Zu den beständigsten Streitpunkten rund um den Lockdown gehört die Klage, dass die Schulen geschlossen werden und unübersehbarer Schaden an den Kindern angerichtet wird. Nicht nur würden sie der Früchte ihrer Bildungsarbeit beraubt, sondern ihre Lernzeit sinke quasi auf den Nullpunkt. Riesige Wissenslücken täten sich auf, die nie wieder aufgeholt werden könnten. Die Abschlussprüfungen seien gefährdet, und ohne den 45-Minuten-Takt eines Schulvormittags werde quasi irreperabler Schaden an den jungen Gehirnen angerichtet. Kurz:
Aber ich bin nicht hier, um mich über diese überzogenen Horrorvisionen lustig zu machen, sondern darüber zu sprechen, warum Fernunterricht tatsächlich auch Chancen bietet – und nicht nur Defizite halbwegs zu kleistern versucht.
Bestandsaufnahme
Selbstverständlich erfordert funktionierender Fernunterricht zuerst eine Infrastruktur. Wenn die Schüler*innen oder Lehrkräfte keinen Zugang zu funktionierenden Endgeräten haben, wenn keine vernünftige Software bereit steht, wenn die Internetverbindungen zu schlecht sind, wenn die Lehrkräfte keine Ahnung haben, wie man diese Dinge sinnvoll verwendet, dann ist die größte Chance des Fernunterrichts, dass der Ausfall nicht 100% beträgt, sondern nur 90%. Das ist zwar offenkundig, aber ich will dennoch kurz auf die einzelnen Punkte eingehen.
Endgeräte: Auch im Jahr 2021 haben viele Familien entweder keine oder nur ein digitales Endgerät zuhause, das sich vernünftig für den Unterricht nutzen lässt. Ich zähle hier Smartphones und durchschnittliche Tablets explizit nicht, mit denen kann man nicht arbeiten (egal wie oft irgendwelche Bildungspolitiker*innen „iPad-Klasse“ intonieren). Aber viele Familien (je sozial schwächer, desto mehr) haben einfach keinen Computer oder Laptop zuhause, und wenn sie einen haben, aber zwei Kinder, dann bleibt das Problem zu 50% immer noch bestehen (wenn die Eltern nicht Lehrkräfte sind und die Geräte für die eigene Arbeit brauchen, weil der Arbeitgeber die ja nicht stellt).
Software: Um richtig arbeiten zu können, braucht es vernünftige Software. Genauso, wie in den meisten Unternehmen SAP Standard ist, brauchen auch die Schüler*innen etwas, womit sie arbeiten können. Grundsätzlich wäre OpenOffice eine kostenfreie Möglichkeit für Textverarbeitung aller Art, aber die vielen Kompatibilitätsprobleme mit Office365 machen Letzteres fast notwendig. Zudem braucht es eine funktionierende Software für Videokonferenzen, die dem Datenschutz entspricht – was aktuell praktisch nicht existiert, weil die Lösungen der Länder nicht funktionieren und die der professionellen Unternehmen aus Standesdünkel nicht akzeptiert werden.
Internet: Hier können weder Kultusministerien noch Schulen noch Lehrkräfte irgendetwas ändern, aber der Zustand des Breitbandausbaus in Deutschland ist und bleibt unterirdisch, so dass der Unterricht oft genug einfach daran scheitert, dass die Verbindungen zusammenbrechen. Es ist das Versäumnis von 20 Jahren verschleppten Investitionen, für das längst Köpfe hätten rollen sollen – und das immer noch kleingeredet wird.
Fortbildungen: Einen Stapel PDF mit Aufgaben zu verschicken ist kein Fernunterricht. Den Präsenzunterricht live zu streamen ist kein funktionierender Fernunterricht. Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 gehörte ich ja quasi zur Avantgarde, weil ich Letzteres getan habe. Die echte Avantgarde, die im #twitterlehrerzimmer Beitrag um Beitrag verfasste, was digitaler Unterricht wirklich ist, war da natürlich wesentlich weiter. Ich habe zwar mit Interesse und schlechtem Gewissen diese Beiträge gelesen, aber erst im Herbst 2020 wirklich verstanden, was gemeint ist – dazu später mehr. Doch ein erstes Opfer von Corona waren ausgerechnet Fortbildungsangebote, die radikale zusammengestrichen wurden. Dabei sind gerade diese so nötig wie nie.
Politische Irrwege
Die FDP-Kultusministerin von NRW, Gebauer, hat nun fast drei Millionen für eine Brockhauslizenz ausgebeben. Ist Wikipedia neuerdings offline? Hinter diesem Kauf stecken so viele Fehler, es ist beachtlich. Lehrkräfte sollen für die drei Jahre, für die die Lizenz angeschafft wurde, nun also eine neue umständliche Software erlernen, installieren und dann den Kindern ihrerseits beibringen (was schon bei wesentlich sinnvolleren Programmen eine große Herausforderung ist). Das wird dazu führen, dass viele das Ding erst gar nicht nutzen, und diejenigen, die es nutzen, werden die Lizenz nach drei Jahren verlängert haben wollen.
Zum anderen wird schon durch die Begründung Gebauers ein eklatanter Fehlschluss bezüglich der Objektivität von Wissen sichtbar. Anstatt die diskursive Natur des Wissenserwerbs in der Wikipedia als Chance zu begreifen, dies den Schüler*innen deutlich zu machen, wird die Illusion vertreten, der Brockhaus sei in irgendeiner Art und Weise objektiv, als würde er nicht auch von Menschen zusammengestellt. Dabei werden die Schüler*innen spätestens nach der Schule keine Brockhaus-Lizenz kaufen, sondern selbst die Wikipedia nutzen, deren Gebrauch sie aber in der Schule nicht erlernt haben. So kann man die Millionen auch zum Fenster rauswerfen.
Dabei sind Investitionen bitter nötig. Noch immer ist die Personalsituation an den Schulen erschreckend. Praktisch sämtliche Aufgaben werden den Lehrkräften aufgebürdet, die viel Zeit damit verbringen, unterrichtsfremde Aufgaben durchzuführen, die besser (und billiger!) von Profis erledigt werden könnten. Christian Stöcker formuliert das zentrale Problem:
Der Mangel wird an jeder Ecke sichtbar. Warum funktionieren die Videokonferenzsysteme von Microsoft, Google oder Zoom? Weil sie auf einer professionellen Infrastruktur laufen, die von Profis betrieben, gewartet und auch abgesichert wird.
Wie bescheuert ist etwa, dass alles, was in jedem halbwegs vernünftigen Unternehmen von Verwaltungen erledigt wird, ausgerechnet dem hochqualifizierten (und bezahlten!) Personal aufgebürdet wird? Warum werden gewaltige Verantwortungen wie die Schulsozialarbeit immer noch auf Fachlehrkräfte abgewälzt, die dafür überhaupt nicht ausgebildet sind? Auf dem Blog Bildungslücken gibt es eine lesenswerte Aufstellung über die Stellenschaffungen, die die Qualität der Schule deutlich erhöhen könnten – und den Lehrkräften Zeit geben, die in die Verbesserung des Unterrichts gesteckt werden könnte. Unter anderem in Unterricht unter digitalen Bedingungen, und eventuell aus der Ferne, wenn eine Pandemie das nötig machen sollte.
Eine unterirdische Debatte
Leider ist die Debatte um die ganze Thematik von einem unterirdischen Niveau. Dass die Kultusministerien, die sich in der an Versagern nicht gerade armen Corona-Pandemie als die größten Rohrkrepierer von allen herausgestellt haben, nur Blödsinn produzieren – geschenkt. Aber dass dieser Blödsinn dann auch komplett unreflektiert aufgegriffen wird, wäre echt nicht nötig. Man nehme nur dieses Beispiel:
++ Eil: Lehrer:innen sollen Sonntags nicht mehr arbeiten ++#twlz pic.twitter.com/6tDu4paNP8
— Bent Freiwald (@BentFreiwald) February 15, 2021
Als ob Lehrkräfte nicht ohnehin bereits am Wochenende und in den Ferien arbeiten würden! Allmählich sollte sich das echt mal rumgesprochen haben (zum Thema auch Bob Blume). Aber ich möchte die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte, die ich ja bereits ausführlich besprochen habe, an dieser Stelle gar nicht weiter in den Mittelpunkt rücken. Stattdessen müssen wir auf die Narrative achten, die hier breitgetreten werden, immer noch, auch nach einem Jahr Pandemie:
Konservative Kreise setzen Digitalisierung reflexhaft mit Kybernetik und Entmenschlichung gleich und sehen sich als Retter der humanistischen Bildung.
Das ist eine aus selbstverschuldeter Unmündigkeit resultierende Blindheit für die neuen Dimensionen der Kultur der Digitalität.
— Axel Krommer (@mediendidaktik_) February 11, 2021
Ich weiß nicht, ob die Behauptung des ersten Satzes komplett zutrifft. Aber es ist definitiv so, dass in Deutschland eine weit verbreitete Abwehrhaltung gegenüber allem Digitalen, Technologischem, Neuen besteht, die deutlich über konservative Kreise hinausragt. Daran allein kann es nicht liegen. Dazu kommt, dass Fernlernen nicht gerade eine komplett neue Erscheinung ist:
Pandemie-bedingtes #Homeschooling ist übrigens auch keine ganz neue Angelegenheit. pic.twitter.com/mF04FB8OtI
— Franca Parianen (@FParianen) February 2, 2021
Ich bin ziemlich sicher, die entsprechenden Jahrgänge seinerzeit hätten sich gegen die Idee gewehrt, dass sie eine völlig entwertete Bildung genossen hätten. Das allein kann die Frage nicht sein. Das Problem ist vielmehr eine Starrheit im Denken, die erfolgreiche Schule nur in einem seit über 200 Jahren bestehenden und mittlerweile extrem veralteten Dogma begreifen kann: Klar getrennte Fächer, 45-Minuten-Takt (oder 90 Minuten, aber auf jeden Fall Takt), Klassen, Klassenzimmer, vergleichsweise lehrkraftzentrierter Unterricht. Reformorientierte Pädagog*innen und Lehrkräfte versuchen seit sicherlich 40 Jahren, diese Dogmen aufzubrechen. Zwar gibt es zarte Reformansätze, von der Problemorientierung bis hin zur Binnendifferenzierung oder begrenztem Projektunterricht. Aber das grundsätzliche System ist extrem zählebig (siehe dazu auch die FAZ), und das nicht (nur), weil die reformunwilligen Lehrkräfte bremsen würden.
Denn wie wir gerade in dieser Pandemie beobachten können, kommen die größten Beharrungskräfte aus der Gesellschaft selbst: von den Eltern, von den Redakteur*innen im Feuilleton der FAZ, von den Wirtschaftsverbänden. Mithin gerade aus den Gruppen also, von denen man eigentlich am ehesten erwarten würde, dass sie für Reformen, für Veränderungen, für Innovationen stünden. In einem Artikel von 2016 (!) zeigte Stöcker zudem die Beharrungskräfte der Reaktionären auf:
Schon bevor die Pläne überhaupt offiziell vorgestellt worden waren, warnte Kraus im Radio vor „Kollateralschäden“. Schüler würden durch Rechner im Unterricht bestimmt dazu verführt, sich „nur noch Häppchen-Informationen und Häppchen-Wissen anzueignen“, außerdem werde der zwischenmenschliche Diskurs unter der Totaldigitalisierung des Unterrichts leiden. Der Anti-Digitalisierungsprediger Manfred Spitzer („Digitale Demenz“) stieß erwartungsgemäß ins selbe Horn. Der schönste Satz, den er dabei sagte, war dieser: „Wenn ich Informationsverarbeitung nicht im Gehirn, sondern im Computer betreibe, hat das Gehirn nichts gelernt.“ Nach dieser Logik wären auch handschriftliche Notizen besser zu vermeiden, weil man lieber alles auswendig lernen sollte, oder Stift und Karopapier im Mathematikunterricht von übel, weil nur wirklich lernt, wer alle Gleichungen im Kopf löst.
Manfred Spitzer ist glücklicherweise mittlerweile mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden, und Kraus genießt ja hoffentlich seinen RUHEstand. Die entsprechenden Haltungen aber sind mit den beiden nicht verschwunden. Der Philologenverband (nur einer der Lehrer*innenverbände, aber leider der mit der mit Abstand größten Außenwirkung) vertritt dieselben Ansichten heute noch mit derselben Verve. Diesen Debattenhintergrund müssen wir, auch wenn es nicht leicht fällt, zu ignorieren versuchen. Und mit einem offenen Geist an die Frage herangehen: Was kann Fernunterricht? Und was kann er nicht?
Eine Frage der Perspektive
Geht man mit der Prämisse an den Fernunterricht heran, den Präsenzunterricht als Goldenen Standard zu nehmen, kann er nur verlieren. Denn es ist unmöglich, dass Fernunterricht das leistet, was Präsenzunterricht leistet. Jeder Versuch, das abzubilden, ist zum Scheitern verurteilt, muss scheitern. Diese eigentlich banale Erkenntnis hat für eine brauchbare Liebeskomödie mit George Clooney gereicht. Es ist deswegen notwendig, nicht nur zu fragen: „Welche Elemente des Präsenzunterrichts kann der Fernunterricht nicht abbilden?“ Sondern wir müssen auch fragen: „Wo kann der Fernunterricht etwas bieten, das der Präsenzunterricht nicht kann?“
Bevor wir uns dieser Fragestellung zuwenden wollen, möchte ich noch ein Denkproblem aus dem Weg räumen, das Patricia Drewes schön beschrieben hat:
Paradox: In Distanz erlebe ich die meisten Lerngruppen als vollständig präsent. In der „Präsenz unter Coronabedingungen“ waren Lerngruppen quarantäne- und krankheitsbedingt häufig fragmentiert.
— Patricia Drewes (@FrauKreis) February 18, 2021
Der Präsenzunterricht in Deutschland hat vor seiner merkwürdigen Überhöhung im Rahmen der Corona-Schulschließungen nicht unbedingt den besten Ruf gehabt, und das zu Recht. Zu lehrkraftzentriert, zu gleichmacherisch, zu bildungsplanverhaftet. Das Hochjubeln, das dieser Tage zu beobachten ist, ist vor dem Hintergrund der mittlerweile jahrzehntealten Kritik eher merkwürdig. Noch bemerkenswerter ist die Konzentration, die allenthalben dem „Verpassen von Stoff“ geschenkt wird.
Erstens ist die Zielsetzung offiziell seit spätestens 2004 nicht Stoffvermittlung, sondern Kompetenzaneignung. Das ist der behauptete Benchmark, der durch die aktuelle Stoffkonzentration Lügen gestraft wird. Zweitens steht hinter dieser Kritik die mindestens ebenso lang diskreditierte Fehlannahme, dass nur, weil Stoff im Unterricht durchgenommen wird, die Schüler*innen den danach auch beherrschen würden. Dabei haben sie ihn häufig bereits nach sechs Wochen wieder vergessen, was nicht eben für die bisher praktizierten Präsenzmodelle und die Konzentration auf Stoffvermittlung spricht.
Womit wir es zu tun haben, ist eine starke Systemlogik, die ihre eigenen Zwänge schafft. So wie sich ein Unternehmen wie Daimler wahnsinnig schwer mit dem Umstieg auf E-Mobilität tut, weil man eben die Produktion von Verbrenner-Autos gewohnt ist, so schwer tut sich die Schule mit einer Umstellung ihrer Prinzipien – noch schwerer sogar, weil sie nicht nur eine Behörde ist, sondern auch noch im grellen Licht der Öffentlichkeit steht, wo Politiker*innen eigentlich mit jedem Reformvorschlag nur verlieren können und eine große, bestens vernetzte Lobby – die Eltern – jegliche Änderung zumindest äußerst kritisch sieht, üblicherweise aber rundheraus ablehnt, von den Lehrkraftverbänden mal ganz zu schweigen. The deck is stacked against change, wie der Amerikaner sagen würde.
Wie systemwidrig Digitalunterricht ist, hat David Ermes in einem lesenswerten Thread aufgezeigt. Fernunterricht widerspricht der mittlerweile über einem Jahrhundert alten Norm der Anwesenheitspflicht im Schulgebäude, auf die das gesamte System ausgerichtet ist. Lernmittel werden ausschließlich als Bücher definiert; alle Beschaffungsstrukturen wie auch die Anbieter sind komplett darauf ausgerichtet. Die Einrichtung von WLAN und digitalen Geräten widerspricht der Verteufelung jeglicher Präsenz dieser Geräte, die im Rest der Gesellschaft seit über einem Jahrzehnt Standard sind – ich möchte an meinen nicht eben unkontroversen Artikel über die Schädlichkeit pauschaler Handyverbote erinnern. Und so weiter.
Der Fernunterricht rüttelt an den Grundfesten des Systems Schule. Der Widerstand dagegen ist vor diesem Hintergrund verständlich, ebenso die Versuche, das gewohnte System möglichst 1:1 zu übertragen, von Anwesenheitskontrollen zu Beginn und Ende (und am besten während) des 45-Minuten-Rhythmus‘ zu dem Wechsel der Arbeitsphasen und dem Abbilden des Stundenplans. Anders ist Schule für die meisten Menschen überhaupt nicht vorstellbar. Dabei ist er Perspektivwechsel dringend gefragt, soll etwas Vernünftiges entstehen und nicht nur ein fader Abklatsch des Präsenzunterrichts.
Ein steiniger Weg
Was also gewinnen wir mit Fernunterricht, wenn wir niemals 100% dessen erreichen können, was der Präsenzunterricht abbildet?
Ein Beispiel: Eine Umfrage ergab, dass 69,1% der Schüler*innen gelernt hätten, sich Lernstoff ohne Hilfe der Lehrkräfte anzueignen, 68,8%, sich selbst zu organisieren, und 67%, selbst Quellen zur Lösung des Problems zu suchen. Das sind hervorragende Werte, und es ist eigentlich genau das, das wir wollen, dass Schule vermittelt – und nicht irgendwelchen Stoff. Denn den können sich die Schüler*innen mit diesen Kompetenzen ja selbst aneignen, wenn sie ihn brauchen! Dass Schule vor allem zum Lernen lernen da ist, gerät in der ganzen kaputten Debatte aber zugunsten drögen Stoffs und dem Abfragen desselben völlig aus dem Blick.
Ich bin wahrlich keiner der Innovatoren des digitalen Unterrichts. Aber ich bilde mir ein, gerade noch eben zu den Early Adopters zu gehören (bezugnehmend auf den Innovationszyklus). Dementsprechend sah ich mich im Frühjahr auch halbwegs stolz, als ich meinen eigenen Präsenzunterricht digital abbildete. Wo in vielen Fällen die Schule auf das Abarbeiten von Arbeitsblattstapeln in Wochenplänen reduziert wurde oder ganz entfiel, arbeitete ich mit meinen Schüler*innen im gewohnten Takt weiter und unterrichtete, mit meinen üblichen Arbeitsphasen, Arbeitsblättern, Arbeitsaufträgen und so weiter.
Eine schöne Erfahrung war das nicht. Es zeigte sich schnell, dass im Fernunterricht gerne gegen eine Art Wand unterrichtet wird. Was ein unbestrittener Vorteil des Präsenzunterrichts ist, der sich digital einfach nicht reproduzieren lässt, ist der nonverbale Teil. Ich kann auf den Gesichtern der Schüler*innen sehen, ob sie mit einem Arbeitsauftrag fertig sind, ob sie überfordert oder unterfordert sind, ob sie meine Erklärungen verstehen oder nicht. Im Fernunterricht fällt das weitgehend weg (schon allein, weil wegen der rattigen deutschen digitalen Infrastruktur einerseits und Privatsphärebedenken andererseits eine ständig aktive Kamera ein Ding der Unmöglichkeit ist). Ich unterrichte in den Äther, ohne jede Rückmeldung. Und gerade sozial und psychologisch lebt Unterricht von diesen kleinen Rückmeldungen.
Dazu kommt, dass sich im neuen Schuljahr (Herbst 2020) herausstellte, dass der Effekt des so reproduzierten Präsenzunterrichts bescheiden war. Die Schüler*innen hatten einen extrem geringen Lerneffekt. Ich gebe mich keinen großen Illusionen hin, wie umfassend dieser Effekt im normalen Unterricht ist. Seit längerem hadere ich mit den „traditionellen“ Unterrichtsmethoden, aber der Zwang zu normierten Prüfungen lässt da vergleichsweise wenig Raum. Zumindest war das immer meine Ausrede. Klar macht maximal die Hälfte mit, aber die schreiben Abi, ich mach das für die!
Die nun unbestreitbaren Schwächen des ferunterrichteten Präsenzunterrichts machten es mir unmöglich, so weiterzumachen. Die #twitterlehrerzimmer-Propheten des digitalen Unterrichtens, sie hatten wenig überraschend Recht behalten. Anstatt also das unbefriedigende Defizit meines fernunterrichteten Präsenzunterrichts (mangels besserer Begriffe bleibe ich mal dabei) zuzukleistern zu versuchen, um immerhin 70% der Leistung des ohnehin nicht berauschenden Standes des Präsenzunterrichts zu erreichen, beschloss ich, die Vorteile des Fernunterrichts, die mir bisher zu wenig im Bewusstsein waren. Statt Schwächen auszugleichen Stärken stärken.
Die Stärke des Schwarms
Ein permanentes Manko meines eigenen Präsenzunterrichts, das mich seit Jahren stört, ohne dass ich eine Lösung gefunden hätte, ist das Nicht-Funktionieren kollaborativer Arbeitsphasen. Man kennt das als Gruppen- oder Partnerarbeiten. Allzuoft hatte ich das Problem, die Klasse in Gruppen aufzuteilen, die dann aber effektiv nicht arbeiten, sondern auf die gemeinsame Ergebnisbesprechung warten oder sich in klassischer TEAM-Arbeit („Toll Ein Anderer Macht’s“) auf die jeweils Besten zu verlassen. Und ja, das lag sicher auch an meinen eigenen pädagogischen Fehlern, mea culpa, aber darum soll es in diesem Beitrag nicht gehen.
Die Stärke des Fernunterrichts war nun für mich, dass ich technische Möglichkeiten an die Hand bekam, die Teamarbeit wesentlich stärkten. Ein Worddokument, das von allen gleichzeitig bearbeitet wird. Gruppenräume in Microsoft Teams, in denen die Schüler*innen kommunizieren können, ohne die Gruppe am Nebentisch zu stören. Das Einteilen von Gruppen ohne den Zeitverlust durch den mühelsigen Einteilvorgang und das Rücken von Tischen und Stühlen. Die Möglichkeit, Medien wie ein Youtube-Video zur Bearbeitung einzugeben, die jedeR in eigener Geschwindigkeit bearbeiten kann.
Allein die Fähigkeit, einfach in einem kollaborativen Word-Dokument zu arbeiten, war beachtlich. Plötzlich sah ich die Beteiligung von Schüler*innen, die im Unterricht nie den Mund aufmachen (und erst recht nicht bei der Präsentation der Ergebnisse!), sah sie aber im Dokument arbeiten. Das Erstellen von Präsentationen (über Powerpoint) und das Zeigen geht digital ebenfalls viel leichter, wo keine Zeit mit irgendwelchem Umstöpseln, fehlenden Adaptern und ähnlichem Blödsinn verloren geht. Noch viel besser wird das, wenn man auf die klassische 45-Minuten-Taktung verzichtet. Da sind plötzlich ganz andere Produkte möglich. Es ist ein Blick in eine neue Welt.
Ich möchte ein Beispiel spezifisch herausstellen, weil nicht nur ich es großartig fand, sondern auch die Schüler*innen begeistert waren: die Second-Screen-Analyse. Bob Blume hat hierzu einen lesenswerten Beitrag geschrieben, an dem ich mich orientierte. Er nutzte die kontroverse Sendung der „Letzten Instanz“ und ließ sie die Schüler*innen ansehen und gleichzeitig im Chat kommentieren. Danach mussten die Schüler*innen einen Kommentar zur Sendung verfassen. Das Ganze stand im Kontext der Erörterung und der Analyse von Argumentationsmustern, was den Schüler*innen erwartungsgemäß sehr schwer fällt.
Nicht so hier. Plötzlich beteiligten sich Schüler*innen, von denen ich sonst nichts hörte. Unaufgefordert likten sie gegenseitig ihre Beiträge (die Analyse, welche Beiträge geliked wurden, war sehr erhellend), kommentierten ihre eigenen Bemerkungen, führten die Diskussion aktiv mit. Sie erkannten die Schwächen der Diskutant*innen und produzierten in einer Dreiviertelstunde über 20 Seiten Text. So produktive Deutschstunden hatte ich im Präsenzunterricht selten.
Lehren
Für mich ist klar, dass ich mich – auch mit der wahlkampftaktisch motivierten Rückkehr zum Präsenzunterrichts ab heute – weiter hart in diese Erkenntnisse lehnen und sie ausnutzen werde. Es wird spannend, wie viel ich davon in den Präsenzunterricht retten kann. Unsere vergleichsweise luxuriöse digitale Infrastruktur (Endgeräte für die Schüler*innen, festinstallierte Beamer und WLAN, absolute Seltenheit in Deutschland) wird da hoffentlich helfen. Keinesfalls jedenfalls will ich zu meinen alten Unterrichtsmodellen zurück.
Seit den Erfahrungen aus dem Fernunterricht im Winter 2020/21 habe ich brachliegende Potenziale erkannt, die mir zwar vorher theoretisch bewusst waren – man hatte ja in der Ausbildung oft genug damit hantiert – die aber irgendwie verschütt gegangen waren. Ich werde wesentlich mehr die klassischen Strukturen aufbrechen, wo immer das möglich ist. Ich werde mehr Hoheit über die Unterrichtsgestaltung an die Schüler*innen abgeben (der nächste Pilotversuch zu dem Thema steht schon in den Startlöchern). Ich werde den Fokus wesentlich mehr auf ie Produktorientierung legen. Auf zu neuen Ufern, quasi. Ich bin überzeugt, dass der Fernunterricht für mich ein essenzieller Anstoß war, besseren Unterricht zu machen.
Danke, Corona…?
PS: Wer sich mehr für die Theorie und Praxis des Fernunterrichts interessiert, dem sei dieses für die interessierte Laien-Öffentlichkeit erstelle nützliche FAQ zum Fernunterricht von Bob Blume (erstellt, natürlich, kollaborativ vom #twitterlehrerzimmer) ans Herz gelegt.
PPS: Meine Erfahrungen beziehen sich auf den Unterricht in der Oberstufe. Dass die Situation für Grundschule, Unter- und Mittelstufe durchaus eine andere sein kann, ist mir bewusst, aber da habe ich keine bis wenig Expertise.
Wenn ich das mal als Vater eines achtjährigen Schülers an einer Sprachförderschule so zum Besten geben darf…ich sehe das gespalten. Ich bin kein pädagogisch ausgebildeter Mensch und ich kann mich im Grunde nur auf die Praxiserfahrung stützen. Die Pandemie hat die Kinder genau in der Phase erwischt, in der sie noch dabei sind das Lesen-und Schreiben ganzer Wörter zu lernen. Im ersten Lockdown wurde es vor allem versucht mit Arbeitsblättern nach hause…nun ja, es war eine Katastrophe. Das Kind war weder mit Geduld und gutem Zureden noch mit Druck oder gar Strafandrohung dazu zu motivieren nennenswert was zu tun. Wenn man mal 15 Minuten am Stück Aufgaben machen zustande bekam war das schon ein Wunder. Spätestens dann setzte schlichte Verweigerungshaltung ein. Im Gespräch mit der Lehrerin ergab sich, dass wir damit nicht allein sind. Die inzwischen OGS-gewöhnten Kinder weigerten sich schlicht Aufgaben in einem Umfeld zu machen, dass sie damit nicht in Verbindung brachten (das eigene zu hause) und die Rolle des Lehrers von Seiten der Eltern zu akzeptieren. Man hatte dann teilweise die Wahl, es nach 15 Minuten halt sein zu lassen oder sich einen Bürgerkrieg mit dem Kind zu liefern, der der Lernmotivation auch langfristig nicht förderlich war.
Zweiter Lockdown nun…die Schule war in der Lage Videoschalten vorzubereiten. Gekoppelt mit Arbeitsblättern zu hause. Erfahrung hier: Die Arbeitsblätter daheim bleiben ein Kampf. Die Videoschalten werden von den Kids gut angenommen, solange sie eine Dreiviertelstunde am Tag nicht überschreiten, dann sackt die Konzentration weg. Ein Problem bleibt, dass die Kinder beim Lesen und Schreiben üben eine Form der Anleitung brauchen, bei der ich mich als pädagogisch unausgebildeter Mensch, dem die Lehrerrolle seitens des Kindes, das mich halt nur in der emotional aufgeladenen Vaterrolle sieht, nicht abgenommen wird, schnell aufgeschmissen sehe. Jemand, der die Grundfertigkeiten des Lesens und Schreibens bereits beherrscht kann man schlicht einfacher Aufgaben auf die Ferne andrehen, das ist mein Befund. Bei Kids in dem Stadium meines Sohnes ist Distanzunterricht dagegen tatsächlich eher eine Krücke, kein Erfolgsmodell. Auch die kurze Zeit Präsenzunterricht zwischen beiden Lockdowns bestätigte, dass die Kinder im Präsenzunterricht mehr Aufgaben schafften und effektiver lernten. Sie nehmen die Lehrer besser in dieser Rolle an als ihre Eltern und auch der gegenseitige Ansporn im direkten Kontakt klappt besser als selbst über die Videoschalten.
Das ist jedenfalls mein Erfahrungswert bisher, ich weiß der hat keinen Studienwert, ist allenfalls anekdotisch. Interessant finde ich noch: Die Probleme, die Eltern in der Rolle als Lehrer anzunehmen, sind nichtmal auf Nichtpädagogen wie mich beschränkt. Die Lehrerin meines Sohnes hat das gleiche Problem mit ihren eigenen Kindern daheim. Die sie halt nur als Mutter sehen. Und dabei sind die schon älter. Es hilft ihr nur begrenzt, dass sie beruflich Lehrerin ist. Für mich schaut es so aus, als wenn man für die Kinder nicht immer einfach alles nur irgendwie austauschen kann und dann läuft das schon. Vielleicht spielt hier auch eine gewisse persönliche Präferenz für bestimmte Lernformen rein. Ich kenn das von mir: 2018-2020 hab ich eine Umschulung gemacht, bis zum ersten Lockdown im Präsenzunterricht, danach in Distanzunterricht online. Die erstere klassischere Variante lag mir definitiv besser. Das mag auch bei Kindern der Fall sein. Genauso wie es Schüler gibt, die in Gruppenarbeiten aufblühen; ich bin eher der Fall, der sie nicht so sehr mag, weil es dann nicht mehr reicht, sich auf mich verlassen zu können. Der Aspekt, dass nicht jede Unterrichtsform für jeden gleich gut geeignet ist, erscheint mir bis heute unterbeleuchtet. Aber das ist meine ganz persönliche subjektive Einschätzung.
Ich habe dieselben Probleme mit meinem Sohn in der Grundschule, von daher kann ich voll mitfühlen. Ich hätte im Artikel stärker darauf hinweisen sollen, ich unterrichte nur Oberstufe 😐
Da hat Pirat natürlich recht. Gilt nicht für die Grundschule, vor allem nicht für die ersten Jahre. Als Titel vielleicht eher: Fernunterricht wird unterschätzt?
Ich hab mal nen knalligeren genommen. Ginge auch. 🙂
This! Kann ich praktisch wortgleich bestätigen. Und allen die ich kenne, geht es genau so. Bleibt natürlich anekdotisch, übersteigt aber definitv Einzelerfahrungen.
Gruß, M.
Mit Sicherheit. Ich denke auch nicht, dass man voll auf Fernunterricht gehen sollte. Mein Beitrag versteht sich eher als Beitrag dazu, die Vorteile zu sehen, so dass man sie nutzen kann – Stärken stärken. Und gleichzeitig halt auch versuchen, in den Präsenzunterricht rüberzuretten. Klar ist es Quatsch, Grundschüler*innen länger als 45 Minuten mit Arbeitsblättern vor den Rechner zu setzen. So lange sitzen die ja in der Schule niemals vor einer Aufgabe! Das KANN nicht gehen. Aber genau darauf will ich ja raus: Du kannst mit Fernunterricht nicht einfach versuchen, so was zu machen. Das muss scheitern. Du brauchst intelligente Konzepte. Aber das geht halt nur, wenn du dich nicht total verweigerst. Wie es leider allzu oft der Fall ist, sieht man ja auch hier im Thread.
Konkrete Vorschläge kann ich da leider nicht machen, ich bin kein Grundschulpädagoge. Nicht meine Expertise. Aber besser als von dir beschrieben geht es mit Sicherheit. Da ist halt Trial and Error nötig, und die richtige Ausstattung, Forschung, Fortbildungen, ganzes Programm.
Für Grundschulen sehe ich hier eine avatargestützte virtuelle Welt, in denen sich die Kinder mit ihren Lehrer*innen bewegen und über responsive Schaltflächen in einzelne Übungs- und Lernformen übermittelt werden, die wiederum diese Welt als Grundlage der Wissensvermittlung nutzt. Dazu könnte ich mir organisatorisch eine digitale Grundschule vorstellen, in der Lehrer*innen, die ohnehin nicht präsent arbeiten (können/dürfen/wollen), an virtuellen und digitalen Lernformen arbeiten (einerseits entwickeln und andererseits sich gezielt dafür fortbilden) und da Klassen entsprechend betreuuen (eben auch unabhängig von ihren Präsenzinstituten).
Dafür sind aber natürlich einerseits die monetären und technischen Ressourcen nötig, aber andererseits müssten die Kultusministerien eben dann einfach auch mal machen. Die Einfallslosigkeit, mit der die Kultusbürokratie sehenden Auges die Krise entgegen genommen hat, ist atemberaubend. Ich bin da, denke ich, ganz gut im Bilde und nach meinem Eindruck ist da seit Ausbruch der Pandemie wirklich nichts Innovatives und Konstruktives passiert (20:5:20, sage ich nur). Alles was läuft, läuft durch persönlichen Einsatz einzelner Lehrkräfte bzw. von Schulleitungen.
Dazu kommt natürlich das Problem, dass innerhalb der Landesverwaltungen die Kultusressorts über eine besonders aufgeblähte aber auch eben besonders schwache Verwaltung verfügen. Das liegt daran, dass auch hier Verwaltungsaufgaben gerne an Lehrer vergeben werden. Vor allem Lehrer, die in ihrem gelernten Beruf nicht ausreichend performen. Das wiederum führt einerseits zu geringer administrativer Leistungsfähigkeit und andererseits auch dazu, dass man ein totaler (und dazu schwacher und schlecht vernetzter) Fremdkörper im Gesamtorganismus einer Landesverwaltung ist. Bei der Polizei und Steuerverwaltung gibt es ähnliche Tendenzen, hier profitiert man allerdings von der grundsätzlich größeren administrativen Leistungsfähigkeit (ergibt sich aus verwaltungsnahen internen Ausbildungen mit größerer Nähe zur Jurisprudenz, dazu auf der einen starker Corpsgeist und bei beiden sehr hierarchiebasiert) und auch einer höheren politischen Kompatibilität.
Gruß, M.
Ich würde noch Classcraft ergänzen, das ist auch super für Grundschule und Unterstufe.
Gamecraft – spannend. Aber Gamifacation als Lehrmethode ist nicht ganz unumstritten. Wie siehst Du das als Mann vom Fach?
(pars pro toto etwa hier: https://axelkrommer.com/2018/08/30/kurz-notiert-warum-classcraft-eine-didaktische-bankrotterklaerung-ist/)
Gruß, M.
Der echte Classcraftexperte ist https://twitter.com/TeacherRogueOne, wenn du genauere Fragen hast.
Ich mag Gamification sehr, und ich sehe großes Potenzial. Grammatik wird nie intrinsisch interessant sein, und da hilft so was wie Classcraft enorm. Wie jede Methode ist es natürlich kein Allheilmittel.
Ich sehe Krommers Kritik auch durchaus, und er hat nicht ganz Unrecht. Der Kicker ist halt nur „solange die hierarchische Organisation von Unterricht nicht angetastet wird“. Kurz gesagt:
Flache Unterrichtshierarchie > Classcraft, aber Classcraft > klassischer Unterricht.
Haha, hab mal auf Interesse auf den Link geklickt und sehe dann erst mal einen DSA3 (also die Edition, mit der ich vertraut bin) Charakterbogen. Und erinner mich sofort, warum ich D&D vorziehe 😉
DSA3 ist ja auch uralt. Keine Ahnung, war der das immer noch spielt. Anders als mit Nostalgie kann ich mir das nicht erklären.
Aber ja, das DSA-Regelsystem ist sehr anders als das von D&D. Ich würde auch rot anlaufen würde ich sagen, dass es besser wäre. Nur funktioniert das D&D-System für DSA nicht.
Second Screen – kannte ich noch nicht. Spannend. Auch der Hinweis auf #twitterlehrerzimmer – Danke. Dort fand ich mich gleich bestätigt:
„Meiner Wahrnehmung nach haben die Schulöffnungen weniger mit gutem Lernen zu tun, sondern sie sollen Notengestaltung »rechtssicher« machen.– Gutes Lernen (mit Distanz, Videostd., sich nach Bedarf auch mal in sehr kleine Gruppen sehen) sähe gerade anders aus.“ Darum geht es, und um Wahlkampf. Frustrierend.
Ein Punkt allerdings kommt bei Deiner Begeisterung für die neuen Möglichkeiten zu kurz: Viele Schüler gehen nicht wegen „Unterricht“ in die Schule, sondern um dort Gleichaltrige zu treffen. So eine Schülerin mal ganz entrüstet: „Die Lehrer glauben, wir kämen wegen ihnen….“
Ja, da ist ganz viel Illusion dabei, völlig korrekt.
Wenn ich an guten Fernunterricht denke, muss ich immer an die „School of the Air“ denken, also jene Schulen in Australien, die sich um die Bildung von Kindern kümmert die einen Schulweg von mehreren hundert Kilometern vor sich hätten, da Sie auf Farmen im Outback Leben.
Grundsätzlich muss man sagen, dass den Australiern die Bildung der Kinder durchaus was wert ist. So stellen die Schulen das technische Equipment in Form eines Rechners bereit und, das ist noch viel wichtiger eine stabile Kommunikation via Satellit um entsprechend Videounterricht ermöglichen zu können. Regelmäßiger Austausch zwischen Schülern und Lehrern rundet das ab (vgl. http://www.australien-info.de/school-of-the-air.html)
Ein wesentlicher Erfolgsbaustein beim Homeschooling ist aber auch die Anwesenheit eines Betreuers. Pandemiebedingt kann diese Rolle nur von den Eltern ausgefüllt werden. Ihre Rolle ist wichtig, insb. bei jüngeren Kindern. Sie organisieren den Schul-Arbeitsplatz zu Hause, sorgen dafür das die Kinder am Ball bleiben, stellen fest, ob die Kinder die Inhalte verstanden haben.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie meine Mitarbeiter das Thema Homeschooling wuppen, aber auch gleichsam erstaunt wie wenig die Bereitschaft ist, obgleich mein Arbeitgeber hier keine Steine in den Weg legen würde, Kinderbetreuungstage bzw. die Arbeitszeitregelung kreativ zu nutzen. Ich sehe statt dessen eher gestresste Mitarbeiter die krampfhaft versuchen Job und Homeschooling unter einen Hut zu bringen – und Teufel komm raus, im Job zu performen. Führt aber dazu, dass vom Homeschooling nicht viel ankommt und die Mitarbeiter ein schlechtes Gewissen haben und immer unzufriedener werden.
Tatsächlich wäre es politisch geboten gewesen, hier eine echte Entlastung für die Eltern zu organisieren, so dass nicht die Wahl zwischen Job und KIndern hätte getroffen werden müssen. Aber offenbar fehlte es hier an politischer Weitsicht und Mut.
Ich frage mich ja, wäre die Pandemiepolitik die gleiche würden Kinder wählen dürfen…
Wäre eine gute Idee, wenn unsere Politik versuchen würde, von den Erfahrungen in Australien zu lernen.
Ja, in vielfacher Hinsicht, die sind auch beim Thema Inklusion im Bildungsbereich, aber auch in der Gesellschaft deutlich weiter. In Deutschland dominiert das Bild: Das Kind muss sich der Schule / dem Unterricht / den Normen anpassen – andere Länder sind da weiter und wissen, dass man das ganze umdrehen muss, damit sich Schule / Unterricht / Normen auch den Kindern anpassen. Erfordert mehr Kraft, sicherlich auch andere Personalschlüssel und Kreativität.
Genau! Daher sind die Erfahrungen gerade ja auch so wertvoll.
Moin Stefan.
Was ich bei meinen beiden noch schulpflichtigen Kindern mitbekomme zeigt mir eher, dass die Unterschiede zwischen lernstarken und lernschwachen Kindern noch anwachsen.
Ich habe auch noch die Kommentare überflogen. Also für Oberstufe geht Online Unterricht schon deutlich besser, da stimme ich zu.
Für Grundschule bis Mittelstufe bin ich skeptisch. Abgesehen vom reinen Stoffvermitteln, sind Schulen auch Orte der Sozialisation. Bei den immer häufigeren Einzelkindern werden diese „Gruppenerfahrungen“ in meinen Augen immer wichtiger.
Wikipedia im politischen und historischen Teil finde ich nicht akzeptabel. Das ist teilweise eine Framingorganisation geworden, die sich selbst und von den Medien den Anstrich von Obejektivität bekommt.
https://www.youtube.com/watch?v=qfo9r6D5btE
Wikihausen hat mittlerweile nicht nur Rechtsstreite gegen Wikipedia gewonnen. Die im Video gezeigte Chatverläufe von Wikipedianern zeigen mir, dass es dort viele Menschen gibt, bei dennen ich eine demokratische Gesinnung nicht erkennen kann.
Ich will auch nicht so verstanden wissen, dass Fernunterricht „besser“ ist. Er ist anders. Mit anderen Vor- und Nachteilen. Und von letzteren hören wir gerade genug.
Danke, dass Du im Nachgang noch genannt hast, dass Du im Grunde für einen elitären Kreis schreibst. Im Grunde Elite der Elite. Du schreibst von Oberstufenschülern, von denen der Großteil aus besseren Elternhäusern kommt, von Lehrern, die jünger und aufgeschlossener sind und auf entsprechend fruchtbaren Boden treffen. Und genau deswegen wird der Präsenzunterricht überschätzt. Und genau deswegen hat das verdammt wenig mit der Realität zu tun.
Du sitzt wahnsinnig vielen Vorurteilen auf und redest Dir die Welt damit schön. Schon die einfache, logische Frage der Evolution übergehst Du: warum kämpfen bis heute weltweit Entwicklungshelfer, Militärs, Sozialarbeiter, Pädagogen (ja, auch die gibt es), Ökonomen und NGOs dafür, dass Kinder in die Schule gehen können? Gebt ihnen einen Laptop und das Problem ist gelöst! Du drehst die Geschichte zurück und glaubst das sei Entwicklung.
Deine Vorurteile sind reichlich, kleine Kostprobe:
Um richtig arbeiten zu können, braucht es vernünftige Software. Genauso, wie in den meisten Unternehmen SAP Standard ist, brauchen auch die Schüler*innen etwas, womit sie arbeiten können.
Allein dieser Satz strotzt vor falschen Annahmen und Behauptungen. In Unternehmen ist mitnichten SAP der Standard. Außerhalb der US-Amerikanischen Konzernwelt regiert SAP, das ist soweit richtig. Nur ist SAP, der Mercedes unter den ERP-Systemlösungen, sauteuer und damit für klein- und mittelgroße Unternehmen meist unerschwinglich. Hinzu kommen horrende Beraterentgelte, wenn man denn SAP-Spezialisten bekommt. Amerikanische Unternehmen setzen auf Oracle und JDEdwards, im deutschen Mittelstand dominiert DATeV, eine von der Steuerberaterkaste entwickelte Softwarelösung. Daneben gibt es noch eine Fülle anderer intelligenter Lösungen, die alle ihren Markt haben.
One size fits all existiert in Deiner Vorstellungswelt, das ist aber nicht die Realität. Richtig ist, dass Microsoft Office praktisch in jedem Büro sein Zuhause hat. Aber bei aller Liebe, das ist nicht etwas, was jemand im Teenageralter lernen muss. Nebenbei ist die beste Strategie, Software kennenzulernen und zu begreifen das autodidaktische Lernen. Aber ausgerechnet hier setzt Du lieber nicht darauf.
Als Basic reicht Open Office, das zudem Kinder zwingt, mit nicht perfekten Lösungen umgehen zu können. Denn die Welt ist nicht perfekt, nicht jeder ist Einserschüler in der Oberstufe und nicht in jedem Unternehmen an jeder Arbeitsstelle bekommt man das Rundumsorglospaket serviert.
Denn wie wir gerade in dieser Pandemie beobachten können, kommen die größten Beharrungskräfte aus der Gesellschaft selbst: von den Eltern, von den Redakteur*innen im Feuilleton der FAZ, von den Wirtschaftsverbänden.
Selbstkritik ist Deine Sache nicht, oder? Das Schulamt in meinem Kreis hat den Eltern der Grundschulen gerade erklärt, sie müssten sich keine Sorgen ob des ausgefallenen Unterrichts machen, der würde im nächsten Jahr nachgeholt. Schüler, der 4. Klasse würden den Stoff halt in der 5. lernen. Bescheidene Frage: wann wird dann der Stoff der Fünften gelernt?
Vor einigen Jahren erklärte man das 8jährige Abitur für zu anstrengend. Zu viel Stoff in zu wenig Zeit, die Kinder bräuchten auch Möglichkeiten der Entfaltung. Anscheinend stimmte das aber nicht, denn heute geht die Geschichte genau umgekehrt: es ist genügend Luft im Lehrplan, selbst ein Jahr Ausfall kann problemlos kompensiert werden.
Große Schwierigkeiten bereiten immer wieder die Dreisatzrechnung, die Geometrie und Kurvendiskussionen, also Stoff, der einen vergleichsweise engen Bezug mit der Lebenswirklichkeit besitzt. Fernunterricht, jeder, der das als Erwachsener mal exerziert hat, weiß das, erfordert ein Mehrfaches an Disziplin als Präsenzveranstaltungen. Wir fordern von Kindern ab, was die meisten Erwachsenen nicht erbringen. Wir erwarten, was Kinder über viele Jahre erst lernen müssen (und oft scheitern). Das scheint das wirklich Absurde an dem Modell des digitalen Fernunterrichts. Aber irgendjemand dachte ja auch mal, schreiben nach Gehör sei eine tolle Innovation.
Kann man Wikipedia lernen? Wer kommt eigentlich auf den Gedanken, die Nutzung einer digitalen Enzyklopädie zu einer Wissenschaft zu erkoren?
Zu Stellenschaffungen: Gute Projektmanager sind bei meinen Kunden rar gesäht… und die zahlen für diese Leistungen nicht unbedingt wenig Geld.
Das Geld, dass ich in meiner Berufstätigkeit aufgrund von offensichtlichen Fehlern von Projektmanagern habe brennen sehen, ist kein Berg. Wir reden hier über ein Gebirge.
Der Job erfordert Führungsstärke, technische Kenntnisse, fachliche Kenntnisse, Fähigkeit des Zuhörens, gesunden Menschenverstand, einen hohen Grad an (gruppen)-psychologischen Erfahrungen, Mut, Entschlossenheit, Resillienz, Kritikfähigkeit und einiges mehr.
IT-Administratoren gibts auch nicht wie Sand am Meer.
Aus Kostengesichtspunkten schreit das gerade nach einer Standardisierung. Problem: Leute die effektiv Spezifikationen für IT-Standardisierungsprozesse erstellen können, sind noch rarer gesäht. Wenn man dann noch die föderale Struktur der Organisation bedenkt…
Klar ,aber an vielen Stellen wäre schon ein mittelmäßiges Projektmanagment ein echter Gewinn.
Projektmanagement ist binär.
a) es ist gut
b) es ist nicht gut. Dann übernehmen Leute im Team die Rolle. Geht auch, aber man benötigt eine gute Streitkultur und Vertrauen der peers untereinander. In dem Biotop blüht dann leider toxisches Verhalten. Letzteres läßt sich in mir selbst und gegenüber anderen neutralisieren. Ich hab dafür viele Jahre gebraucht.
Nu ja, aktuell hast du ziemlich mieses, da bin ich ja bei Stefan. Ist ja auch kein Wunder; es macht, wer bei drei nicht auf dem Baum ist. Selbst motivierte und halbwegs talentierte Leute haben ja gar nicht das Training für. Und ich sehe bei uns wie viel es wert ist, selbst moderat arbeitendes Projektmanagment zu haben und das eben nicht auf die Lehrkräfte umzulegen. Gleiches gilt für Verwaltung etc.
Es mag super-negativ klingen, aber „there is no such thing as a ‚moderat arbeitendes Projektmanagement'“. Und ich hab in vielen Projekten in großen Versicherungen, Industrie/IT-Unternehmen und Banken gearbeitet. Aktuell verdien ich mein Geld in einem „Leuchtturm“-Projekt in einer großen Bundesbehörde. Vermutlich ist Schul-IT nicht so komplex wie meine Projekte.
Dass das der macht, der zuletzt auf dem Baum ist, geht natürlich gar nicht. Bei uns ist die Übernahme der schwierigen und interessanten User-Stories eine Art Strategie Spiel mit festen Regeln, harten Bandagen und Humor. Hab im Dezember mal ein Wochenende durchgearbeitet, um 2 stories fertigzubekommen, weil als nächstes kam halt die interessante story. Andere spielen dafür sogar auf Zeit in reviews.
Das Thema ist halt: Nimm ne Schule mit 70 Lehrer*innen. Davon sind zwei die Chef*innen (Rektorposten und Konrektorposten), dazu kommt eine Hausmeisterstelle und anderthalb Sekretariatsstellen. That’s it. Alle anderen Aufgaben müssen auf den Lehrkörper verteilt werden. Und das ist Bullshit. Du lässt ja auch bei Daimler nicht die Ingenieure ihre eigenen PCs warten.
Da würd ich mir erstmal anschauen, ob es da in anderen Ländern erfolgreiche Projekte mit Spezialisten in die Schulen gibt. Das weiss ich halt nicht. Schule ist mir zum einen sehr vertraut, weil ich halt 13 Jahre in so Klassenräumen anwesend war, aber von den internen Prozessen aus Sicht der Lehrer habe ich nicht den blassesten Schimmer.
Nehmen wir an, da kommt morgen ein Projektmanager in deine Schule.
Ich würde mich da verdammt einsam fühlen. Ich habe in meinem unmittelbaren Arbeitsumfeld 7 weitere Software-Entwickler. Da findet ein Austausch statt.
Natürlich können die schulübergreifend zusammenarbeiten, nur brauchts dafür erst einmal Strukturen.
Projektmanager sind in der Wirtschaft heiß begehrt. Die Konkurrenz läuft über Geld. Da gibts halt auch Leute, deren Expertise hauptsächlich darin besteht, beim retunieren eines Flehens doch endlich ein wenig Verantwortung zu übernehmen, bella figura zu machen.
Aktuell ginge da vielleicht was, aber 2019 waren selbst diese eher symbolischen Arbeiter verdammt teuer. Und wir haben bald wieder 2019.
Vielleicht wäre das ein Zukunft für mich, wenn ich über 62 bin: Eine ehrenamtliche Vermittlungsagentur für gefallene Freelancer-Helden mit fehlender Rentenvorsorge über 67 an Schulen.
Vielleicht gehen wir auch mal von dem Projektmanager-Beispiel weg. Schon eine eigene Rechnungsabteilung wäre schon was.
Wir hatten das ja schon im Zusammenhang mit Deinem Lehrerartikel:
Schulen sind komplexe und vor allem auch (teilweise) große Behörden. Die gehören prinzipiell auch wie entsprechende Behörden aufgebaut und administriert. Eine vernünftig bezahlte und ausgebildete und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattete Behördenleitung, sowie ein Apparat, der auch in der Lage ist, die Aufgaben einer Behörde zu erledigen, bestehend aus pädagogischem Bereich, Verwaltungsabteilung, Stab. Dazu muss es fest definierte Schnittstellen zu den Bezugsbehörden in Land und Kommune geben.
Und wo wir gerade dabei sind, Finanzierung und Verantwortung müssen endlich aus dieser difusen Gemengelage von Schulträger- und Landeszuständigkeit herausgeholt werden.
Gruß, M.
Völlig bei dir!
Da die Kommunen für die „sächliche“ (heißt wirklich so) Ausstattung der Schulen zuständig sind, müsste man dort ansetzen oder bei den Kommunalverbänden. Kurzfristig nicht zu machen.
Deshalb werden halt weiter die Physik- oder Mathelehrer (mit viel zu wenig Stundennachlass) da weiter werkeln. Pech für die Schulen, die solche Idealisten nicht haben.
Ja, aber da sehe ich nicht das Problem. Eine vernünftige Neusortierung der Zuständigkeit und Verantwortlichkeiten im Schulrecht wäre mit den Kommunen und kommunalen Verbänden sicherlich möglich. Die sehen die Probleme ja auch. Wenn sich aber solche Diskussionen immer nur um die Frage der Bezahlung drehen, mit meist schlechterem Ende für die Kommunen, dann wird das natürlich nichts.
Grundsätzlich ist die Aufgabe Schule eine vom Landesrecht bestimmte Angelegenheit. Die Länder haben hier relativ freien und weitgehenden Handlungsspielraum, lediglich das Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Schulträgerschaft ist eine Aufgabe des eWK) setzt dem gewisse, aber nicht unüberwindbare Grenzen. Aber man hat sich natürlich, wie an so vielen Stellen in diesem Land, über Jahrzehnte im derzeitigen Status-quo eingerichtet und keiner ist mehr in der Lage, hier mal auszubrechen und einen Neuanfang zu wagen. Das liegt aber auch daran, dass jede Sachdiskussion, egal wie offenkundig und sinnvoll die ist, immer mit dem Primat einer Finanzierbarkeit abgewürgt wird.
Gruß, M.
Völlig bei dir.
Jepp.
Auch wenn es mir zutiefst widerstrebt, für Microsoft Werbung zu machen und ich liebend gern Open Office an den Schulen sehe, möchte ich in Bezug auf Kommunikationssoftware auf die Möglichkeiten von MS Teams, das in der Firmenversion von MS 365 enthalten ist, hinweisen: Videokonferenzen, zugewiesene Gruppen, Einzelchat, geteilte und von verschiedenen Nutzern bearbeitbare Dokumente, laut Firma DSGVO konform, ziemlich genau das was du in der Klasse brauchst.
Aber natürlich kann auch diese Software weder soziales Verhalten lehren noch nimmt sie die notwendige Kinderverwahrfunktion wahr, dass Eltern für die Produktion freigemacht werden.
Genau das. Wir benutzen Teams, und die Integrationsmöglichkeiten mit den anderen Office-Programmen sind einfach spitze.
Vielen Dank für den interessanten Bericht!
Es ist ja auch nicht nur Fern- vs Präsenzunterricht, sondern vor allem der unbedingte Wille, alles genau so zu machen wie bisher (vielleicht mit bisschen Lüften, wenn denn die Fenster aufgehen^^).
Gerade für jüngere Kinder hätte es ja von Anfang an (oder zumindest ab dem neuen Schuljahr) auch viel gebracht, wenn man den Lehrplan und die Stundenpläne so entkernt hätte, dass man eben nicht mehr soviel durchmischen muss und echte Kohortenbildung und kleinere Gruppen leichter zu machen wären. So werden mit allen Schulstunden und zig Fachlehrern ja alle Kohortenbildungen torpediert.
Diese altpreußische Vorstellung, wie das gefälligst zu funktionieren hat – weil sonst die Welt oder zumindest das Abendland untergeht – ist noch erschreckend präsent und verhindert eben auch das Ausprobieren, obwohl das aktuell ja wichtiger ist als sowieso schon. Und heutzutage mit Second Screen und dem gleichzeitigen Bearbeiten von Dokomenten und Chats (gut, die gibts schon länger^^) sind die Bedingungen heute – meine ich – dazu auch besser als noch vor einigen Jahren. So man dann die Möglichkeiten dazu hat – natürlich.
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass das auch gerade für zurückhaltende SchülerInnen häufig leichter ist (ich selbst bin immer durchgedreht, wenn ich zb ein Referat halten musste, gar nicht mein Ding.). Und diese völlige Überhöhung des Präsenzunterrichts, bei dem ständig alle glücklich und zufrieden sind und sich den ganzen Kram auf wundersame Weise merken, erreicht ja eh immer neue absurde Höhen. (neu: anscheinend haben wir jetzt plötzlich Generationen von Nichtschwimmern Oo)
In meinen Augen ist es wie in der Personalführung. Es gibt nicht den Stil, der auf alle Mitarbeiter passt. Als Lehrer muss ich auch auf die unterschiedlichen Lernertypen eingehen können. Es gibt durchaus Situationen in denen auch der gute alte Frontalunterricht sinnvoll sein kann. Der Mix macht es aus – nur dazu müssen wir die Strukturen von Schule völlig neu überarbeiten.
Genau.
Nun, meine Tochter kann noch nicht schwimmen, aber halt weil der Schwimmkurs abgebrochen werden musste 😀 Dann lernt sie’s halt ein paar Monate später.
Falls da nicht das Schwimmbad wegen Wirtschaftseinbruch und kommunaler Verschuldung geschlossen wird… Aber dann gibt es ja immer noch die Möglichkeit, diese Schließung mit einem generellen Badeverbot (zur Unfallvermeidung) als Segen zu verkaufen.
Gut möglich, irgendwo inmitten dieses merkwürdigen Artikels war natürlich verborgen, dass wir das Problem sowieso haben, weil es an Schwimmbädern und Schwimmlehrern fehlt. Und anscheinend wird Schwimmen nur in einem Jahrgang gelehrt oder so (?). Muss ich ehrlich etwas lachen, ich hatte fast überhaupt keinen Schwimmunterricht in der Schule, weil damals jahrelang erstmal das neue Ostseewasserwellenbad gebaut wurde. Hab dafür in der Schwimmhalle der Kampfschwimmer im Schwimmverein gelernt, was ja eh viel cooler ist natürlich^^
Und die Kommunen werden besonders und auch langfristig gebeutelt werden (eigentlich wäre es btw eine gute Idee, die Entschuldungsdiskussion nochmal aufzumachen, solange wir noch eine GroKo haben).
Das führt jetzt eventuell etwas vom Thema weg, betrifft aber auch Schulen und wäre was für den U-Ausschuss zur Pandemiekrise: eine heruntergekommene Infrastruktur knallt in Krisenzeiten an allen Ecken und Enden zusammen, weil sie nur halbwegs funktioniert, wenn eben alles gut ist und keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten auftreten.
Würde als Beispiel zb auch dieses elektronische Weiterleitungssystem im Gesundheitsamt ergänzen. Ich kann absolut verstehen, dass niemand dafür Ressourcen hat, wenn da gerade die Hütte brennt und man Finanzbeamte oder andere Fremdbeamte da hat, die die normale Arbeit machen. Wer soll das denn das nebenbei noch installieren, lernen, damit umzugehen und das Wissen weitergeben?
Hehe.
Ob Fern- oder Präsenzunterricht: Das Schulsystem ist einfach mies. Und es bleibt auch so. Eine Konsensveranstaltung ist streng genommen keine Bildung. Siehe auch TINCON: https://www.youtube.com/watch?v=plPBeHzv5mc&list=PLWxJsqSfr23R9Dl97te7itk2CsayRtHmp
Noch ein Beispiel:
https://twitter.com/Miss_Schnuck/status/1364613647566331904
Fundstücke aus dem Landtagswahlkampf in BW:
„Wir brauchen wieder mehr Respekt vor Lehrerinnen und Lehrern“, sagte der Landtagskandidat und erinnerte daran, dass deren Arbeitspensum viel größer sei als Schüler und Eltern es meist selbst sehen könnten. GRÜNER? SOZI? Nein: FDP. Bis auf den AfDler stimmten alle zu.
In meinem Briefkasten: „Als CDU haben wir mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine gute Krisenmanagerin.“ Da fällt mir nichts mehr ein. Außer: Die Scheuer-Spahn-Task-Force, die wird es richten.
Irre.
Noch als kleine Ergänzung: Ich habe in Klasse 9 ebenfalls erzählt, dass die extrem mangelhafte Digitalisierung in Deutschland das Ergebnis „von 20 Jahren verschleppten Investitionen“ sei. Prompt musste ich mich belehren lassen, dass der Digitalausbau bereits von Helmut Schmidt verweigert wurde und somit demnächst ins 50. Jahr gehe.