Das große Kanzlerranking, Teil 1: Konrad Adenauer


Angesichts des bevorstehenden Endes der langen Kanzlerschaft Angela Merkels sind Diskussionen über die Bedeutung ihrer Kanzlerschaft und ihren Platz in der Geschichte in vollem Schwung. Um aber einschätzen zu können, wo Merkels Platz in der Geschichte ist, ist ein Blick auf die anderen Kanzler der BRD unausweichlich. Der Versuch, eine Ranking-Liste zu erstellen, ist naturgemäß mit Schwierigkeiten behaftet, weil jede Wertung in einem gewissen Maße arbiträr ist – des einen LieblingskanzlerIn ist des anderen Gottseibeiuns. Ich habe mich daher dazu entschieden, für diese Übung die Frage zu stellen, wie konsequenzenreich, wie bedeutsam der jeweilige Kanzler oder die Kanzlerin für Deutschland waren.

Der Vorteil dieser Heuristik ist, dass die Frage, ob mir die jeweiligen Weichenstellungen persönlich gefallen, keine Rolle spielt. Der Nachteil ist, dass diese Art des Rankings KanzlerInnen bevorzugt, die entsprechende Spielräume hatten – und für diese können die jeweiligen Personen oft recht wenig. Gleichzeitig schreiben wir womöglich KanzlerInnen mehr Einfluss zu, als sie tatsächlich hatten. Schließlich ist einE KanzlerIn nicht automatisch für alles verantwortlich, was in der jeweiligen Amtszeit passiert. Dieser Widerspruch wird sich nicht komplett auflösen lassen.

Spätestens seit der Corona-Krise ist uns auch allen klar, dass in der Prävention kein Ruhm zu finden ist. Ich will aus diesem Geist heraus bei jeder Untersuchung auch auf die Wege gehen, die das Land nicht genommen hat, sofern klare Alternativen ersichtlich waren, die das jeweilige Regierungsoberhaupt nicht ergriffen hat. Kontrafaktische Geschichte ist immer schwierig, weswegen ich versuchen will, diese Betrachtung auf die damals ersichtlichen Alternativen zu begrenzen und zu zeigen, warum diese jeweils nicht zustande kamen. Und nun genug der Vorrede, beginnen wir mit unserer Betrachtung.

Bundesarchiv, B 145 Bild-F078072-0004 / Katherine Young / CC BY-SA 3.0 DE

Platz 1: Konrad Adenauer (1949-1963), CDU

Es ist völlig offensichtlich, dass Platz 1 in einem solchen Ranking von Konrad Adenauer besetzt sein muss. Niemand hat die BRD mehr geprägt als er, und während wir gegenüber der Theorie der „Großen Männer in der Geschichte“ einen gesunden Abstand wahren sollten – zu relevant sind strukturelle und gesellschaftliche Faktoren – so ist doch unbestritten, dass Adenauer persönlich einen gewaltigen Einfluss auf Richtungsentscheidungen der frühen BRD hatte. Allein deswegen gebührt ihm, mit Abstand, der erste Platz in diesem Ranking.

Innenpolitik

Ein Großteil der heutigen Verfassungsordnung wurde in der Kanzlerschaft Konrad Adenauers festgeschrieben. Es ist daher ein müßiges Unterfangen, hier auf Vollständigkeit pochen zu wollen.

Wenden wir uns zuerst den formalen Strukturen zu. Wie ich in meiner Serie zum politischen System Deutschlands bereits ausführlicher besprochen habe, geht ein wesentlicher Teil unserer heutigen Verfassungswirklichkeit auf Adenauer zurück. Er war es, der die Richtlinienkompetenz des Kanzleramts weiträumig auslegte und damit zur Schlüsselfigur des politischen Betriebs machte, der das Kabinett vergleichsweise schwach hielt, der die Exekutive zum klaren Zentrum der Gesetzgebung innerhalb des Bundestags machte. Damit prägte er die politische Struktur der Republik wie niemand nach ihm. Ich möchte noch einmal betonen: als erster Kanzler zwangsläufig. Hätte Kurt Schuhmacher die Bundestagswahlen 1949 gewonnen, hätte er die Struktur wohl ebenfalls geprägt. Wie und wie dauerhaft muss Spekulation bleiben. Wir wissen aber, dass Adenauers Festlegungen die Zeit überdauert haben. Und das ist bemerkenswert.

Ein weiterer Meilenstein, der in seine Regierungszeit fällt, ist die Wiederbewaffnung, die Gründung der Bundeswehr. Zwischen 1945 und 1955 hatte Deutschland keine eigenen Streitkräfte. Es war Adenauer, der von Beginn an auf die Wiederbewaffnung drängte (er bot ja bereits Präsident Truman 1950 im Koreakrieg einen deutschen Beitrag an!). Adenauer muss sich gleichwohl vorwerfen lassen, die Armee als deutlich rechtsgerichtete Kraft aufgebaut und von der deutschen Zivilbevölkerung weitgehend abgekapselt zu haben. Es brauchte die aufeinanderfolgenden Engagements mehrerer Verteidigungsminister, vor allem Helmut Schmidts, um die Bundeswehr zu reformieren und in ihre heutige Struktur mit dem „Staatsbürger in Uniform“ zu transformieren.

Das bringt uns auch zu einer weiteren Festlegung der Kanzlerschaft Adenauers: den Umgang mit den Nazis. Adenauer war von Anfang an der Überzeugung, dass der Aufbau des Staates nur möglich war, wenn möglichst schnell ein Schlussstrich unter die Jahre 1933 bis 1945 gezogen werde und schaute im Allgemeinen nicht nur nicht genau hin, sondern aktiv weg, wenn es um Nazi-Personal ging. Sein Kanzleramtsminister Globke ist nur das prominenteste Beispiel einer langen Reihe von Nazis aus der mittleren Ebene, die bruchlose Karrieren in der CDU machen konnten. Damit setzte Adenauer einen Ton, der in den 1960er Jahren zum ersten Mal und in den darauffolgenden Dekaden immer wieder hervorbrechen sollte.

Adenauer lag hier insofern richtig, als dass diese Nazi-Figuren eine umstandslose Wandlung zu Vernunftrepublikanern mitmachten. Es gibt keine Figur, die in der CDU Karriere gemacht hätte und später wegen Verfassungsfeindlichkeit aufgefallen wäre; gleichwohl wurde das natürlich durch die autoritäre Grundhaltung Adenauers und die generell muffige-konservative, punktuell ins Reaktionäre abgleitende Stimmung der 1950er Jahre auch deutlich erleichtert. Wir werden dieser Thematik in der Sektion der nicht gegangenen Wege noch einmal begegnen. Es bleibt aber festzuhalten, dass die Integration der Alt-Nazis in die BRD insgesamt überraschend reibungslos verlief, wozu sicherlich auch das Verbot der SRP 1953 beitrug.

Umso auffälliger ist es, dass das große Verständnis für Nazis sich nicht auf die andere Seite des politischen Spektrums erstreckte. Adenauer setzte einen Ton eines ins pathologische übergehenden Anti-Kommunismus, der bewusst mit so breitem Pinsel zeichnete, dass er nicht nur die berechtigten Maßnahmen gegen Verfassungsfeinde wie die KPD ins Visier nahm (die 1956 verboten wurde), sondern auch die gesamte SPD in den Ruch des Vaterlandsverrats bringen wollte. Die christliche Nächstenliebe, die zum Verzeihen von Mördern wie Filbinger umstandslos möglich war, erstreckte sich nie auf einen Herbert Wehner, der unendlich viel redlicher war. Die CDU nutzte diese Rhetorik bis zum Untergang des Ostblocks, zuletzt in der Rote-Socken-Kampagne der 1980er Jahre.

Eine andere Leistung der Adenauer-Zeit war die Integration der Flüchtlinge. Dass wir darüber heute kaum noch reden ist allein bemerkenswert. Millionen Menschen kamen aus den verlorenen Ostgebieten mit praktisch Nichts in der BRD an, die selbst nicht gerade wohlhabend war und deren Städte in Trümmern lagen. Innerhalb von etwa 15 Jahren gelang die praktisch vollständige Integration der Flüchtlinge, so erfolgreich, dass deren politische Vertretung, der BHE, bereits in den 1950er Jahren in der CDU aufging und dass die Vertriebenen-Verbände eine deutlich geringere Rolle spielten, als man hätte erwarten können.

Mithin die größten Weichenstellungen aber die Wirtschafts- und Sozialordnung. Entgegen den Absichten Ludwig Erhards (der absurderweise gleichwohl als der Vater genau dieser Ordnung gilt) etablierte Adenauer ein Wirtschaftssystem, das auf einen korporatistischen Ausgleich zwischen den Interessen der Gewerkschaften und der Arbeitgeber setzte, was zur später viel beklagten „Herrschaft der Verbände“ führte, aber wirtschaftliche Konflikte in Deutschland auf ein Minimum reduzierte. Die Zahl der Streiktage in Deutschland bleibt im internationalen Vergleich verblüffend niedrig, die Lohnforderungen der Gewerkschaften generell moderat, ihre Erfolge dagegen höher und nachhaltiger als in vielen anderen Ländern. An dieser grundsätzlichen Ordnung hat sich, trotz des Verlusts der Bindekraft von Gewerkschaften und Verbänden, nichts geändert.

Adenauer setzte auch, gegen den erbitterten Widerstand etwa Ludwig Erhards oder seiner liberalen Koalitionspartner, die Schaffung des modernen deutschen Sozialstaats durch. Hier ist nicht nur die Grundsatzentscheidung zu nennen, das auf Bismarck zurückgehende und in der Weimarer Republik ausgebaute Versicherungsprinzip als zentrale Ordnungsvorstellung zu erhalten, sondern vor allem den Ausbau dieses Systems, so dass es eine menschenwürdige Existenz erlaubt.

Es ist vor allem die Einführung der dynamischen Rente 1957, die mit ihrer faktischen Abschaffung des bis dahin weit verbreiteten Phänomens der Altersarmut die Lebensrealität breiter Bevölkerungsschichten grundlegend zum Besseren wendete (und mit der absoluten Mehrheit bei den Wahlen im selben Jahr belohnt wurde). Gleichwohl schuf Adenauer damit auch Probleme, die die Republik in den kommenden Jahrzehnten plagen sollen, vor allem, weil er die andere Seite der Gleichung völlig außer Acht ließ. Es war Willy Brandt, in dessen Regierung das Kindergeld eingeführt wurde, und erst die CDU-Regierung Merkel (!) sollte zaghafte Schritte in die Richtung unternehmen, was an entsprechender Stelle diskutiert werden wird.

Außenpolitik

Es ist schwierig zu sagen, ob die Londoner Schuldenkonferenz mit einem Kanzler Schuhmann einen signifikant anderen Verlauf genommen hätte. Die weiter unten diskutierte Westbindung half Adenauer aber sicherlich, die Frage der Reparationen in Deutschlands Sinne zu lösen, indem sie weitgehend auf die Zeit nach einem (völlig hypothetischen) Friedensschluss geschoben wurde (es sollte Kohl zufallen, sie dann vom Tisch zu fegen). Adenauer aber etablierte die lange deutsche Tradition, die durchaus einzigartig ist, die Schuld des Landes grundsätzlich anzuerkennen und mit signifikanten Summen abzugelten. Das Wiedergutmachungsabkommen mit Israel war nicht nur richtig, sondern in seinem Umfang auch überraschend generös. Hier wurde ein Präzedenzfall für das weitere deutsche Verhalten gesetzt, das zwar nie auch nur ansatzweise perfekt war, aber Meilen der Bewältigungspolitik anderer Länder voraus ist.

In der Außenpolitik aber ist als größte und nachhaltigste Weichenstellung der BRD die Westbindung zu nennen. Anstatt an alte deutsche Traditionen anzuknüpfen oder einem damals weit verbreiteten Wunsch nachzugeben, ähnlich wie Österreich eine Brückenrolle zwischen Ost und West einzunehmen und sich keinem der beiden Kalter-Kriegs-Blöcke zu verschreiben. Adenauer stattdessen wollte von Anfang an die enge Bindung an die USA, Frankreich und Großbritannien. Er war darin vor allem aus zwei Perspektiven geleitet.

Einerseits misstraute Adenauer allem, was sich östlich der Elbe befand (dort begann in seinen unsterblichen Worten Asien), vor allem den dortigen Protestanten, zutiefst und wollte mit ihnen keinen Staat teilen. Aus diesem Grund verhinderte er auch die Anerkennung West-Berlins als Bundesland („damit hätte die SPD ein Übergewicht“). Andererseits sah er, dass die Chancen für Deutschlands Wiederaufstieg in einer engen Bindung an den Westen wesentlich besser waren als in einer Schaukelpolitik. Adenauer hatte Weimar erlebt; ihm musste niemand den Geist von Rapallo beschwören.

Daher trieb er sowohl die Einbindung Deutschlands in die NATO voran (mitsamt der Wiederbewaffnung) als auch die europäische Einigung. Man sollte nicht der nachträglichen Verklärung auf den Leim gehen und Adenauer als überzeugten Europäer konstruieren. Der Rheinländer erkannte vielmehr in der Montanunion und später der EWG ein probates Mittel, die Isolation der BRD zu überwinden und die Wirtschaftspolitik international abzusichern. Aber Motive sind letztlich irrelevant, was zählt, ist das Ergebnis. Und beide Prozesse waren zutiefst bedeutsam, wenn es um die weitere Marschrichtung deutscher Außenpolitik geht. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die SPD erst eine Machtperspektive bekam, als sie mit Bad Godesberg diese Grundsatzentscheidung anerkannte und sich von der Idee einer Schaukelpolitik verabschiedet (auch wenn viele in der SPD bis heute Phantomschmerzen von dieser Entscheidung haben). Umgekehrt blieb der die deutsche Außenpolitik gewissermaßen auf einem Auge blind und ignorierte bewusst den Osten des Kontinents – ein strategischer Makel, der erst durch Willy Brandt beseitigt wurde.

Adenauer half hier sicherlich seine kulturelle Affinität zu Frankreich. 1923 war er im Rheinland zumindest in die dortigen Separatismusbestrebungen verwickelt (es bleibt umstritten, wie groß seine Rolle tatsächlich war). Gegenüber den USA dagegen hatte er stets eine instinktive Abneigung; zu freiheitlich, kosmopolitisch, modern waren sie ihm. Instinktiv verstand er sich mit einem anderen autoritären Staatschef wie Charles de Gaulles. In seinen letzten Jahren als Kanzler setzte er die deutsche Außenpolitik so weit wie möglich von den USA ab (deren neuen Präsidenten Kennedy er ohnehin verabscheute, was sicher auf Gegenseitigkeit beruhte) und schloss ein Abkommen mit de Gaulle, das eine deutsch-französische Sonderpartnerschaft in Europa vorbereiten sollte. Hier erhielt er aber bereits viel innerparteilichen Gegenwind. Das weitere Schicksal dieser Bestrebungen werden wir in der Kanzlerschaft Erhards erleben.

Nicht gegangene Wege

Es ist offensichtlich, dass eine Figur, die so viele Richtungsentscheidungen traf wie Adenauer, damit auch eine ganze Menge Richtungen ausschloss. Wo diese durch die Wahl einer Alternative bestimmt sind, haben wir sie bereits abgehandelt.

Eine zentrale Entwicklung unter Adenauer wurde durch eine Kombination zahlreicher Widerstände zunichte gemacht: ein deutlich autoritäreres Deutschland, als wir heute haben. Beispielhaft kann man das bei Adenauers Versuch sehen, ein staatlich kontrolliertes Regierungsfernsehen einzurichten, weil ihm die Unabhängigkeit der damaligen ARD (die er stilsicher als „rotes“ Fernsehen bezeichnete) gegen den Strich ging. Das ZDF entspringt dieser Antipathie. Adenauers Kontrollvorstellungen aber schob das BVerfG einen Riegel vor. Auch in der Spiegel-Affäre verhinderte eine breite Allianz eine obrigkeitsstaatlichere Ausrichtung der BRD.

Dieselbe Stoßrichtung findet sich in zahlreichen Initiativen Adenauers. Stetig versuchte er, die Machtbefugnisse der Exekutive auszuweiten und sie gegen Kontrolle durch die anderen Gewalten oder die Presse abzuschirmen. Wir nehmen es heute als gegeben hin, dass er hier auf ganzer Linie scheiterte, aber das war bei weitem nicht gesagt. Hätte Adenauer Erfolg gehabt, würde die BRD heute ganz, ganz anders aussehen.

Gleiches gilt für ein Feld, auf dem er erfolgreich war. Der gesellschaftspolitische Muff der 1950er Jahre etwa ist legendär und brach in den Protesten der 1960er Jahre dann deutlich aufgeladener zusammen, als dies notwendig gewesen wäre. Hier ist Adenauers Figur vor allem eine der Verhinderung. Wäre es nach dem Alten gegangen, wäre das Land auch deutlich christianisiert worden. An Initiativen dieser Art fehlte es nicht; dass sie scheiterten, liegt weniger an Adenauers Vermögen oder Unvermögen, sondern an der rapide abnehmenden Bindungskraft der Amtskirchen, gegen die auch noch so klare Schützenhilfe aus dem Kanzleramt nichts auszurichten vermochte.

Adenauer scheiterte auch mit seinem Versuch, Deutschland in den Kreis der Großmächte zurückzuführen. Vor allem seine Versuche, an Atomwaffen zu kommen, scheiterten. Es ist schwer zu sagen, wie die deutsche Außenpolitik heute aussehen würde, wenn das wiedervereinigte Deutschland über Atomwaffen verfügte, aber die grundsätzliche Logik als „Zivilmacht“ wäre kaum aufrechtzuerhalten. Man kann an Frankreich und Großbritannien sehen, welches Eigenleben selbst vergleichsweise kleine Atomwaffenarsenale entwickeln und welche zwingenden Folgeschritte sich aus ihnen ergeben.

Hätte Adenauer nicht auf den Ausbau des Sozialstaats gesetzt oder seinen parteiinternen Machtkampf mit Ludwig Erhard verloren, so ist durchaus anzunehmen, dass Deutschland heute völlig anders aussehen würde. Amerikanischer, vermutlich, bedenkt man Erhards transatlantische Sensibilitäten. Die Gewerkschaften wären schwächer geblieben, gleichzeitig konfliktreicher. Das sozialdemokratische Milieu hätte sich vielleicht nie aufgelöst, die SPD nie Volkspartei geworden – und genauso wenig die CDU. Dieses Szenario schafft so viele weitere Pfade, dass es müßig ist, darüber zu spekulieren. Sicher aber ist, dass es ein komplett anderes Deutschland geworden wäre.

Ein letzter nicht gewählter Pfad besteht in der Frage der Flüchtlingsintegration. Wäre es der BRD in dieser Zeit nicht gelungen, die Flüchtlinge zu integrieren, wäre die dauerhafte Etablierung einer revanchistischen Partei vorstellbar gewesen, die nicht nur das politische System der BRD dauerhaft nach rechts verschoben hätte, sondern auch die Außenpolitik ungemein erschwert hätte. So wurden die Revisionisten in den demokratischen Konsens der CDU eingebunden und spielten dort eine eher untergeordnete Rolle.

Wer auf Platz 2 des großen Kanzlerranking steht kommt in der nächsten Folge. 🙂

{ 71 comments… add one }
  • R.A. 1. Mai 2020, 13:23

    „Der Vorteil dieser Heuristik ist, dass die Frage, ob mir die jeweiligen Weichenstellungen persönlich gefallen, keine Rolle spielt.“
    Und der Nachteil ist, daß Hitler dieses Ranking mit Riesenabstand gewinnen würde.
    Soll heißen: Man kann m. E. ein politisches Urteil nie davon lösen, wie einem die politischen Ziele persönlich gefallen. Daß jemand „viel bewirkt“ hat kann ziemlich übel sein, einen guten status quo zu bewahren kann angesichts von Krisen oder Bedrohungen ein Riesenerfolg sein.

    • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 14:22

      Der Vorteil ist, dass wir in der BRD keinen Hitler haben. Deswegen kann man annehmen, dass „viel bewirkt“ zumindest bei einer ordentlichen Pluralität der Beobachter auf Gegenliebe stößt. Außerdem habe ich den dringenden Verdacht, dass du exakt das Gegenteil kritisiert hättest, wenn ich es andersrum gemacht hätte.

      • R.A. 1. Mai 2020, 14:40

        Klar ist Hitler das Übertreibungsbeispiel.
        Aber ich denke schon daß „viel bewirken“ alleine kein Qualitätsmerkmal ist.

        „Außerdem habe ich den dringenden Verdacht …“
        Dieser Verdacht ist völlig unbegründet.

        • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 15:28

          Nein, aber ich war auf der Suche nach neutralen Maßstäben.

          Ok. 🙂

  • R.A. 1. Mai 2020, 13:36

    Beim Inhaltlichen weitgehende Zustimmung. Nur einige Punkte:

    „Adenauer muss sich gleichwohl vorwerfen lassen, die Armee als deutlich rechtsgerichtete Kraft aufgebaut und von der deutschen Zivilbevölkerung weitgehend abgekapselt zu haben. “
    Ist das so? Da weiß ich eher wenig, aber m. W. war auch die frühe Bundeswehr nicht rechtsgerichteter oder abgekapselter als vergleichbare Wehrpflichtarmeen europäischer Staaten.

    „Sein Kanzleramtsminister Globke ist nur das prominenteste Beispiel einer langen Reihe von Nazis aus der mittleren Ebene“
    Wie definierst Du denn „mittlere Ebene“? Globke war ja nicht einmal NSdAP-Mitglied. Wobei er in seiner staatlichen Funktion während der NS-Zeit ziemlich fies war, deswegen gehört er zu Recht auf die Negativliste.
    Aber ansonsten war es doch eher so, daß von höheren und mittleren Nazis fast keiner nach dem Krieg irgendwo politisch Fuß fassen konnte, die sind schon ziemlich konsequent ausgesiebt worden. Die „Nazis“, die nach 1945 Karriere gemacht haben waren fast durchweg in der Diktatur nur einfache Mitglieder.

    „Adenauer setzte einen Ton eines ins pathologische übergehenden Anti-Kommunismus,“
    Der wesentliche Unterschied zwischen Nazis und Kommunisten war in dieser Zeit, daß die Nazis besiegt waren und keine Bedrohung mehr darstellten, während die Kommunisten auf dem Höhepunkt ihrer Weltmacht waren und sehr aktiv gegen den Westen und die BRD vorgingen. Anti-Kommunismus war als in den 50ern völlig gerechtfertigt und in keiner Weise „pathologisch“.

    Ansonsten aber, insbesondere bei der Außenpolitik, Zustimmung.

    • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 14:25

      Ja, war schon so. Die haben ja das komplette Wehrmachtsstabpersonal übernommen, und die haben versucht, die ganzen Wehrmachtsstrukturen zu erhalten. Deswegen gab es immer wieder Irritationen mit den Bündnispartnern und dann ab den 1960er Jahren die Reformen.

      Ja, die Begrifflichkeit ist zugegeben etwas ungenau. Aber Kiesinger war NSDAP-Mitglied, und Filbinger AFAIK auch.

      Pathologisch sehe ich ihn deswegen, weil er halt auch die SPD immer bewusst mit in einen Topf geworfen hat. DAS werfe ich ihm vor. Die Vorgehensweise gegen die KPD verteidige ich ja explizit.

      • R.A. 1. Mai 2020, 14:48

        „die haben versucht, die ganzen Wehrmachtsstrukturen zu erhalten.“
        Diese Strukturen waren aber m. W. nicht politisch (oder gar rechtsextrem), sondern militärisch professionell.
        Insofern wundert mich auch, daß das Bündnispartner irritiert haben soll. Speziell Briten und Amis waren ja überwiegend große Fans der Leistungsfähigkeit der Wehrmacht, insbesondere bei Stabsarbeit und Offiziersausbildung.

        „Aber Kiesinger war NSDAP-Mitglied, und Filbinger AFAIK auch.“
        Siehe oben: Solche einfachen Mitglieder der NSdAP konnten es weit bringen. Von denen gab es ja auch 7,5 Millionen. Die konnte man nicht alle wegsperren und natürlich haben aus dieser großen Zahl auch einige nach 1945 größere Karriere gemacht. Das halte ich nicht für problematisch.
        Wesentlich ist, daß alle führenden Nazis (incl. der mittleren Ebene) ziemlich konsequent aussortiert wurden.
        Insofern ist die Entnazifizierung m. E. deutlich besser und konsequenter gelaufen als in allen mir bekannten Diktatur-Aufarbeitungen. Incl. auch der Aufarbeitung der SED-Diktatur.

        „Pathologisch sehe ich ihn deswegen, weil er halt auch die SPD immer bewusst mit in einen Topf geworfen hat.“
        OK, das war krass und fies.
        Zähle ich halt nicht als Antikommunismus, weil die SPDler eben keine Kommunisten waren. Ist eher ein Mißbrauch des Antikommunismus.

        • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 15:32

          Nee, da gab es schon so Wehrmachts-Eigengewächse. Es hat schon seinen Grund, dass diese Stabsstrukturen von US Army oder dem britischen Heer nie kopiert worden sind. Auch sonst war da schon einiges mit Übrnahme von „Traditionsbeständen“, wie der Euphemismus hieß. Etwa die Bedeutung von Gehorsam und so Kram.

          Kiesinger und Filbinger waren zwar in der Parteihierarchie nicht sonderlich hoch, aber auf gesellschaftlich relevanten Positionen. Aber: insgesamt gebe ich dir ja schon im Artikel durchaus Recht. Die Entnazifizierung verlief was die wahren Funktionsträger anging gut, aber halt mit dem Preis der weitgehenden Reinwaschung von 99% aller Nazis. Was die DDR angeht: das wäre einen ganz eigenen Artikel wert. Lassen wir es mal hier dabei bewenden, dass ihre Selbstdarstellung als antifaschististisches Bollwerk in der Realität zu wünschen übrig ließ…

          Klar, aber es ging ja um Weichenstellungen, und Adenauer hat diese Gleichsetzung mit dekadenlangen Folgen betrieben.

    • Ariane 1. Mai 2020, 21:43

      Ist das so? Da weiß ich eher wenig, aber m. W. war auch die frühe Bundeswehr nicht rechtsgerichteter oder abgekapselter als vergleichbare Wehrpflichtarmeen europäischer Staaten.

      Die Geheimdienste auch, die wurden quasi ähnlich weitergeführt wie vorher. Also gerade die Anfangstage der Bundeswehr und der Geheimdienste hatten eigentlich wenig Veränderungen. Irgendwen musste man halt dahin setzen.
      Ich gebe R.A. da schon recht, so schlecht war die Entnazifizierung nicht, aber so dieses Konzept, wie die Bundeswehr jetzt zum ersten Mal in einer guten Demokratie funktionieren soll, kam später. Und ist auch immer noch nicht fertig, Deutschland ist da wirklich noch stark traumatisiert. Und gerade in der Bundeswehr ist das schon ein schwieriges Spannungsfeld.

      Ist auch bisschen merkwürdig, ich komme ja aus einer Marinegegend und bin jetzt in so einer Panzergegend gelandet und finde schon, dass es in der Marine etwas liberaler zugeht, die hatten übrigens auch einen recht hohen Anteil an Menschen mit ausländischen Wurzeln und auf Schiffen ist man ja noch enger zusammen (v.a. in U-Booten).
      Die (Ex-)Panzerfahrer scheinen mir da im Vergleich schon etwas konservativer zu sein. Obwohl ich aus eigener Erfahrung noch nie krasse Nazis von der Bundeswehr kenne. Allerdings gehts vermutlich auch deutlich zivilisierter zu, wenn ein Mädel dabei ist 😉

  • sol1 1. Mai 2020, 15:05

    „Umso auffälliger ist es, dass das große Verständnis für Nazis sich nicht auf die andere Seite des politischen Spektrums erstreckte. Adenauer setzte einen Ton eines ins pathologische übergehenden Anti-Kommunismus, der bewusst mit so breitem Pinsel zeichnete, dass er nicht nur die berechtigten Maßnahmen gegen Verfassungsfeinde wie die KPD ins Visier nahm (die 1956 verboten wurde), sondern auch die gesamte SPD in den Ruch des Vaterlandsverrats bringen wollte. Die christliche Nächstenliebe, die zum Verzeihen von Mördern wie Filbinger umstandslos möglich war, erstreckte sich nie auf einen Herbert Wehner, der unendlich viel redlicher war. Die CDU nutzte diese Rhetorik bis zum Untergang des Ostblocks, zuletzt in der Rote-Socken-Kampagne der 1980er Jahre.“

    Das hat natürlich mit dem Klerikalismus zu tun, den du an anderer Stelle erwähnst.

    Wenn man Nationalsozialismus und Kommunismus als „gottlose“ Ideologien abstempelt (was für ersteren allenfalls eine Halbwahrheit ist), dann kann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen kann man die Ex-Nazis im Kampf gegen den neuen Feind einspannen, ohne von ihnen eine grundlegende geistige Neuorientierung zu verlangen (die meiesten NSDAP-Mitglieder gehörten ja weiterhin den christlichen Kirchen an), zum anderen kann man säkulare Milieus in Verruf bringen.

    • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 15:34

      Ja, das ist ein sehr guter Punkt. Ich wollte nur an dieser Stelle mehr beschreiben als analysieren, woher das genau kam. Aber das spielt sicher eine große Rolle. Wenig wunder, dass gerade Merkel viel weniger Berührungsängste mit den Sozialdemokraten hat.

      • sol1 1. Mai 2020, 15:56

        Ich halte den Punkt auch deshalb für wichtig, weil er Licht auf aktuelle Tendenzen wirft.

        In AfD-Kreisen etwa gibt es momentan einen Hype um den portugiesischen Estado Novo, zu dem es in Wikipedia heißt:

        /// Im Grundsatz versuchte [António Salazar] aber gerade nicht, das Volk zu politisieren, sein Staat wurde oft mit dem Schlagwort „Fado, Fátima e Futebol“ (also sinngemäß Musik, Religion und Sport) beschrieben, die das Volk ruhigstellen sollten. ///

        https://de.wikipedia.org/wiki/Estado_Novo_(Portugal)

        Die Parallelen zum heutigen Polen, zu Rußland (wo es die orthodoxe Kirche ist) und zu den evangelikalen Kirchen in den USA und Brasilien liegen auf der Hand, ebenso zu der Rolle, die der Islam in der Türkei und der Hinduismus in Indien spielen.

        • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 15:59

          Richtig.

        • Ariane 3. Mai 2020, 00:16

          Jep. Religion ist halt ein ideales Zugpferd zur sozialen Kontrolle, die AfD hat ja auch starke Verbindungen zu den äh „Evangelikalen“ in Deutschland, also diese Extremchristen.

          Am verrücktesten ist es glaub ich, wenn man sich mal mit der Mädchen-Beschneidungsdebatte näher beschäftigt. Das ist eigentlich eine Uralt-Stammestradition, die im Christentum und Islam einfach weitergemacht wurde und dann einfach mit der jeweiligen Religion begründet wurde (und Jungfrauenfetische hat fast jede Religion). Und ist echt schwer einzufangen, obwohl beide Religionsvertretungen schon verkündet haben, dass Beschneidung nicht zur jeweiligen Religion gehört.
          Da entwickelt sich schnell ein Eigenleben, weil die meisten Menschen schon irgendeinem Glauben (wie bei Verschwörungstheorien) anhängen und das dann als Vehikel genommen werden kann.

    • Erwin Gabriel 1. Mai 2020, 16:34

      @ sol1 1. Mai 2020, 15:05

      Das hat natürlich mit dem Klerikalismus zu tun, den du an anderer Stelle erwähnst.

      Absolut richtig.

    • Ariane 1. Mai 2020, 21:53

      Das hat natürlich mit dem Klerikalismus zu tun, den du an anderer Stelle erwähnst.

      Spannend. Aus dem protestantischen Norden muss ich auch berichten, dass das generell – ich sag mal – registriert wird. Ich merk bei Stefan und Pietschi auch manchmal, dass da das Katholische in der Rhetorik eine größere Rolle spielt.
      Da gibt es glaub ich schon ein gewisses Unverständnis dem Süden gegenüber und ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum wir hier soviel liberaler sind, diese strengen dörflichen, katholischen Kulturen kenne ich eigentlich mehr aus Erzählungen aus dem Süden. Der Katholizismus mit seinen strengen sozialen und gesellschaftlichen Regeln spielt hier keine Rolle. Wir sind näher dran am „soll jeder machen wie er denkt“. Und diese verrückte Brauchtumspflege, die bei euch im Süden immer abgeht, das ist hier auch eher unbekannt.

      Oh und interessante Beobachtung. Ich war in den letzten Jahren sowohl im Norden als auch im Süden zu Taufen oder Konfirmationen, alles protestantisch. Aber da gibts wahnsinnig große Unterschiede, im Norden ist mir das schon wieder zu schlicht, bisschen feierlich darf man ja schon sein. Während ich im Süden immer verwundert dasitze und mich frage, ob ich bei den Katholiken gelandet bin, weil das alles viel religiöser ist^^

      • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 22:26

        Unterschätze nie die Macht der katholischen Heuchelei. Niemand ist so gut daran, Wasser zu predigen und Wein zu saufen wie wir. 🙂

      • Dennis 2. Mai 2020, 12:27

        Uiii, jetzt also auch noch Kulturkampf auf DD.

        Zitat Ariane:
        „Und diese verrückte Brauchtumspflege, die bei euch im Süden immer abgeht,“

        Ähm….wie isses denn mit so watt ?

        https://www.bordesholmerliedertafel.de/s/cc_images/teaserbox_64443347.JPG?t=1497105542

        Brodesholm, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Ätsch

        In Stefan Sasses Sprengel is man übrigens super-protestantisch. Pietistisch, also gaaaaanz konservativ. Okay, traditonell, aber wirkt ja subkutan weiter^. An „barock versus furztrocken“ is schon was dran, an „liberal versus konservativ“ IMHO eher weniger, es sei denn, man legt sich die Begriffe ganz eng zurecht.

        Zitat:
        „Der Katholizismus mit seinen strengen sozialen und gesellschaftlichen Regeln“

        Die sind nur auf dem Papier streng. Gott guckt ja nicht immer so genau hin und drückt auch mal ein Auge zu. Zu Brentanos (Außenminister) vermuteter Homosexualität soll der streng katholische Adenauer sich mal so geäußert haben: „Dat ist mir ejal, solange er mich nit anpackt.“ Okay, is nich bewiesen, aber mindestens gut erfunden.

        Man denke ferner an Luthers Rom-Erlebnis: „Das Laster schreit laut, die Tugend ist schweigsam“

        • Ariane 3. Mai 2020, 00:28

          Brodesholm, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Ätsch

          Klar, wir haben das auch. Aber ich merk das schon zum Unterschied zu Niedersachsen (die haben es hier mit den schrecklichsten Bräuchen der Welt: Schützenfeste, Kohlfarten, Babypinkeln).

          Also in SH hab ich zumindest nie so den gesellschaftlichen Druck verpürt, an absolut dämlichen Besäufnissen teilnehmen zu müssen um „dazuzugehören“. Das ist hier ein bisschen anders, da ist es als Zugezogene eine „Auszeichnung“ eingeladen zu werden und das sind oft solche Sachen, die man ohne Alkohol auch nicht so gut findet.
          In SH latscht jeder einmal im Jahr durch den Regen über die Kieler Woche und in den Dörfern trifft sich die halbe Straße, wenn ein Kranz für nen 70jährigen Geburtstag gepflochten werden muss (und trinkt nebenbei nen lütten Korn^^).

          Und das ist glaube ich im Süden schon anders, wir haben ja auch ein bisschen Familie in Bayern und da sind Trachtenmärsche und so ja voll das große Ding.

          Also dieses preußische Erbe von anything goes bzw auch das liberalere Hamburger Umfeld und das eher konservativere katholische Umfeld bemerkt man gelegentlich schon. Söder (und ich glaube auch Kretschmann) nehmen auch viel häufiger Bezug auf die Kirche. Das machen hier auch die CDUler in der Regel nicht. Deswegen klappt das mit den CSU-Kanzlerkandidaten auch nicht so, freiwillig wählt hier keiner jemanden aus Bayern 😀

  • Erwin Gabriel 1. Mai 2020, 16:31

    @ Stefan Sasse on 1. Mai 2020

    Adenauer setzte einen Ton eines ins pathologische übergehenden Anti-Kommunismus, der bewusst mit so breitem Pinsel zeichnete, dass er nicht nur die berechtigten Maßnahmen gegen Verfassungsfeinde wie die KPD ins Visier nahm (die 1956 verboten wurde), sondern auch die gesamte SPD in den Ruch des Vaterlandsverrats bringen wollte.

    Als Otto von Bismarck als Reichskanzler zurückgetreten wurde, war Konrad Adenauer bereits 14 Jahre alt. Er ist nun mal im Kaiserreich aufgewachsen, und war dort Teil des Establishments. Darüber hinaus war die SPD des Kaiserreichs, der Weimarer Republik, und auch der direkten Nachkriegszeit nicht mit der heutigen SPD vergleichbar. Und als das Godesberger Programm kam, dass die SPD modernisierte und von einer eher sozialistischen Ausrichtung in die Mitte öffnete, war Adenauer 83 Jahre alt.

    Nicht zu vergessen der brutale Antikommunismus der Amerikaner: Wollte der erste Kanzler nach Hitler dort das Gewicht haben, dass er für eine Unterstützung brauchte, musste er (ob er die Amerikaner mochte oder nicht) sich möglichst weit weg von Moskau positionieren. Es kam seinem katholischen, durchs Kaiserreich geprägten Naturell entgegen.

    Die Zeit ist für mich natürlich viel zu weit weg, um sie aus eigener Erfahrung schildern zu können, aber es leuchtet mir ein, nach einem Kaiserreich, einem missglückten Demokratieversuch und einer Schreckensherrschaft eine demokratisch basierte, aber möglichst autoritäre Regierung zu gründen, die sich zumindest ansatzweise an der verglorifizierten Kaiserzeit orientierte. Die meisten wollten damals einfach nur vergessen, und waren froh über jemanden, der die Verantwortung übernahm und ihnen sagte, wo es langging.

    Die Grundzüge, etwa die Westbindung, die Versöhnung mit Frankreich oder Israel, die Gestaltung und Prägung unseres Regierungssystems bis hin zur Wahl Bonns als Hauptstadt, hat er sehr gut angelegt, deswegen teile ich Deine Einschätzung, Adenauer auf die erste Stelle zu setzen. Ich vermute aber, dass Kurt Schumacher, hätte er die Wahl gewonnen, ebenfalls auf Platz 1 gelandet wäre, weil dann er eben die Grundlagen für unser heutiges Leben gelegt hätte.

    • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 16:47

      Mir mangelt es nicht an Erklärungen, warum Adenauer tat, was er tat. Aber die Folgen waren nun mal, was sie waren. Ich kann dir ja auch für Willy Brandts Sozialstaatsausbau erklären, welche politische Dynamik ihn praktisch dazu zwang, aber das macht die Kosten nicht weniger. Ich habe auch nicht wirklich wertend geschrieben, sondern zu beschreiben versucht. Adenauers Regierung war, was sie war. Ich bin froh, nicht in diesen Zeiten aufgewachsen zu sein, aber das sind wir wohl alle.

      Deine Vermutung teile ich, das schreibe ich ja auch explizit im Artikel. Der erste zu sein ist hilfreich ^^ Sollte ich je mein Ranking der amerikanischen Präsidenten schreiben, würde ich aus diesem Grund George Washington (und vermutlich Lincoln und Roosevelt) gar nicht erst in die Betrachtung aufnehmen, das wäre quasi Betrug ^^

      • R.A. 1. Mai 2020, 17:45

        „würde ich aus diesem Grund George Washington (…) gar nicht erst in die Betrachtung aufnehmen“
        Weiß nicht. Washington war natürlich existentiell wichtig dafür, daß sich die USA als selbständiger Staat etablieren konnte. Aber seine Präsidentschaft war vergleichsweise gar nicht so bedeutend.
        Die politischen Strukturen und Traditionen beruhen in erster Linie auf den schon bestehenden Gründungsstaaten und auf den Verfassungsdebatten der ersten Jahre. Und da waren andere Leute viel wichtiger als Washington.

        Washington war wichtig dafür, daß die USA entstanden sind. Adenauer war völlig unwichtig für die Entstehung der Bundesrepublik.
        Aber Adenauer war extrem wichtig dafür, wie die Republik sich dann entwickelt hat. Und da hatte Washington schon seine wesentliche Zeit hinter sich.

        • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 17:52

          Ja, mit dem Gedanken hänge ich auch ständig rum. Washington hat das Präsidentenamt in vielen Bereichen auch dadurch definiert, was er nicht gemacht hat. Aber: Es gab durchaus eine ganze Menge Richtungsentscheidungen in seiner Präsidentschaft, mehr als man gemeinhin denkt. Grundsätzlich aber stimme ich dir durchaus zu. Das ist sind Gedanken, die ich dann mache, wenn es soweit ist. Fakt ist, dass die Hitliste von diesen drei angeführt würde, weit außer Konkurrenz. 🙂

          • Ralf 2. Mai 2020, 00:41

            Die Bedeutung von Washington ist, dass er nach zwei Amtszeiten abgetreten ist und damit deutlich gemacht hat, dass die Vereinigten Staaten – anders als fast alle anderen Länder der Welt in dieser Zeit – tatsächlich keine Erbmonarchie sind. Kleinere Geister hätten die USA auf einen völlig anderen Kurs geschickt und die gesamte nachfolgende Geschichte wäre fundamental anders verlaufen.

        • Erwin Gabriel 4. Mai 2020, 10:55

          @ R.A. 1. Mai 2020, 17:45

          Washington war wichtig dafür, daß die USA entstanden sind. Adenauer war völlig unwichtig für die Entstehung der Bundesrepublik.
          Aber Adenauer war extrem wichtig dafür, wie die Republik sich dann entwickelt hat. Und da hatte Washington schon seine wesentliche Zeit hinter sich.

          Hab ich so noch nicht betrachtet. Werde ich im Kopf behalten.
          Danke für diesen Gedanken

  • R.A. 1. Mai 2020, 17:42

    „Darüber hinaus war die SPD des Kaiserreichs, der Weimarer Republik, und auch der direkten Nachkriegszeit nicht mit der heutigen SPD vergleichbar.“
    Das ist natürlich richtig – aber trotzdem sehe ich im Kontext dieser Diskussion wenig Unterschied zwischen der SPD der Weimarer Republik und der der 50er Jahre.

    Die entscheidende Wende war 1918 die Abspaltung des linken Flügels. Die verbleibende SPD war demokratisch, deswegen anti-kommunistisch, und in der praktischen Arbeit nicht mehr wirklich anti-kapitalistisch.
    Letztlich hat das Godesberger Programm weitgehend nur noch weggeräumt, was schon seit den 20er Jahren nur noch Rhetorik war und in der politischen Praxis keine Rolle mehr spielte.

    Ich halte es deswegen für besonders infam, daß Adenauer die SPD mit dem Kommunismus-Vorwurf (und angeblicher Moskau-Hörigkeit) diffamierte.
    Die Kindheit im Kaiserreich war für ihn da wohl nicht relevant. Wohl aber seine Zeit als Zentrumspolitiker in der Weimarer Republik. Und da waren Zentrum und SPD (und Liberale) viele Jahre Partner im Engagement für die Republik und in der Abwehr von Nazis und Kommunisten.
    Die Gründung der Bundesrepublik knüpfte an diese gemeinsame Tradition an.
    Und das hat Adenauer später aus rein wahltaktischen Gründen über Bord geworfen.

    • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 17:51

      Völlige Zustimmung. Danke!

    • CitizenK 1. Mai 2020, 18:42

      Ja. Schon diese SPD war klar anti-kommunistisch, Kurt Schumacher: „Kommunisten sind rotlackierte Faschisten“.

      • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 19:35

        Nach 1946 sowieso.

        • Ariane 1. Mai 2020, 22:10

          Die können heute noch keinen Rechtsextremismus verurteilen ohne sich für ne geworfene Flasche zu entschuldigen. (siehe Gabriel nach Hanau). ^^

    • Ariane 1. Mai 2020, 22:09

      Jep genau das. Danke! Und sein Raunen von Vaterlandsverrat gegenüber der SPD hat sich auch lange gehalten, das wirkt immer noch. Ich sag ja, man muss nur Staatsräson rufen und die SPD hüpft über die Klippe ohne Nachzudenken.

      • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 22:26

        Wobei das ein Instinkt war, der deutlich älter ist als Adenauer. Oder, so gesehen, genauso alt wie Adenauer 😛

  • Dennis 1. Mai 2020, 19:10

    Anders als R.A. finde ich deine Herangehensweise schon überzeugend, zumal mit „der Nachteil ist…“ ja beschrieben wird, dass das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein schwieriger, sozusagen lösungspflichtiger Probleme das „Ranking“ maßgeblich bestimmt. Adenauer hat da also sozusagen einen „natürlichen“ Vorteil, der ihm als der Erste, der für wesentliche Weichenstellungen mit zuständig war, quasi zufällt, das ist ja auch schon gesagt worden. Und Hitler ist im zu untersuchenden Personenkreis schlicht nicht dabei. Klar, auch ein so angelegtes Ranking ist nicht objektiv. Ein allgemein und zwingend anzuerkennender Maßstab ohne Wenn und aber muss noch erfunden werden.

    Zustimmung zum Tenor der Ausarbeitung. Alles sehr trefflich. Vielen Dank auch dafür.

    „Bin mit allem restlos einverstanden“ ist andererseits zu schlicht und zu langweilig^, deshalb hier ein paar „Sachen“ en detail:

    Zitat:
    „Einerseits misstraute Adenauer allem, was sich östlich der Elbe befand (dort begann in seinen unsterblichen Worten Asien),“

    Das in Klammern dürfte eine Legende sei, aber gut erfunden!

    Zitat:
    „vor allem den dortigen Protestanten, zutiefst “

    Das wiederum trifft IMHO wohl zu. Die Konfessionsfrage war noch bis ca. Anfang 60er politisch von großer Bedeutung. nicht nur bei Adenauer. Aus heutiger Sicht skurril.

    Zitat“
    Sein Kanzleramtsminister Globke ist nur das prominenteste Beispiel einer langen Reihe von Nazis aus der mittleren Ebene“

    Globke war wahrscheinlich der Einzige in der Umgebung des extrem mißtrauischen Adenauer, der aufgrund seines Jobs sozusagen „alles wusste“ und mit allen geplanten Winkelzügen vertraut war. Die Minister wurden an der kurzen Leine geführt. Das traf es sich gut, mit Globke jemanden zu haben der a) extrem versiert und verlässlich war und der b) wegen der braunen Vergangenheit erpressbar war. G. konnte sich Durchstechereien, Indiskretionen und Privatpolitik hinten rum nicht erlauben. So seh ich das^

    Zitat:
    „Aus diesem Grund verhinderte er auch die Anerkennung West-Berlins als Bundesland („damit hätte die SPD ein Übergewicht“). “

    Das ist so formuliert meiner Meinung nach allerdings nicht richtig. Die Anerkennung West-Berlins als Bundesland war jederzeit völlig ausgeschlossen, auch wenn es von einigen, ich sach mal, „angeregt“ wurde, z.B. von Carlo Schmid.

    Die Alliierten haben in ihrem Genehmigungsschreiben (Besatzungsrecht !) zum GG die Anwendung für „Groß-Berlin“ (so der damalige GG-Text; bezog sich territorial auf das „Groß-Berlin-Gesetz“ von 1920, also inkl. sowjetischer Sektor) unter dem bekannten grundlegenden Vorbehalt gestellt. Damit war das Thema durch. Alle diesbezüglichen „Debatten“ waren Träumerei, und für Adenauer gab’s da nichts zu verhindern (angenehmerweise, aus seiner Sicht).

    Zitat:
    „Andererseits sah er, dass die Chancen für Deutschlands Wiederaufstieg in einer engen Bindung an den Westen wesentlich besser waren als in einer Schaukelpolitik“

    Ganz richtig, so war’s. Das gibt sehr prägnant seine ganze Agenda wieder, die mit den Vorstellungen der Westalliierten in allen grundsätzlichen Fragen übereinstimmte. Man muss immer sehen, dass die Alliierten jederzeit eine Politik in ihrem Sinn hätten erzwingen können, z.B. indem dem den Bundeskanzler absetzen (wäre völkerrechtlich bis ’55 ohne weiteres möglich und nicht zu beanstanden gewesen); war aber nicht nötig. Sie hatten in Adenauer einen sozusagen kongenialen Partner

    Zitat:
    „Hätte Kurt Schuhmacher die Bundestagswahlen 1949 gewonnen, hätte er die Struktur wohl ebenfalls geprägt. Wie und wie dauerhaft muss Spekulation bleiben.“

    Spannender „kontrafaktischer“ Punkt. Der lag außenpolitisch mit den Alliierten deutlich über Kreuz. Das wäre ganz, ganz schwierig geworden, vermutlich. Innenpolitisch lag er ungefähr auf der Linie wie damals Labour in GB (links und antikommunistisch), mit denen die Amis ja gut „konnten“, das hätte also an der Außenfront keine Probleme gemacht. (kleiner Hinweis vom Beckmesser: Beim Schumacher bitte das „h“ entfernen, an anderer Stelle heißt’s sogar Schuhmann)

    Zitat:
    „und in ihre heutige Struktur mit dem „Staatsbürger in Uniform“ zu transformieren.“

    Nach meiner Kenntnis was das Ding mit „Staatsbürger in Uniform“ von Anfang an Leitidee im Soldatengesetz, stammt also aus der Adenauer-Zeit. Bin aber ungedient 🙁 Da kenn ich mich nich so aus.

    Zitat:
    „Man sollte nicht der nachträglichen Verklärung auf den Leim gehen und Adenauer als überzeugten Europäer konstruieren…..“

    Is keine Konstruktion, vielmehr ’ne Tatsache.

    „….Der Rheinländer erkannte vielmehr in der Montanunion und später der EWG ein probates Mittel, die Isolation der BRD zu überwinden und die Wirtschaftspolitik international abzusichern“

    Dieser zweite Halbsatz stet in keinem Widerspruch zum ersten.

    Zitat:
    „Aber Motive sind letztlich irrelevant,“

    Nee, sind sie nicht, IMHO. Niemand handelt ohne Motive.

    Zitat:
    „Es ist sicherlich kein Zufall, dass die SPD erst eine Machtperspektive bekam, als sie mit Bad Godesberg diese Grundsatzentscheidung anerkannte und sich von der Idee einer Schaukelpolitik verabschiedet“

    Diese Neuorientierung der SPD, die Westpolitik bejahend abzuhaken, war zwar einigermaßen zeitgleich mit Godesberg (Wehner-Rede 1960) , aber kein Bestandteil davon. Godesberg ist praktisch nur Innenpolitik, zur Außenpolitik gibt’s lediglich die grundsätzliche, eher schwammige „Bejahung der Landesverteidigung“; die Frage, was das unter den damaligen Umständen im einzelnen heißt wurde offen gelassen. Das aussen- und europapolitische Fass wurde in Godesberg gar nicht aufgemacht. Mit der Innenpolitik hatte man schon genug parteiinternen Knatsch.

    Zitat:
    „1923 war er im Rheinland zumindest in die dortigen Separatismusbestrebungen verwickelt “

    Das wiederum stimmet einfach nicht, obwohl oft behauptet.

    Zitat:
    „(es bleibt umstritten, wie groß seine Rolle tatsächlich war)“

    Kann man einfach klären: Er war reichstreu und jedem Separatismus abhold. Das steht nicht im Gegensatz zu seiner Preußenkritik. Dieses Riesending von Aachen bis zur Memel wollte er entflechten im Sinne eines neu zu organisierenden föderalen Systems INNERHALB des Reiches. 1947 haben die Alliierten dann genau in seinem Sinne gehandelt, obwohl deren Motiv nicht war, Adenauers Ideen zu verwirklichen, was sich aber durchaus so traf.

    Zitat:
    „Gegenüber den USA dagegen hatte er stets eine instinktive Abneigung; zu freiheitlich, kosmopolitisch, modern waren sie ihm.“

    Das würd ich auch nicht unterschreiben. Aber vielleicht gibt’s da Quellen, die ich nicht kenne.

    Zitat:
    (deren neuen Präsidenten Kennedy er ohnehin verabscheute, was sicher auf Gegenseitigkeit beruhte) “

    Das ist maßlos übertrieben, scheint mir. Es passte einfach schlecht zusammen, aus diversen Gründen. Das damals neu angesagte Image modern, jung, dynamisch zu erfüllen war mit 85plus naturgemäß nitt so einfach^. Wenn Adenauer jünger gewesen wäre und auch weiterhin noch was zu sagen gehabt hätte, hätte er sich indes auf die Zeitenwende (Détente) womöglich durchaus eingelassen; okay, Spekulation/kontrafaktisch.

    Zitat:
    „Gleiches gilt für ein Feld, auf dem er erfolgreich war. Der gesellschaftspolitische Muff der 1950er Jahre etwa ist legendär und brach in den Protesten der 1960er Jahre dann deutlich aufgeladener zusammen,“

    Schon richtig, nur war das nicht WEGEN Adenauer so. Muffig in gesellschaftlicher ging’s in jenen Jahren praktisch überall zu, namentlich auch in Frankreich der IV. Republik, obwohl da zeitweilig die Linke mit am Ruder war.

    Zitat:
    „Wer auf Platz 2 des großen Kanzlerranking steht kommt in der nächsten Folge.“

    Kiesinger ! Er hat mit der damaligen GroKo die Abtretung des CDU-Erbhofs Kanzlerschaft an die SPD bewirkt. okay, unabsichtlich, aber: Kein Kiesinger -> kein Brandt.

    • Stefan Sasse 1. Mai 2020, 19:43

      Globke: Das ist absolut korrekt und wird von Historikern auch so gesehen. Allerdings macht es das echt nur eingeschränkt besser ^^

      Berlin: Meines Wissens nach hat Adenauer die Alliierten gebeten, das entsprechend auszunehmen. Aber ich mag falsch liegen.

      Alliierte: Jein. Auf dem Papier hatten sie natürlich die Macht, aber faktisch stießen sie massiv an Grenzen. Die Alliierten scheiterten mit der Durchsetzung ihrer politischen Wünsche schon 1945-1949, und da gab es die BRD noch nicht mal!

      Schumacher: Sorry, ich korrigiere es in der überarbeiten Gesamtversion. Ja, der hing großdeutschen Träumereien an. Auch eine skurrile Situation.

      Adenauer und Europa: Meines Wissens nach war Adenauer ein Frankreichfreund, aber weniger ein Europa-Freund.

      Motive: Gerade weil niemand ohne handelt, man sie aber nicht nachweisen oder prüfen kann, müssen sie in einer solchen Darstellung randseitig bleiben.

      Kennedy/USA: Ja, das ist vielleicht etwas zu pointiert, ich werd’s abschwächen.

      Muff: Sicher, aber Adenauer war da schon extrem dabei. ^^

      Platz 2: Nett 🙂

  • derwaechter 1. Mai 2020, 19:19

    „zuletzt in der Rote-Socken-Kampagne der 1980er Jahre.“

    Das war sogar noch in den Neunzigern. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Rote_Socke

  • Kning4711 1. Mai 2020, 22:53

    Hat es bestimmte Gründe, dass Du die Heimkehr der 5.000 nicht erwähnt hast? Die Rückführung der Kriegsgefangenen war eine von Adenauers (zumindest aus Sicht der damaligen Bevölkerung) größten Leistungen.

    Eine wesentliche Tragik von Adenauer war, dass er nicht den richtigen Zeitpunkt fand, dass Steuer zu übergeben. Die Kabale rund um Erhard werfen ein paar unschöne Tünche auf eine große Karriere. Am Ende erlag er der Hybris, sich für unersetzlich zu halten. Ich vermute, dass hat auch einige Ausfälle, wie z.B. die Spiegel-Affäre befördert.

    Ich bin gespannt auf die Nummer 2 und tippe auf Helmut Kohl…

    • Ralf 2. Mai 2020, 01:52

      Die Rückführung der Kriegsgefangenen war eine von Adenauers (zumindest aus Sicht der damaligen Bevölkerung) größten Leistungen.

      Ja, sicher richtig. Warum nur aus der Sicht der damaligen Bevölkerung?

      Ich bin gespannt auf die Nummer 2 und tippe auf Helmut Kohl…

      Helmut Kohl würde mich eher wundern. Kohl hat mit seiner Trägheit und Reformunfähigkeit und seiner Tendenz Probleme auszusitzen eigentlich recht wenig Impulse gesetzt. Die Deutsche Einheit ist ihm zum richtigen Zeitpunkt vor die Füße gefallen, bevor er – politisch geschwächt wie er war – von seiner eigenen Partei abgeräumt worden wäre. Das Zustandekommen der Einheit hat er dann geschickt gemanagt, aber die konkrete Zusammenführung und ihre Kosten hat er im wesentlichen in die Zukunft verschoben. Auch da fehlen mir bleibende politische Akzente. Oder anders gefragt: Hätte Johannes Rau die Bundestagswahl 1987 gewonnen, sähe Deutschland dann heute deutlich anders aus?

      Mein Tipp für die Nummer 2 wäre Gerhard Schröder. Schröder hat mit seiner Zerschlagung des Sozialstaats Deutschland wirklich merklich verändert. Jeder der heute mit offenen Augen durch eine deutsche Großstadt geht, sieht das Heer von Bettlern und Obdachlosen auf den Straßen. Teilweise kann man kaum mehr zwei, drei Schritte gehen, ohne um Geld angesprochen zu werden. Gleichzeitig ist die Ungleichheit im Land erschreckend gewachsen. Das ist eine sehr dramatische Veränderung der Bundesrepublik. Die Umwandlung Deutschlands in ein neoliberales Niedriglohnparadies hat dazu eine völlig neue gesellschaftliche Kultur geschaffen, von Kik und Ein Euro-Läden bis hin zu Geiz-ist-geil-Mentalität. All das geht letztlich auf Schröder zurück. Und vor allem hat Schröders Amtszeit das deutsche Parteiengefüge dramatisch verändert. Durch die Zerstörung der Sozialdemokratie zerfiel das bis dahin geltende System von zwei großen Volksparteien, die beide realistische Chancen hatten das Bundeskanzleramt zu erobern. Heimatlose Sozialdemokraten wanderten ins Nichtwählerlager, zur LINKEn und später zur AfD ab. So ist Schröder der Vater unserer gegenwärtigen, zersplitterten Sechs-Parteien-Parlamente, mit schweren Folgen für die Regierbarkeit von Bundesländern. Man darf annehmen, dass die PDS ohne Schröder wohl in der Bedeutungslosigkeit versunken (oder schließlich in der SPD aufgegangen) wäre und dass die AfD nie die Wählertruppen gefunden hätte sich von einer akademischen Egoistenpartei zu einer nationalsozialistischen NSDAP-Nachfolgeorganisation zu wandeln.

      Neben all dem Negativen hat Schröder aber auch einige positive Akzente gesetzt. Die Ökosteuer war ein echter Paradigmenwechsel und auch der Atomausstieg war wegweisend (, auch wenn Merkel aus letzterem wieder ausstieg, um anschließend aus dem Ausstieg erneut auszusteigen). Und durch die Regierungsbeteiligung der Grünen im Bund, wertete er die Umweltpartei dramatisch auf. Der Siegeszug der Grünen seither und damit auch der Siegeszug der grünen Themen bis in unsere Zeit (erinnert sich in Coronazeiten noch jemand daran, dass wir das gesamte letzte Jahr über den Klimawandel diskutiert haben?), wäre ohne Schröder nicht vorstellbar. Und nicht zuletzt: Egal was man von Hartz IV hält oder ob man den Preis der Reformen als zu hoch bewertet, die Arbeitslosenzahlen sind in der Folge nachweislich und dramatisch gesunken. Auch das hat enorme Effekte für die weitere Entwicklung der Bundesrepublik gehabt.

      Also wenn sich das Kanzlerranking daran orientieren soll, wer Deutschland wirklich merklich beeinflusst hat in einer Weise, dass die Person des Bundeskanzlers, also seine Ideologie und Handlungen, wirklich zählten und dass der Bundeskanzler nicht nur gerade zufällig da war, als ihm eine große Aufgabe vor die Füße fiel, dann ist Schröder die realistischere Nummer 2.

      Um mich in den kommenden Tagen hinreichend blamieren zu können, wenn Stefan Sasse sein Ranking postet und mir in jedem Platz widerspricht, veröffentliche ich mal vorab mein persönliches Ranking:

      1.) Adenauer
      2.) Schröder
      3.) Schmidt
      4.) Merkel
      5.) Kohl
      6.) Brandt
      7.) Erhard
      8.) Kiesinger

      • Dennis 2. Mai 2020, 09:58

        @ Ralf
        Zitat:
        „Um mich in den kommenden Tagen hinreichend blamieren zu können,“

        Is doch gut, wenn da jeder mit nachvollziehbaren Argumenten sein eigenes Ding macht; Auch wenn das dazu geeignet ist, die Kritik von R.A. in gewisser Weise zu rechtfertigen 🙁 aber nur in gewisser Weise 🙂

        Interessant auch was Schröder betrifft, aber es stellt sich die Frage, ob der groß was anneres gemacht hat als Zeitgeistreiten, also in etwa das zutrifft:

        Zitat:
        „und dass der Bundeskanzler nicht nur gerade zufällig da war, als ihm eine große Aufgabe vor die Füße fiel,“

        Auffälligerweise war der ja in den 70ern bei den Jusos krass links. War halt angesagt im Sinne des damaligen Zeitgeistpferdes, das geritten werden wollte. Eigentlich hätte er in der Logik seiner späteren Zeit auf der Seite Corteriers stehen müssen…..

        https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Corterier

        ….der im Rahmen der Juso-Linkswende abgesägt wurde. War aber nich.

        Das Hartz-Dingens garniert mit gewissen links-bürgerlichen Geschichten in gesellschaftlichen Fragen was eh bühnenreif. Notebene: Ohne Grünens wär das nicht gegangen, wird heut gerne vergessen. Im Übrigen haben die linken Parteien überall in Europa Schwächeanfälle erlitten; kann also jedenfalls nicht nur „wegen Schröder“ gewesen sein. Grünens indes hat das nicht geschadet; auch ’n interessanter Nebenaspekt.

        Es is natürlich die Frage, ob Stefan Sasse die Fragestellung „stand – unabhängig von der Bedeutung – eh auf dem Spielplan“ versus „war ein Eigengewächs des Kanzlers in Abweichung vom Spielplan und gegen den Strom“ in seine Kriterien mit einbezieht. Das macht das dann natürlich noch komplizierter^. Ferner müssten bei der Wirkmächtigkeits-Frage ja auch die unterschiedlichen Gelegenheiten wegen der Amtszeiten auf ein einheitliches Maß begradigt werden. Ne Art Ausgleichsfaktor ist da erforderlich, damit es fair wird.

        Zitat
        „Die Ökosteuer war ein echter Paradigmenwechsel “

        Ne, is Schwindel, m.E. Entweder die Steuer fließt (das war die Absicht; auf der Autobahn rasen für die Rente), dann werden die Öko-Ziele nicht erreicht oder die Öko-Ziele werden erreicht, dass fließt kein Geld. Sündensteuer ist daran gebunden, dass die Sünde auch vollzogen wird. Aber das nur nebenbei

        Dass IMHO Kiesinger tatsächlich auf Platz 2 gehört, war meinerseits gar nitt als Witz gedacht. Werd ich noch näher erläutern, wenn Stefan mit seiner weiteren Hitliste rüberkommt. Die weiteren Plätze ebenso; wird vermutlich kontroversiell^^.

        • Ralf 2. Mai 2020, 10:35

          Interessant auch was Schröder betrifft, aber es stellt sich die Frage, ob der groß was anneres gemacht hat als Zeitgeistreiten

          Mag sein. Aber meine These ist, dass Schröder die Bundesrepublik wirklich massiv in ihrer Entwicklung beeinflusst hat und dass es hier wirklich auf seine Person ankam, weil er weitreichende Entscheidungen getroffen hat mit dramatischen Konsequenzen für das Land, die andere nicht getroffen hätten. Ein Kanzler Stoiber hätte politisch niemals ein Vorhaben wie die Agenda 2010 durchbringen können, während die CDU von einem solchen Projekt innerlich nicht zerrissen worden wäre. Hätte Schröder die Wahl 2002 verloren, würde Deutschland heute IMHO immer noch wie die Kohl-Republik aussehen. Und wäre 1998 statt Schröder ein anderer Sozialdemokrat angetreten (man denke an Lafontaine, aber eigentlich kann man praktisch jeden anderen SPD-Mann/-Frau nehmen) hätte dieser niemals ein Hartz IV-Verarmungsprogramm umgesetzt. Die SPD wäre 40%-Volkspartei geblieben und wiederum sähe die Bundesrepublik heute sehr viel mehr wie die Kohl-Republik aus.

    • Stefan Sasse 2. Mai 2020, 12:24

      Weil es für die weitere Geschichte der Republik egal ist. Mir geht es eher um Weichenstellungen.

  • cimourdain 2. Mai 2020, 17:27

    Anmerkung vorab: Rankings sind Mist. Wenn du nicht vorher definierte absolut messbare Zahlenkriterien wie Körpergröße (Helmut Kohl war der größte Kanzler seit dem zweiten Weltkrieg) oder Anstieg des BIP/Kopf heranziehst, ist jede Kriterienbemessung (von dir etwas zu forsch zur Heuristik hochgestuft) subjektiv.

    Was mir bei deinem Bild von Adenauer zu kurz gekommen ist, ist die enge Verquickung von Staatspartei CDU, Kanzleramt und Wirtschaftsspitzen, die auf Adenauer zurückgeht. Sei es in dem Verhältnis zu Hermann Abs, sei es mit der Etablierung von dunkelgrauen Parteienfinanzen (Reptilienfonds), sei es das Verhältnis zur CSU als ‚innerfraktionelle Oppositionspartei‘ : Immer läuft es auf die Grundaussagen „Die CDU hat ein Anrecht darauf, den Bundeskanzler zu stellen.“ und „Der Zweck (CDU-Regierung) heiligt die (Geld-)Mittel.“ Dieses Muster zieht sich bis heute durch die Geschichte der Partei und damit Deutschlands.
    Unter diesem Aspekt würde mich interessieren, ob sich einige wiederkehrenden Merkmale diktatorischer Persönlichkeit und Herrschaft, die du in deiner letzten Lektüreliste ( „Frank Dikötter – How to be a dictator“) beschrieben hast, nicht auch in der Adenauer-Kanzlerschaft wiederfinden.

  • Ariane 3. Mai 2020, 01:27

    Da ich mit Lesen und Kommentieren schon soweit hinterherhinke, muss ich schon auf Platz 3 tippen und sage: Kohl.
    Und ich liebe Rankings, Rankings sind toll 🙂 (außerdem sind die bei aller Mühe immer subjektiv, das muss man halt auch sagen)

    Vielen Dank erstmal für den Überblick. Ich finde deutsche Geschichte der letzten 100 Jahre immer extrem schwer zu beurteilen, weil die immer noch sehr stark ideologisch eingefärbt ist, gerade ab 1945. Und ich bin ja so jung, dass ich da keine eigenen Beobachtungen machen konnte, sondern mir das zusammenpuzzlen muss.

    1)Ich hab mal ne Weile an langweiligen Bürotagen so in die ersten Spiegel-Ausgaben reingelinst (weiß gar nicht, ob das jetzt noch geht). Das war schon ein gewaltiges Chaos und der Spiegel hat ja nicht direkt am 9.Mai 1945 losgelegt, sondern etwas später. Da fand ich The Crown über die ersten Jahre der Queen auch spannend oder Call The Midwife, weil das in den 50ern spielt.
    Hat einer der Nerds eigentlich schon Charité geguckt und kann berichten oder muss ich selbst den Anfang machen?^^

    2)Insgesamt ist der gesamte Wiederaufbau nach dem Krieg echt ne krasse Leistung, gerade für Westdeutschland mit seinen spezifischen Problemen. Und ich glaube schon, dass die Westbindung hier einen großen Anteil daran hatte, es hat meiner Meinung nach auch viel zur Versöhnung beigetragen. Merkt man finde ich heute noch manchmal, dass so das Bild vom „hässlichen Nazideutschen“ in Osteuropa sehr viel vorherrschender ist, während bei England oder Frankreich die Schärfe da mittlerweile total raus ist, in Dänemark sowieso.
    Das hätte meiner Meinung nach auch anders nicht so gut funktioniert, da sitzt man nur zwischen den Stühlen und keine Seite hat wirklich Vertrauen zu einem und in der Kalten-Kriegs-Situation kann ich mir das auch gar nicht vorstellen.

    3) Ich muss sagen, ich glaube, dass da so ein katholischer Südler am Ruder war, hat den gesellschaftlichen Muff schon vergrößert und ja, in den 50ern saßen ja in den Beamtenstuben überall noch Nazis rum.
    Das hätte man besser machen können, aber ich glaube einiges davon war eben auch zwangsläufig. Irgendwer musste ja die Verwaltungsarbeit machen und die Politik und die Bundeswehr und soviele ganz Unschuldige hatte Deutschland nicht, schon gar nicht im Bürgertum, die haben dafür ja keine Bauern genommen (die Snobs). Und dass die Menschen nach so einer völligen Katastrophe erstmal vergessen wollen und ja auch noch den Wiederaufbau, Flüchtlinge, Besatzung, Versorgungskrisen usw. bewältigen mussten, finde ich durchaus verständlich. Insofern sehe ich es als ganz große Leistung an, dass (so schwer das war) gleich von Anfang an klar war, dass Deutschland die Verantwortung für seine Verbrechen übernimmt. Und das ist bis heute Staatsräson und das finde ich absolut wichtig! Deswegen darf die AfD nie an die Macht kommen (auch wegen anderen Dingen), aber das ist schon ein krasses Tabu, was die AfD hier bricht, denn ich glaube, da ist der Konsens in der Bevölkerung noch extrem groß und wird von allen Regierungen ja auch weitergeführt.

    4) Ich finde es ist irgendwie ein Wahnsinn, dass es heute in der öffentlichen Debatte eigentlich überhaupt keine Rolle mehr spielt, wie groß das Problem damals mit den Flüchtlingen war und zwar direkt nach dem Krieg, nicht wie heute in so einer schönen Welt ohne große Probleme. Vielleicht ist da wirklich erst unsere Altersgruppe die, die da etwas unbefangener mit umgehen kann. Ich hab selbst erst als Erwachsene erfahren, dass mein Opa väterlicherseits aus dem Sudetenland geflohen ist. Ich weiß es auch nur von meinem Vater, das muss wahnsinnig brutal gewesen sein. Der Vater war irgendwie gefallen und die Mutter musste allein mit ihren Kindern erstmal nach Deutschland. Und die durften übrigens nicht selbst entscheiden, wo sie wohnen wollten, die wurden verteilt. Er landete irgendwie erst in Thüringen, traf dort auf meine Oma und heiratete und dann sind sie in den 50ern glaub ich in eine Kleinstadt nach Bayern „geflohen“, weil da ziemlich viele aus seinem alten Dorf im Sudetenland wohnten.
    Den Teil der Familie kenne ich natürlich nie so gut, aber ich glaube, das wurde lange gar nicht erwähnt, die wollten davon gar nichts mehr wissen, die waren froh, dass sie zurechtkamen und 5 Kinder in einer kleinen Winzbude großziehen konnten. Ich kenn die Wohnung noch, das waren bestimmt so typische Wohnblocks, die man damals für Fabrikarbeiter hochgezogen hat mit großem Innenhof zum Wäsche aufhängen und für die Kinder zum Spielen.
    Also das war kein einfaches Leben, aber dass sie nach der Geschichte dann wirklich eigentlich ein schönes Leben mit ein paar Annehmlichkeiten hatten, ist schon für meine Großeltern und eben auch für ganz Deutschland eine riesige Leistung. Also ich finds immer krass, die Großeltern sind einem ja echt nicht soweit weg und das war einfach noch ein völlig anderes Leben.

    Bei meiner vielzitierten Omi ja auch. Ich mein so als Jugendliche konnte ich das ja einordnen und überhaupt die ganzen Geschichten von „früher“ überhaupt verstehen, aber ihre erste große Liebe war ein norwegischer Besatzungssoldat, mit dem sie noch bis ins hohe Alter freundschaftlichen Kontakt hatte. Also sowas erwärmt mir ja das Herz 🙂

    Also bei allen Problemen, aber den Weg, den Deutschland und Westeuropa gegangen sind in den letzten 70 Jahren ist sicher ein best-Case-Szenario.

    • Ralf 3. Mai 2020, 01:34

      katholischer Südler

      Südler??? Adenauer kam aus Köln … *beleidigt guck* …

      • Ariane 3. Mai 2020, 01:37

        Ich wurde letztes Jahr mehrmals ausgelacht, weil ich dachte Stuttgart und Köln liegen quasi nebeneinander^^

        Normalerweise beginnt für jemanden aus Schleswig-Holstein schon der Süden unterhalb der Elbe. Jetzt muss ich ja großzügiger sein, also unterhalb des Harzes 😀

        • Stefan Sasse 3. Mai 2020, 09:42

          Einigen wir uns auf den Weißwurstäquator?

          • Ariane 4. Mai 2020, 02:43

            Das kommt auf jeden Fall immer hin.

          • cimourdain 4. Mai 2020, 09:49

            Vorsicht, für Puristen ist der Weißwurstäquator entlang der Donau. Liberalere setzen die Demarkationslinie bei Ingolstadt und Radikale akzeptieren nur die Landkreise, die an München angrenzen.

    • Ariane 3. Mai 2020, 01:51

      Ach, einen Gedanken noch vergessen:

      Ich finde schon, dass die Anfangstage der BRD durchaus noch viele Ähnlichkeiten mit der Weimarer Republik (in guten Tagen hatte), das war ja eigentlich sehr viel undemokratischer als heutzutage und gerade diese Feindschaft zur SPD gehört da mit rein.

      Ich meine, das ist ja völlig widersinnig und als olle SPD-Freundin empfinde ich das auch als zutiefst ungerecht. Ich meine keine Partei ist so extrem staatstreu (bei allen Problemen!) wie die SPD. Die haben die Republik gebaut, die haben während der gesamten Republikzeit zum Staat gestanden, bis zur Selbstverleugnung mal wieder, was ja die Abspaltung der extremen Linken damals verursacht hat.
      Dann waren sie die einzigen, die gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hatten und mussten fliehen, wurden ermordet oder sich irgendwie unsichtbar machen und durchwurschteln. Und dann gehts weiter und sie dürfen sich erstmal anhören, dass sie alle Staatsfeinde sind.

      Die SPD ist einfach viel zu brav, dieses Narrativ von der Verräterpartei gehört dringend auf den Müllhaufen der Geschichte, es ist völlig unverdient. (obwohl ich sie nicht mehr wähle, wenn sie den Scholz anschleppen^^) Aber diese bescheidene Staatstreue bricht ihnen einfach das Genick, sieht man jetzt ja auch wieder. Außer dem Lauterbach sieht und hört man nix von der SPD, die ganze Debatte konzentriert sich auf die Union und die CDU. Das ist total irre. Als wäre die eine Hälfte der Union (Merkel und Söder) die Regierung und die andere Hälfte die Opposition (FDP & Laschetunterstützer). Der Rest ist hauptsächlich unsichtbar. Muss man auch erstmal hinkriegen.^^

    • Stefan Sasse 3. Mai 2020, 09:41

      1) Nope, dein Job 🙂
      3) Hoffen wir es!
      4) Ja, das wurde vergessen. Aktiv.

      • Ariane 4. Mai 2020, 03:09

        Na, dann merk ich mir Charité mal vor. Scheint was für historisch interessierte Paargucker zu sein. Die können sich auch oft auf The Crown oder Outlander (bloß nicht das Buch lesen!) einigen, die sind mir storytechnisch eigentlich viel zu soapig und nur historisch ganz interessant. Und Call the Midwife ist toll, aber nichts für die emotionalen Männer, da muss sofort umgeschaltet werden, wenns um Hebammen in den 50ern im Londoner Eastend geht. ^^

        3) Also immerhin hat jetzt mittlerweile fast jedes Land glaub ich einen eigenen Antisemitismus-Beauftragten. In Schleswig-Holstein wurde es gerade der frühere Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Hat mich echt gefreut, dass sie da sogar so jemanden nehmen, den jeder kennt und der eigentlich total beliebt war. BaWü hat natürlich auch einen sehr guten! Also das ist so generell für die interreligiöse Versöhnung wichtig und sehr gut, wenn da im jeweiligen Bundesland jemand Beliebtes und/oder mit Autorität Werbung für Versöhnung macht. Und höchste Eisenbahn! Im Osten kriegen sie das bestimmt schon gar nicht mehr durchs Parlament.

        4) Sehe ich auch wirklich als Aufgabe „unserer“ Generation an, wir kennen die Geschichten und Personen noch, sind aber weit genug weg, um selbst nicht persönlich involviert zu sein. Ich fand die Kindheitsgeschichten meiner Oma schon immer romantisch und spannend, obwohl da drin vorkam, dass sie bei Bombenalarm auf ein einsames Feld gegangen sind, weil das sicherer war als ein Bunker in der Stadt. Und die Vorfahren eines Freundes von mir stammen aus Pommern, da haben wir auch schon mal Fotos verglichen (wir alten Bauernkinder haben ja fast nur Fotos und keine Dokumente oder erben höchstens irgendwann mal die Originale). 🙂

        • Stefan Sasse 4. Mai 2020, 06:53

          Hat mich alles nicht so gereizt. Ich hab gerade „The Plot Against America“ fertigggeschaut und guck „Mrs America“, beides empfehlenswert.

          3) 🙁

          • Ariane 4. Mai 2020, 15:30

            Hoffentlich hältst du deine Liste auf Nerdstreamera aktuell! 🙂
            Ich bin etwas aufgeschmissen, guck oft mit meiner Mutter so etwas seichtere Historiensachen, ist für mich auch nur so für nebenbei ganz interessant. Dafür hab ich viel Jane Austen geguckt, hätte ich sonst nie gemacht^^
            Peaky Blinders fand ich auch ganz spannend und auf Englisch großartig mit dem Akzent! Konnte ich mit Untertiteln gucken, weil das meiner Family zu brutal war. 🙂

  • Felix Benkenstein 3. Mai 2020, 10:21

    Hätte mir eine etwas ausführlichere Diskussion in den nicht gegangenen zu einer möglichen Wiedervereinigung im Tausch gegen eine Neutralisierung Deutschlands à la Österreich gewünscht.
    Es war letztlich die richtige Entscheidung für die BRD, aber für die Menschen in der DDR brachte es weitere 40 Jahre Diktatur und Misswirtschaft.

    • Stefan Sasse 3. Mai 2020, 17:20

      Ich halte das schlicht für keine realistische Option.

      • Felix Benkenstein 3. Mai 2020, 20:13

        Na ja, es gab ja die Stalin-Notec1952, auch wenn es da keinen Konsens gibt, wie ernst die gemeint war.

        • Stefan Sasse 3. Mai 2020, 21:33

          Ich weiß schon, aber ich halte die nicht für sonderlich realistisch weil für den Westen unattrativ. Und die BRD war nicht souverän.

  • Kirkd 6. Mai 2020, 10:56

    Eine interessante Wahl. Ich hätte ihn weiter unten eingeordnet. Die von Dir beschriebenen Negativpunkte fallen schwer ins Gewicht, während mir bezüglich seiner Erfolge (Westintegration!) nicht klar wird, welche Alternativen denn wirklich bestanden. Die Bundesrepublik war ein Staat von Gnaden der Westalliierten. Da fällt es mir schwer zu sehen, was da wirklich Adenauers Handschrift war.

    Die Wiederbewaffnung war sicherlich notwendig, aber musste man wirklich von Manstein zu Rate ziehen?

    • Stefan Sasse 6. Mai 2020, 11:02

      Wenn man Expertise wollte, brauchte man Wehrmachtsleute. Hat die DDR ja auch nicht anders gemacht.

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