Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.
1) Bundeszentrale für politische Bildung nach »Süßkartoffel«-Spruch in der Kritik
Ein auf den ersten Blick unschuldig wirkender Eintrag bei Instagram könnte für die Bundeszentrale für politische Bildung Folgen haben. Bei seiner Antirassismus-Kampagne »saymyname« hatte die dem Bundesinnenministerium unterstellte Behörde einen Beitrag auf der Fotoplattform gepostet, der weiße Menschen indirekt als »Kartoffeln« bezeichnet. Nach Kritik an dem Beitrag hat das Bundesinnenministerium der Bundeszentrale nun aufgetragen, die gesamte Kampagne auf den Prüfstand zu nehmen. […] In dem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag wird der freie Journalist Mohamed Amjahid zitiert. Er ruft weiße Menschen dazu auf, sich mehr für Nichtweiße einzusetzen. Wer selbst nicht Opfer von Rassismus werde, müsse sich mit eigenen Privilegien auseinandersetzen, sagt Amjahid in dem Post. Das sei ein schwerer Prozess, »jedoch unabdingbar, wenn wir in einer gerechten und inklusiven Gesellschaft leben wollen«. Wem das gelinge, der könne ein Verbündeter von Nichtweißen werden – eben eine »Süßkartoffel«, wie es Amjahid in Anlehnung an den Begriff »Kartoffel« formuliert. […] Amjahid selbst sieht in dem Streit über seine Äußerung eine Scheindebatte. »Die einen haben Angst vor Polizeigewalt und Rechtsextremisten im Parlament, die anderen sind von Wörtern wie Süßkartoffel beleidigt«, sagt er dem SPIEGEL. Die Kampagne »saymyname« sieht der Autor als Teil eines wichtigen Diskurses, den das Innenministerium nicht aufhalten könne. (mrc, SpiegelOnline)
Ich warte immer noch auf die Leitartikel aus FAZ und Welt, die diese Cancel Culture empört zurückweisen und verurteilen und sich für das Recht Amjahids, Deutsche als Süßkartoffeln zu bezeichnen, in die Bresche werfen. Es gibt Leute, die haben komplette Bücher geschrieben, um ihr Recht zu verteidigen, ein billiges Stück Schweinefleisch mit Paprikasauce als „Zigeunerschnitzel“ bezeichnen zu dürfen, aber die schweigen geradezu dröhend, wenn es ihre Gegner*innen betrifft. Aber das habe ich schon immer gesagt, von daher bin ich nicht überrascht.
2) Einigung auf globale Mindeststeuer: die Doppelmoral der Hochsteuerländer
Das kann kleineren Ländern wie der Schweiz oder Irland kaum gefallen, die mit niedrigen Steuersätzen Konzerne und Forschungsaktivitäten anziehen – und so den Nachteil ihrer kleinen Heimmärkte wettzumachen versuchen. Am G-7-Gipfel war oft von «gleich langen Spiessen» die Rede, wenn vom Mindestsatz gesprochen wurde. Das geht grossen Ländern leicht über die Lippen, auf deren riesigen Märkten Firmen präsent sein müssen. Das kann kleineren Ländern wie der Schweiz oder Irland kaum gefallen, die mit niedrigen Steuersätzen Konzerne und Forschungsaktivitäten anziehen – und so den Nachteil ihrer kleinen Heimmärkte wettzumachen versuchen. Am G-7-Gipfel war oft von «gleich langen Spiessen» die Rede, wenn vom Mindestsatz gesprochen wurde. Das geht grossen Ländern leicht über die Lippen, auf deren riesigen Märkten Firmen präsent sein müssen. […] Drittens schliesslich muss beunruhigen, dass «Steuerwettbewerb» schon fast zum Unwort geworden ist. Im Communiqué der G-7 kommt der Begriff nicht einmal vor. Doch Wettbewerb zwischen Ländern oder in der Schweiz zwischen den Kantonen um ein gutes Verhältnis von Steuern und öffentlichen Gütern ist eine Errungenschaft, die es zu erhalten gilt, weil sie den Appetit des Staates auf immer mehr Steuersubstrat zügelt. Dass die Befürworter des Steuerwettbewerbs derart in die Defensive geraten sind, ist vielleicht der gravierendste Aspekt dieser vermeintlichen «Steuerrevolution». (Christoph Eisenring, NZZ)
Ich muss zugeben, als ich den Text zum ersten Mal vor mir hatte musste ich so lachen. Nicht, weil Eisenring nicht grundsätzlich Recht hätte, was die Heuchelei angeht, sondern eher, weil da die Krähe den Raben schwarz nennt. Wenig überraschend, dass dieser Text in der NZZ steht. Klar findet die Schweiz das doof. Würde ich auch, wenn mein bisheriges Geschäftsmodell darauf basieren würde. Nur, warum sollten andere Länder das subventionieren? Wir haben das jahrzehntelang gemacht, es ist gut, dass da langsam Schluss ist. Deswegen bin ich sicher auch nicht „beunruhigt“, sondern höchst erfreut, dass das völlig blödsinnige Konzept des „Steuerwettbewerbs in die Defensive geraten ist“. Ich hoffe, dass Eisenring Recht hat.
3) „Wir brauchen einen Neuanfang“ (Interview mit Aladin el-Mafaalani)
-
E&W: Wie soll es denn im nächsten Schuljahr weitergehen?
El-Mafaalani: Die Schulverwaltungen, an der Spitze die Schulministerien, machen einen gravierenden Fehler. Sie glauben, im nächsten Schuljahr ist die Pandemie vorbei und sie können da weitermachen, wo sie vor Corona aufgehört haben. […]
- E&W: Die Eltern haben kürzlich in einer Umfrage zu Protokoll gegeben, dass sie an der Schulpolitik verzweifeln.
El-Mafaalani: Ja, das verstehe ich. Viele Menschen vor Ort, auch diejenigen, die Verantwortung tragen, wussten ja angeblich nicht, dass es in Schulen kein warmes Wasser gibt, Fenster sich nicht öffnen lassen und die Toiletten eine Katastrophe sind. Hinzu kommt: Wenn wir uns mit anderen Staaten in der Pandemie vergleichen, schneiden wir ungewöhnlich schlecht ab. Das kommt, weil wir schon länger in einer fundamentalen Sackgasse stecken. Hätten wir ein gut funktionierendes Bildungssystem, dann wären wir in der Krise flexibler, innovativer gewesen und auch besser durchgekommen.
- E&W: Wieso das?
El-Mafaalani: Ein System, das chronisch unterversorgt ist, das auf dem Zahnfleisch geht, kann nicht kreativ sein und klug improvisieren. Wir wussten doch schon vor der Corona-Krise, dass das Schulsystem nicht ausreichend auf digitales Lernen vorbereitet ist und viele Lehrkräfte diesbezüglich -Defizite haben. Sich dann zu wundern, dass Homeschooling nicht funktioniert, das überrascht mich.
- E&W: Sie fordern für jede Schule multi-professionelle Teams, in denen Psycho-logen, Ärzte, sozialpädagogische Fachkräfte, Eltern und andere mehr die Arbeit der Lehrkräfte unterstützen. Wäre eine solche Schule besser durch die Pandemie gekommen?
El-Mafaalani: Da bin ich mir ganz sicher. Aus zwei Gründen: Interdisziplinäre Teams sind deutlich offener und interessierter am Einsatz digitaler Formate. Noch wichtiger ist aber: Schule hätte deutlich mehr über die Lebens- und Familiensituation der Kinder gewusst. (Klaus Heimann, GEW)
Einmal abgesehen davon, dass „ein kompletter Neuanfang“ eine völlig blödsinnige Forderung ist – als Soziologe sollte el-Mafaalani mit dem Konzept der Pfadabhängigkeit vertraut sein – so ist doch unzweifelhaft, dass die Bildungsinfrastruktur katastrophal unterausgestattet ist. Allein der Bedarf an baulichen Maßnahmen, die über Jahrzehnte missratener Sparpolitik (siehe auch Fundstück 10) verschleppt wurden, beträgt mittlerweile 44 Milliarden Euro und wird jedes Jahr größer.
Was el-Mafaalani anspricht, geht aber über das Verlegen von Glasfaserkabeln, Beschaffen von Endgeräten und Renovieren völlig heruntergewirtschafteter Bausubstanz weit hinaus. Der Aufbau der Art von Fachkräften, die das Bildungssystem eigentlich benötigen würde, ist eine Aufgabe nicht für eine Legislaturperiode, sondern für mindestens anderthalb Jahrzehnte. Das heißt nicht, dass man nichts machen sollte, aber man muss realistisch sein: dieses Werk ist eines, das eine Regierung anfängt, eine andere weitertreibt und das eine dritte zum Abschluss bringt. Oder auch: politisch extrem unattraktiv. Deswegen wird es ja auch nicht gemacht.
Als Hinweis sei hier noch der Beitrag von Bildungslücken empfohlen, der sich deutlich mit der Aufgabenflut auseinandersetzt, die Lehrkräften aufgebürdet wird – zulasten des Unterrichts.
Es geht um mehr als ein paar Versehen. Es ist eine peinliche Fehlerserie. Dass die Grünen ihre Kandidatin nicht auf Herzen und Nieren geprüft haben, um eben gerade solche Fehler zu finden und ihre Schwachstellen zu kennen, ist hochgradig unprofessionell. Was hat sich das Wahlkampfteam denn gedacht, dass die Konkurrenz mit Wattebäuschchen wirft? Dass Journalist*innen nicht recherchieren? Dass der Boulevard sie schont, weil sie so eine nette junge Frau ist? Wer erstmals eine Kanzlerkandidatin aufstellt oder nur nach 16 Jahren Opposition regieren will, muss selbstverständlich damit rechnen, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Das ist auch bei anderen Kandidat*innen, Minister*innen und sogar Abgeordneten der Fall, denn sonst wären nie Plagiate, Villa-Käufe, frühere Neonazi-Aktivitäten oder dubiose Mitarbeiter*innen in Abgeordnetenbüros an die Öffentlichkeit gekommen. Bei der Kandidatenkür sind die Grünen vielfach für ihr professionelles Vorgehen gepriesen worden. Nun stellt sich jedoch heraus, dass dieses Lob verfrüht kam. Baerbock und ihr Team tragen ganz allein die Verantwortung für die tiefen Kratzer an ihrem Image. (Silke Mertens, taz)
Dem ist recht wenig hinzuzufügen. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Unfug nicht zu „her emails“ auswachsen wird, denn in die Richtung geht das Ganze gerade. War es ein blöder Fehler, unnötig und alles, der von einem professioneller agierenden Team rechtzeitig hätte aufgefangen werden müssen? Sicher. Aber letztlich sind sich ja selbst die größten Kritiker*innen einig, dass es um Wahlkampfästhetik geht. Die Substanz des Falles selbst ist gleich Null. Ich würde ja für eine genauere Betrachtung des Wirecard-Skandals werben, wenn Scholz‘ Kanzlerkandidatur nicht ein solcher Scherz auf Rädern wäre.
5) Skewed History Is Becoming a Global Superweapon
My purpose here is not to debate these issues in detail, but to express the dismay of those of us who devote our lives to the pursuit of truth, even if we often fail to catch it. We see large parts of the world systemically committed to concealing or annihilating realities. Whole generations of Russians have all their lives been denied access to books, teaching and internet sources that would enable them honestly to explore their past. […] Hundreds of millions of Chinese exist in the same miasma of ignorance and deceits. An American friend with a company in Beijing tells me that when he visits the Chinese capital, he sometimes has lunch with one of his brightest and best-educated employees, a woman in her 30s. She quizzes him with urgent fascination about the Cultural Revolution of 1966-1976. […] It’s not only autocrats who are excavating the past in pursuit of contemporary advantage. France has more history than it can comfortably accommodate, and argues about much of it. President Emmanuel Macron, politically besieged by the right, recently attended a ceremony at Napoleon’s tomb, beneath the dome of the Invalides in Paris, to deliver a rousing patriotic speech, calling the emperor’s life “an ode to political will.” […] It is depressing to see how few countries encourage or even permit their citizens freely to chronicle and discuss their pasts, and how many instead forge fictional histories to support modern political purposes. […] Yet such freedom is increasingly threatened: The torrent of misinformation and disinformation peddled through social media is making matters worse. Trolls bombard online sources indefatigably, swamping them with lies. (Max Hastings, Bloomberg)
Ich stimme den Grundaussagen des Textes völllig zu. Auffällig ist aber: Hastings spart die Briten und ihre Neurosen zum Blitz völlig aus. Das ist natürlich aufgrund seiner eigenen Prägung völlig nachvollziehbar (die deutsche Obsession mit der Antithese aus Hyperinflation und Wirtschaftswunder kommt bei ihm ja auch nicht vor), aber gerade in Großbritannien ist der Einfluss der „schlechten Geschichte“ (im Sinne Geschichtswissenschaft, nicht einer moralischen Bewertung der Ereignisse) ungeheuer groß. Ohne Verweise auf den Blitz und die damit verbundene Folklore kommt ja heutzutage keine Westminster-Debatte mehr aus, das ist nachgerade peinlich.
6) Wer eine andere Wirtschaft will, muss wissen wie
Wer einmal konkrete Zahlen aus dem eigenen Wahlprogramm vergessen hat, dem sei verziehen. Wenn aber grundsätzliche Zusammenhänge nicht verstanden beziehungsweise falsch wiedergegeben werden und man von jemandem mit minimaler ökonomischer oder kaufmännischer Kompetenz aus dem Konzept gebracht werden kann, ist das für die Außenwirkung fatal. Um weitere Eigentore zu vermeiden, muss sich die Linke zuerst von jenen Dogmen trennen, die sie jahrzehntelang – Stichwort Neoliberalismus – herunter gebetet hat […] Liberale verfolgen in Debatten oft dieselbe simple Taktik: Offene Fragen stellen und so viel Antwortspielraum geben, dass sich Linke selbst entlarven, worauf wiederum kritische Nachfragen folgen. Leider geht diese Taktik wieder und wieder auf: Die Parteivorsitzende, die vom eigenen Steuerkonzept überfordert ist und es nicht nur auf den Kopf stellt, sondern auch noch an dessen Grundpfeilern sägt; die ehemalige Fraktionsvorsitzende, die erzkonservative Ängste vor der Inflation schürt und in der Analyse nicht zwischen angebotsseitigen und nachfrageseitigen Ursachen unterscheidet; Abgeordnete, Kandidierende und Parteivorstandsmitglieder, die weder das Rentensystem noch den Finanzmarkt verstanden haben und Kapitalismus mit Marktwirtschaft in einen Topf werfen. Auch bei ökonomischen Grundlagen wie dem Unterschied zwischen Fluss- und Bestandsgrößen, der Bedeutung eines Monopols und dem Zweck einer Steuer fallen insbesondere Linkspartei-Funktionäre regelmäßig wegen ihrer mangelnden Expertise auf – im täglichen Social-Media-Battle, aber auch in Formulierungen in Wahlprogrammen. Innerhalb der LINKEN gilt die Wirtschaft- und Finanzpolitik für viele Abgeordnete seit langem als weniger attraktiv als andere Fachbereiche. Diese Entwicklung hat mittlerweile dazu geführt, dass – angesichts der Listenaufstellung zur nächsten Bundestagswahl – der Linkspartei der Nachwuchs fehlen wird. (Lukas Scholle, Jacobin)
Wir haben hier dasselbe Thema, das ich in meinem Artikel zu Medienmechanismen angesprochen habe. Wer bei einem Thema keine Kompetenz besitzt, ob echt oder zugeschrieben, muss sich nicht wundern, wenn die Partei immer blöd dasteht, wenn das Thema dann verhandelt wird. Das hat wenig mit einer Feindschaft der Medien gegenüber der LINKEn zu tun, sondern damit, dass sie den Eindruck, nicht gerade für Wirtschaftskompetenz zu stehen, halt gerne bestätigt.
Genauso bestätigt die FDP den Eindruck, nicht eben Expertin für Gerechtigkeitsfragen zu sein, die CDU den Eindruck, dass ihr der Klimawandel am Popo vorbeigeht, die Grünen, dass ihre Vorschläge immer auf Verbot und Verzicht hinauslaufen und so weiter und so fort. Erneut, wie berechtigt das ist, ist eine ganz andere Debatte. Aber wenn man diesen Eindruck zerstreuen will, sollte man die notwendige Kärnerarbeit schon bringen, und wie wir in Fundstück 7 sehen werden, besteht da leider wenig Hoffnung derzeit.
Nun ist hier nicht der Ort, um die Debatte der vergangenen Jahrzehnte nachzuerzählen. So hatte der Staat die Mineralöl- und Mehrwertsteuer immer wieder erhöht, allerdings aus fiskalischen Gründen. Eine Lenkungswirkung war selbst dann festzustellen, Autos und Heizungsanlagen wurden effizienter. Das alles wurde vergessen, wie man gestern Abend leider erleben musste. Ansonsten käme niemand auf die Idee, der Mehrheit der deutschen Bevölkerung in den ländlichen Räumen die Mobilität nehmen zu wollen. Das wäre die logische Konsequenz, wenn eine zukünftige Bundesregierung die Annahme von Alexander umzusetzen versuchte. Besser konnte man wirklich nicht den weitgehenden Kompetenzverlust in Teilen unserer politischen Klasse dokumentieren. Sie versteht noch nicht einmal mehr die eigenen programmatischen Ansätze, sondern ersetzt sie durch sich wissenschaftlich anhörende Phraseologie. Dann ist halt von „Transformation“ die Rede, das hört sich gut an. Oder von „sozialer Klimapolitik“, das hört sich noch besser an, wie bei Frau Lang. Im Gegenzug schwadronierte Blume von einem „Feldzug gegen Autofahrer und Mobilität.“ Das war der christsoziale Sound der vergangenen Jahrzehnte, als man noch die ökologische Steuerreform entschieden blockierte. Heute ist Blume dafür, selbst wenn er gar nicht verstanden haben sollte, worum es dabei geht. Ansonsten hätte er deutlich machen müssen, warum es gerade nicht darum geht, das Autofahren im ländlichen Raum möglichst zu reduzieren. Aber das Damaskus-Erlebnis seines Parteivorsitzenden hatte auch nichts mit dem Klimawandel zu tun, den ein Oskar Lafontaine als SPD-Parteivorsitzender schon vor Jahrzehnten als Begründung für eine ökologische Steuerreform nannte. Es war schlicht die Reaktion auf eine erfolgreiche PR-Kampagne über die Klimapolitik in den beiden vergangenen Jahren. Die Politik interessiert sich nicht mehr für Inhalte, sondern lediglich für mediale Anreizsysteme. (Frank Lübberding, FAZ)
Lübberding kritisiert hier im Endeffekt dieselben Mechanismen, die ich allgemein in meinem Artikel zu den „grünen Medien“ beschrieben habe, am Beispiel einer einzigen politischen Talkshowsendung. Ich mag auch den Rückgriff auf Lafontaine; ein ähnlicher Rückgriff auf Angela Merkel, die als Umweltministerin 1997 verkündete, wie wichtig Klimaschutz zum damaligen Zeitpunkt war, um späterer, größere Kosten zu vermeiden, zeigt dasselbe.
Klimaschutz wurde 2019 plötzlich zum Riesenthema. Entsprechend wurde es in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, und jede*r musste etwas dazu zu sagen haben. Und da sich vorher praktisch nur die Grünen groß damit beschäftigt hatten, sahen die im Vergleich besser aus. Im Vergleich.
8) The Authoritarian Threat Is Not Overhyped – Ross Douthat’s unpersuasive case for complacency
The notion that enacting vote restrictions will somehow prevent Republicans from crying fraud assumes that these cries have some connection to reality. If most Republicans believe Trump actually won the election despite absolutely zero evidence of voter fraud, what possible measures could allay their suspicions? The amount of evidence can’t get below zero. The cause of Republican paranoia is not real weaknesses in the system, but an evidence-free belief that Democratic voting, especially by minorities, is inherently illegitimate and fraudulent. […] Suppose Trump had dropped dead in January. Would Republicans not be passing vote suppression laws? They very likely would. And the reason is that, while Trump is an extreme manifestation, his authoritarian impulses are not purely idiosyncratic. Skepticism of democracy as a value has deep roots in conservative thought. While conservative parties in other countries accommodate themselves to democratic control over the economy generations ago, the American right has never relinquished its belief that allowing majorities to redistribute income at the ballot box is a fundamental violation of liberty. The unstated premise of the case for complacency is that we just need to get through one more election before matters to normal. Trump may be oddly energetic for a sedentary man of his age, but he can’t live forever. The alarmist rejoinder is that, when Trump disappears from the scene, the authoritarian threat will not. (Jonathan Chait, New York Magazine)
Ich will nicht schon wieder auf der sattsam bewiesenen Tatsache herumreiten, dass die Republicans keine demokratische Partei sind. Stattdessen will ich auf einen historischen Aspekt eingehen, den Chait hier anspricht. In Europa wurden die konservativen Parteien zumindest nach dem Zweiten Weltkrieg soweit domestiziert, dass sie den demokratischen Grundkonsens – Gleichheit aller Bürger*innen, Wahlrecht aller Bürger*innen, grundsätzliches Bekenntnis zum Sozialstaat – eingingen. Dies gilt sogar für die britischen Tories.
In den USA dagegen war das so nie der Fall. Die conservatives dort – und ich setze hier absichtlich einen anderen Begriff als konservativ – haben nie akzeptiert, dass dies der Fall ist. Das liegt am völlig anderen Verständnis von liberty, also Freiheit, als dies gerade aus europäischer, aber auch amerikanisch-progressiver Sicht der Fall ist. Liberty ist nicht dasselbe wie freedom, ist nicht dasselbe wie equality oder democracy. Liberty ist, anders als freedom, der Begriff der amerikanischen Revolution. Unter ihrem Banner errangen die USA ihre Unabhängigkeit und bauten ihren Staat auf. Freedom dagegen ist das Schlagwort der zweiten amerikanischen Revolution, der Sklavenemanzipation und folgenden Reconstruction – dem Todfeind der conservatives.
Das alles ist etwas komplex, um es in einem kurzen Kommentar hier abzuhandeln. Bei entsprechendem Interesse kann ich das ja mal in einen eigenen Artikel verbasteln. Für den Moment bleibt erst einmal die Erkenntnis, dass Worte eine Bedeutung, einen Kontext haben, und dass der meist historisch begründet ist. Den zu kennen ist wichtig, wenn man an den Debatten teilnehmen will.
9) The Secret IRS Files: Trove of Never-Before-Seen Records Reveal How the Wealthiest Avoid Income Tax
ProPublica’s data shows that while some wealthy Americans, such as hedge fund managers, would pay more taxes under the current Biden administration proposals, the vast majority of the top 25 would see little change. […] Yet this is not the self-effacing gesture it appears to be: Wages are taxed at a high rate. The top 25 wealthiest Americans reported $158 million in wages in 2018, according to the IRS data. That’s a mere 1.1% of what they listed on their tax forms as their total reported income. The rest mostly came from dividends and the sale of stock, bonds or other investments, which are taxed at lower rates than wages. […] So how do megabillionaires pay their megabills while opting for $1 salaries and hanging onto their stock? According to public documents and experts, the answer for some is borrowing money — lots of it. For regular people, borrowing money is often something done out of necessity, say for a car or a home. But for the ultrawealthy, it can be a way to access billions without producing income, and thus, income tax. […] The notion of dying as a tax benefit seems paradoxical. Normally when someone sells an asset, even a minute before they die, they owe 20% capital gains tax. But at death, that changes. Any capital gains till that moment are not taxed. This allows the ultrarich and their heirs to avoid paying billions in taxes. The “step-up in basis” is widely recognized by experts across the political spectrum as a flaw in the code. (Jesse Eisinger/Jeff Ernsthausen/Paul Kiel, ProPublica)
Dieses großartige Recherchewerk von ProPublica, das zur ganzen (ausführlichen) Lektüre unbedingt anempfohlen sei, macht gerade die Runden. Eigentlich erfährt man darin nichts Neues: die Milliardäre zahlen praktisch keine Steuern, die Steuerlast liegt weitgehend auf der Mittelschicht. Soweit, so bekannt. Pikant sind eher die Details und die breite Datenlage, über die ProPublica verfügte und die hier erkkärt wird.
Für mich besonders herausstechend waren zwei Informationen:
Einmal, dass sich die Superreichen effektiv über Kredite finanzieren, um Steuern zu sparen. Diese Mechanik war mir bisher nicht klar. Ich wusste, dass sie kein Einkommen im normalen Sinne beziehen und ihre Vermögenswerte Buchwerte ihrer Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen etc. sind, also nicht flüssig zur Verfügung stehen. Aber dieser spezifische Aspekt war mir unbekannt.
Zum anderen, dass Warren Buffet der Milliardär mit der mit Abstand geringsten Steuerschuld ist. Buffet ist ja bekannt dafür, höhere Steuern für seine Klasse zu fordern, aber (oder deswegen? trotzdem?) ist er gleichzeitig derjenige, der am allerwenigsten Steuern bezahlt. Ich bin in der Bewertung dieser Tatsache agnostisch. Ist er ein Heuchler? Weiß er nur quasi aus Erfahrung wovon er spricht? Mir ist das auch egal. Das ist keine moralische Frage. Ich will nicht, dass diese Leute freiwillig mehr zahlen als sie müssten. Das zu erwarten ist Quatsch und kann nicht Grundlage des Steuerrechts sein. Ich will, dass diese Leute stärker besteuert werden. Wesentlich stärker. Denn Milliardäre und Demokratie sind unvereinbar.
10) Kein Blick fürs große Ganze
Die Anforderungen an das Rüstungswesen sind komplexer geworden. Heute will die Politik eine Armee, mit der sich Deutschland global engagieren kann. Daneben soll die Bundeswehr wieder den Großkampf gegen Russland leisten können. Das heutige Kriegsgerät ist wegen digitaler Komponenten aufwendiger zu konzipieren. Diese müssen zudem in raschen Zyklen erneuert werden. Daneben braucht es für Auslandseinsätze eine pragmatische und zeitnahe Beschaffung. Europäisch zu rüsten wird immer drängender. Nur so lassen sich Hauptwaffensysteme überhaupt noch zu annehmbaren Konditionen finanzieren, lässt sich ernstzunehmende militärische Schlagkraft aufbauen. Die Koordination all dessen ist schwierig und kostet Zeit, viel Zeit. Die Vielfalt der Anforderungen ist ebenfalls kostenintensiv. Die Bundeswehr soll deshalb alle Aufgaben über ein „Single Set of Forces“ abdecken – zu Deutsch: einen Werkzeugsatz militärischer Fähigkeiten. […] Ein Blick in die Herzkammer der Bundeswehr-Rüstung, ins Beschaffungsamt in Koblenz – kurz BAAIN, wo das Projektmanagement zu allen Rüstungsvorhaben erfolgt: Das Amt arbeitet die Forderungen zur Rahmennationenarmee stetig ab – steht dabei aber unter dauernder Volllast. Eine Beschleunigung ist nicht in Sicht. Der Grund: Bei Gründung des BAAIN im Jahr 2012 galt für Politik und Militärplaner das Effizienzparadigma „Mehr aus Weniger“. Dazu wurde die gesamte Rüstung auf das BAAIN zentralisiert. Dem Amt wurde von den Teilstreitkräften sogar die aufwendige Übernahme von Waffensystemen in die Nutzung der Truppe übertragen. Damals hatte der Bereich BAAIN 11.300 Dienstposten, die auf 9.600 abgeschmolzen werden sollten – viel zu wenig Stellen für die umfangreichen Aufgaben. […] Die Rekrutierung des zusätzlichen Personals läuft zäh, wie die Rüstungsberichte zeigen. Außerdem sind Dienstposten ein teurer Faktor im Wehretat, um die alle Organisationbereiche der Bundeswehr erbittert konkurrieren. Als fixe Kosten absorbieren sie zudem, was für Rüstungsinvestitionen im Etat vorgesehen ist, wenn dieser nicht entsprechend mit aufwächst. (Björn Müller, Reservistenverband)
Ich empfehle den ganzen ausführlichen Artikel für all jene, die sich für die Mechanismen der Rüstungsbeschaffung interessieren. Wenig überraschend: es ist deutlich komplizierter, als man so gemeinhin denkt. Aber das trifft ja bekanntlich auf jedes Thema zu. Ich finde es spannend, wie der Autor den Unterschied der heutigen Bundeswehr und ihrer Anforderungen zu der Armee des Kalten Krieges herausarbeitet: obwohl die Bundeswehr damals deutlich größer war, war ihr Aufgabenbereich viel kleiner. Das hatte ich so bisher nicht auf dem Schirm.
11) Schwarzsein. Über die Abwesenheit der Black Studies in der Erinnerungsdebatte
Zeichnet man in diesem Sinne die Übertragung und Verwandlung der Rassenkonzepte aus Südwestafrika bis zu ihrer Anwendung in den Gebieten und an den Bevölkerungen Ostpreußens nach, kann man gewissermaßen den Weg der Verhärtung des Deutschseins als Weißsein nachzuvollziehen: Eine so konzipierte deutsche Staatsbürgerschaft, die auf dem Ausschluss von Schwarzsein, Jüdischsein und anderen „Unreinheiten“, basierte, bedurfte einer rassenhygienischen Wissenschaft, erzwungener Segregationen und schließlich des Genozids. Der Literaturwissenschaftler Dorian Bell, der über Antisemitismus im französischen Kaiserreich schreibt, bezeichnet in seinem Buch Globalizing Race: Antisemitism and Empire in French and European Culture (2018) die Art und Weise, wie sich imperiale Logiken der „Rasse“ in verschiedenen Formen und in unterschiedlichen Maßstäben und Skalen an verschiedenen Orten realisieren, als „rassische Skalarität“. Mit diesem Konzept lässt sich verstehen, wie „es für [die Idee von] Rasse möglich war, Raum zu produzieren, wie auch umgekehrt für Raum, Rasse zu vermitteln und zu produzieren.“ Anders gesagt, bedeutet das, dass das Konzept „Lebensraum“, das im Deutschen Kaiserreich Geltung erlangte, zwar Merkmale besaß, die demjenigen des nationalsozialistischen Deutschlands ähnlich waren, aber dennoch nicht in diesem aufging; und zwar deshalb, weil die Kontexte des Bevölkerungsmanagements (indigene Afrikaner in Südwestafrika im Vergleich zu Juden, Roma und anderen in Deutschland) und der Landnahme (afrikanische Kolonien im Vergleich zu Mittel- und Osteuropa) unterschiedlich waren – die politischen Ziele aber doch ähnlich, nämlich die Schaffung eines reinen deutschen Volkes. […] Die Fokussierung auf das Schwarzsein ist für mich eine ständige Erinnerung daran, dass bei diesen historiografischen Debatten sehr viel auf dem Spiel steht. Dringender als die Auseinandersetzungen darüber, ob der deutsche Weg von Windhoek nach Auschwitz ein direkter, indirekter oder nicht vorhandener war, ist die Inkonsistenz, mit der Genoziderfahrungen betrachtet und beurteilt werden. […] Was in dieser Debatte über Kontinuität auf eklatante Weise abwesend ist, sind die Black Studies und die Schwarzen Menschen selbst: die schockierende Herabstufung von und das Desinteresse an lebenden und toten Schwarzen Menschen, die abstrakte Behandlung afrikanischer/Schwarzer Menschen als Subjekte distanzierter historischer Betrachtungen. (Zoé Samudzi, Geschichte der Gegenwart)
Es ist auf dunkle Weise faszinierend, dass diese Thematik noch so völlig untererforscht ist. Nicht nur, was die Vernichtungskriege gegen die Herero und Nama als einzelnes Ereignis anbelangt – hier hat sich Deutschland ja quasi einer kollektiven Amnesie ergeben – sondern auch, was die Verbindungslinien zum zentralen deutschen Ereignis angeht, dem Holocaust. Bedenkt man, wie umfangreich dieser erforscht ist, ist umso auffälliger, dass erst jetzt der Bezug zur Kolonialzeit überhaupt ernsthaft in die größere Debatte kommt.
Es ist ja nicht so, als hätte man die Wurzeln des Holocaust noch nie im Kaiserreich zu finden versucht; wir haben ja gerade einen veritablen Historiker*innenstreit darüber am Laufen! Aber der Kolonialismus blieb und bleibt ein blinder Fleck, was vermutlich auch mit Deutschlands (falscher) Selbstwahrnehmung zusammenhängt, keine „echte“ Kolonialmacht gewesen zu sein.
Besonders hervorhebenswert erscheint mir der Aspekt der Sichtbarmachung, der im Text angesprochen wird. Zahlreiche Erinnerungsprojekte für den Holocaust, die Zwangsarbeit, Terror und Verfolgung im Nationalsozialismus legen ja ein sehr großes Gewicht gerade darauf, den Opfern Namen zu geben. Hervorstechend dafür ist die israelische zentrale Gedenkstätte Yad Vashem, in der die Erinnerung an Einzelmenschen lebendig gehalten wird; auch die Gedenkstätte Auschwitz versucht, die abstrakten Zahlen, die allzu oft im Millionenbereich liegen, durch Invidiualisierung begreifbar zu machen. Solche Ansätze fehlen für die Kolonialverbrechen völlig; die Opfer sind, bestenfalls, namenlose, schwarze Opfermasse. Da ist noch viel zu tun.
1) Bundeszentrale für politische Bildung nach »Süßkartoffel«-Spruch in der Kritik
Gehört in die lange Reihe: wie man sich mit Steuergeld danebenbenimmt und seine eigene politische Agenda reitet. Übrigens: warum machen so etwas vorzugsweise solche, die beamtenmäßig bezahlt werden?
2) Einigung auf globale Mindeststeuer: die Doppelmoral der Hochsteuerländer
Welches Geschäftsmodell? Du findest es in Ordnung, dass Deutschland an der Spitze der Hochsteuerländer thront und vor allem ein Interesse hat, dass andere sich ans deutsche Wesen anpassen?
4) Hochgradig unprofessionell
Vielleicht bleibt einfach nur, dass Frau Baerbock eine Scharlatanin ist? Ihr gesamter Lebenslauf zerfleddert, nichts (außer zwei Semester in London) auf die Kette gebracht in 12 Jahren universitärer Ausbildung, praktisch nichts beruflich gearbeitet, angegeben mit Mitgliedschaften, die es nicht gab. Das ist nicht einfach nur unprofessionell. Im professionellen Bereich wäre die Dame so etwas von erledigt.
6) Wer eine andere Wirtschaft will, muss wissen wie
Das lass‘ doch mal die Wähler entscheiden, ob sie die FDP in Gerechtigkeitsfragen für kompetent ansehen. Mehr einfache Angestellte tun das.
2) Klar, weil es mir hilft.
6) Sag ich ja.
2) Wieso hilft es Dir, wenn Du überproportional viel Steuern zahlen musst?
Weil ich dafür ja auch überproportional Leistungen erhalte.
Das nach dieser Pandemieerfahrung? Du bist aber optimistisch!
So bin ich. 🙂
2) Bei der Steuerlast (auch für Konzerne) ‚thront‘ Deutschland sehr genau im Mittelfeld der OECD_Staaten.
Das ist nicht richtig. Deutschlands Corporate Taxes liegen bei 30%. In der EU sind es 20,7%, im OECD-Schnitt 22,8%. Mit anderen Worten, Deutschland liegt bei den Steuern für Kapitalgesellschaften rund ein Drittel über dem, was als „angemessen“ betrachtet werden kann.
https://home.kpmg/xx/en/home/services/tax/tax-tools-and-resources/tax-rates-online/corporate-tax-rates-table.html
Dazu kommt, dass im internationalen Vergleich ungewöhnlich, die meisten Unternehmen in Deutschland nicht als Kapitalgesellschaften organisiert sind. Dann gilt der persönliche Steuersatz und der liegt bekanntlich bei über 48%.
Wir (und auch die G7) reden immer noch von der Körperschaftsteuer (D:15,825% inkl. Soli). Die Gewerbesteuer, die die Gesamtbelastung auf fast 30% erhöht, findet bei der OECD keine Beachtung.
https://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=CTS_CIT
Nicht nach den Statistiken, die ich kenne. Es macht ja auch nur bedingt Sinn: Relevant ist ja immer, in welcher Höhe eine Steuerquelle besteuert wird, in diesem Fall der unternehmerische Gewinn. Ob dies mit einer oder 20 Steuerarten belegt wird, ist im internationalen Vergleich völlig irrelevant. Sie selbst haben ja auch von der „Steuerlast“ gesprochen und zu der gehört die Gewerbesteuer unzweifelhaft dazu.
Relevant dagegen ist, dass Corporate Taxes in Deutschland relativ hoch besteuert werden. Sind wir da d’accor? Folglich ist da Luft für Steuersenkungen.
10) Deutschlands (falscher) Selbstwahrnehmung …, keine „echte“ Kolonialmacht gewesen zu sein.
Dazu eine Anekdote aus meinem (allerdings lange zurückliegenden) Unterricht: Der Lehrer erklärte das Verhältnis zu den „Eingeborenen“: Bei den Briten wie „Herr und Knecht“, Franzosen „Bruder und Bruder“ und bei den Deutschen wie „Vater und Sohn“.
Bitte was?!
War offenbar die Selbstwahrnehmung. Mehr als Kiplings „burden“.
Ja, guter Vergleich.
Die Eltern waren damals strenger als heute.
“ die diese Cancel Culture empört zurückweisen …“
Weil es die Kernaufgabe der steuerfinanzierten (!) Bundeszentrale für politische Bildung (!) ist, alle progressiv zu beschimpfen, die sich nicht mit ihren angeblichen Privilegien auseinandersetzen wollen? Finde ich jetzt ziemlich unfair von ihnen, den langjährigen Vorwurf von rechts so offen zu bvestätigen.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 10. Juni 2021, 13:38
Au weia.
Man stelle sich vor, da hätte eine staatlich bezahlte „Kartoffel“ einen entsprechenden Vergleich in die andere Richtung gemacht …
Ansonsten ein sinnfreier Aufreger. Süßkartoffel ist zumindest originell.
1)
Ich finde es wenig ergiebig ständig darauf hinzuweisen, dass Rechte und Linke bei der Beurteilung des jeweiligen Gegners andere Maßstäbe anlegen als bei der Beurteilung der eigenen Seite. Das ist nun wirklich keine bahnbrechende Erkenntnis und sagt über das zugrundeliegende Thema inhaltlich gar nichts aus.
Der relevante Teil ist ja auch mehr: Cancel Culture gibt’s, gab’s schon immer, wird’s immer geben. Und nur, wenn wir es farbenblind betrachten, können wir sinnvoll den Anfängen wehren, weil es sonst ewig eine Seite zur Verteidigung drängt.
@ Stefan Sasse 10. Juni 2021, 16:13
Cancel Culture gibt’s, gab’s schon immer, wird’s immer geben.
Nur aus Neugier: Wo wird den da gecancelt, und von wem?
Wo?
@ Stefan Sasse 11. Juni 2021, 06:34
Wo?
In diesem Fall.
Gibt es große Flame Wars auf Twitter, hat der Mann seinen Job verloren etc.? Sehe ich nicht.
Er hat einen politisch unkorrekten Begriff verwendet, wurde darauf hingewiesen, und im Großen und Ganzen war’s das. Und das bisschen an Aufregung, was entstanden ist, entsteht durch die progressive Seite der Macht, die jetzt auf die andere Seite weist.
Ach so. Ich verwende das ja auch eher ironisch zur Spiegelung. Mein Punkt ist ja gerade, dass dieses Gerede von „canceln“ in solchen Fällen völliger Humbug ist. Nur eben auch, wenn Progressive betroffen sind. Nuhr hat seinen Job auch nicht verloren, aber da warst du wesentlich kritischer als hier.
@ Stefan Sasse 13. Juni 2021, 15:08
Ach so. Ich verwende das ja auch eher ironisch zur Spiegelung. Mein Punkt ist ja gerade, dass dieses Gerede von „canceln“ in solchen Fällen völliger Humbug ist. Nur eben auch, wenn Progressive betroffen sind. Nuhr hat seinen Job auch nicht verloren, aber da warst du wesentlich kritischer als hier.
Ach so. Hier ist nichts passiert, aber Du nennst das canceln, um einen Gegenpol zu haben gegen Themen wie die Ausladung von Lisa Eckhart.
Und noch ein „Achso“: Der progressive Süsskartoffel-Spezl ist dann offenbar Kabarettist mit künstlerischen Freiheitsgraden, die einem Behördenvertreter in dieser Form natürlich nicht zustehen.
Wieder was gelernt.
PS: Ich war nicht so „kritisch“ wg. Dieter Nuhr, sondern eher wegen Lisa Eckart, die wirklich heftig gedisst wurde und Auftritte verlor. Ansonsten finde ich die progressive Seite, die ja kein Problem mit Böhmermanns Erdogan-Erguss hatte, schon sehr feinschmeckig, wenn sie sich über Lisa Eckhart oder Dieter Nuhr beschweren. Zumal man damit eigentlich die ganze „nicht-progressive“ Front an österreichischen und deutschen kabarettisten durch hat. Auf gleichem Empörungslevel nach links geschaut, wo es von Extra 3 über ZDF Royale, Heute-Show, die Anstalt und viele Solo-Künstler wirklich vieles an Spitzen gegen mein favorisiertes Weltbild gibt, hätte ich viel zu tun.
Und auch im Fall „Süsskartoffel“ kommt die größte Empörungswelle von links, da man wie Du versucht, jeden Nicht-Schmunzler in „Cancel-Culture“ umzuschreiben. Dabei hat selbst Stefan P gequietscht das Ganze mit einem entspannten Nebensatz abgetan. Was Du da wieder für ein Fass aufmachst …
verwunderte Grüße
E.G.
Falls es dich beruhigt, ich fand Böhmermanns Erdogangedicht schon damals völlig daneben.
@ Stefan Sasse 14. Juni 2021, 18:21
mal wieder den eigentlichen Punkt geschickt umgangen …. 🙂
PS: Mein Kommentar zur Unterhaltung bezog sich nicht auf den Auslöser der Debatte, sondern auf die mir bis dahin unbekannte Zuordnung der „Süsskartoffel“ auf tolerante Weiße.
Mir war nicht bewusst, dass ich was umgehe. „Süßkartoffel“ ist ja auch kein stehender Begriff, das war ja nur ein cleveres Wortspiel des Autors.
Auf manche Dinge muss man ständig hinweisen. Weil sie sonst aus dem Blick geraten.
@ CitizenK 10. Juni 2021, 19:00
Auf manche Dinge muss man ständig hinweisen. Weil sie sonst aus dem Blick geraten.
Keine bange, ich behalte Dich im Auge 🙂
Et vice versa:
„Wenn man hierzulande auf Derartiges hinweist, dann reagieren die Freunde der unregulierten Marktwirtschaft gern mit Kampfbegriffen. Insbesondere wird einem dann verlässlich unterstellt, man strebe den »Sozialismus« an“
Die Ultrareichen hierzulande zahlen wohl mehr als ein Prozent Einkommensteuer (wie in den USA), aber so sozial, wie ihr tut, ist es nicht:
„Wealth inequality is higher in Germany than in other major
Western European nations. Its wealth Gini coefficient is
78%, compared to 66% in Italy and 70% in France. The
share of the top 1% of adults in total wealth is 29%, also
high compared to 22% in each of France, Italy and the
United Kingdom. The fraction of adults in Germany with
wealth less than USD 10,000 was 11% at the end of
2019, while, at the top end, the proportion with assets over
USD 100,000 was almost four times the global figure at
40%“
Die Quelle ist sozialistischer Umtriebe unverdächtig (Credit Suisse). Link mit pdf in diesem Artikel:
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/insm-kampagne-gegen-annalena-baerbock-die-hemmungslose-lobbyarbeit-der-reichen-im-wahlkampf-a-c6e17012-1117-47f7-af2f-d1cec5c2bbe5
Ich frage mich, warum die Fakten nie Widerhall finden.
1. Deutschland setzt zur „Vermögensbildung“ seit Jahrzehnten sehr einseitig auf das Umlageverfahren bei der Alterssicherung. Man kann auch hier den Euro nur einmal ausgeben. Entweder die Bürger kaufen sich Eigenheime oder sie zahlen (übermäßig) in Umlagesysteme ein.
2. Deutschlands Politik ist seit Jahrzehnten ein Bremsklotz beim Erwerb von Wohneigentum. Das eigene Haus ist in allen Ländern der zentrale Baustein für Vermögen und damit Vermögensgleichheit. Enteignungsphantasien verschlimmern die Situation weiter.
3. Anders als jedes andere Land hatte Deutschland eine Wiedervereinigung zu bewältigen. Während im Westen in den langen Nachkriegsjahren umfangreich Vermögen gebildet werden konnte, kamen die Ostdeutschen praktisch als Habenichtse im wiedervereinten Land an. Ein solches Ungleichgewicht lässt sich nicht binnen drei Jahrzehnten kompensieren, zumal der Osten sich aufgrund sozialer Restriktionen lange schwer tat, einen Haufholprozess zu starten. Einfache Gleichung: geringe Einkommen, geringe Vermögen.
4. Wohlstand und Reichtum entstehen vor allem durch Unternehmertum und Selbständigkeit. Ein Beamtenstaat wird niemals reiche Bürger in der Breite haben. Doch um den Drang der Bürger, sich selbständig zu machen, ist es traditionell schlecht in diesem Land bestellt. Die meisten ziehen den sicheren Job vor.
5. Gleiches Bild bei der Vermögensbildung: In Zeiten von Nullzinsen und Strafgebühren für die Geldeinlage setzen immer noch die meisten auf die „sichere“ Spareinlage. Das ändert sich nur langsam. In 2020 erwarben so viele Deutsche wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr Aktienanlagen. Aber der Vorsprung anderer Länder lässt sich nicht über Nacht, nicht in 5 Jahren und nicht in 20 Jahren aufholen.
Wenn Sie etwas an der Vermögensungleichheit ändern wollen, müssen Sie an diese Faktoren ran. Das wollen Sie nicht, also ist eine Debatte müßig.
P.S.: Die DDR hat massiv auf Enteignungen gesetzt. Das Ergebnis war, dass ihre Bürger nach vierzig Jahren kaum Vermögen besaßen, während die Bundesrepublikaner dagegen signifikante Werte besaßen.
Stefan Pietsch 13. Juni 2021, 13:01
Alles zutreffend.
Man muss in die Köpfe …
Den letzten (halbherzigen) Vorstoß hatte noch Gerhard Schröder unternommen.
@ CitizenK 13. Juni 2021, 11:55
Die Ultrareichen hierzulande zahlen wohl mehr als ein Prozent Einkommensteuer (wie in den USA), aber so sozial, wie ihr tut, ist es nicht …
Wann habe ich je so getan, als würde ich die Steuerabgaben der „Ultrareichen“ für sozial halten? Wir haben uns ja schön öfter zu dem thema geflickt, und mein Gemcker ging stets dahin, dass unser Steuerrecht die „Ultrareichen“ schont und sich dafür am Mittelstand vergreift.
Es wäre wirklich schön, wenn Du solche doch klaren und immer wieder verkündeten Statements einbeziehst, bevor Du mir solche Aussagen unterstellst. Das „passiert“ Dir ja wirklich öfter.
Es ist ein Unterschied, ob man Amjahid daran hindern will, von „Allies“ und „Süßkartoffeln“ zu reden, oder ob man etwas dagegen hat, daß diese Gerede auch noch mit Steuergeld unterstützt wird. Das sollte man schon sauber trennen. Natürlich soll Amjahid sagen können, was immer er sagen will. Aber von einem antirassistischen Standpunkt gesehen sind seine Äußerungen eben schon problematisch. Von „Allies“ zu reden bedeutet ja im Klartext, zu behaupten, daß Menschen mit der falschen (weißen) Hautfarbe niemals vollwertiges Mitglied einer antirassistischen Bewegung werden können. Damit werden Menschen je nach Hautfarbe in verschiedene Kategorien mit unterschiedlichen Rechte eingeteilt. Was ist das, wenn nicht Rassismus pur?
@ yohak 10. Juni 2021, 20:38
Grundsätzlich bin ich bei Dir. Wenn man der reinen Lehre folgt, war das Rassismus auf Steuerkosten.
Aber mal im Ernst: Will man dafür Theater machen? Einmal gefragt, ob das wirklich sein muss, und gut ist.
Ich habe auch etwas dagegen, dass Leute mit Steuergeld (oder Gebührengeld) unterstützt Cancel Culture betreiben, das „Zigeunerschnitzel“ verteidigen und sich für Sexismus in die Bresche werfen. Aber das gehört halt dazu zu so einem pluralistischen Mediensystem.
Eben. Mann sollte sich das Canceln für die wirklich groben Verfehlungen aufheben.
Dass die Fähigkeit oder der Wille zu Differenzieren meines Erachtens zunehmend verloren geht, habe ich ja schon des öfteren kommentiert.
Bin ich auch bei dir.
@ derwaechter 11. Juni 2021, 13:52
Eben. Mann sollte sich das Canceln für die wirklich groben Verfehlungen aufheben.
Ja. Dieser Fall läuft für mich unter „Unterhaltung“ 🙂
Klar, betrifft ja auch keinen Konservativen 😉
@ Stefan Sasse 13. Juni 2021, 15:08
Klar, betrifft ja auch keinen Konservativen 😉
Ich dachte, mit Kartoffeln / Süßkartoffeln seien ich und meinesgleichen gemeint?
Ich auch. „Kartoffel“ ist ja Ausdruck für weiße Deutsche.
2) Einigung auf globale Mindeststeuer: die Doppelmoral der Hochsteuerländer
Deswegen bin ich sicher auch nicht „beunruhigt“, sondern höchst erfreut, dass das völlig blödsinnige Konzept des „Steuerwettbewerbs in die Defensive geraten ist“.
Das ist wie Schachspielen, und man „analysiert“ nur einen Zug nach vorn. Die Frage ist wirklich ernst gemeint: Hast Du Progressivling das auch mal konsequent zu Ende gedacht?
Was genau meinst du Konservativling?
@ Stefan Sasse 11. Juni 2021, 06:33
Was genau meinst du Konservativling?
Echt jetzt? Alles …
• Wer legt die Höhe dieser Unternehmenssteuern fest? Die USA? G7? G20? Die UNO? Die USA werden ein klare Vorstellung haben, und sich nicht nach den Vorstellungen Chinas, Russlands oder der Dritten Welt orientieren.
• Wer legt die Ausnahmen für diese Steuern fest?
• Was passiert mit den Ländern, die sich nicht an diese Steuersätze halten? Werden die sanktioniert? Von wem?
• Was passiert mit Unternehmen, die sich in solchen Ländern ansiedeln oder dort bleiben?
• Was passiert, wenn Länder den Bach runtergehen, weil sich aufgrund der neuen Steuern niemand bei ihnen ansiedeln will (manche Länder haben nichts anderes)? Wird denen geholfen, werden die durch die Gemeinschaft mitfinanziert?
• Was passiert, wenn der gewählte Steuersatz deutlich unter unseren Steuersätzen liegt – müssen wir dann auch runter?
• Müssen/sollen alle Länder ihr Steuersystem angleichen, damit man die gleichen Steuern erhebt?
Das ist jetzt mal eine halbe Minute Nachdenken durch mich. Gib Stefan Pietsch mal zehn Minuten 🙂
Alles gute Fragen 🙂
@ Stefan Sasse 13. Juni 2021, 15:06
Alles gute Fragen
Ja. Und Du kannst davon nur eine beantworten:
Hast Du das konsequent zu Ende gedacht? 🙂
Nein, hab ich nicht. Ich muss das ja aber auch nicht umsetzen. ^^ Und ich hab mich auch noch (!) nicht intensiv damit beschäftigt.
@ Stefan Sasse 15. Juni 2021, 09:12
Nein, hab ich nicht. Ich muss das ja aber auch nicht umsetzen. ^^
HoHo …
Ich bin auch der meinung, dass man kein koch sein muss, um beurteilen zu können, ob das Essen schmeckt.
Aber „schmeckt nicht“ ist eine Problembeschreibung, und Du bist im Bereich Problemlösung unterwegs.
Und ich hab mich auch noch (!) nicht intensiv damit beschäftigt.
Deswegen freue ich mich schon jetzt auf da Ergebnis Deiner Beschäftigung mit dem Thema. 🙂
Danke! 🙂
zu 8:
Ich will nicht schon wieder auf der sattsam bewiesenen Tatsache herumreiten, dass die Republicans keine demokratische Partei sind.
Mal eine demokratietheoretische Frage:
Wenn man in den USA sinnvollerweise nur zwischen den beiden grossen Parteien wählen sollte, weil die anderen nicht in der Lage wären, effektiv zu regieren und eine der beiden grossen Parteien ist keine demokratische, ist die USA dann noch eine Demokratie? Wenn ja, welche Unterschied macht es, ob die Reps demokratisch sind oder nicht?
Ja, sind sie. Weil die Institutionen ja noch existieren und funktionieren.
Ich bin erstaunt, funktionieren die etwa in Diktaturen oder Monarchien nicht?
Haben Wahlen Einfluss auf die Institutionen?
Warum ist es dann ein Problem, wenn die Rep´s keine demokratiesche Partei sind?
Es gibt also nur die Wahl, eine Partei zu wählen und das ist dann Demokratie?
Sorry, aber das finde ich nur noch absurd.
Demokratische Institutionen natürlich. Wahlen funktionieren noch weitgehend, der Rechtsstaat auch, Machtwechsel, freie Presse, etc. All das, was Diktaturen halt nicht haben.
Welche demokratischen Institutionen sind denn bitte gemint?
Sind dort ekein Rep anwesend?
Wahlen funktionerne weitgehend? Was soll das denn heissen, wie weit denn? Ich kann zwischen einer demokratischen und einer undemokratischen Partei wählen und das reicht als Herrschaft des Volkes?
Freie Presse? Seit wann hat das was mit Demokratie zu tun, kann man die wählen?
Es gibt sowas wie conditio sine qua non und eine davon ist, das man für eine Wahl auch eine Auswahl haben muss und das sehe ich nicht und Sie offenbar auch nicht.
Ist alles, was keine Diktatur ist, automatisch eine Demokratie?
Wenn der Machtwechsel hin zu der nichtdemokratischen Partei geht, dann ist das also immer noch in Ordnung, weil ja grundsätzlich jemand anders dran kommen kann?
Die BDP schreibt:
[Als grundlegende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat das Bundesverfassungsgericht genannt:
– Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung,
– die Volkssouveränität,
– die Gewaltenteilung,
– die Verantwortlichkeit der Regierung,
– die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,
– die Unabhängigkeit der Gerichte,
– das Mehrparteienprinzip und
– die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Ausübung einer Opposition.]
https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/16414/freiheitliche-demokratische-grundordnung
Komisch, wenn eine davon undemokratisch wäre, gilt doch wohl das Prinzip nicht, oder?
Weil die für die Funktion der anderen Punkte nicht gerade stehen kann.
Wenn es im Grunde egal sein sollte, das die Rep´s undemokratisch sind, warum reiten Sie dann eigentlich permanent darum herum?
Sie geben sich doch selbst die Antwort und merken es nicht? Was Sie aufzählen, trifft zweifellos auf die USA zu. Punkt.
Herr Sasse schriebt:
Wahlen funktionieren noch weitgehend, ..
Weitgehend reicht also, dabei ist das ja nun maximal schwammig.
Wenn also die Wahl zwischen einer undemokratischen und einer demokratischen Partei besteht, dann ist das Demokratie?
Echt jetzt?
Wählen durfte man auch in der DDR, nur nebenbei bemerkt.
Auch Chancengleichheit ist offensichtlich nicht gegeben, jedenfalls nach der Definition von Herrn Sasse, der meint, die kleinen könnten nicht regieren.$
Der Faktor, das nur sehr reiche Menschen sich zur Wahl aufstellen lassen können, wenn sie Aussicht auf erfolg haben wollen, ist sicher keine Merkmal von Chancengleichheit.
Aber bitte, wer die USA als Demokratie (mit nur einer echten Partei zur Wahl) beschreibt, der sagt damit viel über sein Verständnis von Demokratie.
Wenn etwas sattsam bewiesen ist, dann, das die USA keine Demokratie ist
Die tatsächliche Wahrheit ist, dass seit den Tagen von Andrew Jackson gewisse Teile der großen Finanzzentren die Regierung beherrschen.“
– Franklin D. Roosevelt (1882-1945), der 32. Präsident der USA [157]
„Hinter dem, was wir für die Regierung halten, thront im Verborgenen eine Regierung ohne jede Bindung an und ohne jede Verantwortung für das Volk. Die Vernichtung dieser unsichtbaren Regierung und Zerschlagung der unheiligen Allianz von korrupter Wirtschaft und korrupter Politik ist die entscheidende politische Herausforderung dieser Zeit.“
– Theodore Roosevelt [158]
„In der Regierung müssen wir uns in unserem Denken vor dem Eindringen von unberechtigten Einflüssen des militärisch industriellen Komplexes hüten, seien sie gewollt oder auch nicht. Die Gefahr eines unheilvollen Anwachsens unbefugter Macht existiert und wird fortdauern. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Gewicht dieser Kombination unsere Freiheiten und demokratischen Prozesse gefährdet. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Ineinandergreifen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen“
– Eisenhower in seiner berühmten Abschiedsrede [159]
„Die USA wird von 200 Familien regiert und zu denen wollen wir gute Kontakte haben“
– Arend Oetker, damaliger Vorstands-Chef der Atlantik-Brücke [160]
„Americans do enjoy many features central to democratic governance, such as regular elections, freedom of speech and association, …the nearly total failure of ‚median voter‘ and other Majoritarian Electoral Democracy theories [of America]. When the preferences of economic elites and the stands of organized interest groups are controlled for, the preferences of the average American appear to have only a minuscule, near-zero, statistically non-significant impact upon public policy.“
– Gilens, M. Page, B.I. (2014) Testing Theories of American Politics: Elites, Interest Groups, and Average Citizens. Perspectives on Politics 12, 564-581
„ America is no longer a democracy — never mind the democratic republic envisioned by Founding Fathers.“
– The Washington Times [161]
„Heute ist Amerika eine Oligarchie, wo unbegrenzte politische Bestechung herrscht, welche die Grundlage für Nominierungen zur Präsidentschaftswahl bzw. für die Aufstellung der Präsidentschaftskandidaten darstellt. Dasselbe gilt auch für die Wahl der Gouverneure, der US-Senatoren und der Kongressmitglieder. Wir haben es hier mit einer vollständigen Zersetzung des politischen Systems zugunsten einiger großer Wahlspender zu tun, die nach geschlagener Wahl Vorteile für sich selbst erzielen wollen, diese einfordern und häufig auch gewährt bekommen.“
– Jimmy Carter im Interview mit Tom Hartman [162] [163] [164]
https://neoliberalismus.fandom.com/de/wiki/Bemerkenswerte_Zitate#USA
*gähn
Wie originell und überzeugend, jetzt sehe ich, das die USA die bste Demokratie der Welt sein müssen, denn die zitierten Menschen da oben können sich ja nur geirrt haben.
@ Stefan Sasse 11. Juni 2021, 18:28
*gähn
Eine verständliche Antwort, allerdings nicht die beste.
Schließlich hast Du das Thema aufgebracht 🙂
Warum verständlich?
Sie finden also die Antwort auf meine Frage befriedigend oder meine Frage falsch oder was?
@ Rauschi 13. Juni 2021, 14:17
Sie finden also die Antwort auf meine Frage befriedigend oder meine Frage falsch oder was?
Weder noch. Ich habe trotzdem verstanden, warum er so geantwortet hat.
Ne, hab ich nicht, sie hat gefragt. Aber ich hab irgendwo zwischendurch dann gemerkt, dass es eh nur Trolling ist und aufgehört.
Aber ich hab irgendwo zwischendurch dann gemerkt, dass es eh nur Trolling ist und aufgehört.
Dann ist die erste Antwort deswegen so ausgefallen?
Ich habe das sehr ernst gemeint und bin auch total Ihrer sonstigen Argumentation gefolgt.
Woraus meinen Sie schliessen zu dürfen, das es sich um trollen handelt?
Gähn? Weshalb, weil Rauschis Beschreibung so überaus zutreffend ist. Man muss nur Walter Lippmanns „Public Opinion“ lesen und wird verstehen, dass Amerikas Eliten den Begriff Demokratie als reine Camouflage benutzten, um zu verschleiern, dass die öffentliche Meinung durch Medien gemacht werden, nicht durch mündige Bürger (wie der tonangebende US-Philosoph John Dewey, Democracy and education, es sich vorstellte). Die „Herde der Bürger“ müsse vielmehr durch eine regierende Klasse mit Unterstützung von Experten regiert werden. Für eine notwendige umfassende Information seien die Bürger überfordert. Übrigens eine Vorstellung, die Platon bereits in seiner Politeia quasi als Blaupause für alle totalitären Systeme entwarf.
1) Mal davon abgesehen dass ich eine Symmetrie des Heuchlertums sehe: „Wir dürfen Bezeichnungen verwenden, die die anderen verletzen könnten, aber die anderen nicht, Wir dürfen uns über Nichtigkeiten aufregen, aber die anderen nicht.“. Wäre die Sache nicht mit einer einfachen Entschuldigung aus der Welt?
2) Eisenreichs Argumentation ist angesicht der tatsächlichen Problematik sinnlos. Es geht eben nicht um wirtschaftliche Gesamttätigkeit (Erträge und Kosten), die in Niedrigsteuerländer verlagert wird, sondern ausschließlich um Erträge (wie z.B. durch interne Lizenzen).
3) und 10) Ich finde die Ähnlichkeiten der zugrunde liegenden Probleme sehr interessant (Zusammengespart, verkrustete Verwaltung, Überforderung durch neue Aufgaben) Leider ist keine Abhilfe in Sicht. Beide Themen werden genau dann auf die (politische wie mediale) Agenda gesetzt, wenn Lobbyisten dem Staat neue Geräte verkaufen wollen. Setzedas Gesundheitswesen auch noch in diese Reihe.
4) Sieh dich als Arbeitgeber, der einem Bewerber mit nachweisbar geschönten Lebenslauf gegenübersitzt (Hier übrigens ein sehr witziges Interview zu dem Thema: https://www.vice.com/de/article/93y3a3/dieser-arbeitsrechtler-erklart-wie-sehr-du-in-deinem-lebenslauf-schummeln-darfst ) . Das ist zwar in gewisser Weise eine ‚lässliche Sünde‘, [immerhin zahlt die Arbeitsagentur viel Geld dafür, dass Arbeitslose genau das lernen] aber sicher kein Basis für vertauensvolle Zusammenarbeit. Auch hier sehe ich die beste Chance (und eine Art Charakter zu zeigen) in einer glaubhaften Entschuldigung. Bisher kam von den Grünen in die Richtung wenig.
6) Das kommt davon, wenn man diejenigen, die in harten Themen kompetent sind, mit identitätspolitik (‚weichen‘ Themen) vertreibt. https://www.fabio-de-masi.de/de/article/3542.ich-werde-nicht-wieder-antreten.html
11) und 5) Es ist klar, dass die ‚Schmuddelecken‘ in der Geschichte, die lieber versteckt werden, den interessantesten Teil darstellen ( allein schon wegen des Santayana-Zitats ). Aber du wirbst unter 11) für zwei in meinen Augen problematische Rezeptionsmethodiken:
a) Emotionalisierte Personalisierung. Bringt zwar Betroffenheit (und Gegenreaktionen), aber erklärt nichts.
b) Denken ‚von hinten her‘ Du sprichst von Verbindungslinien zwischen den kolonialistischen Genoziden und dem Holocaust. Da bin ich eher skeptisch, das verwischt, dass es in der Geschichte nie ‚die Ursache‘ oder ‚den einen Grund‘ gibt. Interessante Zusammenhänge gewiss, aber da schlägt wieder die beschränkte Aufmerksamkeitsökonomie durch. [Nebenbei bemerkt: In meinen Augen sind ‚innere‘ ( soziale und religiöse) und ‚äußere‘ (imperiale und nationalistische) Mechanismen des Rassismus zwei getrennt laufende Schienen, die nur durch äußere Bedingungen (z.B. beim Sklavenhandel) zusammenlaufen. Aber das ist eher eine Lehnstuhlhistorikertheorie von mir.]
1) Nein, wer canceln will akzeptiert keine Entschuldigung.
4) Egal, wie oft Baerbock sich entschuldigt, es als Fehler erklärt, es korrigiert, es wird nicht aufhören. Das haben wir bei Hillarys Mails wahrlich zur Genüge gesehen. Es ist die exakt gleiche Mechanik.
6) Ja, ist schade.
11) Nein, da missverstehst du, worum es geht, und sitzt einem häufigen Fehlschluss auf. Es geht nicht um Emotionalisierung, sondern um Perspektiven. Als man sich etwa Mitte des 20. Jahrhunderts von der „Geschichte großer Männer“ verabschiedet hat und begann, die Geschichte der Arbeiter, die Geschichte der Frauen etc. in den Blick zu nehmen und mal zu schauen, wie es den „normalen Menschen“ eigentlich ging, war das auch keine Emotionalisierung/Personalisierung, sondern ein Perspektivwechsel, der die Geschichtswissenschaft unendlich bereichert hat. Genau so eine Bereicherung der Perspektive wird auch hier – völlig zurecht – angemahnt. Die Geschichtswissenschaft wird OBJEKTIVER, wenn sie diese Perspektiven berücksichtigt, nicht SUBJEKTIVER.
b) Ja, keine Frage. [Ja, da muss man vorsichtig sein, aber ich bin a) kein Experte dafür und b) ist das Ganze extrem kompliziert. Ich hab Bücher dazu auf meine To-Do-Stapel, aber der ist groß und tief…]
@ Stefan Sasse 12. Juni 2021, 11:08
4) Egal, wie oft Baerbock sich entschuldigt, es als Fehler erklärt, es korrigiert, es wird nicht aufhören. Das haben wir bei Hillarys Mails wahrlich zur Genüge gesehen. Es ist die exakt gleiche Mechanik.
Beide Fälle eint, dass das fehlerhafte Verhalten absichtsvoll war, kein versehentlicher Ausrutscher.
Korrekt, aber es ändert nichts dran.
1) und 4) Mir geht es nicht um diejenigen die sich längst entschieden haben, auf wessen Seite sie stehen und wen sie bekämpfen. Mir geht es um diejenigen (wie mich) die dieses politische Stammesdenken für verhängnisvoll halten. Und die [lies ich] würden es als positives Signal werten, wenn jemand mal einen Fehler eingesteht und glaubhaft macht (nicht nur Floskeln) daraus gelernt zu haben.
11) Ich weiss, was du meinst, aber ich sehe immer wieder, wenn eine personalisierte Perspektive in die Öffentlichkeit gerät, das vor allem Raum bietet für Instrumentalisierung. Aktuelles Beispiel: Alles, was in letzter Zeit im Zusammenhang mit Sophie Scholl gelaufen ist, von Jana aus Kassel bis #ichbinSophiescholl.
1) 4) Passiert doch?
11) Klar, aber das war doch schon immer so. Oder war die „Karl der Große gründet Deutschland“-Geschichtserzählung keine Instrumentalisierung? Geschichte wird instrumentalisiert, seit es sie gibt. Dagegen muss die Geschichtswissenschaft sich wenden.
4) „Passiert doch? “ Ja und nein von Baerbock selber kam genau das, was ich von besagtem Jobbewerber erwarte: Eingeständnis „Das war ein Fehler“ mit ein kleinwenig Beschönigung „missverständliche Kürzungen“. Kein souveräner Befreiungsschlag, aber immerhin. Andere Grüne haben aber deutlich peinlichere Antworten geliefert: Whataboutsmen (Göring-Eckardts Verweis auf Laschet), Opferinszenierung (Özdemir: „Kampagne gegen uns“) gewürzt mit Verschwörungstheorien ( Özdemir „Russland und Türkei haben es auf uns abgesehen). Nicht gerade guter Stil.
Letztlich zeigt das einmal mehr, dass politische Profis sich einfach gar nicht entschuldigen. 🙁
1) Nein, wer canceln will akzeptiert keine Entschuldigung.
Auf der anderen Seite herrscht ja auf der anderen Seite haeufig auch gar keine Bereitschaft zur Entschuldigung. Stattdessen sucht man lieber irgendwelche Ausreden oder stellt sich als grosser Kaempfer fuer die Meinungsfreiheit dar.
Ich weiß nicht, wie richtig dieser Eindruck ist.
zu Punkt 11
In meinen Augen droht dieses wichtige Thema erneut zu einem Eliten-Nischen-Thema zu werden (wenn es dass nicht sogar schon ist). Für viele „Nichteingeweihte“ ist es schwierig nachzuvollziehen, warum wir über 100 Jahre nach dem Untergang des deutschen Kolonialreiches uns überhaupt mit diesem Thema beschäftigen. Die Anerkennung der Verbrechen an den Nama und Herero wurden medial zwar verkündet, jedoch fehlt in meinen Augen hier die erläuternde „Begleitmusik“.
Es waren andere Zeiten, jedoch haben TV-Sendungen wie „Roots“ in den USA oder „Holocaust“ in Deutschland dazu geführt, dass sich bereite Massen der Bevölkerung mit dem Thema Sklaverei / Holocaust auseinandergesetzt hat. Es wäre einen Versuch wert ähnliches mit dem deutschen Kolonialismus zu versuchen. Eine Themenwoche der ARD (TV und Radio) gespickt mit Dokus, Spielfilmen, Talkshows, etc. um das Thema wieder in das Bewusstsein der Menschen zu holen.
Richtige Idee, exakt falsche Durchführung:
a) Kannst du dich noch an irgendetwas aus den ARD Themenwochen der letzten Zeit erinnern? b) EIgenproduktionen des ÖR zu historischen Themen waren in den letzten Jahren ganz gern zum einen von mittelmäßiger Qualität und leicht revisionistisch. c) Debatten ‚von oben‘ sind nicht sehr nachhaltig.
Besser wäre in meinen Augen eine Topproduktion, bei der ein Filmemacher (oder Serien) sich wirklich engagiert, wie „Schindlers Liste“ oder „12 Years a Slave“. Dann dringt die Wahrnehmung von selber durch (wie es bei deinen beiden Beispielen auch passiert ist).
Zum Thema noch ein kleines Gedankenexperiment: Angenommen ‚Huayi Brothers‘ oder ‚Alibaba‘ würde eine hochwertige Serie zum Boxeraufstand aus chinesischer Sicht produzieren. Glaubt jemand, diese hätte bei derzeitiger Stimmungslage eine Chance auf positive Rezeption im Westen ?