Die Kritiker*innen, man muss es leider sagen, hatten Recht. In den USA ist Cancel Culture außer Kontrolle. In mittlerweile einem Drittel aller Bundesstaaten wurden Gesetze verabschiedet oder Verordnungen erlassen, die massiv in die Lehrfreiheit schneiden und Lehrkräften an Schulen und Universitäten vorschreiben, bestimmte Inhalte nicht zu unterrichten, wenn diese die Gefühle der Lernenden verletzen könnten. Die Folge sind Druck, Entlassungen, Strafen und Selbstzensur. Die Tugendfundamentalist*innen fordern sogar die Überwachung und Meldung von Lehrkräften. Dazu sind die Gesetze schlecht geschrieben, so dass keinerlei Rechtssicherheit darüber herrscht, was genau wie unterrichtet werden darf und selbst vermutlich erlaubte Inhalte aus Furcht, jemanden zu triggern, besser nicht aufs Tableau kommen. Derzeit werden so viele Bücher verboten – im Sinne von „dürfen nicht an Schulen gelehrt oder in die Bibliotheken gestellt werden“ – wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Wie konnte es so schnell dazu kommen, dass die Forderungen einiger linker Studierendenvertretungen an besonders progressiven Unis, die mit viel Fanfare in den bürgerlichen Medien kritisiert wurden und vor denen man warnte – Wehret den Anfängen! – innerhalb so kurzer Zeit so vollständige Einschränkungen von Lehr- und Meinungsfreiheit mit sich brachten? All diese Gesetze und Regelungen sind von Republicans verabschiedet worden. Während es noch immer keine einzige Uni gibt, an der geschlechtergerechte Sprache, Trigger-Warnings oder Ähnliches verbindlich vorgeschrieben werden, haben die Konservativen ein Meinungsregime errichtet, das bei den Bedenkenträger*innen der bürgerlichen Medien erstaunlich wenig Beachtung findet. Die Cancel Culture von rechts richtet sich, natürlich, gegen Diskussionen von Rassismus, Homophobie und verwandten Themen. Da nicht sein kann was nicht sein darf, schränken die Gesetze die Freiheit ein, diese im Unterricht oder Seminar zu besprechen. Die Idee ist, dass Diskussionen über Rassismus für Unruhe sorgen könnten und deswegen verboten werden müssen. Es ist wie eine Pardodie auf die (tatsächlich außer Rand und Band geratene) Trigger-Warning, die an den progressiveren Unis Einzug hielt. Die Idee dahinter war, eine Art Warnung vor Inhalte zu stellen, die Opfer „triggern“ könnten – von Vergewaltigungen bis über rassistische Gewalt, und diesen so die Möglichkeit zu geben, sich aus der Diskussion zurückzuziehen. In der Praxis führten sie aber leider zu einer Art Zensurdruck, in dem gefordert wurde, bestimmte Themen gar nicht oder nur in einem bestimmten Framing anzusprechen.
Im Grundsatz war die Kritik berechtigt, doch die Hysterie, mit der eine Ausweitung solcher informeller Regelungen auf den gesetzlichen Bereich befürchtet wurde, hat bedauerlicherweise gleich dem „Wolf!“ schreienden Peter den Brunnen für die tatsächliche Gefahr vergiftet. Ein ähnliches Prinzip sehen wir übrigens auch in Deutschland, wo immer noch keine einzige Uni vorschreibt, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden, mittlerweile aber mit Bremen und Sachsen bereits zwei Bundesländer im Gegenzug Regelungen erlassen haben, die ihren Gebrauch explizit verbieten, und die Forderung innerhalb der CDU langsam zum Konsens wird. Ähnlich war es auch in den USA, wo Trump im September 2020 als einer seiner letzten Amtsakte mit einer Executive Order den offiziellen Startschuss gab und mittlerweile praktisch alle republikanischen Landesverbände und die Bundespartei entsprechende Programme haben – während die Democrats nichts Vergleichbares für Trigger Warnings oder andere Lieblingsprojekte der radikaleren Basis im Programm haben – und ziemlich sicher auch nicht haben werden.
Wie dramatisch ist die Lage? Schauen wir es uns anhand einiger Beispiele an, denn leider ist die aktuelle Aufregung in der liberalen Blase auch über das Ziel hinausgeschossen. Aber dazu gleich mehr.
Der Ground Zero für die Auseinandersetzung ist Virginia. Nicht, weil die Geschehnisse in dem Staat besonders wären – der Gouverneur verbietet die Lehre der „Critical Race Theory“ und fordert das Bespitzeln von Lehrkräften -, sondern weil sie hier zu den stärksten politischen Konsequenzen geführt haben. In den Gouverneurswahlen 2021 gelang es den Republicans erfolgreich, die Furcht vor „Critical Race Theory“ in den Wahlkampf einzubringen. Zwar weiß praktisch niemand, was das ist, aber den Republicans gelang es, die CRT zur Projektionsfläche für (vielfach rassistisch motivierte) Ängste einerseits und einem generellen Unmut über das Bildungssystem und besonders die Corona-Politik des Staates andererseits zu machen, also ein Problemamalgam, das auch in Deutschland nicht unbekannt ist. Der Verlust der Regierungsgewalt in Virginia ist ein Fanal für die Democrats und zeigt deutlich die massiven Schwächen der Partei auf.
In New Hampshire bringen die Republicans ein Gesetz ein, das jegliches Unterrichten von „negativen“ Darstellungen der US-Geschichte verhindern soll, ein Schema, das sich ebenfalls in vielen Bundesstaaten findet. Die Idee ist, dass etwa der Völkermord an den Ureinwohnern oder die auf Rassismus beruhende Sklaverei nicht mehr im Geschichtsunterricht vorkommen. Ein ähnliches Gesetz gibt es auch in South Dakota, das das Lehren des Massakers von Wounded Knee verbietet, das in dem Staat 1890 stattfand. Ein ähnliches Gesetz wird gerade in Florida in den Kongress eingebracht. Zahlreiche Bundesstaaten verboten ihren Schulen, das 1619-Projekt zu unterrichten.
In Florida versucht der republikanische Gouverneur gerade ein Gesetz durchzubringen, das die Clubs verpflichten würde, vor Football- oder Baseballspielen die Nationalhymne zu spielen. In mindestens einem Schuldistrikt wurde bereits ein Kurs eines Lehrers gecancelt, der sich mit Critical Race Theory beschäftigt – mit der expliziten Begründung, er schaffe „eine Atmosphäre der Angst“. Eine solche Atmosphäre entsteht allerdings eher durch die Forderung nach Meldung von Lehrkräften (“send to us any, any instances where they feel that their fundamental rights are being violated, where their children are not being respected, where there are inherently divisive practices in their schools“) ihrer Bedrohung und Einschüchterung.
In Madison County, Mississippi, weigert sich ein republikanischer Bürgermeister, das Budget der Bücherei freizugeben, bevor sie nicht alle Bücher „homosexuellen Inhalts“ entfernen. In Tennessee versuchen die konservativen „Moms for Liberty“, ihnen ungenehme Bücher aus den Bibliotheken zu verbannen. In North Carolina wurde „Dear Martin“, ein Roman über einen Yale-Studenten, der von der Polizei wegen seiner Hautfarbe verhaftet wird und deswegen in Probleme gerät, in einer Schule in Tuscola verboten. In Oklahoma fordert ein GOP-Politiker die Entlassung aller Lehrkräfte, die „die religiösen Gefühle der Schüler*innen verletzen“, sprich: Evolutionstheorie lehren. In Iowa wird ein Gesetzesentwurf diskutiert, Kameras in jedem (!) Klassenzimmer zu installieren, um den Unterricht der Lehrkräfte überwachen zu können. Und noch einmal in Virginia fordert der Gouverneur die Kinder dazu auf, die Lehrkräfte auszuspionieren und dem Staat zu melden.
Das sind natürlich alles Einzelfälle – ein Bürgermeister hier, ein Abgeordneter dort, ein Schoolboard drüben, eine County-Adminstration hüben – aber die Hysterie über linke Cancel Culture entsprang einigen Studierendenprotesten an linken Unis, von daher muss sich die Rechte zumindest den Vergleich nach den von ihr selbst aufgestellten Maßstäben gefallen lassen. Es gibt offensichtlich eine verbreitete Sehnsucht danach, nicht genehme Inhalte zu kontrollieren beziehungsweise ihre Verbreitung zu verhindern, auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Nur gibt es praktisch keine gewählten Democrats, die diese Ideen unterstützen und legislativ unterfüttern. Die radikale Linke demonstriert zwar an Unis und versucht durch sozialen Druck Canceln zu erreichen, aber sie nutzt (noch) nicht den staatlichen Repressionsapparat dafür. Die GOP dagegen hat keinerlei Berührungspunkte und schreibt ein Gesetz nach dem anderen. Und das ist auch abseits des Inhalts ein Problem. Ich hatte bereits eingangs erwähnt, dass die entsprechenden Gesetze reichlich schwammig formuliert sind. Das von Florida etwa besagt:
“An individual should not be made to feel discomfort, guilt, anguish, or any other form of psychological distress on account of his or her race,” the bill reads. This from conservatives who regularly call liberals “snowflakes” ready to ban free speech in the name of “feelings.” In der Zwischenzeit mahnt der Generalstaatsanwalt “a disturbing spike in harassment, intimidation, and threats of violence against school administrators, board members, teachers, and staff”
Die Ironie, dass hier die Vorwürfe an die „liberal snowflakes„, keine Herausforderung ertragen zu können sich auf die Anwender zurückspiegelt und dass die vollmundigen Bekundungen, zur Meinungs- und Lehrfreiheit gehöre auch die Auseinandersetzung mit unangenehmen Themen, einmal beiseite gelassen: was sind die Konsequenzen eines solchen Gesetzes? Nur einige Beispiele:
Those limits would allow teachers to mention that Brooklyn Dodgers infielder Jackie Robinson broke Major League Baseball’s color line but not allow them to discuss why Black players were banned before him, Sharif El-Mekki, founder and CEO of the Center for Black Educator Development, said. Teachers may also introduce Malcolm X but not read his speeches, mention soul singer Marvin Gaye but not discuss his „What’s Going On“ lyrics, or point out Rosewood, Florida, or Tulsa, Oklahoma, on maps but talk about the racial atrocities that occurred there.
Und wie kommt man überhaupt darauf, die Beschäftigung mit der CRT schaffe ein „Klima der Angst“ oder etwas in der Art? Die tatsächlich offiziell vorgebrachte Begründung ist, dass Weiße sich mit Sklavenhalter*innen identifizieren und nicht mit Abolitionist*innen und Sklav*innen. In der Annahme ist die explizite Vorstellung enthalten, dass Weiße rassistisch sind und deswegen sich durch Kritik an Rassismus verletzt fühlten! Auf eine völlig verquere Art werden so genau die Behauptungen aufgestellt, die man den Gegner*innen dann vorwirft – nämlich eine universelle Täterschaft aller Weißen konstruieren zu wollen. Das erinnert an die Rechtsextremen in Deutschland, die ständig gegen den „Schuld-Kult“ der Holocausterinnerung anrennen und dabei überhaupt erst die Argumentation vertreten, dass eine Kollektivschuld bestehe, die es irgendwie zu widerlegen gebe – eine Behauptung, die aber gar nicht aufgestellt wird.
Ich habe aber eingangs schon festgestellt, dass ich die aktuelle Aufregung für insgesamt übertrieben halte. Die Gefahr der rechten Cancel Culture ist hoch, aber sie es vor allem dort, wo sie in (noch dazu handwerklich schlecht gemachte) Gesetze gegossen wird. Denn die Zivilgesellschaft hat das gleiche Recht, bestimmte Werk doof oder für Kinder und Gesellschaft ungeeignet zu finden wie die Linke auch. Wenn ich sage, dass „Vom Winde verweht“ wegen der Lost-Cause-Romantik jetzt nicht unbedingt das beste Werk für den Literaturunterricht ist, dann dürfen Konservative auch „Dear Martin“ blöd finden, auch wenn ich persönlich das nicht nachvollziehen kann. Der Spaß hört halt auf, wo die Macht des Staates dazu missbraucht wird.
Ein Beispiel für einen deutlich außer Kontrolle geratenen Diskurs zu diesem Thema stellt der Konflikt um den Graphic Novel „Maus“ dar. In McMinn County, Tennessee, wurde das Buch vom dortigen Schoolboard in einer einstimmigen Entscheidung aus der Schulbibliothek verbannt und es wurde verboten, es zu unterrichten. Das winzige County (80.000 Einwohner*innen) hat es in die nationalen Titelseiten geschafft; zu pointiert scheint das Verbot eines so seminalen Werks zum Holocaust. Ein Beispiel dafür findet sich etwa in diesem Cartoon:
— Philippe Wampfler (@phwampfler) February 1, 2022
Ich bin allerdings bei Kevin Drum, dieses Ereignis nicht überzubewerten. Es ist okay, bestimmte Bücher für Kinder und Jugendliche als nicht geeignet einzustufen. Ich würde „Maus“ jetzt auch nicht unbedingt mit der Mittelstufe lesen (trage mich aber für die Oberstufe schon länger mit dem Gedanken). Ich teile die Begründung von McCinn County nicht – denen ging es um Profanität und Sex, weil beides vorkommt – und würde eher auf die teils verstörenden Inhalte eingehen. Aber grundsätzlich können Schulen und Schulbibliotheken schon auswählen, was sie in ihre Regale stellen, das sollte ihnen nicht abgesprochen werden. Problematisch wird es dort, wo dies aufgrund identitätspolitischer Grabenkämpfe geschieht – wie im weiter oben zitierten Madison County – und nicht aus pädagogischen Gründen, selbst wenn ich die spezifischen pädagogischen Einwände nicht teile.
Als kleine Seitenbemerkung: ich halte das Problem für systemischer. Die USA haben mir ihren Schoolboards auch ein System, das solche Zensur geradezu herausfordert, während die Gestaltung des Unterrichts in Deutschland viel freier ist. Auch wenn es nicht intuitiv einleuchtend sein mag, aber das „Land of the Free“ ist bei der Lehrfreiheit tatsächlich weniger weit als das ach so obrigkeitsstaatliche Deutschland.
Die Studierenden selbst sind übrigens wesentlich vernünftiger als die über sie diskutierenden Politiker*innen, Medienschaffenden und Wählenden. Bemerkenswert ist etwa die Geschichte einer Konservativen aus Mississippi, die die ein Critical-Race-Theory-Seminar besucht hat und ihre Vorurteile widerlegt fand – und auch Abgeordnete zu überzeugen versuchte. Auffällig war, dass die Berichte der Studentin für die Abgeordneten neu waren. Diese wussten offensichtlich überhaupt nicht, was „Critical Race Theory“ überhaupt war, was leider auch ein allzu häufiges Phänomen ist. Man spricht über-, nicht miteinander.
Ein weiteres Beispiel: Der Atlantic etwa untersuchte die Thematik unter der Schlagzeile „What students really think about cancel culture“ und kommt zu dem Schluss, dass die scheinbare Radikalisierung auf beiden Seiten sich am Campus kaum materialisiert. Wie so oft ist auch die durchdrehende Debatte über Cancel Culture vor allem eine Moral Panic, und zwar, wenngleich mit sehr unterschiedlicher Schärfe und Gewichtung, auf beiden Seiten. Der toxische Teil sind weder die „Moms of Liberty“ mit ihren Forderungen noch #BLM-Aktivist*innen an der UCLA, sondern Politiker*innen, die ihre Macht dazu nutzen, solche Forderungen und Proteste zur juristischen Einschränkung von Lehr- und Meinungsfreiheit zu verwenden.
Vermutlich wäre es daher am besten, wenn es zu offenen Diskussionen darüber käme, was unterrichtet wird, und man den Lehrkräften mehr Freiheit einräumt, statt ständig zu versuchen, mit dem Holzhammer irgendwelche Werke zu verbieten. Die Sucht danach, für alle verbindliche, vergleichbare Curricula festzulegen, leistet diesen Anwandlungen genauso Vorschub wie der ständige Kulturkampf.
Erstens:
Was die Republikaner in den USA zur Zeit an effektiven Zensurgesetzen fabrizieren, ist vollkommen inakzeptabel und unentschuldbar.
Zweitens:
… während die Democrats nichts Vergleichbares für Trigger Warnings oder andere Lieblingsprojekte der radikaleren Basis im Programm haben – und ziemlich sicher auch nicht haben werden.
ROFL. Mit einer Mehrheit von 95% für meine politische Richtung in allen relevanten Institutionen brauche ich keine Gesetze mehr. Die Leut tun von selbst, was ich von ihnen erwarte. Was sie in den USA, in Kanada und in Grossbritannien bereits – nachweisbar – seit Jahren tun.
Und darüberhinaus stimmt es auch nicht, dass Liberale keine derartigen Gesetzes-Programme im Portfolio haben. Sowohl in Grossbritannien als auch in Kanada kann (und wird) inzwischen die Polizei anrücken, wenn ich einer Feministin, einem Schwarzen oder einer Transsexuellen auf twitter … widerspreche. Man hat dort Hatespeech-Gesetze passgenau und sorgfältig genauso formuliert, dass nur Linke davon betroffen sein können UND es für die Anwendung ausreicht, einem/r Linken sachlich (!) zu widersprechen. In den USA gibt es vom linken Flügel der Demokratischen Partei diverse Forderungen, das genauso gesetzlich zu verankern.
Das entschuldigt übrigens den neuen Tiefpunkt der republikanischen Zensurversuche per Gesetz in keiner Weise, diese Leute haben schlicht einen an der Waffel. Aber es einfach komplett wegzulassen und so zu tun, als gäbe es (massive) Zensur- und Cancel-Anstrengungen auf der „liberalen“ Seite nicht, ist unredlich. Wenn Universitätsprofessoren entlassen werden, sobald sie dem woken Glaubenscanon auch nur milde widersprechen, ist es denen ziemlich sicher wurscht, ob das eine „freiwillige“ Entscheidung der Uni-Führung ist oder gesetzlich vorgeschrieben.
Gruss,
Thorsten Haupts
Nicht zu vergessen das unsägliche Hatespeech-Gesetz in Schottland: https://www.bbc.com/news/uk-scotland-scotland-politics-56364821
Die Progressiven allerorten merken bis heute nicht, wie sehr sie die Spaltung der Bevölkerung betreiben.
Nein, nein, – das dient selbstverständlich nur dem Schutz schutzwürfiger Gruppen! Dass ausschliesslich (!) solche Gruppen, die üblicherweise „links“ verordnet werden, durch dieses gesetz geschützt werden, ist reine Koinzidenz – ein Schlem, wer Böses dabei denkt.
Gruss,
Thorsten Haupts,
den die Verlogenheit der Linken in diesen Fragen inzwischen einfach nervt
Verlogenheit der Linken? Also bitte, es sind doch vor allem Konservative, die sich ueber cancel culture, identity politics aufregen und sie dann selber praktizieren.
Ich hätte präziser formulieren sollen:
Die Verlogenheit, gegen alle Beweise noch immer abzustreiten, dass es so etwas wie linke Cancel Culture gibt und dort, wo das möglich ist, auch praktiziert wird.
Klar gibt es das. Mein Vorwurf ist dass der Umfang völlig übertrieben wurde, nicht, dass es eine Lüge wäre.
@ schejtan 7. Februar 2022, 20:22
Verlogenheit der Linken?
Auch dort, natürlich.
Also bitte, es sind doch
vor allem Konservative, die sich ueber cancel culture, identity politics aufregen und sie dann selber praktizieren.Wenn Du Dich von der Mitte fortbewegst – egal, ob nach linksprogressiv oder nach rechts/konservativ/liberal – wirst Du in etwa das gleiche Verhalten finden, natürlich mit thematisch unterschiedlich gelagerten Schwerpunkten.
Ich würde weitergehen und sagen, dass die Mitte dasselbe tut, nur fällt es da viel weniger auf, weil ja per Definition die übergroße Mehrheit derselben Meinung ist und sich deswegen nicht dran stört.
Wenn Du Dich von der Mitte fortbewegst – egal, ob nach linksprogressiv oder nach rechts/konservativ/liberal – wirst Du in etwa das gleiche Verhalten finden, natürlich mit thematisch unterschiedlich gelagerten Schwerpunkten.
Ja natuerlich. Nur bei Konservativen finde ich haeufig die Diskrepanz zwischen „Wir sind Champions der Meinungsfreiheit“ und der praktizierten Cancel Culture schon groesser.
Das ist sicher wahr, ich hab schon immer ziemlich offen gesagt, dass ich für Einschränkungen etc. bin ^^
@ schejtan 9. Februar 2022, 14:01
Ja natuerlich. Nur bei Konservativen finde ich haeufig die Diskrepanz zwischen „Wir sind Champions der Meinungsfreiheit“ und der praktizierten Cancel Culture schon groesser.
Die Diskrepanz? Mag sogar sein.
Das liegt aber nicht daran, dass die Konservativen Cancel Culture stärker praktizieren, sondern, dass die Progressiven nach dem Motto „selbstverständlich darf man dieses oder jenes nicht mehr sagen“ sehr viel offensiver und auch aggressiver mit ihren Cancel-Culture-Auswüchsen umgehen (ich rede hier nicht von Links- oder Rechtsextremen).
Und Gesetze á la NetzDG von rechter Seite gibt es auch nicht.
Was die Kluft
mh, das NetzDG wurde nicht von CDU mitbeschlossen, waehrend die Linke dagegengestimmt hat und die Gruenen sich enthalten haben?
Aber egal, es geht mir gar nicht darum, wer hier mehr cancel culture/zensur etc. betreibt, sondern um den Kontrast zwischen dem wie man sich darstellt und was man dann tatsaechlich tut. Und da Linke eher offen zugeben das zu betreiben (oder sogar stolz darauf sind), fand ich den Begriff „Verlogenheit“ in Torstens erster Version nicht ganz angebracht und eher auf Konservative, die sich nun mal haeufiger als Paragone der Meinungsfreiheit darstellen und dann trotzdem selber zensieren/verbieten/canceln, zutreffend. So als Aequivalent zu den stereotypen SUV fahrenden Gruenen. Oder Linken, die damit hofieren gehen, wie sehr sie sich um Beduerftige sorgen, und dann selber ueber eben jene laestern.
Jepp, sehe ich auch so. Es gibt genügend Felder, wo Linke verlogen sind (ich sag nur Russland…), aber das hier ist keins davon.
@ schejtan 10. Februar 2022, 14:15
mh, das NetzDG wurde nicht von CDU mitbeschlossen, waehrend die Linke dagegengestimmt hat und die Gruenen sich enthalten haben?
Gerne noch einmal: das Gesetz wurde von der damaligen Regierung (der Linke oder Grüne nicht angehörten) in erster Linie gegen lautstarke Kritiker der offiziellen Flücht-links-politik entworfen. Federführend war Justizminister Heiko Maas, den ich nach seinem Handeln und Reden etwa so weit links außen links einordne wie Georg Maaßen rechts außen.
Sachen wie „das darf man nicht sagen“ oder „das muss man so sagen und nicht anders“ erlebe ich praktisch nur von linker Seite.
*hust* Geschlechtergerechte Sprache *hust* Da machen Konservative gerade liebend gerne Vorschriften. Nur so als Beispiel.
Nein, das ist definitiv nicht so. Also nicht aus meiner Warte.
@ Stefan Sasse 7. Februar 2022, 22:35
Nein, das ist definitiv nicht so. Also nicht aus meiner Warte.
Schau Dir hier bei uns das NetzDG an – selbst wenn die Intention eine gute wäre (worüber ich mir wirklich nicht sicher bin), schau auf die Umsetzung:
• laut genug Schreien reicht, damit etwas gelöscht wird;
• die Entscheidung fürs Löschen (und damit über die strafrechtliche Relevanz von Aussagen) trifft nicht der Staat, bzw. die Judikative, sondern das Unternehmen (schlimmstenfalls sitzt da ein Student im Home Office – ist nicht vorgegeben);
• die Strafen dafür, ‚unerlaubte‘ Beiträge NICHT zu löschen, können extrem hoch ausfallen;
• Strafen dafür, erlaubte Beiträge zu löschen, sind genauso wenig vorgesehen wie Schadensersatz;
• wer fälschlicherweise gelöscht wird und dagegen vorgehen will, muss den Rechtsweg einschlagen.
Und wenn Du Dir anschaust, mit welch linken Methoden das Gesetz durchgebracht wurde – nach Beschwerden von Abgeordneten und Mahnungen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags wurde den Abgeordneten am Tage der Abstimmung eine neue Variante des Gesetzentwurfs vorgelegt, die angeblich die Mängel beseitigen sollte; Zeit für eine erneute Lesung blieb nicht. So schüttet man immer wieder das Kind mit dem Bade aus.
Versteh mich da bitte nicht falsch: Was die Republicans in den USA treiben, geht auf keine Kuhhaut. Aber Vieles, was von linker Seite kommt, steht dem in nichts nach. Und wo sich die Rechtsextremen auf die schweigende Mehrheit berufen, berufen sich Link(sextrem)e wie der damalige Justizminister Heiko Maas auf die gesellschaftliche Mitte.
Ja, das ist ein mies konstruiertes Gesetz, wie die meisten Gesetze, die das Internet betreffen. Das liegt aber daran, dass die Expertise fehlt und Idioten sie ausarbeiten, nicht daran, dass der Gegenstand des Gesetzes notwendig falsch ist.
@ Stefan Sasse 8. Februar 2022, 15:09
Das liegt aber daran, dass die Expertise fehlt …
Der wissenschaftliche Dienst hat den Finger schon präzise in die zahlreichen wunden Punkte gelegt.
… und Idioten sie ausarbeiten, …
Hier waren nicht die ausarbeitenden Ministeriumsbediensteten die Idioten, sondern die anweisenden Politiker, allen voran Heiko Maas. Der wollte das so, wurde zurückgepfiffen, und mit an Lügen grenzenden Aussagen erreicht, dass das Gesetz (im gleichen Abwasch wie ‚Ehe für alle‘) regelrecht durchgewunken wurde. Der zur Abstimmung stehende Text wurde den Abgeordneten erst am Morgen der Abstimmung über geben.
… nicht daran, dass der Gegenstand des Gesetzes notwendig falsch ist.
Grundsätzlich stimme ich Dir zu, dass anonyme Hass-Postings, die Strafrechtsbestände darstellen, umgehend gelöscht und verfolgt werden.
Aber das ist nicht, was mit dem Gesetz beabsichtigt wurde. Man wollte auch Meinungen löschen können, die grenzwertig und nach dem Gesetz bzw. nach bislang geltenden Urteilen noch zulässig sind.
War blöd formuliert, die Ministerialbeamt*innen wollte ich da nicht in den Sack packen. Und die arbeiten ja aus. Ich wollte eher auf die Richtlinien raus, die politischen Entscheidungen, aber das stand da natürlich nicht ^^
Ja, von dem was du sagst sieht das echt kacke aus.
Die Expertise „fehlt“ nicht, sondern sie wurde in diesem Fall (und in ähnlichen Fällen) von der Politik ganz bewusst ausgeschlagen, ihre Vertreter oft auch mit beleidigenden Angriffen bekämpft.
Natürlich kann man immer halbwegs wohlwollend annehmen, dass Profipolitiker nun mal Symbolpolitik lieben und liebend gern Gesetze verabschieden, die gut klingen, aber (bestenfalls) wenig bringen. Tatsächlich muss man inzwischen aber wohl davon ausgehen, dass auch eine gehörige Portion Absicht dahinter steckt. Es gibt einfach zu viele Angriffe auf die neuen Formen der Öffentlichkeit. Ein klares Plädoyer für Meinungs- und Pressefreiheit kann ich der Politik heute jedenfalls nicht mehr entnehmen.
Ich erinnere mich noch mit Grausen an von der Leyens Stoppschild.
@ Tim
Zustimmung zu beiden Punkten.
Ich hab den BBC-Artikel gelesen, den du verlinkt hast, aber die Infos sind mir zu schwammig um das entscheiden zu können. Die potenziellen PRobleme von Hate-Speech-Gesetzen sehe ich; auf der anderen Seite hat in Deutschland der Volksverhetzungsparagraf keine PRobleme gemacht bislang, weswegen ich das eher als Ausführungs- denn Prinzipienproblem sehen würde.
Das 95% der Unis linksradikal wären ist dagegen Unfug. Ganze Fakultäten sind ja komplett in der Hand ganz anderer Richtungen; denk mal an Jura, WiWis oder Informatik. Auch Medizin oder so was. Es sind die Geisteswissenschaften, in denen das blüht, aber das war schon 1968 so. Die Größe dieser radikalen Basis wird völlig überschätzt.
Dass ich gegen das Feuern von Leuten bin, hab ich ja schon oft genug gesagt.
In Deutschland? Gebe ich Ihnen momentan vollkommen Recht. Aber wir reden hier afair über die USA?
Gruss,
Thorsten Haupts
Auch in den USA wäre ich extrem überrascht, wenn das anders wäre. Noch dazu haben wir eine Vielzahl privater Unis, an denen du diese linken Aktivist*innen eher mit der Lupe suchst. Die sind eine Minderheit, aber sie sind laut. Erneut, wie schon immer. Das war selbst 1967 in Berkeley nicht anders.
Sagen´s, glauben´s eigentlich selbst, was Sie da so wiedergeben? Im folgenden Link (ich kann weitere, seriöse, nachliefern) wird sehr klar beschrieben, wie hoch der Anteil „konservativer“ Professoren an US-Hochschulen ist und wo man sie findet. Nichtexistent in Geistes- und Sozialwissenschaften. Auf ein Fünftel bis ein Zehntel geschrumpft an öffentlichen und privaten Colleges schon 2014.
https://nationalaffairs.com/publications/detail/the-disappearing-conservative-professor
Worüber Sie auch immer überrascht sein wollen – vielleicht informieren Sie sich mal zum Thema? Wo Sie ein Meinungsstück nach dem anderen raushauen, warum die US-Lehrinstitute NICHT links sein sollen und die Konservativen nur Panik machen? Die Zahlen sind so selten eindeutig wie absolut nirgendwo anders. Lehrer links bis linksradikal, Unis links bis linksradikal, Medien (vor Fox) auf dem Wege zu links bis linksradikal. Der Trend ist seit den sechziger Jahren eindeutig – und läuft auch bei uns in dieselbe Richtung.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich sehe das nicht so krass („linksradikal“) aber im Prinzip scheint das zu Stimmen.
Ich finde das aber nicht verwunderlich. Es gibt dort, logischerweise, überdurchschnittlich viel denkende Menschen. Und wieso es überhaupt nur einen davon geben sollte, der die heutige Amerikanische Rechte ehrlich gut findet, erschließt sich mir nicht.
Du kannst mich gerne duzen. Und ich sage nicht, dass sie nicht links sind, ich sage, dass die Anteile übertrieben werden und vor allem die radikale Basis. Das ist wie bei dieser unsäglichen ÖR-Diskussion. Es gibt nen unterschied, ob jemand Democrats wählt oder ob er eine radikallinke Agenda verfolgt.
@ Stefan Sasse 8. Februar 2022, 18:16
Das ist wie bei dieser unsäglichen ÖR-Diskussion.
Ja 🙂 Die Auswüchse sollen toleriert werden, weil es mit Auswüchsen immer noch besser ist als gar nicht.
Wenn die moderaten bis linken Schichten hier laut werden, hat man einen Großteil der rechten Beschwerden und Forderungen vom Tisch.
Ich versteh nicht ganz, was du meinst?
Wenn die Mitte und die Linken eine Reform unterstützen würden, wäre das Thema längst vom Tisch
Sie sollten eine Reform anstreben, aber ob das Thema vom Tisch wäre, bezweifle ich. Dazu ist mittlerweile zu sehr Identity Politics in diesen Kreisen.
… dass die Anteile übertrieben werden und vor allem die radikale Basis.
Für die Anteile habe ich jetzt einen Beleg geliefert, liefere auf Nachfrage gerne noch mehr. Zweifel daran sollten einen Faktenbezug haben, wenn sie als berechtigt wahrgenommen werden wollen.
Über die Radikalität lässt sich trefflich streiten, ist mir letztlich nicht so wichtig. Halten wir einfach fest – alle höheren Erziehungsanstalten (Colleges UND Univwersitäten) sind zu mindestens 80 und in einer Reihe von Fachrichtungen zu 95% in den Händen der US-amerikanischen „Liberalen“. Und das ist eher ein unterer Wert, solange es noch Restbestände z.B. christlicher oder militärischer höherer Lehranstalten gibt, weil sich die Konservativen da versammeln und den Anteil woanders noch einmal unter diese Werte drücken.
Was – und das war meine Ausgangsthese – demokratische Zensurversuche überflüssig macht, die Lehranstalten zensieren sich mangels einflussreicher konservativer Stimmen automatisch selbst.Wie man dort mit Leuten verfährt, die sich nicht an den woken Glaubenscanon halten oder auch nur dessen beschuldigt werden, dafür gibt es mittlerweile dutzende von Beispielen. Widerstand prominenter Liberaler gegen diese totalitären Verfahren? Im Promillebereich.
Case closed. Man kann allerdings auch beide Augen fest zudrücken und „lalala“ singen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Was mich interessieren würde: ich denke, du argumentierst ja nicht, dass die Besetzung der Stellen nach Ideologie stattfindet. Woher kommt das also?
Keinen blassen Schimmer :-). Rein anekdotisch (von mir selbst auf andere geschlossen): Ich hatte und habe hohes Interesse an echte, durch Feldforschung gewonnenen, sozialwissenschaftlichen erkenntnissen.
Nehmen wir an, ich hätte das zum Beruf machen wollen (Studium, wissenschaftlicher MA, später Prof oder Stiftungen/Behörden). Dann wäre der absolut einzige Fachbereich, an dem ich mir als Konservativer eine Tätigkeit hätte vorstellen können, die Geschichtswissenschaft gewesen. Bei allem anderen denkbaren Fachrichtungen war schon die Vorstellung gruselig, mit wem ich da an was auf welcher „theoretischen“ Grundlage hätte arbeiten müssen. Und den Prof hätte ich mir eh abschminken können, man wird als Aussenseiter in einem Fach selbst bei höchstem Anstand aller Beteiligten (also Fantasialand) noch immer alleine deshalb benachteiligt, weil Menschen gar nicht verhindern können, über andere gemäss ihrem inneren Wertekompass zu urteilen.
Ist aber sehr wahrscheinlich nur ein Baustein unter vielen.
… argumentierst ja nicht, dass die Besetzung der Stellen nach Ideologie stattfindet … ist demnach falsch. natürlich findet die Besetzung von Stellen nach Ideologie statt, was denn sonst? Wenn ich recht habe, sind logischerweise alle, die deutlich andere Meinungen vertreten, dumm oder bösartig. Also werden die nicht eingestellt oder befördert.
Gruss,
Thorsten Haupts
Aber bleiben wir bei Geschichtswissenschaft. Du schreibst eine Habil über die Reformationszeit. Wo genau spielt denn da Ideologie rein? Ganz ehrlich, bei 95% meiner Professor*innen im Geschichtsstudium hab ich keine Ahnung, wo ich die politisch einordnen würde. Mir scheint das alles auf reichlich dünner Basis zu stehen. Oder noch schlimmer, Literaturwissenschaft. Mein Mediävistikprof, bei dem ich ein Seminar zu Nibelungen hatte, ist der progressiv oder konservativ? How the fuck would I know? Wir haben einen 800 Jahre alten Text analysiert!
Wenn an den Hochschulen die Führungskräfte ausgebildet werden und das Personal dort – wie behauptet – überwiegend „links“ tickt – wieso ist dann das Ergebnis (Einkommens- und Vermögensverteilung) nicht „links“ – in den USA noch weit weniger als hier?
Ist mir auch unklar. Die Eliten sind alles, aber nicht links, obwohl die Unis angeblich 95% links sind.
Wir sehen mal davon ab, dass in den Geistes- und Sozialwissenschaften bestenfalls der Teil an Führungskräften ausgebildet wird, der später NGOs, Stiftungen und Behörden leitet:
Bei einem Teil von jungen Leuten kann man das Ergebnis durchaus bewundern. Mit steigendem Lebensalter (und Lebenserfahrung) frisst sich dann die Realität durch. Es gibt keine Ausbildung, die soweit von Lebensrealitäten entfernt ist, wie die geistes- und sozialwissenschaftliche.
Und es ist eben etwas anderes, ob man abstrakt für „höhere Steuern“ eintritt oder diese dann selber zahlen muss.
Gruss,
Thorsten Haupts
„Von Lebensrealitäten“…welchen denn? Als ob die nicht auch eine Lebensrealität hätten.
Du hast in den US-Unis auf jeden Fall in Bereichen wie Soziologie oder Latein Amerika Studien Reservate für ehrgeizige Akademiker, die sich selbst wohl in einer linksradikalen Tradition sehen. Ich kenne einen konkreten Fall, bei dem das Teil eines sehr bunten Lebenslaufes ist. Cornell Universität konkret. Den Namen sage ich nicht. Bin auf den gestossen, als ich mich vor über 10 Jahren gerade über Chavéz informiert hatte und nicht verstand, wie diesen Wahnsinn West-Europäer als erfolgsversprechend ansahen. Ich hab damals Veranstaltungen von denen besucht und dann auch diskutiert und auch zugegeben auch manchmal dazwischengequaselt.
Als „lecturer“ oder Assistenz-Professor gehört man bimbes-mässig sicher nicht zur Champagner-Linken. Im Grunde ist es vielleicht auch nicht schlecht, dass es solche Radikale gibt… solange sie keine Macht bekommen.
In jedem Fall bin ich gegen diesen Schutz der Meinungsschaafe gegen die Demagogen. Emotional motivierte mich damals diesen Schutzinstinkt. Da waren Zuhörer, die keinen blassen Schimmer von Lateinamerika hatten … und erhielten einen völlig einseitigen Agitprop Katechismus eingespritzt. Die Gruppe von jungen Ost-Deutschen, die wirklich aktiv wurden, korrigierten öffentlich ihre Position nach dem dritten Aufenthalt als „Brigade“.
Das Problem sind eigentlich eher die Leute mit fehlenden „Skepsis-Hormonen“, die sich von solchem Agitprop belatschern lassen.
Mein eigener Großvater blieb Zeit seines Lebens ziemlich angefixt von der KPD der 20er.
20% meines Medienkonsums aus Chile besteht aus rechts- und links-radikalen Unrat.
Ich bin da heute Bildungsbürger: Zu verfolgen, wie die sich eine Welt zurechtbiegen, hat auch einen gewissen Unterhaltungswert. Manchmal bringen die auch für mich neue Zusammenhänge. Das ist informativ, muss man aber dann selbst nachrecherchieren, weil die Darstellung dieser Vögel IMMER überzeichnet ist.
Mir fällt auf, dass du schon öfter Informatik als nicht-linkes Fachgebiet bezeichnest. Hast du dazu Quellen? Nach meinen Erfahrungen sind die wenigen Informatiker, die sich politisch deutlich orientieren, am ehesten CCC- und piratenaffin und damit bürgerrechtslinks und weinige sogar (radikal) eigentumslinks.
Das würde ich eher als libertär sehen. Libertarismus ist stark in dem Segment.
Ich kenne in meinem privaten und beruflichen Umfeld sehr viele linke Entwickler und übrigens auch Ingenieure. Erklärt habe ich mir das immer so: Entwickler und Ingenieure sind es gewohnt und mögen es auch, komplexe Systeme nach bestimmten Vorgaben zu bauen und zu steuern. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt bis hin zur Sozialtechnik. Die Gesellschaft als Maschine, wo man nur hier und da die richtige Schraube einsetzen muss, damit alles gut wird. Was die Schraube dazu sagt, spielt keine sooo große Rolle.
Eine Horrorvorstellung für Liberale. 🙂
Die tatsächlich offiziell vorgebrachte Begründung ist, dass Weiße sich mit Sklavenhalter*innen identifizieren und nicht mit Abolitionist*innen und Sklav*innen.
Dafür hätte ich gerne einen Beleg, bitte? Die Begründungen, die ich gesehen habe, beziehen sich auf die beiden mit Abstand populärsten Vertreter der CRT – Kendri und DiAngelo. Und monieren vollkommen zu Recht, dass beide „alle Weissen“ als inherent „rassistisch“ betrachten, die deshalb eine Verpflichtung habe, sich von den „echten“ (schwarzen) Antirassisten schon im Kindesalter zu „Antirassisten“ (Weissenselbsthassern) erziehen zu lassen. Kerndris und DiAngelos Bücher sind übrigens Millionenbestseller – und ich weise meine Behauptungen jederzeit gerne mit Originaltweets beider Autoren nach.
Um das so deutlich wie möglich zu formulieren: DiAngelo ist Rassistin und gleichzeitig psychisch schwer gestört, Kendri ist Rassist und nutzt seinen populären Rassismus für eine politische Agenda. Ich würde beide trotzdem niemals verbieten lassen. Nur wird man als Nichtlinker an US-Schulen, in US-Medien oder an US-Universitäten für weit, weit geringere Verstösse gegen woke Orthodoxien kurzerhand gefeuert.
Gruss,
Thorsaten Haupts
LOL. What a bunch of bs. Ole Miss, a university in the deepest of the Deep South adds a standard graduate level course on CRT and yet there’s cancel culture all around? I must have missed the shitstorm by conservatives against the course and its instructor, a newly appointed tenured professor…
And if you’ve read the whole article, you’d know that my point is that Cancel Culture is NOT all around.
Mir gehen die Snowflakes auf allen Seiten so dermaßen auf die Nerven.
Fun fact: hier in Norwegen ist einer der bekannteren Cancel Culture Fälle der eines Professors der von einem deutschen Studenten gemeldet wurde, weil er in der Vorlesung einen Witz über deutsche Touristen gemacht hatte.
Ist das nicht eine einfach wunderbare neue Welt?
lol
Das Problem ist halt, dass dem Prof nicht zum Lachen zu Mute war.
Der Student bekam eine Kompensation von der Uni und der Professor wurde dabei ziemlich schlecht in der Öffentlichkeit dargestellt. Später (das fehlt im englischen Artikel, habe da nur norwegische Quellen) hat sich die Uni beim ihm für die überzogene Reaktion entschuldigt. Ich bin aber unsicher, ob er überhaupt wieder lehrt oder nur noch forscht.
Für den Studenten war die ganze Geschichte wohl auch belastend.
https://newsbeezer.com/norwayeng/the-university-of-bergen-pays-compensation-to-a-german-student-vg/
Ich versteh einfach nicht warum dieser Bullshit ständig so eskalieren muss. Mir ist das genuin unklar.
Gute Frage.
Zum einen sind es, auch wenn Du das nicht gerne hörst, glaube ich auch SoMe bzw. die enorme Bereitschaft sich auf sehr dünner Grundlage öffentlich aufzuregen und auf der anderen Seite die Angst von Institutionen in so einen Shitstorm zu geraten.
Zum anderen scheinen mir mehr und mehr Leute sehr empfindlich zu sein und eine Opferrolle geradezu zu suchen.
Vielleicht ist das auch eine Überreaktion und es pendelt sich bald auf ein vernünftiges Mittelmaß ein.
Würde ich von ausgehen. Aber ich bin immer Optimist. 🙂
Häufig weil Vorgesetzte (z.B. Dekane, Intendaten) nicht das Rückgrat besitzen diesen „Bullshit“ einzufangen und den Leuten klar zu machen was für einen Zirkus sie veranstalten.
Ja, aber es sind ja auch die ganzen Leute drumrum. Das Rückgrat fehlt ja allerorten, gerade bei den Peers.
… wie der ständige Kulturkampf …
Die Liberalen (US-Definition) wollten den Kulturkampf, sie bekamen den Kulturkampf. Viel Spass damit.
Gruss,
Thorsten Haupts
Klar, sind immer die anderen.
In diesem Fall eindeutig.
Kein Stück. Die Konservativen brachen etwa in den frühen 2000ern einen Kulturkampf nach dem anderen um Homo-Ehe (Wahlkampfschlager Bush 2004), um Waffen (Dauerbrenner) und andere „greatest hits“ vom Zaun. Ich stimme dir aber völlig zu, dass die Linke AUCH Kulturkampf führt. Die Debatte darüber, wer das angefangen hat, ist aber Henne und Ei.
Moment, die Republikaner brachen in den 2000ern einen Kulturkampf um Waffen vom Zaun? Sie meinen, sie wehrten sich dagegen, dass ihnen Demokraten die Waffen wegnehmen wollten, sind damit aber Urheber eines Kulturkampfes? Echt?
Gruss,
Thorsten Haupts
Nein. Die Ausbreitung von Kriegswaffen ist ein neues Phänomen, und Teil des republikanischen Kulturkriegs. Noch in den 1970er oder 1980er Jahren kam fast keiner auf die Idee, ein M-16 Sturmgewehr als Ausdruck höchster Freiheit zu verkaufen.
„Noch in den 1970er oder 1980er Jahren kam fast keiner auf die Idee, ein M-16 Sturmgewehr als Ausdruck höchster Freiheit zu verkaufen.“ Dieses ‚fast‘ umfasst u.a. die Black Panther, die mit Gewehren und Uniformen patrouillierten, um gegen rassistische Gewalt vorzugehen (zugegeben nicht M 16 sondern die zivile Bauart AR-15)
Klaro, und schau mal was als nächstes passiert ist…
Gut, also brachen sie keinen Kulturkampf vom Zaun. Danke für die Bestätigung.
Gruss,
Thorsten Haupts
Häh?
mh…weiss nicht. Es waren ja die Republikaner die zum Beispiel spaetestens in den Neunzigern mit dem Gerede vom „wahren Amerika“ angefangen haben. Ist das kein Kulturkampf?
Nein, weil das ist nicht das Gegnerteam 😉
@ schejtan 8. Februar 2022, 11:50
Es waren ja die Republikaner die zum Beispiel spaetestens in den Neunzigern mit dem Gerede vom „wahren Amerika“ angefangen haben. Ist das kein Kulturkampf?
Es liegt doch in der Natur der Sache, dass sich in den Städten (Democrats) die Gesellschaft nicht nur anders entwickelt, sondern auch schneller verändert als auf dem Land (Republicans). Natürlich wird sich daraus zwangsläufig ein Kulturkampf entwickeln müssen.
Daraus abzuleiten, dass jemand „angefangen“ hat, ist halbwegs sinnfrei, da ein jeder von seinem relativen Standpunkt aus argumentiert, von dem sich der andere relativ entfernt.
Haben wir ja auch hierzulande, wenn man etwa die Diskussion um Autos verfolgt. In der Stadt werden sie immer weiter verteufelt, hier werden fürs Auto vorgesehene Park- und Verkehrsflächen eingeschränkt, um „Platz für Menschen“ zu schaffen, während es auf dem Land weit und breit keine Alternative zum Individualverehr gibt.
Wer hat hier Recht? Keiner? Beide?
Wer hat hier ‚angefangen‘? Gib mir eine Antwort, und ich sage Dir, wo Du wohnst 🙂
Exactly my point. Diese Frage, wer „angefangen“ hat, ist fruchtlos.
Deswegen fang ich meinen Kommentar als Replik auf Torstens Behauptung, dass es eindeutig die Progressiven waren, ja auch mit „mh…weiss nicht“ an 😉
@ Stefan Sasse
Interessant, dass Du das erwähnst – „Schwammigkeit“ fällt mir bei BBC-Artikeln seit einigen Jahren auch immer wieder auf. Damit meine ich nicht unbedingt Bothsiderism, sondern eher weichgespülte Formulierungen, die über das wahre Geschehen im Unklaren lassen.
Habe ich mich geändert? Hat sich die BBC geändert? Man kann es heutzutage einfach nicht mehr sagen. 🙂
Ich les normalerweise kein BBC, kann ich nix zu sagen.
Ich nenne diese Beobachtung die „Woke-Übergangsphase“. In der man sich zwar noch Standards verpflichtet fühlt, aber bereits grosse Sympathien für die Wokies verspürt. Dauert meistens einige Jahre, bis sich die Wokies durchgesetzt haben und man danach als zuverlässiger „Alliierter“ kritiklos funktioniert.
Könnte bei der BBC nur schwierig werden, sobald der bisherige Automatik-Geldhahn zugedreht wird – die Wokies wollen oder können einfach nicht zahlen :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Wokies? Sind das nicht diese zotteligen Riesen by Star Wars?
Die heissen Wookies, sind höchste anständige Leute (nur ein wenig verzottelt) und sollten nicht einmal spasseshalber in Verdacht gebracht werden, mit giftigen, paranoiden Halbirren aka Wokies etwas zu tun zu haben. Rrraugrah!
Gruss,
Thorsten Haupts
Kashyyk bleibt konservativ.
Ok, Humorversuch fehlgeschlagen.
Nein, gelungen :-).
a) Früher war alles besser
b) Die Leitung der BBC ist nach dem Jimmy-Savile-Skandal ausgewechselt worden, Richtung konservativer und vorsichtiger
c) seit 2017 geschieht die Programmkontrolle nicht mehr intern durch das BBC-Board sondern durch die Medienaufsichtsbehörde OFCOM
d) Finanzierungsdebatten führen zu vorauseilendem Gehorsam
Bemerkenswert ist etwa die Geschichte einer Konservativen aus Mississippi, die die ein Critical-Race-Theory-Seminar besucht hat und ihre Vorurteile widerlegt fand – und auch Abgeordnete überzeugte.
Ich kann dem verlinkten Artikel nicht entnehmen, dass sie Abgeordnete überzeugt hätte.
Weird, muss ich mich verlesen haben. Ich korrigiere es.
1) In Tennessee ist im Bücherstreit eine neue Eskalationsstufe da: ein evangelikaler Pastor lässt Bücher verbrennen.
https://www.theguardian.com/us-news/2022/feb/04/book-burning-harry-potter-twilight-us-pastor-tennessee
2) Interesse: Wie sieht deine Erfahrung mit deutschen Eltern und Schullektüre aus. Gibt es welche, die sich über z.B. ‚The Hunger Games‘ aufregen (Bloodsport, Terrorismus, keine ‚richtige’Literatur, weil noch keine 100 Jahre alt ) ? Ich meine, dass vor einigen Jahren in BW christliche Gruppen gegen eine Novelle von Kurbjuweit protestiert hatten.
3) Es ist symptomatisch, dass die erste Reaktion ein ‚Die Linken sind noch schlimmer‘ ist. Statt Frontlinien im Kulturkampf abzustecken, täte es not, die immer gleichen Grundmuster hinter dem Zensurdenken zu erkennen … egal ob es Linke, Rechte, Coronagegner oder ‚Feindsender‘ betrifft.
4) Ein wesentliches Element ist die Verschiebung des Ausschlusskriterien von einem für Dritte einsichtigen Angriffspunkt (Z.B. Beleidigung nach StGB) zu einem subjektiven ‚sich angegriffen FÜHLEN‘. Wer sich als Opfer hinstellt, hat nicht automatisch recht.
5) Was nachgerade Orwell-Charakter hat, sind nachträgliche Änderungen an Büchern, Filmen etc.. wir hatten das groteske Beispiel ‚Fight Club‘ in China im letzten Vermischten. Aber beginnend mit kleinen Details schleicht sich das auch im Westen ein, egal ob es eine blanke Brust, eine Zigarette, das N-Wort, das WTC oder ein FCKAfD-Aufkleber ist.
6) Schon in ‚Fahrenheit 451‘ ging der Wunsch nach Buchzensur nicht von der Regierung aus, sondern von der Bevölkerung. Das Nicht-konfrontiert-werden-wollen ist natürlich nichts neues, wie Stefan S. immer wieder betont. Aber es ist in erster Linie eine Sache der Medien, in zweiter Linie der Politik, wie viel Widerhall dies findet. Und derzeit sind in vielen Ländern die Eliten in beiden Bereichen aus sehr unterschiedlichen Gründen eher auf Zensur gebürstet (deutsches Beispiel: Netzwerkdurchsetzungsgesetz).
1) Er ist leider nicht der erste; in konservativen Kreisen sind Bücherverbrennungen schon seit Jahrzehnten Gang und Gäbe. Nicht nur Bücher, by the way. Auch Schallplatten, Comics, Actionfiguren, Pornohefte, was auch immer den Moralisten nicht geheuer war wird in den Kreisen gerne verbrannt. Ich kenn mich zu wenig mit Evangelikalen aus, um zu sagen, woher das kommt; ich nehme aber NICHT an, dass es von den Nazis ist (die es ja eh auch nur von den Demokraten auf Wartburg und Hambacher Fest haben!).
2) Christliche Gruppen beschweren sich immer über was, das ist ja quasi der raison d`etre. Ich hatte vor neun Jahren mal eine Auseinandersetzung mit Eltern, weil ich mit 15jährigen GOT besprechen wollte, was ab 16 ist. Aber der Sohn hat das ziemlich cool geregelt: er hat es mit seinen Eltern durchdiskutiert, die haben die erste Folge geschaut um sich selbst ein Bild zu machen und wurden zu GOT-Fans 😀 Seither hatte ich noch nie ein Problem. Hunger Games habe ich dieses Jahr zum dritten Mal mit einer Mittelstufenklasse gemacht, kein Stress.
3) Standardreaktion, aber das betrifft beide Seiten. Ist ein Abwehrreflex.
4) Ja und nein. Wenn ich Gefühle verletze, verletze ich Gefühle. Das ist nicht objektivierbar.
5) Naja, Orwell ist mir wesentlich zu stark. Und rassistische Begriffe aus Pippi Langstrumpf rauszunehmen sehe ich auch nicht problematisch.
6) Guter Punkt!
1) Weit weit vor den Nazis gab es ja auch schon genuin christlich-radikale Bücher/Sachen-Verbrennungen. Savonarola fällt mir da zum Beispiel ein. Ich würde sogar sagen, irgendwas oder gar jemanden zu verbrennen, ist eine sehr christliche Erfindung. Die reinigende, erlösende Kraft durch das Feuer etc.
2)Wenn ich Gefühle verletze, verletze ich Gefühle. Das ist nicht objektivierbar.
Sehe ich auch so und es ist normalerweise ja auch kein juristisches Problem, das irgendwie bewiesen werden muss. Man kann nicht selbst darüber bestimmen, ob man anderer Leute Gefühle verletzt, höchstens über die Absicht.
1) Ah macht Sinn.
2) Exakt.
Ich würde sogar sagen, irgendwas oder gar jemanden zu verbrennen, ist eine sehr christliche Erfindung.
Googeln Sie bitte mal „Zoroastrismus“ im Zusamenhang mit „Feuer“ und die Überlegung erledigt sich automatisch. Das war übrigens eine deutlich frühere Religion als das Christentum und zu seiner Zeit mindestens ähnlich bedeutend und einflussreich.
Gruss,
Thorsten Haupts
Sicher, Feuer hat/te in ganz vielen Kulturen spirituelle Bedeutung, die Griechen und Römer hatten ja auch Göttinnen des Herdfeuers. Ich meinte aber speziell Böses durch Feuer vernichten. Zumindest fallen mir da spontan nur christliche Bilder ein, gibt ja zb auch das flammende Schwert. Es ging mir eher darum, dass neue Entwicklungen wie eben die Bücherverbrennung der Nazis evtl auch Fackelmärsche eher an das Christentum angedockt haben als umgekehrt. Ohne dass ich irgendwelchen evangelikalen Heinis da nun große mystische Überlegungen andichten will^^
Wir haben natürlich auch wenig Zoroastrier in Deutschland 😉
Das ist gar nicht so viel Widerspruch. Das frühe Christentum hat so viel von der Mithrasreligion übernommen, dass die Bezeichnung jüdisch-zoroastrischer Synkretismus nich weit hergeholt ist.
Allerdings hätten die 100.000 heutigen Zoroastrier (Parsen) keine Probleme mit einem Magier 😉
Das Christentum hat alles von früheren Religionen übernommen. Den Durchbruch erlangte es in der Antike nicht durch ideologischen Mehrwert, sondern durch den brillantesten Marketingprofi der Religionsgeschichte (Paulus von Tarsus). 🙂
@ Tim 9. Februar 2022, 09:55
Das Christentum hat alles von früheren Religionen übernommen. Den Durchbruch erlangte es in der Antike nicht durch ideologischen Mehrwert, sondern durch den brillantesten Marketingprofi der Religionsgeschichte (Paulus von Tarsus). 🙂
Yep! Bis hin zur Terminierung der Feiertage (Weihnachten, Ostern) und der Jungfrau Maria 🙂
Ja, das finde ich immer stark unterschätzt. Danke für den Hinweis.
Nicht nur Mithras, auch Sol war massiv dabei.
wobei der spätantike sol invictus mehr vom syrischen Elagabal und wiederum Mithras hatte als vom ‚klassischen‘ Sol der republikanischen Zeit.
Ok, I’m out of my depth. 🙂
Stimmt, Christentum wirklich extrem unoriginell 😀
Zeug zu verbrennen, das man nicht mag, scheint ziemlich universell zu sein, sofern es mit religiöser Überzeugung aufgefallen ist. Säkularisten scheinen da weniger dazu zu neigen.
4) Yup. Was verlorenging – ich kann mich zutiefst verletzt fühlen und trotzdem in der Sache Unrecht haben. Die heutige Automatik – „Ich fühle mich verletzt, also bin ich Opfer, also ist der andere schuld und böse“ ist in ihrer abgrundtiefen Dummheit eine Menschenrechtsverletzung!
Gruss,
Thorsten Haupts
4) Meinen Sie mit ‚Menschenrechtsverletzung‘, dass Sie sich durch solche Äußerungen – obwohl diese Sie bestenfalls mittelbar betreffen – so weit subjektiv verletzend empfinden, dass Sie sich als Opfer fühlen ?
Ich bin aus Prinzip niemals Opfer, also – nein.
Best! 🙂
Finde ja, aus einem simplen xyz fand ich verletzend eine Menschenrechtsverletzung (öh?) zu machen, ist jetzt doch etwas übertrieben. Es geht dabei ja auch nicht darum, eine große Welle, zu machen, man kann das ja auch als simple Information auffassen und das eventuell zur Selbstreflektion nutzen. (gilt jetzt natürlich nicht für Leute, die einen Professor wegklagen, weil der nen schlechten Scherz gemacht hat)
Dazu nur ganz kurz:
1) Habe ich einen groben Scherz gemacht
2) Es gibt keine Meinungsäusserung, von der sich nicht irgendwer irgendwann verletzt fühlt. Keine! Wenn man anfängt, darauf Rücksicht zu nehmen, unterbindet man Diskussion. Endgültig.
3) Selbst wenn jemand sich verletzt fühlt, ist das kein Beleg für die Richtigkeit seiner/ihrer Meinung und die „Verletzung“ sollte deshalb in einer halbwegs rationalen Debatte keine Rolle spielen
Andernfalls gewinnen die Sensibelsten (oder die, die das am besten simulieren können) automatisch jede Diskussion. Und ich unterstelle denen, die am lautesten schreien (links oder rechts), dass genau das die Absicht ist. Soooo dumm sind die meisten Leute nämlich gar nicht.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das sehe ich nicht so. Selbstverständlich kann man darauf Rücksicht nehmen, nur Psychopathen tun das nicht, der Rest der Menschheit macht das in jeder täglichen Konversation ständig. Diese Idee, dass das eine nicht endende Eskalationsspirale der Verletzlichkeit hervorrufen würde, ist ja nicht zutreffend.
Ach tatsächlich? Lassen Sie uns das am konkreten Beispiel durchdeklinieren: Jemand bezweifelt, dass Trans-Frauen im Sport als Frauen gelten sollten oder dass es sinnvoll ist, die Forderung von Trahnsaktivisten zu erfüllen, Siebenjährigen Hormone zu verpassen, weil sie mal ne Phase haben, in der sie liber Kunge/Mädchen sein wollen.
30 Sekunden, nachdem Sie so etwas kundgetan haben, sind in den sozialen Medien ein Dutzend Leute aufmarschiert, die Ihne mitteilen, Sie würden Trans-Leute ganz furchtbar verletzen, die Community gefährden, wären mit Schuld an der täglichen Verfolgung vieler und letztlich dem Tod einiger Transmenschen. Und transphob wären Sie sowieso. Diejenigen, die bezweifeln, dass so etwas passiert, lade ich gerne in entsprechende englischsprachige Diskussionen auf twitter ein.
Frage: Wie nehmen Sie jetzt Rücksicht, ohne die Debatte abbrechen zu müssen?
Im übrigen macht das der Rest der Menschheit NUR in perönlichen konversationen mit einem meistens persönlich bekannten gegenüber täglich. Mitnichten aber in Essays, Meinungsartikeln oder Blogs, in denen man für eine Idee, eine Theorie oder ein politisches Anliegen argumentiert. Und damit „verletzt“ man sicher, vorhersehbar und unvermeidbar verdammt viele Menschen, einen entsprechenden Verbreitungsgrad vorausgesetzt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Du übertreibst halt auch schon wieder fies. Ja, die Debatte über Transfrauen im Sport wird teilweise absurd geführt – aber von beiden Seiten. Denn natürlich verletzt du jemand, der sich als Frau fühlt, wenn du sagst, dass die nicht Frau sein darf. Das ist ja wohl klar. Umgekehrt, und da sehe ich die Übertreibung, ist es wahrlich nicht so, als gäbe es eine breite Bewegung für die Hormonbehandlung Siebenjähriger. Das ist eine Extremistenbewegung. Ich erkenne problemlos an, dass Transfrauen sich verletzt fühlen, wenn man ihnen das Frausein abstreitet, und ich erkenne auch an, dass Siebenjährige zu jung für eine Hormonbehandlung sind. Zwischentöne sind durchaus möglich, und dass das immer schwieriger wird, ist Schuld eines immer schrilleren Tonfalls – an dem du dich hier aktiv beteiligst!
Eine Runde Ausweichmanöver?
Es ging um die Frage, wie man diese Fragen (und ob Transfrauen im Sinne des Frauensportes als Frau gelte, ist sehr wohl eine zulässige Frage) diskutiert, wenn jemand behauptet, er sei dadurch verletzt.
Kommt da noch was?
Gruss,
Thorsten Haupts
Was machst du denn im Alltag, wenn jemand sich durch deine Worte verletzt zeigt? Ich erkenne an, dass die Person verletzt ist, ich entschuldige mich für Verletzung und versuche dann, meinen eigenen Standpunkt deutlich zu machen, ohne die Verletzung zu wiederholen.
Verzeihung, aber genau das funktioniert in der Trans-Debatte eben genau nicht. Wenn jemand, der als biologischer Mann geboren wurde und sich unglücklicherweise als Frau fühlt – was ich nie bestreiten würde – dann ist der von allen Trans-Aktivisten heute erhobene Anspruch, dass er jederzeit und überall als Frau zu behandeln ist. Dafür notwendig ist nur die Erklärung, er identifiziere sich als Frau.
Danach ist jeder abweichende Standpunkt – z.B. die Nichtzulassung zum Frauenwettkampfsport (wegen der massiven Geburtsvorteile eines biologischen Mannes re Muskelmasse) – bereits die Verletzung. Und genauso argumentieren die Transaktivisten auch.
Also, was dann?
Gruss,
Thorsten Haupts
Das ist eine Frage mit binärem Ausgang. Es geht nur A oder B. Ich kenn mich zu wenig mit dem Thema aus, aber ich würde aus dem Bauch heraus sagen, dass du eben anerkennst, welchen gewaltigen Zwiespalt das aufwirft und so weiter, und bleibst bei deiner Position – aber eben immer betonend, dass du ihre Identität akzeptierst. Ist schwierig, und die Nuancen gehen gerne verloren, aber was Besseres fällt mir solchen Problemen generell nicht ein.
Funktioniert praktisch, beobachtbar und reproduzierbar nicht, aber das würde hier zu weit führen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Klar, aber letztlich ist jede Idee dumm, wenn man sie ins Extrem überdreht.
1) As Ariane said. Ich würde die Traditionslinie etwa so zurückführen: Ku-Klux-Klan, lokale Femegerichte auf dem Land bis zurück zu den Puritanern. Die Inszenierung ist inquisitorialen Autodafes nachempfunden. Auch völlig ohne Nazis eine Ahnenreihe, die an das einschlägige Heine-Zitat erinnert.
3) Das große Problem. siehe mein Kommentar unten.
4) Dafür baue ich aber auch eine gewisse Resilienz (oder Toleranz) auf, dass ich mich nicht jedes Mal am Boden wälze, wenn mich jemand anrempelt.
5) Bei Kindern einsichtig im Sinne eines ‚easy readers‘ Aber bei Erwachsenen führt es dazu, dass das Bewusstsein verloren geht, dass es früher andere Wertvorstellungen gab (Gegenwartschauvinismus).
@ cimourdain 8. Februar 2022, 10:25
einmal mehr: Danke
1) In Tennessee ist im Bücherstreit eine neue Eskalationsstufe da: ein evangelikaler Pastor lässt Bücher verbrennen.
Wenn es um Religion (egal, um welche) geht, stellen sich mir inzwischen alle Haare hoch. So sehr ich Spiritualität schätze und der Vorstellung von Gott etwas Ordnendes zuordnen kann, so sehr gerate ich ins Speien, wenn ich sehe, was man immer wieder daraus macht.
Ich habe kein Problem mit dem Konzept ‚Gott‘, aber enorme Probleme mit den Konzepten ‚Religion‘ und ‚Kirche‘.
3) Es ist symptomatisch, dass die erste Reaktion ein ‚Die Linken sind noch schlimmer‘ ist. Statt Frontlinien im Kulturkampf abzustecken, täte es not, die immer gleichen Grundmuster hinter dem Zensurdenken zu erkennen … egal ob es Linke, Rechte, Coronagegner oder ‚Feindsender‘ betrifft.
Grundsätzlich einverstanden damit, sich an Kriterien zu orientieren. Bleibt trotzdem schwer; ich ertappe mich auch immer wieder bei „aber die anderen …“, wohl weil mich Dinge, die in meine präferierte Richtung zielen, nicht so stören (was nicht automatisch ausschließt, dass die Linken nicht doch schlimmer sind 🙂 ). Man bewertet halt anders.
4) Ein wesentliches Element ist die Verschiebung des Ausschlusskriterien von einem für Dritte einsichtigen Angriffspunkt (Z.B. Beleidigung nach StGB) zu einem subjektiven ‚sich angegriffen FÜHLEN‘. Wer sich als Opfer hinstellt, hat nicht automatisch recht.
Hier stimme ich Dir zu: Mein persönliches Ehrempfinden (besser: Empfindlichkeit?) sollte keine Rechtsprechung ersetzen dürfen.
6) Und derzeit sind in vielen Ländern die Eliten in beiden Bereichen aus sehr unterschiedlichen Gründen eher auf Zensur gebürstet (deutsches Beispiel: Netzwerkdurchsetzungsgesetz).
Auch richtig. Das NetzDG entstand in der Folge der Flüchtlingskrise, bei der die damalige Regierung, statt sich mit Kritikern auseinanderzusetzen, diese diskreditierte, und die dann folgenden Gegenreaktionen (von denen einige wirklich rechtsextremistisch waren) auf diesem Weg einfangen wollte.
Aber Ziel des Gesetzes war eben nicht, das Strafgesetz auch online durchzusetzen, sondern, über die Gebote des Strafrechts hinaus schnell wirken zu können. Ist in der Tat ein Gesetz, dass mich vom Schema her eher an Putins NGO-Vorschriften erinnert.
Jetzt muss ich Ihren Dank mal zurückgeben. Es ist wirklich erfreulich, dass Sie in diesem Bereich den grundsätzlich gleichen Denkansatz verfolgen.
3) Sehr interessanter Hinweis. Auf die doppelte Bedeutung von ‚erste‘ Äußerung bin ich gar nicht gekommen. Es ist auch die Äußerung des ersten Impulses beim Lesen gewesen, der ‚raus musste‘. Ergibt sehr viel Sinn.
6) Es ist noch schlimmer: Autokraten (auch Putin) haben das NetzDG mit Begeisterung kopiert : https://www.sueddeutsche.de/digital/netz-dg-internetzensur-facebook-1.4840302
1) Geht mir auch so. Glauben ist kein Problem. Religion ist häufig eins 🙁
3) Exakt, so geht es mir auch. Deswegen finde ich das Blog hier so wichtig, weil beide Seiten in den Kommentaren vertreten sind und sich gegenseitig kontrollieren.
4) Tut es ja aber auch nicht.
6) Es macht halt einen zentralen Unterschied, ob man in einem Rechtsstaat lebt oder nicht.
„Man bewertet halt anders“.
Ist das nun menschlich-allzumenschlich – oder sollte man als vorbildlich aufgeklärter Bürger mit allen Kräften bei sich selbst und anderen dagegen angehen?
Schon in den 70ern, als die „kreativen“ Ausdrucksformen ( sit-ins, Umfunktionieren von Vorlesungen usw.) aufkamen, habe ich mich gefragt, ob ich das bei Rechtsaußen auch akzeptieren würde. Und hab das unentschieden zurückgestellt. Nun holt es mich wieder ein, bei den „Spaziergängern“ auf der einen und den Straßenblockierern auf der anderen Seite.
Andere weniger nach ihren Zielen beurteilen als nach den Mitteln Methoden, die sie dafür einzusetzen bereit sind? Aber hätten wir damit jemals den Feudalismus überwunden?
In einem Rechtsstaat mit freien Wahlen, freier Parteienbildung und freier Agitation für und wider irgendetwas stellt sich die Frage einfach nicht. Wer hier „zivilen Ungehorsam“ für (beliebiges einsetzen) reklamiert, will ein Privileg exklusiv für sich selbst. Nämlich Mittel einsetzen, die ein frei gewähltes Parlament gesetzlich ausgeschlossen hat, um damit für sein Anliegen zu werben. Dafür habe ich 0 Verständnis – und das gilt für links wie rechts.
Aber wir haben es jetzt ja sogar von Regierungsseite schriftlich, dass diese (in Form einer amtierenden Ministerin) Verständnis für rechtsbruch, Nötigung und die Gefährdung von Menschenleben hat. Zur Kenntnis genommen und zur Wiedervorlage abgespeichert.
Gruss,
Thorsten Haupts
Die adäquate Reaktion auf eine deutsche Greta Thunberg wäre also: Bußgeld wegen Schulschwänzens, bei Nichtbezahlung Knast? Schweden ist ein Staat mit den genannten Attributen.
Auch die Studenten mit dem „Muff von tausend Jahren“-Banner hätten ganz regelkonform in den zuständigen Gremien agieren oder einen Leserbrief schreiben können. Und hätten nichts erreicht.
So einfach ist es also nicht.
Die adäquate Reaktion auf eine deutsche Greta Thunberg wäre also: Bußgeld wegen Schulschwänzens …
Wenn man den Rechtsstaat ernst nimmt, kann die Antwort nur lauten: Ja! Wenn man – für die „Wichtigkeit“ seines Anliegens – allerdings Sonderrechte reklamiert, für die man keine gesellschaftlichen Mehrheiten hat … Ich hätte das Fass nicht aufgemacht, aber jetzt ist der Geist aus der Flasche und die Rechte hat entdeckt, dass das ja fein ist, weil gesetzestreu nur noch die Trottel sind.
Ist jetzt eh egal, aber ich nehme keinem Politiker, der jemals Sympathie für Rechtsbrüche gezeigt hat, noch eine Berufung auf den Rechtsstaat ab. Bin damit nicht alleine :-). Bin mir nur inzwischen ziemlich sicher, dass die Richtung dieser Entwicklung uns allen dauerhaft schaden wird, aber das ist nicht mehr mein Baby.
Gruss,
Thorsten Haupts
Zumindest musst du die Fehlzeiten dokumentieren. Also das wäre das, wie es bei uns läuft. Ich kann ja nicht einfach die Regeln außer Kraft setzen.
Spannend, mich hats auch an die Genderdebatte erinnert. Es wird eine Bedrohung imaginiert, die dann präventiv verhindert wird und plötzlich ist man selbst die Sprachpolizei (und ich bekomme Kopfweh!)
Diese emotionale Energie, die da reinfließt, finde ich ja beachtlich. Erschöpft mich schon vom Zusehen, ehrlich. Wo nehmen die das her? Sind die im Alltag so unemotional, dass die das in Phantomdebatten ausleben oder haben die einfach soviel davon? Natürlich kann und darf man sich mal aufregen, aber das sind ja längerfristige/dauerhafte Prozesse.
Und da sind wir dann wieder beim Thema, das du neulich schon hattest, die Emotionalisierung funktioniert auf der rechten Seite oft deutlich besser.
Ich finde es auch auf der linken Seite oft völlig übertrieben, aber meist handelt es sich ja um irgendwie persönliche Angelegenheiten wie mit dem Professor, die dann aus dem Ruder laufen. Oder bei Gendern, CRT etc halt um eine Idee, die vorgeschlagen und für gut befunden wird.
Auf der rechten Seite dagegen ist das ja eine Sache kurz vor der Apokalypse. Die Sprache geht für immer kaputt, wenn irgendwo ein Genderstern da ist. Das ist ja nie ein „ich finde das nicht gut und mache das auch nicht,“ sondern Sprachklempnerei (wer so ein Wort erfindet, hat die deutsche Sprache eh nie geliebt btw!) Die Bedrohungslage ist ja eine ganz andere und insgesamt spielen da die Medienblasen schon eine deutliche Rolle.
Immerhin: ich glaube, in Deutschland wird es nicht ganz so krasse Auswirkungen haben, auch die Trägheit der Politik hilft da um nicht eilfertig große Gesetzesvorhaben mit zu verknüpfen. Die Ausreißer, die du auch erwähnt hast, finde ich zwar auch bedenklich, aber klein genug, um paar blöde Witze drüber zu reißen. Die USA sollten aber eine Mahnung sein, wie schnell das bitterernst werden kann.
Wobei die das natürlich genau umgekehrt wahrnehmen.
Natürlich, ich finde da auch vieles auf der linken Seite überdreht, aber zumindest hat es in den angesprochenen Punkten nicht gleich so einen weltverändernden oder apokalyptischen Charakter. (der ist dann eher bei der radikalen Umweltbewegung zu finden und von mir ähnlich verhasst, wieso muss denn immer gleich die Apokalypse ausbrechen, nur weil man ein Problem angehen will?)
Obwohl Klimaumwelt natürlich objektiv doch etwas dramatischer ist als ein Genderstern, also ich will das nicht direkt vergleichen. Nur diese übertriebene Rhetorik find ich echt gruselig und abschreckend. Und das zeigt sich ja auch in vielen Debatten, das ist überhaupt nicht mehr zu toppen, weil alles unter Weltuntergang dann niemanden mehr interessiert. (falls doch mal sowas wie eine globale Pandemie ausbricht, verfallen wir hingegen ins andere Extrem und bitten darum, nun nicht panikartig eine Maske aufzusetzen (das sind ja oft dieselben Leute!)) Ich bin ja eh der Meinung, dass der Mensch ziemlich unfähig für abstrakte Bedrohungen ist, aber durch diese Ungleichgewichte geht das alles ja noch mehr kaputt.
Ja, ich hab auch keine Sympathie für Extinction Rebellion und Co. Selbst wenn die Recht hätten: so what? Dann wären wir einfach nur erledigt. Und das wäre kein Mindset, in dem ich leben will.
Erstens das und bei all dem Verschwörungsglaube, der unterwegs ist und immer die Apokalypse kommen sieht, baut man auch unbeabsichtigt zuviele Ähnlichkeiten auf. Die Apokalypse zu sehen, ist ja schon ein sicheres Indiz für solche Gedanken.
Diese emotionale Energie, die da reinfließt, finde ich ja beachtlich. Erschöpft mich schon vom Zusehen, ehrlich. Wo nehmen die das her?
Das ist tatsächlich etwas, das mich auch immer wieder verblüfft. Das macht es aber auch letztlich so schwierig, dem etwas sinnvoll dagegenzusetzen. Soviel Energie hat doch kein Mensch.
Mich erinnert das immer an Douglas Adams, Band drei vom Anhalter. Da gibt es dieses Volk vom kleinen Planeten Krikkit, dessen Himmel vollkommen leer erscheint, weil der Planet von einer Staubwolke umgeben ist. Als die Krikkiter eines Tages durch ein abgestürztes Raumschiff von der Existenz anderen Lebens erfahren, dann selbst die Raumfahrt entwickeln und jenseits der Wolke erstmals die Sterne und das ganze unendliche Universum sehen, beschließen sie kurzerhand, dass das alles wegmuss und machen sich daran, den aus ihrer Sicht natürlichen Zustand des Himmels wiederherzustellen indem sie den Rest des Universums vernichten.
Irgendwann im Laufe des Buches fragt Arthur Dent, wie es sein kann, dass die paar Hansel überhaupt eine Bedrohung darstellen. Die Antwort: „They just care more.“
Ja, Adams war in Vielem ziemlich hellsichtig.
Nachtrag : Wir hatten vor anderthalb Jahren hier im Forum die Diskussion um „cancel culture“ als eine große Zahl von US-Intellektuellen in einem offenen Brief über eine zunehmend repressive Atmosphäre, was Meinungsäußerungen betrifft beklagt hatten.
Damals wurde das von den meisten Progressiven (auch Stefan Sasse) ziemlich brüsk zurückgewiesen mit dem Onesiderismus-Argument „Was wir machen, ist nicht so schlimm“. Heute wären es wertvolle Verbündete, wenn es um freie Lehre geht.
Ja, ich war damals zu optimistisch.
Es ging um den Brief hier, nicht wahr?
https://harpers.org/a-letter-on-justice-and-open-debate/
Ich habe mich damals schon gewundert, wie viele den rundheraus angelehnt haben
Mein Problem war die einseitige Fokussierung auf links in der Debatte um den Brief.
Wobei der Brief diese Einseitgkeit überhaupt nicht hatte.
„The forces of illiberalism are gaining strength throughout the world and have a powerful ally in Donald Trump, who represents a real threat to democracy.“
Wie gesagt, das war eher die Debatte drumrum, aber auch, wie sich diverse Unterzeichnende dieses Briefes äußerten.
Aber ging es da nicht irgendwie um sowas wie Internetzensur, weil Leute da böse Sachen schreiben? Ich dachte, man sollte Resilienz aufbauen. Also beides zusammen ist ja nun paradox.
Lies (dankenkswerterweise hat wächter einen Link gestellt):
„We uphold the value of robust and even caustic counter-speech from all quarters. But it is now all too common to hear calls for swift and severe retribution in response to perceived transgressions of speech and thought.“
Einfach formuliert: Es geht um ‚Meinungsäußerung‘ der Art „Verbrennt die Hexe !“ (oder „Feuert den Prof“)
Sehr guter Artikel noch zum Thema:
https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2022/02/logical-end-language-policing/621500/?utm_source=feed
Ich muss bei solchen Beispielen immer an die Diskussion hier vor kurzem denken wie viel freier die USA doch seien.
„largely because of eight curse words, including goddamn, in its text. School-board members felt that it was wrong to assign reading with words their students aren’t allowed to say. “I understand that on TV and maybe at home these kids hear worse,” school-board member Tony Allman said, according to a transcript of a meeting last month, “but we are talking about things that if a student went down the hallway and said this, our disciplinary policy says they can be disciplined, and rightfully so.”
Exakt.
Stichwort Kulturkampf übrigens hier Ulf Poschardt:
https://pbs.twimg.com/media/FK3lKLuXwAQZzDC?format=png&name=large
Der ist da ganz offen und ehrlich über das, was er tut. Das darf man ruhig anerkennen.
Yup, wenn ich 25 Jahre jünger wäre, hätte ich jetzt einen Riesenspass nach dem nächsten. Leider bin ich zu alt für diese albernen (aber spassigen!) Spielchen.
Ich hab die Linken ja schon zu meiner aktiven Zeit mit (bevölkerungstechnisch) mehrheitsfähigen Positionen regelmässig auf die Palme gebracht. Aber sooo leicht wie heute ging´s damals noch nicht, da musste man Gehirnschmalz investieren. Milo Y hat mir gezeigt, dass man das heute gedankenlos, nach 5 Bier und im Halbschlaf kann, dreimal täglich.
Gruss,
Thorsten Haupts
Und das Schönste dabei: Es funktioniert wechselseitig, wie alle Rollenspiele. Der Erwartungswert ist gleichverteilt.
In Florida drehen sie echt völlig ab:
https://twitter.com/DWUhlfelderLaw/status/1491147531547717633
https://de.wikipedia.org/wiki/Stacheldraht_auf_der_Prärie
10/10 Punkten für die Anspielung. Mein erster Lucky Luke war das!