Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.
Man kann also sagen, dass Russland – und der Name des Landes taucht in der Namensgebung der Moskauer Herrscher in der Mitte des 17. Jahrhunderts auf – selbst von Anfang an ein Imperium darstellte, das nie ein Nationalstaat war. Später, von Peter dem Grossen bis Alexander III., schuf dieses Imperium ein weiteres Imperium, das Imperium von Russland, in dem das vorherige zu einer Art Metropole wurde. Während also im Westen die Imperien expandierten, schrumpften und dann wieder expandierten, bevor sie Mitte des 20. Jahrhunderts zerfielen, entwickelte sich in Russland eine Matrjoschka-gleiche imperiale Struktur. Während die Geschichte im Westen zu einer klaren Unterscheidung zwischen der Metropole und den Kolonien führte, löste die russische Geschichte die Grenzen zwischen beidem vollständig auf. […] Andererseits haben die Russen aufgrund der Überschneidung der imperialen Kreise und der Abwesenheit des Nationalstaates kaum eine Vorstellung davon, was Russland eigentlich ist. Sie unterscheiden nicht zwischen den zentralrussischen Regionen, aus denen der Staat hervorgegangen ist, den abgelegenen Regionen Sibiriens, in denen (wie in Jakutien oder in Tuwa) die indigenen Völker die Mehrheit der Bevölkerung stellen, oder Tschetschenien und Inguschetien, wo die ethnischen Russen weniger als ein Prozent der Einwohner ausmachen. Für sie sieht jede Abspaltung wie eine endgültige Dekonstruktion des Imperiums aus, und deshalb haben die Kriege für den Verbleib der absolut nutzlosen Republik Tschetschenien bei Russland Putin in die Position des nationalen Führers gehievt. Der derzeitige Aufschwung des russischen Imperialismus (und nicht des «Nationalismus», wie viele glauben) erscheint von daher nicht nur natürlich, sondern durchaus vorhersehbar.
, Neue Züricher Zeitung)
Gwendolyn Sasse (keine mir bekannte Verwandtschaft) analysiert dasselbe Thema in der ZEIT in Bezug auf den Ukraine-Konflikt und weist zu Recht auf das Putin-Essay von 2021 hin, in dem dieser seine Sicht der Geschichte ziemlich explizit aufschreibt. Für die allermeisten Deutschen erfüllt dieses Putin-Essay ungefähr die Rolle, die „Mein Kampf“ für internationale Beobachter in den Dreißiger Jahren darstellte. Alles war da, aufgeschrieben vom Mann selbst, aber es wurde beharrlich ignoriert. Putin macht kein Geheimnis aus seinen Ansichten und seiner Position. Warum ständig so getan wird, als sei das nicht der Fall, erschließt sich mir genauso wenig wie das eigentümliche deutsche Beharren auf dem Zauberstab der Verhandlungen.
The Wisconsin Safe Voting Plan lists CTCL’s four major strategic objectives.
- First, to “encourage and Increase Absentee Voting (By Mail and Early, In-Person),” mainly through providing “assistance” in absentee ballot completion and submission, and the installation of ballot drop boxes
- Second, to “dramatically expand strategic voter education & outreach efforts, particularly to historically disenfranchised residents.”
- Third, to recruit new election workers, mainly from among paid young activists who would replace the usual, older election day volunteers.
- A distant fourth, both in emphasis and level of funding, was the funding of Covid-19 related safety measures
CTCL funded election offices in Wisconsin seemed particularly intent on courting a demographic favored by the activists at CTCL—a loosely defined “New American Majority” coalition—to replace the working-class voters who had abandoned the party in droves in 2016, and who formerly made up a significant part of the old Democratic “Blue Wall” in the industrial upper Midwest. […] The Wisconsin Safe Voting Plan outlined the prodigious efforts that the Wisconsin Five were willing to make in order to bend the election system from within toward these untapped tranches of low-propensity potential Democratic voters, and thereby increase Democratic votes in their cities, and in the statewide totals. […]
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Concern was expressed about “voters who, understandably, were completely confused about the timeline and rules for voting in the midst of a pandemic and required considerable public outreach and individual hand-holding to ensure their right to vote.”
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Concerns were also expressed that many targeted Democratic voters would have no idea how to cast absentee ballots. […]
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Racine wished to create a small corps of “Voter Ambassadors.” Racine officials said they would use their grants to recruit, train and employ paid Voter Ambassadors who would set up at the City’s community centers to assist voters with all aspects of absentee ballot requests, including photo ID compliance.
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Green Bay allocated funds to install secure drop boxes […]
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Green Bay sought to motivate potential voters through a CTCL-funded multi-prong strategy […] (William Doyle, The American Conservative)
Das obige sind nur einige Ausschnitte aus diesem sehr langen Investigativartikel. Das faszinierende ist, wie die radikalisierte amerikanische Rechte hier einen großen Scoop angeblicher Wahlfälschung feiert und dabei permanent nur Beleg auflistet, die jedem demokratisch eingestellten Menschen als lobenswert erscheinen sollten. Mehr Menschen, die wählen dürfen, wird ermöglicht, zu wählen? Was ein Skandal! Die Democrats helfen Menschen dabei, die (im Übrigen von den Republicans bewusst) arkan gestalteten Wahlgesetze zu navigieren? Betrug! Sie bringen Minderheiten zum Wählen, die normalerweise nicht wählen? Unvorstellbar! Der Tonfall eines investigativen Scoops, die Vorstellung, hier eine schreckliche Verschwörung aufzudecken, offenbart eigentlich nur eines: die antidemokratische Grundstimmung, die die amerikanische Rechte mittlerweile ergriffen hat.
Wofür steht dieser Liberalismus, der heute in aller Munde ist? Als erstes muss man wohl der Vorstellung widersprechen, der Liberalismus sei als Theorie der freien Märkten entstanden. Die wirtschaftspolitische Orientierung des Liberalismus und seine Staatsphobie ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Ebenso falsch ist außerdem auch die Annahme, der Liberalismus habe immer schon für die Rechtsgleichheit der Menschen gekämpft. Wie das Bürgertum im Allgemeinen hatten auch die Vordenker des Liberalismus erstaunlich wenige Probleme mit Kolonialismus und Sklaverei, und an die Rechte von Frauen und Arbeitern wurde lange Zeit kaum ein Gedanke verschwendet. […] Marx teilte diese Kritik, betonte aber, dass die Herrschaftsverhältnisse nicht von Religion herrühren, sondern von der ungleichen Verteilung des Eigentums. Und er zeigte auf, dass das Bürgertum die Unfreiheit der Sklaven und Arbeiter dabei stets als gegeben oder »privat« hinnahm. Seine Kritik richtete sich also nie gegen die liberalen Freiheits-, Gleichheits- und Individualismusversprechen, sondern wies darauf hin, dass diese Versprechen in einer bürgerlichen Gesellschaft unerfüllt bleiben. […] Liberalismuskritik von links unterscheidet sich deshalb radikal vom rechten Antiliberalismus. Die Linke will die liberalen Freiheitsversprechen nicht zurückdrängen, sondern wirft dem Liberalismus vor, in der Sache der Emanzipation auf halber Strecke halt zu machen. […] Die Finanzkrise ab 2007 hat das erneut unter Beweis gestellt. Neoliberale lieben den Staat – wenn er Konzerne rettet, Gemeineigentum privatisiert und Proteste niederhält. Auch hier muss die Antwort also differenzierter ausfallen: Linke wollen keinen »starken Staat«, sondern den Ausbau sozialer und demokratischer, individueller und kollektiver Rechte. (Raul Zelik, Neues Deutschland)
Es ist faszinierend, wie ein Essay in einigen Punkten so treffend und in einigen so völlig ab vom Schuss liegen kann. Die ideologischen Prämissen marxistischer Gedankenlehre stehen hier der Analyse ziemlich sperrig im Weg. Denn richtig ist natürlich, dass der Liberalismus ohne einen Staat, sogar ohne einen starken Staat, überhaupt nicht denkbar ist. Daran haben ja auch Liberale nie einen Zweifel gelassen. Die Einhegung privater Gewalt etwa, die Durchsetzung von Verträgen, die Domestizierung der Masse zum demokratischen Volk, all das, was wir Rechtsstaat und Parlamentarismus nennen, ist ohne starken Staat überhaupt nicht vorstellbar. Aber diese nicht eben bahnbrechende Erkenntnis ist leider nicht von cleveren anderen Erkenntnissen begleitet
Denn die Reduzierung des Liberalismus auf „Emanzipation“ (von Arbeitern, Frauen, Minderheiten, etc.) ist eine ziemlich plumpe Umdeutung, die es Zelik erlaubt, Marx und die Linke als bessere Liberale zu inszenieren. Aber das ist Quatsch. Liberalismus, Sozialismus und Faschismus (wenn die Vereinfachung auf diese drei Pole erlaubt ist) sind eben Pole eines Dreiecks, nicht einer Geraden. Ja, linke und rechte Liberalismuskritik kommen von unterschiedlichen Richtungen her, aber es ist völliger Unfug, Marx als liberalen Denker inszenieren zu wollen, dem es um Emanzipation ging. Die „Diktatur des Proletariats“ ist nicht eben etwas, das der Emanzipation Tür und Tor öffnet, und die Gleichheit, die Marx vorschwebte, ist jedem Liberalen ein Gräuel.
Was Zelik vollkommen ausblendet ist eine Dimension, die im liberalen Gedankengebäude essenziell ist und von Anfang an war: die Rolle des Eigentums. Dieses garantiert der Liberalismus, es ist sein Kern. Die Freiheit, über mein Eigentum zu verfügen, ist im Marxismus schlicht nicht gegeben (genauso wenig wie im Faschismus, by the by). Da Zelik diese Dimension ausblendet, kann er auch das (korrekt festgestellte) Paradox nicht auflösen, nach dem der Liberalismus sich so lange um die Freiheit von Sklav*innen, Frauen, Arbeiter*innen, Minderheiten etc. nicht scherte.
Denn der Liberalismus betrachtet ja auch diese Freiheiten letztlich als unveräußerliches Eigentum. Man muss nur die amerikanische Unabhängigkeitserklärung lesen, oder die Federalist Papers, oder die liberalen Vordenker jener Zeit, um das sofort zu sehen. und diese Rechte besaßen eben nicht alle. Sie hatten einen direkten Zusammenhang mit der Verfügungsgewalt über den eigenen Körper, und den hatten Frauen, Kinder, Sklav*innen, Arbeiter*innen, Landwirt*innen etc. schlicht nicht. Die große Leistung des Liberalismus war, diese Verfügungsgewalt Schritt für Schritt über das 19. und frühe 20. Jahrhundert auf alle diese Gruppen auszudehnen und diese Rechte universal zu machen, eine Entwicklung, die ihren triumphalen Abschluss in der Menschenrechtscharta der UNO findet. Der Marxismus kann mit diesen universalen Rechten nichts anfangen, weil sie Individualrechte sind. Zelik ignoriert all das, und deswegen versteht er auch den Liberalismus nicht.
4) How close is America to a new civil war?
Canadian novelist and commentator Stephen Marche is among the most confident of the pessimists. In an excerpt from his new book published in The Guardian, Marche points out that hardly anyone foresaw the outbreak of the original American Civil War, even as the conflagration was breaking out at a military installation on the South Carolina coast. It’s the same today, Marche claims, with the right becoming militarized in response to the widespread delegitimation of American political institutions. Those „structures of power“ no longer adequately represent the views of the majority, and Republicans are ready to substitute „the politics of the gun.“ Writing in New York magazine, author Jonathan Chait adds an additional layer to the story of institutional rot. Just as the Republican Party at first opposed former President Donald Trump’s candidacy and nomination in 2016 but eventually rallied around his presidency, so its leading officials initially responded to the violence on Capitol Hill a year ago with outrage but eventually retreated to excusing or even offering a backhanded defense of those who stormed the Congress and the man who incited them to do it. Republican officeholders might not explicitly endorse overturning democratic elections, but they clearly don’t think the attempt is anything to get too worked up about — at least, not if the head of their own party is the one behind it. That could well lead to a replay of the events of Jan. 6 during a future election, and on a vaster scale. But, as The Week’s own Noah Millman argues in The New York Times, there’s no guarantee that Republicans will be the party to initiate extralegal actions. Believing the threat comes solely from the right leads many Democrats to put their faith in a legislative solution to the danger of civil unrest — usually through the reform of election laws. But in truth there is no such legislative solution, Millman claims, because „the deepest problem threatening American democracy“ is „the profound lack of trust in the legitimacy of the opposition.“ […] We saw Democrats reject this legitimacy in 2000 and to some extent again in 2016, while the GOP went even further in 2020. The suspicion is mutual, and, as long as it stays that way, we run the risk of a buckling system and the outbreak of violence in response. (Damon Linker, The Week)
Die Obsession der Amerikaner*innen mit der Idee eines „neuen Bürgerkriegs“ ist für mich nicht nachvollziehbar. Ist Gewalt möglich? Sicher, in einem gewissen Ausmaß sogar wahrscheinlich, das haben wir am 6. Januar gesehen. Nur ist diese Gewalt reichlich einseitig. Ich zweifle nicht, dass es auf der radikalen Linken genug Idioten gibt, die gewaltbereit sind, aber die Leute, die regelmäßig auf der shooting range sind und zuhause ein Waffenarsenal horten, auf das mancher Diktator stolz wäre, sind auf der Rechten. Ein waschechter Bürgerkrieg wäre ein einseitiges Gemetzel. Aber ich sehe schlicht nicht, wie die Bundesstaaten ihre Milizen formieren und gegeneinander ausschicken, oder dass die US-Army sich teilt. Vor allem sehe ich keine Sezession. Die Trennlinien der USA verlaufen nicht entlang der Mason-Dixon-Line, sie verlaufen zwischen Stadt und Land, zwischen Infrastruktur und Unterentwicklung, zwischen Uni- und Highschool-Abschluss. Wir sind nicht mehr im Musketenzeitalter. Während politische Gewalt in den USA durchaus vorstellbar und historisch gesehen auch wahrlich nichts Neues wäre – ein Bürgerkrieg ist Fantasie.
5) Sind Lehrer:innen empfindlicher als andere Berufsgruppen?
Vorab: Es gibt keine materielle Gratifikation für lernwirksamen Unterricht mit einem hohen Maß an kognitiver Aktivierung und eine gute Schüler-Lehrer-Beziehung, weil man das – fälschlicherweise – für das Kerngeschäft hält, das nach 18 Monaten Ausbildungszeit be- und vollendet scheint. Keine Personalabteilung, kein:e Mentor:in begleitet routinemäßig Berufseinstiege an Schulen, so dass hier langjährige Sozialisationsfaktoren vielfach wirksamer werden als fachdidaktische und pädagogische Kriterien guten Unterrichts. Beförderungsverfahren sind ähnlich ritualisiert gestrickt wie Examenstage, auch hier wird Feedback zum geleisteten Unterricht eng mit Bewertung vermengt, so dass auch hier eine stark emotional geprägte Komponente zum Tragen kommt. Um es kurz zu fassen: Rückmeldungen Professionalisierter zum Kerngeschäft Unterricht sind im Berufsalltag selten und zu häufig angstbesetzt. Beförderungsstellen gibt es darüber hinaus selten dafür, Unterrichtsqualität oder gar Personalentwicklung in den Blick zu nehmen, sehr viel häufiger aber dafür, die in der Organisation Schule zahlreichen Verwaltungstätigkeiten zu bewerkstelligen, so ähnlich, als würde ein Unternehmen selten Produkt- und Qualitätsmanager, dafür aber überwiegend Buchhalter befördern. Auch wenn aus der empirischen Lehr-Lernforschung bekannt ist, dass die regelmäßige Reflexion über unterschiedliche Perspektiven auf Unterricht, verbunden mit der Formulierung eigener Handlungsziele, Unterricht verbessern kann, gibt es nur an wenigen Schulen verbindlich eingefordertes Schülerfeedback oder ein System kollegialer Hospitation, obwohl ich in diesem Bereich riesige Chancen sehe. Nichtdefizitäre Rückmeldungen zum Maß an kognitiver Aktivierung, Möglichkeiten konstruktiver Unterstützung im Unterricht, der Blick auf blinde Flecken in der Unterrichtskommunikation sind in allen Phasen des Berufslebens nötig, werden aber häufig als Zusatzbelastung empfunden, man spricht Schüler:innen die Fähigkeit ab, qualifiziertes Feedback zu geben und sorgt sich, was der Kollege, die Kollegin wohl zu einer „völlig normalen“ Unterrichtsstunde sagen wird. Erneut: Rückmeldungen – auch wertschätzende – sind eher dünn gesät, was schade ist, weil auch sehr viele positive Aspekte des eigenen Handelns nicht in den Fokus geraten. (Frau Kreis)
Kurz zur Einordnung: Der lesenswerte Beitrag beschäftigt sich jenseits des oben zitierten Ausschnitts mit der in der Überschrift gestellten Frage, ob Lehrkräfte gegenüber Kritik überempfindlich sind und lohnt die Lektüre (die Antwort aus meiner Sicht: ein entschiedenes Jein). Ich möchte aber kurz auf den obigen Teil eingehen, weil der massiv unterbewertet wird, in allen Diskussionen über Lehrkräfte und Reformen des Berufs.
Da ist einerseits das Ref, das schlicht die blanke Hölle auf Erden ist und wie von Frau Kreis dargestellt dafür sorgt, dass die Vorstellung, der eigene Unterricht werde bewertet, zu einer absoluten Horrorvision macht. Das ist schlecht. Die anderen Bewertungssituationen – Schulleitungsbesuche – sind ebenfalls massiv angstbesetzt, weil sie, hopp oder topp, über die Einstellung in den Beruf (Beamt*in auf Probe zu Beamt*in auf Lebenszeit) entscheiden und ggf. später Beförderungen, die aber kaum jemand betreffen, weil es so wenig Beförderungsstellen gibt. Abseits dieses angstbesetzten Systems gibt es praktisch keine Unterrichtsevaluation.
Theoretisch gesehen sollte es die geben, indem sich etwa Kolleg*innen freiwillig besuchen, aber das ist im Alltag kaum möglich. Wir haben bei uns an der Schule dieses Jahr explizit daran gearbeitet das zu ermöglichen und es finden immer noch kaum Besuche statt. Dazu werden all diese Besuche als angstbesetzte Wertung empfunden; ihr Wert ist daher eher zweifelhaft.
Das Problem ist schlichtweg Zeit beziehungsweise Ressourcen: da niemand für diese Aufgaben – Unterrichtsevaluation und -entwicklung – deputiert ist, findet sich praktisch nicht statt. Theoretisch müssten dafür Deputatsstunden vorgesehen und auch im Stundenplan integriert werden, müsste das verstetigt werden. Aber dafür werden keine Ressourcen allokiert, und wenig überraschend findet es nicht statt. Egal wie oft kommuniziert wird, wie wichtig das wäre – die Handlungen des Systems sprechen eine andere, überdeutliche Sprache. „Tu was ich sage, nicht was ich tue“ hat noch nie funktioniert, und wenig überraschend funktioniert es auch in der Schule nicht.
6) Warum uns Spanien ein Vorbild sein sollte
Die Verhandlungen dafür waren kein Selbstläufer, immer wieder standen die Gespräche kurz vor dem Abbruch. Immerhin diskutierten Postkommunisten mit konservativen Katholiken, sozialdemokratische Zentralisten mit katalanischen Nationalisten. Dass es schließlich dennoch zur historischen Einigung kam, war ein klares Zeichen: Wir alle erkennen das Problem an, also müssen wir es auch gemeinsam lösen. Doch es braucht mehr als nur neue Gesetze. Die gesellschaftliche Diskussion muss sich ebenfalls verändern, von Stereotypen lösen. Seit Januar 2022 erfasst Spanien deshalb, nach eigenen Angaben als erstes und bislang einziges EU-Land, alle Formen von Femiziden. Eine unabhängige staatliche Stelle registriert von nun an auch frauenfeindliche Morde in der Familie, im sozialen Umfeld oder im Zusammenhang mit Prostitution und Ausbeutung. Auch stellvertretende Racheakte an Kindern, das klassische deutsche »Familiendrama« also, fallen künftig unter Femizid. Dass die breite Mehrheit im Land Gewalt gegen Frauen als gesellschaftliches Versagen begreift, liegt nicht zuletzt auch daran, dass die aktuelle Regierung den Kampf gegen Femizide als »Staatsauftrag« bezeichnet. Aus gutem Grund. Denn der hierzulande so oft gescheute Begriff beschreibt mehr als nur persönliche Schicksale. Es geht um Frauen, die getötet werden, weil sie Frauen sind. Um Besitzansprüche und um Macht. Im Privaten wie auch in der Gesellschaft. Die britische Psychologin und Feministin Jessica Taylor brachte es vor einiger Zeit auf den Punkt, als sie auf Twitter sinngemäß schrieb, gewalttätige Männer verlören gegenüber ihrer Partnerin nicht die Kontrolle. Vielmehr übten sie Macht aus – und zwar so, wie sie es gegen ihren Chef und andere Autoritäten nie tun würden. (Jan Petter, SpiegelOnline)
Ich möchte besonders hervorheben, wie wichtig es ist, alle Gesellschaftsschichten ins Boot zu holen und durch die Benennung ein Problembewusstsein zu schaffen. Erst, wenn es Begriffe für etwas gibt, kann man darüber sprechen. Erst, wenn man darüber sprechen kann, kann man an die Lösung des Problems gehen. Und dann braucht es ein Brechen jenes Schweigekartells, das allzu oft in solchen Fällen entsteht. Männer müssen andere Männer beeinflussen, müssen Verantwortung übernehmen, müssen Rollenvorbilder sein. Sonst wird das nie was.
7) Die Unterrichtsstunde ist eine überholte Maßeinheit
Das heißt: Mehr als die Hälfte aller Lehrkräfte überschreiten die vorgeschriebene Wochenarbeitszeit von 46,38 Stunden (hier sind die Ferien eingerechnet), 17 Prozent sogar deutlich, da sie dauerhaft die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche überschreiten. Allerdings sind es auch knapp 40 Prozent der Lehrkräfte, die die vorgeschriebene Wochenarbeitszeit unterschreiten, manche sogar erheblich. Die Varianz liegt bei fast einem Drittel Anteil einer Vollzeitstelle. Eine Vollzeitstelle, das sind in Deutschland 24,5 bis 28 zu erteilende Unterrichtsstunden pro Woche – und genau hier beginnt das Dilemma! Denn genau diese Berechnungsgrundlage ist denkbar ungeeignet, um die reale Arbeitszeit von Lehrkräften abzubilden. […] Wie wollen wir also ernsthaft von Lehrkräften verlangen, dass sie sich um Fragen der Schul- und Unterrichtsentwicklung kümmern, wenn dies als zusätzliche Arbeitszeit empfunden wird? Wie wollen wir sicherstellen, dass Kooperation in multi-professionellen Teams stattfindet, wenn nicht einmal genug Zeit für Teamarbeit im eigenen Kollegium zur Verfügung steht? Wie kann Schulentwicklung dem Dilemma entrinnen, dass jede Form der Projektarbeit, der Teamarbeit, der Evaluationsarbeit etc. als zusätzliche Arbeit wahrgenommen wird und eigentlich in der Freizeit liegt? (Claus G. Buhren, Deutsches Schulportal)
Die Kritik Buhrens liegt vollkommen richtig, denn selbstverständlich bestimmt immer das, was gemessen wird, die Realität. Das gilt für IQ-Tests und das gilt für Arbeitszeit. Ist ja in normalen Betrieben nicht anders, wo überwiegend die Anwesenheit gemessen wird, weswegen oft genug ein Kult der Anwesenheit entsteht, in dem diejenigen als die Besten gelten, die am längsten im Betrieb anwesend sind, was genauso Quatsch ist.
Viel problematischer aber ist: Diese Kritik ist ja nicht neu; die Orientierung an der Deputatsstunde gibt es seit Jahrzehnten, die Einteilung ins 45-Minuten-Modell ist so überholt wie praktisch alles am deutschen Schulsystem. Nur, wöllte man das ernsthaft ändern und die Lehrkräftearbeitszeit anders aufschlüsseln, müssten aller Wahrscheinlichkeit neue Lehrkräfte eingestellt werden, weil man dann das bisherige Modell, die Mehrheit der engagierten Kolleg*innen auf Verschleiß zu fahren, nicht aufrechterhalten könnte. Und genau da endet jeder Reformversuch.
8) Free Speech For Me, Not You
Take, as an example, Donald Trump. After Trump delivered his incendiary speech that stoked the storming of the Capitol, Twitter decided they’d had enough. They permanently banned Trump from their platform. How did Americans feel about this ban? Support fell predictably along partisan lines (Figure 1). Democrats overwhelmingly supported Twitter’s Trump ban. Republicans overwhelmingly opposed it. This tribal divide isn’t rocket science. When the shit hits the fan, instincts trump abstract principles. […] Since Americans’ right to free speech is written in the constitution, free-speech tribalism has played out most prominently in the US Supreme Court — the institution that determines how the constitution is interpreted. Of course, Supreme Court justices all claim to believe in free speech for everyone. But their behavior tells a different story. […] Instead, Supreme Court justices are following the ‘tribal ideal’ — free speech for ideas they like … censorship for ideas they despise. Hence Democratic justices support liberal speech more than Republican justices (Figure 2, left). And Republican justices support conservative speech more than Democratic justices (Figure 2, right). […] It is tempting to blame both political parties for this tribalistic turn. But the reality is that the blame rests overwhelmingly on Republicans. […] Republican bias for ‘conservative’ speech isn’t the only way that the US Supreme Court has become more tribal. The court has also become more biased towards the business tribe. […] Until the 1990s, the Court was increasingly hostile to ‘free speech’ for business. As a result, the ‘win rate’ for business free speech declined steadily. Then came the Roberts court, which brought relief for the business tribe. Over the last decade and a half, the Roberts court sided with business in a whopping 80% of free-speech cases. Unsurprisingly, in this pro-business environment, profits boomed. ‘Free speech’ for corporations means wage slavery for workers.2 (Blair Fix, Economics from the top down)
Das ist kein sonderlich überraschendes Ergebnis, aber es ist gut, das ganze in Zahlen und Statistiken zu haben (ich kann nur empfehlen dem Link zum Artikel zu folgen, wo die Schaubilder sind; wesentlich eingängiger als der reine Text hier). Dass die Republicans sich einseitig radikalisieren, ist wahrlich keine aufregende These, auch wenn diverse Beobachtende immer noch in denial sind.
Ich habe schon zahlreiche Male festgestellt, dass es völlig normal ist, die „freie Meinungsäußerung“ der eigenen Seite wesentlich energischer zu verteidigen als die der anderen. Man muss schon fast ein Engel sein (oder eher, ein Roboter), um das nicht zu tun. Ich glaube, das beste das wir tun können ist, Korrekturen dafür einzurichten. Zu glauben, man könnte sich von diesen Mechanismen lösen, ist, fürchte ich, Hybris.
9) Wo beginnt Rassismus, Herr El-Mafaalani? (Interview mit Aladin El-Mafalaani)
Tocqueville hat festgestellt, dass Menschen erst dann, wenn sie teilhaben – weil Benachteiligungen in Teilen abnehmen –, in der Lage sind, Probleme zu thematisieren und sich so zu befreien. Das heißt, zu dem Zeitpunkt, an dem Menschen sich zu Wort melden und Diskriminierung thematisieren, sind sie gerade deshalb in der Lage dazu, weil die Diskriminierung bereits abgenommen hat. Erst dann hört man ihnen zu. Das Paradoxale daran ist: Die Diskussion wird immer intensiver, je geringer die Probleme werden. Und das ist im Übrigen nicht nur bei Rassismus so. Große Gemeinschaften haben die paradoxe Tendenz, dass sie über das kleiner werdende Problem immer intensiver sprechen. Denken Sie an soziale Sicherheit. Eine Gesellschaft wie die indische, in der der Staat überhaupt keine Sicherheit schafft, diskutiert nie über Unsicherheit. In Deutschland hingegen, wo wir alles daransetzen, das Leben noch sicherer zu machen, als es ohnehin schon ist, reden wir so, als sei alles unsicher. Das ist ganz typisch. Das Paradox kann man natürlich auch auf Sexismus übertragen. […] Das ist die offene Gesellschaft, wenn jetzt aber alle diese Menschen ein schönes Stück vom Kuchen wollen, dann wird es nicht gemütlich, sondern im Gegenteil: Das ist mit Streit verbunden. Einige fordern, das Rezept des Kuchens zu ändern. Oder die Tischordnung. Oder die Esskultur. Hier geht es dann nicht mehr um Verteilungsfragen, sondern um kulturelle und identifikatorische Fragen, zum Beispiel: Gehört der Islam zu Deutschland? Eine solche Frage stellt man erst, wenn Muslime mit am Tisch sitzen. Und wenn man nur die heutige Tischszene betrachtet, also den Streit, dann kann man leicht den Eindruck gewinnen, wir hätten Rückschritte gemacht. Dabei handelt es sich um eine große Erfolgsgeschichte der offenen Gesellschaft. (Svenja Fasspoehler, Philsophie-Magazin)
Ich finde nur wenige Thesen so unglaublich Augen öffnend wie die des Diskriminierungsparadoxes von el-Mafalaani, mitsamt der Metapher des am Tisch Sitzens. Dadurch erst wird in meinen Augen wirklich verständlich, was in der Gesellschaft eigentlich passiert und woher so viele dieser Streitereien kommen, die dann vor allem auf Konservative so bedrückend wirken. Das ist ja wenig verwunderlich, weil sie Veränderungssymptome sind und Konservative per Definiton keine Veränderung wollen – sonst wären sie ja keine Konservativen. Auf der einen Seite stimmt das hoffnungsfroh, weil es Fortschritte anzeigt; auf der anderen Seite muss man sich natürlich immer wieder klarmachen, dass kein Automatismus besteht. Diese Streits können in jegliche Richtung ausgehen, auch in Stagnation oder gar Rückschritt. Aber insgesamt bin ich hoffnungsvoll und bei Obama beziehungsweise Martin Luther King, mit dem „long arc of history bends towards justice„.
10) Virus gegen Geschichtsbewusstsein
[Es ist] unübersehbar, dass die Szene der Impfgegner sich zu einer in der Geschichte der Bundesrepublik bisher unbekannten rechtsradikalen Massenbewegung entwickelt. Das ist verwunderlich, weil die Impfgegnerinnen einem ganz anderen Milieu entstammten. So jedenfalls die von Oliver Nachtwey und Nadine Frei erstellte empirische Untersuchung „Quellen des Querdenkertums. Eine politische Soziologie der Corona-Proteste in Baden-Württemberg“. Dieser nicht streng repräsentativen, aber auf einer zureichenden Fülle von Interviews beruhenden Studie ist zu entnehmen, dass die typischen QuerdenkerInnen gerade keine abgehängten, politisch eher rechts eingestellten Provinzler sind. Im Gegenteil, die Studie ergab, dass es sich um den Idealtyp der grünen Wählerin handelte: in aller Regel um eher weibliche, höher gebildete, der gehobenen Mittelschicht zugehörige Personen. Zudem wurden vier mögliche Herkunftsmilieus dieses Personenkreises untersucht: 1. das Alternativmilieu, 2. das anthroposophische Milieu, 3. das christlich-evangelikale Milieu sowie 4. das bürgerliche Protestmilieu, das in den Auseinandersetzungen um „Stuttgart 21“ führend war. Tatsächlich gab es kaum Überschneidungen mit dem evangelikalen beziehungsweise dem bürgerlichen Protestmilieu, nein, die meisten Befragten ordneten sich dem alternativen oder anthroposophischen Milieu zu. […] Offensichtlich sind viele Angehörige der alternativen und anthroposophischen Milieus weder willens noch in der Lage, die Umwelt- und Gesundheitskrise strukturell zu beurteilen. […] Hinzu kommt ein in diesen Milieus seit jeher weit verbreitetes Unbehagen – nicht an einzelnen staatlichen Gesetzen und Maßnahmen, sondern am Staat selbst als Inbegriff von Macht und Unterdrückung. Und so berühren sich am Ende denn doch Rechte und Linke: während jene den bundesrepublikanischen Staat und sein Recht im Geiste einer völkischen Gemeinschaftsvorstellung überwinden wollen, sehen diese in einem geradezu anarchistisch gesinnten Individualismus im Staat nichts anderes als eine Unterdrückungsmaschine. Hie radikaler Individualismus, dort völkische Gemeinschaft – in diesem Falle trifft es eben doch zu: Les extrêmes se touchent … Nicht trotz, sondern wegen fehlender Gemeinsamkeiten. (Micha Brumlik, taz)
Ich weiß nicht, in wie weit ich die These teilen möchte, dass mangelndes Geschichtsbewusstsein und Kenntnis der Geschichte des Nationalsozialismus‘ ein entscheidendes Problem sind; mir scheint, dass die strukturellen Ursachen, die gegen Ende des obigen Ausschnitts zur Sprache kommen, viel entscheidender sind. Vor allem scheint mir der Generalirrtum zu sein, zu versuchen, die übliche Links-Rechts-Dynamik auf das Schwurbler-Milieu anzuwenden.
Die gleiche Verwirrung kommt gerne zum Tragen, wenn man sich die Frühzeit der Grünen ansieht, also Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre, als auch noch eine breite Querfront von irgendwelchen Blut-und-Boden-Nazis bis hin zu Restalternativen und K-Gruppen sich unter dem Banner des Umweltschutzes zusammenfand. Die folgenden Sortierprozesse verwandelten die Grünen erst in eine klassischere „linke“ Partei, ehe sie sich dann rapide verbürgerlichten.
Aber der Überlapp dieser Milieus ist nicht verwunderlich. Wissenschaftsskepsis hatte bei den Grünen schließlich immer einen prominenten Platz, ich darf nur an die irrationale Ablehnung dessen erinnern, was in der Partei unter „Gentechnik“ läuft. Das ist wie irgendwelcher Industrienationalismus, der sich bei SPD oder LINKEn trotz aller Beschwörungen des Internationalismus hält, das ist wie Gemeinsamkeiten, die sich gelegentlich zwischen AfD und CDU/FDP auftun, und so weiter. Man kann politische Schemata erstellen, aber die Realität ist selten so schön geordnet.
Der relevante Teil jedenfalls bleibt stets, wie die Parteien mit diesen Ausläufern umgehen. Bisher sind die deutschen Parteien da eigentlich im Großen und Ganzen immer gut aufgestellt gewesen. Hoffen wir, dass es so bleibt.
5) Joa. Ein weiteres gutes Beispiel zum Thema. Es scheint so, dass im Lehrerberuf die gleichen unscharfen und nicht zielgerichteten Leistungskriterien angewendet werden, wie in der Privatwirtschaft, nur mit dem Unterschied, dass es beim Lehrer der Vorgesetzte wagt, die Leistung live zu überprüfen, statt pi mal daumen oder anhand willkürlich eingeholter Rückmeldungen zu entscheiden.
Und wie in der Privatwirtschaft tritt mit zunehmendem Aufstieg der eigentlich erlernte Beruf in den Hintergrund und man muss stattdessen verwalten (oder „managen“). Gibt es eigentlich irgendwelche Berufe in den Aufstieg zu weniger Verwaltung führt?
Man sollte die Frage vielleicht anders stellen. Statt „Sind Lehrer empfindlicher …“ vielleicht „Haben Lehrer weniger Ahnung vom Berufsalltag?“.
5) Da würde ich entschieden sagen nein. Auch Lehrkräfte haben einen Berufsalltag, von dem sie Ahnung haben. Die Idee, man könnte den Berufsalltag anderer Gruppen von außen beurteilen, ist viel eher das Problem. Da sind Lehrkräfte eher besonders resistent dagegen, während sich die meisten anderen Leute gerne sehr pauschale und polemische Urteile zum Berufsalltag von Lehrkräften erlauben.
Aber warum jammern dann Lehrer immer über Dinge, die überall zum Berufsalltag gehören, als wäre es ein besonders schlimmes Schicksal der Lehrer?
Ich glaube, da ist das nur öffentlicher. ALLE jammern über ihren Berufsalltag.
[i] Und wie in der Privatwirtschaft tritt mit zunehmendem Aufstieg der eigentlich erlernte Beruf in den Hintergrund und man muss stattdessen verwalten (oder „managen“). Gibt es eigentlich irgendwelche Berufe in den Aufstieg zu weniger Verwaltung führt? [/i]
Das ist ja das Wesen des Aufstiegs – ab einer gewissen Position nimmt der Anteil dispositiver Tätigkeit zu und operativer Tätigkeiten ab. Da Frage ist ja, wie viel dieser dispositiven / verwaltenden Tätigkeiten zur Wertschöpfung der Tätigkeit beitragen. Als Handwerksmeister bist Du bei Selbstständigkeit Unternehmer, mit all den spannenden Tätigkeiten über das eigentlich Handwerkliche hinaus.
Bei Lehren habe ich aus eigener Anschauung den Eindruck gewinnen dürfen, dass der Job mit Tätigkeiten aufgeladen wird, die eben nur deshalb bei den Lehrern landen, weil man sich scheut „Profis“ einzustellen bzw. Investitionen in unterstützende Prozesse / Technik scheut.
Da wird dann der Informatiklehrer zum IT-Admin – der Schulleiter zum Corona-Test-Ergebnis-Mail / SMS Verteiler, bis hin, dass engagierte Lehrer sich sogar darum kümmern müssen das Klassenräume gestrichen, bzzw. kaputte Türen und Fenster Instand gehalten werden.
Ja, das ist ein Riesenproblem in einigen Branchen, besonders im Bildungssektor.
3) Lieber frei als liberal
Denn richtig ist natürlich, dass der Liberalismus ohne einen Staat, sogar ohne einen starken Staat, überhaupt nicht denkbar ist. Daran haben ja auch Liberale nie einen Zweifel gelassen. Die Einhegung privater Gewalt etwa, die Durchsetzung von Verträgen, die Domestizierung der Masse zum demokratischen Volk, all das, was wir Rechtsstaat und Parlamentarismus nennen, ist ohne starken Staat überhaupt nicht vorstellbar.
Das ist falsch. Der Liberalismus ist in Abgrenzung zum Staat entstanden. Der feudale Staat wurde erst durch den Liberalismus zur Entwicklung willkürfreier Regeln gezwungen. Liberale haben sich daher immer in Abgrenzung zum Staat definiert. Der Neoliberalismus akzeptierte überhaupt erst einen Raum des Staates, grenzte die Sphäre des Staates aber auch deutlich von der Sphäre des Bürgers ab.
5) Sind Lehrer:innen empfindlicher als andere Berufsgruppen?
Assessments gehören im Management zur Normalität. Irgendwie wird die Qualität und Leistung von Managern immer gemessen. Zunehmende Verbreitung finden regelmäßige Bewertungen, sowohl durch professionelle Managementberater als auch in anonymisierter Form durch Mitarbeiterbefragungen. Und wo es das nicht gibt, da werden Manager an Erfolgsindikatoren wie EBIT, Kundenzufriedenheit, Projektfortschritte etc gemessen und teilweise vergütet.
Was solche Assessments von den kritischen Rückmeldungen bei Lehrern unterscheidet: Sie bestimmen die Karrierechancen und Einkommen der Manager. Daran mangelt es im Lehrerberuf. Neue Studien zeigen, dass Deutschlands Pauker zwar Topgehälter einstreichen. Ihre Aufstiegsmöglichkeiten sind aber gering, die Einkommensentwicklung über die vielen Jahre im Beruf bescheiden. Das frustiert viele und macht den Beruf unattraktiv.
6) Warum uns Spanien ein Vorbild sein sollte
Mir sind aus familiären Gründen diese Debatten seit Jahren bekannt. Spanien hat ein durchaus modern-progressives Vorgehen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Aber alles hat auch Schattenseiten. Dazu zählt der Fall des französischen Nationalspieler im Trikot des FC Bayern, Hernandez. Dieser war 2018 zu einem Annäherungsverbot an seine damalige Freundin verurteilt worden. Das Annäherungsverbot galt allerdings auch umgekehrt. Beide hielten sich nicht daran, versöhnten sich unter der Sonne Floridas und heirateten. Der spanischen Justiz war das egal. Wegen Verstoßes gegen das Kontaktverbot sollte Hernandez eine 6 monatige Haftstrafe antreten, seine Frau hatte die Gnade günstiger rechtlicher Umstände. Das Beispiel zeigt, wie übergriffig der Staat sich in einem solchen Klima gegen persönliche Beziehungen verhalten kann. Und das ist mit Sicherheit nicht wünschenswert.
7) Die Unterrichtsstunde ist eine überholte Maßeinheit
Ist ja in normalen Betrieben nicht anders, wo überwiegend die Anwesenheit gemessen wird, weswegen oft genug ein Kult der Anwesenheit entsteht, in dem diejenigen als die Besten gelten, die am längsten im Betrieb anwesend sind, was genauso Quatsch ist.
Und deswegen ist es auch Unsinn. Die Höhe des Überstundenkontos spielt keine Rolle bei der Entscheidung über Entlassungen, Beförderungen oder Gehaltserhöhungen. Richtig ist nur, dass Mitarbeiter immer noch glauben, sich durch Überstunden vor negativen Maßnahmen schützen zu können. Doch die Leistung wird heute vielfältig gemessen und wenn der Job nicht in der erwarteten Qualität erledigt wurde, ist er eben nicht erledigt. Überstunden hin oder her. Führungskräfte sind heute nicht so doof, sich von Überstundenschindern täuschen zu lassen.
3) Du bestätigst meinen Punkt: „in Abgrenzung zum Staat“. Das setzt den Staat als etwas voraus, von dem ich mich abgrenzen kann.
5)
a) Bitte nicht „Pauker“. Ich schreibe auch „Unternehmer“ und nicht „Blutsauger“.
b) Wenn du genau hingeschaut hättest hättest du gesehen, dass sowohl der Artikel als auch ich für MEHR Assessments argumentieren, nicht weniger.
c) Das Gehalt für Lehrkräfte ist angemessen. Dass es im Vergleich so gut aussieht ist eine Verdammung des mittleren Gehaltsniveaus. Ansonsten stimme ich dir durchaus zu.
6) Bevor ich dazu Stellung nehme: wie ging das denn aus?
7) Bei uns hat sich mit der Anerkennung geleisteter Überstunden vieles massiv zum Besseren gewendet.
3) Es gibt Staaten seit ein paar tausend Jahren, liberale Theorien jedoch erst seit 400 Jahren. Da brauchen wir nicht zu diskutieren, was zuerst war: Henne oder Ei. Liberale haben immer eine gehörige Staatsskepsis, das unterscheidet sie zu den Anhängern aller anderen Parteien. Ihnen das vorzuwerfen, hieße, die liberale Idee nicht zu verstehen.
5)
a) Den Begriff Pauker meine ich nicht despektierlich. Das hat eher etwas Zärtliches. Aber okay, Message received.
c) Es gibt kaum Bereiche, wo man in Deutschland weltweite Spitzengehälter bezieht. So weit lehne ich mich aus dem Fenster zu behaupten, deutsche Lehrer haben nicht so eine herausragende Qualität, dass ausgerechnet sie an die Spitze gehören. Aber das war nicht der eigentliche Kritikpunkt.
6) Zu aller Überraschung konnten die Anwälte von Lucas Hernandez im Oktober die Inhaftierung noch abwenden, gegen Auflagen. Der Verzicht des spanischen Staates auf eine Gefängnisstrafe kam für Rechtsexperten unerwartet.
Warum auch immer, Rechtslage ist, dass die weitere Entwicklung und Beziehungsstatus prinzipiell keinen Einfluss auf Strafantrag und Strafmaß haben. Und das ist in den meisten Ländern anders, wo der Betroffene einer Tat gegen die körperliche Unverletzlichkeit einen erheblichen Einfluss auf Strafverfolgung und Strafmaß ausüben. Das spanische Recht will dies explizit nicht, sowohl im Positiven als auch im Negativen.
Das gilt es bei der Beurteilung solcher Meldungen zu berücksichtigen.
7) Es wird Zeit, das aus den Köpfen zu bekommen. Das würde es auch Führungskräften einfacher machen. Unternehmen wollen nicht, dass die Leute möglichst lange am Arbeitsplatz sitzen, sondern das der Job erledigt wird. Mit der Sitzzeit sinkt die Produktivität, während die Kosten des Arbeitgebers steigen.
3) Das ist ein Irrtum, Staaten im modernen, liberalen Sinn gibt es ungefähr so lange wie den Liberalismus auch.
5c) Da lehnst du dich in der Tat weit aus dem Fenster, wo doch deutsche Führungskräfte auch nicht gerade Spitze sind.
6) Klingt aber insgesamt trotzdem nach einem positive good.
7) Völlig bei dir. Leider sehe ich nirgendwo dass das passiert.
3) Moderne, liberale Staaten sind durch den Liberalismus und die Gedanken der Aufklärung geprägt worden. Und es war ein gegenseitiger Lerneffekt. Der Sherman Antitrust Act von 1890 wurde von einem Politiker entwickelt, der protektionistische Überzeugungen hegte. Unter Roosevelt, ebenfalls kein Wirtschaftsliberaler, erlangten die Wettbewerbsgesetze dann größere Bedeutung.
Liberale lernten, dass der Wettbewerb am besten durch Beschränkung von Marktmacht geschützt werden kann. Darauf baute wiederum der Neoliberalismus auf, der den Staat erstmals als Regelsetzer akzeptierte.
5c) In internationalen Mitarbeiterbeurteilungen gehören deutsche Manager zur Spitzengruppe. Meiner Erinnerung nach wurden nur Amerikaner noch besser bewertet.
6) Kommt darauf an, von welcher Perspektive Du kommst. Das spanische Rechtssystem will Frauen auf dem Wege davor schützen, von ihren gewalttätigen Partnern unter Druck gesetzt zu werden, damit Anzeigen nicht erstattet oder zurückgezogen werden. Der Fall Hernandez zeigt jedoch, dass auch diese Auslegung zu Ungerechtigkeiten führen kann. Aus unserer Sicht erscheint es absurd, dass jemand wegen häuslicher Gewalt ins Gefängnis gebracht wird, obwohl die Frau den Mann freiwillig geheiratet hat und die Ehe gut verläuft.
7) Wie gesagt, das ist eine Haltung, die eher noch bei einigen abhängig Beschäftigten verbreitet ist.
3) Sag ich ja. Im Mittelalter gab es keine Staaten in diesem Sinne.
5c) Weiß ich nicht, aber ich wüsste nicht, warum ich eine pauschale Herabwürdigung meines eigenen Berufsstands hinnehmen sollte, nur weil es dir ideologisch in den Kram passt.
6) Ja, aber das ist doch so ein weirder Sonderfall.
7) Das ist praktisch überall so und ganz besonders je höher man kommt. Gerade viele Führungskräfte pflegen einen Anwesenheitskult.
5c) Auftakt war, dass Du pauschal behauptet hast, Lehrer verdienten ihre hohen Verdienst. Motto: Mir doch egal, was anderswo gezahlt wird. Wenn französische Lehrer weniger bekommen, müssen sie halt besser verhandeln.
Du bietest keinen objektiven Maßstab an. Die Gehälter von Managern sind absolut frei verhandelt. Es gibt keine staatliche Vorgabe und keinen Tarifvertrag, der zwischen Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebern ausgehandelt würde. Das Individuum verhandelt mit dem Eigentümer oder der Konzernleitung. Allein Angebot, geschätzte Qualifikation und Verhandlungsgeschick bestimmen das Gehalt. Entsprechend differieren die Einkommen so stark wie in keinem anderen Bereich. Geschäftsführer / Vorstände werden in Deutschland für 50.000 Euro, für 200.000 Euro, für 1. Million Euro oder 16 Millionen Euro bezahlt. Alles gibt es. Es entspricht den unterschiedlichen Fähigkeiten, Aufgaben und Marktgegebenheiten.
Bei Lehrern gibt es das nicht. Ein Gehalt muss für alle passen, egal ob faule oder fleißige Lehrer, talentiert oder Menschenschinder, erfahren oder dilettantisch. Es gehört viel Selbstbeschwörung dazu, eine solche pauschalierte Bezahlung von 800.000 Lehrern als angemessen zu beschreiben.
6) Nein, es ist der Normalfall bei Beziehungsdelikten. Genau das ärgert manche auch in Deutschland, dass der – meist männliche – Partner ja nur schöne Augen zu machen brauche und dann löse sich eine Anklage wegen häuslicher Gewalt in Luft auf. Es gibt hier keinen Kompromiss: entweder Beziehungssachen sind vorrangig eine Sache zwischen zwei Personen oder es ist eine Sache öffentlichen Interesses. Wir definieren es als Ersteres, die Spanier als Zweiteres. Beides hat Vorteile, aber eben auch Nachteile. Manchmal sehr Gravierende.
7) Es gibt Mitarbeiter, die lasse ich grundsätzlich nicht ins Home Office. Die Heimarbeit darf nicht die Möglichkeit eröffnen, seiner Arbeit nicht nachzugehen. Da wir Menschen verschieden sind, passt es eben für manche und für manche nicht. Und es gibt eben viele Jobs, da ist Anwesenheit erforderlich.
Aber es ging um Überstunden. Es ist eine Deiner Geschichten, dass Arbeitgeber Interesse an Überstunden hätten. Das gilt ja schon rein ökonomisch nur dann, wenn diese kostenlos geleistet werden. Auf der Gegenseite stehen Risiken und Kosten. Überstundenfreunde neigen leider auch dazu, oft die 10-Stunden-Regel zu reißen, mit persönlichem Haftungsrisiko für den Vorgesetzten. Ich musste schon häufig Mitarbeiter regelrecht prügeln, dass sie sich an die gesetzliche Vorgabe halten. Denn den Schaden hat nicht der Arbeitnehmer, sondern der Vorgesetzte. Wenn die Produktivität fällt, zahlt der Arbeitgeber für Mehrarbeit, die keinen Mehrnutzen für das Unternehmen hat. Mitarbeiter, die länger im Büro sitzen, kriegen ihren Job meist nicht geregelt. Die Vorteile liegen immer nur auf Seiten des Arbeitnehmers: Bezahlung, erweiterte Möglichkeiten, das Arbeitsvolumen geregelt zu bekommen, Image.
7) Es gehört schon einiges dazu, diese Ausbeutungsmechanismen den Arbeitnehmern zuzuschreiben.
7) Menschen tun auf Dauer nichts ohne persönlichen Nutzen. Das lernt man, wenn man mit Menschen arbeitet. Ideologie hilft da als Erklärung nicht.
Ausbeutung ist, wenn jemand für Geleistetes nicht bezahlt wird. Das ist, wie empirische Erhebungen immer belegen, vor allem im AT-Bereich der Fall. Dort fallen die meisten Überstunden pro Kopf an – unbezahlt. Und ausgerechnet da machst Du Dir die Argumentation der Arbeitgeber zu eigen, die Du sonst verurteilst: die Überstunden wären ja mit dem Gehalt entgolten. Doch das ist die salvatorische Klausel. Jeder dieser Verträge sieht eine Arbeitszeit von 40 Stunden vor.
Wenn jemand tagsüber bummelt und lieber Kaffee trinkt, Dauertöne oft etwas länger. Und wer laut Tarifvereinbarung hohe Überstundenzuschläge kassiert, ist nicht selten versucht, seine eigentliche Arbeit in diesen Bereich zu legen. Da wird der Vorgesetzte schon mal genötigt, die Überstunden zu genehmigen. Der Tarif übrigens für 10-Stundenverstöße liegt bei 1.000-10.000 Euro – für den Vorgesetzten, abziehbar bei dessen Gehalt. Der, der keinen persönlichen Vorteil hat, soll freiwillig in die persönliche Haftung gehen? Nur bei Ideologen.
Das ist die Realität. Und nicht das, was Du Dir in Arbeitskämpfermanier zusammenphilosophierst.
“dauert es oft etwas länger.“
„Menschen tun auf Dauer nichts ohne persönlichen Nutzen“
Dieser kann allerdings auch in dem Gefühl bestehen, etwas Nützliches zu tun, anderen zu helfen. Dafür gibt es viele Beispiele.
Das bestreite ich nicht. Ich kenne Leute, die länger im Büro bleiben, um nicht nach Hause zu müssen.
Aber auch, wer sich ehrenamtlich engagiert oder auch scheinbar völlig selbstlos sich für Familienangehörige aufopfert, hat einen Lohn eingepreist. Ich kenne Menschen, die ihren hinfälligen Partner gepflegt haben. Die Frage nach dem Warum lässt sich so beantworten: Sie hätten es nicht getan, wenn die Beziehung nur kurz bestanden hätte. Mit der Länge einer Beziehung steigt die Bereitschaft, sich irgendwann aufzuopfern.
Ökonomisch gesprochen ist der Partner in der Beziehung in Vorleistung getreten um sich die Pflege zu „verdienen“. Und viele tun es auch, weil anderes gesellschaftlich oder von ihrem Umfeld nicht akzeptiert wäre. Auch die Anerkennung anderer ist eine Form der Bezahlung.
Manche machen es auch aus identitätspolitischen Gründen, weil ihre Arbeit – und das gute Ausführen ihrer Arbeit – zu ihrem Selbstbild gehört. Viele Lehrkräfte arbeiten deswegen, wie sie arbeiten. Ich zum Beispiel. Du vermutlich auch.
@ Stefan Sasse 10. Januar 2022, 22:20
3) Sag ich ja. Im Mittelalter gab es keine Staaten in diesem Sinne.
Hast Recht; in der Steinzeit auch nicht … 🙂
Macht auch erst Sinn mit dem Einsetzen der Industrialisierung.
5c) Weiß ich nicht, aber ich wüsste nicht, warum ich eine pauschale Herabwürdigung meines eigenen Berufsstands hinnehmen sollte, nur weil es dir ideologisch in den Kram passt.
Hatte ich so nicht verstanden.
Ansonsten: OB Führungskräfte oder Lehrer – ich schätze, dass es auch dort eine Gauss’sche Verteilungskurve gibt. Besonders gute und besonders schlechte Leistungen sind individuell bestimmt, das Gros durch Ausbildung und gesellschaftliche Sozialisierung. Halte ich für grundsätzlich schwer, hier zu pauschalisieren.
7) Das ist praktisch überall so und ganz besonders je höher man kommt. Gerade viele Führungskräfte pflegen einen Anwesenheitskult.
Das sind Vorgesetzte, keine Führungskräfte. Und ein wenig kommt es wohl auch auf die Branche an – eine Hotline muss auf Zeit besetzt sein, eine Fertigungsstraße auch. Ein Journalist schreibt seinen Artikel, und ist für den Moment durch; ein Sales-Rep kriegt seinen Umsatz und ist durch etc.
3) Eben.
5c) Ich meine, wo gilt diese Verteilung nicht? Ich verwehre mich nur gegen die Idee, hier sei das besonders schlimm.
7) Ja.
5c) Wieso bildet sich das dann nicht in den Gehältern ab? Oder der Beschäftigung? Irgendwo?
Wer beurteilt die Leistung von Lehrern? Die „Kunden“, deren Eltern? Der Schulleiter und die übergeordnete Behörde natürlich.
Zwar hat sich viel getan bei Management und Menschenführung in diesem Bereich, es ist aber noch viel Luft nach oben. Dabei ist das entscheidend wichtig für die Motivation und Arbeitsatmosphäre in der Schule. Also nicht über „faule Säcke“ schimpfen wie Schröder, sondern reformieren. Ob die FDP dazu Ideen hat?
Bin ich bei dir.
Beurteilen Sie die Arbeit ihrer Werkstatt? Stellen Sie sich vor, Ihnen würde der Meister nach einer zu Ihrer Unzufriedenheit verlaufenen Inspektion sagen, Sie hätten ja keine Ahnung und könnten es nicht beurteilen? So wie Sie argumentieren, würden Sie nicken und sich heftig entschuldigen. Selbst, wenn der Motor weiter nicht rundläuft.
Als ich nach der vierten Klasse aufs Gymnasium wechseln wollte, nahm ich eine Woche an einem Testunterricht mit anderen Kandidaten teil. Vorne stand ein Lehrer. Hinten saß ein Gremium von ausgebildeten Didakten. Sie trafen die Entscheidung, sie haben mich wirklich bewertet.
Auch fürs Management gibt es eine Menge an Beurteilungskritierien, objektive und subjektive. Die Summe ergibt die Einschätzung. Nein, es sind nicht nur und nicht allein die Vorgesetzten, die über ein Urteil befinden. Viele tragen zum Gesamtbild bei. Ein einzelner Mensch ist schlechter geeignet, eine Person zu beurteilen als mehrere. Deswegen nehmen bei Beurteilungsgesprächen heute zwei und mehr Entscheider teil. Aber der Schulbereich ist ja nicht professionell.
Es ist weder die Aufgabe von Lehrern, noch von Politikern, die Qualität von Unternehmensführungen zu beurteilen. Daneben gibt es über eine Million Unternehmen in Deutschland mit Millionen an Führungskräften. Es ist daher logisch, dass dieses vielen alle Fähigkeiten und charakterlichen Eigenschaften der Gesellschaft abbilden. Was denn sonst?
Auf der anderen Seite wird es immer schwerer, junge Leute zur Führung von Menschen zu motivieren. Menschenführung kostet Zeit, Zeit, die Führungskräfte nicht haben für fachliche Arbeit. Da viele junge Leute aber lieber fachlich arbeiten wollen, haben sie eine geringere Bereitschaft zur Führungsarbeit.
Eine gute Führungskraft muss sich auf die Belange der zu Führenden einstellen und seinen Stil entsprechend ausrichten. Und nicht nach der Meinung von Lehrern, die von der Unternehmenswirklichkeit und manchmal von Menschenführung keine Ahnung haben.
https://www.business-wissen.de/artikel/fuehrungsstil-was-mitarbeiter-in-den-verschiedenen-laendern-an-ihren-chefs-lieben/
Wahlfreiheit im Schulsystem scheitert halt an den äußeren Umständen. Könnten die SuS etwa ihre Lehrkräfte aussuchen, ließe sich der Unterricht gar nicht vernünftig abbilden, der ja auf Kohorten und Jahrgängen beruht. Die Besoldung hängt ja an der ganzen rigiden Schulstruktur, das lässt sich überhaupt nicht getrennt denken. Und ich glaube wir wissen alle, wie realistisch eine tiefgreifende Reform ist.
Auch hier wieder: Tellerrand. Warum schaffen das andere Länder mit besseren Ergebnissen in internationalen Vergleichsstudien? Wer das nicht erklären kann, sucht Ausreden.
Als Bürger, der das System bezahlt und Eltern, die darauf vertrauen, können wir verlangen, dass gute Lehrer gut und schlechte Lehrer schlecht bezahlt werden und im besten Fall aus dem Schuldienst entfernt werden. Du willst das alles nicht, weil Du die „Täter“, die Schlechtleister, schützt, aber die Kunden – Eltern und Schüler – wenig berücksichtigst.
Ja, genau, mein ganzes Interesse ist, schlechte Lehrkräfte zu schützen, du hast mich durchschaut. *Augenroll
Stichwort Tellerrand: du hast selbst gesagt, dass deutsche Lehrkräfte im internationalen Vergleich Spitze bezahlt werden. Verzeih mir daher, wenn ich nicht mit Begeisterung auf die Systeme anderer Länder blicke und die hier haben will – mal davon abgesehen, dass deren Resultate überwiegend nicht eben besser sind als unsere.
Natürlich sind sie das: Vergleichsstudien zeigen seit zwei Jahrzehnten, dass in vielen Ländern Lehrer Kompetenz besser vermitteln können. Du hast keinen Maßstab, aber behauptest die Leistung wäre toll. So reden übrigens Im Profifußball Trainer, die kurz vor der Entlassung stehen, nachdem ihre Mannschaft 0:6 verloren hat. Die Leistung habe gestimmt, das Ergebnis leider nicht.
Ich brauche nicht über die Schlechtleistung von Managern zu reden, den die haben irgendwann keinen Job oder stürzen einfach beruflich ab. Das ist bei Lehrern nicht möglich. Deswegen müssen wir darüber reden.
3) Kann man vielleicht sagen, dass Thomas Hobbes die ideologische Konsolidierung des Nationalstaats lieferte und John Locke die des moderne Liberalismus? Hobbes wurde 50 Jahre vor Locke geboren.
Ich würde die Entstehung der Idee des europäischen Nationalstaats einige Jahrzehnte vor der Industriellen Revolution oder der Französischen Revolution setzen. Vielleicht mit der Gründung der Académie française 1635.
Ehrlich gesehen ist es auch hier ein kontinuierlicher Prozess, in dem ein Gedanke reift. Aber Mitte des 17. Jahrhunderts haben wir mit dem Westfälischen Frieden ein Ereignis, in dem ein paar Elemente des modernen Staatsbildes zum Tragen kommen: Die Staaten (nicht Könige) als Vertragsakteure, territoritale Abgrenzung und Souveränität. Ich setze meinen Chip auf 1648.
Ist eine beliebte Trennmarke, ja. Zumindest als ein Faktor.
Bonus 1: Bei dieser Gelegenheit wurden zwei ‚königslose‘ Staaten souverän: Niederlande und Schweiz
Bonus 2: Er fällt fast genau mit der englischen Revolution zusammen, als sich ein Staat gegenüber dem eigenen Oberhaupt durch Enthauptung desselben behauptet hat. (Man möge mir den makabren Kalauer verzeihen)
Von dem Aspekt mit dem Westfälischen Frieden hatte ich keine Ahnung.
Macht aber total Sinn.
Danke.
Mir etwas zu personalisiert, aber richtige Richtung.
@ cimourdain 11. Januar 2022, 18:46
Bonus 1: Bei dieser Gelegenheit wurden zwei ‚königslose‘ Staaten souverän: Niederlande und Schweiz
Bonus 2: Er fällt fast genau mit der englischen Revolution zusammen, …
Wäre auch mein Marker
5) In GB und USA gibt es Lehrer-Assistenten (Teaching Assistants). Nicht bei uns – warum wohl?
P.S. Der Überstunden-Vergleich hinkt sehr. Wenn man den Beruf ernst nimmt, geht es nicht anders. Vergütet wird nicht, kompensiert nur selten. Hier nennt man das Idealismus, anderswo Selbstausbeutung.
5) Standesdünkel und Geld.
Zu 8)
Ich bin in meinem Leben häufiig beleidigt und „diskriminiert“ worden. Einige wenige Beispiele:
1) Mörder und Schlächter (als Soldat von Friendenbewegten)
2) Agent des Kapitals und Imperialist (als RCDSler von linken Stundentengruppen)
3) Kooptierter Jude (na gut, die Rechtssradikalen des Usenet hielten das ernsthaft für eine Beleidigung)
4) Verfasungsfeind (Rechtsradikale in einem ZEIT-Diskussionsforum)
Was ich schon mit 20 verstand, war etwas ganz einfaches – freie Rede ist dann – und nur dann – frei, wenn sie Beleidigung, Diskriminierung, Abwertung schützt und sich darüber hinweg setzt, was jemand als gemein, hinterhältig, rassistisch, sexistisch, unanständig oder wasauchimmer empfindet. Nach meiner Beobachtung stehen sich Rechtsradikale und Wokies in absolut nichts nach, wenn es darum geht, freie Rede zu zensieren (selbstverständlich immer unter Absingen des schmutzigen Liedes vom Schutz des heiligen Schutzgutes „beliebiges einsetzen“). Und ich finde es geradezu albern, in den USA dafür die Hauptschuld den Republikanern zuzuschreiben – dafür muss man die Augen vor den vielen „liberalen“ Versuchen der Zensur wirklich ganz fest verschliessen.
Zu 9):
Es hat Ihnen die Augen geöffnet? Unter welchem Stein haben Sie denn bis dato gelebt? Die letzten 10% eines Weges scheinen immer doppelt soviel zu wiegen, wie der ganze Weg vorher. Und Reformbewegungen sind überhaupt und immer erst dann möglich, wenn die Repression (völlig egal, ob ökonomische, politische, umweltbedingte) bereits hinreichend nachgelassen hat – vorher ist sie viel zu gefährlich und damit undenkbar. Um ernsthaft streiten zu können, braucht man allerdings eines – freie Rede. Und die steht heute auch bei Linken sehr niedrig im Kurs!
Gruss,
Thorsten Haupts
„…braucht man allerdings eines – freie Rede“
Gar keine Grenze? Also keine Strafen mehr für Nazi-Propagandisten und Holocaust-Leugner?
Ein GOP-Senator aus Utah hat gefordert, dass Schulen gesetzlich gezwungen werden sollen, die Nazis ohne Wertung und ergebnisoffen zu diskutieren…
Wenn mir das Thema nicht zu eklig wäre – und beruflich zu riskant – würde ich mich tatsächlich dagegen engagieren. Prinzipien tun halt in manchen Fällen weh – aber sonst sind es auch keine.
Nein, ich will für Nazis oder Holocaust-Leugner prinzipiell genausowenig Strafen, wie für Stalin-Bewunderer oder Tankies.
Gruss,
Thorsten Haupts
„wenn die Repression (…) bereits hinreichend nachgelassen hat.
Interessante These. Wird ja auch für die großen Revolutionen (1789, 1917) vertreten. Stellt sich für mich die Frage, warum die Repression irgendwann nachlässt. Und wie man das befördern kann, wenn man eine Reform anstrebt.
9) Wo beginnt Rassismus, Herr El-Mafaalani? (Interview mit Aladin El-Mafalaani)
… die dann vor allem auf Konservative so bedrückend wirken. Das ist ja wenig verwunderlich, weil sie Veränderungssymptome sind und Konservative per Definiton keine Veränderung wollen – sonst wären sie ja keine Konservativen.
Oh Mann …
Ich kenne keinen Konservativen, der möchte, das alles auf immer so bleibt. Auch Konservative unterliegen freiwilligem Wandel. Sie sehen Veränderungen – von Progressiven gerne (wenn auch fälschlicherweise) ‚Fortschritt‘ genannt – allerdings nicht als Selbstzweck an, und beziehen in ihre Vorstellungen oft und gerne etwas ein, dass sich ‚Erfahrung‘ nennt.
Ja, das war zu kategorisch formuliert, sorry.
1)
Ich kann’s gar nicht abwarten, dass dieser total korrupte Non-State namens Ukraine in die westliche Einflusszone integriert wird. Eine ähnliche Bereicherung wie mit Herrn Orban et al. ist zu erwarten, wenngleich in ganz anderer Größenordnung.
3)
Die Moral von der Geschicht ist eigentlich, dass jede Ideologie so ihre schmutzigen Geheimnisse hat, die unter den Teppich gekehrt werden, indes der Teppich sich sichtbar aufwölbt. Diesbezüglich können sich alle Ideologen, also z.B. Liberale und Sozialisten mit jeweils zahlreichen Unterformen, die Hand reichen.
Klientelinteressen schützen darf der Staat natürlich, gerne auch mit Subventionen, auch wenn das offiziell verdammt wird. Beim Gleichheitsideal wiederum mag es vorkommen, dass der eine oder andere gleicher als gleich ist. Bei regelmäßigen Ausnahmen vom Prinzip darf man/frau halt nicht so genau hingucken.
Erforderlichenfalls kann frauman sagen, dass das Ideal z.Zt. noch nicht vollständig implementiert ist, aber später wird, bzw. dass das Volk leider noch nicht hinreichend reif ist. Es bedarf also noch der Aufklärung. Oder wie weiland Herr Erhard: „Wenn das deutsche Volk nicht hören will, dann muß es eben fühlen“
Zitat:
„Die große Leistung des Liberalismus war, diese Verfügungsgewalt Schritt für Schritt über das 19. und frühe 20. Jahrhundert auf alle diese Gruppen auszudehnen.“
Wenn der Liberalismus aus philosophischen Gründen diese Ausdehnung besorgt hat. warum hat „er“ das nicht gleich von Anfang an getan ?
Es könnte evtl. auch so gewesen sein, dass die „Ausdehnung“ von den Betroffenen abgepresst wurde – ganz unphilosophisch. Oder meinst Du, Frauen waren an Gleichstellung nur deswegen interessiert, weil sie sich mit „Liberalismus“ beschäftigt und die Aufklärer gelesen haben? Abgesehen davon, dass bei den berühmten Aufklärern die Unmündigkeit von Frauen als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Wieso wird eine Philosophie erst angepasst, wenn man unter Druck steht und nicht schon vorher am Schreibtisch?
Andererseits kann kein Mensch auf Ideologien, also auf mit Wertvorstellungen begründetes Sollen, verzichten 🙁
Ein macht also auch keinen Sinn, stolz über den Ideologien schweben zu wollen >:( Eine – natürlich unbefriedigende – Lösung konnte sein: Sehr allgemein bleiben, keinen Finalismus und Details den laufenden Verhandlungen (gutmütig gedacht) bzw. der Machtausübung zu überlassen.
Also: einfach weiterwurschteln in der großen Trübsal und auf das Millennium warten; auch in profanen Eschatologien aus den Ideologiefabriken heißt’s ja immer: Wurde bisher noch nicht „richtig“ angewendet.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/4/4e/Diagramm_Prämillenarismus_2.jpg/440px-Diagramm_Prämillenarismus_2.jpg
8)
Was außen vor bleibt, also namentlich im Beispiel Chomsky und Holocaustleugner, ist der Unterschied von Sachverhalten, die in der Vergangenheit liegen und deswegen einen beweisbaren Charakter haben (hat der Holocaust stattgefunden?) und Äußerungen darüber, was ab jetzt doch alles so stattfinden könnte, möge und sollte oder auch nicht, also das eigentlich „Politische“, das mit und in der Zukunft handelt. Auch das genannte Beispiel „shouting fire in a crowded theatre“ ist ein Aussage über einen nachprüfbaren Tatbestand und keine Wertung, trifft also eigentlich nicht das free-speech Problem, IMHO.
Schwierig wird’s bei Mischformen, die es natürlich auch gibt oder bei kreativen Interpretationen, z-B. den Holocaust betreffend, nach dem Muster „ja, aber“.
Ferner adressiert der verlinkte Autor die Free-speech-Sache (namentlich die Trump-twitter-Geschichte) an Internet-Plattformen, die das gar nicht gewährleisten müssen, weil „privat“. Indes findet auf diesen „privaten“ Plattformen free speech heutzutage im Wesentlichen statt. Ich sage nur: Neuland^. Obwohl: So neu auch nicht. der Publizist Sethe (ein durch und durch konservativer Knochen) hat das vor schlappen 56 Jahren so ausgedrückt (in einem Leserbrief an den Spiegel):
„Im Grundgesetz stehen wunderschöne Bestimmungen über die Freiheit der Presse. Wie so häufig, ist die Verfassungswirklichkeit ganz anders als die geschriebene Verfassung. Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“
Für historisch Interessierte hier das ganze Ding in den Leserbriefen:
https://www.spiegel.de/politik/bestandsaufnahme-a-5920dfa5-0002-0001-0000-000046272474?context=issue
Du musst in deinem Blog „free speech“ ja auch nicht gewährleisten^. Falls Dir mein Gequake nicht passt: Weg damit; wäre rechtlich völlig in Ordnung und kein Angriff auf die Meinungsfreiheit, denn jemand, der mich privat einlädt, kann mich auch wieder ausladen. Gleiches gilt allerdings für den Provider Dir gegenüber, aber der von Liberalen gerne vergessene Zusammenhang zwischen free-speech und Macht wird im Artikel ja auch ausführlich diskutiert.
9) Ja, speziell danke für diesen Artikel (für die anderen natürlich auch^), das mit dem Diskriminierungsparadox ist Augen öffnend – womit ich implizit zugebe, dass meine diesbezüglich noch nicht so ganz offen waren 🙁
10)
Zitat:
„Man kann politische Schemata erstellen, aber die Realität ist selten so schön geordnet.“
So isses, IMHO. Statt der umstrittenen Hufeisentheorie empfehle ich einen geschlossenen Kreis, auf welchem wir rumtanzen und verschiedentlich uns an verschiedenen Orten niederlassen – vorübergehend natürlich.
11)
Zitat:
„Das Schöne am Kapitalismus ist natürlich, dass man die Auswahl hat.“
Okay, im Grunde eine Paraphrase zu 3). Wenn der Idealfall zutrifft, ist das so.
Allerdings könnte man/frau noch darüber diskutieren, ob „Marktwirtschaft“ und „Kapitalismus“ dasselbe ist^. Ferner müsste die Marktwirtschaft unter Laborbedingungen stattfinden, ohne alle Störfaktoren, damit nicht alles versaut wird, was im Wesentlichen heißt: Vermachtungen aller Art sind auszuschließen, was wiederum soviel heißt wie: Das richtige Leben ist auszuschließen.
1) Wird er nicht und sollte er auch nicht, IMHO.
3) Das war ein Wandel, der sich in den Einstellungen allmählich vollzog. Über Jahrzehnte.
9) Willkommen im Club.
10) So vorübergehend ist es meistens nicht.
Hallo Stefan Pietsch,
ich challenge, dass die Gehälter von Managern wirklich so frei verhandelt sind.
Es gibt da sicher Randbereiche, in denen die Gehälter deutlich geringer als marktüblich sind. Mir fallen Management-Positionen in openSource Organisationen ein. Jboss, etwa, bevor die von IBM aufgekauft wurden, Manager in einem Linksradikalen Verlag wie dem Unrast Verlag oder NGOs.
Für „normale“ Unternehmen gibt es da bestimmt sowas wie Bandbreiten, die vermutlich höher sind als die von freiberuflichen Software-Entwicklern. Manager im Larven-Stadium arbeiten oft in Unternehmensberatungen oder im technologischen Bereich in Doktoranden-Stellen in Unis. Da gibts ja feste Gehälter.
Hallo Lemmy,
Vorname reicht, hast Du mir mal beigebracht. 😉
Seit meinem 26. Lebensjahr verhandele ich jeden Vertrag selbst. Die wichtigste Zahl natürlich, die Ziffer meist in § 2 oder § 3, Bereichsumfang, Kündigungsfristen (sehr wichtig!) und Sondersachen wie jährliche Entgeltanpassung (machen die meisten nicht, ich schon), Übernahme von Umzugskosten, Unterbringung etc. Ich habe nie einen Vertrag so unterschrieben, wie er im Entwurf vorgelegt wurde. Ich bin kein großes, prominentes Licht. Ich kenne aber keinen Top-Manager, bei dem es sich anders verhält. Das sind also absolute Marktpreise, Ergebnis der Verhandlungen von Anbietern (Managern) und Nachfragern (Unternehmen). Wenn mir das Entgelt zu niedrig ist, kann ich versuchen, mehr herauszuhandeln oder ein anderes Unternehmen suchen. Genauso verhält es sich umgekehrt. In keinem Bereich wird so oft gewechselt wie im Top-Management.
Was willst Du da challengen?
Übrigens, auch mein Gehalt in der Wirtschaftsprüfung ganz zu Beginn (also als Praktikant) habe ich verhandelt. Natürlich hat jedes Unternehmen Bandbreiten, was man sich leisten kann und leisten will. Aber es ist das Ergebnis von Aushandlungsprozessen am Markt.
Und natürlich dem, was „branchenüblich“ ist. Ob bei Manager*innen oder Lehrkräften.
Das ist das, was man sich leisten kann. In der Logistik oder im Handel sind die Margen sehr dünn, da sind auch die Managergehälter deutlich unter der der IT. Aber es gibt auch innerhalb der Branchen starke Differenzierungen. Und vor allem: Man kann in andere Industrien wechseln.
Es bleibt dabei: in Lehrerberufen gibt es die Differenzierungen nicht annähernd. Und das ist ein Problem. Jemand talentiertes so zu bezahlen wie jemand Untalentierten mit hohen Fehlzeiten ist vor allem eins: ungerecht.
Die Sache ist nur die: ich weiß genau was passieren würde, wenn man das ändern würde. Die Gehälter würden massiv sinken.
Nun erzählst Du einen Widerspruch: Enerseits behauptest Du, die Leistung der Lehrer habe diesen im internationalen Vergleich überragenden Wert. Andererseits fürchtest Du, wenn Leistungskriterien wie Qualität und Befähigung herangezogen würden, hätte das einen stark negativen Effekt auf die Gehälter.
Etwas hat den Wert, der durch freies Aushandeln erzielt werden kann, nicht, was Betroffene sich zubilligen.
Während in Deinem Bereich Gehälter nie nominal sinken können, wie unfähig derjenige auch ist, der vor den Schülern steht, passiert das im Management allenthalben. Beim selben Arbeitgeber durch Wegfall der Bonuszahlungen, bei Wechseln durch ein schlechteres Verhandlungsergebnis. So sanken in den Wirtschaftskrisen 2001-2005 und 2008/2009 die Gehälter von Führungskräften zum Teil merklich.
Weil deine Version vom „freien Aushandeln der Gehälter“ nicht mehr als eine liberale Gutenachtgeschichte ist.
Nun, ich habe Dir die Realität geschildert. Das ist eben kein Märchen.
Du büxt immer aus, wenn es um die sachliche Auseinandersetzung geht. Dir fehlen die Argumente, warum in Deiner Profession die Einkommen fast gleich sein müssen.
Weil alle die fast gleiche Arbeit machen.
So wie im Management?
Als meine Tochter in die Mittelstufe kam, verabschiedete sich dort gerade ein Englischlehrer, der zuvor Generationen von Schülern den Spaß an der Sprache vermiest hatte mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre späteren Fähigkeiten. Ehrenvoll verabschiedet, obwohl der – Eltern wie Kollegen – wussten, was für ein mieser Lehrer er gewesen war. Er hatte natürlich die höchste Besoldungsstufe.
Lehrer der Grund- und sogar Mittelstufe erkennen über Jahre nicht die Lernbehinderung einer Schülerin und den damit verbundenen erhöhten Förderbedarf. Und es gibt Lehrer(innen), die eine Jungs-Fobie haben und die männlichen systematisch viel schlechter behandeln als die Mädchen. Erziehungswissenschaftler könnten Dir sagen, dass solche Unfähigkeiten gravierende Folgen für die Lebensverläufe von jungen Menschen haben können.
Aber wie Du ja sagst, sie machen alle die gleiche Arbeit. Dann sollen sie auch das gleiche Gehalt bekommen, egal wie schlecht ihre Arbeitsleistung ist.
Irgendwie hatte ich das mit dem Leistungsgedanken einmal anders verstanden…
Ich habe keinen Zweifel daran, dass manche den Job besser machen als andere; mein Kommentar bezog sich auf das Anforderungsprofil, das für alle Lehrkräfte sehr ähnlich ist und damit zumindest einen gleichen Grundsold rechtfertigt. Mein Problem mit Bezahlung nach „Leistung“ ist, dass sich diese notorisch schlecht definieren lässt. Und was ich bisher etwa im Privatschulsektor an „leistungsorientierter“ Bezahlung gesehen habe hat mich nicht eben hoffnungsfroh gestimmt.
Nein, das stimmt nicht. Wir sind fähig, menschliche Leistungen zu bewerten: die Arbeit von Krankenschwestern, von Ärzten, von Erzieherinnen, von Psychiatern, von Politikern, von Journalisten, von Fußballtrainern.
Nur Lehrer sollen so besonders sein, so einzigartig. Jeder, der mal Schüler war, weiß einen guten von einem schlechten Lehrer zu unterscheiden, einen guten Prof von einem schlechten Prof. Die Selbsteinschätzung ist da nur Schutz der Schwachleister.
Wenn es um Basisarbeit geht, gut, dafür gibt es Teilvergütungen. Aber die Arbeit eines Lehrers folgt in der Bewertung ja vielen Kriterien. Da zu sein, Unterrichtsstunden zu absolvieren, sind ja nur die Basics. Da ist noch nichts über die Qualität gesagt. Das können Hilfskräfte auch.
Die Pandemie hat gezeigt, dass viele Lehrer vor allem erstmal an sich denken. Die Ausfallquoten waren in den letzten beiden Jahren deutlich höher als in anderen Wirtschaftssektoren. Und das selbst, wo der Unterricht oft im Home Schooling stattfand. Untersuchungen haben ergeben, dass viele Lehrer da oft keinen echten Unterricht abgehalten und kaum Kontakt zu ihren Schülern hatten.
Wo darf man sich sonst so etwas leisten?
Man kann das schon bewerten, wie gesagt, ich bin nur skeptisch dass diese Systeme gut wären.
Und hör mir auf mit deinen Beispielen. Krankenschwestern werden nicht nach Leistung, sondern Tarif bezahlt. Ärzt*innen rechnen unabhängig von Qualität ihre Leistungen nach Tarif ab. Erzieher*innen werden nach Tarif und nicht nach Leistung bezahlt. Gleiches gilt für Psychiater*innen. Politiker*innen bekommen alle das gleiche Geld.
Es ging um:
Wir sind fähig, menschliche Leistungen zu bewerten: (..) Nur Lehrer sollen so besonders sein, so einzigartig.
Du dagegen behauptest, man könne die Leistung von Lehrern nicht wirklich bewerten, schon gar nicht Laien wie Kinder und Eltern. Und Blogger.
Und natürlich werden die alle weit unterschiedlicher bezahlt, auf vielerlei Wegen.
Doch, man kann sie bewerten, Herrgott! Nur bezweifle ich dass es Sinn macht, die Entlohnung darauf umzustellen, und weise darauf hin, dass das in den wenigsten Branchen der Fall ist. Wenn überhaupt irgendwo.
Sonderfall Lehrer. Ich habe mit solchen Lex immer Probleme.
ES IST KEIN SONDERFALL HERRGOTT
@ Stefan Sasse 11. Januar 2022, 21:45
Weil deine Version vom „freien Aushandeln der Gehälter“ nicht mehr als eine liberale Gutenachtgeschichte ist.
Was soll das denn immer? Natürlich hat Stefan Pietsch Recht – nicht, dass das automatisch bedeutet, dass die Regeln für jeden Einzelnen gleich sind.
Wer z.B. eine Software entwickelt, unterliegt natur- bzw. branchengemäß anderen Regeln als z.B. eine Krankenschwester, für deren Leistung ‚Normentgeltung‘ erfolgt; hier feilschen Krankenkassen Standardpreise für Standarddienstleistungen aus, und man kann sich innerhalb dieses Systems bewegen, oder sein Glück außerhalb versuchen.
Gilt das nicht auch für Lehrer? Es gibt zwar sehr wenige Privatlehrerstellen (oder Jobs in teuren Internaten), aber der Weg steht frei. Ohne beurteilen zu können, wie es für Dich persönlich aussieht, ist doch zumindest die staatliche Regelung auch mit Sicherheiten verbunden, die normale Angestellte, erst recht Führungskräfte, nicht in Anspruch nehmen können. Auch das ist Teil des Pakets.
Besser als der Staat bezahlt keine Privatschule. Das ist ja ein Teil des Problems. Die Privatschulen zahlen super schlecht, haben deswegen eine hohe Fluktuation und üblicherweise auch ein geringeres Niveau der Lehrkräfte (sehr fachabhängig, natürlich).
Stefan ist unzureichend spezifiziert.
Das benötigt einen zusätzlichen qualifier. Dafür drängt sich in der Logik unserer Domain der Nachname geradezu auf. Wer sagt denn, dass wir die Digitalisierung dieses Land voranbringen sollten?
Du sagst ja selbst, dass sich die Preise dann doch in bestimmten Bandbreiten bewegen, die wohl eher nicht bei 50 Tsd p.a. anfangen. Ich bin aktuell übrigens wieder Leiharbeiter wie zu Beginn meines Studium. Das heißt nur etwas vornehmer Arbeitnehmerüberlassung und wird wegen der Scheinselbstständigkeits-Unsicherheit immer beliebter bei Projekt-Anbietern. Mir ist es recht. Hauptsache das Geld stimmt. Jetzt zahle ich auch wieder in die staatliche Rentenkasse und Rürup on top.
SP: In keinem Bereich wird so oft gewechselt wie im Top-Management.
LC: Doch. IT-Freelancer. Hab immer jeweils EIN EINZIGES Hauptprojekt, aber in den letzten 10 Jahren bei 8 verschiedene Kunden.
Du sagst ja selbst, dass sich die Preise dann doch in bestimmten Bandbreiten bewegen, die wohl eher nicht bei 50 Tsd p.a. anfangen.
Doch, durchaus. Als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in einem Bereich des Maschinenbaus kann man problemlos 250.000 oder 500.000 Euro verdienen. In den Kategorien bewegen wir uns.
Ich bin aktuell übrigens wieder Leiharbeiter wie zu Beginn meines Studium.
Warum? Selbst gewählt oder aufgrund der Marktumstände erzwungen?
Den ITler habe ich mir gespart. War mir klar, dass Du damit um die Ecke kommst. War eine sichere Wette. 🙂
SP: Selbst gewählt oder aufgrund der Marktumstände erzwungen.
LC: Eher selbst gewählt. Die Marktumstände waren zum Abschluß Mitte November sehr günstig. Ich bin in den Projekten egal ob als Freiberufler oder Leiharbeiter sowieso immer eingebunden in die Organisationsstruktur des Kunden. Bin da definitiv jemand, der überdurchschnittlich keine Angst vor Konflikten mit Leuten weiter oben in der Hierarchie hat.
Einziges Problem ist die Rente, weil das Individual-Konto mit in Fonds investierte Rürup Rente für mich persönlich günstiger ist als die staatliche Umlage-Rente. Da mein Konto aber schon so voll ist, nimmt der Grenznutzen ab, weil ich ja aus dem sich daraus ergebenden Zahlungen als Rentner Steuern zahlen werde. Als Sozialdemokrat hatte ich sowieso ein Problem damit, mich NICHT von der staatlichen Umlage-Rente „abzocken“ zu lassen, wie Erwin sich kürzlich ausdrückte. Einziges Risiko sind Reperaturen am abgeschriebenen Auto. Aber alles über 1 k würde ich als Totalschaden werten, die Karre verkaufen und mir kein neues mehr kaufen.
Ansonsten verdiene ich vermutlich sogar etwas mehr als mit dem letzten Freiberufler-Projekt.
Die Art der Beschäftigung in großen IT-Projekten führt dazu, dass man da eigentlich kaum in mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten kann. Hat halt auch starke Kompomenten in der Architektur-Beratung und auch in der Schnittstelle fachlich -> technologische Umsetzung. Damit geraten wir sehr schnell in Konflikt mit der für uns und den Kunden problematischen Gesetzgebung wegen Scheinselbstständigkeit. Gerade für größere Unternehmen ist das ein echtes Problem. Deshalb hat sich das Konstrukt der „Arbeitnehmerüberlassung nach dem Leiharbeitsgesetz“ rasant ausgeweitet.
Aus geschäftlicher Sicht ist für mich eine Kontiunität von technologischen Themen sehr wichtig. Und da passt das Projekt sehr gut (Spring Boot, Angular, OpenShift/Kubernetes).
Damit geraten wir sehr schnell in Konflikt mit der für uns und den Kunden problematischen Gesetzgebung wegen Scheinselbstständigkeit. Gerade für größere Unternehmen ist das ein echtes Problem.
Ich kenne das. Da hat die Politik gerade zu Beginn des Jahrtausends vieles aus ideologisch brannten Gründen verschlimmbessert.
1) Auch wenn der Artikel bereits im ersten Satz die üblich schwammige Kenntnis ‚östlicher‘ Geschichte zeigt (Iwan IV ließ sich bereits Mitte des 16. Jahrhunderts zum Zar aller Russen krönen), ist die Betrachtungsweise als Imperium definitiv richtig. Dabei sind zwei Aspekte zum Verständnis wichtig: Zum einen der Kolonisationsprozess, der – anders als in Nordamerika – nicht zu einer ethnisch homogenisierten Bevölkerung sondern zu signifikanten russischsprachigen Minderheiten in den Peripheriestaaten geführt hat. Das andere ist die Vulnerabilität eines Imperiums gegenüber Barbareneinfälle ( die im russischen Reich der letzten 500 Jahre aus dem Westen kamen) und Usurpatorenkaisern (die es in Gesatlt von Marionetten wie dem falschen Dimitri durchaus gab). Unter diesen Aspekten ist der Putin Essay (der allerdings deutlich mehr Kenntnisse voraussetzt) sehr instruktiv. Und ich gebe dir recht, da steht klar, dass für ihn etwas anderes als eine ‚finnlandisierte‘ Ukraine weder verhandel- noch erzwingbar ist.
2) „, die jedem demokratisch eingestellten Menschen als lobenswert erscheinen sollten.“ Nein, mir erscheint all das nach einer Prüfung der realen Umstände nicht so einfach: Zum einen hat Wisconsin keine ‚labyrinthischen, sondern nach US-Verhältnissen klare und zugängliche Möglichkeiten (z.B. same-day-registration): https://ballotpedia.org/Voting_in_Wisconsin Zum zweiten sind Fernwahl und early-voting manipulationsanfällig (auch die deutschen Wahlfälschungen waren in diesem Zusammenhang). Und Wahlhelfer von einer Privatfirma zu bezahlen geht natürlich auch nicht. Kurz: Wären rot und blau vertauscht und es stünde da z.B. der Name Bloomberg, würdest du das auch nicht durchgehen lassen.
3) „. Liberalismus, Sozialismus und Faschismus (wenn die Vereinfachung auf diese drei Pole erlaubt ist) sind eben Pole eines Dreiecks, nicht einer Geraden. „ Die Vereinfachung auf diese drei Pole ist nicht erlaubt. Zu Recht sind die drei klassischen Ideologien Liberalismus, Sozialismus und Konservativismus. Den Faschismus müsstest du entweder als vierten Pol einbringen oder als reine Anti-Ideologie zu Liberalismus und Sozialismus betrachten.
Mit der Eigentumsgarantie als Grundlage der liberalen Philosophie (bis hin z John Locke) gebe ich dir recht. Auch dass die meisten bürgerlichen Freiheiten und Partizipationsrechte erst daraus hervorgegangen sind. Nur das Habeas-Corpus-Prinzip ist älter.
4) Als einschneidendstes Ereignis und zugleich als Punkt der ‚eigentlichen‘ Nationswerdung stellt der Bürgerkrieg natürlich einen Referenzrahmen für die Geschichtswahrnehmung der USA dar. Ähnlich wie es das dritte Reich bei unserer Geschichts- und Politikwahrnehmung ist.
Aber wenn du nicht „Den“ sondern „Einen“ Bürgerkrieg (im Sinne eines anhaltenden bewaffneten Konflikts zwischen Regierung und Aufständischen) in Betracht ziehst, so ist dieser nicht völlig undenkbar. Eben weil wir ‚nicht mehr im Musketenzeitalter“ leben, sondern in der Nachkriegszeit, in der die überwiegende Mehrheit der Konflikte sich genau darauf zurückführen lässt.
5) Was mir auffällt, ist wie sehr sich die im Artikel gezeigten Probleme aus dem (Selbst-) Bild des Lehrers als Einzelkämpfer herrührt. Viele der ‚angstbesetzten‘ Kontrollsituationen sind in anderen Servicebetrieben Teil des gewohnten Qualitätsmanagements. Gerade die ‚Hölle‘ des Referendariats (als Ausbildungsprozess) sollte doch eigentlich nicht ohne Betreuung (was mehr ist als nur Kontrolle, die aber ein Stückweit voraussetzt) leichter sein.
6) Es tut mir leid, gerade diese Problembenennung trägt nichts zur Schaffung eines Problembewusstseins bei, sondern sabotiert es geradezu. Zu offensichtlich werden aus politischer Motivation Sachverhalte miteinander zusammengeworfen, die unterschiedliche Problemlagen bezeichnen, nur weil die Opfer ein nicht ungewöhnliches Merkmal (Frausein) teilen – und nicht einmal zwingend dieses.
9) Grundsätzlich hat el-Mafalaani recht. Aber, um im Bild zu bleiben, wer bestimmt die Tischdiskussionen. Das sind nicht die, die gerade dazu gekommen sind oder die ihr Kuchenstück beantragen müssen. Und es sind schon gar nicht die, die tatsächlich nicht am Tisch sitzen sondern in einen windgeschützten Eck. Es sind diejenigen, die den Kuchen verteilen, und die damit eine Diskussion über die Größe der Stücke verhindern.
10) Kleines Caveat: Trenne gedanklich Wissenschaftsskepsis von Technologieskepsis. Gerade die Diskussion um den Klimawandel zeigt, dass das zwei paar Stiefel sind
Großes Caveat: Wie du schreibst, ist die ganze Links-Rechts-Schiene bei den fundamentalen Corona-Maßnahmengegnern das falsche Werkzeug. Da ist das zentrale Element ein tief verwurzeltes Misstrauen gegen ein breites Spektrum an Funktionseliten, die zwar als ‚der Staat‘ tituliert werden, aber eigentlich gemeint ist ’Die da oben‘. Genau genommen ist es ähnlich wie in Fundstück 10): Gerade deshalb, weil sie aus Milieus stammen, die überproportional bei Policies berücksichtigt werden, fühlen sie sich jetzt besonders ‚zurückgesetzt‘, weil ihre Wünsche zurückgewiesen worden sind.
11) Du tappst mit „. Einmal davon abgesehen dass mir unklar ist, wo man in einem Männersport gendern müsste; in dem Verein gibt es ja per Definition keine Spielerinnen, weswegen das als Thema eh nicht aufkommt.„ gleich doppelt in die Identitätsfalle: Zum einen hat der Fußballverein Union Berlin auch eine Frauenmannschaft. Zum zweiten demonstriert dein Fundstück, wo auch im Männersprt gegendert werden kann: Bei Zuschauys und Konsumentys. Zum dritten betrachtest du Fußball leider nur als Geschäft. Im (Regional)Sportbereich haben schon andere Gruppen ihre Identitäten als Fußballmannschaft demonstriert: In München gibt es sowohl einen ‚Maccabi‘ als auch einen ‚Türkgücü‘ Fußballclub. Also warum keinen Verein ‚Saitan BSC‘ oder gar ‚Gender Stern Belgrad‘
1) Danke für den Kontext.
2) Die Behauptung der anfälligkeit von Wahlbetrug wird jetzt seit über einem Jahrzehnt verbreitet, ohne jeden Beleg. Es ist Propaganda. Und ich hätte kein Problem wenn die GOP Wähler*innen mobilisiert; das haben sie ja etwa in Virginia mit Erfolg getan. All the more power to them!
3) Hm. Ich sehe, was Sozialismus, Faschismus und Liberalismus erreichen wollen. Was ist das Ziel des Konservatismus?
4) Ja, aber erneut, wie sollte der aussehen?
5) Absolut richtig! Und das wird ja auch seit Jahrzehnten bemängelt, ohne dass es sich ändert. Aber erneut, auch hier: die Arbeitsbelastung ist so, dass jedes Zusammenarbeiten mit Kolleg*innen Zusatzarbeit bedeutet.
6) Da kommen wir nicht zusamen.
9) Völlig richtig, klar!
10) Interessant, danke!
11) Da schau, das wusste ich nicht. Danke!
2) Schau dir nur mal die deutschen Wahlfälschungsskandale der letzten 20 Jahre an. Dachau, Geiselhöring, Stendhal, Quakenbrück. Jedes Mal waren Briefwahlstimmen das Mittel. Bei Präsenzwahl ist der Weg der Stimme von der Abgabe bis Verkündung überprüfbar. Bei Fernwahl nicht.
3) Erhalt bestehender, „gewachsener“ Lebensweisen, Strukturen und Institutionen und damit auch Macht- und Besitzverhältnisse. Das gibt es (wie bei den anderen beiden Ideologien auch) in unterschiedlicher Orientierung, Schärfe und Ausprägung, aber das ist der Kern.
4) Sabotage, domestic Terrorism, das ganze Arsenal asymmetrischer Kriegsführung. Aber schon konsequente Blockade der Regierung (etwa durch großangelegte Steuerverweigerung oder Lahmlegen von Behörden kann verheerend sein. Und auch bei ganz ’normalen‘ Protesten verschwimmt die Grenze zwischen zivil und gewaltbehaftet schnell. Schau dir die weltweiten Widerstands- und Protestbewegungen der letzten Jahre an.
6) Da lasse ich es nicht auf Agree to Disagree beruhen:
Der Begriff ist wie gesagt wolkig, angreifbar (Die höhere Anzahl an ‚Androziden‘) und entsprechend unspezifisch ‚sonntagsredenhaft‘ klingen deine Ansätze: ‚andere beeinflussen‘, Rollenvorbild sein‘. [TW überzogene Polemik: Stellst du dir das etwa so vor: „Du, ich fände es nicht gut, wenn du deine Frau umbringst. Ich mach so etwas ja auch nicht.“ ]
Mir geht es konkret um Gewalt in Beziehung und Partnerschaft. [60 % der ‚Femizide‘ fallen in diese Kategorie.] Diese Gewalt geht in den meisten Fällen (bei Tötungsdelikten 75%) vom Mann gegen die Frau. Und ja, da spielen Stärkeverhältnisse und Besitzansprüche eine wichtige Rolle. Aber die klare, konkrete Lösung ist doch nicht ein schwammiges ‚Bewusstsein‘ schaffen, sondern die Frauen aus gewalttätigen oder toxischen Beziehungen rechtzeitig herauszuholen.
Diese Gewalt geht in den meisten Fällen (bei Tötungsdelikten 75%) vom Mann gegen die Frau. Und ja, da spielen Stärkeverhältnisse und Besitzansprüche eine wichtige Rolle. Aber die klare, konkrete Lösung ist doch nicht ein schwammiges ‚Bewusstsein‘ schaffen, sondern die Frauen aus gewalttätigen oder toxischen Beziehungen rechtzeitig herauszuholen.
Eben. Und da setzt Spanien an. Nicht indem wolkig „ein Bewusstsein“ geschaffen wird, sondern in dem von staatlicher Seite ziemlich deutlich in Beziehungen reingegangen wird. Dieser Tüttelkram von „Bewusstsein schaffen“ ist bei gewalttätigen und gewaltbereiten Menschen völlig unangebracht. Und die nicht Gewalttätigen brauchen keine Belehrungen.
Das schafft doch aber ein Bewusstsein! Der Staat, der ganz klar eingreift und einen deutlichen Rahmen setzt, schafft Bewusstsein. Was ist denn daran so schwer zu verstehen?
Ja, so wie Putin ein Bewusstsein bekommt.
Vor drei Jahren wurde das Sexualstrafrecht geändert und verschärft. Das Bewusstsein dafür hat sich aber noch nicht in der Kriminalstatistik niedergeschlagen. Leider. Augenroll*
Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit unterbleiben doch nicht, weil von staatlicher Seite die Polizei vor der Tür steht, wenn gar nichts ist. Dem spanischen Staat geht es auch nicht um „Bewusstseinsänderung“, sondern knallhart Opferfrauen die Staatsgewalt zur Seite zu stellen.
2) Ja, aber das hatte doch nie irgendwelche relevanten Ausmaße?
3) Genau, das ist die Abwehr von Veränderungen, die andere erschaffen wollen.
4) Gewaltsame Proteste sind erstmal Kriminalität. Wir hatten in den 1960ern gewaltsame Proteste, dagegen ist alles heute Kissenschlacht. Bürgerkrieg war das trotzdem nie.
6) Aber dazu ist das Bewusstsein doch die Grundlage! Solange Polizei, wie das früher (und wahrscheinlich auch heute noch) allzu oft vorkam diese Gefahr nicht ernst nimmt (als Beispiel), kannst du die Leute nicht rausholen. Du brauchst Unterstützungsstrukturen, und die hast du nur, wenn es ein Bewusstsein gibt. Natürlich reicht Bewusstsein nicht, aber es ist eine notwendige Bedingung.
2) Es hätte mehrfach den Unterschied zwischen Sieg (=Mandat) und Niederlage ausgemacht Das ist alles(!) was zählt. Nimm noch das US-Mehrheitswahlrecht, die Personendaten, die ein IT-Konzern hat und E-Voting hinzu, und denke dann weiter.
4) Deutschland auch in den 70ern ist eine Insel der Seligen. Anderswo (z.B. Venezuela oder Myanmar) zünden Protestierende Polizeiwachen an oder spannen Stahlseile über die Straße. Aber das vielleicht passendste Beispiel über den Grenzbereich zwischen Opposition, Terrorismus und Bürgerkrieg ist der Nordirlandkonflikt. Ein harter Trumpistenkern könnte wie die IRA agieren.
6) Wie Herr Pietsch erklärt. Körperverletzung ist ein (relatives) Antragsdelikt. Die Polizei kann nur bei Anzeige wirklich tätig werden. Deshalb muss Bewusstsein vor allem bei Opfern geschaffen werden: b) Dass die Staatsmacht zu ihrem Schutz daist (schwierig, weil viele aus Milieus kommen, die (berechtigte??) Angst gegenüber Behörden und Ämtern haben). b)Dass es zivilgesellschaftliche Beratungsstellen und Schutzräume (Frauenhäuser) gibt. c) Primär und vor allem, dass sie in einer gewalttätigen Beziehung sind und das gefährlich ist. Es gibt viel zu viele psychologische Mechanismen, mit denen sich die Opfer selbst über toxische Beziehungen täuschen.
4) Auch die IRA hat keinen Bürgerkrieg ausgelöst. Es waren Terorristen. Bürgerkrieg ist was völlig anderes.