Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Die USA verabschieden sich aus ihrer Rolle als liberale Weltinstanz
Dieser Aspekt ist für uns wesentlich relevanter als die Aufmerksamkeit fressenden innenpolitischen Kulturkämpfe. Die Neuausrichtung der USA bedeutet das endgültige Ende eines liberalen Weltsystems, das bereits seit den 2010er Jahren massiv unter Beschuss steht. Freihandel, Verrechtlichung, Multilateralismus – bereits einmal löste sich eine solche liberale Weltordnung in Protektionismus, Nationalismus und Vulgär-Machiavellismus auf. Ich bin allerdings nicht sicher, inwieweit das, was gerade passiert, Isolationismus ist. Schließlich sind wir von einem US-Neutralitätsgesetz oder Militärausgaben unter dem Stand Portugals sehr weit entfernt. Die USA bleiben ein globaler Akteur; allein, sie sind keiner mehr, der das liberale Wertesystem teilt. Darin besteht eine mindestens genauso große Gefahr wie darin, dass sie sich zurückziehen.
So sehr ich die grundsätzliche Panik über moderne Medien und Smartphones ablehne, so wenig kann ich mit der Argumentation dieses Artikels anfangen. Die Struktur des Schulsystems hat sich grundlegend nicht geändert. Ich sehe keine Zunahme von Leistungsdruck und Selektion. Im Gegenteil, verglichen mit dem Stand von vor drei, vier Jahrzehnten ist das Schulsystem wesentlich inklusiver geworden. Eine unsichere Zukunft stand Jugendlichen auch in früheren Zeiten vor Augen. Zwar sind Krieg und Klimakatastrophe mittlerweile deutlicher sichtbare Faktoren, aber umgekehrt sind die wirtschaftlichen Aussichten besser – und die bestimmen meiner Erfahrung nach die Sicht der Jugendlichen mehr. Dass der Alltag zunehmend als sinnlos empfunden werde, ist durch meine Erfahrungen auch nicht im Geringsten gedeckt. Ich sehe hier eher Projektion am Werk – eigene Ansichten werden der Jugend zugeschrieben, was man immer schon geglaubt hat als Erklärung genutzt.
3) Der Mythos vom »Wählerwillen«
Die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach argumentiert, dass der oft bemühte Begriff des „Wählerwillens“ ein Mythos sei. Er werde vor allem dann herangezogen, wenn politische Akteure umstrittene Entscheidungen oder Kooperationen rechtfertigen wollen – etwa die Zusammenarbeit mit der AfD. Dies sei jedoch eine verkürzte und problematische Deutung demokratischer Prozesse. Reuschenbach stellt klar, dass es keinen einheitlichen Wählerwillen gebe, sondern individuelle Präferenzen, die sich in Wahlergebnissen aggregieren. Wahlentscheidungen seien oft ambivalent: So habe eine Mehrheit der AfD-Wähler in Thüringen 2024 keine Regierungsbeteiligung der Partei gewünscht. Ähnlich verhielte es sich mit Koalitionspräferenzen, die selten deckungsgleich mit Wahlergebnissen seien. Sie kritisiert, dass der „Wählerwille“ oft populistisch instrumentalisiert werde, um Mehrheitsentscheidungen zu delegitimieren. Eine funktionierende Demokratie erfordere jedoch nicht nur Wahlergebnisse, sondern auch politische Aushandlungsprozesse und Mehrheitsbildung. Parteien sollten daher differenziert argumentieren, statt sich auf vermeintlich eindeutige Wähleraufträge zu berufen. (Julia Reuschenbach, Spiegel)
Das ist ein Argument, das ich immer und immer wieder bringe: so etwas wie „den Wählendenwillen“ gibt es nicht. Es gibt ein Wahlergebnis, und fertig. Aus diesem lässt sich zwar viel Kaffeesatzleserei betreiben, aber nicht einmal, was eine Mehrheit der Wählenden will, ist da klar ablesbar. Wie Reuschenbach so schön sagt, es ist ein Aggregat. Und damit ist der Versuch, einen monolithischen Willen herbeizufantasieren, auch nicht sonderlich zielführend. In unserer parlamentarischen Demokratie werden Repräsentant*innen gewählt, die dann versuchen, Dinge umzusetzen und hierfür politische Mehrheiten suchen. Diese Versuche können auf Widerstand stoßen, auf Protest, der dann zu einem Einlenken führt (Heizungsgesetz, anyone?). Aber wenn politische Mehrheiten existieren, kann die Politik umgesetzt werden – und gegebenenfalls bei der nächsten Wahl wieder abgewählt. Aber aus den Balkendiagrammen des Wahltags leitet sich kein einheitlicher „Wille“ ab, schon gar keiner, der für die nächsten vier Jahre gilt.
4) How the Woke Right Replaced the Woke Left
Der Artikel analysiert die sprachlichen und ideologischen Kontrollmechanismen sowohl der linken als auch der rechten politischen Bewegungen in den USA. In den letzten Jahren wurde „Wokeness“ mit Vorschriften über Sprache und Etikette assoziiert, die bestimmte Begriffe verbieten oder ersetzen sollten, um soziale Gerechtigkeit zu fördern. Beispiele sind die Einführung von „Latinx“ im Spanischen oder das Ersetzen von „Master Bedroom“ durch „Primary Bedroom“. Doch mit der neuen Trump-Administration wird nun eine gegenteilige Form von Sprachkontrolle etabliert. Wörter wie „Equity“, „Gender“ oder „Multicultural“ werden aus offiziellen Dokumenten entfernt, während alternative Begriffe durchgesetzt werden – beispielsweise die Umbenennung des Golfs von Mexiko in „Gulf of America“. Diese sprachliche Regulierung, so der Artikel, ist letztlich nicht weniger autoritär als die der progressiven Linken. Der Text kritisiert, dass beide Seiten im politischen Spektrum auf ähnliche Mechanismen der Zensur und Meinungssteuerung zurückgreifen. Der „Woke Right“ imitiert dabei zunehmend die Methoden der „Woke Left“, indem er Identitätspolitik, Geschichtsrevisionismus und eine aggressive Kultur der Sprachvorschriften nutzt. Das Ergebnis sei eine Politik der Machtdemonstration statt echter Meinungsfreiheit. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass die meisten Amerikaner weder von linker noch von rechter „Wokeness“ begeistert sind. Statt eines ideologisch aufgeladenen Kulturkampfes sehnten sich viele nach Normalität und persönlicher Freiheit, ohne ständig Angst haben zu müssen, die falschen Worte zu verwenden. (Thomas Chatterton Williams, The Atlantic)
Ich finde den Begriff „woke Right“ etwas unglücklich, weil ich zwar die ironische Zuspitzung verstehe, aber das Gefühl habe, dass er dadurch jeglicher Aussagekraft entkleidet wird. Er ist nunmehr ohnehin nur ein Pejorativ der Rechten; ich weiß nicht, was gewonnen ist, ihn in ein allgemeines Schimpfwort zu verwandeln. In der Sache allerdings hat Williams vollständig Recht: die Rechten tun genau das, was sie den Linken immer vorgeworfen haben, nur dass sie die Macht des Staates zur Durchsetzung nutzen – rücksichtslos und ungehemmt. Eine so einheitliche und stringente Sprachregelung gab es von linker Seite nicht, weil die wesentlich aktivismusgetriebener war und die Kontrolle über die politische Macht nicht besaß (ein Joe Biden hätte niemals AP ausgeladen, weil sie nicht Latinx schreiben, egal, was die Basis schreit). Recht hat Williams aber sicherlich auch damit, dass die rechte Version dieser political correctness genauso wenig attraktiv ist wie die linke. Und sie wird ebenso einen backlash auslösen.
5) Der Kollaps linker Politik // Die Demokratie ist in akuter Gefahr, doch die CDU spielt der AfD in die Hände
Der Artikel analysiert das überraschende Comeback der Linkspartei bei der Bundestagswahl, die mit 8,8 Prozent wieder an Bedeutung gewann. Dies wird jedoch nicht als eigenständiger Erfolg gewertet, sondern als Ergebnis der Wahlkampfstrategie von SPD und Grünen, die sich vor allem auf die Abgrenzung zur AfD konzentrierten. Dadurch habe die Linke als „antifaschistisches Original“ profitieren können, während die Regierungsparteien an Glaubwürdigkeit verloren. Die Bedeutung von Social-Media-Kampagnen, insbesondere durch die Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek, wird kritisch hinterfragt. Ähnliche Strategien hätten anderen Politikern nicht geholfen, was darauf hindeute, dass der Erfolg weniger an viralen Inhalten als an politischen Rahmenbedingungen lag. Zudem wird auf die historischen Wurzeln der Partei und ihren Niedergang nach der Spaltung durch Sahra Wagenknecht hingewiesen. Letztlich sieht der Autor keinen Machtzuwachs für das linke Lager, sondern eine interne Umschichtung. Die Wahl habe die inhaltliche Orientierungslosigkeit von SPD und Grünen verdeutlicht und den „Kollaps linker Politikansprüche“ dokumentiert. (Frank Lübberding, Welt)
Der Artikel warnt vor der wachsenden Bedrohung für die Demokratie in Deutschland durch den Wahlerfolg der AfD, die 20,8 Prozent der Stimmen erreichte. In einigen Bundesländern, in denen sie als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird, erzielte sie sogar über 37 Prozent. Die Autorin beschreibt die Wahlkampfveranstaltung der AfD als düstere Inszenierung mit rechtsextremer Rhetorik und Verweisen auf den Nationalsozialismus. Sie kritisiert, dass die Partei die historische Verantwortung Deutschlands relativiere und eine rassistische Migrationspolitik verfolge. Besonders problematisch sei, dass CDU und FDP die Brandmauer zur AfD durch gemeinsame Abstimmungen aufweichten. Dies habe der AfD genutzt, während demokratische Parteien an Zustimmung verloren. Die CDU werde zudem für ihre Angriffe auf zivilgesellschaftliche Organisationen kritisiert, die sich gegen die AfD engagieren. Der Artikel fordert entschlossenen Widerstand gegen die AfD und betont, dass Menschlichkeit und Nächstenliebe als politische Prinzipien gestärkt werden müssen, um der extremen Rechten entgegenzuwirken. (Ann-Katrin Müller, Spiegel)
Für mich sind diese beiden Artikel Seite an Seite mal wieder ein schöner Beleg dafür, wie unbrauchbar fast alle Analysen zur AfD sind. Sie fungiert vor allem als ein Spiegel innenpolitischer Debatten. Was auch immer der politische Gegner tut, macht die AfD groß; was auch immer man selbst tun will, ist das todsichere Rezept, sie kleinzubekommen. Schuld sind immer die jeweils anderen. Ich halte das deswegen für ein großes Problem, weil es die AfD und ihre Wählenden als reine Reaktanzmasse, als Objekt, betrachtet, das keinerlei eigene Handlungsfähigkeit, keine eigenen Ambitionen und Wünsche verfolgt. Die nicht totzukriegende Legende von den AfD-Wählenden als Protestwählenden gehört dazu. Klar gibt es die. Aber mindestens 10% ihrer 20% dürften mittlerweile als Stammwählende eingestuft werden können, also als Leute, die entweder ein geschlossen rechtsradikales bis rechtsextremes Weltbild haben oder dieses in Kauf nehmen. Das war übrigens bereits vor mehreren Jahren schon so, ist aber immer noch nicht in den Köpfen angekommen. Solange man die AfD-Wählenden als so infantil betrachtet, dass sie die Partei nur wählen, weil jemand Merz das Abreißen der Brandmauer vorwirft oder in den Öffentlich-Rechtlichen jemand gegendert hat, wird da nie eine brauchbare Erkenntnis oder Strategie rauskommen. Ich bin auch zunehmend skeptisch, ob es eine geben kann.
Resterampe
a) Sehr guter Punkt zu Scholz (Twitter).
b) What Would a Liberal Tea Party Look Like? (The Atlantic)
c) Law and Order for Some (The Atlantic).
d) Schieflage in der Berichterstattung (Twitter).
Fertiggestellt am 27.02.2025
Zu 2):
Eine Zunahme von Depressionen und Angstörungen usw. wird m.E. nicht nur bei Schulkindern diagnostiziert, sondern auch bei den Erwachsenen.
Vielleicht liegt es auch daran, daß sich im vorigen Jahrhundert weniger Leute über sowas überhaupt Gedanken gemacht haben und dass es früher viel weniger Rahmen gab, in dem man mit sowas nach Aussen auftreten, es ausleben, darüber reden konnte? Dann wärs eher ein Luxusproblem, da heutige Schüler ihre seelischen Probleme weniger internalisieren müssen, sondern aufgefangen werden und daran wachsen können.
Ich denke auch, dass das eher ein „wir erkennen und diagnostizieren das jetzt“-Ding ist.
2) Benutzen die Jugendlichen nicht „den Einsatz moderner Technologien wie chatGPT“ automatisch? Ich lerne ja in der Informatik auch noch dazu, aktuell etwa Kafka, und natürlich Französisch. Ich benutze viel chatGPT. Der versteht ja sogar fehlerhafte Baguette Language. Wenn ich jetzt Schüler wäre, sähe ich eher die Gefahr, dass ich das zu viel nutze, um die Hausaufgaben möglichst schnell fertig zu kriegen.
Zur Demonstration ein paar wirklich einfache queries.
1. „Schreibe einen Dialog. Jemand bestellt ein Essen für eine Familie in einem traditionellen Restaurant in London. In Englisch.“
2. Analyse la structure grammaticale de cette phrase.
„Je crois que la mondialisation est positive à bien des égards, elle permet l’ouverture culturelle, la croissance économique et les avancées scientifiques.“
oder
3. Como se pronuncia la siguiente frase en el espaniol.
‚“Idiota”, “imbécil”, “débil mental”: el Gobierno de Milei resucita insultos para clasificar la discapacidad‘
Usa el alfabeto fonético internacional, porfa.
Klar, ich krieg ständig miese KI-Abgaben. Worauf willst du raus?
Ich habe das nicht richtig gelesen, aber ich war auch voll im Stress.
Diesem Satz kann ich trotzdem voellig nicht zustimmen:
„Der Einsatz von Technologien wie ChatGPT wird dabei nicht als reine Arbeitserleichterung, sondern als tiefgreifende Veränderung der Lernprozesse gesehen.“
Natuerlich kann ChatGPT den Lernprozess kaputt machen. Oft ist es gut, dass man es ohne diese maechtige Hilfe hinbekommt und ChatGPT fuer die Korrektur nutzt.
Korrekt.
zu 4) “woke right”
Diese nicht endenden Debatten um Wörter sind nicht das eigentliche Problem. Dass ich erst gezwungen werde, den Genderstern zu benutzen und man mir anschließend unter Strafandrohung den Genderstern verbietet, ist zwar bescheuert, aber überlebbar. Die wirkliche Tragödie ist die Rückabwicklung von Frauenrechten, Minderheitenrechten und zivilen Grundrechten in den USA, die wir jetzt unter Trump bekommen. Da können wir uns echt bedanken bei den woken Eiferern, die auf den Nerven der Mehrheit der Bevölkerung dermassen rumgetrampelt sind, bis die sich politisch gewehrt hat. Mit furchtbaren Nebenwirkungen in fast allen anderen Bereichen.
Hier eine lange, ehrliche und für mich hochinteressante Erklärung einer damaligen Aktivistin, wie sie überhaupt zu dieser Agressivität gegenüber bewährte sprachliche Muster kam. Es ist absolut nachvollziehbar. Ich könnte Ash Sakar stundenlang zuhören, obwohl ich nie woke war.
https://www.youtube.com/watch?v=ZS3UlB7aXmE
Man kann aber eine sich damals in ihren 20ern befindliche Untertanin der britischen Krone mit bengalischen Wurzeln nicht dafür verantwortlich machen, dass die Welt aus den Fugen gerät. Das hat entweder tiefere Ursachen oder ist auch rein zufällig. Wenn unsere Zivilisation das nicht aushalten kann, hat es ihr an Resilienz gemangelt.
Korrekt.
Sorry, klare Fehldarstellung. Der Kern der Wokies wollte (und will) weit, weit mehr, als dass nur alle einen Genderstern benutzen. Ihre Darstellung ist eine grobe Verharmlosung von deren Totalitarismus.
Und „Totalitarismus“ ist völlig überzogen.
Mich hat damals die Diskussion nicht wirklich mitbekommen. Aber das ist eine moeglicherweise ueberzogene Wertung. Siehe das Gespraech mit Ash Sakar oben. Die war wohl in England ganz vorne bei den Wokies und da erklaert sie es.
Zum Teil auch dazugehoerig: Ich finde diese unter der Ampel expandierte NGO-Kultur uebrigens problematisch. Ich kenn solche Leute aus Lateinamerika-Veranstaltungen. Das ist nicht „die Zivilgesellschaft“ sondern ein ziemlich ueberspannter Teil derselben.
3) Da hast du das gleiche wie bei 5: „Vox populi“ wird entdeckt, wenn es einen passt, und zurückgewiesen, wenn nicht. Alles nix Neues. Aber ein gewisses Paradox besteht dennoch: Eine gute einfach erklärbare „Wählerwillen-Legitimation“ der Regierungsbildung wäre, dass sich eine Mehrheit der Gewählt-Habenden per offizieller Willensbekundung (Wahl) für eine der an der Regierung beteiligten Parteien ausgesprochen haben. Bei einer Regierung aus CDU (22,6 %), SPD (16,4 %) und CSU (6,0 %) wäre dieses Kriterium nicht erfüllt, da diese Parteien zusammen nur auf 45,0 % der Stimmen kommen.
2) Wampfler macht den Fehler, Problem A gegen Problem B „auszuspielen“. Es ist sinnvoll, anzunehmen, dass bei psychischen Problemen mehrere Faktoren eine Rolle spielen können: Zukunftsangst UND soziale Unsicherheit UND geringere Resilienz UND empfindlichere Diagnostik UND [hier noch Lieblingsthema einfügen] . Seine „Komponentenliste“ ist auch wieder ein „Zusammenschreiben von allem, was ich sowieso meine“, wobei tatsächlich sein siebter Punkt thematisch am relevantesten ist. Wenn er „Beziehungsmodelle“ für Jugendliche durch „ausprobieren“ in „einer zunehmend technologisch verwalteten Welt“ auszuhandeln sieht, dann muss ich kein ‚Maschinenstürmer‘ sein, um zu sagen, dass hier etwas grundsätzlich falsch in der Gesellschaft läuft (und womöglich mobile Kommunikationsmedien Teil davon sind).
d) Wichtige Statistik die in meinen Augen eines belegt: Es gibt ein reales Problem, das lösbar wäre, aber durch die verzerrte Berichterstattung zum Popanz hochgejazzt wird [was pragmatische Ansätze effektiv verhindert].
3) Deine “Wählerwillen”-Definition macht Sinn, wenn aus einem Lagerwahlkampf ein Lager als Sieger hervorgeht (z.B. Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb 1994, 1998 und 2002). Die Definition macht wenig Sinn, wenn sich die neuen Koalitionspartner im Wahlkampf gegenseitig beharkt haben, sich als Gegner betrachtet haben und sich für wechselseitig inkompatible Wahlprogramme eingesetzt haben … und dann nach der Wahl gezwungen sind gemeinsam zu regieren, weil anders keine (demokratische) Mehrheit zustande kommt.
1) Koalieren kann, wer eine Mehrheit hat. Alles andere ist egal. Man kann das dann aus den von dir genannten Gründen kritisieren, oder einer Brandmauer, etc., aber es ergibt sich nicht aus dem Ergebnis per se. Anders ausgedrückt: ich würde eine AfD-CDU-Koalition, die 45% der Stimmen hat, nicht deswegen ablehnen, sondern wegen AfD.
2) Good point.
Zu 1)
Die Koalitionsfähigkeit ist im parlamentarischen System Deutschlands korrekt beschrieben, allerdings auch einer ihrer grössten Schwachstellen:
Egal, was oder wen man wählt, man bekommt immer etwas anderes, als man gewählt (und gewollt) hat, manchmal sogar das exakte Gegenteil. Gutes Beispiel dafür war die BTW 2009, bei der man CDU/CSU wählte, um eine Mehrwertsteuererhöhung um 2 Prozentpunkte zu verhindern und als Ergebnis eine Erhöhung um 3 Prozentpunkte bekam. Nach meiner langjährigen Überzeugung einer der am häufigsten übersehenen, berechtigten, Gründe für Politikverdruss.
Weiß ich nicht. Würde ich in der Pauschalität auch nicht unterschreiben. 2005 war ein Extremfall; ich möchte auch an die Rente mit 67 erinnern, die meiner langjährigen Überzeugung nach einer der Hauptgründe für den Niedergang der SPD in der Zeit darstellt.
Merkel hat das nicht geschadet. Obwohl die SPD vorher noch plakatiert hatte: „Merkel-Steuer, das wird teuer“.
Nicht gerade ermutigend für Politiker, den Wählern vor der Wahl die Wahrheit zu sagen.
Diese Kampagne hat ihr massiv geschadet. Es war der Grund für das knappe Ergebnis 2005.