliche Erhöhung der eigenen Resilienz. Ist es das wert? Who knows. Darüber können wir gerne diskutieren. Aber bitte nicht so tun, als würde Habeck einfach aus Spaß an der Freude den Gashahn abdrehen.
Danke, dass Du das Thema aufnimmst, das ja die ganze Zeit wie ein großer Schatten über allen anderen Debatten liegt.
„Putin in die Knie zwingen“? Wer den auch nur aus den Medien kennt, weiß: das ist kein erreichbares Ziel. Selbst wenn die russische Bevölkerung Gras essen muss, wonach es gar nicht aussieht.
„Ob Putin in der Ukraine gewinnt“, heißt – was? Dass er den Donbass und vielleicht die Landbrücke nach Moldawien-Ost (inklusive Odessa und damit die gesamte Schwarzmeer-Küste) dauerhaft unter Kontrolle hat. Oder erst beim Regime Change? Was vermutlich einen langjährigen Partisanenkrieg zur Folge hätte. Beides würde die Ukraine so schwächen, dass Hoffnungen wie ein EU-Beitritt eine Illusion bleiben werden. War die Ankündigung dieses Ziels sinnvoll?
Die Wiederauferstehen der NATO ein „Desaster für Putin“? Ich weiß nicht. Der Test steht noch aus. Ungarn, Italien, möglicherweise Frankreich und – Sachsen? Merz wäre wohl besser nach Dresden geflogen statt nach Sylt.
Und trotz alledem sehe ich keine vernünftige Alternative zur Politik der Bundesregierung.
„In die Knie zwingen“ – Genau, aber das ist in meinen Augen auch nicht das Ziel.
„Putin gewinnt“ – Erst einmal ganz prosaisch wenn er den Sieg erklärt. Er ist derjenige, der es eskaliert hat, er ist derjenige, der es beenden kann. Aber aktuell scheint sein Hauptziel die Landbrücke zwischen Donbass und Krim zu sein.
„Wiederauferstehung“ – Das ist ein Desaster. Die Stationierung von Truppen im Baltikum einerseits und Finnland/Schweden in der NATO andererseits sind einfach eine Katastrophe für Russland.
Danke für die sehr gute Darstellung, der ich weitgehend zustimme. Ob die westlichen Gesellschaften wirklich resilienter geworden sind, bleibt abzuwarten. Im Winter werden wir sehen, ob die Deutschen kalte Wohnungen akzeptieren oder ob sie die Folgen ihrer eigenen falschen Entscheidungen (immer billigsten Gasanbieter auf Check24 suchen) wie üblich der Politik anlasten.
Leider ist ja auch sehr schwer zu sagen, wann die Krise für die Ukraine überhaupt beendet ist. Sobald Russland seine Angriffsoperationen beendet? Sobald Russland sich auf die Position von Januar zurückzieht – oder auf die von 2013? Und was würde die deutsche Öffentlichkeit überhaupt als Krisenende betrachten? Davon würde – wahrscheinlich – die Bereitschaft zu weiteren Hilfsleistungen abhängen.
PS: LostinEU schreibt tatsächlich weitgehend Quatsch. Ein Ideologe auf Kriegsfuß mit der Realität. Frank Lübberding hat immerhin eine flotte Schreibe, wenn er will.
Sie werden es definitiv anlasten. Aber ob das mehr als über ein Hintergrundmeckern über den Winter rausgeht, bezweifle ich. Es wird viel Unzufriedenheit geben, und sobald der Frühling kommt, wird sich das wieder geben.
Wenn Putin die Kampfhandlungen einstellt.
Schreiben kann er, keine Frage.
Der Eric B. ist vollkommen lost und auch ein Grund, warum ich mein Makroskop-Abo gekündigt habe.
Wird man da gewzungen, bestimmt Autoren zu lesen?
Komisches Magazin, die kriegen es nicht hin, alle Autoren auf die gleiche Linie zu bürsten? Unfassbar. 😉
„auch ein“ Grund → es gab noch weitere.
Stimmt grosso modo alles. Mit einer Einschränkung – Thomas Strobls und Luebberdings Kritik (was bei Luebberding immer Interpretation des Orakels von Delphi bedeutet) gehen auf etwas ein, was sonst selten diskutiert wird: Die von ihnen gesehene De-Industrialisierung Deutschlands als Folge eines russischen Gasboykottes (wegen der dadurch wegbrechenden Wettbewerbsfähigkeit gasabhängiger Industrien). Kann ich echt nicht beurteilen, wäre mir als Preis für die Ukrainehilfe aber tatsächlich auch zu hoch.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich glaube so krass wird das nicht.
@ Thorsten Haupts 29. Juli 2022, 10:31
Die von ihnen gesehene De-Industrialisierung Deutschlands als Folge eines russischen Gasboykottes (wegen der dadurch wegbrechenden Wettbewerbsfähigkeit gasabhängiger Industrien). Kann ich echt nicht beurteilen, wäre mir als Preis für die Ukrainehilfe aber tatsächlich auch zu hoch.
Ist für mich ebenfalls sehr schwierig zu beurteilen. Aber ich da mit einer amateurhaften Einschätzung auf einer Linie mit Stefan Sasse.
Nach meiner amateurhaften Einstellung jammert die deutsche Wirtschaft gerne und früh, nicht immer zu Recht. Ist aus meiner Wahrnehmung eine Art Pawlov’scher Reflex, von der Politik seit Jahrzehnten antrainiert. Wenn es ernst wird, klingt das anders.
Wobei ich mir durchaus die Frage stelle, was es für uns bedeutet und welche Konsequenzen es hat, wenn wir vor Putin den Nacken beugen. Mir scheint, dass sich Psychos á la Putin durch so etwas immer ermutigt fühlen, weiterzumachen.
„Von der Politik antrainiert“? Schon zu Hammurabis Zeiten haben sich Handwerker über die königlichen Steuerpläne beschwert 😀
@ Stefan Sasse 30. Juli 2022, 09:53
„Von der Politik antrainiert“? Schon zu Hammurabis Zeiten haben sich Handwerker über die königlichen Steuerpläne beschwert.
Das meine ich nicht, sondern das Einfordern von Hilfe und Unterstützung.
Auch das gibt es doch schon ewig und drei Tage. Petitionen an die jeweils Herrschenden kennen wir seit den Sumerern.
@ Stefan Sasse 30. Juli 2022, 16:52
Auch das gibt es doch schon ewig und drei Tage. Petitionen an die jeweils Herrschenden kennen wir seit den Sumerern.
Ja. Und wie sah die Reaktion von Hammurabi darauf aus?
Dafür kenn ich mich da zu wenig aus, muss ich zugeben. Nehme mal an, an manchen Tagen gab er statt, an manchen nicht. Wie alle Herrschenden.
„wäre mir als Preis für die Ukrainehilfe aber tatsächlich auch zu hoch.“
Die Ukraine fallen lassen und dann wäre alles wieder wie vorher? Es ist doch wohl klar, dass es mehr geht. Mit den Waffenlieferungen sind wir indirekt Kriegspartei. Völkerrechtlich nicht? Das interessiert Putin bestimmt nicht.
Ich bin auch verwirrt, wenn Habeck blauäugig- erstaunt feststellt, dass Putin das Gas „als Waffe“ einsetzt. Die westlichen Sanktionen sind das doch auch.
Aber wenn es wirklich um den großen Konflikt gegen „den Westen“ geht, bin ich doch erstaunt, wie wenig das hier realisiert wird. Die Schlagzeilen werden geprägt von Gedränge am Flughafen und ausfallenden Urlaubsflügen. Kann gut sein, dass das bald unsere geringste Sorge sein wird. Die Angst vor dem Winter ist schon spürbar. „You’ll never walk alone“ wird da nicht reichen.
Wie ich sagte, die Debatte ist superdumm.
„Die Neigung der deutschen Öffentlichkeit, alle Themen in einer riesigen Nabelschau immer auf innenpolitische Probleme zu beziehen, tut dem Ganzen auch keinen großen Gefallen.“
Sie ist gerade im Bereich der Militärhilfe albern, denn dort können nur die USA klotzen, während Deutschland nur kleckern kann:
https://taz.de/Lieferung-von-Haubitzen-an-die-Ukraine/!5867455/
Aber was, wenn Putin wegen unserer 5000 Helme Atombomben wirft??11!!!!
„Die Reaktion der deutschen Regierung im Besonderen hier ist sehr umstritten. Regierungskritiker*innen wie Bonse, Lübberding oder auch Strobl – und, prominter, Leute wie Varwick, Krone-Schmalz, oder Wagenknecht -, die die westliche Einmischung in den Konflikt ablehnen, empfinden die zu erwarteten wirtschaftlichen Lasten als viel zu hohen Preis für etwas, das sie ohnehin als Fehler betrachten. Sie plädieren für einen Kompromiss mit Russland in irgendeiner Form.“
Da ist natürlich dein Blogeintrag über den Zauberstab der „Verhandlungen“ relevanter denn je.
Hier ein Beitrag darüber, wieso nur ein Putin aufgezwungener Waffenstillstand ein sinnvoller ist:
https://www.zeit.de/politik/2022-07/russland-ukraine-krieg-waffenstillstand-wladimir-putin-kriegsziel/komplettansicht
Die Sanktionen scheinen übrigens tatsächlich die Wirkungen zu haben, die man sinnvollerweiser erwarten durfte:
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Sanktionen-laehmen-Russlands-Wirtschaft-article23490413.html
Danke für den Hinweis, völlig korrekt.
@ sol1 29. Juli 2022, 11:50
„Regierungskritiker*innen … , die die westliche Einmischung in den Konflikt ablehnen, empfinden die zu erwarteten wirtschaftlichen Lasten als viel zu hohen Preis für etwas, das sie ohnehin als Fehler betrachten. Sie plädieren für einen Kompromiss mit Russland in irgendeiner Form.“
Ich bin eigentlich ganz froh, dass Churchill nicht genauso gedacht hat.
Hier ein Beitrag darüber, wieso nur ein Putin aufgezwungener Waffenstillstand ein sinnvoller ist: …
Volle Zustimmung
Man kann ja durchaus kritisieren, welche strategischen Schritte hier ergriffen werden (und werden das in den Kommentaren sicher auch tun), aber man sollte grundsätzlich anerkennen, dass hier von den Regierungen konkrete Ziele verfolgt werden.
OK, wenn ich unsere Aussenministerin richtig verstanden habe, dann möchte Sie gemeinsam mit dem restlichen Wertewesten (wer auch immer das sein soll und für welche Werte auch immer die stehen mögen) Russland ruinieren. Zitat:
„Über das EU-Paket an Wirtschafts- und Finanzsanktionspaket gegen Russland sagte Baerbock: „Das wird Russland ruinieren.“ Mit Putin und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow würden zudem auch jene mit klaren Sanktionen belegt, „die für diese Furchtbarkeit an den Menschen in der Ukraine“ verantwortlich seien.“
https://www.boerse-online.de/nachrichten/aktien/barbock-sanktionen-werden-russland-ruinieren-1031232576
Ich finde es weder sinnvoll noch hinnehmbar, das ein ganzes Land ruiniert werden soll.
(Nur zur Erinnerung, das war nicht mal bei Deutschland nach dem Holocaust je ein Thema und wenn da nicht, wie kann man so ein Ziel überhaupt auch nur andenken?)
Es macht nur Sinn, über die entsprechenden Strategien zu streiten, wenn man diese Ziele anerkennt.
Anerkennt, was soll das heissen, richtig findet?
Dann kann man konkret kritisieren, ob diese Ziele sinnvoll sind (erstens) und ob die aktuellen Strategien der richtige Weg sind, sie zu erreichen (zweitens).
Wenn man Russland vorwirft, es wollte die EU spalten und dann Sanktionen verhängt, die dazu führen, das hier in Deutschland die Wirtschaft um 20-30% einbrechen könnte, was die EU mit Sicherheit zerstört, weil der grösste Zahlmeister ausfällt, dann kann es doch wohl nicht hingenommen werden, das wir das Ziel für Putin erledigen mit der Zerstörung der EU. Ganz egal, was auch immer die offiziellen Ziele der Sanktionen sein sollen.
Auf so einem abgehobenen moralischen Ross kann doch wohl niemand sitzen bleiben wollen.
Abgesehen davon würde mich die rechtliche Einordnung von Sanktionen mal interessieren. Es kann doch wohl nicht rechtens sein, wenn einfach Konten eingefroren werden, weil die EU meint, man wäre ein böser Mnesch (vulgo Oligarch).
Es gibt auch dabei nie die Kriterien, die dazu führen, das die Sanktionen aufgehoben werden, das geht bis zum Sankt Nimmerleinstag, weil es aus dem Fokus der Medien verschwindet, wie die Saktionen gegen Syrien, die immer noch dazu führen, das dort kein medizinisches Material geliefert werden kann, was zwar von den Sanktionen ausgenommen ist, aber leider wegen der Sanktionen gegen Banken nicht bezahlt werden kann.
Das die Sanktionen (nicht der Krieg) den Hunger in der Welt verschärfen, weil die Schiffe und Ladungen von Getreide für Afrika nicht mehr versichert werden, scheint auch niemanden weiter zu stören.
Schönes Gefühl, bei den Guten zu sein, oder?
@ tobi
Ich finde es weder sinnvoll noch hinnehmbar, das ein ganzes Land ruiniert werden soll.
Also Verhandlungsfrieden mit Hitler 1942? Viel Vergnügen.
(Nur zur Erinnerung, das war nicht mal bei Deutschland nach dem Holocaust je ein Thema und wenn da nicht, wie kann man so ein Ziel überhaupt auch nur andenken?)
Äh … Deutschland war 1945 sehr gründlich ruiniert.
Damals hat man das mit militärischen Mitteln geschafft. Bei Russland wollen wir das (noch) nicht, daher versuchen wir es wirtschaftlich. Aber genau darum geht es: das Land so lange ruinieren, bis es nicht mehr kann. Selbes Ziel, andere Mittel.
Exakt. Putin hat Krieg angefangen. Die Ukraine ist übrigens bereits jetzt nachhaltig ruiniert.
Und die Sanktionen ändern was genau daran?
Irgenwer fängt immer an beim Krieg, ändert aber nichts daran, das die Kriege immer mit Verhandlungen enden.
Sie glauben echt, das die Ukraine stärker als die gesamte Nato ist und gewinnen kann?
An der wirtschaftlichen Situation der Ukraine ändern die natürlich nichts. Wie ich beschrieben habe halte ich die Sanktionen für relevant für UNSERE VoWis, nicht die ukrainische.
Und ich halte es für möglich, dass die Ukraine mit starker westlicher Unterstützung einen russischen Sieg verhindert, ja.
Und ich halte es für möglich, dass die Ukraine mit starker westlicher Unterstützung einen russischen Sieg verhindert, ja.
Das hängt davon ab, wie Sie „Sieg verhindern“ definieren, was wäre denn ein Sieg?
Wofür brauchen wir eigentlich die Nato, wenn so ein kleines Land mit Hilfe der anderen den Erzfeind besiegen kann?
Warum haben die dann so einen Schiss vor Russland?
Ich halte das für komplett abwegig.
Also Verhandlungsfrieden mit Hitler 1942? Viel Vergnügen.
Also ist Russalnd echt schlimmer als der Holocaust?
Und wenn, dann ist das nicht unsere Entscheidung, sondern die der Ukraine, oder etwa nicht?
Äh … Deutschland war 1945 sehr gründlich ruiniert.
Ja, hatte aber auch den Holcaust zu vernatworten, oder war das damit erledigt?
Wozu der Marshallplan?
Aber genau darum geht es: das Land so lange ruinieren, bis es nicht mehr kann. Selbes Ziel, andere Mittel.
Ein ganzes Land ruinieren, obwohl doch da gar keine Demokratie herrscht? Selbes Ziel, weil echt das nun gleichgesetzt werden kann mit dem Holocaust?
Für sowas wurde mein Kommentar von Herrn Sasse gelöscht.
Die Sanktionen werden Russland auf Dauer ruinieren. Die Idee ist ja, dass Putin deswegen irgendwann aufhört. Was sie nicht tun, ist binnen Wochen oder auch nur Monaten dieses Ergebnis bringen.
Anerkennt heißt: anerkennen, dass es die gibt. Wie im Artikel beschrieben. Sie scheiße finden kannst du dann.
Anerkennt heißt: anerkennen, dass es die gibt. Wie im Artikel beschrieben. Sie scheiße finden kannst du dann.
Ich soll die von Ihnen die als „die Ziele der Regierung“ genannten Punkte anerkennen? Warum denn das? Wissen Sie mehr als die Regierung selbst?
Natürlich gibt es Ziele, die gibt es immer, das ist ja nun banal. Aber ob es unterstüzenswerte Ziele sind, das sollte doch die Frage sein.
Nicht, ob ein Kreis rund ist. 😉
Ich finde es weder sinnvoll noch hinnehmbar, das ein ganzes Land ruiniert werden soll.
Sehen Sie, das unterscheidet uns. Ich finde es sehr hinnehmbar, dass Deutschland von 1942 bis 1945 von Bomben ruiniert wurde. Und noch eher finde ich es, streiche hinnehmbar, begrüssenswert, wenn ein lupenreiner Angriffs- und Vernichtungskriegerstaat, dessen Soldatennach Herzenslust rauben/morden und vergewaltigen, durch Sanktionen ruiniert wird.
Will Sie aber um Gottes Willen nicht daran hindern, ein paar Tränchen wegen dem armen, geschundenen Russland zu verdrücken. Nur zu.
Gruss,
Thorsten Haupts
Geht mir auch so.
@ Thorsten Haupts 29. Juli 2022, 14:43
Ich finde es sehr hinnehmbar, dass Deutschland von 1942 bis 1945 von Bomben ruiniert wurde.
Ich finde es grundsätzlich nicht hinnehmbar, dass Soldaten gegen Zivilisten kämpfen – ob es sich um amerikanische und britische Bombenangriffe auf deutsche Städte oder um russische Raketenangriffe auf syrische oder ukrainische Krankenhäuser handelt. Sind grundsätzlich verachtenswerte Kriegsverbrechen.
Und noch eher finde ich es, streiche hinnehmbar, begrüssenswert, wenn ein lupenreiner Angriffs- und Vernichtungskriegerstaat, dessen Soldatennach Herzenslust rauben/morden und vergewaltigen, durch Sanktionen ruiniert wird.
Will Sie aber um Gottes Willen nicht daran hindern, ein paar Tränchen wegen dem armen, geschundenen Russland zu verdrücken. Nur zu.
D’accord
Es gab in meinen Augen keine echte Alternative dazu.
@ Stefan Sasse 30. Juli 2022, 09:54
Es gab in meinen Augen keine echte Alternative dazu.
Diesen Standpunkt verstehe ich nicht. Krieg nennt man, wenn Soldaten gegen Soldaten kämpfen. Kämpfen Soldaten gegen Zivilisten, nennt man das Terror, Massenmord, Kriegsverbrechen. Da gibt es bei mir kein Vertun.
Sah man damals in ALLEN Staaten der Erde anders, darüberhinaus ist es in einem modernen Krieg auch nicht völlig schlüssig. Die Zivilisten stellen – als Arbeiter – die Waffen und die Munition her, die Soldaten später benutzen. Man hat sich heute – im Westen – entschieden, reine Wohngebiete nicht mehr zu bombarieren, aber das ist eine neue Entscheidung und daüberhinaus eine, von der ich nicht glaube, dass sie einen echten, konventionellen, Krieg überleben wird. Den hat der Westen seit 1951 (Korea) nicht mehr geführt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Jepp, das sehe ich Ähnlich. Die Idee, „nur“ die Rüstungsindustrie zu treffen, löst sich bei genauerer Betrachtung schnell in Luft auf.
@ Thorsten Haupts
@ Stefan Sasse
Na, dann machen die Russen mit der Ermordung von Zivilisten in der Ukraine wohl alles richtig …
Vollkommen unverständliche Grüße
E.G.
Du missverstehst das Argument. Angenommen, Putin würde Atombomben auf Berlin und Washington werfen. Dann würdest du für den Gegenschlag auch nicht den Westen kritisieren.
@ Stefan Sasse 1. August 2022, 08:11
Angenommen, Putin würde Atombomben auf Berlin und Washington werfen. Dann würdest du für den Gegenschlag auch nicht den Westen kritisieren.
Du missverstehst mein Argument. Angenommen, jemand vergewaltigt Deine Tochter. Mein Verständnis, den Täter zu kastrieren, zu foltern oder umzubringen, hast Du. Mein Verständnis, im Gegenzug dessen Tochter zu vergewaltigen, hast Du nicht.
Kämpft ein Soldat gegen Zivilisten, ist er ein Kriegsverbrecher. Schafften die Ukrainer, die Russen aus ihrem Land zu vertrieben und sich in Russland festzusetzen, wären sie ebenfalls Kriegsverbrecher, sollten sie dort in die Dörfer gehen und Zivilisten umbringen. Das wäre für mich kein akzeptabler Gegenschlag.
Ja, da bin ich völlig bei dir. Nur passt das halt für das strategische Bombardement im WK2 nicht wirklich. Ich würde nie die Massenvergewaltigungen der Roten Armee rechtfertigen, oder die Morde an Flüchtenden oder so. Aber das sind einfach zwei unterschiedliche Dinge.
Der strategische Luftkrieg im WK2 war die einzige Möglichkeit für vier Jahre, wie die Alliierten Deutschland direkt treffen konnten. Darauf zu verzichten war unmöglich.
@ tobi 29. Juli 2022, 12:16
Ich finde es weder sinnvoll noch hinnehmbar, das ein ganzes Land ruiniert werden soll.
Definiere „ruinieren“. Ziel der westlichen Politik ist, Russland finanziell, wirtschaftlich und (durch Gegenwehr in der Ukraine) militärisch so zu schwächen, dass es seinen Angriffskrieg abbrechen muss. Das ist meiner unmaßgeblichen Meinung nach ein legitimes, erforderliches Ziel. Es geht nicht darum, Russland so zu behandeln, wie es die Ukraine behandelt.
Wenn Du dagegen bist, dass ein ganzes Land ruiniert wird, sprich mit Putin. Er ist derjenige, der das tut. Und wenn Du auf die Auswirkungen westlicher Sanktionen auf die russische Bevölkerung abzielst, liegt mein Mitgefühl eher bei den ukrainischen Kindern, Frauen und Männern.
(Nur zur Erinnerung, das war nicht mal bei Deutschland nach dem Holocaust je ein Thema und wenn da nicht, wie kann man so ein Ziel überhaupt auch nur andenken?)
Definiere „ruinieren“.
Please ask your Anna Lena, das waren Ihre Ansagen.
Das ist meiner unmaßgeblichen Meinung nach ein legitimes, erforderliches Ziel.
Haben wir das jemals bei den USA gefordert? Iran, Afgahnistan, die haben sicher nicht die USA angegriffen, oder habe ich das verpasst?
Und wenn Du auf die Auswirkungen westlicher Sanktionen auf die russische Bevölkerung abzielst, liegt mein Mitgefühl eher bei den ukrainischen Kindern, Frauen und Männern.
Acvh so, ich dachte, es geht um Werte?
Auch die Nazis in Militär (Bandera)? Werden wieder wertvollere Leben definiert? Spannend, wie schnell das wieder geht.
Werden wieder wertvollere Leben definiert?
Ohne jedes ethische Problem ist jedes Leben eines Verteidigers in einem völlig unprovozierten Angriffskrieg immer wertvoller, als das des Angreifers. Das Leben eines Zivilisten in einem völlig unprovozierten Angriffskrieg wertvoller, als das eines angreifenden Soldaten. Und das des Zerbombten in einem völlig unprovozierten Angriffskrieg wertvoller, als das der Bomber.
Gruss,
Thorsten Haupts
Zustimmung.
Ohne jedes ethische Problem ist jedes Leben eines Verteidigers in einem völlig unprovozierten Angriffskrieg immer wertvoller, als das des Angreifers.
Das der Afgahnen/Iraker/Libanesen ist also wertvoller als das von unseren oder den amerikanischen Soldaten?
Dann war das Leben der Deutschen weniger wert, nach dem zweiten Weltkrieg.
Ich dachte doch wirklich, es gibt Kategorien, die gelten entweder für alle oder für keinen, so wie die Menschenrecht (Recht auf Leben).
War wohl ein Irrtum, weil das Volk ja immer für die Regierung verantwortlich ist, auch bei Autokratien.
Ist die gesamte Russische Bevölkerung der Angreifer und darf ich das auch auf andere Krieg übertragen?
Immer wieder aufschlussreich, wieviel Schmierseife auf der schiefen Bahn der Doppelmoral doch anzutreffen ist.
Und das von jemandem, der von Verhandlungen mit einem Regime faselt, dessen Staat einen Angriffs- und Vernichtungskrieg führt, und bestenfalls über die bedingungslose Unterwerfung der Ukraine verhandeln will. ROFL.
„Ich finde es weder sinnvoll noch hinnehmbar, das ein ganzes Land ruiniert werden soll.“
Das hat doch Putin selbst schon in den letzten 15 Jahren ohne fremde Hilfe hinbekommen: die russische Wirtschaft ist komplett vom Rohstoff-Export abhängig, das Rentensystem ist komplett vor die Hunde gekommen, die Geburtenrate ist extrem niedrig und ein Großteil der jungen Leute will auswandern, die einst auf höchstem Level ausgebildete wissenschaftliche Elite ist größtenteils ins Ausland abgewandert (schauen Sie mal, aus welchen Ländern ein Großteil der israelischen High-Tech-Startup-Szene ursprünglich kam). Und dabei ist nicht mal das politische System einbezogen, wo sich Putin von einer Kamarilla aus regimetreuen Oligarchen und Speichelleckern den Bauch pinseln lässt.
Das System ist ruiniert und die Abstimmung mit den Füßen in den letzten zwei Dekaden sehr deutlich. Der einzige Grund, warum es aktuell nicht nach einem neuen 1905, 1917 oder 1991 aussieht, ist die demographische Komponente. Das kann sich aber leicht ändern, wenn die Wahrheit über den Frontverlauf auch bis in die Wohnquartiere St. Petersburgs und Moskaus durchsickert.
Oder Putin den Fehler macht, zu viele Leute zu bewaffnen.
Weil eigentlich Bürgerkrieg angesagt ist?
Dann macht aber die Bestrafung des russichen Volkes erst frecht keinen Sinn, das schweisst gegen den Feind zusammen, das weiss man doch wohl nicht erst seit gestern.
Das Zarenreich brach 1917 vor allem zusammen, weil zu viele Bewaffnete in Sankt Petersburg unterwegs waren.
Ach so, das liegt an der Zahl der Waffen, wann wird dann die US Regierung gestürzt, viele Waffen haben die da auch.
Also müsste es nicht eine Stimmung gegen eine Regierung geben, die sich sicher bei dem vielen Angriffen von Aussen bilden wird.
Wie geschrieben, weiss man alles.
Das hat doch Putin selbst schon in den letzten 15 Jahren ohne fremde Hilfe hinbekommen: die russische Wirtschaft ist komplett vom Rohstoff-Export abhängig, das Rentensystem ist komplett vor die Hunde gekommen, die Geburtenrate ist extrem niedrig und ein Großteil der jungen Leute will auswandern, die einst auf höchstem Level ausgebildete wissenschaftliche Elite ist größtenteils ins Ausland abgewandert (schauen Sie mal, aus welchen Ländern ein Großteil der israelischen High-Tech-Startup-Szene ursprünglich kam).
Ach, das schaffen die ganz alleine?
Warum wollen wir das dann noch beschleunigen?
Das kann sich aber leicht ändern, wenn die Wahrheit über den Frontverlauf auch bis in die Wohnquartiere St. Petersburgs und Moskaus durchsickert.
Wahrheit über den Frontverlauf? Die da wäre?
Jedenfalls ist die Zustimmung zu Putin gestiegen und nicht gesunken, soviel steht fest.
Das die Amerikaner nicht wissen, wie Sie das Know How der Russen auf der ISS ausgleichen sollen, liegt sicher an Feenstaub und nicht an fehlendem Wissen.
Sind doch nur alles Bauern.
“ Eine DIHK-Umfrage zu den Folgen des russischen Angriffs für die deutsche Wirtschaft zeigt, dass vier von fünf Unternehmen in Deutschland die Auswirkungen der Sanktionen spüren. Die Strafmaßnahmen gegen Russland werden von den Unternehmen jedoch weitgehend mitgetragen.
„Selbst für die stark betroffenen Unternehmen ist Krieg keine Basis für Geschäfte”, berichtete Martin Wansleben bei der Präsentation der bundesweiten DIHK-Blitzbefragung unter 3.700 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen am 18. März.
Der Erhebung zufolge sehen sich 78 Prozent der Betriebe vom Krieg und seinen Auswirkungen geschäftlich betroffen. Im Detail berichten 60 Prozent der Unternehmen von Auswirkungen wie steigenden Preisen oder gestörten Lieferketten, 18 Prozent nennen direkte Folgen – etwa den Verlust von Kunden oder Lieferanten. Lediglich 22 Prozent der Unternehmen gaben an, sie spürten bislang keine Auswirkungen von Krieg und Sanktionen.
„Trotz dieser schmerzlichen Einbußen hören wir kaum Kritik an den verhängten Sanktionen“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben bei der Vorstellung der Ergebnisse.
Über alle Branchen hinweg nennen neun von zehn Unternehmen höhere Energiekosten als spürbaren Effekt im eigenen Betrieb. „Dieser Effekt erreicht die gesamte Wirtschaft mit voller Wucht“, so Wansleben. „Bereits vor dem Krieg haben rund zwei Drittel aller Unternehmen hier ein Risiko für ihre geschäftliche Entwicklung gesehen.“ “
https://www.ihk.de/kassel-marburg/hauptnavigation/aussenwirtschaft/laender-und-maerkte/ukraine-russland-konflikt/dihk-blitzumfrage-zum-ua-krieg-auswertung-5490670
Das ist von der IHK und keinem ominösen Blog.
Vielen Dank für den Artikel – warum die Bundesregierung nicht in der Lage ist ihre Strategie zu erklären bleibt deren Geheimnis. Insofern fand ich Deine Ausführungen sehr orientierend!
In meinen Augen ist das größte Problem die diffuse Kommunikation der Bundesregierung. Eine Mehrheit der Bürger ist auf der Seite der Ukraine, es sollte doch also uns allen vermittelbar sein, was diese Solidarität für uns bedeutet. Das die Lösung der sanktionsbedingte Energiekrise einen Zielkonflikt zu den Klimaschutzmaßnahmen bedeutet, geschenkt, aber auch hier verliert sich das Land im kommunikativen Klein-Klein (AKW Laufzeitverlängerung, Tempolimit, Heizungen abschalten etc.)
Es wird doch irgendwie seriös ermittelbar sein unter welchen Rahmenbedingungen die Gasversorgung sichergestellt werden kann. Verbräuche sind bekannt, Speicherkapazität ist bekannt, Liefermengen können antizipiert werden. Hieraus sollte sich doch ein plausibler Forecast ermitteln lassen können, der geeignet ist den Bürgern reinen Wein einzuschenken. Dann könnten wir uns alle gemeinsam auf die Situation einstellen und Ableitungen treffen. Dieser konmunikative Eiertanz geht einem auf die Nerven.
warum die Bundesregierung nicht in der Lage ist ihre Strategie zu erklären bleibt deren Geheimnis.
Von jemandem aus dem Habeck-Umfeld wurde mir kürzlich gesteckt, dass Habeck kein Volltrottel ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Grünen begreift er wohl wirtschaftliche Zusammenhänge und auch technische Aspekte des Energiewesens. Doch scheint er wirklich in Sorge zu sein, ob Bürger und insbesondere Grünen-Wähler kapieren und akzeptieren, was da auf sie zukommt. Baerbock sprach kürzlich vielleicht nicht ohne Grund von „Volksaufständen“.
Erklärungsversuch: Habeck und vielleicht auch andere in der Bundesregierung sind Realisten und wissen, dass die Bundesbürger auf höchstem Niveau verwöhnte Weicheier sind, die man ganz langsam an die neue Realität heranführen muss. Allerdings bleibt nicht mehr viel Zeit, bis die ersten Heizungen angestellt werden. Bis dahin wird sich die Rhetorik wohl ändern.
Die Grünen sind die großen Realisten in dieser Regierung, so abwegig das klingt. Und für die Verhältnisse der letzten 17 Jahre machen Habeck und Baerbock geradezu Schweiß-Blut-und-Tränen-Reden.
Naja, ich glaube nicht das die Bundesbürger verwöhnte Weicheier sind. Ich glaube die Politik denkt das, weil Sie in den letzten Jahren mehr und mehr mit den Leuten wie mit Kindern umgegangen ist. Klare Kommunikation wird verstanden, du erreichst vielleicht nicht die Herzen, aber die meissten Köpfe wirst Du erreichen. Besser als dieses ständige in Watte packen. Dann wird es nämlich erst recht hässlich…
… Klare Kommunikation wird verstanden …
Das gilt in „normalen“ Zeiten in Deutschland eher nicht, siehe Merkels Wahlerfolge. In Krisenzeiten stimme ich Ihnen absolut zu – die Leute wollen erkennbare Führung und würden die auch goutieren. Das Problem ist – die heutigen Politiker wurden in „normalen“ Zeiten sozialisiert.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Tim 29. Juli 2022, 18:16
… dass die Bundesbürger auf höchstem Niveau verwöhnte Weicheier sind …
Ja. Erschreckend.
Ich würde das nicht so verallgemeinern. Die Kommunikation ist vor allem von Scholz scheiße. Habeck und Baerbock kommunizieren EXTREM klar und offen, was ihre Strategie ist und welche Folgen das hat. Und die zweite Dimension ist, dass das in den Medien nicht vorkommt, weil die das immer auf die innenpolitische politics-Ebene runterbrechen. Was ist eine Erklärung der LNG-Politik, wenn man stattdessen das tote Pferd vom Tempolimit und Atomausstiegausstiegausstiegausstieg noch mal prügeln kann?
Ok danke, ich sehe den Punkt, aber ist Krisenkommunikation nicht per se Chefsache? Ich frage mich was Scholz und seine Berater reitet. Merz und Söder machen aus der Nummer auch viel zu wenig, weil Sie es nicht besser können. Eigentlich müsste die Opposition diesen Kanzler zum Frühstück vertilgen.
Scholz ist Merkel 2.0, in jeder Hinsicht. Dafür wurde er gewählt. Entsprechend agiert er auch.
@ Stefan Sasse 29. Juli 2022, 19:44
Scholz ist Merkel 2.0, in jeder Hinsicht. Dafür wurde er gewählt. Entsprechend agiert er auch.
Wenn das stimmt, kriegen wir bald RICHTIGE Probleme
Korrekt.
Danke.
Kann mich im Großen und Ganzen anschließen.
Wenn es ein Thema gibt, bei dem Stefan, du und ich zusammenkommen, dann Russland 😀
@ Stefan Sasse 30. Juli 2022, 09:52
Wenn es ein Thema gibt, bei dem Stefan, du und ich zusammenkommen, dann Russland 🙂
Nun, zu Russland muss ich gestehen, dass ich auch die Wandel-durch-Handel-Politik für richtig hielt. Nie so die klare Abhängigkeit, oder die Umgehung der östlichen EU-Staaten durch den Bau von Nordstream 2.
Aber ich erinnere mich an (m)einen Kommentar hier vor zig Jahren, dass ich (mit Verweis auf die Situation Jugoslawiens nach Titos Tod) dankbar sei, dass in Russland jemand wie Putin an der Regierung ist, der offenbar in der Lage sei, alles zusammenzuhalten. Für die Eroberung der Krim hatte ich Verständnis, weil Sewastopol der einzige permanent eisfreie Hafen war etc. Ich nahm an, dass damit der Kittel geflickt sei; da lag ich offenbar dramatisch neben der Realität.
Ja, ich war auch im Wandel-durch-Handel-Camp, aber wir waren glaube ich schon immer tendenziell Russland-falkiger als der Durschnitt der Lesendenschaft hier.
Ich auch. Habe den Experten geglaubt, die überzeugend vorbrachten
– dass Russland selbst im tiefsten Kalten Krieg geliefert hat
– dass Deutschland seine Energiepolitik selbst bestimmen soll
– dass die USA ihr Fracking-Gas verkaufen wollten
Dass dies ein fundamentaler Irrtum war, müssen wir zugeben. Insofern kann ich sogar Schröder verstehen: Plötzlich sind alle schlauer, damals waren doch alle dafür.
Ich war nie für Nordstream. Ansonsten:
– Russland und Lieferungen: Ich bin davon ausgegangen, dass die den Hahn zumachen, aber ich hab mir nie wirklich Gedanken gemacht, was das bedeutet. Ist fast schlimmer, vermute ich.
– Energiepolitik: Absolut. Nur hätte das sein sollen: Solar und Wind.
– USA: Klar wollen die ihr Gas verkaufen. Daran hat sich ja auch nichts geändert. Nur würde ich jeden Tag von den USA statt von Russland kaufen.
Und sorry: viele waren schlauer.
„Solar und Wind“
Lies einfach noch mal die Kommentare der Wirtschaftsexperten in den frühen Jahren des Blogs zur Sinnhaftigkeit dieser Energiequellen im sonnen- und wind-armen Deutschland.
Ich weiß! Ich mach mir deswegen aucj keine Vorwürfe 🙂
– dass Russland selbst im tiefsten Kalten Krieg geliefert hat …
Ehemalige Sowjetunion war/ist eben nicht Russland seit spätestens 2008. Da steckt der fundamentale Irrtum vieler. Gedanken- und Beobachtungsfaulheit.
Gruss,
Thorsten Haupts
Warum 2008?
Er würde ja auch heute problemlos weiter liefern, würde der Einflussbereich der SU akzeptiert. Russland WAR die Sowjetunion, die anderen Sowjetrepubliken eher Verwaltungsbezirke.
Wegen Putins Rede auf der Sicherheitskonferenz 2007, nehme ich an.
Und dem Georgienkrieg.
Ah klar.
Sehr gute Zusammenfassung. Überraschenderweise hat der Westen als Ganzes mit Ausnahme von Ungarn und der Türkei (wenn man sie wegen ihrer Natomitgliedschaft zum Westen zählen will) an einem Strang gezogen.
Die Sanktionen sind viel härter, auch für uns, als seinerzeit bei der Annektion der Krim.
Bei den Waffenlieferungen kann Scholz noch ordentlich nachlegen. Warum die Exporte für Leo1A5, Leo 2A4 und die Marder Altbestände nicht schon längst genehmigt wurden ist mir ein Rätsel.
Der Westen muss sich vielleicht doch vorwerfen lassen „Schuld“ an dem Angriff zu sein, aber nicht so wie das von den Kritikern derzeit vorgetragen wird.
Der Westen hat in meinen Augen zu sehr Appeasment Politik in Kombination mit Schiff-Schaukel-Politik gemacht.
Ich verstehe bis heute nicht, warum der Westen oder einige westliche Länder nicht ein Beistandsabkommen nach der Krimbesetzung abgegeben haben. Wir (die Nato) haben noch im September 2021 ein gemeinsames Manöver mit der Ukraine abgehalten.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-nato-militaermanoever-100.html
Wenn man so was macht, weiß man, dass die Russen ärgert. Wenn man Stärke zeigen will ignoriert man dass und richtet nach Absprache mit den Ukrainern sogar vielleicht eine Militärbasis dort ein, oder gibt ein Besitandsabkmmen. Oder man lässt es ganz. Was sollte mit diesem Manöver den erreicht werden? Putin zu ärgern und den Ukrainern falsche Hoffnungen machen? Eher nicht, hoffe ich.
Ich frage mich ob ein irrlichtender Trump, der viel unberechenbarer ist, Putin nicht doch abgeschreckt hätte, weil er mit einem Einmarsch der USA hätte rechnen müssen/können.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-nato-militaermanoever-100.html
Ich bin gespannt, welche Schlüsse jetzt der Westen im Hinblick auf Taiwan zieht. Von China sind wir noch viel, viel mehr abhängig als von russicher Energie. Ich war neulich bei Deutschlands größtem Chemie Hersteller. Dort wurde mir gesagt, dass fast alle „billigen“ Basischemikalien aus China kommen. Bei bestimmten Rohstoffen wie Neodym kommt man an China kaum vorbei.
Wenn ich mir das Säbelrasseln der Chinesen zur Zeit anschaue, frage ich mich ob die die Taiwanfarge jetzt klären wollen bevor der Westen von China unabhängiger wird.
Gruß Jens
P.S. Ich habe sogar noch einen Tag vor dem Einmarsch nicht an den Einmarsch Putins geglaubt. Mein Argument war, er kann eigentlich nicht mehr dazu gewinnen. Ich denke das Argument trifft zu, leider sah Putin, das aber anders.
Die Idee mit dem Beistandsabkommen hakt glaube ich daran, dass
a) 2014 keine Bereitschaft dafür da war uns es ein transparenter Bluff gewesen wäre und
b) durch den Dauerkrieg im Donbass dieses Beistandsabkommen sofort gegriffen hätte.
Wegen China: korrekt, aber andererseits ist auch die chinesische Abhängigkeit vom Westen höher. Aber: genauso war die Lage vor dem Ersten Weltkrieg auch. Wirtschaftliche Verflechtungen und Globalisierung sind leider kein wirksamer Schutz gegen die Stupidität von Kriegstreibern.
Du beschreibst viele richtige Punkte, aber deiner zentrale These ‚Der Westen (klarer wäre ‚die NATO‘) hat eine Strategie‘ kann ich so nicht unterschreiben. Was du beschreibst ist größtenteils Taktik: Aus einer gegebenen Situation Vorteil zu ziehen. Für Strategie (ein Ziel haben, einen Plan dieses zu erreichen und Abwägung von Kosten und Nutzen) gibt es in meinen Augen vier ‚Schlachtfelder‘, die miteinander verbunden sind: das militärische, das wirtschaftliche, das diplomatische und das ideologische.
Militärisch sind die Möglichkeiten eingeschränkt. Da ein direktes Eingreifen nicht in Frage kommt, sind Waffenlieferungen die einzige Handlung des Westens. Und dabei ist der bestimmende Faktor der Wunschzettel der Ukraine. Strategie war aber der ‚überraschende‘ Erfolg der Ukraine: Deren Truppen waren vor Kriegsausbruch durch regelmäßige Manöver voll in die NATO Kommandostrukturen eingebunden.
Wirtschaftlich ist der Aspekt Kosten – Nutzen entscheidend. Bisher sind die Kosten für den Westen erheblich (mit der Tendenz der Verschlechterung) und der Nutzen fraglich. Außer Durchhalteparolen habe ich nichts gehört, warum sich dieses Verhältnis ändert.
Auch diplomatisch ist die Bilanz nicht so rosig. Der neue Zulauf zu NATO ist nicht geplant gewesen (oder willst du von einer „Einkreisungsstrategie“ der NATO sprechen ?) und die anfängliche Verurteilung des russischen Krieges hatte sehr wenige praktische Folgen in der Politik.
Am deutlichsten ist das Kosten – Nutzen Missverhältnis auf der ideologischen Ebene: Schon jetzt sind die unappetitlichen Aspekte der Kriegspropaganda sichtbar. Aber die Warnung Baerbocks vor Volksaufständen hat mich wirklich alarmiert. Viele der Erhebungen in Asien und Lateinamerika der letzten Jahren, die in Gewalt eskaliert sind, gingen auf Preise der Grundversorgung zurück. Und wenn vergleichbares in europäischen Ländern passiert, schließe ich auch nicht aus, dass die Regierung Panzer einsetzt – genau wie es die gescholtenen Autokratien täten.
In der Summe muss man also sagen: Wären die Entwicklungen der letzten Monate strategisch geplant, dann wäre das sehr nahe an den Vorstellungen der Verschwörungstheoretiker, die von einer ’neuen Weltordnung‘ etc schwadronieren.
Korrekt, die Ausbildung der ukrainischen Armee ist glaube ich einer der sehr unterschätzten Faktoren in dem Krieg.
Wirtschaftlich: die Idee ist, wie ich geschrieben habe, eine Entkoppelung von Russland.
Diplomatie: Natürlich war das nicht geplant, sorry wenn ich den Eindruck erweckt haben sollte. Mein Punkt ist vielmehr, dass es danach einen sofortigen Umschwung gab, mit erstaunlichen Resultaten. Übrigens: auch der Einmarsch 1968 in die CSSR führte zu einer Einigung des Westens und einer Lösung vieler Blockaden in der damaligen EWG.
Aufstände: Ich halte das für ein dummes Geschwätz von Baerbock und einen Satz, den sie lieber unterlassen hätte. Wenn tatsächlich die Grundversorgung dermaßen verteuert würde (und dafür gibt es für mich gerade keine Anzeichen), dann müssten wir halt massiv subventionieren. Wir können uns das gegebenenfalls leisten. Mal ernsthaft, eine deutsche Bundesregierung, die Panzer auffahren lässt statt die Schuldenbremse auszusetzen und einfach Geld zu verteilen? Seriously?
Aber die Warnung Baerbocks vor Volksaufständen hat mich wirklich alarmiert.
ROFL. Als wegen Hartz IV einige hunderttausend menschen in Deztschland protestierten, waren das für Schröder bereits „bürgerkriegsähnliche Zustände“. Die Angstrhetorik deutscher Politiker bei (bisher friedlicher) Konfrontation mit Teilen des Volkes ist völlig überzogen. Aber genau deswegen wird auch keiner von denen Panzer auffahren.
Gruss,
Thorsten Haupts
Vielleicht ist es auch Mucius-Scaevola-Rhetorik, die nach außen gerichtet ist. Ich betone meine Entschlossenheit, indem ich meine Bereitschaft demonstriere, mir selbst (bzw. meinem Land) Schaden zuzufügen.
Total! Ich erinnere immer wieder an dieses Geraune damals. „Soziale Unruhen“ war das Schlagwort, so um 2006, 2007 dürfte das gewesen sein. Viel Lärm um nichts.
„auch der Einmarsch 1968 in die CSSR führte zu einer Einigung des Westens und einer Lösung vieler Blockaden in der damaligen EWG.“ beim Ungarnaufstand 56 (und noch mehr der Suezkrise) gehe ich d’accord. Aber Prag? Die Zollunion kam früher und die Beitrittsverhandlungen mit UK und Dänemark waren ja vor allem wegen de Gaulle auf Eis gelegen.
„Mal ernsthaft, eine deutsche Bundesregierung, die Panzer auffahren lässt statt die Schuldenbremse auszusetzen und einfach Geld zu verteilen? Seriously?“
a) jetzt schon Realität: diese „Sonderfahrzeuge“ wurden beim Gipfel in Hamburg eingesetzt: https://taz.de/picture/1650366/948/6ff7b85e0ce8a0cfd1c7fed438dd1acf_edited_56906246_6ced1c49dd.jpeg
b) Schau dir die Eigendynamik der Gelbwestenproteste in Frankreich an. Auch da ging es ursprünglich um ein paar Cent Benzinpreis, den die Regierung ja hätte subventionieren können anstatt dass die Polizei gezielte Schüsse ins Gesicht abgeben zu lassen.
Gas wurde uns seit Jahren als eine Übergangstechnologie zu Regenerativ und Wasserstoff verkauft.
Ein Problem war wohl auch, dass sich unsere Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik irgendwann an das angenehm günstige Gas gewöhnt haben.
Energiepolitisch bin ich enttäuscht. Hier hätte ich klarere unpopuläre Weichenstellungen gewünscht:
– Ausstieg aus dem Atomausstieg für 10 Jahre
– Fracking in Niedersachsen und temporäres Atom-Zwischenlager in Bayern
– zumindest schnell neue offshore Windanlagen in der Nordsee. Da scheint es seit 2020 keine neuen Projekte zu geben (!)
– mehr Augenmerk sollte auf den Ausbau der Stromtrassen gelegt werden. Nicht nur innerhalb Deutschlands sondern z.B. über die Pyrenäen. Der Ausbau der regenerativen Energien in manchen sonnenreichen Ländern wie Chile und Spanien ist noch rasanter als ich gedacht hatte. Hab zu Chile Karten über in Bau und Planung befindliche Solar-, Wasser- und Windanlagen gesehen, wo man schon sehr tief runterscrollen musste, um überhaupt noch was zu erkennen. Bis nördlich des Bio Bio (600 km südlich von Santiago) wird jede Ortschaft mit Solar-Feldern umzingelt, weiter südlich werden viele Windkraftanlagen und Mikro-Wasserkraftwerke gebaut.
– in Chile hatten diesen Südwinter nicht weniger Familien kein Geld für ihre typischen Holzkamine (in halbwegs größeren Städten verboten) und Kerosinöfen (sind im Betrieb günstiger als Stromheizer).
Kann aus diesem Grund die Aufregung über das Runterregeln deutscher Zentralheizungen auf 17 Grad nicht nachvollziehen.
– der schädigende Einfluß Deutschlands auf die Russland-Politik der EU sollte Konsequenzen haben: Die EU Lateinamerika-Politik liegt in den Händen Portugals und Spaniens wegen der historischen und sprachlichen Verbindungen.
Unsere Russland Politik sollte in Ländern entschieden werden, die sich mit Russland auskennen: Polen, Litauen, Lettland, Estland und Finnland erscheinen mir geeignete Kompetenz-Träger. Vielleicht laden ja Fernsehkanäle dieser Länder Precht, Varwick, Wagenknecht, etc zu Diskussions-Sendungen ein.
– normale Beziehungen mit Russland werden auf absehbare Zeit nicht möglich sein. Eher schon mit mehreren Nachfolgestaaten, aber davor würde dann echt ein Atomkrieg drohen.
– massive Forschungsgelder in Nutzung von Regenerativen Energien für Heizungen und dem Hitze-Bedarf chemischer Prozesse in der Energie. Hier könnte die EU sogar über Forschungsgelder an entsprechende Einrichtungen und Unternehmen in Schwellenländern nachdenken. Könnte auch unser übertrieben kolonialistischen Image in vielen Regionen konterkarieren, insbesondere in Vergleich zu Russland.
@ Tobi
Kannst Du bitte mal kurz erklären, warum Du diese mörderische „Militäroperation“ verteidigst?
Kannst Du bitte mal kurz erklären, warum Du diese mörderische „Militäroperation“ verteidigst?
Wer lesen kann, ist im Vorteil.
Wo bitte habe ich irgendwas verteidigt?
Ich bin für Frieden, schon immer gewesen und das in jedem Krieg, nicht erst jetzt. Jemen, klingelt das was? Warum haben Sie dazu nichts geschrieben?
Irak, Syrien, Afganistan, Lybien, waren das keine mörderischen Kriege, oder wo liegt der Unterschied.
Frieden geht nur mit Verhandlung, was ist daran so schwer?
Wenn man aber jedes Gespräch ablehnt, weil auf der anderen Seite angeblich der neue Hilter sitzt, dann gibt es keinen Frieden, oder wie ist Ihre Strategie?
Kämpfen bis zu letzten Ukrainer?
Der letzte Satz ist ein nicht gekennzeichnetes Putin-Zitat. Der Verweis auf die anderen Kriege macht es noch schlimmer. Massenverbrechen in Serie. Das russische Volk ist in gleicher Weise verantwortlich wie das deutsche damals.
@Citizen
einfach mal den Schaum abwischen und lesen, was ich schreibe und auch den Satzzeichen die Bedeutung geben, die sie haben.
Sonst macht ein Austausch nicht den geringsten Sinn.
Der letzte Satz ist ein nicht gekennzeichnetes Putin-Zitat.
Nö, das ist von Selensky aus 2021:
[Mit einer bewegenden Rede hat sich Präsident Wolodymyr Selenskyj an die ukrainische Nation gewandt. In dem Auftritt in der Nacht zum Mittwoch, der in die historische Reihe derjenigen Reden eingehen könnte, in denen vor einem Kriegsausbruch gewarnt wird, sagte Selenskyj, er sehe noch „eine Chance, die mörderische Mathematik künftiger Kriegsverluste zu stoppen“. Doch der Präsident und Oberbefehlshaber stimmte sein Land zugleich auf einen Angriff der rund um die Ukraine aufgestellten russischen Truppen ein. Er fragte: „Will die Ukraine Krieg? Nein. Ist sie auf ihn vorbereitet? Ja. Wird die Ukraine aufhören, auf diplomatischem Wege für den Frieden zu kämpfen? Niemals. Wird die Ukraine sich im Falle eines Falles verteidigen? Immer.“]
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/selenskyj-die-ukraine-wird-bis-zum-letzten-kaempfen-17305242.html
Nun ja, die Diplomatie scheint dann doch verloren gegangen zu sein. Die Forderungen für die Sicherheit Russland wurden einfach beiseite gewischt.
Der Verweis auf die anderen Kriege macht es noch schlimmer.
Ich verstehe kein Wort, wieso machen die Kriege, die andere Nationen führten und führen, diesen schlimmer? Schlimmer als was und warum das ?
Massenverbrechen in Serie.
Ja, aber doch nicht von Russland begangen, sondern von der einzigen Weltmacht USA, schon vergessen?
In Lybien hat Russland gar keine Rolle gespielt, Sie sollten Ihre Geschichtskenntnisse auffrischen.
Das russische Volk ist in gleicher Weise verantwortlich wie das deutsche damals.
Ach so, und ich dachte, Hitler wäre gewählt und Putin ein Despot?
Warum hat denn dann keiner die Vernichtung Deutschlands gefordert?
Ich finde diese Doppelmoral nur noch ermüdend, wirklich.
Frieden geht nur mit Verhandlung …
Eine glatte Lüge – Frieden geht, indem man gar nicht erst militärisch angreift. Und liegt – alleine – in der Verantwortung des Angreifers. Hat ein Staat militärisch angegriffen, muss der Verteidiger nicht mehr verhandeln, er muss zuallererst den Angreifer militärisch schlagen. Was ist daran so schwer?
Eine glatte Lüge – Frieden geht, indem man gar nicht erst militärisch angreift.
Den hätte man ja haben können, wenn man die Wünsche aus Russland ernst genommen hätte.
Einen laufenden Krieg kann man nur mit Verhandlungen beenden, oder was ist Ihre Idee? Selbst wenn man gesiegt haben sollte, muss die Situation danach ausgehalndelt werden.
Hat ein Staat militärisch angegriffen, muss der Verteidiger nicht mehr verhandeln, er muss zuallererst den Angreifer militärisch schlagen. Was ist daran so schwer?
Ach, siegen kann dann auch jeder und so wird das immer gemacht.
Haben also die Taliban gesiegt, denn es gab ja keine Verhandlungen, der Westen hat sich einfach davon gestohlen und tausenden Hilfkräfte zurück gelassen. Dem Land geht es jetzt schlechter als jemals zuvor und das nach über 20 Jahren Einsatz der „Guten“. Was sagt Ihnen das?
Auch nach einem gewonnenen Krieg werden normalerweise die Bedingenen ausgehandelt, wie ein weiteres Zusammenleben möglich ist.
Oder wollen Sie das bestreiten?
Ich weiss echt nicht, wohin die Menschen hier in diesem Formum abgedriftet sind, aber eine gute Richtung ist das nicht.
Den hätte man ja haben können, wenn man die Wünsche aus Russland ernst genommen hätte.
Aha. Wenn ich Ihre Wünsche nicht ernst nehmen, berechtigt Sie das, mir bzw. dem neben mir Stehenden den Schädel einzuschlagen :-). Gut zu wissen.
Einen laufenden Krieg kann man nur mit Verhandlungen beenden …
Weder der erste noch der zweite Weltkrieg wurden mit Verhandlungen beendet, also ist die behauptung erwiesenermassen falsch. Leider ist diese Lösung im Falle des russischen Vernichtungskrieges gegen die Ukraine unwahrscheinlich, also können die gerne verhandeln – nachdem die Ukrainer auch den letzten russischen Soldaten auf ihrem Territorium entweder getötet oder aus dem Land gedrängt haben. Vorher nicht.
Gruss,
Thorsten Haupts
So technisch gesehen nicht richtig, der Erste Weltkrieg wurde durch Verhandlungen beendet (Versailles und St. Germaine, im deutschen Fall). Selbst die Waffenstillstandsverhandlungen waren genau das, Verhandlungen, und zogen sich über mehrere Wochen hin. Der Zweite Weltkrieg ist schon ein Ausnahmefall.
????? Das nennst Du „Verhandlungen“? Das war ein Diktatfrieden – unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Seeblockade gegen Deutschland, was auf Hunger und Tod unter der Zivilbevölkerung hinauslief.
Aber wenn das für Dich ein „Vergandlungsfrieden“ war, auch okay – genau den wünsche ich dann Russland :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Es wurde verhandelt. Und massenhaft Leute, die einen „Verhandlungsfrieden“ in der Ukraine fordern, laufen mit der Forderung genau auf so was raus. Mein Punkt ist: Verhandlungen sind der Normalfall für die Beendigung eines Krieges. Nur – das ist eine normativ wertlose Aussage.
Es wurde verhandelt.
Klar. Wenn Dir jemand ne Pistole ins Gesicht drückt und Dein ganzes Geld fordert und Du ihn überzeugen kannst, Dir das Geld für die ÖPNV-Fahrt nach hause zu lassen, habt Ihr auch verhandelt. Das gibt dem Wort „Verhandlung“ eine ganz neue Bedeutung …
Gruss,
Thorsten Haupts
Schalte mal einen Gang runter. Als die Waffenstillstandsverhandlungen begannen, standen deutsche Truppen noch tief im Feindesland. Und es ist kaum die Schuld der Alliierten, dass sie den Krieg gewonnen haben.
Ablenkungsmanöver :-). Ich sprach erkennbar und verbatim von den Friedens-, nicht von den Waffenstillstandsverhandlungen.
Ja, aber die Verhandlungen in Versailles waren super kompliziert und ausufernd. Nur halt nicht mit Deutschland.
Ohne die absehbare militärische Niederlage einer Seite hätte es diese Verhandlungen so nicht gegeben. Was bedeutet das für den Ukraine-Krieg? Vor diesem Hintergrund wird diese Diskussion doch geführt.
Was das bedeutet, wird von Sicherheitsexpert*innen seit Wochen durchdekliniert: weder Ukraine noch Russland haben gerade irgendein Interesse an Verhandlungen. Aus genau dem von dir genannten Grund. Die Argumentation der „Verhandlungszauber*innen“ läuft immer darauf raus, dass die Ukraine einseitig kapituliert.
Yup!