Bücherliste Juli 2020


Anmerkung: Dies ist einer in einer monatlichen Serie von Posts, in denen ich die Bücher und Zeitschriften bespreche, die ich in diesem Monat gelesen habe. Darüber hinaus höre ich eine Menge Podcasts, die ich hier zentral bespreche, und lese viele Artikel, die ich ausschnittsweise im Vermischten kommentiere. Ich erhebe weder Anspruch auf vollständige Inhaltsangaben noch darauf, vollwertige Rezensionen zu schreiben, sondern lege Schwerpunkte nach eigenem Gutdünken. Wenn bei einem Titel sowohl die englische als auch die deutsche Version angegeben sind, habe ich die jeweils erstgenannte gelesen und beziehe mich darauf. In vielen Fällen wurden die Bücher als Hörbücher konsumiert; dies ist nicht extra vermerkt.

Diesen Monat in Büchern: Reconstruction und Gilded Age, Feminismus, die Geschichte Frankreichs und eine Biographiensammlung deutscher Parlamentarier.

Außerdem diesen Monat in Zeitschriften: –

Richard White – The Republic for which it stands

Die Zeit zwischen dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs und dem Anbruch des 20. Jahrhunderts, das im amerikanischen Kontext gerne im amerikanisch-spanischen Krieg von 1898 verordnet wird, trägt seit über einem Jahrhundert den nicht eben positiven Beinamen „Das vergoldete Zeitalter“ (The Gilded Age). Hintergrund ist die Idee, dass sie, anders als das mythische „Goldene Zeitalter“ (das einen ganz eigenen Artikel verdienen würde…), nur „vergoldet“ war, also zwar strahlend, aber unter der Oberfläche eher verrottet.

Es ist nicht schwer zu erkennen, warum. Grassierende Armut, rassistischer Terror, das erste krasse Aufeinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich, der Völkermord an den Ureinwohnern, erste imperialistische Bestrebungen, grassierende Korruption, weitreichende Umweltschäden, institutioneller Rassismus und furchtbare Lebensbedingungen in den entstehenden amerikanischen Großstädten alle zeichnen keinen sonderlich guten Eindruck.

Stets umstritten und schwer zu beantworten ist dagegen die Frage, warum das so wahr. Dieses monumentale Werk aus der Reihe der Oxford History of the United States versucht sich einem analytischen Porträt der Epoche. Schnell wird klar, dass White vor allem zwei Ansätze auszeichnen: eine Konzentration auf die USA und ihre Mentalität auf der einen und eine klare Einbeziehung von Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte auf der anderen Seite. Beide Ansätze sind grundsätzlich sehr sinnvoll. Zwar vermisse ich ein klein wenig die außenpolitische Perspektive, aber andererseits waren die USA mit sehr wenigen Ausnahmen in der Gilded Age eine sehr nach innen gerichtete Macht, die sich kaum mit der Welt um sie herum beschäftigte – Indianerpolitik schließlich galt als Innenpolitik.

Whites Buch ist ein wichtiges Werk, weil es glücklicherweise darauf verzichtet, viele Mythen dieser Zeit zu reproduzieren. Stattdessen wird eine schonungslose und ehrliche Analyse geliefert. So findet sich der Unsinn vom „Tellerwäscher zum Millionär“ (from rags to riches) der in dieser Zeit seinen Ursprung nahm nirgendwo. Stattdessen zeigt White deutlich auf, wie gering die Aufstiegsmöglichkeiten waren. Ebenso wenig muss man sich mit der Lost-Cause-Folklore oder Sündenböcken wie den carpetbeggars abgeben; die Analyse des Scheiterns der Reconstruction ist auf der Höhe der Zeit.

Das Buch ist daher für alle, die an der Epoche interessiert sind, unbedingt zu empfehlen und ein großartiges Überblickswerk, das eigentlich keine Wünsche offen lässt.

Margarete Stokowski et al – We are Feminists

In diesem illustrierten Band wird die Geschichte der Frauenbewegung grafisch aufbereitet. Jede der drei Wellen wird mit einem Flowchart relevanter Daten und Akteurinnen präsentiert, während einzelne herausragende Figuren ihre eigenen Mini-Porträts erhalten. Auf diese Art entsteht ein prägnanter und schnell und gut lesbarer Überblick.

Beeindruckend ist immer wieder, wie wenig bekannt viele dieser Figuren oftmals sind. Ich muss zugeben, dass vor der TV-Serie „Ms. America“ viele der herausragenden Feminstinnen der zweiten Welle für mich unbekannt waren; allenfalls ihr Name war mir geläufig, wenig aber, was ihre Positionen waren oder worin ihre Bedeutung bestand.

Ebenfalls positiv ist, genauso wie im letzten Monat in der besprochenen Geschichte der Frauenbewegung, dass auch relevante Personen vorgestellt werden, die nicht aus den USA oder aus Deutschland kommen. Auffällig ist deswegen auch, dass Deutschland abgesehen von Alice Schwarzer nur wenig Einfluss auf die Bewegung hatte (und Schwarzer ist, sagen wir, weder originell noch unproblematisch; wir waren immer mehr Rezipienten. Gerade als solche sollten wir ein besseres Verständnis für die Geistesgeschichte dieser Ära aufbringen, und „We Are Feminists“ ist da ein leicht verdaulicher Überblicksband.

Roger Price – A concise history of France

Eine der vielen Lücken, die ich einmal stopfen wollte, war die Geschichte unseres Nachbarlandes und Partner Frankreich. Mich interessiert dabei weniger die Geschichte des mittelalterlichen Landes, einfach weil mich das Mittelalter generell kalt lässt; die moderne nation ist es, die mich interessiert.

In dieser Beziehung ist Prices Buch perfekt gewesen. Zwar behandelt er im ersten Teil kurz die mittelalterlichen Grundlagen, geht dann aber schnell in die Neuzeit, wo hauptsächlich die strukturellen Grundlagen des Ancien Régime erklärt werden, bevor dann die Französische Revolution ausbrechen kann.

Ab diesem Zeitpunkt wird das Tempo gemächlicher; das 19. Jahrhundert nimmt viel Raum ein, und die Dynamik zwischen Revolution und Gegenrevolution, die so typisch für die französische Geschichte ist, wird ausführlich besprochen.

Noch gemächlicher wird das Thema im 20. Jahrhundert, wo den verschiedenen Regierungen viel Raum gegeben wird. Politische Wechsel und die zugrunde liegenden Dynamiken werden ausführlich besprochen, und die Erzählung reicht bis zur Wahl Francois Hollandes im Jahr 2012 (deren hoffnungsvoller Ausblick aus heutiger Perspektive bereits wieder hoffnungslos antiquiert wirkt).

Aufmerksame LeserInnen haben vielleicht schon bemerkt, wo mein Problem mit dem Buch liegen wird: Der Fokus liegt viel zu sehr auf den Wahlkämpfen und dem politischen Personal. Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte kommen zwar vor, aber dominant ist klar die klassische Geschichte großer Männer, wie sie politische Allianzen schmieden und wer wann an die Macht kommt. Der Autor hat zudem die nervige Neigung, Namen zu nennen, um seine eigene Belesenheit unter Beweis zu stellen, nicht, weil diese Namen danach je wieder vor kommen würden.

Das wäre weniger lässlich, wenn der Erkenntnisgewinn ausreichend groß wäre, aber leider ist das Werk auch im Bereich der Analyse eher schwachbrüstig aufgestellt. Ich erfahre zwar viel, wer wann mit wem an der Regierung ist, welches Ereignis eintritt und warum eine Regierung es nicht vermag, die Wahl zu gewinnen. Die unterliegenden Prozesse aber sind sehr oberflächlich behandelt, was vor allem im 20. Jahrhundert zu einer Gleichförmigkeit der Analysen führt – Reformstau, Unzufriedenheit, Abwahl, Neuwahl, enttäuschte Erwartungen, rinse, repeat. Da wäre mehr möglich gewesen, das beweist Whites weiter oben vorgestelltes Buch.

Simon Schwartz – Das Parlament – 45 Leben für die Demokratie

Gerade in Deutschland wird die Demokratie viel zu wenig gefeiert, weswegen ein Buch wie „Das Parlament“ gerade recht kommt. 45 Parlamentarier und Parlamentarierinnen werden in Comicform vorgestellt. Jede Person bekommt eine DIN-A4-Seite in einem jeweils eigenen Stil, der zu der Person und ihrem Lebensweg passt.

Wie der Titel des Buches bereits sagt liegt der Fokus auf dem Parlament; Regierungspersonal sucht man daher vergebens. Viel mehr geht es um solche Menschen, die keine Ämter trugen, weswegen auch Giganten wie Herbert Wehner fehlen, sondern um solche, die ihr Leben in den Dienst der Demokratie stellten, ohne je in die erste oder, in vielen Fällen, auch nur die zweite Reihe vorzurücken. Die vermutlich einzige Ausnahme dieser Regel ist Heinrich von Gagern, aber angesichts des Desasters von 1848 ist das zu verkraften.

Wem also der Geist nach ein klein wenig demokratischer Hagiographie und leicht verdaulicher Information über diese Biographien steht, der könnte wahrlich schlechter tun als dieses Buch zu lesen – oder jemandem zu schenken.

{ 34 comments… add one }
  • R.A. 5. August 2020, 10:23

    „Mich interessiert dabei weniger die Geschichte des mittelalterlichen Landes, einfach weil mich das Mittelalter generell kalt lässt; die moderne nation ist es, die mich interessiert.“
    Du wirst keine moderne europäische Nation verstehen können, wenn Du nicht ihre mittelalterlichen Wurzeln kennst.
    Mittelalter und frühe Neuzeit sind die Zeit, in der sich die Nationen herausgebildet haben und in der sich ihre Mentalität geprägt hat. Du wirst auch keinen Erwachsenen wirklich beurteilen können, wenn Du seine Biographie nur ab Studienabschluß kennst.

    • Stefan Sasse 5. August 2020, 12:57

      Gleichzeitig sagt die Kindheit aber deutlich weniger aus als der Studienabschluss, um im Bild zu bleiben. Ich bin sehr skeptisch gegenüber dieser mythischen Idee des „Nationalcharakters“, der dann gerne aus dem Mittelalter heraus konstruiert wird. Es ist ganz interessant, und man sieht Kontinuitäten, aber mindestens genau so viele Brüche. Ich meine, wir haben nur noch sehr wenig aus dem Kaiserreich in der aktuellen BRD; die Idee, dass wir heute von Otto dem Großen definiert würden, ist hanebüchen.

      • Hias 5. August 2020, 13:54

        Von Otto dem Großen vielleicht nicht, aber dass der Föderalismus der heutigen Bundesrepublik samt breitgefächerter Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur ein Ergebnis aus mehreren Jahrhunderten heiligen römischen Reiches sind, das ist nicht zu leugnen. Und da gibt es deutlich mehr Beispiele.

        Aber ganz persönlich bin ich bei Dir, das Mittelalter lässt mich auch eher kalt.

        • Stefan Sasse 5. August 2020, 14:05

          Klar. Aber die Gemeindereform von 1973 ist doch deutlich relevanter für die heutige Siedlungsstruktur als die Ernennung Esslingens zur Reichsstadt. Klar ist letzteres relevant, aber ich verstehe problemlos heutige Strukturen mit der Geschichte ab 1800 – aber sicher nicht mit der Geschichte BIS 1800. Die Geschichte vor 1800 gibt mir ein bisschen Kontext. Aber mit deutlich abnehmendem Grenznutzen.

          • Hias 6. August 2020, 18:59

            Naja, Du bist mir da zu tief unterwegs. Oder anders formuliert, ich denke mal, die Tatsache, dass wir heute vergleichsweise (wirtschaftlich) starke Regionen und Klein- und Mittelstädte haben, das würde ich zu einem nicht unwesentlichen Teil auf die Kleinteiligkeit des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation zurückführen (also auf die Tatsache, dass es sowas wie Reichsstädte überhautp gab).
            Um solche über Jahrhunderte entwickelte Strukturen zu ändern, da braucht es schon ein bisschen mehr als ne Gebietsreform.

      • R.A. 5. August 2020, 18:21

        „Gleichzeitig sagt die Kindheit aber deutlich weniger aus als der Studienabschluss“
        Klar. Je länger her, desto weniger Einfluß.

        „Ich bin sehr skeptisch gegenüber dieser mythischen Idee des „Nationalcharakters“, der dann gerne aus dem Mittelalter heraus konstruiert wird.“
        „Nationalcharakter“ ist ein emotional aufgeladener Begriff, den ich lieber nicht verwende. Deswegen habe ich „Mentalität“ geschrieben. Also eher neutrale Feststellung, daß unterschiedliche Völker unterschiedlich „ticken“ und sich in Gebräuchen und Weltsicht unterscheiden.
        Bis zum Hochmittelalter hat sich herausgebildet, was Europa von anderen Kulturen unterscheidet. Die Nationen haben sich so halbwegs sortiert, sind sich aber noch relativ ähnlich (deswegen ist Migration noch verblüffend einfach).

        Erst mit dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit differenzieren sich dann die Nationen, insbesondere in ihrem Verhältnis zum Staat.

        „Ich meine, wir haben nur noch sehr wenig aus dem Kaiserreich in der aktuellen BRD“
        Das wilhelminische Kaiserreich hat nur ziemlich kurz gewirkt und davon ist fast nichts geblieben.
        Aber das alte Kaiserreich hat Deutschland sehr stark geprägt. Die meisten Charakteristika die man als „typisch deutsch“ bezeichnen könnte haben sich in dieser Zeit herausgebildet.
        Wenn z. B. heute die Franzosen politische Proteste über (für deutsche Verhältnisse krass gewalttätige) Straßenaktionen machen, während die Deutschen vors Verwaltungsgericht gehen – das hat sich vor 1800 herausgebildet.

        „dass wir heute von Otto dem Großen definiert würden, ist hanebüchen.“
        Otto der Große hat die Grundlage dafür gelegt, daß Deutschland sich überhaupt in der Folge definieren konnte. Ansonsten ist von ihm tatsächlich kein direkter Einfluß mehr da.

        • Stefan Sasse 5. August 2020, 18:50

          Ja, da widerspreche ich dir nicht.

        • TBeermann 5. August 2020, 21:02

          Aber gerade wenn es um Mentalität geht, ist in Deutschland praktisch keine Einheit vorhanden. (Was auch wenig überrascht, nachdem Deutschland aus der mitteleuropäischen Resterampe zusammengeklaubt wurde).

          Jemand aus Schleswig-Holstein oder Nord-Niedersachsen hat mit einem Dänen oder Holländer mehr gemeinsam, als mit einem Niederbayern, der wieder eher den Österreichern ähnelt.

          • Ariane 6. August 2020, 00:18

            Jep, auch weil die Zeiten zu kurz waren und sich das Land immer komplett geändert hat, nach dem Krieg die Flüchtllinge aus dem Osten, dann die DDR bis zum Mauerfall. Nicht zu vergessen auch die Unterschiede in der Religion. Und die kleinen versprengten Minderheiten in Deutschland (gut, die spielen eher keine Rolle im Vergleich zu anderen Ländern).

        • Ariane 6. August 2020, 00:16

          Das wilhelminische Kaiserreich hat nur ziemlich kurz gewirkt und davon ist fast nichts geblieben.

          Nein, hier widerspreche ich deutlich. Gerade weil die Staatsgründung in diese Zeit fiel, ist extrem viel davon geblieben. Ich erinnere nochmal an den empörten Aufschrei, weil ich jede Bismarck-Statue in den See werfen möchte. Auch das BGB und die Hochzeit der Industrialisierung fallen in diese Zeit, genau so wie Deutschlands deutlicher Aufstieg zur Weltmacht.

          Deswegen haben wir immer noch soviele Sonderrechte für Bayern zb. Insofern würde ich es eher andersherum sehen, von davor ist wenig (realistisches) geblieben. Otto der Große war Sachse und kein Deutscher. Dass Sizilien oder andere Gebiete Italiens mit zu deutschen Fürstentümern/Kaisern gehörten, weiß heute doch kein Mensch mehr. Gleiches mit Staufern und Welfen. Das ist nice to know wie Stefan sagt, aber es hat nichts mit deutscher Mentalität zu tun. Die war halt noch nicht ausgebildet, wenn dann kann man es höchstens als christliche Mentalität sehen, DAS war nämlich der Konflikt zb gegen die Ungarn, das waren keine Nationalkriege.

          • cimourdain 6. August 2020, 09:48

            „Auch das BGB und die Hochzeit der Industrialisierung fallen in diese Zeit,…“ Vergiss nicht den Duden und die Miquelsche Steuerreform, beides bis heute im Kern wirksam.
            „Dass Sizilien oder andere Gebiete Italiens mit zu deutschen Fürstentümern/Kaisern gehörten,…“ ist keine Kunst, Die Insel hat wirklich jedem mal gehört. Interessanter ist, dass die Stauferkaiser, auf die du dich da beziehst bisher nicht in der Diskussion um Mittelalter HHR und Nationalmythologie aufgetaucht sind, weder Barbarossa noch Friedrich II (der bis heute in Palermo ist.)
            „Deswegen haben wir immer noch soviele Sonderrechte für Bayern zb.“ Da kann man schön überspitzt die unterschiedlichen Sichtweisen auf Historisches abbilden: Auf der ‚mythologischen‘ Seite haben wir die Geschichte von dem träumenden König, der sich auf einem Berggipfel im schönsten Teil seines Landes ein Schloss gebaut hat, um der Welt zu entfliehen und der Musik zu lauschen, bis er von einem Verräter in den Tod getrieben wurde. Auf der ‚prosaischen‘ Seite würde Stefan Sasse erklären, dass Adenauer die CSU privilegierte, um die bayerische SPD (Hoegner) kleinzuhalten, und diese dann daraus ihren Exzeptionalismus gestrickt hat.

            • Ariane 6. August 2020, 10:49

              Vergiss nicht den Duden und die Miquelsche Steuerreform, beides bis heute im Kern wirksam.

              Stimmt, Knigge Ende des 18. Jahrhunderts, aber passt da auch noch ganz gut rein. Das ist in Deutschland vielleicht auch so ein gesondertes Problem, weil die Nation so spät entstanden ist, dass es da echt viel ausgemacht hat, dass damals schon alle lesen und schreiben konnten (bzw die meisten). Im Mittelalter, wenn Karl der Große mal was schreiben ließ, hatte das ja nicht so einen durchschlagenden Effekt auf die Massen.

              Und mit Sizilien hast du recht, obwohl Otto der Große durch Adelheid auch Besitz in Italien hatte. Aber das ist heute ja in Vergessenheit geraten, da haben wir Malle. 😛

              Und ja, es gehört schon beides zusammen. Würde sagen, das eine ist so ein bisschen die Verwaltungsstruktur und das andere der Mythos. Gerade Deutschland hat ja so ein Faible für tragische Romantik, siehe Werther.

              • Stefan Sasse 6. August 2020, 13:13

                Meine These wäre, dass ich wesentlich mehr Brüche als Kontinuitäten habe.

              • cimourdain 6. August 2020, 18:15

                „Stimmt, Knigge Ende des 18. Jahrhunderts, aber passt da auch noch ganz gut rein.“ Insofern als dass in der Gründerzeit sein Name von „Über den Umgang mit Menschen“ zu „Über den Umgang mit Essbesteck“ trivialisiert wurde. Soviel zum Erbe der Aufklärung.

      • sol1 7. August 2020, 23:08

        So etwas wie Nationalbewußtsein gab es ja bis vor gut 200 Jahren gar nicht:

        /// Er freue sich schon auf die Rückkehr ins „Vatterland“, notiert etwa ein Schweizer Mitte des 16. Jahrhunderts nach fünfjährigem Aufenthalt in Frankreich wenige Kilometer vor seiner Heimatstadt Basel. Um die gleiche Zeit verspürt ein Goldschmiedegeselle auf Wanderschaft in Italien und Süddeutschland „große Sehnsucht nach Breslau, meinem Vaterland“. Mit keinem Wort erwähnt Martin Wintergerst nach jahrzehntelanger Reise, die ihn bis nach Ceylon führte, 1710 die Heimkehr ins Reich, dafür aber die Ankunft „in meinem Vatterland und Geburts-Stadt Memmingen“.

        Ebenso wie „Vaterland“ bezeichnete auch „patria“ allenfalls in Sonntagsreden und pathetischen Aufrufen das Reich. Im Alltäglichen bezogen sich beide Begriffe bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf einen relativ kleinen, engumgrenzten Raum, eine Reichsstadt oder landesherrliche Stadt, ein Fürstentum, eine Grafschaft oder eine Landschaft. Für einen Reichsstädter war schon der Bewohner des benachbarten Dorfes ein „frembder“. Als „landsmann“ erkannte man bei Begegnungen in der Ferne nicht den Angehörigen der „teutschen nation“, sondern einen Menschen aus derselben Stadt oder Region. (…)

        Von deutschem Nationalbewußtsein findet sich in den zwischen Humanismus und Aufklärung niedergeschriebenen Reiseaufzeichnungen, den privaten wie den zur Veröffentlichung bestimmten, keine Spur. Auch Sprachen oder Dialekten schenkten Reisende kaum Beachtung, jenen „Sprachpatriotismus“, dessen Wurzeln manche Historiker in der Reformationszeit erkennen wollen, bezeugen ihre schriftlichen Hinterlassenschaften jedenfalls nicht. ///

        https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/geisteswissenschaften/sehnsucht-nach-breslau-meinem-vaterland-1134197.html

        • Ariane 8. August 2020, 01:06

          Spannend, danke 🙂

        • Stefan Sasse 8. August 2020, 09:21

          Mein ich ja. Das meiste von dem, was uns heute prägt, ist nicht sonderlich alt.

          • R.A. 8. August 2020, 11:31

            „Das meiste von dem, was uns heute prägt, ist nicht sonderlich alt.“
            Nur bei oberflächlicher Betrachtung.
            Ich verweise noch einmal auf das Beispiel mit den Straßenprotesten in Frankreich. Das ist eine sehr alte Tradition, nicht Erbe der französischen Revolution, sondern Voraussetzung.
            Für Deutsche war und ist das ziemlich unverständlich. Gewalt und Randale sind kein zulässiges Mittel der innenpolitischen Auseinandersetzung – und das ist eine jahrhundertealte Gewohnheit.
            Die Deutschen gehen stattdessen vors Verwaltungsgericht. Was wiederum die Franzosen eher merkwürdig finden.
            Die übrigen europäischen Völker liegen irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.

            • Stefan Sasse 8. August 2020, 13:24

              Die Teilnehmer des Bauernaufstandes würden dir glaube ich widersprechen. Genauso wie vielen Kläger vor den französischen parlaments.

        • R.A. 8. August 2020, 11:26

          „So etwas wie Nationalbewußtsein gab es ja bis vor gut 200 Jahren gar nicht:“
          Das ist falsch. Neu vor 200 Jahren war, daß die Deutschen (wie alle) von der französischen Revolution den verengten Begriff des „Nationalstaats“ übernommen haben. Also die theoretische Idee, daß Staat und Nation übereinstimmen müssen. Diese Idee hat seitdem extrem viel Unheil angerichtet.
          Aber die Idee von der deutschen Nation und das entsprechende Nationalgefühl sind viel älter.

          Und erst ab dann bezog man „Vaterland“ nicht auf die Region mit ihrem jeweiligen „Landesvater“, sondern auf ganz Deutschland. Es wird also nur dieser Begriff angepaßt, das heißt nicht, daß sich die Deutschen nicht schon vor als Nation gesehen hätten.

          Steht da ja auch:
          „Als „landsmann“ erkannte man bei Begegnungen in der Ferne nicht den Angehörigen der „teutschen nation“, sondern einen Menschen aus derselben Stadt oder Region. (…)“
          Es geht also um das Land (staatlich gesehen), den Landsmann, das Vaterland – aber nicht um die Nation. Die ist deutsch.

          „Von deutschem Nationalbewußtsein findet sich in den zwischen Humanismus und Aufklärung niedergeschriebenen Reiseaufzeichnungen, den privaten wie den zur Veröffentlichung bestimmten, keine Spur.“
          Reiseaufzeichnungen sind nur eine sehr spezielle Untersorte Quellen. Wenn diese Behauptung überhaupt stimmt (was ich bezweifele), dann hat das wenig zu sagen. Weil es ja außerhalb von Reiseaufzeichnungen genug Beleg gibt.

          Wenn es z. B. im Sachsenspiegel heißt, bei der deutschen Königswahl hätte der böhmische König kein Stimmrecht, dann wird das begründet mit „er ist kein teutscher Mann“. Das ist eine Argumentation rein aus dem Nationalgefühl heraus.

          Und auch die anderen im Mittelalter entstehenden Nationen haben das so gesehen, in Bezug auf sich selber wie auf die Deutschen.
          Siehe Johannes von Salisbury 1160:
          „Who has constituted the Germans judges of the nations? Who has conferred authority on these brutal and impetuous men of electing at their will a prince over the sons of men?“
          Er beschreibt also die Deutschen nicht nur als eine der Nationen, er schreibt ihnen auch schon einen Nationalcharakter zu. Wobei aus z. B. italienischer Sicht die Engländer wohl genauso als „brutal und ungestüm“ eingeschätzt wurden 😉

          „Auch Sprachen oder Dialekten schenkten Reisende kaum Beachtung“
          Logisch. Der normale Reisende verstand ja schon den Dialekt drei Landstriche weiter kaum, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachen und Sprachfamilien war ihm egal und kam auch nicht in den Reisebericht. Man verständigte sich europaweit mit Latein.

          Ansonsten aber spielte Sprache eine entscheidende Rolle, wenn Leute irgendwo nach Herkunft (und eben nicht nach Staat) sortiert wurden: Auf Konzilien, in den Ritterorden, an den Universitäten.

          • Ariane 8. August 2020, 15:37

            Jep mit der Sprache gebe ich dir recht. Dazu kommt in Deutschland noch, dass wir sowohl sprachlich (die Protestanten haben erst mit Luther modernes Hochdeutsch gelernt) als auch religiös getrennt sind.

            Und ein Nationalcharakter entsteht meistens im Vergleich (oder Bedrohtwerden) zu anderen Nationen. In Frankreich/England war zb der 100jährige Krieg da ziemlich ausschlaggebend, gerade Frankreich war vorher überhaupt keine eigene Nation. Und in England gabs das vorher mit den Dänen und den Normannen.
            Deutschland ist da ähnlicher zu Italien, die auch recht spät eine geeinte Nation geworden sind und übrigens auch einen ganz extremen Gegensatz zwischen Nord/Süd haben und sehr verteilte Machtzentren.

            Da spielen die groben Linien aber eine größere Rolle als einzelne Ereignisse/Epochen. Wie gesagt, meiner Meinung nach kommt eben dazu, dass 1800 (was ich spontan mal als Startschuss (napoleonische Kriege) zur Ausbildung eines Nationalcharakters nehme) die „Propagandamöglichkeiten“ auch ganz andere waren. Da konnten viel mehr Leute lesen und schreiben, da gab es bereits ein großes Bürgertum, das daran mitgewirkt hat. Kein Vergleich zu 1066.

            Und dazu noch das Sonderproblem, dass Deutschland es keine 2 Generationen geschafft hat, mal ein durchgehendes Staatsgebilde aufrecht zu erhalten, womit die „Nation“ immer noch undefinierter war als in anderen Ländern. Ich glaube, dieser Gegensatz zwischen Großdeutschland und Kleindeutschland ist auch recht einmalig.

    • Ariane 5. August 2020, 14:44

      Ich mag das Mittelalter, das hat aber auch viel mit meiner Vorliebe für Religionsgeschichte zu tun, das war damals noch mehr im Fluss.

      An sich gebe ich sowohl R.A. als auch Stefan recht. Um die heutige Welt zu verstehen, ist es meistens wichtiger, die Mytholisierung (oder wie man das nennen soll) zu kennen als die wirkliche Geschichte. Otto der Große hat mit dem Nationalcharakter des späteren Deutschlands in der Realität exakt null zu tun.

      Die Epoche im 19. Jahrhundert als plötzlich fieberhaft versucht wurde, überhaupt eine deutsche Nation zu definieren dagegen sehr wohl. Da gehört Siegfried aber genauso rein wie Faust, obwohl das literarische Figuren sind. Ich persönlich hege ja auch das Vorurteil, dass irgendwann da diese unheilige Allianz mit den Ökofuzzis entstand, die wir heute haben. Diese „zurück zur Natur“-Sache ist in Deutschland irgendwie immer ein wenig merkwürdig geraten. Siehe auch Steiner mit den Waldorfschulen, auf der Schiene waren einige unterwegs.

      Die Nationalhelden, bei denen heutzutage alle Muffensausen bekommen, wenn die Denkmäler gestürzt werden sollen – Bismarck, Churchill, Napoleon, Washington – sind im Laufe der Jahre genauso literarische Figuren geworden wie Achilles, Odysseus, Kassandra, Jesus(!), Frodo, Beowulf, Boudicca und wie sie alle heißen. Die Nerdstreamera des 19. und 20. Jahrhunderts halt.

      Mit den realen Geschehnissen hat das wenig bis nichts mehr zu tun. Deswegen – um den Bogen zu schlagen, ist es ja so wichtig, das zu dekonstruieren.

      Können Cimo und ich ein Lied davon singen, weil die meisten heute zb nicht mehr wissen, dass Kassandra am Ende übrigens recht hatte 😉

      • Stefan Sasse 5. August 2020, 16:06

        Genau, aber das ist ja dann wieder Geschichte des 19. Jahrhunderts. Meta-Geschichte zwar, aber trotzdem modern.

    • cimourdain 5. August 2020, 18:09

      Eine Ergänzung: Nicht nur der Nationalstaatsgedanke (den ich in dem Zusammenhang nichtüberschätzen würde, der zitierte Otto war z.B. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ohne Zusatz), sondern auch den politischen Europabegriff würde ich auf das Mittelalter zurückführen und zwar als Fortführung des Einflussbereichs des lateinischen Christentums. So gesehen waren die Kreuzzüge das erste ‚gesamteuropäische‘ Projekt.

      • Stefan Sasse 5. August 2020, 18:49

        Alles korrekt, aber das ist halt ein „nice to know“. Die EU wurde nicht gegründet, weil es mal Kreuzzüge gab, sondern weil die politische Situation nach dem Zweiten Weltkrieg es attraktiv machte.

      • Ariane 6. August 2020, 00:22

        Nö, genauso kann man sagen, die Römer waren das erste gesamteuropäische Projekt und danach Karl der Große. Im Übrigen musste man vor den Kreuzzügen erstmal darauf achten, dass die Moslems nicht auch noch Frankreich miterobern.

        Das ist auch meiner Meinung nach nichts besonderes, das haben wir in Arabien, Asien, Amerika genauso gehabt. Weil logischerweise man eher mit den Nachbarländern Streit oder eine Allianz hatte.

        Aber das Wissen ist zu tief vergraben, normale Leute haben da absolut null Plan von, wir sind hier schon ne echte Nerdecke, aber wenn du aufm Mittelaltermarkt gehst und da rumfragst, erfährst du vermutlich mehr über Herr der Ringe als über das echte Mittelalter (oder Spezialkram wie das Schmieden eines Schwertes oder sowas).

  • Ariane 5. August 2020, 14:27

    Oah nee, meine Bestellung aus dem letzten Monat musste irgendwie wegen technischer Probleme verschoben werden. ^^

    Schwarzer war – meine ich – auch mehr im französischen Feminismus aktiv. Das ganze Thema ist damals in den 68ern in Deutschland total untergegangen, da ging es mehr um Altnazis, Pazifismus, Rechts/Links-Gegensatz. Dann waren die einen Frauen plötzlich Terroristinnen wie Meinhof und Ensslin, andere wollten lieber nackte Kommunen gründen wie Uschi Obermaier oder Skandalnudeln wie Nina Hagen.

    Insofern gebührt Schwarzer das Verdienst, keine Terroristin zu sein und da im Vergleich erheblich seriöser unterwegs gewesen zu sein. Historisch gesehen war die Emma auch wichtig als feministische Stimme. Das Problem ist wie du auch sagst, eher die Verengung des Blickwinkels in der deutschen Debatte. Mal abgesehen davon, dass ich die Unterhaltungsschiene in diesen Belangen eben auch wichtig finde, da hat auch der Zusammenschluss von LGBT-Menschen und Feministen gut funktioniert. Das war insgesamt für die Akzeptanz von Frauen und LGBT-Menschen vermutlich sehr viel wirkmächtiger. Siehe Olivia Jones, Hella von Sinnen, Dirk Bach, Uschi Glas (die hatte irgendwann auch so einen Nacktheits-Skandal am Hals) – international Freddy Mercury.

    So wirklich intellektuell unterfüttert kam das eher wieder mit den Grünen auf, da wurde auch die öffentliche Debatte darum sehr viel diverser.

    • Stefan Sasse 5. August 2020, 16:06

      Guter Punkt, danke. Die 68er waren halt auch wahnsinnige Machos; einer der Faktoren, die der Bewegung das Genick gebrochen haben, war die Trennung der Frauenbewegung von ihr und ihr Begreifen der 68er als Gegner.

    • Dennis 5. August 2020, 22:57

      Ja, so war’s, sie kannte Simone de Beauvoir und damit auch Sartre in ihrer Pariser Zeit ja persönlich, in D war sie ja erst wieder ab ’75 und da ging‘ s dann so zur Sache:

      https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41559127.html

      Diese Fernsehsendung hat die Gemüter erregt und Schwarzer bekannt gemacht, Bei den Frauen überwog „bei weitem“ die Empörung über die mannesfromme Esther, die Mehrheit der Männer störte an Alice die „scharfe Art“ (so war’s lt. Spiegel).

      Lange her, denn zwischenzeitlich hat sie sich auf die alten Tage bei den AWMs durchaus beliebt gemacht^.

      https://taz.de/Alice-Schwarzer-Pegida-und-Islamismus/!5024548/

      ……und kann sich vor lauter Schulterklopfen aus dem rechten Milieu kaum retten. so geht’s halt.

      Zitat Ariane:
      „Siehe Olivia Jones, Hella von Sinnen, Dirk Bach, Uschi Glas.“

      Ähmm…..ich hab ja nix gegen Uschi Glas, warum auch, aber in diese Reihe passt sie aus rein logischen Gründen eigentlich nicht, IMHO. Der alberne Film mit ihr stammt ja aus 1968 und

      ….Zitat:
      „Zur Sache, Schätzchen / mach’ keine Mätzchen / komm’ ins Bettchen / rauchen wir noch’n Zigarettchen.“…….

      sollte vermutlich witzig sein aber zeigte eher, dass „Emanzipation“ zu diesem Zeitpunkt offenbar zuvorderst als men’s lib gedacht war. Women’s lib kam erst in den 70ern dran.

      Zitat Ariane:
      „andere wollten lieber nackte Kommunen gründen wie Uschi Obermaier “

      Na ja, immer nackt waren die ja wahrscheinlich auch nicht und Obermaier war halt erotische Zutat, ansonsten war die Gründung natürlich Männersache. Schließlich ging’s ja angeblich um Wichtiges, nämlich um „Politik“ ^ . Nackedei-Bilder und „provokante“ Interviews (gegen das Schweine-System und ähnlicher Quatsch) wurden im Übrigen verkauft; das berühmte später ikonisch gewordene Bild mit den rückseitigen Körperpartien an den Spiegel, klar. Wieviel Geld der Augstein locker gemacht hat, weiß man nicht. „Macht das Private öffentlich“ galt in diesem Fall nicht.

      Zitat Ariane:
      „….dass ich die Unterhaltungsschiene in diesen Belangen eben auch wichtig finde,“

      Kann sein, ein weites Feld, dazu passt ja auch die Kommune I. Man könnte vlt. sagen, Emanzipation funzt nur, wenn die Leut voll gefressen sind, der Konsumerismus auf Hochtouren läuft und im Übrigen alles unterhaltsam rüber kommt. Wenn Abstiegsängste Raum gewinnen, ist Schluss mit
      lustig 🙁

      • Ariane 6. August 2020, 01:08

        die Mehrheit der Männer störte an Alice die „scharfe Art“ (so war’s lt. Spiegel).

        Ja, ich war auch mal Fan, hab auch noch ihr Buch „Der große Unterschied“ im Regal stehen. Hier auch noch ein alter Artikel über die „Wir haben abgetrieben“-Schlagzeile vom Stern:
        https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0142_ste&object=context&l=de

        Interessanterweise auch aus Frankreich geklaut die Idee. Heute ist sie ja eher eine AWF und die Zeit ist über sie hinweggegangen, aber ihren damaligen Verdienst schmälert es meiner Meinung nach nicht.

        aber zeigte eher, dass „Emanzipation“ zu diesem Zeitpunkt offenbar zuvorderst als men’s lib gedacht war. Women’s lib kam erst in den 70ern dran.

        *hüstel* Auch gut möglich, dass ich das verwechselt habe und ja, das war irgendwie aus heutiger Sicht eine krass machohafte Zeit. Ab den 70ern hat sich das glaub ich etwas diverser aufgestellt, aber Deutschland kommt mir da immer unheimlich provinziell vor. Vielleicht auch verzerrt, aber finde so wie Sassestefan das auch gesagt hat, wir waren da immer eher Rezipienten und logischerweise hatten wir in Deutschland auch noch andere Probleme zu bewältigen.

        Man könnte vlt. sagen, Emanzipation funzt nur, wenn die Leut voll gefressen sind, der Konsumerismus auf Hochtouren läuft und im Übrigen alles unterhaltsam rüber kommt. Wenn Abstiegsängste Raum gewinnen, ist Schluss mit
        lustig

        Ich glaube, es ist beides. Auf der einen Seite ist es Schönwetter-Aktivismus. Wer war denn noch der Promi, der im Fernsehen mal zwangsgeoutet wurde? Hape Kerkeling? Ich glaube schon, dass es auf der einen Seite viel bewirkt, weil die Leute Stars eben verehren, kennt ja auch nicht jeder homosexuelle Menschen oder gar Trans/Queer-Personen, da bleiben oft nur die Prominenten, um zu zeigen, dass das keine Ausgeburten des Bösen sind oder so ein Quatsch.

        Das wirkt oft auf so einer unbewussten Ebene und normalisiert das eben. Das ist aber keine Politik, für gesellschaftliche Veränderungen muss man dann doch wieder gegen die Beharrungspolitik kämpfen, da helfen ein paar Promis und Shows nicht. Sehen wir ja im Feminismus auch, mit Abtreibung führen wir schon wieder dieselben Debatten seit einigen Jahren, nur dass sie jetzt GynäkologInnen verklagen. (schlimmste Verschlimmbesserung eines Gesetzes jemals, das nehme ich der SPD auch wirklich übel).

        Ich persönlich nenne mich deswegen auch lieber Emanze, es braucht einen Zusammenschluss aller Bürgerrechtsgruppen, den gibt es in vielen Bereichen ja schon, die Homosexuellen setzen sich für Frauen ein, die mit ausländischen Wurzeln für Homo/Trans-Rechte, die Frauen für Homosexuelle etc. pp. Gerade weil die alle unter Druck geraten, gerade in so einer Atmosphäre wie jetzt.

  • Ariane 8. August 2020, 01:05

    Ganz passend zur Debatte hat die Zeit gerade einen Artikel über Bismarck und die Reichsgründung:
    https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2020/04/deutsche-reichsgruendung-otto-von-bismarck-preussen/komplettansicht

    • Stefan Sasse 8. August 2020, 09:27

      lol, bei Ute Planert hatte ich mein allererstes Proseminar 😀

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