Fremd im eigenen Land

Als das Jahr 2020 mit einer riesigen Party am Brandenburger Tor in Berlin eingeläutet wurde, ahnte niemand, dass die lange Phase der Leichtlebigkeit schon bald enden sollte. Wenige Wochen später raffte ein geheimnisvolles Virus mit Herkunft aus dem chinesischen Wuhan in Bergamo tausende Menschen dahin. Es war der Beginn einer Pandemie, die in ihrer Letalität die Welt schockte. Die Deutschen, ohnehin ein besonders vorsichtiges und ängstliches Volk, ertrugen mustergültig jede Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit selbst dann noch, als reihum in Europa die Rückkehr zur Normalität gefeiert wurde. Und als in den ersten Wochen des Jahres Optimismus aufkeimte, endlich zum früheren Lebensstil zurückkehren zu können, erschütterten russische Bomben auf ukrainische Städte die lethargischen Deutschen in ihren Grundfesten. Doch nur scheinbar. In diesem Land ist verschüttet gegangen, was freie, offene und zivile Gesellschaften ausmacht.

Lesedauer: 7 Minuten

Teil I: Der Verlust von Freiheit und die Geringschätzung der Säulen von Demokratie und Rechtsstaat

Deutschland gilt als eine gewachsene, erwachsene Demokratie. Populisten haben es seit jeher schwerer, nennenswerte Stimmanteile zu gewinnen. Und wenn, werden sie meist von der Machtteilhabe ausgeschlossen. Meistenteils. Aber vielleicht ist das, was wir als „erwachsen“ beschreiben, nur ein Euphemismus für Lethargie oder Bequemlichkeit. Was ein erwachsenes, demokratisches Verhalten ist, das demonstrierte diese Woche ausgerechnet der Präsident eines Landes, das stets ob fraglos vorhandener korrupter Strukturen gerade von deutschen Politikern von oben herab behandelt wurde. Wolodymyr Selenskyj redete auf seiner virtuellen Tournee durch die westlichen Hauptstädte den Parlamentariern in Washington, London und Berlin ins Gewissen.

Der Anführer der um ihre physische Existenz kämpfenden Ukrainer erinnerte die alten Demokratien daran, dass Freiheit und Rechtstaatlichkeit keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern immer wieder erkämpft und verteidigt werden müssen. Dabei sind diese Begriffe wortwörtlich zu nehmen und nicht, wie heute üblich, als Metaphern für das gute Gewissen. In einer Zeit, in der viele sich schon wegen „Nazis raus“-Rufen und Plappereien von Diversity für vorbildliche Demokraten halten, zeigte die deutsche Demokratie, wie moralisch blank sie tatsächlich dasteht.

Der vergangene Donnerstag, als Selenskyj im Deutschen Bundestag den emotionalen Mahner für das Zusammenstehen der Demokraten gab, hätte ein Hochfest für die Freiheit werden sollen. Es wurde zur moralischen Bankrotterklärung einer Politikergeneration, welche Begriffe wie Würde und Demut nicht mehr gelernt hat. Die historische Rede des ukrainischen Präsidenten, die wegen Bombenangriffen in Kiew verspätet begonnen hatte, war kaum beendet, da führte die fleischgewordene Repräsentantin des Gutmenschentums, die Grüne Katrin Göring-Eckardt, zum Tagesordnungspunkt Glückwünsche an Geburtstagskinder über. Deutsche demokratische Absurdität im Jahr 2022. Es war zum Fremdschämen.

Doch es geht nicht nur um die Politiker. Es geht um uns. Um die Deutschen. In diesen Monaten wird das Erbe der Langzeitkanzlerin Angela Merkel abgewickelt. Doch im Grunde ist nichts da, was abzuwickeln wäre, denn die Frau, die Deutschland 16 Jahre regierte, hat nichts hinterlassen, was sich zu erhalten lohnte. Im Gegenteil. Zu Recht erinnert der Kolumnist Jan Fleischauer daran, dass Merkel die erste in dem Amt ist, die das Land in einem schlechteren Zustand hinterlassen hat als sie es von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder übernommen hatte.

Alle maßgeblichen Entscheidungen, die Merkel in der Zeit von 2005 bis 2021 getroffen hat, haben sich inzwischen als falsch, ja teilweise verheerend herausgestellt. Krisen konnte sie nicht lösen, dafür hat die stille Bundeskanzlerin fatale Abhängigkeiten geschaffen und verstärkt. Die Frau, die noch in ihren letzten Amtstagen als die Anführerin der freien Welt gefeiert wurde, hat sich im Geheimen als Verräterin der selben gezeigt, als eine Person, die sich von ihren Ängsten wie ihrer Sucht nach Beliebtheit treiben ließ.

Merkels politischer Verrat an ihrer Verantwortung für das Land, manifestiert im Eid, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden, ist das Eine. Die Geschichtsschreibung über ihre Kanzlerschaft, die erst am Anfang steht, wird sicher nicht so wohlwollend ausfallen wie es die geflochtenen Kränze nahelegen. Aber was sagt es über das Volk aus, das sie regierte und von dem Merkel immer höchste Popularitätswerte bescheinigt bekam? Wie konnte es passieren, dass die Politikerin, die schon mal ihre Parteizugehörigkeit vergessen hatte, von den Deutschen immer und immer wieder in ihrer Nichtleistung bestätigt wurde?

Die Deutschen sind so devot geworden, dass sie sich von dem Diktator Putin sogar verspotten ließen, ohne es zu merken. Dieser lästerte bereits 2010:

„Ich weiß nicht, womit sie heizen wollen. Atom wollen sie nicht, Gas wollen sie nicht. Wollen sie wieder mit Holz heizen?“

Wenige Wochen später beschloss die Bundeskanzlerin Merkel in einem ihrer politischen Alleingänge wider besseres Wissen den Atomausstieg und führte damit Deutschland in noch stärkere Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland. Kritik gab es praktisch nicht, wie Lemminge liefen die Deutschen in die Arme eines brutalen Autokraten, über dessen Wesen man sich bis in die Kriegstage hinein Sand in die Augen streute.

Bis heute wird Putins Auftritt vor dem Deutschen Bundestag als eine vergebene Chance der Partnerschaft mit Russland interpretiert. Die Einladung an den jungen russischen Präsidenten erfolgte nur kurze Zeit nach dem Untergang des russischen Atom-U-Boots Kursk in der Barentssee. Wenige Monate im Amt hatte Putin westliche Hilfe zur Rettung der Seeleute abgelehnt. Sie waren aber nicht die ersten Opfer des skrupellosen, über Leichen gehenden Anhängers von Stalin.

Auch über den zweiten Tschetschenienkrieg, den Putin, kaum als Ministerpräsident im Amt, begann, halten sich bis heute Gerüchte, die Terroranschläge seien vom Inlandsgeheimdienst FSB fingiert gewesen. Die Fratze des Schlächters zeigte sich schon sehr früh, aber lieber jubelte man dem Verfechter einer „gelenkten Demokratie“ zu. Bis heute wird Russlands ruchloses Tun gerechtfertigt („betrogen worden“), verteidigt („Vorwürfe sind nicht beweisbar“) und entschuldigt („die USA sind viel schlimmer“).

Freiheit

Die Bundestagssitzung vom Donnerstag demaskiert der Deutschen innere Abneigung gegen das Freiheitsversprechen der eigenen Verfassung, in dem die zwei Krisen unserer Zeit unzulässig miteinander verknüpft wurden. Da kämpft der ukrainische Präsident, auf den russische Schergen und Spezialeinheiten angesetzt sind, mit bewundernswerter Haltung für die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht seines Volkes. Was er bekommt, ist billiger Applaus von Leuten, die selbst vor einer Maus weglaufen würden. Und da ist die immerwährende Debatte über dauerhafte Grundrechtsbeschränkungen in diesem Land im Rahmen der Corona-Pandemie.

Viele Verfassungen und die darin gewährten Bürgerrechten sind mit dem Blut unzähliger Kämpfer für die Freiheit geschrieben worden. Nicht so das deutsche Grundgesetz. Einem theoretischen Seminar ähnlich, unter Vorsitz der Amerikaner, schrieben hauptsächlich Juristen und Beamte die vermeintlichen Lehren aus der Weimarer Republik und der moralischen Katastrophe auf. Viele Deutsche hatten zu der Zeit anderes im Sinn und hätten auch gegen eine Planwirtschaft mit gelenkter Demokratie nichts einzuwenden gehabt. Von den Verbrechen im eigenen Namen hatte man ohnehin nichts gewusst.

Das Schauspiel wiederholte sich 1989, als die meisten DDR-Bewohner nur per Zufallsgenerator in der westlichen demokratischen Grundordnung landeten, wo sie doch eigentlich nur die gleichen Autos wie im Westen fahren und die gleichen Bananen essen wollten. Jahrzehnte weigerten sich große Teile der verlassenen DDR Residenten, in ihrem nun korrumpierten Staat etwas wie Unrecht zu erkennen. Entsprechend wählen viele im Osten wie Spätpubertierende, auf dem Stimmzettel wird angekreuzt, was den meisten Fetz verspricht.

Freiheit ist in diesem Land nicht etwas, was es zu verteidigen gilt. Gerade 18 Prozent der Deutschen würden ihr Land gegen einen Angreifer verteidigen wollen, gegenüber 80 Prozent in der Ukraine. Das ist mit peinlich nicht mehr weitreichend umschrieben. Die Zahl erklärt, warum die Generation der U40 den Pflichtdienst an der Waffe so scheut wie eine Veranstaltung der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckart. Das hindert die gleichen Protagonisten von Diversity nicht, nach rechtsextremistischen und rassistischen Umtrieben zu fahnden.

In der Pandemie ist der Begriff der Freiheit regelrecht zum Schimpfwort verkommen. Wer die Rückkehr zur bundesrepublikanischen Normalität vor dem Jahr 2020 anmahnt, ist ein Freiheitsfetischist und rücksichtsloser Egoist. Beispielhaft zeigte das die Grüne Emilia Fester in ihrer Wutrede für eine Impfpflicht gegen die Verfechter der Freiheitsrechte. Der Kern ihres Denkens: ihre Freiheit sei von dem Verhalten jener abhängig, die nicht so denken wie sie. Auf ihrer Internetseite wirbt sie völlig ironiefrei dann für die körperliche Unversehrtheit, die allerdings nicht für Impfgegner gilt. Die Grüne steht dabei stellvertretend für eine Gesellschaft und eine Generation, die nicht mehr gelernt hat, was Freiheit wirklich bedeutet.

Die Freiheit des Einzelnen ist eben nicht vom Verhalten anderer abhängig. Freiheit bedeutet nicht, uniform zu gehen, sie ist nicht suspendierbar. Freiheit bedeutet, das Verhalten und die Entscheidungen anderer, wenn man sie nicht achten und nicht respektieren kann, so doch zumindest hinzunehmen.

Das alles hat diese Gesellschaft in zwei Jahren währender Pandemie aufgegeben. Als im März die Bundeskanzlerin Angela Merkel die Einschränkung der Freiheitsrechte aller zum Schutz der Allgemeinheit verkündete, erhielt sie dafür nahezu eine 80%ige Zustimmung. Als nun der Deutsche Bundestag fast auf den Tag 24 Monate später die weitgehende Aufhebung der Grundrechtsbeschränkungen beschließt, halten das weiterhin fast 80 Prozent der Deutschen für falsch. Die Menschen in diesem Land haben nicht begriffen, dass die ihnen vom Grundgesetz unabdingbar gewährten Freiheits- und Schutzrechte nur kurzzeitig eingeschränkt werden dürfen.

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Auf Dauer bilden Gesellschaft und die sie führende Politik eine Einheit. Entsprechend sind Politiker ein Abbild der Gesellschaft, aus der sie entstammen. So haben die Deutschen Angela Merkel fast zwei Jahrzehnte an der Spitze gefeiert und verehrt. Die Forderungen der Landespolitiker nach „Basisschutzmaßnahmen“, die von den Regierungen freihändig verhängt und aufgehoben werden können, treffen dabei das Lebensgefühl der meisten.

Was für eine Demokratieverachtung! Und was für eine Verachtung gegenüber dem Rechtsstaat! Die Freiheitsrechte einer Gesellschaft sind das Papier nicht wert, auf dem die Verfassung gedruckt ist, wenn diese Rechte nach Belieben der Regierenden eingeschränkt und gewährt werden können. Deswegen gilt für jede demokratische, rechtsstaatliche Gesellschaft das Primat des Parlaments. Nur die Vertretungen des Volkes können für einen definierten, begrenzten Zeitraum Grundrechte beschränken, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr verhältnismäßig und zielführend ist.

Schlimm ist, dass die große Mehrheit der Deutschen für solche Leitlinien kein Verständnis aufbringt. Noch schlimmer ist, dass regierende Politiker und die überwältigende Mehrheit der Parteien für die normativen Beschränkungen ihres Handelns nur Verachtung übrig hat. Allein die Debatte über die Impfpflicht spricht für die Verwahrlosung unserer zivilisatorischen Verhältnisse. Kein anderes demokratisches Land hat eine solche Impfpflicht, weil die meisten Demokraten noch Respekt vor den damit einhergehenden rechtsstaatlichen Verwerfungen haben. Eine staatliche Pflicht, die weder Ziel noch Nutzen zu benennen weiß, ist ein liberaler Skandal.

Der Rahmen, den die Verfassung der Politik gibt, ist für die Wünsche der Gesellschaft meist zu eng. Deutsche Regierungen haben schon lange ein gebrochenes Verhältnis zu der Ordnung, die sie aus guten Gründen beschränkt. Die Ampelkoalition macht hier keine Ausnahme, neu ist nur, dass die Regierung Scholz gleich mit einer ganzen Handvoll Beschlüssen startete, die verfassungsrechtlich fragwürdig oder gar offen verfassungswidrig sind.

Aus den Zwängen des Koalitionsvertrages und eigener politischer Versprechungen musste, frisch im Amt, Bundesfinanzminister Christian Lindner Schuldentitel der Coronakrise in eine Rückstellung für den Klimaschutz umwidmen. Das stellt nach der Einschätzung des juristischen Dienstes des Bundestages einen klaren Bruch der Schuldenbremse dar und ist damit nicht zu rechtfertigen. Die nun auf der Prioritätenskala nach oben geschobene Modernisierung der Bundeswehr wird nicht aus laufenden Haushaltsmitteln bestritten, weil dies politische Einschränkungen zur Folge hätte, sondern aus einem Sondervermögen, das aus lauter neuen Schulden besteht. Ältere werden sich erinnern: die Politik der immer neuen Schuldentöpfe war jahrzehntelang Usus der deutschen Finanzpolitik, um die wahre Staatsverschuldung zu verschleiern. Über politische Opportunitäten wird in diesem Land nicht mehr gestritten, sie werden wegdefiniert.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck machte in seinen ersten Tagen gleich den Anfängerfehler eines Schreibtischtäters, in dem er gewährte Rechtsansprüche von Bauherren mit einem Federstrich einkassierte, Rechtsgüter wie Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot ignorierend. Justizminister Marco Buschmann erkor ausgerechnet die Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche in § 219a StGB zu seiner ersten Gesetzesnovelle. Auch das war ein Zeichen: ein Land, das solche Normen priorisiert, hat keine echten Probleme. Und auch der Wahlkampfschlager der SPD nach einem Sondereingriff in das Mindestlohngesetz atmet den Geruch der verfassungsrechtlichen Grenzwertigkeit. Den Applaus grüner Minister für Gesetzesbrüche ihrer Anhänger lasse ich an dieser Stelle undiskutiert.

Alle Maßnahmen erfolgen natürlich nur aus guten Gründen und in bester Absicht, für sich alleingenommen wenig schwerwiegend. Doch sie zeigen die Verachtung für die Spielregeln, die das Wesensmerkmal ziviler Gesellschaften sind.

Weiter geht es mit dem zweiten Teil über Verantwortung, Würde und Enttäuschungen.

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  • sol1 19. März 2022, 19:37

    Der Beitrag trieft in jeder Zeile von dem, was er bei anderen anprangert – Kleingeisterei.

    „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?“

    Von den vielen Dummheiten werde ich nur die allergrößte aufgreifen:

    „Viele Verfassungen und die darin gewährten Bürgerrechten sind mit dem Blut unzähliger Kämpfer für die Freiheit geschrieben worden. Nicht so das deutsche Grundgesetz. Einem theoretischen Seminar ähnlich, unter Vorsitz der Amerikaner, schrieben hauptsächlich Juristen und Beamte die vermeintlichen Lehren aus der Weimarer Republik und der moralischen Katastrophe auf.“

    Haben es der Verfassungskonvent und der Parlamentarische Rat wirklich verdient, so mit Dreck beworfen zu werden? Ich habe den Eindruck, daß hier jemand schreibt, der Deutschland zutiefst haßt.

    • Jens Happel 19. März 2022, 20:53

      Solche Repliken, sind es die mich an Deutschland verzweifeln lassen. Was Stefan geschrieben hat sind leider Fakten

      „„Viele Verfassungen und die darin gewährten Bürgerrechten sind mit dem Blut unzähliger Kämpfer für die Freiheit geschrieben worden. Nicht so das deutsche Grundgesetz. Einem theoretischen Seminar ähnlich, unter Vorsitz der Amerikaner, schrieben hauptsächlich Juristen und Beamte die vermeintlichen Lehren aus der Weimarer Republik und der moralischen Katastrophe auf.“

      Wer das als „Dreck werfen“ empfindet hat elementare Wahrnehmungstörungen. Für Deutschlands Freiheit sind zigtausende Amerikaner, Briten, Neuseeländer, Australier, Russen und sogar Inder gestorben.

      Die Verfassung wurde am grünen Tisch geschrieben unter Aufsicht der Besatzungsmächte.

      Deutschland wird besiedelt von Menschen die alles ausblenden was nicht ihrer Haltung entspricht, Kritiker werden immer ausgegerenzt und gecancelt.

      So entfernt sich die deutsche Politik immmer weiter von der Realität und am Ende glauben die Eliten ihre eigene Propaganda. Ein Fehler den übrigens gerade auch Putin gemacht hat.

      Am Ende zerschellt so eine Politik immer an der Realität. Bis dahin sind offene Grenzen und bedingunsloses Grundeinkommen eine tolle Kombi, Eine Bundeswehr ohne Ersatzteile eine tolle Armee, Windräder mit zwangsweise 1800 Meter Abstand zu Siedlungen die perfekte Energiewende, ein Griechenland schlimmer verschuldet als zuvor ist gerettet, Target2 Salden sind nur Zahlen wie in einem Mathematikbuch und so weiter und so weiter.

      • sol1 19. März 2022, 21:15

        „Die Verfassung wurde am grünen Tisch geschrieben unter Aufsicht der Besatzungsmächte.“

        Und wieso soll sie deshalb schlechter als andere Verfassungen sein?

        Die Wirkungsgeschichte spricht jedenfalls gegen eine solche Sichtweise:

        https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-05/grundgesetz-verfassung-demokratie-rechtsstaat-impuls-suedkorea-taiwan-eu/komplettansicht

      • Stefan Pietsch 19. März 2022, 22:50

        Danke Jens! Schön von Dir zu lesen!

      • Erwin Gabriel 20. März 2022, 11:32

        @ Jens Happel 19. März 2022, 20:53

        Am Ende zerschellt so eine Politik immer an der Realität. Bis dahin sind offene Grenzen und bedingungsloses Grundeinkommen eine tolle Kombi, Eine Bundeswehr ohne Ersatzteile eine tolle Armee, Windräder mit zwangsweise 1800 Meter Abstand zu Siedlungen die perfekte Energiewende, ein Griechenland schlimmer verschuldet als zuvor ist gerettet, Target2 Salden sind nur Zahlen wie in einem Mathematikbuch und so weiter und so weiter.

        … so richtig!

        es grüßt
        E.G.

    • Thorsten Haupts 19. März 2022, 21:23

      Haben es der Verfassungskonvent und der Parlamentarische Rat wirklich verdient, so mit Dreck beworfen zu werden?

      Äh, einen Augenblick: Eine Tatsachenfeststellung, nämlich „Einem theoretischen Seminar ähnlich, unter Vorsitz der Amerikaner, schrieben hauptsächlich Juristen und Beamte die vermeintlichen Lehren aus der Weimarer Republik und der moralischen Katastrophe auf.“ fällt jetzt bereits unter „mit Dreck beworfen“? Boah, ist DAS kleinkariert.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • sol1 19. März 2022, 22:11

        „Tatsachenfeststellung“

        WTF?

        „Einem theoretischen Seminar ähnlich…“

        Das ist offensichtlicher Quatsch. Den Vätern und Müttern des Grundgesetzes war sehr wohl bewußt, daß es sehr schnell den Praxistest bestehen müßte.

        „…unter Vorsitz der Amerikaner…“

        Vorsitzender des Verfassungskonvents war Anton Pfeiffer, Präsident des Parlamentarischen Rats war Konrad Adenauer.

        „…die vermeintlichen Lehren…“

        Was impliziert, daß die wahren Lehren ihnen entgangen sind, aber dafür Herrn Pietsch bekannt sind (und womöglich auch von ihm verehrten Geistesgrößen wie Jan Fleischhauer und Lisa Eckardt).

        • Stefan Pietsch 19. März 2022, 22:42

          Sie haben nichts verstanden, schon gar nicht die Passage. Berücksichtigen Sie den Kontext, in den ich den Absatz eingebettet hatte, an dem Sie sich verbissen abarbeiten. In der amerikanischen Verfassung stand von der ersten Sekunde Herzblut. Das deutsche Grundgesetz ist Verhandlungsergebnis von Personen, die nicht auf dem Schlachtfeld gestanden haben. Mein Punkt: Die Deutschen atmeten nicht den Geist der Verfassung, sondern akzeptierten sie. Sie akzeptierten sie so wie die DDR-Deutschen nach dem Mauerfall die westdeutsche Rechtsordnung annahmen. Weil sie es mussten.

          • sol1 20. März 2022, 00:22

            „In der amerikanischen Verfassung stand von der ersten Sekunde Herzblut.“

            Mir würde da auch noch das Blut von Sklaven einfallen.

            • Stefan Pietsch 20. März 2022, 08:46

              Das ist so zynisch, dass es schon als bösartig durchgeht.

              • Martin 20. März 2022, 10:21

                Ach was, das ist nicht zynisch. Das ist nur brunzdumme Selbstgerechtigkeit.

              • sol1 20. März 2022, 11:48

                Ich finde es umgekehrt so zynisch, dass es schon als bösartig durchgeht, Verfassungen alleine deshalb eine Überlegenheit zuzusprechen, weil sie von Personen geschrieben wurden, die „auf dem Schlachtfeld gestanden haben“.

                • Stefan Pietsch 20. März 2022, 13:36

                  Sie verstehen es immer noch nicht. Woran Sie sich abarbeiten, ist reine Einbildung. Das steht da nicht, das ist nicht gemeint. Soll ich Ihnen wirklich noch einmal erklären, worum es geht?

            • Stefan Sasse 20. März 2022, 09:16

              Treffer, versenkt.

              • Erwin Gabriel 20. März 2022, 11:35

                @ Stefan Sasse 20. März 2022, 09:16

                Treffer, versenkt.

                Langsam nervt’s wirklich.

                Die Unterschiede zwischen der Entstehung der amerikanischen Verfassung und des deutschen Grundgesetzes sollten gerade jemandem wie Dir bekannt und klar sein.

                • Stefan Sasse 20. März 2022, 11:47

                  Ja eben. Das kann man ja durchaus in Kontext setzen. Mich nervt es umgekehrt ja genauso.

                  • Erwin Gabriel 20. März 2022, 17:30

                    Keine Ahnung, was Dich an Pietschs Aussage nerven könnte. Ist Kontext vorhanden, ist doch richtig dargestellt.

        • Thorsten Haupts 19. März 2022, 23:43

          Hier finden Sie in Kurzform die Vorgaben für die Grundgesetzschöpfer:

          https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/289222/das-grundgesetz-im-strom-der-zeit/

          Soviel zum Thema „Vorsitz der Amerikaner“.

          Das mit dem theoretischen Seminar ist eine ziemlich präzise Beschreibung einer Situation, in der eben nicht siegreiche Revolutionäre ohne Vorgaben eine neue Verfassung aushandeln. Sondern möglichst wenig belastete Figuren der deutschen Verwaltungs- und Politik-Vergangenheit unter alliierter Aufsicht und Anleitung.

          „Vermeintliche Lehren“ – ich wusste jetzt echt nicht, dass die Grundgesetzschöpfer Jesus waren und ihnen Gras aus der Tasche wuchs – aber man lernt ja nie aus.

          Ist ja okay, dass Sie JP nicht mögen :-). Man sollte solchen Gefühlen aber die Zügel anlegen, wenn man in Diskussionen ernst genommen werden will. „So mit Dreck beworfen“ war jedenfalls einige Hausnummern zu hoch gegriffen.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

    • Erwin Gabriel 20. März 2022, 11:25

      @ Stefan Pietsch

      Hallo Stefan,

      wie meist bei Deinen Kommentaren sehe ich nicht alles auf den Punkt genauso, teile aber die ‚Stimmung‘ bzw. Grundrichtung Deines Kommentars.

      Aber vielleicht ist das, was wir als „erwachsen“ beschreiben, nur ein Euphemismus für Lethargie oder Bequemlichkeit.

      Ja, die deutsche Gesellschaft hat sich auch meiner Meinung nach mit einer Mischung von Wohlstand und Selbstgerechtigkeit selbst sediert. Die Politiker:innen, die Stillstand bzw. KEINEN Wandel versprechen, werden gewählt und gefeiert. Und der herablassende Blick, mit dem Durchschnittsdeutsche auf andere Länder schauen und die eigene Gesellschaft für das strahlende moralische Vorbild der Welt halten, ist in seiner Naivität und Ahnungslosigkeit nicht zu unterscheiden von der US-amerikanischen Grundhaltung, in ‚God’s own Country‘ zu leben.

      ZU fragil sind die Konstrukte unseres Selbstbetrugs; nun reichen schon kleine Ruckler an unserem Sockel der Selbstgefälligkeit wie die Corona-Pandemie oder ein Krieg am Rande Europas, um unsere Gesellschaft tief zu erschüttern.

      Was ein erwachsenes, demokratisches Verhalten ist, das demonstrierte diese Woche ausgerechnet der Präsident eines Landes, das stets ob fraglos vorhandener korrupter Strukturen gerade von deutschen Politikern von oben herab behandelt wurde.

      Ja!

      Der Anführer der um ihre physische Existenz kämpfenden Ukrainer erinnerte die alten Demokratien daran, dass Freiheit und Rechtstaatlichkeit keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern immer wieder erkämpft und verteidigt werden müssen.

      Diese Erkenntnis hätte für viele Politiker:innen, die ihren hehren Idealen nur in Sonntagsreden folgen, erschütternd sein müssen. Tut es offenbar nicht, wie der weitere Verlauf der Bundestagssitzung gezeigt hat.
      In diesen Monaten wird das Erbe der Langzeitkanzlerin Angela Merkel abgewickelt. Doch im Grunde ist nichts da, was abzuwickeln wäre, denn die Frau, die Deutschland 16 Jahre regierte, hat nichts hinterlassen, was sich zu erhalten lohnte.
      … dass Merkel die erste in dem Amt ist, die das Land in einem schlechteren Zustand hinterlassen hat als sie es von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder übernommen hatte.
      … Alle maßgeblichen Entscheidungen, die Merkel in der Zeit von 2005 bis 2021 getroffen hat, haben sich inzwischen als falsch, ja teilweise verheerend herausgestellt. …

      So traurig, so wahr. Ich erinnere mich an unsere ersten Diskussionen im Blog ‚Sprengsatz‘ zur Bundeskanzlerin, die schon damals besonders hart von den Leuten verteidigt wurde, die sie nie gewählt hätten; das muss jetzt zwölf, dreizehn Jahre her sein. Und der seitdem angerichtete Schaden ist beträchtlich. Die Beseitigung der ‚physischen‘ Schäden, die Merkel (bis auf wenige Ausnahmen nicht durch aktives Handeln, sondern durch bewusstes Unterlassen) in 16 Jahren angerichtet hat, wird Jahrzehnte brauchen, falls die hinterlassenen ‚psychischen‘ Schäden in der Gesellschaft das überhaupt zulassen.

      Bis heute wird Putins Auftritt vor dem Deutschen Bundestag als eine vergebene Chance der Partnerschaft mit Russland interpretiert.

      Einer der wenigen Deiner Punkte, die ich nicht teile: Ich glaube nicht, dass der junge Putin, zum Zeitpunkt seiner Bundestagsrede noch keine 50 Jahre alt und noch kein Jahr im Amt, damals schon der brutale Diktator war, zu dem er sich offenbar 20 Jahre später entwickelt hat.

      Die Bundestagssitzung vom Donnerstag demaskiert der Deutschen innere Abneigung gegen das Freiheitsversprechen der eigenen Verfassung, …

      Zustimmung! Die großen Linien, die dabei dauerhaft gebrochen wurden, werden praktisch nicht wahrgenommen.

      Nimm als Beispiel die Todesstrafe: Selbst, wenn man im Falle eines überaus schrecklichen Verbrechens eine große Mehrheit in der Bevölkerung für den Gedanken erwärmen könnte, den brutalen Täter hinzurichten, sprechen doch grundsätzliche ethische Erwägungen auf der einen Seite (darf man, darf der Staat andere töten?), auf der anderen Seite aber auch die grundsätzliche Möglichkeit von Fehlurteilen, sollte die Todesstrafe eingeführt werden, gegen diesen Weg.

      So sehr sich diese grundsätzliche Lösung für einen speziellen Fall auch anbieten mag, muss man doch auch im Auge behalten, welche Ableitungen sich daraus für andere Fälle ergeben können. Und da sieht es nicht gut aus. Im Falle der Impfpflicht kommt, abgesehen von der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit (wie klein auch immer – wehret den Anfängen) auch die grundsätzliche Möglichkeit hinzu, von der Regierung (wer immer da in Zukunft am Ruder sitzen mag) für ‚erforderlich‘ angesehene medizinische Maßnahmen für jedermann zu erzwingen. Du mahnst also zu Recht.

      • Stefan Pietsch 20. März 2022, 13:51

        Dank‘ Dir, Erwin, auch wenn Du es mir schwer machst zu antworten. Als Liberaler weiß ich es zu schätzen, wenn nicht alle meine Positionen geteilt werden. Mancher wird das allerdings nie verstehen…

        Ich glaube nicht, dass der junge Putin, zum Zeitpunkt seiner Bundestagsrede noch keine 50 Jahre alt und noch kein Jahr im Amt, damals schon der brutale Diktator war, zu dem er sich offenbar 20 Jahre später entwickelt hat.

        Das ist aus historischer Sicht keine Frage des Glaubens. Jetzt schreibe ich das, was ich im Artikel zum Ende noch rausgenommen habe. Also: Putin war bis Ende 1998 Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB. 1999 wurde er Ministerpräsident. Kurz nach seiner Ernennung ereigneten sich in Moskau mehrere Terroranschläge, für die tscheschenische Terroristen verantwortlich gemacht wurden. Bekenntnisse dazu gab es jedoch nicht. Der neue Ministerpräsident ließ eine regelrechte Strafaktion anlaufen, bei der wir die Bilder sahen, die wir heute in Aleppo und in Mariupol sehen.

        Jedenfalls, damals hatte Russland noch so etwas wie eine demokratische Verfasstheit. Putin erreichte eine rasante Popularität und wurde zum Nachfolger von Boris Jelzin gewählt. Ein Teil der russischen Abgeordneten hatten allerdings Zweifel an der offiziellen Version von den tscheschenischen Terroristen. Sie bewirkten die Einsetzung einer Untersuchungskommission, der 5 Abgeordnete angehörten. Zwei Abgeordnete verstarben, einer wurde zu einer hohen Haftstrafe verurteilt, ein weiterer wurde schwer zusammengeschlagen. So ein Zufall.

        Das war damals durchaus hier bekannt, wir wollten es nur nicht sehen. Der damalige Außenminister Joschka Fischer schaute bei Putins Rede einige Male sehr skeptisch, zum Putin davon sprach, Europa zu einer dritten Weltmacht aufzubauen – unter russischer Führung. Wollte nur keiner hören, schon gar nicht seine Implikationen.

        • Erwin Gabriel 20. März 2022, 17:41

          @ Stefan Pietsch 20. März 2022, 13:51

          Mancher wird das allerdings nie verstehen…
          🙂

          Das ist aus historischer Sicht keine Frage des Glaubens.

          Ich bin mir der subjektiven Wahrnehmung durchaus bewusst, und formuliere das ja explizit.

          Was ich nachvollziehen kann: Das Grundgerüst bei Putin war da, gar keine Frage. Er hatte Geheimdiensterfahrung, war Kampfsportler, gilt/galt als recht guter Schachspieler.

          Aber getreu dem Motto „auch ein Papst muss sein Handwerk erst lernen“ schätze ich, dass Putin, der ja die Reste des Sowjet-Imperiums zusammenfegen musste, starken Belastungen ausgesetzt war: vorhandene und sich entwickelnde Machtstrukturen; innerparteiliche Zentrifugalkräfte; die neuen Möglichkeiten der (auch wirtschaftlichen) Freiheit, verbunden mit leeren Kassen; Lockungen und Einschüchterungen von außen; halbwegs unerfahren in diesem Höllenjob, ohne Ahnung, wie lange er sich halten kann, und niemand mehr, hinter dem man sich verstecken kann.

          Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Putin in den 21 Jahren nicht verändert haben sollte. Und hat er sich verändert, war er vorher eben anders.

          Wie immer man Deine Punkte in die Entwicklung einsortieren kann – meine Annahme ist natürlich Spekulation.

    • Erwin Gabriel 20. März 2022, 11:29

      @ sol1 19. März 2022, 19:37

      Haben es der Verfassungskonvent und der Parlamentarische Rat wirklich verdient, so mit Dreck beworfen zu werden? Ich habe den Eindruck, daß hier jemand schreibt, der Deutschland zutiefst haßt.

      Du liegst so falsch, wie man nur liegen kann. Hier wird nicht mit Dreck geworfen, sondern die Situation beschrieben. Auch von Deutschland-Hass kann bei Stefan Pietsch nicht die rede sein.

      Ich schließe mich an: Du hast es nicht verstanden.

      • sol1 20. März 2022, 13:31

        „…sondern die Situation beschrieben…“

        Was ich in meinem Posting vom 19. März 2022 (22:11 Uhr) widerlegt habe.

        „Auch von Deutschland-Hass kann bei Stefan Pietsch nicht die rede sein.“

        Warum nicht?

        • Stefan Pietsch 20. März 2022, 13:37

          Weil ich die deutsche Hymne schon mit Tränen in den Augen gesungen habe, als die Mehrheit in Deutschland das als Nationalismus empfand.

          • sol1 20. März 2022, 18:13

            „…deutsche Hymne…“

            …ist ein *Symbol* – obendrein von einem Österreicher komponiert, und was Textzeilen wie „Deutsche Frauen, deutsche Treue / Deutscher Wein und deutscher Sang“ betrifft, so sind die aus gutem Grund mittlerweile unter den Tisch gefallen.

            Die Antwort ist so erstaunlich, als würde jemand auf die Frage, was er an seiner Frau liebe, sagen: „Mir gefiel schon immer der Klang ihres Vornamens.“

            • Stefan Pietsch 20. März 2022, 18:17

              Und damit setzen wir hier einen Punkt. Jedenfalls haben Sie mir gezeigt, dass Sie ein Verständnis für Prioritäten haben. Also für Nebensächlichkeiten. So lerne ich meine Opponenten eben auch besser kennen. 🙂

              • sol1 20. März 2022, 23:07

                Du nennst es „Nebensächlichkeiten“, ich nenne es Details. Und auf die konzentriere ich mich, wenn das große Ganze mit rhetorischem Nebel verhüllt wird.

        • Erwin Gabriel 20. März 2022, 17:50

          @ sol1 20. März 2022, 13:31

          „…sondern die Situation beschrieben…“

          Was ich in meinem Posting vom 19. März 2022 (22:11 Uhr) widerlegt habe.

          Was ich durch den von Thorsten Haupts verlinkten Artikel als widerlegt betrachte. Die Vorstellung, dass die Deutschen in der damaligen Zeit so etwas Wichtiges wie das Grundgesetz ohne die ‚Führung‘ durch die Alliierten hätten leisten dürfen, halte ich für utopisch.

          „Auch von Deutschland-Hass kann bei Stefan Pietsch nicht die rede sein.“

          Warum nicht?

          Er schimpft nicht auf das Land, sondern die Entwicklung, die es nimmt. Das gilt gleichermaßen für mich. Ich finde nicht „Deutschland scheiße“, sondern sehe mit Schrecken, was unsere Politiker die letzten 16 Jahre daraus gemacht haben.

          Ich weiß nicht, wie es Dir geht und wie alt Du bist, aber die Vorstellung, dass wir uns eine Gesellschaft heranziehen, wo jeder sich berufen fühlt, in Form von staatlichen Maßnahmen zwar Verantwortung für seine Nebenmenschen, nicht aber für sich selbst zu übernehmen, gruselig. Aber das ist, was ich sehe.

          • sol1 20. März 2022, 18:08

            „Was ich durch den von Thorsten Haupts verlinkten Artikel als widerlegt betrachte.“

            Nur gibt der Artikel das nicht her.

            /// Dieser Prozess der Verfassungsgebung unterlag vielen Einflüssen von außen. Sowohl die Parteien als auch verschiedene Gesellschaftsgruppen, allen voran die Kirchen und die Gewerkschaften, machten ihren Einfluss auf die Mitglieder des Parlamentarischen Rates mehr oder weniger erfolgreich geltend. Die wichtigsten Interventionen kamen aber von den westlichen Besatzungsmächten. Auf ihren Druck hin mussten CDU, SPD und FDP ihren mühsam ausgehandelten Kompromiss zur föderalen Kompetenzverteilung noch einmal aufschnüren. Vor allem die Finanzverfassung war den Alliierten zu zentralistisch. Am Ende blieb eine radikale Abschwächung der Zentralgewalt aus. Die US-Amerikaner lenkten letztlich ein, weil der Streit die bevorstehende Gründung der NATO nicht überschatten sollte. Zur Auflösung der Fußnote[14] ///

            Und das ist dann auch wirklich alles, was dort zum Thema Einflußnahme der Allierten zu finden ist.

            /// Er schimpft nicht auf das Land, sondern die Entwicklung, die es nimmt. Das gilt gleichermaßen für mich. Ich finde nicht „Deutschland scheiße“, sondern sehe mit Schrecken, was unsere Politiker die letzten 16 Jahre daraus gemacht haben. ///

            Und was war so toll im Jahr 2005?

            Das ist doch alles Gerede vom Schlage „Früher hatten die Ochsen größere Köpfe“.

            • Thorsten Haupts 21. März 2022, 15:08

              Nur gibt der Artikel das nicht her.

              Er gibt präzise und sogar wörtlich her, was ich bzw. Stefan P behauptet habe – die Ausarbeitung der Verfassung fand nach Vorgaben der Alliierten statt (salopp formuliert – unter Vorsitz der Amerikaner). Deshalb danke für das ausführliche Zitat aus dem bpb Artikel :-).

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Erwin Gabriel 22. März 2022, 00:39

                Schließe mich an …

  • CitizenK 19. März 2022, 20:42

    Das Verhalten der Ampel nach der Rede von Selenskyi war in der Tat mehr als beschämend. Allerdings: der Inhalt der Rede müsste gerade einem FDPler schrill in den Ohren geklungen haben: Der Vorwurf „nur Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“. Zum ersten Mal stimme ich Friedrich Merz zu: Eine Debatte wäre dringend erforderlich gewesen. Das Beharren auf der „Tagesordnung“ – peinlich.

    Wer den Inbegriff von „Freiheit“ im Rasen auf der Autobahn sieht, hat keinerlei Recht, anderen moralischen Bankrott vorzuwerfen. Die Verlogenheit dieser Ideologie zeigt sich überdeutlich im Verhalten des Ober-Liberalen („Tankstellen-Sozialist“ trifft es ziemlich gut. In Marktmechanismen darf der Staat nicht eingreifen? Preise als Signal von Knappheit lenken Ressourcen in die richtige Verwendung ? Ach was, wenn’s passt, zahlt der sonst so verachtete Staat.

    • einfachnurRoland 19. März 2022, 22:27

      Dieses Gefühl hatte ich auch im ersten Augenblick. Doch als ich mir die Rede angesehen habe, ist mir aufgefallen, dass es für Selenskyj schlicht egal war. Er war aus dem Raum, noch bevor die Kamera aus war. Für die Ukraine zählen Taten und das ist Deutschland einfach raus. Und das liegt nicht an der Ampel, sondern am Bestand ihrer Möglichkeiten. Das erste woran ich denken musste, als ich gelesen habe, dass 2700 Strelas an die Ukraine gehen sollte, waren Zeitungsartikel aus dem letzten Jahr (habe ich gerade leider nicht wieder finden können) wonach die total verrottet sind…
      Diese Regierung ist halt leider erst 100 Tage aktiv.
      Das zu überspielen ist halt total attraktiv für einen Opposittionellen, dessen eigene Partei die Hauptursache für die aktuellen Zustände ist.
      Macht die Leistungsbilanz unserer Regierung nicht besser, aber die von Merz halt NOCH SCHLECHTER – was man erstmal hinkriegen muss.

      Ich bin mir sicher, das Selenskyj auch bei einer Aussprache der Abgeordneten genau so schnell den Raum verlassen hätte.

      • Stefan Pietsch 19. März 2022, 22:37

        Leider aus Voreingenommenheit nichts verstanden. Niemand hier aus dem Forum außer Ihnen würde mich im Team Merz verorten, weil die meisten lange genug dabei sind, um meine politische Gesinnung zu kennen.

        • einfachnurRoland 20. März 2022, 20:37

          …sagt doch keiner?!?

          Wobei ich gestehen muss, dein Team zu entziffern wird langsam spannender als jede Sodoku 😛

          • Stefan Pietsch 20. März 2022, 21:32

            Die beiden Artikel vermitteln eigentlich einen guten Eindruck, welch Geistes Kind ich bin. Und als solcher bin ich eher Einzelspieler als Teamplayer. 😉

            Ich hatte Ihre Kommentierung so verstanden, dass Sie in mir einen Merz-Anhänger sehen. Wenn ich das falsch gelesen habe – sorry.

    • Stefan Pietsch 19. März 2022, 22:49

      Liberale sind nicht nur „Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“. Gerade Sie sollten wissen, dass die überwältigende Menge meiner Artikel über die Freiheit nicht von ökonomischer Freiheit handelt.

      Eine einzelne Sachfrage bestimmt nicht, welches Geistes Kind jemand ist. Liberale können für und gegen das Tempolimit sein (wie klein geht es eigentlich?), ein Pazifist kann den Einsatz von Waffen befürworten.

      Der Artikel handelt nicht von kleinteiliger Politik, sondern Haltung. Wenn Sie meinen, Kritik an einzelnen Sachentscheidungen zu erkennen, weiß ich, dass ich den Richtigen getroffen habe. 😉

    • Erwin Gabriel 20. März 2022, 11:55

      @ CitizenK 19. März 2022, 20:42

      … der Inhalt der Rede müsste gerade einem FDPler schrill in den Ohren geklungen haben: Der Vorwurf „nur Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“.

      Du hast offenbar weder die FDP noch das Liberale verstanden.

      Zum ersten Mal stimme ich Friedrich Merz zu: Eine Debatte wäre dringend erforderlich gewesen. Das Beharren auf der „Tagesordnung“ – peinlich.

      Ja. Wobei die Union (bei allem Respekt vor Merz) den Ball flach halten sollte. Nach 16 Jahren Unterlassungs- und Sedierungspolitik durch Merkel von der aktuellen Regierung zu verlangen, dass sie in 100 Tagen die Schäden auch in den Köpfen der Deutschen beseitigt, ist schon happig.

      Wer den Inbegriff von „Freiheit“ im Rasen auf der Autobahn sieht, hat keinerlei Recht, anderen moralischen Bankrott vorzuwerfen.

      Wie überaus selbstgerecht und naiv von Dir. Selbst wenn ich, anders als Stefan Pietsch, relativ wenige Probleme mit einem Tempolimit habe, so bedeutet doch die Ablehnung desselben nicht automatisch „Rasen“. Genauso wenig, wie eine Ablehnung von Impfzwang bedeutet, sich nicht impfen lassen zu wollen.

      Die Verlogenheit dieser Ideologie zeigt sich überdeutlich im Verhalten des Ober-Liberalen („Tankstellen-Sozialist“ trifft es ziemlich gut. In Marktmechanismen darf der Staat nicht eingreifen? Preise als Signal von Knappheit lenken Ressourcen in die richtige Verwendung ? Ach was, wenn’s passt, zahlt der sonst so verachtete Staat.

      Ich will zu Deinem Vorteil mal annehmen, dass Du keinen blassen Schimmer hast, wie sich die Kraftstoffpreise zusammensetzen. Nur etwa 6 Prozent sind Handlings-Kosten (transport, Tankstellenpersonal etc.). Je 47 Prozent = knapp die Hälfte gehen für den Einkauf sowie für Steuern und Abgaben drauf. Erhöht sich also der Einkaufspreis für Tankstellen um 20 Cent pro Liter, verteuert sich der Kraftstoff um 40 Cent pro Liter, weil der Staat auch 20 Cent abhaben will – der Staat agiert hier sehr erfolgreich als Krisengewinnler.

      Zu fordern, dass der Staat dieses Verhalten, dieses Bereichern an der Krise auf Kosten seiner Bürger, etwas einschränkt, ist in Deinen Augen also ‚scheinheilig‘?

      Ich muss nicht alles verstehen …

      • sol1 20. März 2022, 13:39

        „Erhöht sich also der Einkaufspreis für Tankstellen um 20 Cent pro Liter, verteuert sich der Kraftstoff um 40 Cent pro Liter, weil der Staat auch 20 Cent abhaben will.“

        Das stimmt so nicht. Die Energiesteuer ist eine fixe Größe. Lediglich die Mehrwertsteuer erhöht sich, wenn der Preis in die Höhe geht.

        Ansonsten ist jede Diskussion über Steuern auf Treibstoffe verfehlt, die die externen Verkehrskosten unterschlägt:

        https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/externe-verkehrskosten/2303

        • Erwin Gabriel 20. März 2022, 17:54

          @ sol1 20. März 2022, 13:39

          Die Energiesteuer ist eine fixe Größe. Lediglich die Mehrwertsteuer erhöht sich, wenn der Preis in die Höhe geht.

          Korrekt, da hast Du recht. Hier habe ich fälschlicherweise rückwärts gerechnet.

          Ändert zumindest nichts daran, dass der Staat kräftig mitverdient und deshalb auch die Bürger entlasten könnten

      • CitizenK 20. März 2022, 20:56

        Ich weiß um die Steueranteile beim Benzinpreis. Das ändert aber nichts daran, dass ausgerechnet eine Wirtschaftsliberaler hier in den Preismechanismus eingreift.
        Und wenn hier groß von „Verteidigungsbereitschaft“ getönt wird: Die würde beginnen mit der Bereitschaft, Energie zu sparen. Weniger und kleinere Autos zu fahren, weniger oder nicht mehr zu fliegen, weniger zu heizen. Ein Tempolimit würde bis zu 5 Prozent einsparen und wenigstens einen Anflug von Bereitschaft signalisieren. Das nur als Detail, eigentlich wären viel weitergehenden Maßnahmen notwendig, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.

        • Erwin Gabriel 22. März 2022, 00:41

          @ CitizenK 20. März 2022, 20:56

          Ich weiß um die Steueranteile beim Benzinpreis. Das ändert aber nichts daran, dass ausgerechnet eine Wirtschaftsliberaler hier in den Preismechanismus eingreift.

          Ein Steueranteil von etwa 50 % ist kein Mechanismus.

          • CitizenK 22. März 2022, 09:16

            Lindner wollte einen pauschalen Rabatt – „vergleichbar mit Rabattsystemen“. Das ist ganz klar kein „marktkonformer“ Eingriff im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Und nur darum ging es mir: Dass ein geheiligtes Prinzip leichthin aufgegeben wird, wenn es der eigenen Klientel nicht passt. Um um „Prinzipien“ geht es doch angeblich den Lindner-Fans auch hier im Forum.

            Senkung der Mineralölsteuern ist ein anderes Thema.

            • Stefan Pietsch 22. März 2022, 09:56

              Was wäre denn ein marktkonformer Eingriff? Der Benzinpreis an der Zapfsäule besteht zu über der Hälfte aus Steuern und Abgaben. Damit handelt es sich nicht um einen Markt- sondern politischen Preis. Das gilt auch im Vergleich mit den EU-Mitgliedsländern: In Polen und Österreich ist Benzin ja nicht deswegen günstiger, weil dort der Markt besser funktionieren würde, sondern weil die Steuern dort niedriger sind.

              Mit dem Tankrabatt diskontiert der Staat seine Sonderabgaben – wieder nach politischer Opportunität. Deutschland hat die höchsten Energiekosten. Die Ursache liegt in sehr hohen Abgaben und einem Wildwuchs aus Umweltsubventionen. Die eine politische Seite sagt, das wäre richtig um generell wenig Energie zu verbrauchen. Die andere Seite sieht darin Wettbewerbs- und soziale Probleme. Leute wie ich und Erwin Gabriel stehen auf dieser Seite. Auf welcher Sie stehen, wird jedoch nicht klar, möglicherweise haben Sie gar keine Position.

              Das marktwirtschaftlich Sinnvollstes wäre, die Mineralölsteuer auf den Durchschnitts- oder einen zu bildenden Einheitswert in der EU abzusenken. Doch dafür gibt es keine politischen Mehrheiten.

              Nachtrag: Wir sehen in diesen Tagen einen Klimaminister einer Partei, die für Menschenrechte eintritt, der bei Scheichs, die Menschen ausbeuten und ermorden, um Gaslieferungen, Kohle und Öl bittet. Wir sehen eine Außenministerin aus der gleichen Partei, die eine wertebasierte Außenpolitik vertreten will und Waffen in Krisengebiete liefern lässt. Niemand der politisch Andersdenkenden macht sich über diese Notwendigkeiten in einer existenziellen Krise lustig. Die andere politische Seite legt leider keine noble Haltung an den Tag. Es wäre ja auch das erste Mal.

  • Lemmy Caution 19. März 2022, 21:28

    Ich beobachte das ja auch bei mir selber: Als Mann über 50 muss man aufpassen, dass einem nicht ein gesundes Maß an Demut verloren geht.

    Befürworte einen sofortigen Stop aller Kohle, Öl und Gasimporte aus Rußland. Würde auch den Ausstieg aus der Kernenergie sofort aussetzen. Diese Sprache versteht Putin.
    Ich fand diesen bekannten Instagramm-Auftritt unseres Wirtschaftsministers rational nachvollziehbar, aber der Gesamtlage nicht angemessen.
    Ich bin in dem ganzen Team Olga Chyzh -> https://twitter.com/olga_chyzh . D.h. Putin sehr deutlich machen, dass der Einsatz von taktischen Atomwaffen auf ein Natoland ebenso beantwortet wird. Und es dann leider auch zu tun.
    Und habe damit Überzeugungen, die wohl nicht mehrheitsfähig sind. Leider.

    Aber jetzt ist ganz sicher nicht der Moment, permanent über das Land zu meckern.

    • Stefan Pietsch 19. März 2022, 23:03

      Lemmy, Lemmy.

      Du hast viel Zeit Deines Lebens weit jenseits von Deutschland verbracht. Auch ich habe zeitweise im Ausland, in Lettland, den USA und der Schweiz gearbeitet, dazu oft und viel mit anderen Nationalitäten und Kulturen. Als ich 2014 meine Arbeit wieder nach Deutschland verlegte, hatte ich die deutsche Offenheit und Sicherheit wieder schätzen gelernt. Doch dieses Land hat sich in den letzten 2 Jahren, vielleicht sogar seit 2015 sehr verändert. Das lässt sich eigentlich kaum übersehen. So wie die USA sich durch 9/11 verändert haben, was mich mit innerem Schmerz erfüllt.

      Viele Deutsche kennen das nicht. Die Draufsicht auf das Land aus einem anderen Blickwinkel. Die meisten sind das, was wir aus unserer Profession kennen: betriebsblind.

      Eigentlich sollte der Artikel sehr deutlich machen, wie fremd mir Deutschland geworden ist, das Land, das ich seit meiner Kindheit liebe. Die Entfremdung zeigt sich in der Geringschätzung der Freiheit, deutlich geworden in der Pandemie, der Kleingeistigkeit im Angesicht einer für Millionen Nachbarn existenziellen Krise und der Unfähigkeit, Haltung und Stil zu wahren.

      • Lemmy Caution 20. März 2022, 15:36

        …Desinformations-Kapagnen spielen eine wichtige Rolle in dem Spiel. Damit hat der Feind heute in West-Europa keinen Erfolg. Der Punkt überrascht mich eher positiv.
        Der Feind zielt auf eine Spaltung ab. Deshalb bin ich für Einheit.
        Nach dem Konflikt muss das alles aufgearbeitet werden:
        Russland hat bereits zumindest in den Tschechenien-Kriegen und in Syrien ähnlich illegale Kriegstaktiken eingesetzt wie jetzt in Mariupol. Wir haben uns trotzdem vom Feind in der Energieversorgung abhängig gemacht. Das zieht sich durch alle Parteien mit Ausnahme der Grünen. Das Neue Deutschland positioniert sich übrigens klar gegen Russland.
        Wir haben über ein Jahrzehnt die Warnungen vieler Osteuropäer ignoriert. Ich war bisher unterdurchschnittlich anti-China, aber die Nummern, die Xi da abgezogen hat, sollten für die Zukunft Konsequenzen haben.

        • Stefan Pietsch 20. März 2022, 17:01

          Der Feind zielt auf eine Spaltung ab. Deshalb bin ich für Einheit.

          Das ist so. Das zeigt sich ja auch im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen, wo die ganzen Kandidaten, die auf die nationale Karte und Alleingänge setzen, nun Außenseiter sind. Macron ist der einzige, der nicht auf Viva la France gesetzt haben.

          Deutschland hat bisher einen sehr nationalen Ansatz verfolgt: in der Verteidigung, in der Energiepolitik, in der Außenpolitik, im Corona-Management, in der Zuwanderungspolitik. Immer erklären wir die anderen zu Geisterfahrern, während wir den Solitär mimen. Das muss aufhören.

          • Lemmy Caution 20. März 2022, 18:25

            Ich stimme Dir ja teilweise zu, aber es ist jetzt nicht der Zeitpunkt für die nationale Seelensuche.
            Es geht um den Kampf Liberalismus im weitesten Sinne gegen Anti-Liberalismus. Das hier: https://www.youtube.com/watch?v=x70z5QWC9qs

            Ich stimme mit Dir teilweise überein.
            Im Thema Verteidigung scheint ein Umdenken stattzufinden. Ich selbst war immer gegen Nord Stream II und höhere Ausgaben in Verteidigung.
            In der Energiepolitik ist ein Umbau hin zu regenerativen Energien der richtige Weg. Allerdings sollten für den Übergang die Atomkraftwerke ein paar Jahre länger laufen. Als ich mich lange und ernsthaft mit Venezuela auseinandergesetzt habe, begriff ich nicht sofort, dass Ölstaaten völlig anders funktionieren als Nicht-Ölstaaten. In einem Staat, der ökonomisch nicht dermassen an den windfall profits fossiler Energie-Träger hängen würde, wäre so etwas wie Putin nicht möglich. Wir müssen diese Abhängigkeit kappen.
            Im Corona-Management verhielten sich andere europäische Staaten strenger als Deutschland. War 2020 und 2021 jeweils für ein paar Tage in Nord-Italien. Da war das spürbar, v.a. nach der Durchquerung von Tirol. Auch Tschechien, Spanien, Dänemark und Belgien waren streckenweise sehr streng.
            In der Zuwanderungspolitik haben wir Grenzen gesetzt, s. syrische Flüchtlinge in Griechenland und ertrunkene Afrikaner im Mittelmeer. Ich bin für Grenzen in der Zuwanderung. Eine gewisse rein humanitäre Zuwanderung müssen wir aber zulassen. Wir können nicht aktiv Krankenschwestern in Buenos Aires anwerben und gleichzeitig überhaupt keine Nahost/Afrika Flüchtlinge mehr aufnehmen. Aufgrund der demographischen Situation sind wir für die nächsten 20 Jahre auf Zuwanderung angewiesen.

    • Ariane 20. März 2022, 03:25

      Als Mann über 50 muss man aufpassen, dass einem nicht ein gesundes Maß an Demut verloren geht.

      Wow, hätte dich deutlich jünger geschätzt! (aufgrund deines Twitter-Avatars halte ich dich allerdings auch für ein Lama :D)

      Befürworte einen sofortigen Stop aller Kohle, Öl und Gasimporte aus Rußland. Würde auch den Ausstieg aus der Kernenergie sofort aussetzen. Diese Sprache versteht Putin.

      Emotional wäre ich auch sofort dafür! Finde es aber schwer einzuschätzen, wie machbar das ist, wir können wohl kaum aus allem gleichzeitig raus. (weil ja das mit den erneuerbaren Energien holperte). Habeck hat ja angekündigt, zumindest Kohle und Öl nicht mehr aus Russland zu holen, das ist schon mal ein Anfang. (mehr Waffen wären mir allerdings lieber, weil die übrigens auch eine schnellere Wirkung haben, der Sanktionskram ist ja langfristiger).

      • Erwin Gabriel 20. März 2022, 12:01

        @ Ariane 20. März 2022, 03:25

        Befürworte einen sofortigen Stop aller Kohle, Öl und Gasimporte aus Rußland. Würde auch den Ausstieg aus der Kernenergie sofort aussetzen. Diese Sprache versteht Putin.

        … mehr Waffen wären mir allerdings lieber, weil die übrigens auch eine schnellere Wirkung haben, der Sanktionskram ist ja langfristiger.

        Zustimmung zu beiden Punkten. Wer an Saudi-Arabien Waffen mit der Begründung liefert, das Land sei ein stabilisierender Faktor in der Region, müsste auch für die Ukraine auffahren. Auch dieses Land ist ein stabilisierender Faktor in der Region – zumindest, solange Putin es nciht eingesackt hat.

  • einfachnurRoland 19. März 2022, 22:33

    Grünen-Bashing mach dir Spass, gell?

    „Beispielhaft zeigte das die Grüne Emilia Fester in ihrer Wutrede für eine Impfpflicht gegen die Verfechter der Freiheitsrechte. Der Kern ihres Denkens: ihre Freiheit sei von dem Verhalten jener abhängig, die nicht so denken wie sie. Auf ihrer Internetseite wirbt sie völlig ironiefrei dann für die körperliche Unversehrtheit, die allerdings nicht für Impfgegner gilt.“

    Schau dir doch mal das hier an, da kannst du noch was über Freiheit lernen (keine Bange sind nur 4 min)
    https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7534242#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NTM0MjQy&mod=mediathek

    Aber Focus ist natürlich eine viel bessere Quelle, wenn man Liberalismus für eine Teildisziplin der Ökonomie hält.

    • sol1 20. März 2022, 00:25

      „Und Ihre persönliche Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, beeinflusst mein Leben, beeinflusst das Leben von Millionen von Menschen in der Bundesrepublik. Nicht die Impfpflicht ist die Zumutung, sondern keine Impfpflicht ist die Zumutung – die Zumutung für die solidarische Mehrheit.“

      • Stefan Pietsch 20. März 2022, 08:45

        Kein anderes demokratisches Land hat eine Impfpflicht. Die Impfstoffe wirken nicht gegen die derzeit grassierende Omikronvariante. Geimpfte können sich anstecken und das Virus weitertragen.

        Man benötigt schon bessere Begründungen für eine Impfpflicht als die Argumente von vor 12 Monaten.

        • einfachnurRoland 20. März 2022, 20:54

          Vor 12 Monaten hätte ich die Impfpflicht auch besser gefunden. Aber wie heißt es so schön? Besser spät als gar nicht.
          Ich hatte just heute ein Gespräch mit so einem besserwisserischem – wie würde er sich selbst nennen? – evidenzbasiertem Mediziner. Eigentlich wollte ich nur die aktuelle Pressedarsellung der „Schulmedizin“ kritisieren. Das hat er anders verstanden. Er ist dann ziemlich laut geworden, so etwa 10 min. lang. Ist halt ein bisschen überarbeitet der Kerl. Was ich aber interessant fand war das Tempo, die Stringenz und die Routine, die er hatte mir etwa alle 10-15 Sek neue Fakten zu nennen: Statistiken, medizinische Hintergründe, Erfahrungen aus sein Arbeitsalltag, etc. etc. Wie gesagt: 10 min lang. Im Nachinnein hätte ich gerne mitgeschrieben…

          Aber mal als keinen Lösungshinweis: Die Aussage „Geimpfte können sich anstecken und das Virus weitertragen.“ ist so richtig wie unwichtig. Es besteht halt noch ein großer Unterschied zwischen GAR KEINER und VOLLSTÄNDIGER Immunisierung. Und wenn man diesen Unterschied nochmal mit den Grundlagen des expotentiellen Wachstums zusammenbringt (ihr erinnert euch bestimmt noch an damals, 2020: Flatten the curve) kommt man doch wieder bei den Aussagen von Fester heraus, oder?

          • Stefan Pietsch 20. März 2022, 21:35

            Tempi passati. Die Welt hat sich weitergedreht, die Argumente vom Herbst 2021 passen nicht mehr zum Frühling 2022. Ansonsten kopiere ich einfach meine Replik an Thorsten Haupts hier noch einmal ein:

            Ein Zwang durch den Staat unterliegt sehr strengen Begrenzungen. Sämtliche Impfpflichten in Deutschland waren immer nur auf einen engen Kreis begrenzt. Die Corona Impfpflicht erfüllt diese Voraussetzung schon nicht. Die Impfpflicht kann dann gerechtfertigt sein, wenn der Geimpfte selbst den Hauptnutzen hat. Auch das gilt hier nicht. 18jährige z.B. haben praktisch kein messbares Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken und dauerhaft geschädigt zu werden. Vor allem wird die Impfpflicht ja auch mit dem Schutz der Allgemeinheit begründet. Das ist viel zu schwach um in Karlsruhe Bestand zu haben, da derjenige, auf den Zwang ausgeübt wird, ja gar nicht den Hauptnutzen hat. Außerdem setzt eine Impfpflicht voraus, dass wirksame Vakzine vorhanden sind. Das ist in der heutigen Lage nicht gegeben. Die Vakzine wirken nicht gegen Omikron.

            • einfachnurRoland 20. März 2022, 23:05

              Doch tun sie, nur im Moment nicht vollständig. Das werden sie aber vermutlich bald wieder. Wenn hier von Karlsruhe irgendein Widerspruch zu erwarten ist, dann höchstens das auf die Omikron-Anpassung der Impfstoffe zu warten ist.
              Zwangsmaßnahmen dienen doch nicht der Förderung der Betroffenen! Ein Gewaltverbrecher kommt doch nicht in Zwangsverwahrung, weil es das Beste für IHN ist, sondern für alle anderen.
              Meine Freiheit endet nun mal bei meinen Mitmenschen. Und zwar nicht nur an deren Freiheit, oder was sie im freiheitlichen Streben an Absichten pflegen, sondern ganz klar an ihren Verhalten und auch ihren Emissionen.

              • Stefan Pietsch 20. März 2022, 23:33

                Wow, unbescholtene Bürger, die sich nicht impfen lassen wollen, mit Gewaltverbrechern üblerer Sorte zu vergleichen.

                Die Freiheit meiner Mitmenschen endet bei mir. Die Grundrechte sind nicht von der Gemeinschaft zum Individuum gedacht, sondern vom Individuum gegen die Gemeinschaft.

                Was sagt es Ihnen, dass kein demokratisches Land eine Impfpflicht hat noch darüber nachdenkt? Was macht Deutschland (wieder einmal) so besonders? Denken die alle nicht an den Schutz aller?

                Und ja, eine Impfpflicht muss vor allem dem Zwangsgeimpften dienen. Sonst wird es schwierig. Das ist die Konsequenz aus „Das Individuum hat Vorrang“.

                • einfachnurRoland 21. März 2022, 22:05

                  Ich betrachte Probleme ganz gerne mal von den Extremen her – wie früher im Matheunterricht – und ging eigentlich davon aus, das eine Sicherungsverwahrung als unstrittiges Beispiel für eine staatliche Zwangsmaßnahme zum Schutz der Allgemeinheit darstellt. Aber anscheinend war das nicht politisch korrekt genug. Sorry dafür.
                  Dann probier ich meinen Punkt mal anders:
                  Masernschutzimpfung, Anschnallpflicht, Tempo-Beschränkungen, Produkthaftungsgesetz usw. usf. Der Staat überwacht alle seine lieben Individuen, dass sie sich nicht gegenseitig umbringen. Das ist seine Kernaufgabe. Das wird er tun. Ob es dem Individuum passt oder nicht. Und das ist gut so. In Italien betrifft das auch schon die Corona-Impfung. Keine Demokratie?

                  Und das Urteil über das Luftfahrtverkehrsgesetz ändert daran gar nichts. Dafür sterben nämlich viel zu viele Menschen an Corona und viel zu wenige an Impfungen. Deine Argumentation ist schlicht contrafaktisch.

                  • Stefan Pietsch 22. März 2022, 10:29

                    Ich betrachte Probleme ganz gerne mal von den Extremen her – wie früher im Matheunterricht

                    So gehe ich auch gerne vor. Nur, die Sicherheitsverwahrung ist ein Instrument für Menschen, die schon extrem tödlich für andere waren und eindeutig rechtsstaatlich abgeurteilt wurden. Diese Merkmale fehlen bei der Verordnung einer Impfpflicht für alle. Die Allgemeinheit muss nicht vor einem einzelnen Ungeimpften geschützt werden, da dieser mit einer hohen Wahrscheinlichkeit überhaupt keine Gefahr darstellt, nicht einmal als Infektionsherd. Die Gefahr ist äußerst abstrakt, zumindest bezogen auf den Einzelnen.

                    Wie schon angeführt, die Masernschutzimpfung trifft einen eng abgegrenzten Kreis mit hohem Ansteckungs- und Schädigungsrisiko. Eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19 ist das Gegenteil: sie ist die Schrotflinte. Ihre anderen Nennungen betreffen nicht das Individuum, sondern den sachgemäßen Gebrauch. Sie dürfen in Deutschland auch nur dann eine Waffe führen, wenn sie in deren Gebrauch unterwiesen und sich als charakterlich gezeigt haben. Oder Sie verzichten auf das Führen einer Waffe. Die Beispiele sind unendlich: Für die Nutzung gefährlicher Gegenstände ist eine sachgerechte Nutzung und die Ergreifung von Vorsichtsmaßnahmen vorgeschrieben. Das gilt in jedem Land. Und dazu gehört auch die Anschnallpflicht, die es übrigens nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch an Liften, im Flugzeug etc. gibt.

                    Aber eine Anweisung für den gerechten Gebrauch des Ich ist dann doch etwas strange. 🙂

                    Auch Italien hat keine allgemeine Corona-Impfpflicht.

                    Es sterben derzeit kaum Menschen an der Grippe. Hier liegt aber nur ein Substitutionseffekt vor: Statt an der Grippe versterben heute Ältere an Corona. Das Ergebnis ist das Gleiche, tot ist tot. Relevant wäre das nur, wenn mehr als üblich oder erwartbar versterben, die sogenannte „Übersterblichkeit“. Die aber gibt es so nicht.

                    Das Relevante am Urteil über das Luftverkehrsgesetz war und ist, dass der Staat nicht Menschenleben gegeneinander abwägen darf. Da das Recht auf Leben nur eines von einer Reihe von Grundrechten ist, erweitert sich das darauf, dass der Staat nicht die Grundrechte des einen (Recht auf Leben) gegen die Grundrechte des anderen (Versammlungsfreiheit, in Würde sterben) abwägen darf, zumindest nicht auf Dauer.

                    • Thorsten Haupts 22. März 2022, 13:09

                      Das Relevante am Urteil über das Luftverkehrsgesetz war und ist, dass der Staat nicht Menschenleben gegeneinander abwägen darf.

                      Stimmt.

                      Da das Recht auf Leben nur eines von einer Reihe von Grundrechten ist, erweitert sich das darauf,

                      Stimmt nicht. Kann auch gar nicht stimmen – es gibt kein reales Leben, in dem alle Grundrechte gleichzeitig gleiche Gültigkeit beanspruchen KÖNNEN. Unabhängig davon gibt es keinen logischen Weg, wie man Ihre behauptete Erweiterung aus dem in Frage stehenden Urteil ableiten könnte.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 22. März 2022, 14:04

                      Sie müssen schon mit etwas mehr rüberkommen als einem einfachen „Stimmt nicht“. Wie kommen Sie darauf?

                      Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat darauf hingewiesen, dass das Recht auf Leben eben nicht über allem steht. Schäuble ist Jurist. Aus der juristischen Ordnung des Grundgesetzes ergibt sich das jedenfalls nicht, was Sie behaupten. Sondern was Schäuble sagt. Juristen schreiben nicht einfach alles auf, was ihnen einfällt. Sie haben eine Ordnung, die sie mit Formulierungen und Positionen abgrenzen. So steht Artikel 1 über allem, denn er ist als sogenannte Generalnorm formuliert. Wenn alles im Zweifel ist, die Würde des Menschen gilt immer.

                      Die Grundrechte von Artikel 2 bis Artikel 20 haben zueinander keine Hierarchie, aber innerhalb. So Artikel 14: Absatz 1 eine Muss-Bestimmung, Absatz 2 eine Soll-Bestimmung und Absatz 3 eine Kann-Bestimmung (Nice-to-have). Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist dem Grundrecht auf Ehe oder Eigentum nicht übergeordnet. Und so verhält es sich auch mit Artikel 2 Absatz 2. Da stehen übrigens das Recht auf Leben und das Recht auf körperliche Unversehrtheit – was das Recht einschließt, sich einer Impfung zu verweigern – nebeneinander. Keine Über- oder Unterordnung. Oder meinen Sie ernsthaft, die Verfassungsväter hätten halt einfach irgendwann mal das Recht auf Leben dazugeschrieben, obwohl sie meinten, es stände über allem? Wohl kaum.

                    • Thorsten Haupts 22. März 2022, 20:17

                      Bisschen konsistenter bitte.

                      Sie schrieben:
                      „Das Relevante am Urteil über das Luftverkehrsgesetz war und ist, dass der Staat nicht Menschenleben gegeneinander abwägen darf. Da das Recht auf Leben nur eines von einer Reihe von Grundrechten ist, erweitert sich das darauf, dass der Staat nicht die Grundrechte des einen (Recht auf Leben) gegen die Grundrechte des anderen (Versammlungsfreiheit, in Würde sterben) abwägen darf.“

                      Und das ist einfach blühender Unsinn. Es gibt tausende von Fällen, in denen Grundrechte miteinander in Konkurrenz stehen und das Parlament in seiner Gesetzgebung Grundrechte gegeneinander abwägen muss.

                      Ihre gesamten Ausführungen gingen hier meilenweit am Ziel vorbei.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 22. März 2022, 21:15

                      Ganz klar gefragt: Wenn den Bürgern die Grundrechte zustehen, wieso sollte dann das Parlament eine Abwägung vornehmen dürfen, welche eingeschränkt werden dürfen? Das ist unlogisch.

                      Der Gesetzgeber hat den Bürgern die Grundrechte so zu gewähren, wie sie im Grundgesetz stehen. Wenn dies in besonderen Situationen nicht möglich ist, muss das Gesetz so gestaltet sein, dass es den Kern der Grundrechte nicht berührt. Dauerhaft darf kein (!) Grundrecht eingeschränkt sein.

                      Konkret: Das Recht auf Ehe darf dem Bürger zeitweise vorenthalten werden, beispielsweise bei Minderjährigen. Dies dauerhaft zu versagen geht nicht.
                      Jemand darf in besondern Fällen enteignet werden. Er darf aber nicht generell und nicht dauerhaft enteignet werden.
                      Das Recht, einen Vertrag abzuschließen, kann eingeschränkt werden. Aber es darf nicht generell versagt werden.

                      Usw. Die Grundrechte sind seit 2 Jahren eingeschränkt. Das kommt an ein Ende. Und es ist eben nicht erkennbar, aus welchem Grund eigentlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit durch eine Impfpflicht eingeschränkt werden sollte. Dazu müsste es sehr schwerwiegende Gründe geben. Und die Impfpflicht dürfte nur einmal zu einer Pflichtimpfung führen, aber keinesfalls dauerhaft oder über Jahre.

              • Thorsten Haupts 21. März 2022, 15:05

                Zwangsmaßnahmen dienen doch nicht der Förderung der Betroffenen!

                Zwangsmassnahmen dienen (theoretisch) der Abwendung bzw. Minderung eines Schadens von der Allgemeinheit. Und sind gegen die Individualrechte sorgfältig abzuwägen.

                Ich bin noch immer für eine Impfpflicht – aber ich kann sehr wohl erkennen, dass zum Zeitpunkt „heute“ dieses einzig tragfähige Argument für eine Impfpflicht einfach schwach geworden ist. Vakzine verhindern zur Zeit weder eine Infektion, noch – bei weitem wichtiger – verhinmdern sie die Weitergabe einer Infektion!

                Stefan P glaubt, er könne damit „beweisen“, dass eine Impfpflicht jetzt automatisch ein Verfassungsverstoss ist (eher nein), in dieser Überzeichnung eines validen Gegenargumentes gegen die Impfpflicht liegt sein Fehler, nicht im Argument an sich.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Pietsch 21. März 2022, 15:56

                  Zwangsmassnahmen dienen (theoretisch) der Abwendung bzw. Minderung eines Schadens von der Allgemeinheit. Und sind gegen die Individualrechte sorgfältig abzuwägen.

                  Das ist der zentrale Irrtum. Im Urteil über das Luftverkehrssicherheitsgesetz, das den Abschuss ziviler Passagiermaschinen im Falle eines Terrorakts vorsah, verneinte das Bundesverfassungsgericht klar die Ansicht des Gesetzgebers, Leben gegeneinander abwägen zu dürfen. Dabei geht es eben Individuum gegen Individuum und nicht Individuum gegen Allgemeinheit.

                  Ausgehend von der Vorstellung des Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit Eigenwert anerkannt zu werden, schließt es die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen. Schlechthin verboten ist damit jede Behandlung des Menschen durch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen Status als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt, indem sie die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personseins, zukommt.

                  Wow, das ist noch ein Sound! Der Gesetzgeber hat also unbedingt zu achten, wenn jemand aus Gründen der körperlichen Unversehrtheit sich nicht impfen lassen will. Artikel 1 schützt zwar den Einzelnen vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnlichen Handlungen. Nicht jedoch vor Viren.

                  Stefan P glaubt, er könne damit „beweisen“, dass eine Impfpflicht jetzt automatisch ein Verfassungsverstoss ist (eher nein), in dieser Überzeichnung eines validen Gegenargumentes gegen die Impfpflicht liegt sein Fehler, nicht im Argument an sich.

                  Nein. Nur muss der Staat dafür sehr, sehr starke Argumente auf der Hand haben um eine allgemeine Impfpflicht zu begründen. Und das sind nicht 5%-Punkte Abweichung vom Durchschnittswert der EU.

                  Und für alle, die meinen, § 218 GG müsse im Sinne der Erweiterung des Selbstbestimmungsrechts der Frau erweitert werden:
                  Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von Lebensrecht und Menschenwürde einerseits untersagt, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben einzugreifen. Andererseits ist er auch gehalten, jedes menschliche Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht gebietet es dem Staat und seinen Organen, sich schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen zu stellen

                  … und zu Leben gehört auch das Ungeborene.

                • CitizenK 21. März 2022, 15:58

                  Zustimmung.

                  • Thorsten Haupts 21. März 2022, 17:19

                    Das ist der zentrale Irrtum.

                    Nein? Ihre nachfolgenden Ausführungen belegen das auch nicht. Sie belegen, dass das BVerfG untersagt hat, Menschen als (reines) Mittel zu gebrauchen, was bei der Impfpflicht gar nicht in Frage steht.

                    Ich verstehe Ihren Standpunkt sehr gut – aber die Frage von Impfpflicht oder nicht eignet sich schlicht nicht für eine grosse Freiheitsverständnis-Diskussion. Dafür ist der erforderliche Eingriff schlicht nicht schwerwiegend genug!

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 21. März 2022, 17:52

                      Eine Impfung ist ein schwerwiegender Eingriff. Dabei kommt es nicht darauf an, wie Sie oder ich das empfinden. Wenn ein Arzt unerlaubt einem Patienten ein Medikament spritzt, ist das eine (gefährliche) Körperverletzung. Das können dann 3 Monate bis 5 Jahre werden. Bei einem solchen normalen Strafrahmen sind wir nicht bei Kleindelikten. Anders ausgedrückt: der Gesetzgeber empfindet den Eingriff in den Körper eines anderen durch Verabreichung von Medikamenten als etwas Schwerwiegendes. Entsprechend vorsichtig und abwägend hat der Gesetzgeber bei einer allgemeinen Impfpflicht zu entscheiden.

                      Natürlich, das Bundesverfassungsgericht hatte noch nie über eine allgemeine Impfpflicht zu entscheiden. Aber die Karlsruher Linie bei solchen Maßnahmen ist klar und lässt sich aus anderen Entscheidungen ableiten. Vor allem gilt nicht, was Sie behauptet haben: Der Schutz der Allgemeinheit steht nicht über den Interessen des Einzelnen. Das ist nicht die Philosophie des Grundgesetzes!

                    • Thorsten Haupts 21. März 2022, 19:44

                      Der Schutz der Allgemeinheit steht nicht über den Interessen des Einzelnen.

                      Wäre das nicht so, gäbe es das gesamte deutsche Strafrecht nicht. Es beruht darauf.

      • Erwin Gabriel 20. März 2022, 12:31

        @ sol1 20. März 2022, 00:25

        „Und Ihre persönliche Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, beeinflusst mein Leben, beeinflusst das Leben von Millionen von Menschen in der Bundesrepublik. Nicht die Impfpflicht ist die Zumutung, sondern keine Impfpflicht ist die Zumutung – die Zumutung für die solidarische Mehrheit.“

        Ich hatte die Rede auch gesehen, fand sie begeisternd, beeindruckend, großartig, berührend, rhetorisch stark, aus ihrer persönlichen Situation nachvollziehbar – und den Standpunt falsch.

        Einen anderen zu zwingen, sich impfen zu lassen, ist ein deutlich größer, bedeutender, persönlicher und schwerwiegender Eingriff als der Sachverhalt, dass mein Nachbar nicht geimpft ist.

        Ich lehne die Impfpflicht aus mehreren Gründen strikt ab:
        • Es geht nicht um die Pest oder eine andere Krankheit, die zwei Drittel der Menschheit auslöscht etc., sondern ‚nur’ um Corona. Diese Krankheit ist zwar nicht harmlos, aber weit entfernt davon, für unsere Gesellschaft existenzbedrohend zu sein.
        • Die Impfung ist ein Eingriff in die Unversehrtheit der betroffenen Person. Erfolgt dieser Eingriff freiwillig, ist alles gut; erfolgt er unter Zwang, verstößt er meiner Wahrnehmung nach gegen das Grundgesetz.
        • Man würde einer grundsätzlichen Entwicklung die Türe öffnen, die ich für gefährlich und falsch halte. Hier sollte man keinen Präzedenzfall schaffen.
        • Die Impfung selbst schützt ganz offenbar nicht vor der Ansteckung, was den Schluss zulässt, dass es noch keinen wirklich wirksamen bzw. nur einen teilweisen Impfschutz gibt. Aber die Leute zu zwingen, sich mit einem un- oder nur teilweise wirksamen Impfstoff behandeln zu lassen, halte ich für grundlegend falsch.
        • Es gibt durchaus Menschen, die unter der Impfung erheblich litten. Die Impfpflicht ist also auch (zumindest für eine kleine Gruppe) eine potentielle Gefährdung und Verletzung, die deutlich über den ‚kleinen Piek’ hinausgehen kann.

        Ich bin doppelt geimpft + geboostert, lasse mich alle zwei Tage testen, trage beim Einkaufen eine Maske und verhalte mich grundsätzlich vorsichtig. Aber das ist meine Entscheidung, und muss deshalb nicht automatisch für jeden zum Zwang werden.

    • Dobkeratops 20. März 2022, 08:01

      Du liest hier noch nicht lange mit, oder?

      Herr Pietsch schreibt hier seit Jahren nur Variationen des immergleichen Befindlichkeits-Rants, in dem er zuverlässig seine Verachtung über alle ausgießt, die ihm unähnlich sind. (Unvollständige Sammlung: Linke, Grüne, Frauen, Migranten, Beamte, junge Leute, etc.)
      Als Aufhänger dient meistens irgendein aktueller Talking Point aus der Welt, manchmal auch etwas, das er bei Fleischhauer oder Lanz aufgeschnappt hat.

      • Erwin Gabriel 20. März 2022, 12:10

        @ Dobkeratops 20. März 2022, 08:01

        Herr Pietsch schreibt hier seit Jahren nur Variationen des immergleichen Befindlichkeits-Rants, in dem er zuverlässig seine Verachtung über alle ausgießt, die ihm unähnlich sind. (Unvollständige Sammlung: Linke, Grüne, Frauen, Migranten, Beamte, junge Leute, etc.)

        Jeder disqualifiziert sich, so gut er eben kann. Und selbst wenn Stefan Pietsch so sein sollte, wie Du ihn offenbar wahrnehmen willst (was die Nicht-Auseinandersetzung mit vielen Gedanken und Fakten, die durch seine „immergleichen Befindlichkeits-Rants“ schimmern, schon sehr erleichtert), solltest Du auch wahrgenommen haben, dass deutlich mehr Mitdiskutierende von diesem Schlag auf Pietschs Gegenseite zu finden sind.

        Sei es drum, man kann auf seine Argumente eingehen, wenn man bereit ist zur Diskussion; Mancher ist eben nicht bereit, und klammert sich an das, was er hat (, nein, ich rede nicht von Argumenten).

  • Ariane 20. März 2022, 03:19

    Ich habe diesen Text sorgfältig gelesen, ehrlich gesagt weil ich schon etwas besorgt war ob deines Schweigens.

    Muss allerdings zugeben, dass ich auch danach nicht weiß, wer fremd im eigenen Land ist (du? die Ampel? Lisa Eckhard?) oder worum es genau geht. Die Pandemie? Merkel als Verräterin, weil sie nicht genug Windräder gebaut hat (??) Die Jugend, die nicht bereit ist, für ihr Land zu sterben?

    Gerade 18 Prozent der Deutschen würden ihr Land gegen einen Angreifer verteidigen wollen, gegenüber 80 Prozent in der Ukraine. Das ist mit peinlich nicht mehr weitreichend umschrieben. Die Zahl erklärt, warum die Generation der U40 den Pflichtdienst an der Waffe so scheut wie eine Veranstaltung der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckart.

    Ich greife mir mal diesen Absatz raus, weil er übrigens vor Verachtung nur so trieft. Meiner Meinung nach gilt hier dasselbe wie bei Zivilcourage, Widerstand etc. Man weiß erst, wie man reagiert, wenn es soweit ist. Die Zahlen waren in der Ukraine vor 2014 sicherlich auch nicht sonderlich hoch.
    Zweitens: Niemand, wirklich niemand nimmt eine Waffe in die Hand, um sein Land, die Freiheit oder die Demokratie zu verteidigen. Sorry für die Pragmatik, aber das tut man für sein Leben, sein Zuhause, seine Familie. Der Rest ist Show, was übrigens auch für die amerikanische Verfassung gilt. Und ja, etwas mehr Demut und Respekt gegenüber unseren Vätern und Müttern des Grundgesetzes wäre schon nett.

    Also, es ist ein ziemliches Sammelsurium und ich extrahiere daraus, dass du mit der Gesamtsituation sehr unzufrieden bist, das tut mir leid. Geht mir in einigen Punkten ähnlich, aber die Verachtung, die da in dem Sammelsurium für alles und jeden herausscheint, halte ich schon für bedenklich. (auch im Sinne eines höflichen Umgangs miteinander)

    • Dobkeratops 20. März 2022, 08:11

      Muss allerdings zugeben, dass ich auch danach nicht weiß […] worum es genau geht.

      Ging mir ähnlich. Wenn die Gedanken in Herrn Pietschs Kopf genauso wild durcheinanderpurzeln wie in diesem Text, bin ich froh, nicht in seiner Haut zu stecken.
      Stream of consciousness kann in einem literarischen Werk ein tolles Stilmittel sein, einem Sachtext stünde jedoch ein Mindestmaß an Struktur deutlich besser zu Gesicht.

    • Stefan Pietsch 20. März 2022, 08:43

      In der gesellschaftlichen Debatte haben mich ein paar Dinge tierisch aufgeregt, das muss mal raus. Daher ist der Artikel zutiefst persönlich.

      Muss allerdings zugeben, dass ich auch danach nicht weiß, wer fremd im eigenen Land ist (du? die Ampel? Lisa Eckhard?) oder worum es genau geht.

      Ich. Und das Vergessen, was die Basis einer zivilen Gesellschaft ist: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, Verantwortung, Würde und Stil. Die beiden letztgenannten Punkte folgen im zweiten Teil.

      Wird das wirklich nicht deutlich? Deutschland ist, wie es ist bzw. wie es sich verändert hat. Die Menschen sind ultravorsichtig bis hin zu ängstlich, demütig statt aufmüpfig, an Weisungen orientiert statt Unternehmer. Aber sie sind nicht mal bereit zu verteidigen, was ihnen so viel bedeuten müsste. Die einen nennen es friedfertig, ich nenne es Feigheit.

      Als Liberaler bin ich es gewohnt, dass die große Mehrheit meiner Mitmenschen anders tickt als ich. Ariane, ich war schon Liberaler, da wusste ich noch nicht, dass ich einer bin. Ich bin es auch gewöhnt, dass Anhänger von Vorgaben, Verboten und staatlichen Zuordnungen sich selbst als liberal bezeichnen. Das Wort hatte immer einen guten Klang, die dahinterstehende Einstellung nicht. Aber inzwischen erklären Politiker und die große Mehrheit Pflichten (Maskenpflicht, Impfpflicht) zur neuen Freiheit. Nur bei der Wehrpflicht ist man bereit eine Ausnahme zu machen. Das hat Orwell’sche Züge.

      Die Bereitschaft, das Land zu verteidigen, ist bei den Deutschen sehr unterdurchschnittlich ausgeprägt. Ariane, das war eine internationale Gallup-Umfrage.

      Es ging nicht um Despektierlichkeiten gegenüber den Gründungsvätern der Verfassung. Es ging darum, dass das Grundgesetz den Deutschen nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist. Nicht die Schreiber sind das Ziel der Attacke, die Empfänger der Freiheitsrechte sind es!

      In Südamerika wäre ich als erkenntliche sogenannte „Langnase“ auch in der Minderheit. In den USA wäre ich es aufgrund meiner für amerikanische Verhältnisse doch sehr ausgeprägten sozialen Einstellungen und Begriffen von Fairness. Aber Deutschland hat sich in den letzten Jahren ziemlich ungut entwickelt.

      • Ariane 20. März 2022, 15:03

        Wird das wirklich nicht deutlich? Deutschland ist, wie es ist bzw. wie es sich verändert hat. Die Menschen sind ultravorsichtig bis hin zu ängstlich, demütig statt aufmüpfig

        Nun, also dass du unzufrieden bist, wird schon deutlich. Klar gibt es Gründe, Dinge zu kritisieren, vielleicht auch für Zorn, aber das scheint mir doch alles eine arg verzerrte, vielleicht wirklich von Empörung getriebene Sichtweise zu sein.
        Du kannst natürlich schreiben, was du willst, aber ich finde es enorm unbefriedigend, einen Artikel zu lesen, der hauptsächlich von Geringschätzung anderen gegenüber handelt und dazu eben durch das Sammelsurium wenig Ansatzpunkte zum Nachdenken und weiter Diskutieren bietet.

        Die Bereitschaft, das Land zu verteidigen, ist bei den Deutschen sehr unterdurchschnittlich ausgeprägt. Ariane, das war eine internationale Gallup-Umfrage.

        Es wird auch schwer sein, ein Land zu finden, das (aus gutem Grund) so eine schwierige Beziehung zu allem Militärischen hat. Ich verstehe nicht, warum du dich daran so aufhängst. Ich hätte auch mit Nein geantwortet. Macht mich das jetzt in deinen Augen zum Feigling?

        Vielleicht (mal abgesehen davon, dass Angst und Sorge generell nicht das Schlimmste von Welt sind und bei einer Invasion durchaus seine Berechtigung hat). Andererseits wäre ich mit Waffe in der Hand halt auch eher eine Gefahr als Hilfe, das muss ja nicht zwangsläufig heißen, dass ich mich sofort ergebe. Es gibt viele Arten zu kämpfen und was ohne Waffe stattfindet, dann pauschal als feige abzuqualifizieren, sagt mehr über dich als über die Umfrage aus, sorry.

        • Stefan Pietsch 20. März 2022, 16:40

          Nun, also dass du unzufrieden bist, wird schon deutlich.

          Nicht unzufrieden, Ariane. Entfremdet. Das passiert in den besten Familien. Das wird Dir auch schon passiert sein, dass Du Dich einer Sache, einer Person, einem Umfeld entfremdet fühltest.

          Nochmal: Die Deutschen sind wie sie sind. Nur kamen in den letzten Jahren Charakterzüge verstärkt heraus, die diamentral zu meiner Mentalität stehen. Das ist keine Geringschätzung. Ich kann gemeinhin auch wenig mit Franzosen und Russen anfangen. Nur, die Deutschen missachten inzwischen auch das, worauf immerhin unser Zusammenleben fusst, dass auch jemand wie ich, mental ziemlich fern, trotzdem sich in diesem Land wohlfühlen könnte. Ich habe das, unüblich für meine Art Artikel zu schreiben, sogar klar in 4 Punkte gegliedert. Wenn ohne ersichtliche Gliederung besser ist als mit – dann ist das doch etwas schräg.

          Es wird auch schwer sein, ein Land zu finden, das (aus gutem Grund) so eine schwierige Beziehung zu allem Militärischen hat.

          Wie ein israelischer Politiker dieser Tage meinte, und wie der ehemalige polnische Ministerpräsident Tusk schon vor Jahren meinte: Es wird echt Zeit, dass die Deutschen ihren Kopf aus ihrem A… bekommen. Gut, so haben die es nicht gesagt, aber seit vielen Jahren sind nicht nur unsere Partner und Verbündeten ziemlich genervt, wie Deutschland sich hinter seiner Geschichte versteckt.

          In einer Antwort an CitizenK habe ich schon gesagt, dass die Summe das Bild ergibt und nicht der Mosaikstein. Aber Fakt ist, dass die Deutschen, wenn sie einen gewaltsamen Streit irgendwo erleben oder Menschen in Not geraten – z.B. ins Eis eingebrochene Kinder – sie lieber die Beine in die Hand nehmen als zu helfen und sich einzumischen. Das ist dann in Deinen Worten der Charakterzug eines Feiglings. Ich habe ein Problem, eine Waffe in die Hand zu nehmen, da ist sehr viel Respekt. Ich habe aber keine Sekunde ein Problem, einem Gewalttäter, einem Angreifer, jemanden, der sich daneben benimmt, schlicht eine reinzuschlagen. Da bin ich schon gewalttätig. 😉

          Meine Frau muss mich da immer bremsen mich einzumischen. Vor Jahren bin ich mit dem Zug gefahren, als eine junge Frau mit ihrem Kind von ein paar Halbstarken belästigt wurde. Was hätte der gute Deutsche in der Situation gemacht? Klar, Polizei benachrichtigen, abwarten, beobachten. Du als Frau hättest Dich da sicher sehr wohl gefühlt, Hilfe wäre ja unterwegs gewesen, vielleicht in 10 oder 20 Minuten. Aushalten. Ich habe den Jungs ein paar Ansagen gemacht und eine drohende Position eingenommen. Das reicht bei solchen Feiglingen.

          • Ariane 20. März 2022, 17:13

            Nicht unzufrieden, Ariane. Entfremdet. Das passiert in den besten Familien. Das wird Dir auch schon passiert sein, dass Du Dich einer Sache, einer Person, einem Umfeld entfremdet fühltest.

            Klar aber vermutlich nicht einem Land. Denn selbst hypersensible Linke wie ich haben seltenst eine emotionale Beziehung zu einem Land^^
            Und dein pauschales Urteilen über die Deutschen finde ich schon befremdlich. Es wirkt halt schon eher so, als wenn du recht blindwütig auf alles einschlägst, was nicht deiner Meinung entspricht.

            • Stefan Pietsch 20. März 2022, 17:38

              80% sind für mich die Deutschen. Und Du solltest mich längst gut genug kennen, dass ich andere Meinungen fordere und schätze – und sei’s auch nur, um sie sezieren zu können. 🙂

              Ich habe eine sehr emotionale Bindung an mein Land. Etwas, was ich nicht zu jedem der 193 UN-Staaten entwickeln kann.

        • Thorsten Haupts 20. März 2022, 17:48

          … Es gibt viele Arten zu kämpfen …

          Das stimmt, es ist nur ohne die Bereitschaft einer ausreichend grossen Zahl von Menschen, notfalls zur Waffe zu greifen, gegen einen aggressiven und brutalen Gegner völlig sinnlos.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 20. März 2022, 09:18

      Ja, und das erstreckt sich auch auf die Antworten. „Nichts verstanden“, die ganze Zeit.

      • Erwin Gabriel 20. März 2022, 12:36

        @ Stefan Sasse 20. März 2022, 09:18

        Ja, und das erstreckt sich auch auf die Antworten. „Nichts verstanden“, die ganze Zeit.

        Gilt offenbar auch für Dich.

        Du gibst Dir inzwischen selbst bei einer Comicbuch-Besprechung mehr Mühe als bei der Diskussion mit Andersdenkenden.

        • Stefan Sasse 20. März 2022, 13:15

          Das ist eine Beleidigung.

          • Erwin Gabriel 20. März 2022, 18:08

            @ Erwin Gabriel 20. März 2022, 12:36

            Das ist eine Beleidigung.

            Vorab: Ich bezog mich auf „Andersdenkende“.
            Dann schriebst Du „Nichts verstanden“, die ganze Zeit.
            Das ist falsch.

            Falls das die Situation nicht ausreichend klärt, entschuldige ich mich für meine Aussage und formuliere um:

            Aus Deinen schlichten, lieblosen und teilweise gehässigen Antworten (z.B. „Treffer, versenkt“) gewinne ich den Eindruck, dass auch Du den Punkt (im Gegensatz zu anderen) nicht verstanden hast oder nicht verstehen willst.

            Wenn ich Deine ‚Antworten‘ hier im Thread mit der liebevollen, umfassenden und durchdachten Besprechung des Calvin&Hobbes-Sammelbandes vergleiche, drängt sich mir der unwiderstehliche Eindruck auf, dass Du Dir bei dieser Comicbuch-Besprechung viel mehr Mühe gegeben hast als mit Deinen Kommentaren zum Artikel von Stefan Pietsch.

            Diese Aussage gibt nur meine persönliche Meinung wieder.

            Passt es so besser?
            E.G.

            Du gibst Dir inzwischen selbst bei einer Comicbuch-Besprechung mehr Mühe als bei der Diskussion mit Andersdenkenden.

            • Stefan Sasse 20. März 2022, 18:41

              Der „Treffer“ bezog sich offenkundig einzig auf den Kommentar mit der Sprache zum GG und US-Verfassung. Nicht mehr, nicht weniger. Es war die Anerkennung einer aus meiner Sicht gelungenen Pointe, that’s it.

              Ich habe Stefans Artikel überhaupt nicht kommentiert. Sondern nur den Kommentar.

    • sol1 20. März 2022, 11:40

      „Niemand, wirklich niemand nimmt eine Waffe in die Hand, um sein Land, die Freiheit oder die Demokratie zu verteidigen. Sorry für die Pragmatik, aber das tut man für sein Leben, sein Zuhause, seine Familie.“

      Das wird ja auch im verlinkten Artikel klar herausgestellt:

      /// Lassen sich die Antworten aus autoritären Regimen wie Russland (59 Prozent) oder Diktaturen wie China (71 Prozent) mit denen aus den Demokratien Europas vergleichen? Und gibt es die Russen oder die Chinesen überhaupt? Auch bedeuten niedrige Ja-Werte in einer freien Gesellschaft nicht, dass diese im Konfliktfall sich nicht doch zur Wehr setzen würde. (…)

      „Wenn die Bürger eines Landes an die rechtsstaatliche oder demokratische Lösung von Konflikten gewöhnt sind, sind sie wohl weniger dazu bereit, zu den Waffen zu greifen“, erklärt der Zürcher Politologe Thomas Schäubli einen Trend der Umfrage. Das zumindest wäre ein ermutigender Befund. ///

  • Kning4711 20. März 2022, 10:08

    Vielen Dank für diesen launigen Artikel rund um Deine Empfindungen über den Zustand unseres Landes. Beim Lesen stellte ich fest, dass ich das ein oder andere Mal die Stirn runzeln, aber eben auch zustimmend nicken musste.

    Ich vermute aber uns eint ein Grundgefühl, dass diesem Land ein Stück weit der Kurs abhanden gekommen ist und wir seit gefühlt zwei Jahrzehnten in einer dauernden Richtungsdiskussion feststecken. Einen Großteil dieser Zeit verbrachte es ohne Plan oder Agenda, ging von einem Ereignis / Krise zur nächsten und nutzte nie die Gelegenheiten, die sich dem Land boten. Diese Orientierungslosigkeit hat so ziemlich alle Bereiche erfasst. Ich sehe es im politischen, im beruflichen, wie auch im privaten. Das fatale an dieser Entwicklung ist, dass es uns, mäkelig, unzufrieden und mutlos macht.
    Sich dagegen zu stemmen kostet unglaublich viel Kraft und meine Beobachtung ist, dass vielen diese Kraft inzwischen fehlt, bzw. von Zynismus und Galligkeit aufgefressen wird.

    In Ermangelung eines Plans, orientiert man sich dann eben an Prinzipien und setzt dieser wider aller Vernunft durch. Die Lockerungen in der Pandemie werden wir vornehmen müssen, weil wir mit dem Risiko leben lernen müssen. Aber man macht es zum wahrscheinlich schlechtesten Zeitpunkt: Am historischen Peak von Inszidenz und Erkrankungen geht das Land in den Normalzustand und führt die letzten zwei Jahre Pandemiepolitik komplett adsurdum. Damit wird die bereits angesprochene Orientierungslosigkeit erneut verstärkt.

    Insofern kann der Schock, des Ukraine Krieges eine Rosskur unserer Gesellschaft einleiten, ein Weckruf für viele Lebensbereiche. Ich bin nur höchst skeptisch was das Leadership angeht, aber ggf. werden wir doch noch überrascht.

    • Erwin Gabriel 20. März 2022, 12:38

      @ Kning4711 20. März 2022, 10:08

      Beim Lesen stellte ich fest, dass ich das ein oder andere Mal die Stirn runzeln, aber eben auch zustimmend nicken musste.

      Ging mir auch so. 🙂

      Ich vermute aber, uns eint ein Grundgefühl, dass diesem Land ein Stück weit der Kurs abhanden gekommen ist und wir seit gefühlt zwei Jahrzehnten in einer dauernden Richtungsdiskussion feststecken. Einen Großteil dieser Zeit verbrachte es ohne Plan oder Agenda, ging von einem Ereignis / Krise zur nächsten und nutzte nie die Gelegenheiten, die sich dem Land boten. Diese Orientierungslosigkeit hat so ziemlich alle Bereiche erfasst. Ich sehe es im politischen, im beruflichen, wie auch im privaten. Das fatale an dieser Entwicklung ist, dass es uns, mäkelig, unzufrieden und mutlos macht.

      Genau das!

      Danke

      Viele Grüße
      E.G.

    • Stefan Pietsch 20. März 2022, 13:34

      Freut mich, solche Kommentare wie Ihre zu lesen, auch wenn mir wenig Möglichkeiten zum Widerspruch bleiben. Aber natürlich möchte ich in erster Linie verstanden werden. Das ist nicht immer der Fall, so läuft eben Kommunikation. Bewusst missverstanden zu werden, ist dann allerdings so eine Sache…

      Ich vermute aber uns eint ein Grundgefühl, dass diesem Land ein Stück weit der Kurs abhanden gekommen ist

      Genau das. Wem der innere Kompass fehlt, der sollte sich zumindest die Zeit für eine Benchmarkanalyse in den Niederlanden, in Dänemärk, der Schweiz oder wenn das Portemonnaie reicht in den USA machen. Das sorgt meist schon selbst für eine Neukalibrierung.

      Die Lockerungen in der Pandemie werden wir vornehmen müssen, weil wir mit dem Risiko leben lernen müssen.

      Das ist auch so ein Punkt, der mich an der aktuellen Befindlichkeitslage der Gesellschaft furchtbar aufregt. Die Sonderregelungen des Infektionsschutzgesetzes wären heute ausgelaufen. Aus Kulanzgründen räumte die Bundesregierung den Ländern eine Übergangsfrist ein. Was ist in der gleichen Situation in Dänemark, den Niederlanden, den USA und wahrscheinlich den meisten anderen Ländern der UN passiert? Dort haben Politiker wie Bürger gesagt: Was soll das, die neue Situation ist doch eh anders. Dann können wir auch gleich die neue Rechtslage gelten lassen. Nicht so in Deutschland: Die Bundesländer nutzten unisono die Gelegenheit, den bisherigen Zustand zumindest noch um die zwei Wochen zu verlängern, obwohl sie wissen, dass spätestens am 2. April alles anders sein wird. Deutschland, so sonderbar.

  • Thorsten Haupts 20. März 2022, 14:39

    Das hier präsentierte ist eher ein Rant – und wie jeder Wutanfall natürlich inhaltlich nicht konsistent. Ich greife trotzdem ein paar Gedanken heraus, die ich für wenig durchdacht halte:

    … halten das weiterhin fast 80 Prozent der Deutschen für falsch. Die Menschen in diesem Land haben nicht begriffen …

    Tschuldigung Sir – aber nein! Die Mehrheit der Menschen in diesem Lande hat für sich nur anders entschieden, als es Ihrem persönlichen Freiheitsverständnis entspricht. Das sind keine Kinder und SIE sind nicht der Erwachsene, der ihnen erklärt, wie das Leben funktioniert.

    Allein die Debatte über die Impfpflicht spricht für die Verwahrlosung unserer zivilisatorischen Verhältnisse.

    Getretener Quark wird breit, nicht stark. Die Debatte über eine Impfpflicht spricht exakt dafür, dass ausreichend viele Abgeordnete, gestützt durch ausreichend viele ihrer Wähler, irgendeine Form von Impfpflicht für notwendig halten – und sonst nichts. Die pathetische Überhöhung dieser Debatte in Richtung „frei sein oder nicht sein“ ist kein Zeichen für eine halbwegs nüchterne und rationale Geisteshaltung. Das ist Hysterie.

    Über politische Opportunitäten wird in diesem Land nicht mehr gestritten, sie werden wegdefiniert.

    Äh ja – und was genau ist daran neu? Das ist bundesdeutscher Konsens solange wie ich zurückdenken kann – also seit mindestens Ende der siebziger. Das jetzt für „fremd im eigenen Land“ zu verwenden, heisst, Sie haben die letzten 40 Jahre selig verschlafen?

    Auch das war ein Zeichen: ein Land, das solche Normen priorisiert, hat keine echten Probleme.

    Würde ich auch so sehen, nur – eine Bundestagsmehrheit, getragen von einer Bevölkerungsmehrheit, sah das halt anders. Und das war auch kein „Zeichen“, sondern politische Normalität in einer parlamentarischen Demokratie.

    Insgesamt gesehen war das ein ausserordentlich wenig erkenntnisreicher Beitrag, aus dem ich im Moment nur mitnehme, dass Sie aus Mücken Elefanten machen :-).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Pietsch 20. März 2022, 16:55

      Der Punkt ist, dass die große Mehrheit in diesem Land vergessen zu haben scheint, worauf eine zivile, freie Gesellschaft basiert. Und das sind objektivierbare und nicht mehrheitsabhängige Ecksteine. Selbst wenn 83 Millionen minus einem für generelles Gemeinschaftseigentum wären, könnte dem einen nicht der prinzipiell uneingeschränkte Besitz von Sachen verwehrt werden. Schon das ist etwas, was die meisten nicht verstehen. Und wenn 83 Millionen minus einem dafür sind, Masken generell als verpflichtendes Kleidungsstück führen zu müssen, so muss es doch dem einen unbenommen sein, keine Maske zu tragen. Verstehen Sie das?

      Die Debatte über eine Impfpflicht spricht exakt dafür, dass ausreichend viele Abgeordnete, gestützt durch ausreichend viele ihrer Wähler, irgendeine Form von Impfpflicht für notwendig halten

      Das ist genau der Punkt, vielleicht haben Sie es doch nicht verstanden: Es kommt nicht auf die Mehrheit an. Es gab schon viele Mehrheiten für viele Maßnahmen, die schlicht gegen die Verfassung waren. Deutschland ist ein demokratischer | Rechtsstaat. So steht es in Artikel 28 Grundgesetz. Sie merken, das ist nicht so einfach verhandelbar. Demokratie bedeutet, öffentliche Entscheidungen fallen nach den Regeln der Mehrheit. Der Rechtsstaat beschränkt jedoch die demokratische Entscheidungsgewalt. Die Mehrheit darf nicht einfach tun, was ihr beliebt, sie ist an Regeln gebunden, eben auch unumstößliche. Wie gesagt, selbst wenn 83 Millionen minus einem etwas wollen, kann es sein, dass sie es nicht bekommen können. Und das ist auch gut so.

      Viele Deutsche meinen aber inzwischen zu meinen, sie lebten nur in einer Vulgärdemokratie. Für die rechtsstaatlichen Regeln und für die eigenen Freiheitsrechte, die auch die Freiheitsrechte derer sind, die man so überhaupt nicht mag, hat die große Mehrheit offensichtlich kein Verständnis mehr.

      Sie wissen schon, dass eine Reform des Paragrafen § 218 StGB trotz Mehrheit im Parlament einkassiert wurde? § 219a ist eine Ergänzung und Konkretisierung, der nicht ohne § 218 denkbar ist.

      Wie schon gesagt, dieser Artikel wie auch der zweite Teil sind eine persönliche Einordnung. Sie sollen nicht überzeugen – das ist auch nicht möglich – sondern aufzeigen, wo ich nach diesen Jahren der Einschränkung stehe – und wie ich meine Mitmenschen sehe. Kann man mögen oder auch nicht.

  • Thorsten Haupts 20. März 2022, 18:27

    Und das sind objektivierbare und nicht mehrheitsabhängige Ecksteine.

    Äh – nein! Objektivierbar ist die Kompatibilität von konkreten Einzelmassnahmen mit abstrakten Freiheitskonzepten niemals, sondern immer und denknotwendig eine Folge innergesellschaftlicher Verhandlungsprozesse. Andernfalls könnte man sich übrigens Verfassungsgerichte sparen, da es für jedermann jederzeit klar wäre, was verfassungskonform ist und was nicht.

    Es gab schon viele Mehrheiten für viele Maßnahmen, die schlicht gegen die Verfassung waren.

    Ja – und eine Impfpflicht gehört eben nicht notwendigerweise dazu. Bis zu einem BVerfG Urteil ist die Behauprung, eine Impfpflicht wäre verfassungswidrig, schlicht das – eine Behauptung. Durch vergangene bundesdeutsche Gesetzgebung auch bereits widerlegt – wir hatten schon Impfpflichten.

    § 219a ist eine Ergänzung und Konkretisierung, der nicht ohne § 218 denkbar ist.

    Der 218 ist tatsächlich die direkte Umsetzung einer BVerfG Entscheidung in ein Gesetz (eines der klügsten der deutschen Geschichte), der 219 ben nicht. Die von Ihnen aufgemachte Verbindung exisiterte nur technisch – ohnhe 218 hätte der 219 einfach keinen Sinn gemacht, aber der 218 erzwingt den 219 weder noch verliert der 218 ohne den 219 an Wert. Sie verrennen sich hier?

    … und wie ich meine Mitmenschen sehe.

    Alles gut – ich käme niemals auf die Idee, Ihnen das Schreiben untersagen zu wollen. Mir scheint das alles nur völlig überheizt, übertrieben, überspitzt, aber das kann Ihnen ja wurscht sein.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Pietsch 20. März 2022, 19:09

      Sie machen etwas, was leider die Haltung der Deutschen umschreibt. Die große Mehrheit meint, der Bürger müsste die Einschränkung seiner Grundrechte ertragen, solange nicht das Bundesverfassungsgericht anderes anordnet. Das setzt ein hierarisches Denken voraus. Aber zwischen Staat und Bürger existiert kein Über-/ Unterordnungsverhältnis, genau das ist eine Errungenschaft der Aufklärung. Stellen Sie sich vor, ein Geschäftspartner (Internetprovider, Leasinggesellschaft, Reiseanbieter etc.) hielte sich nach Ihrer Bewertung nicht an einen Vertrag. Sie würden sofort zu Aktionen greifen, Zahlungen nicht leisten, Sperrungen vornehmen what so ever, was Ihnen zur Verfügung steht. Sie tun das, weil Sie sich auf Augenhöhe mit Ihrem Partner befinden.

      Genau so ist es auch zwischen Bürger und Staat, gerade wenn es um die Grundrechte geht. Denn tatsächlich darf der Staat Ihre Freiheits- und Schutzrechte nicht aus eigener Vollkommenheit beschränken. Manchmal tut er es doch. So, wenn der Staat meint, sich in einem Konflikt zu befinden, nicht alle Grundrechte gleichermaßen gewähren zu können. So z.B. beim Schutz vor Flugterroristen oder bei der Gewährung von Mobilität, wenn dadurch Eigentumsrechte berührt sind. Er ist gezwungen, eine Abwägung vorzunehmen. Sie müssen das nicht hinnehmen. Ihr Flugzeug wird erst abgeschossen, wenn unabhängige Richter Ihre Sache mit dem Staat verhandelt haben.

      In der Pandemie haben die Parlamente die Abwägung, die ihrer originäre Aufgabe ist, an die Exekutive, die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten outgesourct. Nach zwei Jahren Pandemie wollen dieses eindeutig verfassungswidrige Regime (Karlsruhe hat hier ebenso geurteilt wie die Verwaltungsgerichte) weiter beibehalten, die Bürger sehen es als richtig an. Hier wird weder geachtet, dass der Bürger mit dem Staat auf Augenhöhe agiert noch die zwingende Begrenzung der Befugnisse der Exekutive. Das ist weder Interpretation noch Meinung, das ist einfach Verfassungslage.

      Ja – und eine Impfpflicht gehört eben nicht notwendigerweise dazu. Bis zu einem BVerfG Urteil ist die Behauprung, eine Impfpflicht wäre verfassungswidrig, schlicht das – eine Behauptung.

      Ein Zwang durch den Staat unterliegt sehr strengen Begrenzungen. Sämtliche Impfpflichten in Deutschland waren immer nur auf einen engen Kreis begrenzt. Die Corona Impfpflicht erfüllt diese Voraussetzung schon nicht. Die Impfpflicht kann dann gerechtfertigt sein, wenn der Geimpfte selbst den Hauptnutzen hat. Auch das gilt hier nicht. 18jährige z.B. haben praktisch kein messbares Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken und dauerhaft geschädigt zu werden. Vor allem wird die Impfpflicht ja auch mit dem Schutz der Allgemeinheit begründet. Das ist viel zu schwach um in Karlsruhe Bestand zu haben, da derjenige, auf den Zwang ausgeübt wird, ja gar nicht den Hauptnutzen hat. Außerdem setzt eine Impfpflicht voraus, dass wirksame Vakzine vorhanden sind. Das ist in der heutigen Lage nicht gegeben. Die Vakzine wirken nicht gegen Omikron.

      Mir ist Ihre Meinung jedenfalls nicht egal. Auch und gerade, wenn Sie mit mir nicht übereinstimmen. 😉

  • cimourdain 21. März 2022, 10:46

    Ich kann Ihre Beweggründe verstehen. Das Gefühl der Ohnmacht, wenn ein wichtiges Anliegen ignoriert und zur Tagesordnung übergegangen wird, ist hart. Zugegeben, der Abwehrkampf der Ukraine ist mir – anders als der Frieden dort – kein Herzensanliegen (zu viel konkretes Leid hinter den abstrakten Phrasen interessensgeleiteter Meinungsmache). Aber diese Wahrnehmung deckt sich mit den Erfahrungen die andere mit den Themen Corona-Pandemie (siehe Marcs wütende Appelle), Klimawandel (‚How dare you‘), sozialem und globalem Unrecht gemacht haben. Sozusagen nichts neues.
    Aber dass Sie da die Friedensverfassung Grundgesetz mitverantwortlich machen, befremdet mich doch etwas. Zum einen ist es bis hin zum verbissensten Regierungsgegner unumstritten, zum anderen auch das einzige Nationalsymbol, das überhaupt Mobilisierungspotential hat. Mit Staatoberhaupt, Flagge oder Hymne bekommen Sie jedenfalls niemand auf die Straße (geschweige denn in den Schützengraben – was gut ist). Und gerade die lakonische Sprache frei von Pythos hat Deutschland lange sehr gutgetan. Der von Ihnen bemängelte Ton eines Juraseminars kam erst mit den Änderungen (Musterbeispiel Art. 16a Abs. 2 ff.).

    • Stefan Pietsch 21. März 2022, 11:28

      Ich kann Ihre Beweggründe verstehen.

      Weiß ich nicht. Selten ist einer meiner Artikel seit 2014 so missverstanden worden. Nicht, weil man meinen Ansichten nicht konfrontativ begegnen könnte, ganz im Gegenteil. Wenn jemand sagt, er fühlt sich in einer Gemeinschaft fremd, wird das kaum ein Mehrheitsempfinden sein können.

      Aber gerade die Opponenten arbeiteten sich an Punkten ab, die kaum strittig sein konnten – und ignorierten das, worüber gestritten hätte werden können. Erster Aufhänger Entstehung des Grundgesetzes. Es steht doch historisch außer Frage, dass unsere Verfassung in einem Moment entstanden ist, wo sich wie auch immer ausgewählte Vertreter ins stille Kämmerlein zurückziehen konnten statt die zukünftige Ordnung für das Land mit heißem Herzen zu schreiben. Das sagt doch nicht das Geringste über die Qualität aus, im Gegenteil. Ich halte unser Grundgesetz für mit die beste Verfassung in den mir bekannten westlichen Demokratien. So betrachtet ein Meisterwerk. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Deutschen diese Ordnung eben nicht mit der Muttermilch aufgesogen haben. In meinem Gemeinschaftskundeunterricht wurde jedenfalls nicht vom Lehrer über die Genialität dieses Gesetzeswerkes berichtet. Ganz im Gegenteil, die DDR-Verfassung war ja auch ganz ordentlich.

      Oder Annalena Baerbock: Die grüne Politikerin umgibt ein Schutzwall kritikloser Claquere, die in jeder noch so nüchternen Analyse einen Angriff auf ihrer Herorin sehen. Darum ging es kein Stück. Baerbock ist in der Wertschätzung so stark gestiegen, obwohl oder weil sie keine echte Exekutivfunktion besitzt, aber die richtigen Worte und Gesten gefunden hat. Das zu sagen ist heute schon Frevel.

      Was wir werden, was wir erreichen, ob wir Erfolg oder Misserfolg im Leben haben, richtet sich nicht danach ob wir die richtigen Worte und die richtigen Ansichten vertreten. Das ist aber heute die bequeme Haltung der meisten. Angela Merkel war die beste Analytikerin, die wir je im Kanzleramt hatten. Nur resultierte daraus nicht Politik. Die Langzeitkanzlerin war offensichtlich unfähig, Entscheidungen zu treffen. Sie ließ die Dinge so lange treiben, bis nur eine Option blieb. Was ist dann die beste Analyse wert?

      Es ist schön, wenn viele eine positive Einstellung zur Ehe haben. Doch wenn sie keinen Partner suchen (und finden), wenn sie nicht den Gang zum Standesamt unternehmen, ist die beste Absicht nichts wert. Genauso verhält es sich mit allen Wegmarken unseres Leben. Wir beklatschen die tapferen Ukrainer – aber wo ist die Konsequenz? Wir sorgen uns um den Klimawandel – aber wo handeln wir außer, dass wir auf Fördertöpfe, Verbote und gute Reden warten?

      Und warum bekommen wir mit Flagge und Hymne niemanden auf die Straße? Was für ein Armutszeugnis für die nationale Identität dieser Bevölkerung! Man muss nicht in die USA, um echten Patriotismus (und nicht „Verfassungspatriotismus“) zu erleben. In ganz Chile wehen die Fahnen des Landes, in Santiago ist im Zentrum die größte des Landes angebracht, riesengroß. In Griechenland das gleiche Bild und vor dem Parlamentssitz in Athen wird der Wachwechsel der Soldaten inszeniert.

      Aber wir können nicht mal ehren, was uns in der Verfassung verliehen ist.

  • Thorsten Haupts 22. März 2022, 13:13

    Sie ließ die Dinge so lange treiben, bis nur eine Option blieb.

    Ich korrigiere ganz leicht: … bis sie es mit eifriger Unterstützung der deutschen Medien so darstellen konnte, als bliebe nur noch eine Option :-). Sie war der mit Abstand beste deutsche Kanzlerdarsteller, den dieses Land je hatte.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 22. März 2022, 15:25

      Ne, das würde ich so nicht sehen. Gerhard Schröder war auch ein Klasse Kanzlerdarsteller, und Schmidt sowieso.

      • Thorsten Haupts 22. März 2022, 20:13

        Yup, aber nur Merkel war reine Darstellerin :-).

        • Stefan Sasse 22. März 2022, 20:32

          Dann hätte sie sich nicht 16 Jahre an der Macht gehalten. Sorry.

  • bevanite 27. März 2022, 00:59

    Ich war eine Weile nicht mehr viel im Netz aktiv und daher auch nicht auf dieser Seite. Aber der Artikel mitsamt dem zweiten Teile hat mich – nach einer zwischenzeitliche Pause – gleich so aufgeregt, dass es mir doch in den Fingern juckte. Denn obwohl ich der Passage bezüglich der Ukraine zustimme, ist es extrem dreist, wie Sie diesen Krieg für ihre Ideologie instrumentalisieren. In dem Artikel ist so vieles falsch, dass ich zu einem Gegen-Rundumschlag ausholen muss.

    Die Überschrift „Fremd im eigenen Land“ war der Titel eines Songs von Advanced Chemistry aus dem Jahr 1992, ungefähr aus der Zeit, in der ich selbst auch bewusst politisiert wurde. Wenn ich an meine Jugend in den Neunzigern denke, habe ich immer neidvoll in einige unserer europäischen Nachbarländer geschaut, etwa auf die niederländischen oder französischen Fußballmannschaften oder die multikulturelle Musikszene Großbritanniens, wo sich heimische Stile mit jamaikanischen, afroamerikanischen oder asiatischen Einflüssen vermischten. Ich habe mich immer gefragt, warum Deutschland dagegen vergleichsweise altbacken und bieder wirkte. Heute muss man doch schon zugestehen, dass die deutsche Gesellschaft Anschluss an Westeuropa gefunden hat und moderner geworden ist. In Sachen Frauen- und Minderheitenrechten hat sich vieles getan und auch wenn es noch erheblichen Nachholbedarf gibt, kann man schon sagen, dass insgesamt – mal kurz abgesehen von einer globalpolischen Unsicherheit – vieles besser als vor 20 oder 30 Jahren ist.

    Ich habe in der Covid-Pandemie kurioserweise eine gänzlich andere Realität als Sie wahrgenommen, nämlich eine erschreckende „Ich! Ich! Ich“-Selbstbezogenheit, bei der sich vor allem die „Generation Golf“ – die vielleicht selbstbezogenste, egoistischste und narzistischste Generation seit 100 Jahren – am schlimmsten hervortat. Liberalismus bedeutet für diese Leute scheinbar nur noch: „Ich will Party machen, alle anderen sind mir egal“. Da erscheint mir die jüngere Generation deutlich solidarischer. Und damit sind wir bei der Frage zum „Dienst an der Waffe“. Nicht jeder hat eine militaristische Ader; Zivilisten, die keine Kampferfahrung haben, sind an der Front auch eher eine Belastung als eine Hilfe. Aber wer ist denn gegenwärtig rund um die Uhr in den Erstaufnahmestätten aktiv? Wer meldet sich freiwillig für Hilfstransporte? Und wer wäre wohl am aktivsten, wenn Freiwillige für Feldlazarette gesucht werden? Die gleichen Menschen, die auch 2015 schon in der Flüchtlingshilfe aktiv waren, die gleichen Menschen, die sich 2020 für ehrenamtliche Nothilfe in Krankenhäusern meldeten. In Ihren Augen sind das wahrscheinlich „Gutmenschen“, „linksgrün gestrickte Moralapostel“ oder „Rassismusverfolger“, aber wir haben es dieser Generation zu verdanken, dass Deutschland heute weniger muffig ist als früher. Wo waren Sie selber 2015 und wo sind Sie heute, wenn es um aktiven Einsatz geht? Wenn Sie sich in irgendeiner Form für ukrainische Geflüchtete heuer einsetzen, sei die Frage zurückgezogen. Wenn nicht: Warum nicht?

    Ganz nebenbei: Zeigt die jetzige Situation nicht nochmal deutlich, dass die Regierungspolitik 2015 richtig und wichtig war? Aktuell sehen wir, wie Polen, die Slowakei und Rumänien auch an die Grenzen ihrer Möglichkeiten geraten und daher auch von deutscher Seite die Aufnahme von Geflüchteten essenziell ist. So ähnlich war es damals auch, nur, dass die Länder des Balkans wesentlich überforderter waren und noch weniger Kapazitäten hatten als die mitteleuropäischen Staaten heute.

    Schon mal darüber nachgedacht, warum es mit dem deutschen Liberalismus seit 1871 immer mehr bergab ging und er heute nur noch eine Lachnummer, bestenfalls ein Wurmfortsatz des Konservatismus ist? Ihr eigener Artikel zeigt es sehr deutlich: Sie beklagen fehlenden Freiheitsdrang, aber vertreten doch selbst – etwa in Fragen zu Einwanderung, Schwangerschaftsabbruch oder Patriotismus – zutiefst illiberale Positionen. Ihr Artikel wirkt auf mich wie ein Traktat eines frustrierten „Golfers“, der mit der Zeit nicht mehr mitkommt und Vergangenes glorifiziert, ohne die schlechten Seiten der Vergangenheit mitzudenken. Hierzu eine passende Textzeile eines Nummer-1- Songs aus den späten Neunziger Jahren: „Accept certain inalienable truths: Prices will rise. Politicians will philander. You, too, will get old. And when you do, you’ll fantasize that when you were young, prices were reasonable, politicians were noble and children respected their elders.“ Das fasst dann auch ihre eigene Wahrnehmung der gesellschaftlichen Dinge gut zusammen.

    • Stefan Pietsch 27. März 2022, 09:40

      Danke für Ihren Kommentar. Er ist so ziemlich der Beste aus dem Lager derjenigen, die mir widersprechen, weil Sie noch am ehesten die Tonlage aufnehmen. Und das finde ich richtig gut.

      Den Titel habe ich nicht aus einer Songzeile abgeleitet. Ich habe es eher mit Spielfilmen. Aber auch daher rührt er nicht. Ich hatte im Hinterkopf so eine Formulierung, ohne genau sagen zu können woher. Die mixte ich zu meinem Empfinden von dem, was ich die letzten Monate und Jahre erlebt habe. Das ist die Entstehungsgeschichte.

      In Sachen Frauen- und Minderheitenrechten hat sich vieles getan und auch wenn es noch erheblichen Nachholbedarf gibt, kann man schon sagen, dass insgesamt – mal kurz abgesehen von einer globalpolischen Unsicherheit – vieles besser als vor 20 oder 30 Jahren ist.

      Wie definiert man das? Im Vergleich mit den USA ist Deutschland noch rückschrittlich, aber im Vergleich mit den mir richtig erlebten europäischen Ländern – und das sind einige – ziemlich modern. Ich bin ein Mann und gehöre keiner Minderheit an, außer der, ein Hardcore-Liberaler zu sein (dazu später). Warum sollte ich ausflippen vor Begeisterung, wenn Deutschland versucht, Frauenquoten einzuführen und im Fernsehen versucht man sich besonders diverse zu geben? Ich bin weder gemeint noch zielt solche Policy auf meinen Lebensbereich. Übrigens sehen das oft auch Zuwanderer so. In meiner Familie ist man nach Spanien ausgewandert, Freunde von mir sind schon in den Siebzigern in die USA übergesiedelt. Sorry, es sind Themen, über die sich aufgeklärte Zuwanderer nun wirklich nicht besonders viele Gedanken machen.

      Ich habe in der Covid-Pandemie kurioserweise eine gänzlich andere Realität als Sie wahrgenommen, nämlich eine erschreckende „Ich! Ich! Ich“-Selbstbezogenheit

      Das ist tatsächlich kurios, vor allem, wenn Sie sich nicht nur in Deutschland aufhalten. Denn tatsächlich dominierte nirgends so der öffentlich zur Schau getragene „Solidaritätsgedanke“ so wie hier. Deutschland hat am längsten freiheitsbeschränkende Maßnahmen durchgehalten, Deutschland hat am längsten Kinder von den Schulen ausgesperrt, Deutschland hat am umfangreichsten FFP2-Maskenpflichten verhängt. Was das mit „Ich! Ich! Ich!“ zu tun hat, kann ich nicht sehen. Im Gegenteil: die Deutschen tun sich am sichtbar schwersten zu erkennen, dass wir auch mal wieder zu einem normalen Leben zurückfinden müssen, das nicht von Pandemie, Maskenpflicht und Quarantäneregeln bestimmt ist.

      Der Wehrdienst war keine falsche Sache, was sich ja auch mit Blick auf andere Länder zeigt. Ich war selbst Betroffener und ich habe nicht Hurra gerufen, als ich den Einrufungsbefehl bekam. Das ist meist so bei Pflichten. Sie sind typischerweise etwas, was wir nicht mit Begeisterung machen, es aber dennoch tun, weil es getan werden muss. Das ist etwas anderes als bei der Flüchtlingshilfe.

      Die gleichen Menschen, die auch 2015 schon in der Flüchtlingshilfe aktiv waren, die gleichen Menschen, die sich 2020 für ehrenamtliche Nothilfe in Krankenhäusern meldeten.

      Wohl kaum. Die Menschen sind 7 Jahre älter. Sie befinden sich in anderen Lebensphasen, sie haben andere Zeitbudgets, sie haben ihre politischen Ansichten verändert. Aber es kommen andere nach und das ist eher das, was Sie meinen. Es sind Menschen mit einer bestimmten Haltung und bestimmten Interessen. Das ist so völlig in Ordnung. Ich habe mich nie über diejenigen lustig gemacht, die sich in irgendeiner Form für etwas engagieren. Ich schätze das selbst bei Themen, die nicht meine sind. Auch damit bin ich eher in der Minderheit. Was ich kritisiere und worüber ich spotte, sind Symbolisten. Die tun etwas, damit andere sagen: oh wie toll und die meinen, die Welt müsse ich Tun nachahmen. Klimaaktivisten, die sich für ein paar Minuten auf Straßen festkleben z.B.

      Wer wirklich etwas bewegen will, schaut nicht als erstes, wie es auf andere wirkt. Sondern er geht ins Kleinteilige, in den Maschinenraum, dort, wo er nicht gesehen wird. Da bin ich zutiefst christlich.

      Wenn Sie sich in irgendeiner Form für ukrainische Geflüchtete heuer einsetzen, sei die Frage zurückgezogen. Wenn nicht: Warum nicht?

      Nein, tue ich nicht. Und nein, habe ich 2015 nicht getan. Warum nicht? Siehe oben. Es ist nicht meine Toppriorität, wenn es um gesellschaftliches Engagement, um Hilfe für andere geht. Genauso könnte ich nämlich die Frage umdrehen, warum Sie sich nicht für dies und das engagieren. Was ich tue, sieht man nicht so einfach und es widerstrebt mir aus Überzeugung wie meinem Naturell, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Wozu? Das machen nur jene (frei nach Jesus Christus), die von einem größeren Kreis ihren moralischen Lohn empfangen wollen. Habe ich übrigens schon vor sehr vielen Jahren so geschrieben.

      Meine politische Position: Deutschland muss jeden ukrainischen Flüchtling aufnehmen, so sie nicht in Polen und Ungarn Zuflucht finden und diese das überfordert. Das geht in die Million. Aber wie die große Mehrheit der Menschheit und wie die Polen, wie die Amerikaner etc. bin ich der Ansicht, wir müssen nicht jeden aufnehmen. Wer zu uns will nicht aus Gründen vor unmittelbarer Kriegsgefahr, sondern weil er bessere Lebensbedingungen für sich selbst fordert (legitim), den dürfen wir auch abweisen.

      Zeigt die jetzige Situation nicht nochmal deutlich, dass die Regierungspolitik 2015 richtig und wichtig war?

      Nein, sie zeigt, wie naiv wir 2015 waren. Wir haben uns Probleme geschaffen, die wir bis heute nicht bewältigt haben und sind entsprechend weniger leistungsfähig in der unmittelbaren Hilfe, wo es wirklich draufankommt.

      Ihr eigener Artikel zeigt es sehr deutlich: Sie beklagen fehlenden Freiheitsdrang, aber vertreten doch selbst – etwa in Fragen zu Einwanderung, Schwangerschaftsabbruch oder Patriotismus – zutiefst illiberale Positionen.

      Niemand ist durchgehend das Eine oder das andere. So kenne ich Egoisten, aber deren Egoismus zeigt sich nicht in gesellschaftlich gelebter Solidarität oder Nicht-Solidarität, wie Sie das definieren. Sondern im Persönlichen. Es ist nicht liberal, alle Grenzen aufzumachen. Im Gegenteil: wenn die eigene Ordnung nicht mehr gesichert oder sogar zerstört wird, ist das zutiefst illiberal. Die Idole des Liberalismus sind Odysseus und Münchhausen. Der eine fesselte sich selbst um das Schöne genießen zu können, der andere zog sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf.

      Ich bin nicht gegen Zuwanderung. Jede Gesellschaft hat sie und die meisten brauchen sie. Schon in meinem ersten Artikel zu dem Thema (Warum Deutschland kein Zuwanderungsgesetz braucht) habe ich den Unterschied herausgearbeitet. Jede Gesellschaft ist nur zu einem bestimmten Quantum an Aufnahme fähig, sonst sprengt es die Strukturen. Schwangerschaftsabbruch: Ich habe immer deutlich gemacht, dass ich hier christlich argumentiere – und verfassungsrechtlich, was ein Nebenaspekt ist. Aber auch hier: das ist niemals ein Hauptthema der Gesellschaft, wo man den Charakter eines Menschen aufzeigen könnte. Patriotismus: Kann Patriotismus illiberal sein?

      Ich kenne mehr von der Welt als der Großteil der Deutschen. Deswegen traue ich mir im Zweifel mehr Einordnung zu, wo wir tatsächlich stehen. Die meisten argumentieren bei jedem Thema ausschließlich mit der nationalen Brille. In meinen Artikeln werden Sie dagegen sehr oft den internationalen Bezug finden.

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