Dies ist eine Serie über die Geschichte der Europäischen Union, ihr politisches System und die Frage, wie demokratisch sie eigentlich ist. Teil 1 befindet sich hier. Teil 2 befindet sich hier.
Die Aufgabe der Blockadehaltung seitens Frankreich und die Erweiterung der EU in Richtung Norden waren jedoch kaum angetan, in der EG großen Reformergeist zu wecken und die Integration weiter voranzutreiben. Der Anbruch der 1970er Jahre war mit einer Dauerkrise verknüpft, die ich die „Große Krise des Westens“ nenne. Nie schien das Modell des Ostblocks so attraktiv und als Alternative wie in den 1970er Jahren, nie zweifelten die westlichen Länder so sehr an der Überlegenheit ihres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. Es kommt nicht von ungefähr, dass Reagan, Thatcher und Kohl um 1980 alle mit dem Versprechen auf eine geistig-moralische Wende der ein oder anderen Art reüssierten. Auch die EG konnte von dieser Krise nicht unbeeinträchtigt bleiben.
Die große Krise des Westens
Das erste dieser Krisenphänomene wurde bereits Ende der 1960er sichtbar. Die USA, deren Währung, der Dollar, als Leitwährung der Welt fungierte, gerieten unter anderem wegen der gigantischen Ausgaben für den Vietnamkrieg in schwierige finanzielle Fahrwasser. Den europäischen Staaten war aber klar, dass sie für eine Welt der frei schwankenden Währungen zu schwach waren. Auf britische Initiative (!) hin begannen deswegen ab 1969 Überlegungen zu einer europäischen „Wirtschafts- und Währungsunion“ (WWU), die Europa unabhängiger von der Politik der amerikanischen Notenbank machen sollten.
Dieser ersten WWU allerdings war keine lange Lebensdauer beschieden. Es klingt vertraut, aber den europäischen Staaten fehlte eine Koordination ihrer Wirtschafts- und Währungspolitik. Zu disparat waren die verschiedenen nationalen Ansätze, zu schwierig die nationalen Egoismen zu überkommen. Als 1973 der Jom-Kippur-Krieg ausbrach und die OPEC-Staaten mit ihrem Ölembargo gegen den Westen einen riesigen inflationären Druck aufbauten (der gleichzeitig zu dem erwähnten wirtschaftlichen Aufschwung der Sowjetunion beitrug, die plötzlich mehr Devisen für Ölexporte einnehmen konnte), brach das System wieder in sich zusammen. Gleichzeitig beerdigten die USA offiziell das System von Bretton Woods.
In allen EG-Staaten stieg erstmals die Arbeitslosigkeit. Der Westen war in einem neuartigen Phänomen gefangen, das damals zwar beschrieben, aber nicht verstanden wurde: Stagflation, das gleichzeitige Zusammenfallen von Inflation und wirtschaftlicher Stagnation. Nach der herrschenden Lehre war dies eigentlich unmöglich. Auch hier ergibt sich eine spannende Parallele zu heute, wo in allen westlichen Staaten zwar eine ungeheuer expansive Geldpolitik gefahren wird, diese aber von realwirtschaftlichen Effekten praktisch losgekoppelt ist – ohne dass klar wäre, warum oder wie lange der Zustand anhalten wird.
Anstatt sich auf eine Neuauflage der WWU zu konzentrieren, kochten alle EG-Staaten erst einmal ihr eigenes Süppchen. Das funktionierte in etwa so gut, wie die Befürworter der WWU sich das vorgestellt hatten, will heißen: gar nicht. Aber die Energien der EG wurden in dieser Zeit völlig durch zahlreiche kleine und kleinste Streits in Anspruch genommen, die – wegen der von Frankreich 1966 durchgesetzten weiteren Gültigkeit des Einstimmigkeitsprinzips – nur durch teure Ausgleiche zu leisten war. Der Ruf der EU, ihre Probleme durch „faule Kompromisse“ und massive Subventionen in einer aufgeblähten Bürokratie zu lösen, stammt aus dieser Ära. Die EG konnte es sich allerdings auch leisten; mit Ausnahme Irlands waren alle Mitgliedsstaaten leicht in der Lage, zusätzliche Ausgaben für den europäischen Hausfrieden zu stemmen und gleichzeitig ein ärmeres Mitglied zu alimentieren. Dies sollte spätestens ab 2004 nicht mehr möglich sein.
Gleichzeitig trat die GAP immer mehr in den Vordergrund. Bis zu 90% des EG-Haushalts wurden in den 1970er Jahren durch die immer weiter steigenden Kosten der Agrarsubventionen verschlungen. Gleichzeitig wurde sie angesichts des zunehmenden Welthandels und der Unabhängigkeit praktisch aller europäischen Kolonien immer weniger rechtfertigbar, ein Problem, das bis heute allerdings nicht zu ihrer Abschaffung geführt hat. Fairerweise muss man wohl anmerken, dass die oben beschriebene Selbstblockade der EG auch dazu führte, dass die meisten europäischen Initiativen und Fördermaßnahmen außerhalb der EG abliefen, so dass die 90% relativ zwar hoch, absolut aber im Vergleich zum heutigen europäischen Haushalt bei weitem nicht so ausufernd sind. Gleichwohl konnte man sich in den 1970er Jahren des Eindrucks kaum erwehren, die EG sei hauptsächlich zur Subventionierung eines eigentlich nicht wettbewerbsfähigen Primärsektors da.
Wiederbelebung des deutsch-französischen Motors
Gegen Ende der 1970er Jahre erlaubte allerdings ein erneuter Regierungswechsel in Frankreich eine Wiederbelebung des deutsch-französischen Motors des europäischen Einigungsprozesses. Es ist an dieser Stelle vielleicht generell angebracht, die generelle Bedeutung zweier Phänomene hervorzuheben.
Das wäre auf der einen Seite die Innenpolitik der Mitgliedsstaaten. Wenn in einem EG-Staat innenpolitisch die Opposition gegen die EG gewinnbringend ist, wird die jeweilige Politik das üblicherweise für sich nutzen. Und sie ist praktisch immer gewinnbringend. Das führte unter anderem zu der bis heute üblichen unseligen Sitte, Entscheidungen an die EG/EU zu delegieren, für die man selbst die Verantwortung nicht übernehmen will. Man denke nur an das Glühbirnenverbot.
Auf der anderen Seite ist aber auch wahnsinnig wichtig, wer in den entscheidenden Mitgliedstaaten gerade an der Regierung ist. Wenn das jeweilige Regierungspersonal gegenüber der europäischen Integration aufgeschlossen ist, sind wesentliche Schritte möglich. Wenn nicht, kommt die EU praktisch nicht voran. Und hier gibt es, anders als beim Problem der auf die EG durchschlagenden Innenpolitik, eine klare Hierarchie innerhalb Europas. Denn nur die großen Staaten spielen hier eine Rolle. Wenn Slowenien an weiteren Integrationsschritten integriert ist und für diese wirbt, ist das bedeutungslos. Wenn Frankreich es tut, zwingt es die anderen zur Positionierung. Deswegen sind etwa die Merkel-Jahre in dieser Hinsicht auch so verlorene Jahre.
Gleichzeitig ist es aber notwendig, dass solche Regierungen auf befreundete Regierungen in den anderen mächtigen Mitgliedstaaten stoßen. Wie wir aktuell sehen können, ist ein reformfreudiger, die Integration vorantreibender Macron machtlos, wenn eine blockierende Merkel sein Gegenüber ist. Nur wenn in den relevanten Staaten integrationswillige PolitikerInnen gleichzeitig an der Macht UND willens zur Zusammenarbeit sind, wird etwas passieren.
Ende der 1970er aber ergab sich genau diese Konstellation. In Deutschland regierte Helmut Schmidt, während in Frankreich ein Konservativer namens Giscard d’Estaing an die Macht kam. Man sollte nicht annehmen, dass diese unterschiedlichen Charaktere – hier ein Sozialdemokrat, dort ein verkappter Aristokrat – sonderlich gut zusammenarbeiten würden, aber genau das war der Fall. Die Konstellation sollte sich durch einen historischen Glücksmoment in der überraschenden Freundschaft zwischen dem bräsigen Konservativen Kohl und dem sozialistischen Lebemann Mitterand wiederholen. Parteiüberlappungen jedenfalls scheinen wenig Aussage dafür zu haben, ob zwei Länder miteinander klar kommen. Schröder verstand sich super mit dem Erzkonservativen Chirac, während weder Merkel etwas mit ihrem Parteifreund Sarkozy noch die mitregierende SPD später etwas mit ihrem ostentativen Verbündeten Hollande anfangen konnte.
Doch Schmidts und d’Estaings gutes Verhältnis erlaubte 1979, gerade rechtzeitig zur zweiten Ölkrise, einen zweiten Anlauf für die WWU. Angesichts des Scheiterns der WWU sechs Jahre zuvor backte man dieses Mal kleinere Brötchen. Die EG-Staaten vereinbarten das Europäische Währungssystem (EWS), das bestimmte Wechselkurse festlegte, anhand derer eine Art „Band“ definiert wurde, innerhalb dessen sie schwanken durften. Dieses Band wurde mit +/- 2,5% angesetzt. Verlor also etwa der Franc um mehr als 2,5% gegenüber der Mark, würde die Bundesbank Franc kaufen; gewänne die Mark gegenüber dem Franc um mehr als 2,5%, verkaufte die französische Notenbank Mark – um das System stark vereinfacht darzustellen.
Gleichzeitig wurde auch eine gemeinsame Verrechnungseinheit eingeführt, die European Currency Unit (ECU). Für sie gab es kein Bargeld, und praktisch niemand bezahlte seine Rechnung in ECU, aber die Verrechnungswährung bewährte sich und gab der Finanzbranche wie den Notenbanken wertvolle Erfahrung mit einer gemeinsamen Währung, die später in das Euro-Projekt einfließen sollten und dieses auch nachhaltig prägten – vor allem was den starken Fokus auf der Stabilität der Währung anbelangte.
Demokratisierung, die erste
Doch nicht nur auf der Ebene der Gipfeldemokratie bewegte sich Ende der 1970er Jahre etwas in der EG. Im Jahr 1979 fand neben der Einführung des EWS auch die erste Direktwahl des Europäischen Parlaments statt. Die Mitglieder der Institution waren bislang von den Landesparlamenten gewählt und entsandt worden, in einem Prozess, der der Wahl der Bundesversammlung in Deutschland nicht unähnlich ist und auch entsprechend wichtig gesehen wurde – will heißen, rein symbolisch. Dieses unbestreitbare Defizit an demokratischer Legitimation sollte durch eine Direktwahl des Parlaments ausgeräumt werden.
Man hoffte dadurch auch, ein bisschen mehr Europa-Gefühl in der Bevölkerung verankern zu können. Denn die Abgeordneten im Europäischen Parlament sitzen nicht nach Ländern, sondern allein nach Fraktionen getrennt. Der Schönheitsfehler der Operation ist der Mangel an einem europäischen Wahlrecht; innerhalb der Mitgliedsstaaten wählt jedes Land selbst, so dass die gewählten Abgeordneten erst nach der Wahl mit ihren europäischen Mutterparteien verschmelzen und selbige in der öffentlichen Wahrnehmung praktisch keine Rolle spielen, ein Konstruktionsfehler, der bis heute Bestand hat und zu den dringlicheren Reformaufgaben der europäischen Demokratie gehört.
Doch diese Öffnung der EG gegenüber ihren eigenen Bürgern war bei weitem nicht die einzige Demokratisierungsbewegung jener Epoche. In Griechenland, Spanien und Portugal fielen in den 1970er Jahren die faschistischen Diktaturen, die diese Länder bis dato regiert hatten – weitgehend friedlich und ohne, wie viele befürchtet hatten, den Verlockungen des Sozialismus östlicher Prägung anheim zu fallen.
Gleichwohl war den EG-Staaten sehr wohl bewusst, wie Jahrzehnte der Unterdrückung und Unterentwicklung diese Staaten gegenüber dem Rest Europas hatten zurückfallen lassen. Spanien etwa war schon während des Bürgerkriegs in den 1930er Jahren relativ zu Deutschland oder Frankreich unterentwickelt gewesen; beim Tod Francos 1975 betrug sein Pro-Kopf-Einkommen gerade ein starkes Drittel im Vergleich zu Deutschland. Ähnlich sah die Lage in Griechenland aus; in Portugal war sie fast noch trostloser, und das Land musste zudem eine gewaltige Flüchtlingswelle aus seinen in den 1970er Jahren unabhängig werdenden Kolonien absorbieren, hatte es doch in den Jahrzehnten zuvor eine aktive Siedlungspolitik betrieben. Diese Siedler waren nun in Afrika unerwünscht, aber noch nie in Portugal gewesen und bitterarm.
Die Situation war also, um es milde auszudrücken, volatil. Griechenland stellte als erstes dieser frisch demokratisierten Länder 1975 einen Aufnahmeantrag und die EG damit vor eine Grundsatzfrage. War man vor allem eine Wirtschaftsgemeinschaft? In dem Fall war die Aufnahme Griechenlands und, perspektivisch, auch die Spaniens und Portugals zum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnlos. Alle drei Länder würden sofort zu Empfängern sämtlicher Strukturleistungen, würden wegen ihrer landwirtschaftlichen Struktur erklecklichen Anteil an der GAP haben, auf spezifischen Feldern Konkurrenz machen (etwa die spanische Fischerei) und wegen der Freizügigkeit unliebsame Billigkonkurrenz darstellen.
Vor allem die Frage der Förderung war toxisch. Es war praktisch ausgeschlossen, dass Frankreich den bisher praktisch ihm allein zufallenden Kuchen der GAP plötzlich teilen würde. Gleiches galt für unterentwickelte Regionen innerhalb der neun damals aktuellen EG-Staaten. Würden also die drei südeuropäischen Länder beitreten, würden diese Hilfen zwangsläufig deutlich ausgeweitet werden müssen, damit die bisherigen Empfänger ihr Plazet gaben. Und das war angesichts des Einstimmigkeitsprinzips zwingend notwendig.
Auf der anderen Seite war sehr fraglich, ob die Märkte und Wirtschaften dieser Staaten dem Konkurrenzdruck gewachsen sein könnten und überhaupt je eine Entwicklung stattfinden könnte. Für Deutschland mochte die Aussicht, auf Jahrzehnte Maschinen gegen Oliven einzutauschen durchaus attraktiv sein; der Außenhandelsbilanz konnte es nur helfen. Doch die betroffenen Staaten konnten kaum ein Interesse daran haben, künftig durch die EG in ihren Status betoniert zu werden. Es waren solche Überlegungen und Konflikte, die die Beitrittsverhandlungen langwierig machten – auch wenn dieses Mal kein französisches Veto drohte.
Der Beitritt Griechenlands 1982 zeigte denn auch gleich, wie berechtigt die Sorgen gewesen waren. Das Land nutzt seinen neuen Mitgliedsstatus sofort, um die Aufnahme Spaniens und Portugals zu blockieren, bis die EG diverse Sondervergünstigungen zu gewähren bereit war. Von der anderen Seite des Leistungsspektrums nahm Großbritannien 1984 unter Thatcher, die mit dem berühmt-berüchtigten Aussprach „I want my money back!“ einen 40%-igen Rabatt aushandelte, an diesem widerlichen Spiel teil. Unter Führung Deutschlands und Frankreichs bissen die anderen Mitgliedstaaten seinerzeit in den sauren Apfel und teilten die Kosten dieser Rabatte zähneknirschend im Interesse des Großen Ganzen unter sich auf. Dass dies kein dauerhaftes Rezept für die Zukunft sein dürfte, war offensichtlich.
Bis 1986 war man dann jedoch so weit, dass auch Spanien und Portugal Aufnahme fanden und die EG auf 12 Mitglieder erweiterten. Den Ausschlag hatte letztlich gegeben, dass die Frage, ob die EG ein reines Wirtschaftsbündnis sei, emphatisch mit „nein“ beantwortet wurde – wie bereits zu allen früheren Gelegenheiten, zu denen diese Frage gestellt worden war. Dies sei noch einmal betont.
Die drei südeuropäischen Staaten wurden weder als Absatzmärkte noch als leistungsstarke Partner aufgenommen. Stattdessen überwogen politische Argumente. Alle drei waren bis vor kurzem rechtsgerichtete Diktaturen gewesen. Ihre neuen demokratischen Regime waren frisch und unerprobt, die Kräfte der Reaktion warteten nur darauf, ihre Chance wieder zu bekommen – genauso wie die kommunistischen Parteien der jeweiligen Länder, die dort alle noch Erinnerungen an ihre frühere Stärke hatten, ehe sie von den Faschisten blutig unterdrückt worden waren – mit Unterstützung einiger der jetzigen EG-Staaten (Deutschland, Italien), fallen gelassen von einigen anderen (Großbritannien, Frankreich), dagegen unterstützt von der Sowjetunion.
Das Gespenst einer Mitgliedschaft Spaniens im Warschauer Pakt war zwar nicht sonderlich real, aber für die beteiligten PolitikerInnen trotzdem ein Albtraum – und sozialistische, blockfreie Diktaturen nach dem Vorbild Jugoslawiens waren nicht eben dazu angetan, die Integrität sowohl Europas als auch der NATO zu verbessern. Es waren diese (durchaus realen) Befürchtungen, die den Ausschlag zur Aufnahme der Südeuropäer in die EG gaben. Ähnliche Motive sollten später bei der laxen Betrachtung der Aufnahmekriterien für den Euro erneut eine Rolle spielen.
„die kommunistischen Parteien der jeweiligen Länder…“
Heute vergessen und kaum mehr vorstellbar: Das Gespenst des (Euro-) Kommunismus in Italien, Spanien und auch in Frankreich.
Ja! Echt merkwürdig, wie diese Facette des Kalten Krieges in Vergessenheit geraten ist. Gerade in Italien, da haben sie ja sogar rechtsextreme Milizen gefördert in Erwartung des kommenden Bürgerkriegs. Völlig wild aus heutiger Perspektive.
Richtiger Hinweis auf die Strategie der Spannung, die Aufarbeitung dieses Themas wird gerne unter ‚Verschwörungstheorie‘ abgekanzelt.
Aber im EU-Zusammenhang ist vielleicht erwähnenswert, dass mit Napolitano und D’Alema zwei Staatsmänner aus dem PCI/DS Milieu gekommen sind, die glaubwürdig eine Pro-EU Idee jenseits des Wechselspiels von Populisten und Technokraten vertreten haben.
Wie meinen?
Insgesamt erwiesen sich die verschiedenen europäischen Linksparteien (bislang) als ungefährlich, wobei man natürlich fragen kann, ob das ohne die entsprechenden Maßnahmen auch so gewesen wäre. Ich denke aber, 1968 war der entscheidende Faktor. Zumindest sieht Tony Judt das so…
Wenn dein „Wie meinen? “ auf Verschwörungstheorie gemünzt war, ich bezog mich auf die Darstellung von Daniele Ganser in der deutschen Presse.
„1968“ , da hast du recht, trieb in zweifacher Hinsicht die parlamentarische Linke in eine gemäßigte Haltung: Zum einen in Form des Negativbeispiels ‚Prager Frühling‘, das die hässlichen Seiten des Kommunismus nach sowjetischen Muster zeigte. Zum anderen durch die Abspaltung radikaler Sektierer.
Ja, wobei ich mich in dem Fall vor allem auf den Prager Frühling bezog. Der hat dem Eurokommunismus ziemlich zuverlässig den Garaus gemacht.
Sogar der Sprengstoffanschlag auf den Bahnhof von Bologna geht auf dieses Konto. Nach meinem Kenntnisstand hat sich das lange als „Verschwörungstheorie“ (s. cimourdain) behandelte als Realität herausgestellt.
Ja, das ist kein Ruhmesblatt „westlicher“ Politik, um es milde auszudrücken.
Gladio kennt heute ja kaum noch jemand. Aber früher hieß es jedes Mal, wenn irgendwo ein Waffenlager entdeckt wurde, dass das bestimmt zu Gladio gehörte. Vielleicht nicht mal auszuschließen, dass aus Realität VT wurde und das sich mittlerweile zu einer Sache vermischt hat. Das ist ja das Problem mit so „fünften Kolonnen“ – wenn es sie wirklich gibt, machen die sich einfach selbständig, egal wie lange das offizielle Programm her ist. Dafür nimmt man ja keine lupenreinen Demokraten.
Dass es gar nicht solange her ist, dass in Spanien, Frankreich und Irland ständig Bomben hochgingen, wegen separatistischem Terror ist heute auch vergessen. (die waren aber gezielter und nicht so Amok-Massaker-Terrorismus wie heutzutage)
Also trotz Islamismus und selbst trotz Rechtsterrorismus ist Europa und v.a. Deutschland sehr friedlich geworden insgesamt. Man denkt nur schnell, dass früher alles besser war. Aber selbst die Katalanen versuchen ihren Separatismus friedlich durchzusetzen.
Hallo Stefan
Ab Teil drei war ich sozusagen mit dabei, selbst wenn der eine oder andere Wissensschnipsel verschüttet war. Auch hier wieder vielen Dank für die aufschlussreiche Artikelserie, deren Informationsdichte (inkl. Bewertung) durch die lockere und verständliche Schreibe trotz des trockenen Themas wirklich unterhaltend zu lesen ist.
Ja, der Weg in die Erstarrung mit vielen kleinen, aus Bequemlichkeit in die falsche Richtung führenden ist irgendwie nachvollziehbar. Und das ist, was mich abstößt: Man weiß es, man sieht es, und macht mit den gleichen Fehlern, den gleichen Schritten in die falsche Richtung immer weiter.
Ich sehe das insgesamt positiver: aus den vielen kleinen Schritten, zwei vor, einer zurück, erwächst am Ende halt doch etwas Gutes. Nichts Perfektes oder Großartiges, aber etwas Gutes.
Danke für das Lob indes.