Persische korrupte Atomkraftwerke interpretieren mit russischer Propaganda die US-Verfassung – Vermischtes 26.04.2022

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Die große Angst vorm großen Krieg

Nicht alle überzeugt die Schlafwandler-Analogie, zu ihnen gehört der frühere österreichische Offizier Gustav Gressel. Er ist Fachmann für Sicherheitspolitik beim European Council on Foreign Relations und meint, der russische Präsident bluffe nur, um den Westen so zu schockieren, dass er die Ukraine ungestört vernichten kann. „Putin“, sagt Gressel, „spielt bewusst mit der Angst vor einem Atomkrieg“ – und er tue es vor allem mit dem Ziel, diejenigen in Europa und Amerika zu verschrecken, die der Ukraine helfen wollten. „Er weiß, dass der Nachschub aus dem Westen jetzt kriegsentscheidend ist. Deshalb versucht er, die Bereitschaft zur Hilfe im Westen durch psychologische Zermürbung aufzulösen.“ Und zu dieser Taktik gehöre eben auch „das Gerede vom Atomkrieg“. […] Brauß untermauert seine Einschätzung mit einer weiteren Überlegung: Putin, glaubt er, ist nicht auf einen totalen Sieg angewiesen. Auch wenn die Ukraine ihn mit westlicher Hilfe etwa dort stoppe, wo er heute stehe, könnte er die bisherigen Eroberungen, also den Donbass und die Landbrücke zur Krim, zu Hause als „Sieg“ darstellen. Putin selbst spreche ja neuerdings davon, dass es ihm vor allem um die Befreiung der Region Donbass gehe, wo die Ukraine angeblich einen Genozid an Russen verübe. Wenn er die heute schon besetzten Gebiete sicherte, wäre das vielleicht schon genug „für eine Siegesparade am 9. Mai“ in Moskau. Nukleare Drohungen wären dann nicht mehr wahrscheinlich. Für Brauß erscheint das westliche „Gerede von einer Eskalation in einen dritten Weltkrieg“ in diesem Licht nur noch wie „undurchdachtes Beschwören der Apokalypse“. Er nennt das „Selbstabschreckung“. (Konrad Schuller, FAZ)

Für mich ist das eine überzeugende Argumentation, und ich teile die Einschätzung grundsätzlich. Das Problem bei der nuclear brinksmanship ist und bleibt nur immer, dass es ein Spiel mit sehr hohem Einsatz bleibt. Ein Restrisiko für Eskalation und dumme Fehler besteht immer, und sicher, dass der andere nur blufft, ist man erst hinterher. – Welche Ziele auf der anderen Seite für Putin ausreichend sein werden, um den Krieg zu beenden, weiß der Diktator vermutlich nicht einmal selbst. Das hängt ja schwer vom Verlauf des Krieges ab. Und der ist, wie alle Kriege, unsicher.

2) Ausfälle von Atomkraftwerken: Frankreich zahlt exorbitante Strompreise

Allein in der vergangenen Woche führten Ausfälle dazu, dass Frankreich von 61,4 Gigawatt installierter Leistung an Nuklearstrom zwischenzeitig über die Hälfte fehlte. […] Zugleich kurbelten niedrige Temperaturen in dem Land, das hauptsächlich elektrisch heizt, die Stromnachfrage kräftig an. In der Folge mussten die Nachbarländer die französische Stromversorgung stützen. Allein Deutschland exportierte zwischenzeitig bis zu fünf Gigawatt – das ist mehr, als die letzten drei deutschen Atomkraftwerke zusammen produzieren. Zusätzlich musste Frankreich große Mengen an exorbitant teurem Strom am Spotmarkt zukaufen. Am Morgen des 4. April kletterte der französische Tagespreis (Day-Ahead-Preis) auf einen Rekordwert von fast 3000 Euro pro Megawattstunde (MWh), das sind fast drei Euro für eine Kilowattstunde. Im selben Zeitraum kostete Großhandelsstrom in Deutschland 101 Euro pro MWh, das ist dreißig Mal weniger. […] Deutschland kam in derselben Woche wesentlich besser weg, weil Erneuerbare über 66 Prozent des Strombedarfs deckten. […] Schon seit Wochen fehle in Frankreich regelmäßig über die Hälfte der installierten Kapazität. „Ich sehe nicht, warum sich dieser Trend umkehren sollte, da nun auch die modernsten Reaktoren wegen Rissen im Not-Einspeisesystem betroffen sind“, so der Nuklearexperte. Inzwischen wurde bekannt, dass neben den fünf AKWs, die im Dezember 2021 abgeschaltet wurden, weitere Baulinien betroffen sind. (Anna Gauto, Handelsblatt)

Angesichts solcher Nachrichten, die sich in den letzten Jahren mit denen zu Extremwetterereignissen häufen, muss die verbreitete Behauptung, die Atomenergie sei krisensicher und die Antwort auf den Klimawandel, schon etwas skeptischer gesehen werden. In jeder Hinsicht am sichersten sind und bleiben erneuerbare Energiequellen. Aber die ideologische Festlegung auf Atomstrom als scheinbar pragmatische Lösung blockiert den Ausbau anhaltend – in Deutschland angesichts des Atomausstiegs besonders absurd.

Natürlich ist die Situation in Frankreich insofern speziell, als dass ein Problem des Landes das Alter der Atommeiler ist. Die meisten französischen Kernkraftwerke sind bereits in die Jahre gekommen und deswegen nicht mehr sonderlich zuverlässig; theoretische Neubauten hätten zumindest dieses Problem nicht. Die deutschen Meiler sind aber ebenfalls alle sehr alt, und die weitgehend sinnfreie Debatte um verlängerte Laufzeiten (die Energiekonzerne lehnen das ja selbst ab) wird dadurch nur noch eine Stufe doofer.

3) Why BARDA Deserves More Funding

The Office of the Assistant Secretary for Preparedness and Response (ASPR), which houses BARDA, only received $2.6 billion in FY22 appropriations, with 71% of the budget dedicated to procuring vaccines against bioterrorist attacks and other medical countermeasures for the SNS. This level of funding pales in comparison to U.S. expenditures on other issues of national defense. For example, the Virginia-class nuclear-powered submarines cost $2.8 billion each. Since 2000, the U.S. has built 22 Virginia-class subs and plans to build 44 more. […] OWS was a resounding success, achieving its ambitious goal of delivering a safe and effective COVID vaccine in less than a year. The total price tag for the program has reached $18 billion, a bargain compared to the trillions of dollars in social costs from the pandemic. But the federal government could get even more value for its money by developing vaccines before the next pandemic hits. The White House Office of Science and Technology Policy estimates it would cost just over $24 billion to have prototype vaccines ready for each of the 26 known viral families that cause human disease. Showing that these vaccines are safe and promote an immune response before we need them will allow for vaccines to be ready for deployment within 100 days after virus identification. (Nikki Teran, Institute for Progress)

Es gibt so viele Bereiche, in denen bereits verhältnismäßig bescheidene Investments gigantische Gewinne für alle abwerfen würden – gäbe es nur den politischen Willen, die Investitionen zu tätigen. Aber es gibt leider für die Erforschung von Vakzinen (oder jedes beliebige andere Thema, das man hier einsetzen kann) keine Lobby, im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen, die massive Förderung erhalten. Allein wenn man bedenkt, welche Summen wir mit dem Tankrabatt aus dem Fenster werfen, wenn es dann für die wichtige Forschung nicht reicht, es ist zum Haare raufen.

4) Trump, Putin, and the Paradox of Propaganda

The intent of propaganda, of course, is to contain the effect to the audience, who will be steered toward beliefs you find useful, and away from beliefs you find dangerous, regardless of whether either is true. But ultimately, the task of keeping mental double books becomes too difficult. The false world you create drives out the real one. […] Putin sought to convince his people Ukraine was weak, corrupt, and lacking in any popular legitimacy. He wound up believing his own lies, launching a ruinous war premised on his expectation that Volodymyr Zelenskyy’s government would collapse immediately and that Ukrainians would welcome Russians as liberators. […] Putin’s long campaign to suppress independent media and foment nationalist aggression against Ukraine is a catastrophic success. Externally, all his foreign-policy objectives are being undermined — Russia is facing economic and diplomatic isolation, has cemented Ukrainian nationalism, and is enlarging NATO. Domestically, the main threat he faces comes not from Russians seeing through his lies, but from Russians who believe them all too fervently. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Es zeigt sich generell dieser Tage wieder einmal, wie viel besser als ihr Ruf die liberale Demokratie doch ist. Trotz aller Blockaden, die sie gerne ausmachen, ist sie durch regelmäßige Wahlen, Regierungswechsel, offene Kritik und Repräsentation wesentlich unempfindlicher gegenüber group think und ähnlichen Problemen, als es autoritäre Regierungen sind. Immun ist sie natürlich nicht; auch demokratische Politiker*innen neigen dazu, sich mit Ja-Sagenden zu umgeben (genauso wie Firmenchefs, Militärs und alles andere, was Autorität hat). Aber es gibt eben viel mehr Kontrollinstrumente.

Ebenfalls spannend ist der Aspekt, dass die Lügenpropaganda unintendierte Nebeneffekte hat, wenn die Leute zu viel vom eigenen Bullshit glauben. Man sieht dasselbe ja beispielsweise auch bei den Republicans, denen die Kontrolle ihrer Propaganda auch entglitten ist, mit den bekannten Folgen von Radikalisierung und Trump und allem. Es wäre düstere Ironie, wenn Putin auf die Art scheitern würde – wenngleich für uns sicher kein sonderlich positives Ergebnis.

5) GOP Admins Had 38 Times More Criminal Convictions Than Democrats, 1961-2016

Republican administrations have vastly more corruption than Democratic administrations. We provide new research on the numbers to make the case. We compared 28 years each of Democratic and Republican administrations, 1961-2016, five Presidents from each party. During that period Republicans scored eighteen times more individuals and entities indicted, thirty-eight times more convictions, and thirty-nine times more individuals who had prison time. Given the at least multiple active investigations plaguing President Trump, he is on a path to exceeding previous administrations, though the effects of White House obstruction, potential pardons, and the as-yet unknown impact of the GOP’s selection of judges may limit investigations, subpoenas, prosecutions, etc. Of course, as we are comparing equal numbers of Presidents and years in office from the Democratic and Republican parties, the current President is not included. (Rand Engel, Rantt Media)

Ich weiß nicht, wie belastbar die verwendete Methodik ist, aber der generelle Trend ist mit Sicherheit richtig. Würde man Trump mit einbeziehen, sähe die Lage noch wesentlich düsterer aus. Es ist ein Trend, der auch nicht auf die USA beschränkt ist. Die Tory-Regierungen haben ein größeres Problem damit als Labour, beispielsweise. Auf der anderen Seite sind wir in Deutschland generell ziemlich verschont davon. Wir diskutieren darüber, ob Spitzenpolitiker*innen wegen Fußnoten und Urlauben zurücktreten müssen, nicht, weil sie sich gerade vor Gericht gegen schwerwiegende Anklagen verteidigen müssen. Wie in Fundstück 4 sehen wir auch hier, dass unser System besser ist als sein Ruf, in vielen Dingen.

6) Was Baerbock und Habeck gerade richtig machen (Interview mit Julian Müller)

Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen sind laut einer Umfrage die beliebtesten Politiker in Deutschland. Sie haben die Kommunikation der beiden untersucht. Was ist das Rezept?

Bei Robert Habeck und Annalena Baerbock können wir eine neue Form politischer Ansprache beobachten, die es in dieser Form sicherlich noch nicht gab, zumindest nicht von Politikern in derart sichtbaren Positionen. Man sollte die beiden allerdings nicht in einen Topf werfen.

Fangen wir mit Robert Habeck an. Was zeichnet sein Auftreten aus?

Habeck zeigt bereits beim Sprechen an, dass er auf der Suche nach der richtigen Position ist, dass er um den richtigen Ton ringt, dass er offen für Gegenargumente ist und um die Zugzwänge politischen Handelns weiß, dass er daher auch nicht deklaratorisch sprechen will, sondern eher selbstkritisch, das eigene Tun und Sprechen immer mitbeobachtend. […] Ich denke, dass darin sicherlich auch ein Grund für Habecks Erfolg und seine Beliebtheit liegt: dass er seine eigene Zerrissenheit nicht überspielt, sondern demonstrativ ausstellt. […]

Würden Sie das Vorgehen als typisch grün beschreiben?

Nein, das würde ich gar nicht sagen. Ein Grund für die zwischenzeitlich hohen Beliebtheitswerte von Markus Söder war sicherlich auch, dass er in der ersten Phase der Pandemie manche Dinge demonstrativ hart, bisweilen überhart angesprochen hat. Damit konnte er zeitweise über das CSU-Milieu hinaus punkten. Das Ansprechen von Realitäten ist eine politische Strategie, die lange unterschätzt wurde. […]

Sie sagten, Habeck und Baerbock dürfe man nicht in einen Topf werfen. Was zeichnet Baerbock – auch im Vergleich zu ihren Amtsvorgängern – aus?

Annalena Baerbock war schon im Wahlkampf darauf bedacht, größere Entschlossenheit als Robert Habeck auszustrahlen. Bei ihr sehen wir keine Ausstellung von Selbstreflexivität und Selbstkritik. Sie inszeniert sich auch nicht als Philosophin, die in die Politik geraten ist, sondern durchaus als Machtpolitikerin. Und sie steht vor Herausforderungen, die sich ja kaum mit denen ihrer Vorgänger vergleichen lassen, und ist ohne Regierungserfahrung innerhalb kürzester Zeit riesigen Bewährungsproben ausgesetzt gewesen. Die Kriegssituation erlaubt Baerbock vielleicht sogar ein entschlossenes, bisweilen sogar undiplomatisches Auftreten, das unter anderen Bedingungen nicht möglich wäre und das wir aus dem Außenministerium nicht kennen. Auch darin dürfte ein Grund für ihren Zuspruch liegen. (Timo Steppat, FAZ)

Ich glaube, Habeck und Baerbock scheinen vor allem durch den Kontrast so stark. Baerbock wird an ihren Amtsvorgängern gemessen, die eine Riege von Pfeifen sondersgleichen darstellen. Und einen reflektierteren und um Positionen ringenderen Stil als die Merkel-Kabinette zu pflegen ist auch nicht unbedingt die höchste Schwierigkeitsstufe. Wenn man die beiden dann als potenzielle Kanzlerkandidat*innen (was sie von Lindner unterscheidet, der ja auch ein guter Kommunikator ist) und ihrer in der aktuellen Krise hervorgehobenen Rolle bedenkt (in der Lindner ebenfalls nicht vorkommt; hätten wir gerade eine Finanzkrise, würde kein Hahn nach Habeck und Baerbock krähen und alle Welt jede Äußerung Lindners auf die Goldwage legen) und diese mit Kanzler Scholz und seiner Nicht-Kommunikation kontrastiert, können sie praktisch nur gut aussehen.

Dass sie hier irgendeinen heiligen Gral der Politkommunikation entdeckt hätten kann ich jedenfalls nicht sehen. Denn: Habecks „philosophisch ringender Stil“ kann genauso gut als Unsicherheit und Führungsschwäche gelesen werden, Baerbocks undiplomatisches, entschlossenes Auftreten als Arroganz und Gefühllosigkeit. Es ist alles nur einen Leitartikel vom Verriss entfernt. Objektiv „gut“ ist das alles nicht. Sie treffen ein gerade existierendes Befürfnis, wie Merkels moderierender Stil lange ein Bedürfnis befriedigte. Scholz ist aus der Zeit gefallen, das ist alles. Vor einigen Jahren hätte er wahre standing ovations für seine vermittelnden Fähigkeiten und Zurückhaltung erhalten können. Und das kann sich jeden Tag auch wieder ändern.

7) On the West’s Demonization of Ancient Persia

These sentiments are as flawed as they are spurious. The Persians were never out to destroy “democracy” (whatever “democracy” means in its ancient context). In fact, many Ionian Greek city states continued to practice “democracy” under Persian rule—after all, the Persians recognized the Ionian Greeks’ dislike of autocratic tyrants and they happily replaced them with democracies. Had the Achaemenids brought the mainland Greeks into their empire, they doubtless would have tolerated democracy there as well. They might even have encouraged it. A Persian victory over Sparta—the most oppressive freedom-denying slave state of antiquity—would have been a win for liberty. It would have put an end to Sparta’s terrorist-like hold over the rest of Greece. The idea that the Persians inhibited and held back Europe’s cultural development is absurd. Since the era of the Greco-Persian Wars, the Persians themselves have been at the receiving end of a historiographic smear campaign in which they have been cast as the tyrannical oppressors of the free world. The Western intellectual commitment to the promotion of its own supposed singularity and superiority has been very damaging for the study of Persia’s history. It is time to rectify the long-standing injurious distortion that the Persians have suffered by giving ear to a genuine ancient Persian voice. (Lloyd Llewewlyn-Jones, Literary Hub)

Ein sehr wertvoller Artikel, der gut die Gefahren aufzeigt, heutige Interpretationsmuster und Normen direkt auf die Vergangenheit zu übertragen. Gerade die Stilisierung des antiken Griechenland als „Wiege der Demokratie“ ist oft nicht mehr als eine Ansammlung von Bullshit, war doch die Demokratie selten und zeitlich auf eine kurze Periode beschränkt und mit dem, was wir unter dem Begriff verstehen, kaum vergleichbar. Umgekehrt ist die andere Stilisierung Griechenlands durch die Renaissance als Hort von Moderne, Kultur und Wissenschaft genauso Unfug. Wie Llewewlyn-Jones korrekt erklärt, waren die Perser hier den Griechen einiges voraus. Griechenland mag aus den Perserkriegen seine Identität bezogen haben (und wir über den Umweg der Renaissance gleich mit), aber für die Perser war Hellas kaum mehr als ein unzivilisiertes Hinterland, selten ihrer Aufmerksamkeit wert.

8) Blasphemy and the Original Meaning of the First Amendment

Until well into the twentieth century, American law recognized blasphemy as proscribable speech. The blackletter rule was clear. Constitutional liberty entailed a right to articulate views on religion, but not a right to commit blasphemy — the offense of “maliciously reviling God,” which encompassed “profane ridicule of Christ. ”The English common law had punished blasphemy as a crime, while excluding “disputes between learned men upon particular controverted points” from the scope of criminal blasphemy. Looking to this precedent, nineteenth-century American appellate courts consistently upheld proscriptions on blasphemy, drawing a line between punishable blasphemy and protected religious speech. At the close of the nineteenth century, the U.S. Supreme Court still assumed that the First Amendment did not “permit the publication of . . . blasphemous . . . articles.” And in 1921 the Maine Supreme Judicial Court affirmed a blasphemy conviction under the state’s First Amendment analogue. Even on the eve of American entry into World War II, the Tenth Circuit upheld an anti-blasphemy ordinance against a facial First Amendment challenge. Only in the postwar period did the doctrine promulgated by appellate courts begin to shift. […] celebrating the absence of such laws as a core First Amendment principle,though treatise writers, noting the limited authority supporting the laws’ invalidity, tend to be more circumspect.This Note argues that none of the constitutional clauses currently thought to make anti-blasphemy laws unconstitutional — Free Exercise, Free Speech, Establishment — originally prohibited blasphemy prosecutions. In other words, the original public meaning of the First Amendment, whether in 1791 or in 1868,Present-day scholars often assume that anti-blasphemy laws are unconstitutional, allowed for criminalizing blasphemy. (Harvard Law Review)

Es bleibt für mich völlig unverständlich, wie irgendjemand Originalismus ernstnehmen kann. Es ist eine reine Pseudowissenschaft, die zu allem Überfluss auch noch an ihren eigenen Maßstäben gemessen konstant scheitert. Dieser Artikel aus dem Harvard Law Review ist dafür ein hervorragendes Beispiel: den republikanischen Parteigänger*innen im Supreme Court ist offenkundig die Kolonialgeschichte nicht so geläufig, wie sie gerne tun (das Scheitern an den eigenen Ansprüchen) während die „originalistische“ Lesung gleichzeitig völlig absurde Konsequenzen hat. Mit dem Verständnis des 1st amendment, wie es die Founders hatten, kann man ziemlich problems die Republik Gilead gründen, aber sie ist völlig ungeeignet für das Leben im 21. Jahrhundert. Vermutlich ist es gut, dass Originalismus so ein Blendwerk ist; wenn die das wirklich ernstnehmen würden wäre das noch schlimmer.

9) Tödliche Ignoranz

Es reicht nicht aus, wenn die für diese Politik Verantwortlichen nun Fehler einräumen. Bei den alten Griechen wären solche Politiker per Scherbengericht für Jahre ins Exil verbannt worden. Heute könnten, deutlich weniger schmerzhaft, die Rücktritte von Herrn Steinmeier (SPD), von Frau Schwesig (SPD) und der Ausschluss von Ex-Kanzler Schröder aus der SPD dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit eines Neuanfangs der bundesdeutschen Sicherheitspolitik herzustellen. Alexander Kluge, Ingo Pies und Florian Post sind keine Einzelgänger. Sie vertreten Positionen, die in der Bundesrepublik derzeit noch mehrheitsfähig sind. Ein finnischer Bauer hat kürzlich auf die Frage, was er im Falle eines russischen Angriffs tun würde, geantwortet, er würde sein Gewehr holen. Sein Kollege in der Bundesrepublik würde sich wohl eher kampflos ergeben und sich dann in neue Machtverhältnisse unkompliziert einfügen. (Udo Knapp, taz)

Der Vergleich mit dem Scherbengericht ist interessant, weil es denselben Impuls bediente: unbedingt strafen und exorzieren zu wollen. Der beschränkt sich auch nicht auf die Politik, ist aber hier besonders weit verbreitet. Man kann sich ständig die rote Herzkönigin vorstellen: „Ab mit seinem Kopf!“ Diese rituelle Zerstörung von Existenzen muss so ein Urzeitimpuls sein. Ironisch auch: Das Scherbengericht hat überhaupt nicht funktioniert. Letztlich war es ein Versuch, die Politik so zu zivilisieren, dass Morde nicht notwendig waren, um Machtfragen zu lösen, aber oft genug maskierte es bestenfalls die Verantwortungslosigkeit des demos, während Bürgerkriege und Invasionen von außen durch die ostrakierten ehemaligen Machthaber die schlimmeren Resultate waren…

10) Die Rückkehr der Politik

Über Jahrzehnte verhielten sich die Staaten des vulgär­liberalen westlichen Zeitalters wie Business-Anfänger: Sie zahlten, ohne Fragen zu stellen. Staaten investierten Milliarden in Rechts­sicherheit, Infrastruktur, Bildung und Technologien – und folgten danach brav der eisernen Doktrin, der Staat habe sich rauszuhalten. Sie gewährten, um nur ein Beispiel zu nennen, der Erdöl­industrie diskret die gewünschte Ruhe, wenn es um Abgaben gegangen wäre – und übernehmen seither diskret die Rechnung für Klima­schäden. Sie subventionierten Agrar­wirtschaft und Lebensmittel­industrie jährlich mit Milliarden – und liessen sich jedes Mal schüchtern des Raumes verweisen, wenn es um Umwelt­vorlagen oder Pestizide ging. Sie boten Unternehmen professionell ausgestattete Stand­orte mit Anschluss an Millionen­märkte – und verzichteten, diesen Zugang über Steuern angemessen zu verrechnen. Und so lief es jahrzehntelang: Sie zahlten und schwiegen – bis es eines Tages richtig teuer wurde. […] Es war der Privat­sektor, der sich am heiligen Markt masslos überschuldet hatte. Trotzdem löste man in Teilen Europas die Krise nach dem gewohnten Rezept: Die Politik reichte die Rechnung kühl weiter an die Bürgerinnen – und bescherte so den Steuer­zahlern von Italien bis Irland eine riesige Staats­verschuldung, die Eurokrise und knallharte Sparprogramme. […] Gut möglich, dass ohne die Pandemie Deutschland und die anderen europäischen Staats­chefs auf den Einmarsch in die Ukraine viel zurück­haltender, viel zu kleinmütig und viel zu spät reagiert hätten. So aber entschieden sie sich – zum ersten Mal, wie gesagt, seit ich denken kann – dafür, dass sie sich Freiheit etwas kosten lassen würden. Nicht einfach eine Geste. Sondern sehr, sehr viel Geld. […] Wer glaubt, bei Klima­schutz oder Pandemie­bewältigung gehe es um regenbogen­farbene Wohlfühl­diskussionen, wie vielerorts gerade wieder gerne behauptet wird, der hat die Weltlage nicht im Geringsten verstanden: Es sind absolut existenzielle Fragen – und von höchster ökonomischer und sicherheits­politischer Relevanz. (Olivia Kühni, Republic.ch)

Ich habe schon öfter vom Paradigmenwechsel gesprochen, den wir derzeit beobachten können. Aktuell befinden wir uns in der langen Übergangsphase zwischen den Paradigmen, mit genügend Leuten, die versuchen, das Rad zurückzudrehen. Aber ich wäre schwer überrascht, wenn es eine Rückkehr in die selbst gewählte Machtlosigkeit der 1990er und 2000er Jahre geben würde. Selbst diejenigen, die die entsprechende Rhetorik nutzen, handeln anders, wenn sie in Handlungspositionen sind. Und der Aufstieg des Rechtspopulismus hat für genügend Anpassungsdruck gesorgt, dass diese Haltung kaum mehr möglich ist. – Im Übrigen sei der ganze obige Artikel zur Lektüre empfohlen, er ist sehr gut geschrieben und umfassend.

Resterampe

a) Elon Musk hat persönlich die Bestellung eines Kunden storniert, weil ihm ein Kommentar auf dem Tesla-Blog nicht gepasst hat. Aber klar, lasst den Mann Twitter kaufen. Was soll schon schief gehen?

b) Stichwort „gefühlte Wirklichkeiten“: die Wahrnehmung von Verbrechensraten in New York und die Realität haben nicht das geringste miteinander zu tun. Das gleiche Phänomen sieht man bei der Zusammensetzung des Supreme Court; die Mehrheit hat eine völlig falsche Vorstellung. Lässt gewisse Rückschlüsse auf demokratische Politik zu.

c) Dieses Interview ist leider genauso typisch wie irre.

d) Dieser lange Artikel zur Marder-Lieferung begründet ausführlich, warum Deutschland nicht einfach Material schicken kann. Wie im letzten Vermischten besprochen habe ich keine Ahnung, inwieweit das zutrifft, aber es ist auf jeden Fall interessant.

e) Wo wir es gerade von Free Speech und Milliardären mit wesentlich zu viel Macht haben, hier ein Beispiel von Amazon.

f) Ich glaube ich habe den ultimativen Artikel zu Russland und der Ukraine gefunden.

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  • Tim 26. April 2022, 08:48

    6 – Baerbock & Habeck

    Sie haben die Kommunikation der beiden untersucht. Was ist das Rezept?
    Also, fassen wir mal zusammen: Baerbock gibt sich entschlossen, Habeck gibt sich zerrissen, beide haben Erfolg. Es gibt also kein Rezept. In der Statistik würde man sagen: Der Faktor erklärt nichts. Ich muss gestehen, dass dieses Interview meine Vorurteile gegenüber der Soziologie bestätigt.

    Deinen Verweis auf Lindner (als derzeit abwesenden Faktor) finde ich wesentlich überzeugender. Baerbock und Habeck haben einfach Glück, dass wir gerade eine außenpolitische Krise mit riesigem Einfluss auf unsere Energiesituation haben. Die Grünen erleben jetzt etwas Ähnliches wie Thatcher damals mit dem Falkland-Krieg.

    • Stefan Sasse 26. April 2022, 10:17

      Danke 🙂

    • Erwin Gabriel 26. April 2022, 16:52

      Tim 26. April 2022, 08:48

      6) Was Baerbock und Habeck gerade richtig machen (Interview mit Julian Müller)
      Also, fassen wir mal zusammen: Baerbock gibt sich entschlossen, Habeck gibt sich zerrissen, beide haben Erfolg. Es gibt also kein Rezept.

      Hhmmm. Komplizierte Situation.

      Beide zeigen immer wieder reflektierte emotionale Betroffenheit, beide erklären sich stärker und persönlicher, als es beispielsweise Merkel, Scholz oder Lindner je taten, und beide bürsten sich gegen den sonst üblichen Strich: Der Mann eher nachdenklich, die Frau eher entschlossen.

      Bei mir zumindest funktioniert das. Ich habe das Gefühl (das vermutlich sehr trügerisch ist), dass ich die Einstellungen der beiden (ob sie mir passen oder nicht) nachvollziehen kann. Im vergleich daszu nehme ich viele andere Politiker:innen nur als Funktionäre war, die „ihr“ Ding machen und nach dem Motto „friß oder stirb“ agieren – ist denen doch egal, was ich denke. Bei Habeck und Baerbock habe ich diesen Eindruck nicht.

      Aber Zustimmung: Es hilft schon sehr, Vorgänger wie Peter Altmaier oder Heiko Maas zu haben, und eine solche Krise, in der man glänzen kann. Ist ein wenig wie bei Herr der Ringe: Man weiß, wer die Orks sind.

      • Stefan Sasse 26. April 2022, 18:59

        Ich meine, ich mag die beiden auch, aber ich würde sie wahrscheinlich auch bei anderem Verhalten Lindner und Merz vorziehen 😉

  • Tim 26. April 2022, 08:55

    10 – „Rückkehr“ der Politik

    Aber ich wäre schwer überrascht, wenn es eine Rückkehr in die selbst gewählte Machtlosigkeit der 1990er und 2000er Jahre geben würde.

    Ich weiß nie, was damit eigentlich gemeint sein soll. Alle westlichen Staaten werden seit Jahrzehnten immer regulierter, immer ungeschminkter greift der Staat in Märkte ein – und trotzdem das Gerede von Machtlosigkeit und Neoliberalismus.

    Nehmen wir mal die Agrarwirtschaft, den Bankensektor und das Gesundheitssystem. Nirgendwo sind die Klagen über den angeblichen Turbokapitalismus und grenzenlose Freiheit größer als hier. Gleichzeitig sind das aber auch drei Bereiche, die extrem stark durch staatliche Eingriffe geprägt sind. Wie passt das zusammen?

    Einfach eine Bullshit-Diskussion von Leuten, die sich keine Gedanken machen und auf bequemstmögliche Art Schuldige suchen.

    • Stefan Sasse 26. April 2022, 10:18

      Nein, das ist so nicht korrekt. Deine Einwürfe sind absolut bedenkenswert, aber es gibt Felder, auf denen eine aktive Nicht-Gestaltung lange als erwünschenswert, normal und unvermeidlich galt – und wo das jetzt definitiv anders ist. Wo eine Selbstbeschränkung herrschte. Das schließt nicht detaillierte Regulierung im Kleinkram aus, hat sich vielleicht sogar gegenseitig bedingt.

      • Tim 26. April 2022, 10:53

        Du hast von „Machtlosigkeit“ gesprochen, und das ist etwas, was völlig im Gegensatz zum historischen Trend steht. Der Staat wird (im Westen) seit langem überall mächtiger.

        Was „aktive Gestaltung“ selbst bei gutwilligsten Absicht der Politik bedeuten kann, sehen wir bei der Energiewende: Der Glaube, alles bis ins Detail besser als der „Markt“ (also wir Akteure) zu wissen, hat in Deutschland zu den weltweit höchsten CO2-Vermeidungspreisen geführt.

        Es täte uns alles gut, wenn der Staat sich wieder etwas zurücknimmt.

        • Juri Nello 26. April 2022, 12:32

          Der Markt ist nur so frei, wie die Subventionen fließen. Das sollte Dir Corona gezeigt haben können. Momentan macht der Staat gerade wieder in Rüstung. Also empfiehlt es sich jetzt bei Rheinmetall, H&K, Ferchau, etc. zu investieren. Hier empfehlen sich auch die entsprechenden amerikanischen Werte. Parallel dazu unbedingt in Agrar und Rohstoffe machen (hier bist Du allerdings schon etwas spät dran, d. h. hier brauchst Du schon ein paar „gute“ Werte.)
          Alternativ: Lieferketten anschauen und auf Baisse spekulieren.

        • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:38

          Wie gesagt, so pauschal finde ich das nicht sinnvoll. Der Staat reguliert in diversen Bereichen viel zu viel und zu kleinteilig rein, während er in anderen eher zu wenig tut.

          • Tim 26. April 2022, 12:49

            Ein paar Bereiche mit fehlender Regulierung fallen sogar auch mir ein, aber das ist nichts im Vergleich zu den Bereichen mit falscher oder zu viel Regulierung. 🙂

  • Stefan Pietsch 26. April 2022, 08:59

    2) Ausfälle von Atomkraftwerken: Frankreich zahlt exorbitante Strompreise

    Es gibt ja gute Argumente für Erneuerbare – unfreiwillige Ironie wird es jedoch, wenn ausgerechnet die Versorgungssicherheit genommen wird und dann noch gegen Atommeiler (und Kohlemeiler), die seit ewigen Zeiten die Grundlast liefern. Der Gipfel ist dann die Fehlinterpretation, dass wir so viel Strom aus Erneuerbaren hätten, dass wir ihn sogar exportieren können.

    Die Krux und damit das Nichtverstehen ist: Erneuerbare liefern zu den einen Zeiten extrem viel Strom, der nicht gebraucht wird, und zu anderen wenig, wo viel gebraucht wird. Ein Atomkraftwerk lässt sich planmäßig runterfahren, eine häßliche Windmühle nicht. Dazu muss dieser Strom noch abgenommen werden, wird ins Netz eingespeist und überlastet sie.

    Ende des Jahres werden mit den verbliebenen drei Atommeilern so viel Strom vom Netz genommen wie die Windmühlenparks in Gänze erzeugen. Windkraft liefert nicht einmal ein Zehntel des gesamten Primärenergiebedarfs in Deutschland – nach mehr als 20 Jahren teurer Förderung.

    Die Kernenergiebetreiber haben kein weiteres Interesse am Betrieb aus zwei Gründen: Da ist das politische Argument, die Atomkraft hat keine Unterstützung in Politik und Gesellschaft. Ohne die notwendige Akzeptanz aber steigen die indirekten Kosten. Und zum anderen bedarf gerade der Betrieb eines mit Kernkraft betriebenen Meilers einer Planung. Die Brennstäbe sind auf die Kraftwerke angepasst und können nicht im Supermarkt gekauft werden. Wegen des deutschen Ausstiegs sind bei den Lieferanten keine Kapazitäten verfügbar, der Vorlauf braucht 2-5 Jahre. Die Meiler laufen ohnehin also am Jahresende leer. Und ein Atomkraftwerk muss gewartet werden. Auch hier sind die Kapazitäten an Know-how, Manpower und Ersatzmaterial nicht mehr einfach verfügbar. Wir führen die Debatte – wie so viele – um Jahre zu spät.

    6) Was Baerbock und Habeck gerade richtig machen (Interview mit Julian Müller)

    Popularität ist schwer planbar. Man möchte Habeck allein schon wegen seines Aussehens mögen, was das Gegenstück zu Ralf Stegner ist. Wir mögen entscheidungskräftige Politiker, aber es kommt auf die Art der Entscheidungen an. Schröder symbolisierte 2002 Tatkraft und Härte, als er aber die Agenda 2010 durchsetzte, war es mit der Popularität vorbei.

    Richtig ist, dass Habeck und Baerbock den Ton der Zeit treffen. Der ist aber vergänglich. Baerbock hat eben kein Amt, wo sie entscheiden kann, sondern die Präsidentin der wohlgesetzten Worte gibt. So ist das mit dem AA seit Joschka Fischer. Bundespräsidenten sind nicht zufällig besonders beliebt.

    Christian Lindner hat zwei Probleme, die seiner Popularität im Wege stehen: Er ist wie Scholz ein äußerst kontrollierter Mensch, jedes Wort wird auf seine Wirkung abgeklopft, bevor es geäußert wird. Kontrollfreaks schaffen keine Sympathie. Selbst bei der Managerelite muss der Finanzminister mit Habeck um Popularitätspunkte wetteifern, was damit zu tun hat, dass Lindner im Teilzeitjob auch Parteichef ist. Er ist immer bemüht, auch für die FDP zu punkten. Das hat zwei Nachteile: offene Parteipolitik ist gerade nicht populär und für die FDP schon gar nicht.

    • Tim 26. April 2022, 09:39

      @ Stefan Pietsch

      Die Kernenergiebetreiber haben kein weiteres Interesse am Betrieb aus zwei Gründen:

      Übrigens hatten die Betreiber (bzw. die Firmen, die später die Betreiber werden sollten) auch zum Beginn des Atomzeitalters kein Interesse am Betrieb von Kernkraftwerken. Die Probleme großer Kernkraftwerke waren auch damals schon sattsam bekannt. Der Staat wollte aber im Kalten Krieg unbedingt Nukleartechnologie haben, also wurde mit massiver staatlicher Unterstützung eine Atomwirtschaft mit einem Kraftwerkspark durchgedrückt.

      Die deutschen Atomkraftwerke sind ein typisches (und bis heute wahrscheinlich auch das teuerste) Beispiel für die komplett irrsinnige deutsche Energiepolitik und die jämmerliche Planungsleistung des Staates. Auf wirklich freien Energiemärkten hätte es niemals Atomenergie gegeben.

      • Stefan Sasse 26. April 2022, 10:23

        Korrekt.

      • Stefan Pietsch 26. April 2022, 10:58

        Ich weiß nicht, wie die Stromerzeuger 1960 über die Kernenergie gedacht haben. Im Zweifel sind sie auch längst tot. Und ich glaube auch nicht, dass Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen von vor über 60 Jahren irgendeine Relevanz für das Jahr 2022 besitzen.

        Unstreitig ist jedoch, dass die meisten größeren Flächenländer an der Atomkraft festhalten und niemand den deutschen Tripple-Austieg (Atom, Steinkohle, Braunkohle) versucht. Es wird also gute Gründe geben, warum die Amerikaner, die Briten, die Franzosen, die Niederländer usw. an der Kernenergie festhalten. Es sind übrigens Länder, die in Punkto Staatseffizienz in einem wesentlich besseren Ruf stehen als Deutschland.

        • Tim 26. April 2022, 11:17

          @ Stefan Pietsch

          Völlig klar, die deutsche Energiepolitik ist ein Beispiel, wie man es definitiv nicht machen sollte. Wie z.B. durch das EEG die Kosten intransparent gemacht werden, ist haarsträubend. Niemand weiß bis heute, wieviel verlässlicher Strom aus erneuerbaren Quellen kostet, weil Kosten nicht eingerechnet bzw. völlig unterschiedliche Dinge verglichen werden (wetterabhängiger Photovoltaik-/Windstrom vs. dauerhaft verfügbar Strom aus anderen Quellen). Da werden die Bürger für dumm verkauft. Oder das ewige (absichtliche?) Verwechseln von „Strom“ und „Energie“. Zum Haareraufen.

          Ich würde aber trotzdem sagen, die Zeit der großen Atomkraftwerke mit mehreren Blöcke à >1000 MW ist dennoch vorbei. Allein schon die Planungsrisiken sind heute nicht mehr überschaubar. Atommächte (und solche, die es werden wollen) werden sowas natürlich weiterhin brauchen, aber plausible Bausteine für die Energieversorgung der Zukunft sind sie nicht.

          Der überhastete Atomausstieg war natürlich trotzdem Quatsch, da stimme ich Dir zu. Die Leute glauben halt, Energie kommt aus der Steckdose. Dass die Energieversorgung eines dermaßen großen Industrielandes wie Deutschland ein extrem schwieriges Problem ist, kapiert draußen leider kaum einer.

          • Stefan Pietsch 26. April 2022, 12:31

            Oder das ewige (..) Verwechseln von „Strom“ und „Energie“.

            Das ist durchaus ein Punkt. Einige wollen ja die vollständige Elektrifizierung des Energiebedarfs. Das halte ich für einen Irrweg. Wir werden schwere, besonders energieintensive Prozesse nicht mit dem in Deutschland kostbaren weil knappen Strom aus Wind und Sonne bestreiten können. Flugzeuge werden nicht mit riesigen Batterien fliegen und Schiffe ebenfalls nicht fahren.

            VW-Chef Herbert Diess sieht keine Chancen für Wasserstoff. Seine Rechnung ist auf den ersten Blick nachvollziehbar: Die Erzeugung von Wasserstoff verursacht ein Mehr an Energiebedarf. Das ist keine Win-Situation. Allerdings blendet diese Betrachtung den wesentlichen Aspekt von Wasserstoff aus: er ist leicht speicherbar und damit abrufbar, im Unterschied zu Strom aus einer Batterie.

            Ansonsten tue ich mich mit Prognosen schwer. An Ihrer Argumentation ist schon einiges dran. Ob die Zeit der großen Reaktoren abläuft, keine Ahnung. Sie haben immerhin einen unbestreitbaren Vorteil: sie sind eben groß und damit lässt sich die Energieerzeugung an wenigen Stellen konzentrieren.

            • Tim 26. April 2022, 12:46

              sie sind eben groß und damit lässt sich die Energieerzeugung an wenigen Stellen konzentrieren.

              Ich bin mir relativ sicher, dass sich die Energiepräferenzen der Bürger in den nächsten 20 Jahre rapide wandeln werden. Klar ist: Massig Energie nutzen wollen alle, bislang ist vielen bloß nicht klar, dass das Zeug auch irgendwo produziert werden muss. NIMBY-Verhalten verwöhnter Wohlstandsbürger wird es künftig wohl viel seltener geben.

              Und Regionen wie etwa Spanien scheinen noch gar nicht begriffen zu haben, welches Potenzial sie in der Hand haben, und zwar bei Photovoltaik und Windkraft!

              Alles natürlich unter der Voraussetzung, dass wir überhaupt genügend Rohstoffe für die Energiewende haben, was ja schon heute ein Riesenproblem ist.

              • Stefan Pietsch 26. April 2022, 13:09

                Oh, Spanien ist durchaus interessiert am Ausbau der Photovoltaik, aber nur aus den Fördertöpfen der EU. Was ein Irrwitz ist: ein besonders sonnenreiches Land kann seinen Strom nicht aus dem in Hülle und Fülle zur Verfügung stehenden Solar decken oder überhaupt nur organisieren.

                Die Wüsten der Erde erzeugen in 6 Stunden den globalen Energiebedarf für 1 Jahr. Da ist Energie im Überfluss vorhanden. Man muss es nur nutzbar machen. Stattdessen mühen wir uns hier mit Windkraftanlagen und teuren Solarpanels ab.

                • CitizenK 26. April 2022, 16:47

                  „Die Wüsten der Erde erzeugen in 6 Stunden den globalen Energiebedarf für 1 Jahr“

                  Wo sind die findigen und risikobereiten Unternehmer mit dem Gespür für Chancen?

                  • Thorsten Haupts 26. April 2022, 17:51

                    ROFL. Die Wüsten, die in Frage kommen, liegen fast alle entweder komplett unzugänglich (von Infrastruktur abgeschnitten) oder in Gebieten mit akuter physischer Bedrohung (Sahara). Irgendein Staat bereit, die Panzerdivision zur Absicherung zu stellen? Oder die Anschluss-Infrastruktur zu bauen?

                    Dann kriegen Sie das Risikokapital für den Anlagenbau schon zusammen :-).

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 26. April 2022, 19:24

                      In der Sahara benötigt die Wirtschaft die Flankierung durch die Politik. Das geschah bei Desertec nicht. Inzwischen haben wir Desertec 2.0. Das Projekt, die Sahrara für die Energiegewinnung zu erschließen, ist nicht tot. Darüber hinaus existiert in Wüstenländern ein Wettlauf um die Entwicklung einer Wasserstoffindustrie. Chile verfügt mit der Atacama über ein riesige Refugium, die Infrastruktur in die Wüste ist hervorragend. Die USA haben dazu das Death Valley, die auch gut an Las Vegas und den Großraum Los Angeles angebunden ist.

                      Unternehmer sind da wesentlich weiter als deutsche Planwirtschaftler das vermuten. Die deutsche Politik beginnt erst langsam zu verstehen, was um den Äquator für ein riesiger Markt entsteht.

          • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:44

            Ich glaube, es gibt kein Land, bei dem man sagen kann „Ja, so sollten wir das machen, das ist optimal, das kann als Blaupause dienen“.

            • Tim 26. April 2022, 12:55

              Das würde ich glatt unterschreiben. Und es gibt ja auch Länder wie etwa Norwegen, die Schweiz und Österreich, die aufgrund ihrer natürlichen Gegebenheiten einen erheblichen Vorteil gegenüber Deutschland haben. Ich denke, man kann durchaus sagen, dass die Umstellung in Deutschland ganz besonders schwierig ist. Großes Land, (relativ) wenig Küste, viele Menschen, viel Industrie – das sind gleich vier problematische Bedingungen.

              Darum finde ich ja, Energiepolitik wäre von Anfang an das ideale EU-Thema gewesen. Vor allem damals in der Bangemann-EU, als dort Effizienz noch einen gewissen Wert hatte.

              • Stefan Sasse 26. April 2022, 15:25

                Deswegen sage ich ja als Vorlage. Dass Norwegen mit Wasserkraft mehr machen kann als wir – geschenkt.

        • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:38

          Lol, klar, die berühmte Staatseffizienz der Amerikaner! Mach dich nicht lächerlich. – Warum sie daran festhalten ist klar: Pfadabhängigkeit. Das ist kein Geheimnis.

    • Stefan Sasse 26. April 2022, 10:21

      2) Grundlast: Ist auch eine Frage von Speicherung und Transport sowie schierer Menge.

      Das mit der Planung weiß ich.

      6) Ich denke, du überinterpretierst Lindners Persönlichkeit. Der Mann ist charismatisch genug, als Kontrollfreak hab ich ihn noch nie wahrgenommen. Er trifft gerade nur nicht den Kern der Zeit, das ist alles. Aber dafür kann er wenig. Und Parteichef – das hat Habeck auch nicht geschadet.

      • Stefan Pietsch 26. April 2022, 11:14

        2) Die natürlichen Speicherformen sind in Deutschland so nicht vorhanden und der Umbau der Natur wird von der großen Mehrheit abgelehnt.

        Wenn uns eins die Geschichte der deutschen Atomkraft gelehrt hat, dann doch, dass sich Energiepolitik nicht gegen die Mehrheitsmeinung durchsetzen lässt. Die Hälfte der Energie aus Erneuerbaren kommt aus der Biomasse. Das ist den meisten nicht bekannt. Deren Potential ist aus ökologischen wie ethischen Gründen arg begrenzt. Der Beitrag von Wind und Sonne ist überschaubar, nach 20 Jahren intensiver Förderung. Der Ausbau von Windkraftanlagen stockt seit mehreren Jahren, und zwar, weil die nutzbaren Flächen weitgehend ausgereizt sind. Dies gilt für den derzeitigen Rechtsrahmen. Um weitere Potentiale zu heben, müsste die Rechtslage geändert und Windparks weit näher an die Wohnbereiche herangebaut werden. Da ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Stimmung kippt, denn niemand will so ein Ding vor der Haustür haben.

        Störend war Deine Begründung, denn sie passt überhaupt nicht. Sie diskutiert die wesentliche Schwäche der Erneuerbaren einfach weg. In Deutschland stehen wir mit unseren Debatten ja immer noch am Anfang. Die eine Seite glaubt an Energieautarkie und dass sich der Energiebedarf einer führenden Volkswirtschaft allein mit Wind und Sonne decken lässt – in einem der am dichtesten besiedelten Länder, mit nur mittelstarken Winden und ziemlich sonnenarm. Sie will die Politik genau so ausgerichtet haben. Und auf der anderen Seite die Realos, die den Taschenrechner zücken und zum Ergebnis kommen, dass Deutschland immer Energieimporteur bleiben wird.

        6) Keine Frage, Lindner ist charismatisch. Aber er ist extrem kontrolliert und hat sich emotionale Äußerungen abtrainiert. Die Übernahme des Finanzministeriums erfolgte sehr überlegt, was angenehm ist und den Profi auszeichnet. Aber eben auch den Charakter. Anders als Kabinettskollegen hat Lindner an der Führungsebene des Hauses festgehalten, die schon christdemokratischen und sozialdemokratischen Ministern gedient haben – eben um keinen Bruch zu riskieren.

        Aussehen und Charisma sind wie bei Habeck wichtige Voraussetzungen, um populär zu werden. Der Tanz auf zwei Hochzeiten (Minister und Parteichef) ist ein Spagat, der bisher nicht gelingt.

        • Tim 26. April 2022, 11:26

          @ Stefan Pietsch

          Die natürlichen Speicherformen sind in Deutschland so nicht vorhanden

          Wir hätten durchaus hinreichend Gasspeicher, um die komplette Energieversorgung auch bei ca. einer Woche Dunkelflaute sicherzustellen. Es fehlen aber natürlich Power-to-gas-Anlagen sowie Gaskraftwerke. Das EEG hatte leider von Anfang an keine skalierbaren Lösungen im Sinn.

          Bis vor etwa 2 Monaten haben ich darum übrigens gedacht, die deutsche Nord-Stream-2-Politik sei energiepolitisch sinnvoll: russisches Gas als Zwischenlösung, bis wir genügend Gas selbst erzeugen können. Ausnahmsweise mal langfristig gedacht von der Politik! Doch die Realität sieht jetzt natürlich anders aus. 🙁

          • Stefan Pietsch 26. April 2022, 12:22

            Gasspeicher sind keine natürliche Aufbewahrungsform. Das sind z.B. Seen, die zur Stromerzeugung nutzbar gemacht werden können.

            Gas löst nicht das Klimaproblem, da es ein fossiler Brennstoff ist. Effizient, aber dennoch fossil. Dann kann man auch fragen, ob nicht Kohle mit Abschneidetechnik eine sinnvolle Übergangstechnologie wäre. Aber Übergang bedeutet auch immer, dass irgendwo eine (vorläufige) finale Lösung stehen muss.

            Ich halte es, wie schon einmal in einer Artikelserie dargelegt, für ausgeschlossen, dass Deutschland seinen gesamten Strombedarf, von Primärenergiebedarf ganz zu schweigen, aus Erneuerbaren Energien wird decken können. Es gibt zwar eine von Greenpeace aufgegebene Studie, die das in den Zehnerjahren für machbar hielt. Aber auch dort räumten die Autoren ein, dass ein solches Szenario nur unter absolut optimalen Bedingungen erreicht werden kann. In einer freien, demokratischen Gesellschaft gibt es für den einen Weg keine optimalen Bedingungen.

            • Tim 26. April 2022, 12:37

              Ich halte es, wie schon einmal in einer Artikelserie dargelegt, für ausgeschlossen, dass Deutschland seinen gesamten Strombedarf, von Primärenergiebedarf ganz zu schweigen, aus Erneuerbaren Energien wird decken können.

              So pessimistisch sehe ich das nicht. Es ist eine gigantische Aufgabe, keine Frage – aber eine lösbare.

              Der beste Weg wäre gewesen, schon vor 25 Jahren europaweit einen konsequenten Emissionsrechtehandel mit entsprechender Importbepreisung umzusetzen und die Emissionsmengen dann über einen langen Zeitraum (sagen wir mal 40 Jahre) auf das gewünschte Niveau abzusenken. Parallel hätte man massiv in die Forschung investieren müssen, bei konsequenter Technologieneutralität. So hätten Gesellschaft und Wirtschaft auf lange Sicht Planungssicherheit und Anreize für CO2-Vermeidung gehabt.

              Genau das wäre auch jetzt die beste Lösung, allerdings natürlich auf einer viel steileren Kurve mit erheblichem Disruptionspotenzial. Das aktuelle Gewurschtel in der Energiepolitik ist … Gewurschtel.

              • Thorsten Haupts 26. April 2022, 18:04

                Es ist eine gigantische Aufgabe, keine Frage – aber eine lösbare.

                Mag sein. Mit den Methoden der stalinistischen Industrialisierung Russlands zwischen 1927 und 1941 – und selbst dann nur „vielleicht“.

                • Stefan Sasse 26. April 2022, 19:01

                  Der Vergleich mit der stalinistischen Planwirtschaft bringt gar nichts außer Polemik, sorry.

                  • Thorsten Haupts 27. April 2022, 13:36

                    Ich habe den Vergleich nur benutzt, um die Dimension der „lösbaren“ Aufgabe im gewünschten Zeitrahmen besser begreifbar zu machen.

                    • Stefan Sasse 28. April 2022, 10:28

                      Den halte ich an der Stelle für misslungen, weil der Vergleich ja eher in Richtung der Methode geht. Aber sei’s drum. Die Aufgabe muss halt angegangen werden, das ist das Ding. Und ich habe keine Präferenz für eine spezifische Methode, ich bin für den Ansatz everything and the kitchen sink.

        • sol1 26. April 2022, 12:00

          Wenn Lindner ein Kontrollfreak ist, dann ist Habeck auch einer.

          Zur Erinnerung – er hat sich von Twitter abgemeldet wegen zweier mißlungener Tweets, die wohl fast jeder andere Politiker einfach ausgesessen hätte.

          • Stefan Pietsch 26. April 2022, 12:33

            Habeck ist impulsiv, was eben sein Verhalten auf Twitter zeigte. Das ist ja auch charmant und wirkt authentisch.

            • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:47

              Bis es nicht mehr charmant und authentisch, sondern unprofessionell und abstoßend wirkt. Was davon jeweils wahr ist wird einerseits vom Geschlecht und andererseits von der aktuellen Laune des vox populi bestimmt.

              • Stefan Pietsch 26. April 2022, 13:05

                Genau das wurde ja Habeck zum Verhängnis und beförderte Baerbock im Kampf um die Spitzenkandidatur erst auf Augenhöhe. Mit dem Geschlecht hat das also nix zu tun.

                Es ist schon richtig, was sol1 sagt. In Spitzenpositionen muss man abseits der Emotionalität kontrolliert agieren. Das ist übrigens ein Problem mehrerer Minister der Ampel, angefangen bei Corona-Flummi Karl Lauterbach. Noch so ein Beispiel, dass Geschlechterfragen an der Stelle wenig Bedeutung haben.

          • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:44

            Ja, mir ist das auch unklar. In Spitzenführungspositionen kommst du selten mit Laissez-Faire-Haltungen.

        • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:43

          2) Es will auch niemand eine Hitzewelle, Überschwemmungen, Dürren u. Ä. vor der Haustüre haben. Man muss sich halt entscheiden.

          6) Die Überlegung „ich will das mächtigste Ministerium“ ist jetzt nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal Lindners, aber ich glaube, ich hab ihn hier bereits genug gelobt. Die Führungsebene des BMF ist zudem ohnehin auf Linie, da gab es wenig auszutauschen. – Waren nicht Genscher und Scheel ebenfalls Parteichefs? Und Fischer?

          • Stefan Pietsch 26. April 2022, 13:01

            2) So funktioniert eine freie Gesellschaft nicht. Sonst wären wir 2010 auch nicht aus der Kernkrafterzeugung ausgestiegen.

            6) Es geht nicht um Loben. Lambrecht und Anne Spiegel haben beispielsweise fast die gesamte Leitungsebene ihrer Ministerien ausgetauscht. Die erste Inaugenscheinnahme legt den Schluss nahe: auch zum Nachteil der Ministerinnen selbst. Werner Gatzer ist ein der SPD nahestehender Beamter, der eine kameralistische Haushaltspolitik betreibt. Ins Finanzministerium kam er unter CSU-Herrschaft, befördert wurde er von Lafontaine und Eichel in Spitzenpositionen. Die Fütterung des Klimafonds aus den Sondermitteln der Pandemie war Gatzers Idee, noch unter Olaf Scholz in die Wege geleitet. Lindner hat das mit hohem politischen Risiko für ihn selbst übernommen. Werner Gatzer gilt als die graue Eminenz des Hauses. Sich gegen ihn zu stellen, kann politisch riskant sein.

            Als Genscher 1982 die politische Wende orchestrierte, stürzte sein Ansehen fast ins Bodenlose. Parteiamt und Ministerposten ließen sich eben nicht trennen. Fischer war nie Parteivorsitzender der Grünen.

            • Stefan Sasse 26. April 2022, 15:26

              6) Baerbock auch; bei ihr war es sicherlich die richtige Entscheidung. Man stelle sich vor, die SPD-Deppen wären da noch dagewesen…! Das kannst nicht pauschalisieren. Entweder kannst du das Personal brauchen oder halt nicht. Das zu beurteilen ist Kernkompetenz von Minister*innen.

          • sol1 26. April 2022, 13:21

            „Und Fischer?“

            Meiner Erinnerung nach hatte Joschka Fischer niemals ein Parteiamt.

      • Thorsten Haupts 26. April 2022, 18:00

        Ist auch eine Frage von Speicherung

        Yup. Und die im industriellen Masstab herstellungsfähige Speichertechnologie existiert entweder nicht oder sie setzt so starke Eingriffe in die Natur voraus, dass man sie in Deutschland gar nicht erst anfasst (Stauseen im industriellen Masstab, d.h., für >40 Gigawatt. Leistung Möhnetalsperre zum Vergleich: 8 Megawatt, also 0,002% der benötigten Leistung).

        Oder wir betreiben halt weiter Gas- und Kohlekraftwerke.

        Die Rundumversorgung Deutschlands mit regenerativen Energien innerhalb der nächsten 25 Jahre ist vollkommen illusorisch. Bei heutigem (!) Stromverbrauch.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

    • sol1 26. April 2022, 11:53

      „Die Brennstäbe sind auf die Kraftwerke angepasst und können nicht im Supermarkt gekauft werden.“

      Und wo werden sie gekauft?

      „Europas Atomkraftwerke sind zum großen Teil von Uran-Importen aus Russland und vom russischen Staatskonzern Rosatom abhängig, wie ein Report aufzeigt. Rund 40 Prozent des von der EU importierten Urans stammen aus Russland und aus dem mit Russland verbündeten Kasachstan. In Osteuropa sind 18 Atomkraftwerke sogar zu 100 Prozent von russischen Brennelementlieferungen abhängig.“

      https://www.scinexx.de/news/energie/hohe-abhaengigkeit-auch-beim-kernbrennstoff-uran/

      Na so was…

  • Thorsten Haupts 26. April 2022, 09:37

    Zu 2): In jeder Hinsicht am sichersten sind und bleiben erneuerbare Energiequellen.

    Ja. Weil sie im Moment einfach ausfallen, wenn nicht genügend Sonne und Wind zur Verfügung stehen. Das Grundlastproblem der Erneuerbaren ist im Moment nicht einmal theoretisch gelöst (= praktikable Lösungen existieren und sind erprobt).

    Zu 3):
    Der Triumph des Plans aka Bürokraten und Wissenschaftler wissen schon, was wir wann brauchen? ROFL.

    Zu 7):
    Klar, die Perser haben unterworfene Völker behandelt, wie die Engländer Jahrtausende später ebenfalls – Einbindung der Eliten bei die persische Herrschaft nicht gefährdender lokaler Autonomie. Ändert nichts daran, dass wir heute nicht wären, wo wir sind, hätten die Perser damals auch Griechenland eingesackt.

    Zu 8):
    Würde mich der Kritik am Originalismus ja gerne anschliessen, wenn es denn überhaupt eine kohärente Gegenposition gäbe. Die gibt´s aber nicht, statt dessen lässt sich die „liberale“ Position zusammenfassen als „Wir interpretieren die Verfassung solange neu, bis sie zum gerade vorherrschenden Zeitgeist der Leitmedien passt.“ Was auch nicht gerade eine überzeugende, geschweige denn intellektuell kohärente, Position darstellt.

    Zu a):
    ROFLMAO. Eine bisher den Progressiven wohlgesinnte Willkürherrschaft (twitters Management) wird durch ein neues, vielleicht nicht ganz so wohlgesinntes, ersetzt (Musk ist alles in allem ein Liberaler, kein Rechtspopulist). Und schon ist alles in heller Aufregung. Mit Prinzipien oder Grundsatztreue hat das alles nichts zu tun, nur mit dem möglichen Verlust politischer Propaganda für die eigenen Anliegen.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Tim 26. April 2022, 09:47

      @ Thorsten Haupts

      Das Grundlastproblem der Erneuerbaren ist im Moment nicht einmal theoretisch gelöst

      Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. 🙂 Zu den meisten Zeiten gleichen sich Wind und Sonne ganz gut aus, wenn man größere Regionen betrachtet, etwa Mitteleuropa. Weitgehend ungelöst ist das Problem von Dunkelflauten, die aber selten sind. Aber natürlich ist es notwendig, hier eines Tages einen Puffer für 7-14 Tage zu haben.

      Und zwar für den gesamten Energiebereich. Heute reden wir ja eigentlich nur über den existierenden Strombedarf, also das kleinste Problem. Der Strombedarf wird aber kräftig ansteigen, weil wir bei den anderen Verbrauchsformen noch zu etwa 3/4 auf fossile Energieträger angewiesen sind.

      Und DAS wird in der Tat eine sehr schwierige Aufgabe. Meiner Meinung nach werden wir künftig jede Energieerzeugungs- und jede Energiespeicher-Möglichkeit nutzen müssen, die sich uns nur bieten. Momentan pflegt die Gesellschaft ja noch einen Luxusansatz und lehnt jedes zweite Windrad ab. Aber das wird sich bald ändern, wenn Energie richtig teuer wird.

    • Stefan Sasse 26. April 2022, 10:22

      7) Sicher richtig. Ich wehre mich auch nur gegen die normative Aufladung.

      8) Kritisieren kannst du es ja trotzdem. Ich behaupte auch keine kohärente Gegenposition. Ich bezweifle, dass es so etwas gibt.

      • Thorsten Haupts 26. April 2022, 10:58

        Zu 8):

        Klar kann man den Originalismus kritisieren. Tut man auch umso lieber, als er (zwangsläufig) konservativ daherkommt. Aber die Originalisten bemühen sich wenigstens um eine in sich kohärente Position, die Neuerfinder der Verfassungen der westlichen Welt haben für ihre massiven Abweichungen von eindeutig und glasklar dokumentierten Verfassungsabsichten nichts ausser Gelaber anzubieten. Und ihre Übergriffigkeit (auch in Deutschland) besteht darin, wahrgenommene Unzulänglichkeiten durch grosszügige „Neuinterpretation“ selbst zu korrigieren, anstatt das ganze an den Gesetzgeber zurückzuverweisen. De facto gehören die liberalen Verfassungsjuristen zu den grössten Demokratieverächtern der westlichen Welt.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:40

          „Stets bemüht“ ist nicht ohne Grund die 6 im Arbeitszeugnis. Die Position ist einfach nur ein Verstecken des ständigen Neuauslegens im eigenen Sinne. Man nennt es halt Originalismus. Ansonsten kritisiere ich die ausgreifende Machtanmaßung des Obersten Gerichts dieseits wie jenseits des Atlantiks.

      • sol1 26. April 2022, 12:05

        Die Gegenposition hat Georg Christoph Lichtenberg schon vor zweieinhalb Jahrhunderten formuliert:

        „Der oft unüberlegten Hochachtung gegen alte Gesetze, alte Gebräuche und alte Religion hat man alles Übel in der Welt zu danken.“

        „Dieses haben unsere Vorfahren aus gutem Grunde so geordnet, und wir stellen es aus gutem Grunde nun wieder ab.“

        • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:45

          Jepp.

        • Thorsten Haupts 26. April 2022, 13:03

          0 Probleme damit. Nur – das genau sollen nicht Gerichte, sondern grundgesetzändernde Mehrheiten entscheiden! Und genau davor scheuen insbesondere Liberale gerne zurück – sie sind viel erfolgreicher damit, die aus ihrer Sicht notwendigen Änderungen über entsprechend geneigte Richter durchzusetzen. Der Grund, warum sie seit ca. 5 Jahren re Besetzung SCOTUS Sturm laufen, ist einzig und alleine, weil diese superbequeme Methode nicht mehr funktioniert!

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • sol1 26. April 2022, 13:47

            „…grundgesetzändernde Mehrheiten…“

            In den USA?

            Das letzte Amendment hat 202 Jahre gebraucht, um verabschiedet zu werden:

            https://de.wikipedia.org/wiki/27._Zusatzartikel_zur_Verfassung_der_Vereinigten_Staaten

            • Stefan Sasse 26. April 2022, 15:28

              Ja, völlig illusorisch. Vor allem bei der Radikalisierung der GOP.

            • Thorsten Haupts 26. April 2022, 15:57

              Mir vollkommen wurscht! Wenn es keine ausreichenden Mehrheiten für Verfassungsänderungen gibt, dann gibt´s die halt nicht. Es ist auf jeden Fall NICHT die Sache von Richtern, die im Wege der Ersatzvornahme dann eigenmächtig zu schaffen – das genau war, ist und wird nie ihr Auftrag sein.

              Aber Ihre Antwort zeigt – bitte nicht persönlich nehmen – genau die Grundlage dafür auf, warum das für Liberale im US-amerikanischen Sinn bisher kein Problem darstellte Sie konnten diese Hürde bisher mit richterlicher Hilfe ignorieren. Und ihre Reaktionen (in den USA) zeigen sehr deutlich, dass sie auf das gegenteilige Szenario (eine Richtermehrheit sch* auf den Zeitgeist) überhaupt nicht vorbereitet sind und es ernsthaft für illegitim halten. Na dann wissen sie ja jetzt, wie sich viele rechts des politischen Medians über Jahrzehnte gefühlt haben.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Stefan Sasse 26. April 2022, 16:08

                Meine Rede. Der richterliche Aktivismus ist ein Problem, egal in welche Richtung.

          • Stefan Sasse 26. April 2022, 15:27

            Jein, das funktioniert seit den 1980er Jahren nicht mehr, aber seit ca. 5 Jahren ist der rechtsextreme Drall einfach unübersehbar.

            • Thorsten Haupts 26. April 2022, 16:21

              Okay, dann mal Butter bei die Fische: Welche Entscheidungen des amerikanischen SCOTUS waren bisher rechtsextrem?

    • sol1 26. April 2022, 12:02

      /// Die gibt´s aber nicht, statt dessen lässt sich die „liberale“ Position zusammenfassen als „Wir interpretieren die Verfassung solange neu, bis sie zum gerade vorherrschenden Zeitgeist der Leitmedien passt.“ Was auch nicht gerade eine überzeugende, geschweige denn intellektuell kohärente, Position darstellt. ///

      Man streiche die Nonsensformulierung „der Leitmedien“ – und man erkennt, daß wirklich jeder so vorgeht.

    • cimourdain 27. April 2022, 11:19

      7) „Ändert nichts daran, dass wir heute nicht wären, wo wir sind, hätten die Perser damals auch Griechenland eingesackt.“ – My kind of challenge…

      Stellen wir uns vor, z.B. Sparta schließt einen Sonderfrieden mit Persien und sackt, während dessen Flotte vor Salamis wartet, Athen auf dem Landweg ein. Die restlichen griechischen Städte ergeben sich kurz darauf, Griechenland bleibt unabhängig unter persischer Suzeränität. Die spartanische Kultur und Lebensweise wird dominant. Nach dem Tod Xerxes‘ zerfällt das Perserreich aufgrund Erbstreitigkeiten in einen Ost- und einen Westteil. Artaxerxes baut die Hauptstadt des Westteils, Babylon zu einem kulturellen Zentrum und Schnittstelle der Weltreligionen Zoroastrismus, Buddhismus und Judentum aus. 100 Jahre später bricht ein makedonischer Feldherr nach Westen auf, um zuerst Rom und danach die ‚barbarischen‘ Länder entlang der Donau zu erobern. Dieses Reich zerfällt zwar nach seinem Tod, aber seine Stadtgründungen bleiben bestehen.

      Vielleicht würde heute also Stefan Sasse an der Militärschule Alexanderstadt(BW) Aramäisch und buddhistische Philosophie unterrichten sowie das jährliche Schulprojekt ‚Heloten ausplündern‘ betreuen.

      • Stefan Sasse 28. April 2022, 10:26

        Ich würde noch eine Gegenthese wagen. Ich glaube, der Einfluss des Hellenismus wird überschätzt. Die Frage wäre also durchaus auch, inwieweit sich die Renaissance-Leute gegebenenfalls auf zoroaistrisches Erbe bezogen hätten. Oder so.

        • Thorsten Haupts 30. April 2022, 19:49

          Ich glaube, der Einfluss des Hellenismus wird überschätzt.

          Ich nicht. Er gewann seinen Einfluss über das römische Imperium. Kann nicht erkennen, wie wir ohne z.B. zu systematischer, intersubjektiver, Wissenschaft gekommen wären (eine singuläre europäische Entwicklung, der Verzicht darauf kostete Araber, Inder und Chinesen ihren enormen Entwicklungsvorsprung vor dem Europa des Jahres 1000).

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Stefan Sasse 30. April 2022, 22:36

            Naja, die Wissenschaft wurde aber eben weder in der Antike noch im Mittelalter erfunden, sondern erst in der Neuzeit. Deswegen bin ich etwas skeptisch. Ich halte da andere Faktoren für zentraler, wie das politische System, die Fragmentierung Europas, die Städte, solche Dinge.

            • Thorsten Haupts 4. Mai 2022, 09:38

              Die Institutionen wie Methoden zur Systematisierung und systematischen Weitergabe von Wissenschaft entstanden im Mittelalter (Universitäten, Scholastik).

              • Stefan Sasse 4. Mai 2022, 11:44

                True, aber die Septem Artes Liberales waren jetzt nicht unbedingt das, was wir heute unter Wissenschaft verstehen. Ich will mich da aber gar nicht weiter verzetteln, denn im Endeffekt bestätigt es meinen Punkt: MA und Neuzeit sind entscheidender als Antike, dich für überbewertet halte (zumindest gegenüber dem MA).

  • Kirkd 26. April 2022, 11:05

    zu 8) Die Frage, welche Rolle der „Wille“ des Gesetzgebers bei der Auslegung eines Gesetzes spielt, ist eine der klassischen Grundfragen der juristischen Methodenlehre, der Originlismus ist letztlich eine extreme Anwendung der subjektiven Theorie (die den Willen des Gesetzgebers für massgeblich hält) im Gegensatz zur objektiven Theorie, die die Auslegung des Gesetzes als objektives Ordnungsinstrument für aktuelle Fragen betrachtet.

    Traditionell wurde im deutschen Verfassungsrecht die historische (subjektive) Auslegung ebenfalls hochgehalten, in der Praxis hat das Bundesverfassungsgericht aber, zB zum Bundeswehreinsatz im Ausland, zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder zum Asylrecht die objektive Auslegung und nicht die historische angewendet.

    Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das amerikanische Recht (wie das britische) bei der Auslegung von Verträgen die objektive Auslegung für massgeblich hält, während das kontinentaleuropäische die subjektive Auslegung vorzieht.

    Die Grundfrage ist eine klassische Methodenfrage, aber im Originalismus befruchtet eine politische Überzeugung eine methodische Rigidität, die die eigentliche juristische Auslegung viel zu stark reduziert. Die klügeren Befürworter der subjektiven Theorie, zB in Deutschland Canaris, sind sich durchaus bewusst, dass der Wille des Gesetzgebers selbst eine Fiktion ist, der zu vielen aktuellen Fragen gar nicht existerte und zu anderen angenähert werden kann, aber nur in wenigen Fällen bewiesen werden kann.

    • Stefan Pietsch 26. April 2022, 12:40

      Traditionell wurde im deutschen Verfassungsrecht die historische (subjektive) Auslegung ebenfalls hochgehalten, in der Praxis hat das Bundesverfassungsgericht aber, zB zum Bundeswehreinsatz im Ausland, zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder zum Asylrecht die objektive Auslegung und nicht die historische angewendet.

      Das kann man so nicht sagen. In den Neunzigerjahren urteilte Karlsruhe zu den vorsichtigen Auslandseinsätzen stets: das müsse die Politik entscheiden, das sei keine Frage der Verfassung. Das Urteil zur gleichgeschlechtlichen Ehe folgte einer fast zwei Jahrzehnte zuvor getroffenen Festlegung der Politik. Mit der Eingetragenen Partnerschaft war definiert, dass der Gesetzgeber und im Zweifel der Verfassungsgeber mit der Ehe nicht nur die Verbindung von Mann und Frau sieht. Das war die Vorlage. So steht in Artikel 6 nicht explizit, dass dies so ausgelegt werden muss. Es ist nur aus der Zeit der Grundgesetzentstehung und den verwendeten Begriffen naheliegend.

      • Dennis 26. April 2022, 17:08

        Zitat Stefan Pietsch:
        „Das Urteil zur gleichgeschlechtlichen Ehe folgte…… “

        Es gab keins. Die antragsberechtigten Institutionen haben auf „Karlsruhe“ verzichtet.

        Zitat:
        „Mit der Eingetragenen Partnerschaft war definiert, dass der Gesetzgeber und im Zweifel der Verfassungsgeber mit der Ehe nicht nur die Verbindung von Mann und Frau sieht. “

        Dazu gab es ein Urteil, aber so hat „Karlsruhe“ – und auch der Gesetzgeber – nicht argumentiert, denn es handelte sich NICHT um „Ehen“, weswegen Art 6 (1) als nicht berührt angesehen wurde. Die Argumentation ging so:

        Zitat BVerfG:
        „Die Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare verletzt Art. 6 Abs. 1 GG nicht. Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können. “

        Sprich: Die Rechtsfolgen von zwei Dingern können die gleichen sein, auch wenn die Dinger „eigentlich“ durchaus zu unterscheiden sind und deswegen offiziell auch anders heißen, was wiederum bedeutet, dass erst die nunmehrige „Vollintegration“ zu der im Zitat angesprochenen Fragestellung führt.

        Als Antwort kann sich jeder selbst was ausdenken, was aber nur ’ne Spielerei ist, denn das Gesetz GILT und Karlsruhe redet nur, wenn jemand, der antragsberechtigt ist, dort anklopft, was nicht geschehen ist.

        • Stefan Pietsch 26. April 2022, 19:35

          Es gab keins. Die antragsberechtigten Institutionen haben auf „Karlsruhe“ verzichtet.

          Das ist richtig. Das Urteil stand bevor, als Merkel ihre Wende vollzog. Der Ausgang war jedoch absehbar. Hilfreich wäre gewesen, wenn Sie den Link und das Jahr des Urteils angegeben hätten. Das war 2002.
          https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2002/07/fs20020717_1bvf000101.html

          2009 änderte das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung. Anhängige Klagen, auch homosexuellen Paaren die Ehe (und nicht nur die Eingetragene Partnerschaft) zu ermöglichen, hatten ab da wegen des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Aussicht auf Erfolg. Den Anstoß für diese Sichtweise gab jedoch die Politik mit der Einführung des Instituts der Eingetragenen Partnerschaft.

    • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:40

      Danke für die Argumente, sehr spannend.

    • Thorsten Haupts 26. April 2022, 13:05

      … objektive Auslegung …

      ROFLMAO. Danke dafür! Es gibt viele Leute, die das wirklich glauben – und Sie haben es wunderschön offengelegt.

  • Thorsten Haupts 26. April 2022, 11:06

    Zu 10):

    Nach absolut allen denkbaren Kriterien (Budgets, Gesetze und Vorschriften, Personal) hat der Staat in den letzten 20 Jahren in der gesamten westlichen Welt seine Tätigkeit – massiv – ausgeweitet (der Economist hatte da letztens eine schöne Übersicht). Das Geschwätz vom Sieg des Neoliberalismus ist die gleichzeitig wirkungsmächtigste wie faktisch falscheste Propagandaaktion des letzten halben Jahrhunderts. Es gibt dafür ausser Anekdoten 0 Belege, dafür jede Menge Belege für das exakte Gegenteil.

    Chapeau dafür – ich werde die Ausnutzung der Dummheit von Menschen nie kritisieren :-). Ich erinnere mich nur immer daran, wenn die diese Propaganda verbreitende Gruppe unserer Funktionseliten (= ganz grob alles links des politischen Medians) sich über rechtspopulistische Propaganda beschwert. Dann bekomme ich einen Lachkrampf.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 26. April 2022, 12:41

      Wie gesagt, das schließt sich nicht aus. Die Tätigkeit hat sich unzweifelhaft ausgeweitet.

    • Erwin Gabriel 26. April 2022, 17:05

      @ Thorsten Haupts 26. April 2022, 11:06

      Ich erinnere mich nur immer daran, wenn die diese Propaganda verbreitende Gruppe unserer Funktionseliten (= ganz grob alles links des politischen Medians) sich über rechtspopulistische Propaganda beschwert. Dann bekomme ich einen Lachkrampf.

      Ist doch schön, wenn man so viel zu lachen hat 🙂

      Gruss,
      E.G.

      • Thorsten Haupts 27. April 2022, 14:39

        Ich bin seit meiner Zeit in der Studentenpolitik zunehmend fester davon überzeugt, dass die meisten Linken (Anwesende ausdrücklich ausgenommen) dazu geschaffen sind, mich wahlweise zu amüsieren oder als Ziel verbaler Schläge zu dienen :-). Ich fand genau diese Einstellung vieler MSBler, SHBler, JuSos und Basisgrüppler gegenüber dem RCDS bereits vor, fand sie damals völlig daneben, habe mich aber eines Besseren belehren lassen. Unangenehmerweise muss ich zugeben: Gerne.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 28. April 2022, 10:29

          Naja, politisch engagierte Studierende sind generell jetzt nicht das seriöseste Umfeld…

          • Thorsten Haupts 30. April 2022, 19:44

            Ich sass danach als „sachkundiger Bürger“ 2 Jahre lang in einem der hochrangigigst besetzten Stadtrat-Ausschüsse einer westdeutschen Grosstadt. Daran gemessen – doch, politisch aktive Studenten waren hochseriös :-).

            Gruss,
            Thorsten Haupts

  • sol1 26. April 2022, 12:08
  • sol1 26. April 2022, 12:12

    8) Solche Gesetzesauslegungen hängen auch immer mit dem aktuell herrschenden Aberglauben zusammen.

    Bernard Shaw erzählt in der Vorrede zu „Back to Methuselah“ eine einschlägige Anekdote aus seiner Jugend:

    /// One evening in 1878 or thereabouts, I, being then in my earliest twenties, was at a bachelor party of young men of the professional class in the house of a doctor in the Kensingtonian quarter of London. They fell to talking about religious revivals; and an anecdote was related of a man who, having incautiously scoffed at the mission of Messrs Moody and Sankey, a then famous firm of American evangelists, was subsequently carried home on a shutter, slain by divine vengeance as a blasphemer. A timid minority, without quite venturing to question the truth of the incident—for they naturally did not care to run the risk of going home on shutters themselves—nevertheless shewed a certain disposition to cavil at those who exulted in it; and something approaching to an argument began. At last it was alleged by the most evangelical of the disputants that Charles Bradlaugh, the most formidable atheist on the Secularist platform, had taken out his watch publicly and challenged the Almighty to strike him dead in five minutes if he really existed and disapproved of atheism. The leader of the cavillers, with great heat, repudiated this as a gross calumny, declaring that Bradlaugh had repeatedly and indignantly contradicted it, and implying that the atheist champion was far too pious a man to commit such a blasphemy. This exquisite confusion of ideas roused my sense of comedy. It was clear to me that the challenge attributed to Charles Bradlaugh was a scientific experiment of a quite simple, straightforward, and proper kind to ascertain whether the expression of atheistic opinions really did involve any personal risk. It was certainly the method taught in the Bible, Elijah having confuted the prophets of Baal in precisely that way, with every circumstance of bitter mockery of their god when he failed to send down fire from heaven. Accordingly I said that if the question at issue were whether the penalty of questioning the theology of Messrs Moody and Sankey was to be struck dead on the spot by an incensed deity, nothing could effect a more convincing settlement of it than the very obvious experiment attributed to Mr Bradlaugh, and that consequently if he had not tried it, he ought to have tried it. The omission, I added, was one which could easily be remedied there and then, as I happened to share Mr Bradlaugh’s views as to the absurdity of the belief in these violent interferences with the order of nature by a short-tempered and thin-skinned supernatural deity. Therefore—and at that point I took out my watch.

    The effect was electrical. Neither sceptics nor devotees were prepared to abide the result of the experiment. In vain did I urge the pious to trust in the accuracy of their deity’s aim with a thunderbolt, and the justice of his discrimination between the innocent and the guilty. In vain did I appeal to the sceptics to accept the logical outcome of their scepticism: it soon appeared that when thunderbolts were in question there were no sceptics. Our host, seeing that his guests would vanish precipitately if the impious challenge were uttered, leaving him alone with a solitary infidel under sentence of extermination in five minutes, interposed and forbade the experiment, pleading at the same time for a change of subject. I of course complied, but could not refrain from remarking that though the dreadful words had not been uttered, yet, as the thought had been formulated in my mind, it was very doubtful whether the consequences could be averted by sealing my lips. However, the rest appeared to feel that the game would be played according to the rules, and that it mattered very little what I thought so long as I said nothing. Only the leader of the evangelical party, I thought, was a little preoccupied until five minutes had elapsed and the weather was still calm. ///

    https://gutenberg.org/files/13084/13084-h/13084-h.htm

    • Erwin Gabriel 27. April 2022, 15:24

      nett 🙂

      Danke

  • cimourdain 26. April 2022, 16:10

    1) Das fatale an der Situation ist doch, wie sehr durch gegenseitiges redlining beide Seiten sich systematisch die Möglichkeiten der Deeskalation nehmen. Es fühlt sich wie ein ‚Wer bremst, verliert‘ chicken-race an. Hier würden die spieltheoretischen Überlegungen aus dem kalten Krieg sehr viel weiterhelfen.

    2) Die wichtige Nachricht des Artikels ist, dass es problematisch ist, auf eine einzelne Energieform zu setzen, die gerade politisch opportun oder wirtschaftlich besonders günstig erscheint. Frankreich hat seit 1980 zum Großteil auf das Pferd Kernenergie gesetzt und ist auf Importe angewiesen, wenn dieses ausfällt.

    3) War ASPR nicht 2020 in der Diskussion, weil ein Whistleblower Anschuldigungen wegen Zweckentfremdung gemacht hat. Ich würde nicht ausschließen, dass das ‚institute for progress‘ indirekt auch aus BARDA-Mitteln finanziert wird.

    4) Gerade in Krisenzeiten (und Kriegszeiten sind solche) zeigt sich doch, dass liberale Demokratien in gleichem Maße für group think und Demagogie anfällig sind. Auf meiner 1984-Alarmanzeige leuchten derzeit Doublethink, Newspeak, Thoughtcrime und Hateweek auf, Past-revision flackert.

    5) Es gibt die Hypothese, dass konservative Parteien den Staat als ihr naturgegebenes Eigentum betrachten und deshalb besonders korruptionsanfällig sind. Hierzulande bestätigen die Skandale der vergangenen Legislaturperiode das ein wenig. Und wenn wir den Blick nach Österreich schweifen lassen…

    6) Das Geheimnis rührt doch daher, dass die Grünen derzeit für eine Politik stehen, die von der Mehrheit der Journalisten gestützt wird. Sollte das nicht mehr so sein, dann werden in die Berichterstattung immer öfter Wertungsvokabeln wie ‚verantwortungslos‘ oder ‚naiv‘ einfließen … und die Beliebtheit ist im Eimer.

    7) Ich möchte dir widersprechen, der ‚Zivilisationsstand‘ (i.S. von Teilhabe an Handel und Austausch) im östlichen Mittelmeerraum und nahen/mittleren Orient war zu diesem Zeitpunkt sehr vergleichbar, die griechische Sprache war in Levante und um das schwarze Meer verbreitet.
    Interessant ist doch, welche Mechanismen dazu geführt haben, dass die Perserkriege eine so starke Aufladung erfahren haben:
    – Das Underdog-Narrativ, gewürzt mit anekdotischen Heldenerzählungen
    – Die Auswahl eines beleuchteten Zeitrahmens. In der Wahrnehmung kommt nur die Kyros-Invasion zur Geltung (manchmal wird sogar die Schlacht von Marathon da hineingeworfen), der Ionische Aufstand und die Zerstörung von Sardes wird ausgeblendet, wie auch die attische ‚Gegenoffensive‘ in Kleinasien 460 v. Chr.
    – Das Bilden eines Wir-gegen-Die Gefühls
    – Die Einbettung in eine darauf aufbauende Ideologie: „Der Osten bedroht uns“
    – der ‚Woozle-Effekt‘ : Wird eine Aussage immer wiederholt, glauben die Leute sie, trotz dünner Faktenlage

    8) Als Rollenspieler solltest du die Lesarten ‚read as written‘ und ‚read as intended‘ gut genug kennen, sowie die Regel 0 in fast allen Regelsystemen „Passt die Regeln so an, wie es für euch am besten funktioniert“

    9) „Man kann sich ständig die rote Herzkönigin vorstellen“ ist eine interessante Formulierung, weil sich da eine zweite Lewis-Carroll-Figur hineingeschlichen hat: Die rote Königin aus ‚Alice hinter den Spiegeln‘, die bekannt ist durch die (in der Evolutionsbiologie gern zitierte) Aussage „Hier musst du mit aller Kraft voran laufen um stehen zu bleiben“. Zusammen würde das heißen: Wer sich nicht mit aller Kraft dem Zeitgeist anpasst, unterliegt dem beschriebenen ostrakismos – bzw. der damnatio memoriae bei Ex-Politikern.

    f) Kleines Suchspiel: Wie viele meiner Punkte aus 6) und 7) findest du in diesem Text wieder?

    Zusatzzahl: Diese ‚Meldung‘ hat mich echt zum Lachen gebracht:
    https://dietagespresse.com/nach-schwarzem-meer-russische-marine-erleidet-auch-in-frankreich-schiffbruch/

    • Stefan Sasse 26. April 2022, 18:54

      3) Keine Ahnung.

      4) Aber halt weniger als Autokratien. Ich hab ja explizit geschrieben, dass niemand immun dagegen ist

      5) Manche, ja. Aber was ist etwa mit der niedersächsischen oder nordrheinwestfälischen SPD der 1980er und 1990er Jahre?

      6) Ich würde so tief gar nicht gehen. Es ist eher eine Erzählung, die gerade läuft.

      7) Die Perser sind halt ein riesiger Staat, während Griechenland aus Zwergstaaten besteht, die sich eigentlich nie einig sind. Fluch und Segen Pellas‘.

      8) Wir spielen ziemlich kooperativ, deswegen tatsächlich: eher nicht. Wir versuchen so zu spielen, dass für alle Beteiligten das beste rauskommt und haben einen Konsens im Spiel beziehungsweise Vertrauen darin, dass die Spielleitung im Interesse aller handelt.

      9) Wer ist denn dann „ab mit deinem Kopf“?

      • Dobkeratops 26. April 2022, 19:45

        Wer ist denn dann „ab mit deinem Kopf“?

        Das ist die Herzkönigin (der Spielkarten) aus Band 1 (Wunderland). Die rote Königin (der Schachfiguren) stammt aus Band 2 (Hinter den Spiegeln). Dort gibt es auf der Gegenseite auch ihr Pendant in Form der weißen Königin.

        Das Schachthema durchzieht das ganze zweite Buch und ist auf clevere Weise mit der Geschichte verwoben, wogegen der erste Band eher eine Nummernrevue ist.

        Verfilmungen und andere Weiterverarbeitungen neigen allerdings dazu, Motive aus dem zweiten Band in den ersten mit reinzumischen, wodurch vielen die Verschiedenartigkeit der beiden Bücher nicht present ist.

        • Stefan Sasse 27. April 2022, 07:08

          Ich kenne nur die Mixbände. Ich weiß zwar, dass es zwei gibt, und dass Schach im zweiten ist, aber dass die Figuren rot sind hatte ich nicht mehr auf der Platte. Ich meinte natürlich die Herzkönigin. Danke!

      • cimourdain 27. April 2022, 08:21

        4) Keine Frage, dass Autokratien da in einer ganz anderen Liga spielen. Aber meine These ist, dass in Krisen diese ‚Fallhöhe‘ sich stark reduziert.

        5) Differenziert: Die NRW-SPD hatte genau den gleichen psychologischen Mechanismus: Wir regieren so lange, das Land gehört quasi uns.
        Niedersachsen war in den 80ern noch fest in Hand der Albrecht-CDU, die Affären (Spielbanken fällt mir ein) entsprechend. In den 90ern hat sich durch die Sonderstellung des VW-Konzerns ein Klüngel mit der Regierungs-SPD gebildet.

        7) a) Mir geht es weniger um die historischen Umstände als vielmehr um die Frage, warum sich dieses Narrativ so durchgesetzt hat, namentlich da hebräische/biblische Quellen ein deutlich differenzierteres Bild von den Achemäniden zeichnen.

        7b) „Fluch und Segen Pellas‘.“ Da greifst du 100 Jahre vor: Da war Hellas‘ Fluch tatsächlich Pellas Segen.

        8) Das schreibe doch bitte in die Präambel der Verfassung und den Amtseid der ‚Spielleitung‘.

        • Stefan Sasse 27. April 2022, 10:12

          4) Sehr gut möglich!

          5) Danke für den Kontext.

          7) Kenn ich mich nicht genug aus 🙁

          8) 😀

  • Erwin Gabriel 26. April 2022, 16:41

    1) Die große Angst vorm großen Krieg
    Für mich ist das eine überzeugende Argumentation, …

    Für mich auch. Putin liefert denen, die ausbüchsen wollen, eine Ausrede.

    2) Ausfälle von Atomkraftwerken: Frankreich zahlt exorbitante Strompreise
    … die verbreitete Behauptung, die Atomenergie sei krisensicher und die Antwort auf den Klimawandel, schon etwas skeptischer gesehen werden.

    Hier stört mich die absolute Betrachtung. Das durch Angela Merkel verursachte Chaos – rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln – zählen sicherlich zu den am wenigsten durchdachten Entscheidungen der Ex-Kanzlerin. Nun ja, inzwischen ist der Atomausstieg zu einzementiert, als dass er sich sinnvoll widerrufen ließe.

    Aber dort, wo es geht, sollte man die AKWs ein paar Jahre länger laufen lassen als geplant, um die Abhängigkeit von russischen Energiequellen zu reduzieren. Wo ist das Problem?

    In jeder Hinsicht am sichersten sind und bleiben erneuerbare Energiequellen. Aber die ideologische Festlegung auf Atomstrom als scheinbar pragmatische Lösung blockiert den Ausbau anhaltend – in Deutschland angesichts des Atomausstiegs besonders absurd.

    Ich wundere mich immer wieder, wie jemand, der hinter jeder konservativen oder liberalen Aussage Ideologie vermutet, selbst so leicht in ideologische Sichtweisen verfällt. Natürlich sind erneuerbare Energiequellen vergleichsweise sicher – das ist zu Fuß gehen auch, nur dann nicht hilfreich, wenn ich von Hamburg nach München muss. Wenn wir einen gewaltigen Strombedarf haben, wenn von einer zentralen auf eine dezentrale Stromversorgung umstellen, von wenigen großen auf viele kleine, gibt es Anpassungsprobleme, die sich besser überstehen lassen, wenn man die Übergangszeit an beiden Arten festhält.

    Ich kenne viele, die den Atomausstieg (bzw. die folgenschwere Art, wie er durchgeführt wurde) für einen Fehler halten. Ich kenne aber niemanden, der ernsthaft der Meinung ist, dass man in diesem Land, mit dieser Bevölkerung diese Technologie wieder einführen könnte. Bis – im Falle einer Wiedereinführung – neue AKWs entstehen könnten und die bestehenden modernisiert wären, würden Jahrzehnte vergehen – Stuttgart 21 wäre dagegen ein Kindergeburtstag.

    3) Why BARDA Deserves More Funding
    Allein wenn man bedenkt, welche Summen wir mit dem Tankrabatt aus dem Fenster werfen, …

    Für einen politik-Erklärer wirkst Du gelegentlich etwas naiv. Du wehrst Dich jedes Mal, wenn ich mich beschwere, dass sich die Politiker:innen Wahlstimmen von Steuergelden kaufen, oder die Wirksamkeit unserer Form von demokratischer Legitimierung anzweifle. Dir sei verziehen – willkommen im Club. 🙂

    5) GOP Admins Had 38 Times More Criminal Convictions Than Democrats, 1961-2016
    Auf der anderen Seite sind wir in Deutschland generell ziemlich verschont davon. Wir diskutieren darüber, ob Spitzenpolitiker*innen wegen Fußnoten und Urlauben zurücktreten müssen, nicht, weil sie sich gerade vor Gericht gegen schwerwiegende Anklagen verteidigen müssen.

    Hier müssen sich die Politiker nur deshalb nicht vor Gericht verteidigen, weil sie (fast) alles dürfen. Hände offen (Amthor), Aufruf zur Umgehung von Gesetzen (Spahn) kein Problem. Nicht legitim, aber alles legal. Wer seine Nebeneinkünfte nicht offenlegt, wird nicht verfolgt, sondern nur ermahnt (wenn es sein muss, mehrere Jahre hintereinander; Kalendereinträge, Gesprächsthemen mit Lobbyisten werden trotz anderslautender Gesetze unter Verschluss gehalten.

    9) Tödliche Ignoranz
    Ein finnischer Bauer hat kürzlich auf die Frage, was er im Falle eines russischen Angriffs tun würde, geantwortet, er würde sein Gewehr holen. Sein Kollege in der Bundesrepublik würde sich wohl eher kampflos ergeben und sich dann in neue Machtverhältnisse unkompliziert einfügen.

    Nicht unkompliziert, sondern maulend, aber ja. Das ist auch der Unterschied zur Ukraine oder den USA

    d) Dieser lange Artikel zur Marder-Lieferung begründet ausführlich, warum Deutschland nicht einfach Material schicken kann. Wie im letzten Vermischten besprochen habe ich keine Ahnung, inwieweit das zutrifft, aber es ist auf jeden Fall interessant.

    Nun, dass WIR „blank“ sind, ist zutreffend. Das hat aber mit der Marder-Thematik nicht so viel zu tun; zumindest nicht, wenn es um Panzer geht, die woanders ungenutzt auf dem Hof stehen. Die Munition ist auch nicht das Problem, die bekommt man woanders auch.

    Was bleibt, ist, dass die Regieru8ng Zeit verschwendet. Hätte man sich bereits ganz am Anfang daran gemacht, über einen Ringtausch nachzudenken, wäre man weiter. Hätte man am Anfang dieser lieferung zugestimmt, wäre ein großteil der Ausbildung durch.

    Scholz‘ Handeln ist (meiner Meinung nach) bislang unausgegoren, egal, aus welcher Ecke man schaut.

    • Stefan Sasse 26. April 2022, 18:59

      2) Zustimmung zu Merkels Chaos, und kein Problem. – Worüber diskutieren wir denn dann?

      3) Ich zweifle nicht die Legitimation. Aber ja, ist Wählendenbestechung, keine Sorge.

      5) Weiß nicht, ich hab das Gefühl, dass die Leute in den USA auch echt krassere Sachen machen. Aber mag mich täuschen.

      9) Sicherlich, ja.

      d) Kein Widerspruch.

      • Erwin Gabriel 26. April 2022, 21:44

        @ Stefan Sasse 26. April 2022, 18:59

        2) Ausfälle von Atomkraftwerken: Frankreich zahlt exorbitante Strompreise

        Zustimmung zu Merkels Chaos, und kein Problem. – Worüber diskutieren wir denn dann?

        Darüber:
        Aber die ideologische Festlegung auf Atomstrom als scheinbar pragmatische Lösung blockiert den Ausbau anhaltend – in Deutschland angesichts des Atomausstiegs besonders absurd.

        Es gibt keine ideologische Festlegung auf den Atomstrom. Das Thema ist durch. Der Ausbau der erneuerbaren Energien scheitert nicht an Atomstrom-Befürwortern, sondern an den gleichen Leuten, die auch den Atomstrom ablehnen. An denjenigen, die den Nutzen wollen, aber nicht verstehen, dass alles seinen Preis hat. An denjenigen, die ihr Smartphone abends an die Steckdose hängen, um sich am nächsten Tag gegen Kohlemeiler, Atomkraftwerke, Windräder, Stromtrassen oder sonst etwas zu verabreden.

        • Stefan Sasse 27. April 2022, 07:10

          Na, sorry, aber ich kenn hier jemanden in den Kommentaren der beständig gegen die Erneuerbaren stänkert und für Atomstrom klopft. Ich stimme dir völlig zu, dass das Thema wirtschaftlich durch ist, aber ich habe grenzenloses Vertrauen in die Beknacktheit unserer Energiepolitik, das Fass doch noch mal aufzumachen. Das fordern auch FDP und CDU beide (obwohl die Wirtschaft wie gesagt dagegen ist).

          • Erwin Gabriel 27. April 2022, 16:28

            @ Stefan Sasse 27. April 2022, 07:10

            Na, sorry, aber ich kenn hier jemanden in den Kommentaren der beständig gegen die Erneuerbaren stänkert und für Atomstrom klopft.

            Nun ja, auch Stefan Pietsch ist Realist und sich als solcher durchaus im Klaren darüber, das nicht jede seiner Vorstellungen durchsetzbar ist.

            Das, was ich immer wieder bei ihm lese, ist, dass er Merkels Atom-Ausstieg in Verbindung mit Merkels Kohle-, Öl- und Gasausstieg (schmeichelhaft formuliert) für verwegen hält. Und er wird nicht müde darauf hinzuweisen, wo die Schwächen und Grenzen für die erneuerbaren Energien liegen; meist wird auf seine sachlichen Einwände mit Idealismus geantwortet. Dass ihm nach all den Jahren der Diskussion, in denen seine Vorhersagen doch etwas präziser eintreffen als die der Idealisten, irgendwann mal die Lunte brennt, verstehe ich gut.

            Ich bin da nicht ganz so emotional angefasst (bei mir ist es eher die Flüchtlingskrise, wo die Merkel-Regierungen genau so großartig versagten).

            Ich stimme dir völlig zu, dass das Thema wirtschaftlich durch ist, …

            Das habe ich nicht gesagt; es ist politisch durch, weil das Gros unserer Bevölkerung glaubt, sie verhalten sich richtig, wenn sie theoretisch alles ablehnen, was sie praktisch brauchen. Jeder Mensch belastet die Umwelt auf die eine oder andere Art, und gar zu viele glauben, ihren ökologischen Fußabdruck dadurch zu verringern, dass sie weiterleben wie bisher und anderen einschränkende Vorschriften machen.

            … aber ich habe grenzenloses Vertrauen in die Beknacktheit unserer Energiepolitik, das Fass doch noch mal aufzumachen.

            Da muss ich in mich gehen und ein paar Mal schlucken, bevor ich antworte. Ja, die Beknacktheit in der (Energie-)Politik ist in der Tat unendlich. Aber ein Land, dass einen Flughafen wie Berlin-Brandenburg derart in die Nesseln setzt –
            – man hat sich 1993 für denjenigen von sieben Standort entschieden, der bei Untersuchungen am schlechtesten Abschnitt;
            – erst 13 Jahre später begann der Bau, der fünf Jahre dauern und 2,4 Mrd. Euro kosten sollte;
            – der Bau dauerte 14 Jahre und kostete mit allem drum und dran knapp 10 Mrd. Euro;
            – das Ergebnis ist eine keinesfalls dem Stand der Technik entsprechende, halb marode Anlage –

            solch ein Land scheitert am Können; das Wollen ist hier absolut nebensächlich.

            Das fordern auch FDP und CDU beide (obwohl die Wirtschaft wie gesagt dagegen ist).

            Nun, fordern kann man viel, wenn man sicher ist, dass die Forderungen nicht realisierbar sind; gerade da sind ja nun auch die Grünen große Spezialisten. Die Wirtschaft selbst braucht in erster Linie Strom zu konkurrenzfähigen Konditionen, um gegen das Ausland nicht abzustinken; wenn das nur mit Atomstrom geht, dann eben mit Atomstrom.

            Rein wirtschaftlich sind die alten AKWs weitgehend durch. Wie eine brücke, um die man sich 30 Jahre nicht gekümmert hat; da ist dann der Neubau günstiger und besser als die Reparatur.

            Und dann sind wir in der Tat bei unkalkulierbaren Kosten, die aber deswegen egal sind, weil die rechtlichen Hürden durch Planungsverfahren, Anwohner:innen-Einsprüche, Umweltschützer:innen-Klagen derart versperrt sind, dass da nichts mehr gehen wird.

            Um beim Brücken-Beispiel zu bleiben: Selbst wenn ich eine seit Jahrzehnten in Betrieb befindliche Brücke einfach nur durch einen Neubau ersetzen will, ist ein komplettes Planfeststellungsverfahren erforderlich, welches damit enden kann, dass eben kein Brückenneubau erfolgt. Wie soll das erst werden, wenn es nicht um einen Ersatzbau, sondern eine Neuerrichtung geht?

            • Stefan Pietsch 27. April 2022, 19:47

              [Na, sorry, aber ich kenn hier jemanden in den Kommentaren der beständig gegen die Erneuerbaren stänkert und für Atomstrom klopft.]

              Nun ja, auch Stefan Pietsch ist Realist und sich als solcher durchaus im Klaren darüber, das nicht jede seiner Vorstellungen durchsetzbar ist.

              Ich hatte das gar nicht auf mich bezogen.

              a) Ich trommle nicht für die Atomkraft. In Deutschland hat sich das Thema seit Jahren erledigt, ad hoc lassen sich die Dinge nicht korrigieren, das glauben nur energiepolitische Tiefflieger. Aber Deutschland hat im Verbund mit der EU ein ambitioniertes Ziel. Also, ohnehin schon ambitioniert. Die deutsche Politik hat die Latte gleich noch ein paar Etagen höher gelegt. Ohne topographische Unterstützung wie die Schweiz, ohne großes Offshore-Gehege wie Dänemark, mit freiwilligem Verzicht auf alle möglichen neumodischen Schnickschnack wie Abschneidetechnik versuchen wir nur mit den Mitteln Sonne und Wind ein für alle Industriestaaten ohnehin ambitioniertes Ziel zu erreichen.

              Ich bin vor Monaten mit spitzem Bleistift hingegangen, unvoreingenommen, und habe gerechnet, ob das in Kenntnis der Daten möglich ist. Erste Frage, bevor wir uns überhaupt der Frage zuwenden, ob es realistisch ist. Jeder mit Computer konnte das nachrechnen. Hat nur keiner gemacht, schöner ist ja, an Märchen zu glauben.

              Toll wäre danach, wenn wir 50 Prozent unseres Strombedarfs mit Erneuerbaren decken könnten. Vom Primärenergiebedarf sollte man gar nicht erst träumen. Dann geben wir noch einen Optimismusaufschlag und wären strahlend bei 70-80 Anteil. Da fehlt aber immer noch etwas zum Gesamtkuchen und darauf müsste man eine Antwort haben. Oder wir glauben halt weiter an Märchen.

              Irgendwann, spätestens wenn Stefan in meinem Alter ist, wird er überprüfen können, ob seine Hoffnungswerte etwas getaugt haben. Da gibt es aber keine Ausreden mehr, keinen Konjunktiv: wenn doch, und alle anderen, und ehrgeiziger, und die Politik. Dann ist das Ergebnis, wie es ist. Und ich würde ziemlich viel Geld darauf verwetten, dass zumindest Deutschland seine klimapolitischen Ziele nicht erreichen wird.

              • CitizenK 29. April 2022, 09:10

                Die Abscheidetechnik wird aktuell von Heidelzement erprobt.

                „So baut HeidelbergCement derzeit etwa im norwegischen Brevik ein Zementwerk, in dem die Hälfte des Kohlendioxids abgeschieden, aufgefangen und in alte Öl- und Gasfelder unter der Nordsee gepresst werden soll. Läuft alles nach Plan, ist die Anlage im Jahr 2024 fertig. Zu den Kosten in Höhe von 300 Millionen Euro gibt der norwegische Staat 250 Millionen Euro dazu. In einem Zementwerk im schwedischen Slite soll das aufgefangene CO2 in alten Erdöl- oder Erdgasfeldern gespeichert werden. Bis 2030 will HeidelbergCement dort die weltweit erste klimaneutrale Zementfabrik betreiben.“

                Müsste auch bei Kohlekraftwerken funktionieren.

                • Stefan Pietsch 29. April 2022, 11:22

                  Schön zur Schau getragener Deutsch-Nationalismus. 😉

                  Ja, HeidelbergCement ist ein deutsches Unternehmen. Wobei schon schwierig ist, was man darunter versteht. Die Muttergesellschaft ist in einem deutschen Handelsregister eingetragen – was aber auch für viele andere Gesellschaften gilt, die wir als „ausländisch“ bezeichnen. Der Punkt ist aber, dass die Technik nicht in Deutschland zum Einsatz kommt, weil sie bei uns seit Anno Merkel unter großem Applaus der Grünen (heute Regierungspartei) praktisch verboten wurde. Ist ja alles immer zu gefährlich.

                • Erwin Gabriel 29. April 2022, 12:35

                  @ CitizenK 29. April 2022, 09:10

                  Die Abscheidetechnik wird aktuell von Heidelzement erprobt.

                  🙂

                  Vorab: Sorry für die folgenden Zeilen …

                  In Deutschland wäre ein Großteil generell dagegen, weil man so etwas Schädliches wie CO2 ausgerechnet in ein ökologisch wertvolles Biotop wie ein Meer pumpt; da könnte was austreten, dann wären alle Fische tot etc.
                  Ein anderer Großteil wäre generell dagegen, weil nur etwa die Hälfte des CO2 aufgefangen wird; man müsste alles CO2 wegfischen.
                  Ein weiterer Großteil der Bevölkerung würde darüber streiten, ob es nicht bessere Lösungen gibt; darüber streiten, wer die Kosten trägt; darüber streiten, wer wie von den Kosten entlastet werden müsste.
                  Kein Bundesland wäre bereit, als Speicher zu dienen.

                  Nur eine kleine Gruppe von Idealisten wäre für diese neue, umweltfreundliche Methode (jedenfalls, solange „die Reichen“ für die Kosten aufkommen); sie würden eine europaweite Regelung fordern und die Einführung begrüßen, um der Welt zu zeigen, wie ökologisch modern und fortschrittlich Deutschland ist. Verbunden damit ginge die Aufforderung an Länder wie Brasilien, China, Indien, an Russland und die USA, sich an Deutschland ein Bespiel zu nehmen.

                  • Thorsten Haupts 2. Mai 2022, 14:07

                    Treffer :-).

              • Erwin Gabriel 29. April 2022, 12:19

                @ Stefan Pietsch 27. April 2022, 19:47

                Das ist ja mein Punkt: Theoretisch ist sicherlich erstmal ALLES möglich. In der Praxis nicht, in unserem Land der Reichsbedenkenträger und Verhinderer gleich zweimal nicht.

                Unser Land hat verlernt, den Preis für seinen (wie auch immer definierten) Lebensstandard zu bezahlen; wie ein Kleinkind verschließt man sich jedweder Argumentation und will einfach nicht.

                • Stefan Pietsch 29. April 2022, 13:50

                  Die Abscheidetechnik ist seit 2013 oder 2014 dank Merkels Werk und der Grünen Beitrag in Deutschland de facto verboten. Wir haben vorgesorgt, sonst könnte ja jeder kommen.

                • Stefan Sasse 29. April 2022, 18:38

                  Was wir übrigens auch super in der Pandemie sehen, um Stefans Spieß mal umzudrehen. Das geringste Opfer für die Allgemeinheit, und sei es nur das Tragen einer Maske, wird als unzumutbar eingestuft. Ich, ich, ich.

                  • Stefan Pietsch 29. April 2022, 19:02

                    Weißt Du eigentlich, was Du da schreibst? Nein, wahrscheinlich nicht, Privileg der Jugend offensichtlich. Du brauchst mir nicht zu erzählen, was ein Opfer für die Allgemeinheit ist, Du wahrlich nicht.

                    Ich habe 15 Monate meines Lebens der Allgemeinheit geopfert. Das BAföG, was ich bekommen habe, habe ich in Gänze zurückgezahlt, anders als die Jahrgänge vor mir, die es geschenkt bekamen und jene nach mir, die zumindest die Hälfte ein Geschenk der Allgemeinheit bekamen.

                    Erzähl‘ ausgerechnet Du mir nichts von Opfer für die Allgemeintheit, da kriegen wir richtig Ärger.

                    • Stefan Sasse 29. April 2022, 20:47

                      „Ausgerechnet du“? Fuck yourself.

                    • Erwin Gabriel 30. April 2022, 13:02

                      @ Stefan Pietsch 29. April 2022, 19:02

                      Du brauchst mir nicht zu erzählen, was ein Opfer für die Allgemeinheit ist, Du wahrlich nicht.

                      Echt jetzt? Sorry, wenn ich Dir hier mit absolutem Unverständnis komme. Die 15 Monate Grundwehrdienst haben Dir offenbar nicht geschadet, wenn man auf Dein Leben schaut; andere (nur, um auch mal ein bisschen über das Ziel hinauszuschießen) sind verkrüppelt oder sin Waisen, und müssen sich in unserer Gesellschaft ebenfalls behaupten. Ja, das Leben ist offenbar schwer – aber nicht nur für Dich.

                      Du hast viel durch eigene Kraft erreicht, andere auch, aber so etwas geht nur im Umfeld einer Gesellschaft.

                      Bei allem Verständnis für Deine sehr individuell geprägte Freiheitsliebe fällt das Tragen von Masken in die gleiche Kategorie wie das Anlegen eines Sicherheitsgurtes; vielleicht mit dem Unterschied, dass man auch andere schützt (Kassierer:innen, Pfleger:innen etc), die sich in eine gesundheitsgefährdende Situation begeben, um anderen (auch Dir) dass Leben zu erleichtern.

                      Du vergreifst Dich hier gerade gewaltig im Ton, wozu Stefan Sasses Äußerung, die im Vergleich zu vielen Deinerkommentare sehr harmlos formuliert war, rein faktisch nicht viel beigetragen haben kann.

                      Wenn Du Dich bei Deiner Position, bei Deinem erreichten, Deinem Lebensstil als potentielles Opfer der Gesellschaft fühlst, verstehe ich das nicht. Wurde nur ein roter Knopf gedrückt, ist es Dein roter Knopf, den bis dato keiner kannte. Jemand in Deiner Position, mit Deiner Erfahrung sollte da deutlich souveräner reagieren können.

                    • Stefan Pietsch 30. April 2022, 15:35

                      Das geringste Opfer für die Allgemeinheit, und sei es nur das Tragen einer Maske, wird als unzumutbar eingestuft. Ich, ich, ich.

                      Wie kommt überhaupt jemand, der weder juristische Kompetenz noch ein öffentliches Amt bekleidet, dazu bestimmen zu wollen, was für seine Mitmenschen zumutbar ist und was nicht? Das ist pure Arroganz und Übergriffigkeit. Wie kommt jemand ohne jede fachliche Expertise dazu einschätzen zu können, was für die Allgemeinheit notwendig sei?

                      Seit einem Monat gilt die Maskenpflicht nicht mehr. In den Wintermonaten zuvor stiegen die Infektionszahlen auf astronomisch erscheinende Werte, obwohl strenge Maskenpflicht im öffentlichen Leben galt. Nun fallen die Werte, obwohl die Menschen sich weniger schützen. In der Vergleichsperiode des Vorjahres war es im Verlauf genauso. Der Nutzen, der der Maskenpflicht zugemessen wird, ist vor allem akademischer Natur den Zahlen nach.

                      Das sieht man in Europa und dem amerikanischen Kontinent längst genauso. Zu behaupten, wer eine Maske trage, leiste einen Beitrag zum Schutz der Allgemeinheit, ist ohne tiefere Evidenz.

                      Die 15 Monate Grundwehrdienst haben Dir offenbar nicht geschadet, wenn man auf Dein Leben schaut

                      Was maßt Du Dir an? Wir haben jeden Tag gezählt, dafür gab es Maßbänder. Ich war 19, ich war verliebt und ich war die ganze Woche weit weg von meiner Liebe. Das ist brutal für einen Teenager. Ich wurde schikaniert, ich wurde zu Tätigkeiten verdonnert, die ich nicht machen wollte und die mir eine Qual waren.

                      Vor allem: Nicht ich, Stefan hat selbst das Opfer der allgemeinen Wehrdienstpflicht definiert. Er gehört zu jenen, die vehement gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht eintreten. Und das nur, weil es für junge Menschen eben ein großes Freiheitsopfer ist. Gleichzeitig zu sagen, das könne ja bei mir nicht so schlimm gewesen sein, ist von einer unerträglichen Übergriffigkeit.

                      Und es sind die gleichen Leute, die über die hohen Schulden von Uniabsolventen jammern, die bei jemanden wir mir sagen, dass bisschen BAföG von ein paar zehntausend Euro kann ja so schlimm nicht gewesen sein.

                      Also echt, das ist unverschämt. Und das ist der Punkt: selbst zu keinem Opfer für die Allgemeinheit bereit sein, aber großzügig darüber zu bestimmen meinen, was andere zu tun haben. Wo würde man sich so ein Verhalten gefallen lassen?

                    • Stefan Sasse 30. April 2022, 15:51

                      Wo sage ich denn, dass es nicht schlimm sei…?!

                    • Stefan Pietsch 30. April 2022, 19:14

                      Dieser Satz war auf Erwin bezogen.

                    • Erwin Gabriel 1. Mai 2022, 11:29

                      Hallo Stefan (P.)

                      Ganz ehrlich, ich kann nicht verstehen, wo Deine Empfindlichkeit herkommt.

                      Ich habe zum Beispiel nicht geschrieben, dass die Wehrpflicht-Zeit nicht nervig oder schrecklich war (haben ja nicht alle gleich empfunden), sondern nur, dass sie Die offenbar nicht geschadet hat. Ich war z.B. vier Jahre dort, weil ich damals keine bessere Idee hatte; danach schon, die Zeit habe ich gebraucht (und genutzt).

                      Es geht nicht darum, Dich anzugreifen, sondern bestimmte Punkte zu diskutieren. Du scheinst Dich aber aktuell schnell angegriffen zu fühlen, und gehst dann zum Gegenangriff über. Das bin ich eigentlich nicht gewohnt, dass Du derart mit der Axt unterwegs bist.

                      Zur Maske: Du unterliegst unendlich vielen geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen – beispielsweise, nicht mit 120 km/h durch die Fußgängerzone zu fahren, nur weil das möglich wäre, wenn alle anderen aufpassen; oder, anderen, die Dich schief anschauen, einfach eine zu brezeln, nur weil Du Dich dann besser fühlen würdest.

                      Bei einer Pandemie eine Maske zu tragen ist (wie immer nur meine ganz persönliche Meinung) zumutbar, weil es helfen kann, die Verbreitung der Krankheit einzuschränken.

                      Deine Hinweise auf die Entwicklungen in anderen Ländern sind sicherlich zutreffend, aber nicht relevant. Denn niemand (auch Du nicht) kannst ausschließen, dass nicht doch die eine oder andere Ansteckung verhindert wird.

                      Aber wie gesagt, das ist meine Meinung, das ist ein Diskussionsbeitrag, ist nicht bös gemeint und soll kein Angriff auf Dich sein.

                      es grüßt
                      E.G.

                    • Stefan Pietsch 1. Mai 2022, 12:39

                      Drücke ich mich wirklich so unverständlich aus?

                      Stefan hat ganz klar einen Angriff formuliert. Freiheitsliebende Menschen wie ich – explizit ich – wären ja nicht einmal bereit, ein so geringes Opfer für die Allgemeinheit zu erbringen wie eine Maske zu tragen.

                      Das ist der selbe Stefan, der für die Generation, die er persönlich betreut (er selbst wäre ja nicht betroffen) eine allgemeine Wehrpflicht ablehnt, weil sie eine enorme Freiheitseinschränkung bedeuten würde – eine Freiheitseinschränkung, die jemand wie ich 15 Monate über mich ergehen ließ – zum Wohl der Allgemeinheit.

                      Ich muss mir also von jemanden vorhalten lassen, nichts für die Allgemeinheit zu tun von jemanden, der für sich selbst jede Einschränkung ablehnt außer jener, die er freiwillig eingehen würde. Dafür fallen mir einige Etiketten ein, aber die sind nicht nett.

                      Apropos freiwillige Einschränkung: Du hast Dich für 4 Jahre verpflichtet, das war eine freiwillige Entscheidung, für die Du normal bezahlt wurdest. Mir wäre das nie in den Sinn gekommen, für mich war der Wehrdienst ein persönliches Opfer – von dessen Sinn ich überzeugt war! Und dafür bekam ich etwas mehr als eine Aufwandsentschädigung. Das ist etwas völlig anderes und nicht mit Deiner Entscheidung vergleichbar. Also tu das bitte nicht.

                      Zur Maske: Wir Deutschen – und damit sind vor allem all jene gemeint, die sich höchstens zu einem zweiwöchigen Strandurlaub im Jahr im Ausland aufhalten, wo überall Deutsch gesprochen wird – sollte uns den Blick über den Tellerrand angewöhnen. Dieses nationalistische Denken, das wir hier an den Tag legen, geht mir gehörig gegen den Zeiger. Wir, die uns für ach so weltoffen halten, sind so sektiererisch-nationalistisch unterwegs wie kaum ein anderes Land im Westen. Wenn wir das endlich tun würden, dann würde so einigen aufgehen, dass nirgends im Westen noch unser Denken über Corona, das Impfen, die Maske und das Vorsichtsprinzip geteilt werden.

                      Dieses nationalistische Denken wird von übervorsichtigen Eltern, von Journalisten und von unseren Bildungseinrichtungen weitergegeben und multipliziert. Es schadet uns.

                      Eine generelle Maskenpflicht ist verfassungswidrig. Ich finde es einen Irrwitz der politischen Debatte, dass ausgerechnet Leute, die jahrelang gegen ein Verbot der Vollverschleierung agitiert haben mit dem Argument, dieses fiele unter die Selbstbestimmung eines Menschen, heute für eine allgemeine Maskenpflicht streiten. Das gibt es in dieser Absurdität nur in Deutschland.

                      Denn niemand (..) kannst ausschließen, dass nicht doch die eine oder andere Ansteckung verhindert wird.

                      Das ist den Grundsatz der Freiheit (und unserer Verfassung) auf den Kopf gestellt.

                      Ich wiederhole mein Statement von vor ein paar Wochen: Nicht mein Land.

                    • Erwin Gabriel 2. Mai 2022, 16:34

                      @ Stefan Pietsch

                      … geht unten weiter

            • Stefan Sasse 28. April 2022, 10:31

              Wir sind uns in der Analyse durchaus einig, ich glaube es sind vor allem die Folgen, wo wir Dissens haben. Ich hätte halt gerne, dass das kompetenter geschieht, als dass es gar nicht geschieht…

              • Erwin Gabriel 29. April 2022, 16:14

                @ Stefan Sasse 28. April 2022, 10:31

                Wir sind uns in der Analyse durchaus einig, ich glaube es sind vor allem die Folgen, wo wir Dissens haben.

                Ich denke, der Unterschied ist der zwischen Optimist oder Realist. Du glaubst, dass man das besser machen sollte und könnte, und hast natürlich Recht damit. Stefan Pietsch oder ich haben diesen Optimismus nicht, weil wir eben sehen, dass wir es derzeit an keiner Stelle annähernd vernünftig hinkriegen, und weil wir sehen, dass ein Großteil der Entscheidungsträger je nach Sicht) idealistisch oder ideologisch argumentiert.

                Ich hätte halt gerne, dass das kompetenter geschieht, als dass es gar nicht geschieht…

                Da wirst Du wohl nirgendwo Widerspruch finden. Wie an anderer Stelle ähnlich geschrieben: Die Wirtschaft braucht wettbewerbsfähigen Strom; sollte das nur über erneuerbare gehen, dann eben über erneuerbare.

                Aber solange die, die Ökostrom wollen, Windräder und Stromtrassen wegen ökologischer Probleme ablehnen, wird das nach bisherigen Erfahrungen nichts.

  • Erwin Gabriel 26. April 2022, 21:54

    @ Stefan Sasse 26. April 2022, 18:59

    5) GOP Admins Had 38 Times More Criminal Convictions Than Democrats, 1961-2016

    Weiß nicht, ich hab das Gefühl, dass die Leute in den USA auch echt krassere Sachen machen. Aber mag mich täuschen.

    Selbst wenn die alten Lockheed-Zeiten vorbei sind, sehe ich viele krumme Dinge hier. Nicht bei Beamten, aber in der Politik. Hauptproblem aus meiner Wahrnehmung ist, dass man erst gar nichts verbietet. Das Politiker wegen des masken-Deals gehen mussten, ist eher die Ausnahme; hier nur, weil Leute an Corona starben, während …
    Aber der Vorgang selbst war meines Wissens nicht illegal, sondern nur „unanständig“.

    Es ist sicherlich nicht immer leicht, einen eventuellen Nebenberuf von Lobbyarbeit zu unterscheiden. Aber es ist Abgeordneten erlaubt …

    Und das wenige, was vorgeschrieben ist (Offenlegung von Nebeneinkünften), wird gerade von den Großverdienern nicht oder nur eingeschränkt erfüllt.

    Wobei in den USA (anders als hier) Geld verdienen nicht unanständig ist. Vielleicht hast Du Recht …

    • Stefan Sasse 27. April 2022, 07:10

      Ich bin der erste, der für schärfere Korruptionsregeln ist. Danke für die Einordnung!

      • Erwin Gabriel 27. April 2022, 16:31

        @ Stefan Sasse 27. April 2022, 07:10

        Ich bin der erste, der für schärfere Korruptionsregeln ist.

        Das erste muss sein, mehr Transparenz zu schaffen. Damit wäre schon mal viel getan.

        • Stefan Sasse 28. April 2022, 10:31

          Unsicher. Was hat denn Lobbycontrol bisher bewirkt? Die haben super Transparenz geschaffen gegenüber vorher, und was hat sich getan?

          • Erwin Gabriel 29. April 2022, 12:10

            @ Stefan Sasse 28. April 2022, 10:31

            Was hat denn Lobbycontrol bisher bewirkt? Die haben super Transparenz geschaffen gegenüber vorher, und was hat sich getan?

            Theorie und Praxis: Theoretisch müssen die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte offenlegen, aber ohne Transparenz. In der Praxis werden Verstöße, so sie festgestellt werden, nur folgenlos gerügt.

            Und solange solche Sachen nur investigativ ans Licht kommen und nicht automatisch transparent werden, nenne ich unser System „korrupt“.

            • Stefan Sasse 29. April 2022, 18:38

              Bin in der Kritik bei dir, aber ich habe über die letzten, was, 20, Jahre so viele Berichte über offensichtliche Korruption gelesen, ohne dass das je ein Thema wurde, ich zweifle, dass mehr Transparenz da hilft. Es braucht einfach wieder ordentliche muckraker.

  • Thorsten Haupts 29. April 2022, 08:02

    Guter Einwand. Kann mit der Differenz zusammenhängen, was viele in der Bevölkerung und was die Mehrheit hier unter „Korruption“ versteht.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 29. April 2022, 08:38

      Auf welchen Kommentar bezieht sich das?

      • Thorsten Haupts 30. April 2022, 13:20

        Sollte unter Stefan Sasse 27. April 2022, 07:10. Grrr, sorry.

  • Erwin Gabriel 2. Mai 2022, 16:41

    Stefan Pietsch 1. Mai 2022, 12:39

    Freiheitsliebende Menschen wie ich – explizit ich – wären ja nicht einmal bereit, ein so geringes Opfer für die Allgemeinheit zu erbringen wie eine Maske zu tragen.

    Da bin ich bei ihm. Natürlich ist das Tragen einer Maske eine Einschränkung der persönlichen Freiheit; aber das ist das Warten vor einer roten Ampel auch. Der Staat muss Regeln festlegen, um ein möglichst problemloses Miteinander zu ermöglichen. Das macht er nicht an allen erforderlichen Stellen, manchmal macht er das an nicht erforderlichen Stellen, und an manchen erforderlichen Stellen macht er es schlecht.

    Das Tragen der Masken ist eine Schutzfunktion für Dich und für andere, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Das ist uns gerade so gelungen. Mit der abnehmenden Gefährlichkeit des Virus – die Variante Omikron ist zwar deutlich ansteckender, aber eben auch harmloser als die Variante Delta – fährt der Staat nun seine Schutzmaßnahmen runter.

    Wenn Du Dich nun aufgrund einer Einschränkung Deiner Freiheit gegen das Maskentragen aussprichst und bereit bist, das Risiko für Dich in Kauf zu nehmen, ignorierst Du das potenzielle Schutzbedürfnis (physisch und psychisch) der anderen. Das kann man durchaus Egoismus nennen.

    Das ist der selbe Stefan, der für die Generation, die er persönlich betreut (er selbst wäre ja nicht betroffen) eine allgemeine Wehrpflicht ablehnt, weil sie eine enorme Freiheitseinschränkung bedeuten würde – eine Freiheitseinschränkung, die jemand wie ich 15 Monate über mich ergehen ließ – zum Wohl der Allgemeinheit.

    Du stellst Deinen W15-Wehrdienst mit dem Tragen von Masken in einer Pandemie auf die gleiche Stufe; das sehe ich nicht. Und weil Du den W15-Dienst als ätzend empfandst, nun andere dafür anzugreifen, gibt das Thema nicht her.

    Ich muss mir also von jemanden vorhalten lassen, nichts für die Allgemeinheit zu tun … von jemanden, der für sich selbst jede Einschränkung ablehnt außer jener, die er freiwillig eingehen würde.

    Ich denke, dass Stefan Sasse grundsätzlich bereit ist, mehr (und vermutlich auch weitergehende) Einschränkungen zum vermuteten Wohle der Allgemeinheit auf sich zu nehmen als Du. Er lehnt nicht jede Einschränkung ab, sondern in diesem Falle eine, die es nicht mehr gibt, und die Du offenbar auch in einem gewissen Rahmen abgelehnt hast, der Du Dich aber nicht entziehen konntest.

    Du hast Dich für 4 Jahre verpflichtet, das war eine freiwillige Entscheidung, für die Du normal bezahlt wurdest.
    … für mich war der Wehrdienst ein persönliches Opfer – von dessen Sinn ich überzeugt war! Das ist etwas völlig anderes und nicht mit Deiner Entscheidung vergleichbar. Also tu das bitte nicht.

    Nun ja, ich war zur Marine einberufen worden. Ich wollte nicht zur See fahren, und für ein Landkommando brauchte ich eine Elektronikausbildung, die eine Verpflichtung erforderte. Aber meine W18-Zeit habe ich auch regulär „abgesessen“.
    Ich habe das aber nicht gleichgestellt, sondern nur darauf hingewiesen, dass nicht jeder die Wehrpflicht gleich erlebt hat. Ich kenne welche, die daran kaputt gingen, und andere, die gerettet wurden.

    Wir Deutschen – und damit sind vor allem all jene gemeint, die sich höchstens zu einem zweiwöchigen Strandurlaub im Jahr im Ausland aufhalten, wo überall Deutsch gesprochen wird – sollte uns den Blick über den Tellerrand angewöhnen. Dieses nationalistische Denken, das wir hier an den Tag legen, geht mir gehörig gegen den Zeiger. Wir, die uns für ach so weltoffen halten, sind so sektiererisch-nationalistisch unterwegs wie kaum ein anderes Land im Westen.

    Wie Du weißt, sehe ich das genauso.

    Eine generelle Maskenpflicht ist verfassungswidrig.

    Die „generelle Maskenpflicht“ gab es nie, Maskenpflicht gab es nur für spezielle Orte oder Situationen.

    [Denn niemand (..) kannst ausschließen, dass nicht doch die eine oder andere Ansteckung verhindert wird.]
    Das ist den Grundsatz der Freiheit (und unserer Verfassung) auf den Kopf gestellt.

    Hhmm, ich gebe gerne zu, dass Du Recht hast, würde man alles nach diesem Motto betrachten. Aber darum geht es nicht. Es gibt eine widersprüchliche Rechtssituation. So sehr, wie das Recht der Freiheit grundsätzlich unantastbar ist, so unantastbar ist beispielsweise auch die Pflicht etwa des Bundeskanzlers, Schaden vom Volk abzuwenden. Wenn das Einschränken schadet, das Nichteinschränken aber auch, wird es knifflig. Du kriegst nicht Beides zu 100 Prozent unter einen Deckel.
    Hat unsere Regierung alles richtig gemacht? Wohl kaum. Haben sie sich bemüht, von anderen zu lernen? Entspricht nicht unserem Naturell.

    Letztendlich geht es bei der Beurteilung darum, wo man selbst die Linie ziehen würde; da, wo Du es für richtig hältst; da, wo ich es für richtig halte; da, wo Stefan Sasse es für richtig hält; da, wo Marc es für richtig hält?

    Selbst, um auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen, wenn Stefan Sasse Dir beim Maskentragen Egoismus vorwirft, ist das ein persönlicher Vorwurf im Rahmen der hier üblichen Diskussionskultur. Hab‘ schon schlimmere Vorwürfe von Dir gelesen (und ja, trotz gelegentlicher Bedenken zum Ton in der Sache oft genug zugestimmt).

    Was mich (viele Worte für dieses Fazit – sorry an alle unbeteiligten Mitleser) also stört, ist nicht Deine Botschaft, sondern eher Deine Aggressivität.

    Ich wiederhole mein Statement von vor ein paar Wochen: Nicht mein Land.

    Das verstehe ich. Mir geht Deutschland recht oft tierisch auf den Sack (gerade beispielsweise wg. Zögerlichkeit in Sachen Ukraine – fast zwei Monate einfach verschenkt). Aber wo will ich hin?

    Vor zwanzig Jahren wäre ich gerne in die Staaten, nach Kanada, Australien oder sogar nach England gegangen. Heute, in der Nachspielzeit meiner beruflichen Karriere, wüsste ich nicht mehr, was ich da noch sollte. Du bist ein gutes Stück jünger als ich, also kann ich Deinen Punkt nachvollziehen.
    Aber trotzdem wirst Du bei über 200 Ländern auf der Welt nur wenige Länder finden, die Dir bessere Möglichkeiten bieten.

    • Stefan Sasse 2. Mai 2022, 18:17

      Ich hab es nicht mal ihm persönlich vorgeworfen! Das mit dem „Stefans Spieß umdrehen“ meinte die Argumentation. Es bezog sich auf seine Kritik, dass die Deutschen nicht bereit sind, Einschränkungen hinzunehmen (er bezog es glaube ich auf Ukraine). Und mein Punkt war, ich zitiere:
      Was wir übrigens auch super in der Pandemie sehen, um Stefans Spieß mal umzudrehen. Das geringste Opfer für die Allgemeinheit, und sei es nur das Tragen einer Maske, wird als unzumutbar eingestuft. Ich, ich, ich.
      Warum es ok ist, ganz Deutschland Ich-Bezogenheit vorzuwerfen, wenn es um Waffenlieferungen und Energieboykott geht, nicht aber beim Masketragen, erschließt sich mir nicht.

      • Erwin Gabriel 2. Mai 2022, 19:14

        @ Stefan Sasse 2. Mai 2022, 18:17

        Ich hab es nicht mal ihm persönlich vorgeworfen! Das mit dem „Stefans Spieß umdrehen“ meinte die Argumentation.

        Ich hatte es anders verstanden, aber so, wie Du es geschrieben hast, dann eben auch falsch. Sorry.

        • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 13:06

          Ja, das war offensichtlich so geschrieben, dass man es auf zweierlei Art verstehen konnte. Da wäre etwas mehr Ausführlichkeit nicht verkehrt gewesen. 🙁

      • Stefan Pietsch 2. Mai 2022, 19:45

        Ich kann mich nicht erinnern, dass wir so eine Debatte hatten.

    • Stefan Pietsch 2. Mai 2022, 19:40

      Natürlich ist das Tragen einer Maske eine Einschränkung der persönlichen Freiheit; aber das ist das Warten vor einer roten Ampel auch.

      Diese Vergleiche sind schräg. Wenn wir an einer prinzipiell gefährlichen Sache teilnehmen, gibt es Vorsichtsmaßnahmen. Das gilt für den Flugverkehr, für die Benutzung gefährlicher Maschinen wie für Bungee Jumping. Aber der allgemeine Verkehr wie die tägliche Büroarbeit, der Besuch eines Restaurants oder Shopping in Frankfurt ist nicht grundsätzlich gefährlich. Jedenfalls nicht mehr als jede sonstige Tätigkeit.

      Wir erklären jeden Menschen zu einer potentiellen Gefahrenquelle. So geht das nicht. Wir dürfen ungeschützt Geschlechtsverkehr haben, obwohl dabei schlimme Krankheiten übertragen werden können. Wir können ungesichert unsere Hausarbeit erledigen, obwohl nirgends so viele Menschen Unfälle erleiden wie in der heimischen Wohnung. Das sind allgemeine Lebensrisiken. Und niemand käme auf die Idee, ein Pärchen, das ungeschützt Liebe macht, zu einer Gefahr der Allgemeinheit zu erklären und ihnen „Egoisten“ hinterherzurufen.

      Wir haben nicht mehr das Jahr 2020. Wer sich durch Corona gefährdet sieht, kann sich impfen lassen und eine Maske aufziehen. Ein erhöhtes gesellschaftliches Risiko besteht nicht mehr. Daher besteht auch kein Anlass mehr, besondere Rücksichtnahme einzufordern.

      Man ist nicht Egoist, weil man an die eigene Befindlichkeit zuerst denkt. Das tut Stefan übrigens auch. Vor ein, zwei Wochen schrieb er hier, er müsse sich den kleinen Virenträgern täglich aussetzen. Es ging ausschließlich um ihn. Würde ich an der Stelle rufen: Ich! Ich! Ich!? Nein.

      In einer zivilen Gesellschaft vollzieht sich das Zusammenleben ausschließlich regelbasiert. Über allem steht das Verfassungsrecht. Dem muss sich alles unterordnen. Das Grundgesetz stellt das Individuum in den Mittelpunkt, das Ich. Einfach mal die ersten 20 Artikel durchstöbern. Der Bürger darf, der Bürger hat ein Recht. Nirgends steht dort: Der Staat hat die Allgemeinheit – wer auch immer das sein soll – zu schützen. Der Eingriff zugunsten der Allgemeinheit ist auf Notlagen beschränkt. Das hatten wir 2020. Die Ereignisse in China, in Bergamo und in New York gaben Anlass zu den schlimmsten Befürchtungen. Kein freiheitsliebender Mensch, auch ich nicht, hat sich dagegen gestellt. Aber eine Notlage ist absolut temporär. Mit dem Argument dürfen Grundrechte nicht über einen längeren Zeitraum außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden. Das gehört zu den unverrückbaren Regeln der zivilen Gesellschaft.

      Das versteht jeder außerhalb Deutschlands. Viele Deutsche verstehen das nicht. Und das ist offensichtlich keine Frage des Intellekts.

      Der Wehrdienst war eine notwendige Pflicht. Ebenso entspricht es unserem gesellschaftlichen Grundverständnis, dass hohe Einkommen die höchste Steuerlast tragen. Und es war offensichtlich eine Notwendigkeit, dass 1984 die Kohl-Regierung aufgrund der angegriffenen Staatsfinanzen das BAföG nur noch als Darlehen gewährte. Aber all das ist nicht grenzenlos und darf es nicht sein. Die Wehrpflicht ist auf das zwingend Erforderliche zu begrenzen, die Steuerlast darf nicht erdrosselnd und nicht enteignend sein.

      Linke wie Stefan tun sich mit diesen Beschränkungen des Verfassungsstaates sehr schwer. In ihrer Gedankenwelt ist das Wohl der Allgemeinheit das höchste zu schützende Gut und wer das anders sieht, ist ein Egoist. Ich kann mit dem Begriff gut leben, an der Stelle bin ich nicht empfindlich, ich weiß ja aus welcher Ecke er kommt. Egoist, Individuum – es meint das Gleiche.

      Ich habe hier mehrmals gefragt, die Stefans, die CitizenKs, die Marcs: Maskenpflicht akzeptiert, okay. Wie lange? Was ist für Euch das Prinzip, wann es endet? Alle waren durch die Bank unfähig, ein Prinzip zu nennen, einen Zeitpunkt, wann es enden sollte.

      Wenn das Einschränken schadet, das Nichteinschränken aber auch, wird es knifflig.

      Du bist im Irrtum. Eine Einschränkung muss einen (wesentlich) höheren Nutzen stiften als der Verzicht auf die Beschränkung. Auch das ist Verfassungsrecht. Gerade scheitert die Bundesregierung an diesem Prinzip, dem sie dem Verfassungsgericht versprochen hat, den Nutzen der Corona-Beschränkungen darzulegen. Die Richter können sich betrogen fühlen angesichts der Absicht des Gesundheitsministers, die Evaluierung bis zum Sankt Nimmerleinstag aufzuschieben, aber auch im dritten Jahr stark in die Grundrechte eingreifen zu wollen.

      Deutschland ist ein wundervolles Land. Gesellschaftspolitisch ausgeglichen, wirtschaftlich stabil, in rechtlichen Fragen zuverlässig. Aber es gibt noch anderes. Wir Deutschen sind wohlhabend, aber weit weniger als es möglich wäre. Wir machen katastrophal wenig aus unseren Möglichkeiten. Vor 20 Jahren hatte ich viele Gespräche mit Unternehmen aus den USA und Südostasien. Das hat über die Jahre sehr stark abgenommen, erst wenig spürbar, heute unbestreitbar. Ich führe nicht weniger Gespräche, ich werde kaum weniger angefragt, aber es ist heute Deutsch. Ich bin sicher: wenn ich die Auslandsinvestitionen in Deutschland analysieren würde, würde ich da meine persönlichen Erfahrungen abgebildet sehen.

      Europa ist ein vergreister Kontinent und Deutschland ist das Herz. Wir pulsieren nicht mehr, wir dämmern dahin. Vor 25 Jahren stieß ich bei der Auffrischung meiner Englischkenntnisse auf das Phänomen Sun City, eine Stadt, wo nur alte Menschen leben. Es war mir ein Graus. Ich will auf jeden Fall bis 70 arbeiten, als noch 15 Jahre. Und ich will meine letzten Jahrzehnte nicht in einem Altersheim verbringen und sei es auch eins ohne Mauern.

      Die Pandemie hat mir und meiner Frau vor Augen geführt, wie vergreist, wie genügsam, wie bequem und wie ängstlich die meisten Deutschen heute schon sind. Es gibt keine echte Hoffnung, dass sich das bei unserer demographischen Lage ändert.

      • Erwin Gabriel 3. Mai 2022, 13:26

        Stefan Pietsch 2. Mai 2022, 19:40

        Wenn wir an einer prinzipiell gefährlichen Sache teilnehmen, gibt es Vorsichtsmaßnahmen. Das gilt für den Flugverkehr, für die Benutzung gefährlicher Maschinen wie für Bungee Jumping. Aber der allgemeine Verkehr wie die tägliche Büroarbeit, der Besuch eines Restaurants oder Shopping in Frankfurt ist nicht grundsätzlich gefährlich. Jedenfalls nicht mehr als jede sonstige Tätigkeit.

        Corona ist eine grundsätzliche Gefährdung; jedenfalls mehr als keine Krankheit.

        Wir dürfen ungeschützt Geschlechtsverkehr haben, obwohl dabei schlimme Krankheiten übertragen werden können. Wir können ungesichert unsere Hausarbeit erledigen, obwohl nirgends so viele Menschen Unfälle erleiden wie in der heimischen Wohnung. Das sind allgemeine Lebensrisiken.

        Grundsätzlich richtig, volle Zustimmung. Aber wenn ich mit einer unbekannten Person ungeschützt Geschlechtsverkehr habe, liegt das Risiko bei mir, nicht bei den Besuchern eines Supermarktes, in dem ich mich zufällig aufhalte. Und wenn ich beim Fensterputzen nicht aufpasse, falle ich aus dem Fenster, nicht mein Nachbar (jedenfalls nicht deswegen).

        Wir haben nicht mehr das Jahr 2020. … Ein erhöhtes gesellschaftliches Risiko besteht nicht mehr.

        Das ist durch über 100.000 neuen Infektionen täglich und eine Inzidenz von über 600 widerlegt. Wie hoch oder niedrig auch immer das Risiko einzuschätzen ist, es ist da, und es kostet auch Leben (selbst wenn ich der Meinung bin, dass ein Großteil der „im Zusammenhang mit Corona Verstorbenen“ nicht „an“ Corona gestorben ist).

        Man ist nicht Egoist, weil man an die eigene Befindlichkeit zuerst denkt.
        Doch. 🙂
        Bin ich ja auch; Du bist ja in guter Gesellschaft.

        Aber eine Notlage ist absolut temporär. Mit dem Argument dürfen Grundrechte nicht über einen längeren Zeitraum außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden. Das gehört zu den unverrückbaren Regeln der zivilen Gesellschaft.

        Einverstanden.

        Ich habe hier mehrmals gefragt, die Stefans, die CitizenKs, die Marcs: Maskenpflicht akzeptiert, okay. Wie lange? Was ist für Euch das Prinzip, wann es endet? Alle waren durch die Bank unfähig, ein Prinzip zu nennen, einen Zeitpunkt, wann es enden sollte.

        Ja, ich weiß; das stört mich auch. Ich habe damals stark gegen Marc argumentiert, falls Du Dich erinnerst, obwohl ich Corona nicht für harmlos hielt.

        Europa ist ein vergreister Kontinent und Deutschland ist das Herz.

        Sooo richtig … !

        Die Pandemie hat mir und meiner Frau vor Augen geführt, wie vergreist, wie genügsam, wie bequem und wie ängstlich die meisten Deutschen heute schon sind. Es gibt keine echte Hoffnung, dass sich das bei unserer demographischen Lage ändert.

        Nein, sehe ich genauso. Meine Zustimmung ist etwas verhaltener, weil ich in ein paar Jahren Teil des Problems sein werde.

        Zuwanderung wäre eine mögliche Lösung, aber nicht nicht so, wie wir das machen (versorgungsbasiert statt verantwortungsbasiert wie die angelsächsischen Ländern).

        Ich verstehe Deinen Frust, teile ihn in weiten Bereichen. Du bist ja ein gutes Stück jünger als ich und empfindest das wahrscheinlich noch intensiver.
        Auch ich sehe, dass es allzu viele Menschen nicht die Bohne interessiert. Zu sehen, wie viele (erfolgs)hungrige Menschen es auf der Welt gibt, und wie satt und anspruchslos „wir“ geworden sind, ist schon beängstigend.
        Ich habe da manchmal das Bild einer Person vor Augen, die nachts allein durch einen Wald läuft, von heulenden Wölfen verfolgt und eingekreist wird und sich dabei nur denkt, wie schön und romantisch doch die Natur mit all ihren Geräuschen und Lebewesen ist.

        • Stefan Pietsch 3. Mai 2022, 16:06

          Corona ist eine grundsätzliche Gefährdung; jedenfalls mehr als keine Krankheit.

          Mit der Grippe haben wir auch nicht so ein Aufhebens gemacht. Und wenn Du Dich an dem Vergleich störst: viele unserer EU-Partner betrachten Covid-19 inzwischen genau so.

          Ich scheine – bis zum Beweis des Gegenteils – gegen Corona immun zu sein, was ja nicht so selten sein soll. Das verschafft mir natürlich eine komfortable Lage. Aber ich bin auch gegen Grippe und Mumps immun, zumindest hat das aufgrund meiner (Nicht-) Krankheitsgeschichte den Eindruck.

          Aber wenn ich mit einer unbekannten Person ungeschützt Geschlechtsverkehr habe, liegt das Risiko bei mir, nicht bei den Besuchern eines Supermarktes, in dem ich mich zufällig aufhalte.

          Das ist sehr abstrakt und nicht ausreichend, irgendeinem Unbekannten zu sagen, er habe sich gefälligst zu Deinem Schutz einzuschränken. Anders als zu Beginn der Krise sah man schon sehr bald in Supermärkten kein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Daher: ab auf den Müllhaufen mit diesem abgehangenen Argument. 😉

          Das ist durch über 100.000 neuen Infektionen täglich und eine Inzidenz von über 600 widerlegt.

          Du hast etwas vergessen: die 300.000 Neuinfektionen (Anmerkung: meine Zahl ist größer!!!) im März belegen die Unwirksamkeit von Masken- und Abstandsbestimmungen. Wenn wir vor einem Monat 300.000 Neuinfizierte hatten und jetzt 100.000, dann ist der Unterschied zwischen Maske und Nicht-Maske nicht messbar.

          Ich habe damals stark gegen Marc argumentiert, falls Du Dich erinnerst, obwohl ich Corona nicht für harmlos hielt.

          Wer behindert da einen gesellschaftlichen Konsens: Leute wie ich, die lange gesagt haben: Maske, einverstanden. Oder Leute wie die Stefans, die CitizenKs, die Marcs, die auf dem Standpunkt stehen: Maske forever?

          Meine Zustimmung ist etwas verhaltener, weil ich in ein paar Jahren Teil des Problems sein werde.

          Das muss nicht so sein. Klar, manche verhalten sich mit 38 schon so, als wären sie 78. Dann kann aber ein 78jährer auch noch so freigeistig sein wie ein 38jähriger. Ich habe mir das vorgenommen. Und dazu habe ich mir einige Schutzmaßnahmen für mich selbst auferlegt. Eine davon erlebst Du hier regelmäßig: Ich lasse mir ziemlich viel sagen. Als ich 20 war, habe ich mir sehr eingeprägt, was mich an alten Menschen und ihrem Gehabe gestört hat. Ich habe das nicht vergessen und tatsächlich: es ist heute noch so.

          Es ist zutreffend: Im Vergleich zu den meisten Deutschen habe ich einen unbändigen Freiheitsdrang und Willen zur Unabhängigkeit. Im Vergleich zu den meisten Amerikanern und Südamerikanern bin ich nur: normal.

          Ich habe da manchmal das Bild einer Person vor Augen, die nachts allein durch einen Wald läuft, von heulenden Wölfen verfolgt und eingekreist wird und sich dabei nur denkt, wie schön und romantisch doch die Natur mit all ihren Geräuschen und Lebewesen ist.

          Interessantes Bild.

          • Erwin Gabriel 4. Mai 2022, 15:28

            Stefan Pietsch 3. Mai 2022, 16:06

            Mit der Grippe haben wir auch nicht so ein Aufhebens gemacht.
            Die normale Grippe ist harmloser als die Delta-Variante von Corona. Aber inzwischen machen wir ja auch nicht mehr so viel Aufhebens.

            Das ist sehr abstrakt und nicht ausreichend, irgendeinem Unbekannten zu sagen, er habe sich gefälligst zu Deinem Schutz einzuschränken.

            Der Schutz geht in beide Richtungen

            Anders als zu Beginn der Krise sah man schon sehr bald in Supermärkten kein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Daher: ab auf den Müllhaufen mit diesem abgehangenen Argument.

            Omikron ist deutlich ansteckender, also nix mit Müllhaufen.

            Du hast etwas vergessen: die 300.000 Neuinfektionen (Anmerkung: meine Zahl ist größer!!!) im März belegen die Unwirksamkeit von Masken- und Abstandsbestimmungen.

            Zwei Aspekte: Du kannst im Nachhinein nie mit Sicherheit sagen, was passiert wäre, wenn man sich anders verhalten hätte. Und mit Omikron verhalten sich inzwischen viele Leute recht unvorsichtig; ein Prof. meiner Tochter weigerte sich, eine Vorlesung online zu halten. Er hat meine Tochter angestecket.

            Wer behindert da einen gesellschaftlichen Konsens: Leute wie ich, die lange gesagt haben: Maske, einverstanden. Oder Leute wie die Stefans, die CitizenKs, die Marcs, die auf dem Standpunkt stehen: Maske forever?

            Weder Stefan noch Citizen würde ich in die „absolute“ Kategorie tun. Euch drei eint, anfangs die Maske akzeptiert zu haben, und irgendwann damit aufzuhören. Ihr streite nur um den Zeitpunkt, und da ist jede subjektive Meinung legitim.

            Marc sehe ich da etwas anders. Ich bin zwar in Sachen „Umfang der Schutzmaßnahmen“ eher bei ihm als bei Dir, hadere aber deutlich mit seiner Bedenkenlosigkeit, was das Aufzwingen der Maßnahmen angeht.

            Im Vergleich zu den meisten Amerikanern und Südamerikanern bin ich nur: normal.

            Oh je 🙂

            • Stefan Pietsch 4. Mai 2022, 16:04

              Mal vorangestellt, was ich heute morgen schon an CitizenK gepostet habe:

              So hält [Christian Drosten] es zum einen für wichtig, dass die Menschen, nachdem sie geimpft sind, jetzt auch in Kontakt mit dem Virus kommen. »Sonst wird die Bevölkerung auf Dauer nicht eine natürliche Immunität aufbauen.«

              https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/warum-christian-drosten-den-sachverstaendigenausschuss-verlaesst-a-bf3dc3fd-9a8b-4cee-8d74-6211c871bc48

              Zur Erinnerung: CitizenK macht Leute wie mich verantwortlich, das Familienmitglieder sich angesteckt haben. Soweit zum Konsens.

              Omikron ist hoch infektiös, aber weitgehend harmlos, nimmt man dazu die internationalen Kennziffern zum Vergleich. Als jemand, der mit einer Erzieherin verheiratet ist, weiß ich: das menschliche Immunsystem muss permanent mit Krankheitserregern konfrontiert werden, um robust zu sein. Meine Frau ist mit den größten Virenschleudern der Menschheitsgeschichte konfrontiert und über Jahrzehnte betrachtet fast nie krank. Ich übrigens auch nicht. Ob da ein Zusammenhang besteht?

              Der Schutz geht in beide Richtungen

              Suicid ist nicht strafbar. Mit anderen Worten: der Selbstschutz ist kein ausreichendes Kriterium, um Grundrechte einzuschränken. Du weißt, wohin mit dem Argument? 🙂

              Du kannst im Nachhinein nie mit Sicherheit sagen, was passiert wäre, wenn man sich anders verhalten hätte. Und mit Omikron verhalten sich inzwischen viele Leute recht unvorsichtig; ein Prof. meiner Tochter weigerte sich, eine Vorlesung online zu halten. Er hat meine Tochter angestecket.

              Ja, genau deshalb muss der Staat sehr vorsichtig sein, wenn er vorauseilend Grundrechte beschneiden will. Sieh Dir mal Minority Report an, dann weißt Du, wo so etwas endet. Und sag nicht, das wäre rein fiktional: in Australien und Neuseeland haben wir genau diese Fiktion real erlebt.

              Der Prof hat richtig gehandelt: Um keine andere Krankheit haben wir in der Vergangenheit so ein Aufhebens gemacht. Meine Tochter war auch erkrankt, in einer Apotheke, bestens geschützt. Das ist kein Argument mehr.

              Weder Stefan noch Citizen würde ich in die „absolute“ Kategorie tun. Euch drei eint, anfangs die Maske akzeptiert zu haben, und irgendwann damit aufzuhören. Ihr streite nur um den Zeitpunkt, und da ist jede subjektive Meinung legitim.

              Ich habe den Vorsichtigen 2 Jahre gegeben. Das sollte reichen. Und muss mir heute anhören, Leute wie ich wären schuld, wenn sie erkranken. Also, das ist schon Hardcore. Und Stefan findet es eine Zumutung, vor jungen Menschen unterrichten zu müssen. Ja wo kämen wir denn dahin?!?

              [Im Vergleich zu den meisten Amerikanern und Südamerikanern bin ich nur: normal.]
              Oh je 🙂

              Warst Du noch nie drüben? Oh je. 🙂

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