Richard David Precht führt in Shanghai einen Kampf gegen die Inflation, Twitter und Tucker Carlson – Vermischtes 09.05.2022

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) „Es ist ein externer Schock, der auf das Land zukommt“

Wie reagiert die Bevölkerung wohl nun auf die reelle Gefahr eines nachlassenden Wohlstands, auf den die Politik aktuell nur zögerlich reagiert? Eine Rezession, anschließend an die gesellschaftlichen und ökonomischen Zerwürfnisse im Verlauf der Covid-Pandemie, könnte einem kollektiven Frust Vorschub leisten, der politisch sein Ventil finden wird – und den etablierten Mitte-Konsens auflöst. In der Unterschicht, die sich teils schon jetzt von Politik, Medien und staatlichen Institutionen entfremdet hat, wird der nackte Kampf ums Überleben ausbrechen. Die Einmalzahlungen für Hartz-IV-Empfänger sind unzureichend, um Preissteigerungen abzufedern. Die soziale Frage wird sich verstärken und zu neuen Auseinandersetzungen um Ressourcen wie Wohnraum und Sozialstaatsleistungen führen. Dass nun auch noch Hunderttausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine um ebendiese Ressourcen konkurrieren, wird die Spannungen trotz der aktuell vorherrschenden Willkommenskultur noch verstärken. Deutschland sitzt auf einem sozialen Pulverfass. Und schon jetzt ist absehbar, dass sich kaum etwas bewegen wird in der sozialen Frage. Hartz-IV-Erhöhungen oder die Kindergrundsicherung werden auch wegen der Zusatzbelastungen des Bundeshaushalts durch das Sondervermögen für die Bundeswehr kaum zu bewerkstelligen sein, wenn man am Ziel der Haushaltskonsolidierung festhalten will – was aufgrund der Regierungsbeteiligung der FDP als gesetzt gelten kann. (Jörg Wilamasena, Welt)

Die Perspektive, die Wilamasena aufmacht, ist natürlich eine völlig berechtigte. Im herrschenden Diskurs bestehen diese Probleme völlig. Aber es sind die letzten beiden Sätze, die das Ganze so entlarven. Wir haben eine apokalyptische, die ganze demokratische Verfasstheit unseres Staats- und Gesellschaftswesens bedrohende Gefahr – und auf der anderen Seite den ausgeglichenen Haushalt. Get your priorities straight, people. Wenn die Einmalzahlungen nicht reichen, um die Preissteigerungen abzufedern und drohen, Millionen Menschen in bitterste Armut zu stürzen, denn muss man wohl nachschieben. Wenn die Belastung durch ukrainische Flüchtlinge dazukommt, muss man halt gegebenenfalls draufsatteln. Die Alternative ist einfach völliger Quatsch. Dass man das überhaupt ausbuchstabieren muss!

Und ja klar, der Staat kann nicht unbegrenzt  Schulden machen. Das ist mir völlig klar. Aber wenn die Alternative das Horrorszenario ist, dass Wilamasena hier zeichnet, mit all den lebensbedrohlichen Konsequenzen, dann ist es schlicht offensichtlich das kleinere Übel. Ich weiß, dass ihm natürlich Recht wäre, das zum Anlass zu nehmen, die eigenen finanzpolitischen Präferenzen durchzusetzen. Das ist natürlich ein sehr erfolgreicher Hebel, der viel radikalere Politiken erlaubt, als unter normalen, demokratischen Umständen möglich wäre. Damit haben wir ja 1930-1932 auch hervorragende Erfahrungen gemacht.

2) Locked down in Shanghai, I’ve caught a glimpse of our techno-dystopian future

Chinese shopping apps have a function called “group-buying”, which in normal times means people can club together and save money by buying in bulk. In the chaos of the lockdown, this has become one of the only ways to receive a delivery of vegetables or meat. For anyone wondering what a techno-dystopian future might look like, this may offer a clue. Scoring meals can mean hours of monitoring your phone: with tens of thousands of people trying to purchase the same small quantity of goods at any one time, quick typing, fervent refreshing and repeated pressing of “buy” buttons are essential. Digital breadlines form, with many ending up empty-handed as supplies run out in seconds. […] When the lockdown was announced, millions of people had just hours to prepare. It was launched without considering how the elderly or disabled would pass the weeks in isolation, where cancer and diabetes patients would receive life-saving medication and treatment, or how long it would take pregnant women to get to hospital. Tens of thousands of businesses were closed without thinking how employees would get through the month without a pay-cheque or how company owners could pay the rent. Countless residents struggled to find basic provisions as cabbage and pork loins rotted on the shelves. Fewer still were prepared to be carted off to the mass-quarantine facilities that are masquerading as hospitals. Many people have died as a result of not being able to access medical treatment for conditions other than covid, but avoiding covid deaths has been the only thing that mattered to officials. The Communist Party sees this single-mindedness as a quality that allows it to blast through obstacles in its path. But it has also rendered politicians strikingly unaware of how sentiment in the city has shifted in recent weeks. In a letter to guests, a hotel in my district boldly remarked, “Covid is not the thing we are afraid of; it’s [government] policy.” (Don Weinland, Economist)

Wenn man sich anschaut, welche Corona-Politik die chinesische Diktatur fährt, dann weiß man, was eine „Corona-Diktatur“ ist. Angesichts dieser dystopischen Berichte ist die Vorstellung, eine Maskenpflicht im ÖPVN wäre irgendwo in der Nähe des Untergang der Demokratie einfach nur albern. Und es ist eine Dystopie. Hungernde Menschen, eingesperrt in ihren Apartments, die im 1984-Stil von Drohnen dazu angehalten werden, nicht am offenen Fenster zu singen – das könnte aus irgendeiner Netflix-Serie sein, und dann hätte man gesagt, die sollten bitte nicht so dick auftragen. Leider ist nicht damit zu rechnen, dass sich aus dieser unterdrückerischen Erfahrung eine breite Forderung nach Liberalisierung ableiten würde. Wie auch in Russland dient die Krise für den Staat eher dazu, seine Kontrolle auszuweiten. Bedrückend.

3) Vor ihm gibt es kein Entkommen: wie Richard David Precht zum deutschen Nationalpsychologen wurde

Precht ist ein typischer Vertreter seiner Nation. Er hadert aus Prinzip. In Jugendjahren, berichtet er, sei er unter zwanzig Nachwuchsjournalisten, die es in die Vereinigten Staaten verschlagen habe, zum «most stereotype of its country» gewählt worden. Precht wäre nicht Precht, setzte er nicht erklärend hinzu, das läge an seiner Nachdenklichkeit, «das assoziierten die mit Deutschtum, aus amerikanischer Perspektive». […] Precht muss es nicht kümmern. Er schreibt nicht für Akademien, sondern für die Öffentlichkeit, die er selten Masse nennt, obwohl «massenhaft» sein Lieblingsadverb ist. Ausweislich seiner Wirkung gilt Precht als Denker der Massen. […] Sonst vertritt Lanz das Prinzip der Affirmation und lässt seinen Konterpart dadurch in Düsternis erstrahlen: «Da kommt ein Moment, da kann ich ein Glas zu viel trinken und einfach auch an der Menschheit verzweifeln.» Lanz hingegen ist mit der Einrichtung der Welt zufrieden. Er teilt die Bücher, die er kennt und von denen er im Podcast berichtet, in die Kategorien gut, sehr lesenswert, toll, wunderbar und total interessant ein. […] Einer fremden Nation die Kapitulation um des lieben Friedens willen zu empfehlen, steht am Ende eines langen Bildungsromans. Richard David Precht ist der populärste Deutschland-Erklärer, weil er um Absolution bittet für Leidenschaften und Irrtümer, die über ihn hinausweisen. Er verzweifelt an einem ungerecht eingerichteten Universum, ohne an sich zu zweifeln. Er gesteht zu, auf vielen, insbesondere geopolitischen Feldern kein Experte zu sein, und will doch der Welt einen Weg weisen. Er versucht seinen Kopf klar zu kriegen und scheut sich nicht, das Trübe zum archimedischen Punkt der Erkenntnis zu erklären. Er ist der Begriff, auf den die Widersprüche nicht zu bringen sind. (Alexander Kissler, NZZ)

Ich bin ein Precht-Hasser-Hipster. Ich konnte die Schwafelbacke noch nie leiden, schon nicht, als erst mit seinen Büchern frisch rauskam und bevor er zum Chefintellektuellen der Nation wurde. Aber ein Land, in dem Zwiegespräche zwischen Lanz (wie brillant ist die Seitenbemerkung aus dem Artikel!) und Precht als irgendwie intellektuell ansprechend gelten dürfen, muss einen echt nichts mehr verwundern. Kisslers Beobachtungen sind on-point: ohne den geringsten Selbstzweifel zweifelt Precht ständig. Das ominöse „ich stell doch nur Fragen“, das leider viel zu oft als Legitimation für den absurdesten Blödsinn und als Befreiung von der Pflicht zu echten Argumenten gelesen wird, als Erlaubnis jedwede gegenläufige Fakten wegzuwedeln sowieso, es ist schon lange vor Precht verankert gewesen. Er hat es nur perfektioniert. Dass er in einer Symbiose mit den seicht-bescheuerten Polittalkshows zum Star wurde, passt wie Arsch auf Eimer.

4) Frontex-Chef Leggeri tritt zurück

Es ist ein erzwungener Rückzug, Leggeri klammerte sich lange an seinen Posten. Vor anderthalb Jahren hatte der SPIEGEL gemeinsam mit Lighthouse Reports und weiteren Medienpartnern enthüllt, dass seine Agentur in illegale Pushbacks in der Ägäis verstrickt ist. Seitdem war er ein Behördenchef auf Abruf. Die griechische Küstenwache schleppt in der Ägäis Flüchtlinge auf Rettungsflößen aufs Meer hinaus und setzt sie einfach aus. Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge hat sie so drastisch reduziert. Die Aktionen sind illegal, sie verstoßen gegen griechische, europäische und internationale Regeln. Leggeri hatte offenbar nie ein Problem damit. Seine Beamten halfen bei den Pushbacks, so zeigten es die Recherchen von SPIEGEL und Lighthouse Reports, sie orteten und stoppten die Flüchtlingsboote, den Rest überließen sie den griechischen Beamten. Wenn Frontex-Flugzeuge doch mal einen Pushback aus der Luft aufzeichneten, kümmerte Leggeri sich auch persönlich. Mindestens einen klaren Pushback, so zeigten es die Recherchen, vertuschte er, indem er ihn zu den Akten legte. (Giorgos Christides/Steffen Lüdke/Maximilian Popp, SpiegelOnline)

Das alles war schon lange vor der Spiegel-Recherche bekannt. Leggeri tritt nicht zurück, weil er etwas tun würde, das illegitim wäre. Er tut genau das, wofür er eingestellt wurde. Und das macht es noch schlimmer. Er ist das Bauernopfer, das nun erbracht wird, ein Exorzismus, damit sich niemand mit der Realität auseinandersetzen muss: die EU bricht nicht nur gewohnheitsmäßig die Menschenrechte, sondern institutionell organisiert. Und das geht schon seit vielen Jahren so. Frontex ist ein permanenter Rechtsbruch, der nur allzu gerne hingenommen wird, solange niemand allzu offen darüber spricht. Und es sind nur Geflüchtete, das interessiert zum Glück ja praktisch niemanden. Und die gleichen Leute, die überhaut kein Problem mit dem massiven, tödlichen Rechtsbruch von Frontex haben, entrüsten sich dann in tief moralistischen Tiraden mit erhobenem Zeigefinger über die EZB. My kind of humor.

5) Kampf der Inflation – durch mehr Markt

Die strukturelle Ohnmacht der Nachfrager verschärft sich in Zeiten eines (Wirtschafts-)Krieges: Auf den Derivatmärkten schießen die Rohstoffpreise über das durch die Verknappung berechtigte Maß hinaus, und Zwischenhändler erhöhen ihre Gewinnspannen. Dazu kommen „windfall profits“ als Spezialfall von Renten: Ölgesellschaften verrechnen den aktuellen Ölpreis und nicht jenen, zu dem sie eingekauft haben; auch Strom aus Wasserkraft wird teuer. Ein erheblicher Teil solcher Preissteigerungen könnte durch Gründung einer „Agentur für Markttransparenz“ (AMT) verhindert werden. Ihr Ziel wäre es, die Grundlagen für das Funktionieren von Märkten zu gewährleisten: optimale Information für Anbieter und Nachfrager sowie Belebung der Konkurrenz. Dies würde ungerechtfertigten Preiserhöhungen im Zuge der kommenden, weiteren Erhöhung der Rohstoffpreise vorbeugen. […] Besonders unverfroren war die Ausweitung der Gewinnspannen bei Energie, nicht zuletzt wegen der Dominanz weniger Konzerne. Auch hier braucht es mehr Transparenz, dargestellt am Beispiel der Treibstoffpreise: […] Die hohen Gewinne von Energiekonzernen, Einzelhandelsketten und der Immobilienwirtschaft zeigen: Bei den Preisen gibt es viel Luft nach unten. (Stephan Schulmeister, Standart)

Insgesamt: nette Idee, schadet sicher nicht. Aber dass das einen ernsthaften Effekt haben würde, der irgendwo in Problemlösungsregionen kommt, glaubt Schulmeister doch wohl selbst nicht. Selbst wenn so etwas kommen würde, wäre es durch Lobbying so herunterverwässert, dass es das Analog zu den Nährwerttabellen auf Lebensmitteln wäre. Die helfen ja auch massiv bei der Bekämpfung von ungesunder Ernährung und Fettleibigkeit, weil transparent alle Inhaltsstoffe ausgewiesen werden. /Ironie

6) The Neocons Lose One Last War

The failure of this second, policy-centric form of conservatism has been profound. Not only has it failed to secure sufficient electoral support to hold power in the long term, long enough to enact a substantial agenda, but it has even failed to hold the affections of conservative voters themselves. The policies are simply irrelevant, too far removed from the cultural conflicts and the personal woes voters on the right live with every day. The third and latest form of conservatism, “the entertainment wing,” is triumphing over Ryan-style technocracy because it actually speaks to what conservatives care about. Words sometimes do matter as much as deeds, or matter more than policy “solutions” that never pass or never adjust to the ugly realities of 21st-century America. Ryan’s final thoughts on the panel suggested that he has not really opened his eyes to the new dispensation, even if he understands at an intellectual level how immigration and trade became stumbling blocks for his politics. (Daniel McCarthy, The American Conservative)

Ich habe bei diesen Leuten immer das Gefühl, dass sie die Entwicklungen seit spätestens 2015 einfach als einen großen Betriebsunfall sehen wollen, von dem man einfach zum Status Quo zurückkehren könnte, wenn nur die richtige Wahlentscheidung getroffen würde. Das erinnert mich sehr an die Linken, die auch diesem Gedanken anzuhängen scheinen, dass man nur eine richtige Policy-Entscheidung weg von der Wiederherstellung des mythischen Status der Zeit vorher entfernt wäre (wann auch immer die genau war). Der „Neoliberalismus“, so er je als mehr denn ein praktisches Schlagwort bestanden hatte, ist seit spätestens 2016 tot.

Der Abgang Obamas, dem „crowning achievement of meritocracy“ (Chait oder Hayes, ich weiß nicht mehr), und die Wahl Trumps killte diese Plattform in beiden Parteien. Die Republicans sind auf vollem Kurs zur nativistischen Partei, sie fordern offen Protektionismus und reden von aktiver Industriepolitik, während die Democrats mehr und mehr ein neues comittment for unionism finden und das brüchige Bündnis mit Wallstreet, das Obama kurzzeitig aufgebaut hatte und das durch Clinton verlängert zu werden schien, praktisch aufgekündigt haben. Diese Zeit ist rum. Aber das habe ich hier schon argumentiert.

7) Let’s Be Clear About What It’s Like to Be Harassed on Twitter

But the statements of free speech absolutists like Mr. Musk conflates harassment with criticism. I’ve been on the receiving end of both in my two decades of writing columns about media, finance, culture and politics — and there is a material difference between the two. […] However, I’ve also received rape threats, anonymous letters to my home address, threatening comments about my family and all manner of misogynistic pejoratives that are not printable in this newspaper for my stated positions on everything from abortion to hiring practices at start-ups to who the next James Bond should be. I don’t even have to write anything particularly provocative for this to happen; I once got a violent threat for a column I wrote about why I disagree with the way the Bureau of Labor Statistics calculates the Consumer Price Index. These are not uncommon experiences for women and minorities who speak in public, on Twitter and beyond, and I’ve suffered far less harassment than others. It happens all the time. Twitter’s current moderation policies can’t completely prevent it, but they are designed to mitigate it. Twitter requires its users to comply with a terms of service agreement that bans certain types of speech — harassment, in particular. It also has moderation policies in place to combat disinformation. The value of these measures isn’t always apparent to powerful people such as Mr. Musk because if you’re a white man on the internet, you’re far less likely to get a rape threat, and you’re also heavily insulated from the possibility of real-world violence. Mr. Musk insists that the company’s policies are too restrictive. But this is not about free speech in the sense that the First Amendment is — ensuring that the state can’t censor its citizens. What Mr. Musk seems to seek is a kind of infinite license to say almost anything, anywhere. It’s an absolutist definition of free speech that says corporations are obligated to let things that may be harmful to their users or bad for their businesses remain on their platforms because any limitation on speech is de facto censorship and censorship of any kind is worse than the consequences of hate speech, harassment and disinformation. (Elizabeth Spiers, New York Times)

Dieser Artikel hat eine ganze Menge Aufmerksamkeit generiert, und er ist in seiner Gänze lesenswert. In der nächsten Zeit wird zu dem Thema Plattformpolitik was Größeres kommen (ich lese gerade das Buch von Michael Seemann), aber dass bestimmte Gruppen wesentlich stärker unter harassment leiden als andere sollte einfach endlich mal breit anerkannt werden. Generell aber ist es ein Problem von sozialen Plattformen generell. Sobald eine bestimmte Followerzahl überschritten wird, ist eine Art Kipppunkt erreicht, bei dem plötzlich Hassmails, Hassnachrichten und so weiter zum Alltag werden. Nur ein willkürliches Beispiel: Bob Blume, der (völlig verdient) gerade immer prominenter wird, hat kürzlich die 20.000-Follower-Barriere durchbrochen. Und seither hat er täglich Hassnachrichten. Ich weiß nicht, was in den Menschen kaputt ist. Aber dass die Plattformen katastrophal darin sind, irgendetwas dagegen zu tun oder den Betroffenen zu helfen, ist leider Fakt.

8) How Tucker Carlson Stoked White Fear to Conquer Cable

That pattern is no accident. To a degree not broadly appreciated outside Fox, “Tucker Carlson Tonight” is the apex of a programming and editorial strategy that transformed the network during the Trump era, according to interviews with dozens of current and former Fox executives, producers and journalists. Like the Republican Party itself, Fox has sought to wring rising returns out of a slowly declining audience: the older white conservatives who make up Mr. Trump’s base and much of Fox’s core viewership. To minimize content that might tempt them to change the channel, Fox News has sidelined Trump-averse or left-leaning contributors. It has lost some of its most respected news journalists, most recently Chris Wallace, the longtime host of Fox’s flagship Sunday show. During the same period, according to former employees and journalists there, Fox has leaned harder into stories of illegal immigrants or nonwhite Americans caught in acts of crime or violence, often plucked from local news sites and turbocharged by the channel’s vast digital news operation. Network executives ordered up such coverage so relentlessly during the Trump years that some employees referred to it by a grim nickname: “brown menace.” (Nicholas Confessore, New York Times)

Das Profil ist sehr lang und ausführlich und lohnt die Lektüre; ich habe hier nur einen winzigen Ausschnitt zitieren können. Zum Glück hat die NYT auch eine Art Zusammenfassung hier. Auch hier hat die New York Times, wie beim Fundstück 7, jüngst einige Aufmerksamkeit erzeugt. Damit zeigt das Blatt deutlich seine Relevanz, im Gegensatz zu den manchmal wirklich unterirdischen Op-Ed-Seiten.

Aber zum Thema. Tucker Carlson ist einer der widerlichsten Menschen dieses Planeten. Der Mann ist nicht dumm. Und das Ausmaß, in dem er ein komplettes Land vergiftet, ist derzeit wirklich einzigartig. Gut möglich, dass er 2024 als Präsident kandidiert – und gewinnt. Kaum jemand ist als Individuum für so viel Schlechtes verantwortlich wie dieser Typ (außer vielleicht den Koch-Brüdern). Dass man nicht einmal sagen kann, ob er an irgendwas von dem, was er jeden Tag in den Äther brüllt, glaubt, macht das Ganze irgendwie noch schlimmer.

9) Racist Minneapolis Cops Spied on Black Leaders While Ignoring White Hate Groups

The Minneapolis Police Department turned a blind eye to white nationalists and white supremacy movements online, even as its officers created fake social media accounts to surveil and troll law-abiding Black community members “without a public safety objective.” […] The problems at MPD begin with vile language from cops. The report blasts MPD officers who “consistently” use racist language and slurs. “They call Black individuals ‘n***ers’ and ‘monkeys’ and call Black women ‘Black bitches,’” the report reads, adding: “One MPD supervisor referred to Somali men as ‘orangutans.’” The racism was even directed at MPD officers of color, who “reported that their colleagues called fellow Black MPD officers ‘nappy head’ and ‘cattle.’” The report also calls out the stark misogyny of Minneapolis cops, who demean women in the community with epithets like “‘fucking cunt,’ ‘bitch,’ and ‘cussy,’ a derogatory term that combines the words ‘cunt’ and ‘pussy,’” the report says. […] One of the most disturbing revelations from the investigation is how MPD officers have routinely used fake social media profiles to infiltrate Black online spaces — even though they were acting “without a public safety objective.” The report describes these rogue cops spying on, and often trolling, prominent local Black leaders and organizations, without any suspicion of criminal activity. In particular, investigators describe how “MPD officers used fake social media accounts to gain access to … social media profiles of Black groups and organizations, such as the NAACP and Urban League.” The fake MPD social media posts often expressed bigotry, using language “to further racial stereotypes associated with Black people,” the report says. One fake account posed as “a Black community member” and sent “a message to a local branch of the NAACP, criticizing the group.” (Tom Dickinson, New York Magazine)

Das sind keine Einzelfälle. Das amerikanische Polizeisystem ist völlig kaputt. Und das ist es bereits seit vielen Jahren. Ich fürchte auch, dass die Kritiker*innen, die der Überzeugung sind, dass es praktisch nicht reformfähig ist, Recht haben. Die Fäulnis reicht so tief und ist über mittlerweile jahrhunderte in der Institution verankert, dass da wenig Hoffnung besteht. Die erfolgreichsten Ansätze waren in den wenigen Fällen, wo man das gemacht hat, diejenigen, in der die bestehenden Strukturen komplett aufgelöst und die Polizei fundamental neu organisiert wurde. Quasi wie es hier beim KSK gemacht wurde.

Nur, und jetzt kommt die Kehrseite der Medaille: der Brunnen für diese richtige Politik wurde von den progressiven Aktivist*innen völlig vergiftet. Kein Slogan war so schädlich wie „Defund the Police“. Er hätte die Democrats beinahe die Wahl 2020 gekostet und ist wohl Exhibit A für alles, was Mehrheits-Amerika an den Progressiven nicht leiden kann. Völlige Selbstgerechtigkeit, radikale Forderungen, verbunden mit dem miesesten Messaging, das man sich vorstellen kann, und maximaler Angreifbarkeit von rechts. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

10) The Great Experiment by Yascha Mounk review – a shallow dive into the diversity debate

The Great Experiment promises to show us “how to make diverse democracies work”, but contains very few actual policy proposals. For the most part it’s a mishmash of general principles, political truisms and syrupy platitudes, delivered in a register somewhere between a TED talk and an undergraduate dissertation. Mounk draws on social psychology to tell us what we already know:  […] The defining feature of The Great Experiment is its vagueness. Mounk deems the “experiment” to have begun “in the past five or six decades”, but his focus alternates between Europe and the United States, which has a far longer history of mass migration. He refers to “the problems now plaguing so many diverse democracies”, but does not care to particularise them; they occur “in many cases” and “many parts of the world”. At several points he threatens to say something interesting about critical race theory and the Black Lives Matter movement, but can’t quite follow through, restricting himself to mealy mouthed references to unnamed members of “academic and activist circles”, among whom it is currently “fashionable” to claim “the United States has not made substantive progress towards equality”. The resort to caricature is telling. Barely a single scholar, writer or activist is cited, let alone rigorously engaged with. Why so reticent? Many liberal and leftwing readers would be receptive to a good-faith, nuanced critique of contemporary identity politics, but it’s not forthcoming here. Who is this book for? Why does it exist? A first-year politics student or Blue Labour thinktanker might conceivably find some use for it, but it has little to offer the informed reader. (Houman Baraket, The Guardian)

Yascha Mounk ist der Richard David Precht der USA. Ich hab noch nie viel von ihm gehalten, aber er produziert ständig nur den gleichen Unfug für die gleiche Zielgruppe, die seine Plattitüden begierig aufsaugt. Man muss ihm auch lassen, dass er es hervorragend verkauft. Die Aura des Intellektuellen hat er sich erfolgreich umgehängt, und alle seine Warnungen kommen immer mit dem leicht schmerzverzerrten Gesicht des einsamen Warners in der Wüste. Dazu seine betont unbetontes Understatement. Alles ein Akt, der für ihn sehr erfolgreich ist. Letztlich ein Produkt der liberal-zentristischen Blase (nicht umsonst war es Ezra Klein, der ihn großgemacht hat).

Resterampe

a) Schaut man sich aktuelle Umfragen an, zeigt sich, dass die Bundeswehr gar keinen so schlechten Ruf hat wie ständig behauptet wird.

b) Mal wieder ein Beispiel aus der Kategorie „in meiner Jugend war es noch besser“, das einfach hinten und vorne nicht stimmt, und das offensichtlich.

c) Die VERA-Vergleichstests sind dieses Jahr besser ausgefallen als sonst; ein negativer Effekt der Pandemie lässt sich empirisch nicht nachweisen. Zwar muss man das mit Vorsicht genießen, weil sie ein halbes Jahr später waren als üblich, aber die oft behauptete Idee einer ideologischen Studie, es seien zig Wochen Unterricht verlorengegangen, ist nicht haltbar.

d) Der Dunning-Kruger-Effekt existiert nicht – und was das für Schule bedeutet.

e) Einige Links zu dem furchtbaren Offenen Brief der EMMA: Nuhr peinlich, Das Ende der Solidarität, Das Credo der Gewaltlosigkeit – eine Kritik, Wolfgang Müller

f) Vollendetes Hufeisen.

g) Peak Welt.

h) Daran darf man die SPD gerne erinnern.

i) Der immer brillante Kamil Galeev hat einen super Thread zu Mobilmachungen in Russland.

{ 58 comments… add one }
  • Tim 6. Mai 2022, 12:23

    (Kampf der Inflation)

    „Auf den Derivatmärkten schießen die Rohstoffpreise über das durch die Verknappung berechtigte Maß hinaus“

    Na, da würde einen natürlich schon sehr interessieren, wie man dieses „berechtigte Maß“ feststellt. 🙂

    Aber dass das einen ernsthaften Effekt haben würde, der irgendwo in Problemlösungsregionen kommt, glaubt Schulmeister doch wohl selbst nicht.

    In der Tat. Der Glaube mancher Aktivisten, Wissenschaftler und Politiker an hochaktive Konsumenten und solche Transparenzplattformen ist wirklich erstaunlich und hat durchaus etwas Religiöses. Leider zeigt es auch, wie weit von der Realität solche Leute manchmal sind. 🙂

  • sol1 6. Mai 2022, 12:56

    3) Der Journalisten-Darsteller Alexander Kissler ist allerdings um keinen Deut besser. Hier würgt er dem Papst mit einem Sharepic aus zweifelhaftester Quelle eins rein, anstatt nachzuschlagen, was er tatsächlich gesagt hat:

    https://twitter.com/DrKissler/status/1521589694756233218

    • Thorsten Haupts 6. Mai 2022, 17:17

      Interessehalber: Was hat er denn tatsächlich gesagt? Also inwiefern sind die ihm in den Mund gelegten und als Zitat daherkommenden Worte eine Fälschung?

      • sol1 6. Mai 2022, 19:07
        • Thorsten Haupts 6. Mai 2022, 20:37

          Danke. Da mein Englisch gut genug ist – alle Sätze aus dem Bildmeme, das Kissler benutzt hat, sind sinngerechte Übersetzungen ins Deutsche. Hat der Papst so gesagt. Hätte mich bei Kissler – den ich nicht mag und mit dem ich vor Jahren mal aneinander geriet – andernfalls auch gewundert.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • sol1 7. Mai 2022, 14:27

            „…sind sinngerechte Übersetzungen ins Deutsche…“

            Es sind natürlich die frappanten Auslassungen, die das Sharepic zu Propaganda machen – übrigens beidseitig verwendbar, denn der Ersteller Markus Gelau ist, wie man problemlos ergoogeln kann, ein Putin-Pudel.

            „In der Ukraine wurde der Konflikt von anderen Akteuren ausgelöst“ ist jedenfalls im Kontext erkennbar als Klarstellung, daß die Ukraine keine Schuld an Rußlands Überfall trägt. Und wer das ganze Interview liest, dem wird unweigerlich auffallen, wie scharf die Ermahnung an Patriarch Kyrill ist.

            • Thorsten Haupts 7. Mai 2022, 19:31

              <i<Es sind natürlich die frappanten Auslassungen, die das Sharepic zu Propaganda machen

              Für manche Leute ja, für andere nein.

  • CitizenK 6. Mai 2022, 13:31

    1) Und über Klimaschutz haben wir dann noch gar nicht gesprochen. Wie man annehmen konnte, Putins Überfall würde daran nichts ändern, hatte mich ja schon vor Wochen hier verwundert. Wie man hoffen kann, allein mit Geld (Schulden/ Kredite) real Knappheit und Mangel auszugleichen, wundert mich noch immer. Rohstoffe, Vorprodukte, Fachkräfte, Lieferketten kann die EZB nicht herzaubern. Das Wohnungsbauprogramm der Ampel ist reines Wunschdenken bei schon jetzt rasant steigenden Kosten.

    3) Der Brecht-Hasser-Hipster wird zum NZZ-Lover-Hipster?
    Die genauso selbstverliebt schreibt wie Precht. Dessen urprünglichen Ansatz ich gar nicht so schlecht fand: Die Philosophie aus dem universitären Elfenbeinturm in die Gesellschaft zu holen und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen abzugleichen. Leider ist er dann den gleichen Weg gegangen wie Harald Lesch – Popularität ist eine Droge.

    • Erwin Gabriel 6. Mai 2022, 19:43

      @ CitizenK 6. Mai 2022, 13:31

      1) Wie man hoffen kann, allein mit Geld (Schulden/ Kredite) real Knappheit und Mangel auszugleichen, wundert mich noch immer. Rohstoffe, Vorprodukte, Fachkräfte, Lieferketten kann die EZB nicht herzaubern. Das Wohnungsbauprogramm der Ampel ist reines Wunschdenken bei schon jetzt rasant steigenden Kosten.

      Volle Zustimmung!

    • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:37

      1) Das mit der EZB ist der Reflex der Konservativen und Liberalen. Die haben seit den 1970er Jahren kein anderes Rezept und sind völlig hilflos.

      3) Häh? 😀

      • Erwin Gabriel 8. Mai 2022, 16:47

        @ Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:37

        1) Das mit der EZB ist der Reflex der Konservativen und Liberalen. Die haben seit den 1970er Jahren kein anderes Rezept und sind völlig hilflos.

        „Häh?“ zurück

        Die Null-Zins-Politik gibt es noch nicht so lange. Dieses an der Geldschraube drehen hat dazu geführt, dass man vor Problemen die Augen verschließt. Digitalisierung? Bildung? Hauen wir mal ein paar Milliarden raus. Bundeswehr? Infrastruktur? Hauen wir ein paar Milliarden raus. Flüchtlinge, Pflege, Rente? Hauen wir mal ein paar Milliarden raus.

        Und welches dieser Probleme ist nach Jahrzehnten von „hauen wir mal ein paar Milliarden raus“ in einer akzeptablen Richtung unterwegs?

        • Stefan Sasse 8. Mai 2022, 17:18

          Nehmen wir als Beispiele Digitalisierung und Bildung. Die bisher lockergemachten Geldmittel in diesem Bereich sind lächerlich klein, wenn man das Ausmaß der fehlenden Infrastruktur bedenkt. Aber natürlich hast du völlig Recht, dass das kein reines Geldproblem ist. Es fehlt ja auch jede Idee, was da kommen soll. (Zu dem Thema übrigens kommende Woche gleich zwei Rezensionen, stay tuned). Gleiches gilt für die Bundeswehr, da geht das mit dem Geld ja auch erst kürzlich in die andere Richtung, während auch hier auf der anderen Seite immer noch (!) jegliche übergeordnete Strategie fehlt. Mehr Geld ist keine hinreichende, aber notwendige Bedingung zum Lösen der Probleme in diesen Sektoren.

          • Erwin Gabriel 8. Mai 2022, 18:24

            @ Stefan Sasse 8. Mai 2022, 17:18

            Mehr Geld ist keine hinreichende, aber notwendige Bedingung zum Lösen der Probleme in diesen Sektoren.

            Keine Einwände. Aber es müsste das letzte Glied in der Kette sein, nicht das erste. Sonst schmeiße ich das Geld einfach nur weg.

            • Stefan Sasse 8. Mai 2022, 18:43

              Jein. Egal, was ich am Ende in der Schule mit Digitalisierung mache, WLAN ist notwendig. Da kannst völlig hirnbefreit investieren und währenddessen drüber nachdenken, was du sonst machst. Aber grundsätzlich stimme ich dir zu, wenn es nicht darum geht, Defizite aufzuarbeiten (ich kann etwa bei der Bundeswehr auch erst mal die Munitionsbestände und Stiefel hochbestellen, ohne ein Strategenhirn beschäftigen zu müssen).

  • Lemmy Caution 6. Mai 2022, 14:55

    1) Die Entwicklung Russlands in einen gelenkten Wahnsinn kann als gewaltiger externer Schock verstanden werden. Volkswirtschaftlich spricht unter diesen Umständen nichts dagegen, dass der Staat 2 Jahre kräftig Schulden macht. Irgendwann werden wir die dann wieder abbauen. Natürlich müssen unter diesen Umständen die Armen unterstützt werden.
    Gerade Deutschland wird von der Situation auch profitieren. Wir bekommen eine Menge sehr gut ausgebildeter Russen und Belarussen, die aktuell größtenteils noch in Georgien, Kasachstan und der Türkei hocken. Wir sollten versuchen, viele dieser Menschen in die EU zu bekommen.

    3) Weil ich außer zu Zeiten von Kriegen in Europa keine deutschen Talksshows schaue, kannte ich Precht nicht wirklich. Seine Reihe zu Philosophie-Geschichte las sich recht gut, halte mich aber nach der Lektüre der ersten 2,5 Bände nicht für einen Experten und will das auch überhaupt nicht. Werde das irgendwann zu Ende lesen, wobei ich inzwischen gemerkt habe, dass der Typ im Fernsehen und bei jung & naiv eine Menge seltsame Ideen verzapft.

    4) Es ist nicht nett, aber eine gewisse Kontrolle brauchen wir an der Außengrenze der EU. Diese Verteidigung wird immer zynische Spielregeln hervorbringen.

    Zu 5) sowas wie eine Agentur für Markttransparenz haben wir eigentlich schon. Nennt sich Kartellamt.
    Ob es nötig ist, dass die windfall profits unter allen Umständen vermieden werden müssen, würde ich eher verneinen.
    Normalerweise greife ich im Supermarkt immer zu teurer Heumilch, weil mich Milchpreise von unter 1 Euro beschämen. Der Wettbewerb erzeugt hier also normalerweise eher zu geringe Gewinn-Margen. In einer Marktwirtschaft gibts halt auch Marktversagen. Jetzt wegen aufs Jahr hochgerechnet 10,5% Inflation Armageddon auszurufen erscheint mir höchst albern. In Argentinien liegt die jährliche Inflation auf über 50%. In der hochgepriesenen Gründerzeit gabs in Köln alle 5 Jahre einen ernsthaften Banken-Crash und trotzdem haben die in der Zeit sehr schöne Stadthäuser gebaut.
    Der Staat sollte Einkommensschwachen für ein paar Monate Geld überweisen. Wegen mir kann man auch die Definition von Einkommensschwach ziemlich hoch ansetzen. Die mittleren Einkommen bekämen dann Erlasse bei der Einkommenssteuer.

    6) Wir bewegen uns erstmal auf eine Welt einer gewissen Regionalisierung der Weltwirtschaft zu. Wir hatten in der zweiten Hälfte des 19. Jhdt. eine ähnliche Entwicklung. Völliger Freihandel ist offensichtlich kein stabiler Zustand.

    8) Von Tucker Carlson hab ich ein paar Dinger zu Anfang des Russland-Ukraine Krieg mitbekommen. Es macht mich misanthropisch, wenn ich darüber nachdenke, dass offenbar viele Menschen gibt, die den von Tucker verzapften Blödsinn und v.a. auch die Art, in der er das rüberbringt, ganz doll finden. Ich find seine Beiträge schwer zu ertragen.

    9) zu den Rasseproblemen in den USA hab ich hier letztens eine ganz andere Sichtweise gehört. Bin aber über das Thema im Detail nicht so vertraut. Ich finds zumindest interessant, hör sowas aber auch mit Skepsis. https://www.econtalk.org/jason-riley-on-race-in-america/
    In Chiles schockiert nicht nur mich die aus meiner Sicht extreme pro-mapuche Haltung der sehr linken Verfassungsgebenden Versammlung. Ich hab Historia Secreta Mapuche I + II begeistert verschlungen und weiß um die Verbrechen, die an diesem Volk begangen wurden. Es gibt aber auch für sowas ein too much.

    • Tim 6. Mai 2022, 16:19

      Normalerweise greife ich im Supermarkt immer zu teurer Heumilch, weil mich Milchpreise von unter 1 Euro beschämen. Der Wettbewerb erzeugt hier also normalerweise eher zu geringe Gewinn-Margen.

      Die niedrigen Milchpreise werden nicht durch den „Wettbewerb“ so niedrig gehalten, sondern durch eine Anbieterstruktur, die mit Subventionen künstlich am Leben gehalten wird. Es ist erklärtes Ziel der deutschen und der europäischen Agrarpolitik, kleinteilige Erzeugerstrukturen zu erhalten. Sehr viele kleine Landwirtschaftsbetriebe treffen dann auf relativ wenige Großmolkereien, was letztlich zu niedrigen Abnahmepreisen führt. Eine Konsolidierung der bäuerlichen Betriebe hin zu großen, überregionalen Betrieben mit angestellten Bauern soll ausdrücklich verhindert werden. Doch nur solche Großbetriebe könnten mit den Molkereien auf Augenhöhe verhandeln.

      In einer Marktwirtschaft gibts halt auch Marktversagen.

      Nein, das ist kein Marktversagen, sondern politischer Wille, weil die unfaire Marktstruktur ja explizit gefordert und gefördert wird. Besonders stark ist dieser Wille übrigens in Frankreich und in Bayern.

      • Thorsten Haupts 6. Mai 2022, 17:15

        Danke! Die Mythen über Marktversagen in den höchstregulierten und subventionierten Märkten Europas sind zum Fremdschämen.

      • Lemmy Caution 6. Mai 2022, 18:39

        So einfach ist das dann auch nicht.
        Die durchschnittliche Betriebsgröße ist in den letzten 10 Jahren um 13% gestiegen.
        https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/01/PD21_028_412.html

        Unter den Bedingungen einer gewissen Abkehr der Weltwirtschaft von der Globalisierung aus politischen Gründen wiegt das Argument der Versorgungssicherheit schwerer als vor 20 Jahren.

        Mein ich-vor-25-Jahren hätte diese Meinungsäußerung wirklich gehaßt. 😉

      • Kning4711 7. Mai 2022, 00:24

        Es braucht auch keine Großbauernstrukturen, die Erzeuger können sich und das machen diese auch zu Erzeugergenossenschaften zusammenschließen, um sich gegen die Großmolkereien durchsetzen zu können.

    • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:40

      4) Unbestritten, und ist ja auch ok. Mir geht nur die Heuchelei auf den Zeiger.

      8) Ja, da musst tief in den Kaninchenbau dafür. Aber in der US-Medienlandschaft reicht das für Millionen Zuschauende.

      9) tl;dr?

  • Stefan Pietsch 6. Mai 2022, 15:18

    1) „Es ist ein externer Schock, der auf das Land zukommt“

    91% der Deutschen sind zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer Lebenssituation. An deren Adresse geht die Mitteilung, dass es schwieriger wird. Die Aufnahme von Schulden verhindert nirgends den wirtschaftlichen Niedergang. Dafür gibt es kein Beispiel. Im Gegenteil: Ländern mit hohen Schulden geht es schlechter – erst recht den Armen im Land.

    Im Euroraum ist die öffentliche Verschuldung inzwischen so hoch, dass die Notenbank es sich nicht erlauben kann, die immer stärker galoppierende Inflation zu bekämpfen. Und genau das führt zur Verarmung der unteren Einkommensschichten. Da sollte sich so mancher noch einmal daran erinnern, wie er jahrelang die Gefahr der Inflation verniedlicht hat.

    2) Locked down in Shanghai, I’ve caught a glimpse of our techno-dystopian future

    In Down Under wurden Menschen unter militärischer Kontrolle in Quarantäne gezwungen. Stacheldraht wurde um zivile Gebäude gezogen. In Hamburg wurden Jugendliche, die in der Öffentlichkeit ohne Maske erwischt wurden, mit Blaulicht gejagt. In Spanien wurde die Ausgehsperre mit Militärhubschraubern über Privatgelände überwacht.

    Der Vorteil der Demokratie ist nicht, dass es in ihr nicht diktatorische Tendenzen gäbe. Der Vorteil der Demokratie ist, dass Fehlentwicklungen leichter korrigiert werden können.

    • Tim 6. Mai 2022, 16:27

      Im Euroraum ist die öffentliche Verschuldung inzwischen so hoch, dass die Notenbank es sich nicht erlauben kann, die immer stärker galoppierende Inflation zu bekämpfen.

      Ja, ein Trauerspiel. Die EZB muss sich leider an Mitgliedsländern orientieren, deren Haushalts- und Wirtschaftspolitik seit langem nicht mehr nachhaltig ist, denn sie folgt ja dem Credo „Euro-Integrität“. Es ist genau das passiert, was schon vor 15 Jahren vorausgesagt wurde.

      Wie oft habe ich das in den letzten Monaten in Gesprächen gehört: „Eigentlich muss die EZB die Zinsen massiv erhöhen!“ …

      • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:42

        Ich hab Konservative und Liberale noch nie was anderes sagen gehört als „EZB muss die Zinsen massiv erhöhen“.

        • Erwin Gabriel 8. Mai 2022, 18:29

          @Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:42

          Ich hab Konservative und Liberale noch nie was anderes sagen gehört als „EZB muss die Zinsen massiv erhöhen“.

          Dann hast Du nicht richtig zugehört.

          Wenn der Verlauf einer Straße nach rechts abbiegt, wirst Du nach rechts lenken. Wenn der Verlauf der Straße nach links abweicht, lenkst Du eben nach links. Du würdest nie auf die Idee kommen, das Lenkrad immer nach rechts zu drehen und dort zu lassen, egal, wie die Straße verläuft.

          Es gibt Situationen, die niedrige Zinsen erfordern. Es gibt Situationen, die höhere Zinsen erfordern. Die EZB hat irgendwann mal das Lenkrad eingeschlagen und anschließend abgeschraubt. Glaubst Du wirklich, dass das immer hilft?

          Ganz ehrlich, den Job von Frau Lagarde hätte ich schon gerne. Hohes Gehalt, viel reisen, ein bisschen sabbeln, nichts entscheiden. Klingt genauso platt, wie es ist.

          • Stefan Sasse 8. Mai 2022, 18:44

            Ich denke auch, dass das eine akkurate Jobbeschreibung ist. /Ironie

            Aber ernsthaft: Du hast Recht, wenn deine Prämisse stimmt, dass die Leitzinsen die Funktion haben, die du behauptest. Aber daran wird zu Recht immer mehr gezweifelt (siehe MMT-Debatte). Und dann hättest du, um im Bild zu bleiben, ein Auto, das zwar mal links blinkt und mal rechts, aber dessen Blinken mit dem Kurs nur manchmal korreliert.

    • sol1 6. Mai 2022, 20:46

      „Ländern mit hohen Schulden geht es schlechter – erst recht den Armen im Land.“

      Japan (Staatsschuldenquote 238 % des BIP) sollte sich endlich ein Beispiel an Afghanistan (6 %), Simbabwe (11 %) und Rußland (14 %) nehmen.

      • Stefan Pietsch 6. Mai 2022, 22:03

        Hatten wir alles bereits zig Male, wenn auch nicht für jeden. Ja, Japan lebt mit exorbitanter Staatsverschuldung, aber sie sind die einzigen. Und Nippon ist nicht mehr das wohlhabende, wachstumsstarke Land von 1990. Es wäre also eigentlich zu fragen, was hieran besonders ist, statt Japan zur Regel zu erklären.

        Nun, ein wesentlicher Teil der Staatsschulden wird gar nicht am Markt gehandelt und belastet den Staatshaushalt nicht einmal durch Zinszahlungen. Die Bank of Japan hat die Schulden praktisch kalt gestellt. Das gilt inzwischen ja auch für die Eurozone, was belegt: unproblematisch ist eine solche Politik nicht. Denn Japan kennt seit 30 Jahren Wachstum nur noch aus den Geschichtsbüchern.

        Im Prinzip setzt eine solche Politik langfristig immer auf die Enteignung der eigenen Bürger mittels Inflation. Das erklärt, warum die EZB im Angesicht historisch hoher Geldentwertung so ruhig und teilnahmslos ist. Dabei lautet ihr offizieller Auftrag: Geldwertstabilität. Es ist nicht zuviel gesagt, dass dieser verfehlt wird.

        Auch wenn es schwer verständlich erscheint: nichts im Leben ist umsonst.

        • Hias 7. Mai 2022, 02:35

          Nun, ein wesentlicher Teil der Staatsschulden wird gar nicht am Markt gehandelt und belastet den Staatshaushalt nicht einmal durch Zinszahlungen.

          Oder mit anderen Worten, nicht die absolute Höhe der Schulden ist interessant, sondern wer diese Schulden hält.

          Denn Japan kennt seit 30 Jahren Wachstum nur noch aus den Geschichtsbüchern.
          Naja, da gehört zur Wahrheit aber auch dazu, dass die Gesamtbevölkerung Japans seit Jahren massiv sinkt, alleine in den letzten zehn Jahren um fast 3 Mio. Menschen. Das hat wahrscheinlich mehr zum fehlenden Wirtschaftswachstum beigetragen als die hohen Staatsschulden.

          Auch wenn es schwer verständlich erscheint: nichts im Leben ist umsonst.
          Natürlich nicht, aber erstens ist die entscheidende Frage, wer für was wann bezahlt (und die ist nicht einfach zu beantworten) und zweitens gilt das auch für das Unterlassen von Investitionen. Sparen auf Kosten der Substanz (wie in Deutschland zu lange üblich) ist auch nicht umsonst, dafür muss man später auch zahlen.

          • Stefan Pietsch 7. Mai 2022, 08:46

            Oder mit anderen Worten, nicht die absolute Höhe der Schulden ist interessant, sondern wer diese Schulden hält.

            Sicher. Wenn Sie sich bei den eigenen Eltern verschulden, ist das ja auch etwas anderes als wenn Sie das bei einer Bank tun. Nur bringt auch das Nachteile mit sich.

            Naja, da gehört zur Wahrheit aber auch dazu, dass die Gesamtbevölkerung Japans seit Jahren massiv sinkt, alleine in den letzten zehn Jahren um fast 3 Mio. Menschen.

            Das ist nicht richtig. Das japanische BIP pro Kopf ist seit 1990 weniger stark gestiegen als in den meisten OECD-Ländern. In dieser Zeit fand auf heute $44.600 gerade etwas mehr als eine Verdopplung statt, während das ebenfalls altersstarre Deutschland fast eine Verdreifachung schaffte – trotz der Belastung durch die Wiedervereinigung.
            https://data.oecd.org/gdp/gross-domestic-product-gdp.htm

            Das tradierte deutsche Haushaltsproblem ist ja nicht das Fehlen von Einnahmen, sondern die überproportionale Verwendung im Sozialetat. Allein das Wachstum in den Nullerjahren wurde zu über 90% für die Erhöhung der Sozialtransfers verwendet und zu weniger als 10% für mehr Investitionen. Da helfen Schulden dann auch nicht, denn die würden dem üblichen Ausgabegebahren folgen.

            • Erwin Gabriel 7. Mai 2022, 15:49

              @ Stefan Pietsch 7. Mai 2022, 08:46

              Da helfen Schulden dann auch nicht, denn die würden dem üblichen Ausgabegebahren folgen.

              Das ist natürlich richtig. Dieses bewusste Ignorieren einer solchen Wahrheit bei so vielen erstaunt mich immer wieder.

    • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:41

      1) Ja, das ist ja mein Punkt: es wäre hochgradig gefährlich, diese 91% in den Abgrund zu treten oder zuzuschauen, wie sie reinrutschen. Und der Rest meines Beitrags bezog sich auf das, was im Artikel stand: die Folgen für die Ärmsten.

      • Stefan Pietsch 7. Mai 2022, 10:38

        1) Die 91% sind historisch und international ein extrem hoher Wert. Es würde nicht den Untergang des Abendlandes bedeuten, wenn diese einige Jahre mit Stagnation auskommen müssten. Schulden vergrößern das Problem, sie können den Verlust von Wohlstand nicht umkehren.

        Und jede Krise trifft die am Ende der Nahrungskette am härtesten. Das war nie anders und es ist ein irrwitziger Versuch, das mit viel staatlichem Geld ändern zu wollen.

        • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 10:53

          Ich liebe es, wenn Leute, die nicht betroffen sind, anderen erklären, dass es ihnen halt ab jetzt schlechter geht. Arroganz der Macht.

  • Thorsten Haupts 6. Mai 2022, 18:28

    Zu 4):

    Die EU bricht keine Menschenrechte – es gibt kein Recht auf Einwanderung in ein fremdes Land. Das, was sie tut, ist trotzdem schlimmer – sie bricht ihr eigenes geschriebenes Recht, weil ihre Politiker wissen, dass es praktisch nicht umsetzbar ist, aber zu feige sind, der Öffentlichkeit eine entsprechende Rechtsänderung zu verkaufen. So unterminiert man eine der wenigen unverhandelbaren Grundlagen fortgeschrittener Zivilisation, nämlich die Geltung der Regeln, die von den dazu demokratisch legitimierten Institutionen geschaffen wurden. Und das ist neben widerlich auch noch dumm hoch zehn.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:45

      Lol, ist klar. Ich erinnere euch mal dran, wenn es wieder um Besteuerung oder Sozialisierung geht.

      • Thorsten Haupts 7. Mai 2022, 15:36

        ??? Ich kritisiere offen und hart den Rechtsbruch der EU und Sie wollen mich daran erinnern, wenn es um Besteuerung geht? Nur zu.

  • Erwin Gabriel 6. Mai 2022, 19:23

    @ STEFAN SASSE on 6. MAI 2022

    1) „Es ist ein externer Schock, der auf das Land zukommt“

    Aber es sind die letzten beiden Sätze, die das Ganze so entlarven.

    Du kennst Dich mit Sprache aus. Du weißt, was Du hier versuchst …

    Wir haben eine apokalyptische, die ganze demokratische Verfasstheit unseres Staats- und Gesellschaftswesens bedrohende Gefahr – und auf der anderen Seite den ausgeglichenen Haushalt.

    Wenn Du mit naiv-sturer Beharrlichkeit Deine Glaubenssätze (mit Wissen hat das ja nichts zu tun, wie Du immer wieder zugibst) ständig wiederholst, kriegst Du von mir mit gleicher Sturheit Deine Korrektur verpasst: Du hast das Problem einfach nicht verstanden!

    Am Intellekt wird es nicht liegen, ist bei Dir eher ein Morgenstern-Problem.

    Wir liegen (nur ein kleines von vielen, vielen Beispielen) auf Platz 8 der weltweiten Militärausgaben. Wer glaubt, dass die Leistungsfähigkeit unserer Bundeswehr deshalb in den Top Ten der Armeen der Welt liegt, ist einfach dämlich. Ergo: Das Problem hierzulande ist nicht, WIE VIEL Geld wir ausgeben, sondern, WIE und WO wir das Geld ausgeben.

    Get your priorities straight, people.

    Und Du fang bitte mal an zu denken. Wir haben hier kein Schwarz-Weiß-Problem, wo man mit ein bisschen Geld nachdrucken irgendetwas richtet. Als wir vor einer Weile hier darüber diskutiert haben, was das Null-Zins-Gebahren der EZB anrichtet, war Dir das alles Recht. (Nicht nur) meine Hinweise, dass eine Inflation drohe, hast Du damals abgetan; es sei doch schön, wenn das zu höheren Löhnen führe. Nun haben wir die von mir erwarteten Folgen (durch den Krieg stärker als erwartet).

    Jetzt wirst Du was sagen von Krieg und Corona und nicht absehbar, aber das ist dummes Zeug. Es gab 2001 die Dotcom-Krise, 2008 die Bankenkrise, die sich 2009 in die Staatschuldenkrise entwickelte; 2011 ging es im nahen Osten los, 2015 kamen die Flüchtlinge. Es gibt immer wieder Krisen, die man bekämpfen muss. Aber ob nun gerade mal wieder Krise war oder nicht, Deine Forderung nach höheren Ausgaben hat sich nicht verändert; genug war es jedenfalls nie. Und das halte ich für entlarvend.

    • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:48

      Moment, du wirfst jetzt ja aber zwei Dinge in einen Topf: dass das Geld besser ausgegeben werden könnte ist ja eine Sache. Aber der Artikel macht eine dezidierte Verbindung zwischen Sozialausgaben (bei denen effiziente Verwendung nicht das Thema ist, weil vom BVerfG zum Lebenserhalt vorgegeben) und ausgeglichenem Haushalt. Er spricht eben NICHT von Prioritäten oder effizienterem Ausgeben. Und das prangere ich an.

      Und ja, sicher. Letztlich argumentieren wir alle in unserer Schiene. Ich hab (wie an anderer Stelle geschrieben) von Liberalen noch nie was anderes gehört als „Haushalt ausgleichen, Staat beschneiden, Zinsen hoch“, und umgekehrt kannst du mir uns meinesgleichen sicherlich das Gegenteil vorwerfen.

      • Erwin Gabriel 8. Mai 2022, 18:19

        @ Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:48

        Moment, du wirfst jetzt ja aber zwei Dinge in einen Topf: dass das Geld besser ausgegeben werden könnte ist ja eine Sache.

        Die Du ständig ignorierst.

        Aber der Artikel macht eine dezidierte Verbindung zwischen Sozialausgaben (bei denen effiziente Verwendung nicht das Thema ist, weil vom BVerfG zum Lebenserhalt vorgegeben) und ausgeglichenem Haushalt.

        Eine Nebelkerze. Natürlich bleibt es den Empfängern von Sozialen Ausgaben selbst überlassen, wie sie ihr Geld ausgeben; davon rede ich nicht. Ich rede vom Verteilapparat.

        Ich hab (wie an anderer Stelle geschrieben) von Liberalen noch nie was anderes gehört als „Haushalt ausgleichen, Staat beschneiden, Zinsen hoch“, und umgekehrt kannst du mir uns meinesgleichen sicherlich das Gegenteil vorwerfen.

        Du wirst nirgendwo eine Aussage von mir finden, in der ich die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Sozialabgaben bestreite. Womit ich hadere, sind in erster Linie die folgenden Punkte:
        – der Verteilapparat ist ineffizient
        – die Parteien saugen sich ein Thema nach dem anderen aus den Fingern, um Wähler zu beschäftigen
        – es geht nie darum, Chancengleichheit herzustellen, sondern nur darum, die zu sedieren, die keine Chancen kriegen.

        Alles Themen, die, würde man sie angehen und lösen, denen da untern zugute kommen würden.

        • Stefan Sasse 8. Mai 2022, 18:41

          Ich glaube, „Sozialabgaben“ ist arg breit, da müssten wir genauer reden, welche wir meinen. Bei Hartz-IV etwa sehe ich Ineffizienz vor allem im Sanktionsregime; solange das „normal“ durchläuft ist das doch effizient…? Regelsatz, KdU, fertig? Oder übersehe ich was?

          Erneut, dass es besser ginge, bezweifle ich nicht. Und den Vorwurf der Nebelkerze könnte ich umgekehrt genauso erheben, weil die Notwendigkeit von mehr Geld jetzt auch nicht eben euer Thema ist…da prägen uns halt unsere Blickwinkel. Deswegen wäre es ja umso wichtiger, dass wir in der Sache zusammenkommen.

  • Erwin Gabriel 6. Mai 2022, 19:35

    @ STEFAN SASSE on 6. MAI 2022

    4) Frontex-Chef Leggeri tritt zurück

    Und die gleichen Leute, die überhaut kein Problem mit dem massiven, tödlichen Rechtsbruch von Frontex haben, entrüsten sich dann in tief moralistischen Tiraden mit erhobenem Zeigefinger über die EZB.

    Ja, dazu gehöre dann wohl ich (vielleicht mit der Einschränkung, dass ich die EZB-Politik nicht aus moralischen, sondern aus realistischen Aspekten ablehne). Ich bin da durchaus Egoist. Ich habe ein Riesenproblem damit, dass ständig irgendwelche „Gutmenschen“ (sorry für den verpönten Ausdruck, aber mir fällt kein besserer ein) sich eine heile Wunschwelt zusammenphantasieren, die keiner realistischen Überprüfung standhält; in anderem Zusammenhang hast Du den Begriff „Lumpenpazifisten“ gefeiert; das gegenüber Einreise- bzw. Einwanderungswilligen angestrebte Verhalten ist vergleichbar. Es zerstört unsere Gesellschaft mit noch größerer Zuverlässigkeit als das Verhalten der EZB oder feiges Zaudern im Ukraine-Krieg.

    • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:50

      Ich hab nicht das geringste Problem damit, wenn du sagst: „Hier bin ich Egoist, ich will ein schärferes Einwanderungsrecht.“ Völlig ok. Ich bin auch nicht für offene Grenzen, das halte ich für irre Phantasterei. Womit ich ein Problem habe sind Leute, die ständig moralisieren mit „Verträge müssen eingehalten werden“, „Rechtsstaat“ etc. und dann auf der anderen Seite absolut null Problem mit den massiven Rechtsbrüchen und Morden von Frontex haben (und was die machen ist Morden). Das ist unerträglich.

      • Lemmy Caution 7. Mai 2022, 12:35

        Ich meine das NICHT egoistisch. Bin absolut dafür, dass interessierte Unternehmen JETZT Bewerbungsgespräche mit meinen ganzen in Türkei, Kaschstan und Georgien führen, damit die hier arbeiten.
        Ich bin nur überzeugt, dass es Grenzen für die Einwanderung von nicht so gut ausgebildeten gibt. Ein paar sollten immer kommen, weil wir können uns nicht nur die Rosinen rauspicken. Aber irgendwo gibt es eine Grenze. Die ist aktuell nicht erreicht. Wenn wir aber die Boote einfach reinlassen, könnte das einen Punkt erreichen bei dem es problematisch wird.
        Ökonomisch konkurrieren diese Leute nicht mit mir. Ich würde profitieren, weil bestimmte einfache Dienstleistungen durch Konkurrenz billiger werden. Ich möchte nur nicht in einer solchen Gesellschaft leben.

        • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 19:37

          Reden wir über Migration oder Flüchtlinge? Das ist nicht dasselbe. Davon abgesehen hab ich meine Meinung zu dem Thema vor Jahren schon niedergelegt: https://www.deliberationdaily.de/2017/08/pfad-zur-staatsbuergerschaft/

          • Thorsten Haupts 8. Mai 2022, 13:14

            Migration über den Flüchtlingsstatus ist in Europa der Normalfall.

            • cimourdain 9. Mai 2022, 11:05

              Sagen wir ein Normalfall unter mehreren: Die Statistik 2020 für EU-Aufenthaltsgenehmigungen (insgesamt 2,25 Millionen) gibt als Gründe an:
              Work 40%
              Family 28%
              Education 11%
              Asylum 11%
              Other 10 % (z.B. reiner Wohnaufenthalt, unbegleitete Minderjährige, Opfer von Menschenhandel)

  • Techniknoergler 6. Mai 2022, 23:38

    „c) Die VERA-Vergleichstests sind dieses Jahr besser ausgefallen als sonst; ein negativer Effekt der Pandemie lässt sich empirisch nicht nachweisen. Zwar muss man das mit Vorsicht genießen, weil sie ein halbes Jahr später waren als üblich, aber die oft behauptete Idee einer ideologischen Studie, es seien zig Wochen Unterricht verlorengegangen, ist nicht haltbar.“

    Mehrere Anmerkungen:

    1. Ich habe gelesen, die VERA Vergleichsstudie sei dieses Mal zumindest an eingen Schulen/einigen Ländern freiwillig gewesen. Falls dies Korrekt ist, ist die Vergleichbarkeit mit den Vorjahren im Eimer.

    2. Das 8. Schuljahr ist nicht mehr Grundschule. Ein Achtklässler kann eher eigenständig und online lernen, als ein Grundschüler

    3. Sollte es tatsächlich durch den Distanzunterricht zu einer Verbesserung auch in bildungsfernen Schichten gekommen sein oder zumindest nicht zu einer Verschlechterung, stellt sich eher die Frage, in welchem Umfang diese Schichten vorher vom üblichen Präsenzunterricht mitgenommen wurde.

    4. Woran wird der „ideologische“ Character der damit beiseite gewischten Studie begründet? Die Herkunft, also reines Ad-Homine-Argument?

    • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:53

      1) Bei uns in BaWü war sie nicht freiwillig.

      2) Die Effekte wurden für alle behauptet, nicht nur Grundschüler*innen. Und auch Vera3 hat diese Ergebnisse erbracht, nicht nur Vera8.

      3) Es wäre schon lange an der Zeit, sehr kritisch zu fragen, was im Präsenzunterricht passiert und wie sinnvoll der ist.

      4) Man wollte belegen, dass Distanzunterricht schlecht ist. Sie ist methodisch katastrophal und wurde deswegen so hochgejazzt, weil sie die erwarteten Klischees und erwünschten Vorurteile bestätigte.

      • Techniknörgler 9. Mai 2022, 22:42

        „Veränderungen ab dem Durchgang 2020/2021
        Zukünftig bestehen die Tests aus einem Basismodul und einem von den Schulen auszuwählenden Ergänzungsmodul. Die Auswahlmöglichkeit beschränkt sich zunächst nur auf das Fach Mathematik, da die angestrebten Wahlmöglichkeiten für die Schulen aus technischen und logistischen Gründen noch nicht vollständig umsetzbar sind. Die Durchführungstermine können innerhalb des Durchführungszeitraums von den Schulen selbst bestimmt werden.“

        https://www.schulentwicklung.nrw.de/e/vera3/allgemeine-informationen/aktuelles.html

        Mhm, wie ist denn dann noch die Vergleichbarkeit in Mathe gegeben?

        Im übrigen :

        Freut mich riesig, dass wir uns die Kosten des Präsenzunterrichtes zumindest teilweise sparen können.

        Mit kommt schon so langsam der Verdacht, dass Bildungssystem ist noch mehr heiße Luft, als ich dachte.

        Jetzt ist sie Frage: woran liegt es denn dann, wenn die Kompetenzen in entwickelten Ländern nach Schulabgang besser sind als in sagen wir beispielsweise Russland, während sie in Ostasien teilweise deutlich besser sind?

        • Techniknoergler 10. Mai 2022, 00:39

          https://deutsches-schulportal.de/schule-im-umfeld/bundesweit-einmalige-daten-zeigen-lernverluste-durch-corona/

          In Hamburg ist das Ergebnis irgendwie durchwachsen…

          „Auffällig ist beim Leseverständnis eine Verschiebung der Ergebnisse je nach sozialer Zusammensetzung der Schülerschaft an den Schulen. Bei Schulen, die nach dem Hamburger Sozialindex in sehr herausfordernden Lagen sind, haben wir einen etwas größeren Teil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards im Lesen nicht erreichen. Aber auch an den Schulen in privilegierteren Lagen gibt es Verschiebungen. Hier erreichen beim Lesen in diesem Jahr deutlich weniger Schülerinnen und Schüler als sonst die höchste Kompetenzstufe. Im vergangenen Jahr hatten an diesen Schulen 70 Prozent den höchsten Standard erreicht, in diesem Jahr nur noch 61 Prozent. Diese Verschiebung ist sogar stärker ausgeprägt als die in den sozial stark belasteten Schulen. Das heißt, auch wenn sich der Mittelwert kaum verändert, sehen wir Effekte durch die Pandemie.

          Und wie sieht es in Mathematik aus?
          Hier gibt es erstaunlicherweise recht wenige Veränderungen. Vor zwei Jahren lag der Mittelwert bei 450 Punkten, im letzten Jahr bei 442 und in diesem Jahr bei 456 Punkten. Wir sehen eine leichte Zunahme der Kinder, die die Mindeststandards nicht erreicht haben, nämlich um zwei Prozentpunkte. Ähnlich sieht es bei der Leistungsspitze aus. Innerhalb der sozialen Belastungsgruppen liegt die deutlichste Verschiebung bei einer Zunahme der lernschwachen Kinder um 5 Prozentpunkte in den Schulen mit niedrigem Sozialindex. Insgesamt sind die Einbußen im Bereich Leseverstehen aber deutlich auffälliger als im Bereich Mathematik.“

        • Stefan Sasse 10. Mai 2022, 06:24

          Kann ich nicht sagen, ich kenn mich weder mit Vera noch mit Mathe aus. Aber vergleichbar ist das danach natürlich nur eingeschränkt, wenn sie das Format ändern.

          Es ist etwas komplizierter. Der Präsenzunterricht macht eine Sache nicht, die er zentral behauptet: die Inhalte und Kompetenzen gleichmäßig an alle SuS ranbringen. Aber natürlich lernt ein Teil immer ordentlich – nur halt nie der gleiche. Und davon abgesehen lernen die Leute ja nicht nur den Stoff (siehe Stofffetisch der aktuellen Rezension), sondern auch nebenher viele wertvolle Dinge. Kurz gesagt: das deutsche Schulsystem ist schon ziemlich gut. Es könnte nur wesentlich besser sein. (An Korea würde ich mich nicht orientieren wollen)

  • Hias 7. Mai 2022, 02:44

    Im Prinzip setzt eine solche Politik langfristig immer auf die Enteignung der eigenen Bürger mittels Inflation. Das erklärt, warum die EZB im Angesicht historisch hoher Geldentwertung so ruhig und teilnahmslos ist. Dabei lautet ihr offizieller Auftrag: Geldwertstabilität. Es ist nicht zuviel gesagt, dass dieser verfehlt wird.

    Mir ist nicht ganz klar, wie die EZB die Inflation bekämpfen kann. Wenn ich meine Beobachtungen richtig einordne, dann reden wir aktuell eher von einem langsamen Zusammenbrechen der weltweiten Supply-Chains, sprich von einer massiven Unterbrechung, wenn nicht sogar Ende der aktuellen Globalisierungswelle. Unser Wirtschaftsystem beruhte auf billigen Energieträgern (Russland), billigen Gütern (China) und billigen Rohstoffen, die zudem praktisch immer und gefühlt in unendlicher Menge verfügbar waren. Zwei von drei Säulen fallen aktuell weg und ich bin mir relativ sicher, dass Russland längere Zeit als Lieferant ausfallen wird und China aufgrund seiner Abschottungspolitik ebenfalls.
    Das bedeutet, dass innerhalb extrem kurzer Zeit ganz massiv das Angebot eingebrochen ist und jetzt erst langsam wieder aufgebaut werden muss. Das ist kein langsames Heißlaufen, bei der eine Zentralbank gegensteuern kann, sondern ein handelspolitischer Schock. Habecks Versuche neue Lieferanten für Erdgas zu sichern bringt wahrscheinlich zur Eindämmung der Inflation als jede EZB-Intervention.

    • Stefan Pietsch 7. Mai 2022, 08:55

      Mir ist nicht ganz klar, wie die EZB die Inflation bekämpfen kann. Wenn ich meine Beobachtungen richtig einordne, dann reden wir aktuell eher von einem langsamen Zusammenbrechen der weltweiten Supply-Chains

      Das gilt für alle OECD-Länder und dennoch weist z.B. die Schweiz nicht eine solche Geldentwertung auf wie der Euroraum. Die Energiepreise, so habe ich kürzlich gelesen, sind für so 40% der Preissteigerungen verantwortlich. Und Sie sagen implizit, die Notenbanken hätten eigentlich keinen Einfluss auf die Inflationsraten. Dann gilt das ja auch für die jüngere Vergangenheit, wo die EZB ihre ultralockere Geldpolitik immer mit den zu niedrigen Preissteigerungen begründete. Dann war das offensichtlich auch falsch.

      In den USA, einem sehr energiehungrigen Land, erhöht die Fed seit über einem Jahr systematisch die Zinsen und ist früher als ihr europäisches Gegenüber aus der Staatsfinanzierung ausgestiegen. Machen die das auch falsch?

      Damit ist nicht falsch, was Sie schreiben. Aber es ist eben nur ein Ausschnitt aus der Erklärung. Wir kommen wegen der langjährigen EZB-Politik in sehr gefährliches Fahrwasser. Die Geldpolitik hat es über ein Jahrzehnt nicht vermocht, mit ihren Instrumenten das Wachstum zu entfesseln und steht nun in totaler Abhängigkeit zur Finanzpolitik der Mitgliedsstaaten. Das hätte nie sein dürfen, denn schließlich soll die EZB laut ihrem Mandat immer unabhängig agieren, ohne Rücksicht auf die Finanzpolitik, nur ihrem Auftrag der Geldstabilität verpflichtet. Das kann sie nicht mehr.

      • Hias 7. Mai 2022, 13:03

        Das gilt für alle OECD-Länder und dennoch weist z.B. die Schweiz nicht eine solche Geldentwertung auf wie der Euroraum. Die Energiepreise, so habe ich kürzlich gelesen, sind für so 40% der Preissteigerungen verantwortlich.

        Hm, das ist tatsächlich interessant. Ich tippe mal, dass es darauf zurückzuführen ist, dass die Schweiz ihren Strom hauptsächlich aus Wasserkraft gewinnt, während Deutschland und andere Länder dafür Erdgas benötigen.

        Und Sie sagen implizit, die Notenbanken hätten eigentlich keinen Einfluss auf die Inflationsraten.

        Nein, das sage ich weder implizit noch explizit! Die Zentralbank kann sehr wohl was tun, wenn es um ein Art langsames Heißlaufen geht. Hier haben wir es aber eher mit einem handelspolitischen Schock zu tun. Da fehlen halt innerhalb kürzester Zeit jede Menge Ressourcen und Vorprodukte wie Nickel und Palladium bzw. die Lieferwege müssen sich komplett neu aufstellen. Und in einem solchen Fall kann die EZB Zinsen setzen wie sie lustig ist, das wird der Salzgitter AG kein Nickel und Infineon kein Palladium herzaubern.

        In den USA, einem sehr energiehungrigen Land, erhöht die Fed seit über einem Jahr systematisch die Zinsen und ist früher als ihr europäisches Gegenüber aus der Staatsfinanzierung ausgestiegen. Machen die das auch falsch?

        Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass die USA mehr Ressourcen zur Verfügung hat als die EU und insbesondere dank Fracking inzwischen mehr fossile Energieträger exportiert als importiert. Hinzu kommt, dass die US-Wirtschaft bei weitem nicht so industrielastig ist, wie die der EU.

        Nochmal, ich bin kein Befürworter der EZB – Politik. Auch wenn ich es nicht so dramatisch sehe wie Sie, ist mir bei der Geldschwemme schon mulmig. Nur diese aktuell zu verzeichnende Inflation beruht mE vor allem auf der aktuellen handelspolitischen Situation.

        • Stefan Pietsch 7. Mai 2022, 19:03

          Das ist das zweite Mal in diesem Strang, dass Sie es mit Vermutung probieren. Die Daten der eidgenössischen Statistikbehörde ist frei verfügbar. Um das abzukürzen: wahrscheinlich nicht. Die Energiepreise machen nur einen Teil im Warenkorb aus, wovon Wasserkraft die Hälfte der Energieerzeugung, aber nicht des Primärenergiebedarfs ausmacht. In Summe kommen wir da vielleicht auf Werte von um die 10%, zu wenig, um die generelle Inflation zu erklären.

          Nein, das sage ich weder implizit noch explizit! Die Zentralbank kann sehr wohl was tun, wenn es um ein Art langsames Heißlaufen geht. Hier haben wir es aber eher mit einem handelspolitischen Schock zu tun.

          Nein, das ist jetzt die Legende. Tatsächlich zogen die Preise bereits im 4. Quartal 2021 deutlich an, was die EZB noch als vorübergehendes Phänomen einordnete – im Gegensatz zu ihren Kollegen in Washington. Das war kein Schock, sondern eine Entwicklung.

          Nochmal, damit Sie sich nicht dem Vorwurf des Ausbüxens aussetzen: Warum folgt die EZB in ihrer Politik nicht anderen Notenbanken, allen voran der Fed?

          Nun ja, Deutschland hat seine Ressourcen aus politischen Gründen massiv beschnitten. Das hieße, sich machen zu einem Gutteil die Politik für die Preisinflation verantwortlich?

          Die USA sind stärker als Europa von der Entwicklung an den Rohölmärkten abhängig. Und Apple hat einen Bedarf an Industriechips wie die gesamte Autoindustrie. Also ’ne ganze Menge.

    • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:54

      Kann sie nicht, reiner Reflex. Wenn du nur einen Hammer hast, sehen alle Probleme wie Nägel aus.

Leave a Comment

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.