Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Wir sollten die Verzichts-Ideologie an deutschen Schulen stoppen
Der Artikel thematisiert die einseitige Darstellung von Natur, Klimawandel und technologischem Fortschritt in Schulbüchern und Bildungseinrichtungen. Kinder lernen oft, dass menschliche Eingriffe in die Natur negativ sind, während die positiven Auswirkungen des technologischen Fortschritts vernachlässigt werden. Beispiele dafür sind die stark gesunkene Kindersterblichkeit und die erhöhte Nahrungsmittelproduktion durch industrielle Landwirtschaft. In Schulen werden jedoch Verzicht und Einschränkungen betont, etwa durch Klimaschutzpläne, die Heizungen drosseln und Fleischgerichte verbannen. Lehrer und Materialien fördern eine wachstumskritische Perspektive, oft gestützt durch Umweltorganisationen. Unternehmerisches Denken oder ökonomische Zusammenhänge kommen selten vor. Dies spiegle sich in der sinkenden Gründerquote und einem wachsenden staatlichen Sektor wider. Der Artikel fordert neue Lehrpläne, die technologische Erfolge und wirtschaftliche Möglichkeiten stärker beleuchten. Nur so könne die junge Generation zu Wohlstand und Innovation beitragen, statt in einem Narrativ von Verzicht und Untergang zu verharren. (Axel Bojanowski, Welt)
Ein Beitrag im Collagestil. Ein einzelner Satz von der Homepage eines einzelnen Gymnasiums. Geraune eines Aktivisten. Einzelne Kinderbücher. Der neue Disneyfilm (der übrigens keine Neuauflage, sondern ein Prequel ist, aber für diesen Artikel war offensichtlich selbst das zu viel Recherche und Präzision). Gerede vom Inhalt von „Schulbüchern über den Klimawandel“ ohne Nennung irgendeines – kein Wunder, schließlich ist „Klimawandel“ kein Fach, weswegen es schwer sein wird, Schulbücher dazu zu finden. Kurz: Bojanowski wollte eine harsche Kritik schreiben und hat so viele Beispiele im Internet gesucht (oder einfach frei erfunden), bis die nötige Artikellänge erreicht war. Es ist auch faktisch schlicht inkorrekt. Nichts von dem findet sich in Lehrplänen oder regulären Schulbüchern. Lehrmaterial, das Unternehmensverbände anbieten, ist genauso zulässig wie solches, das von Umweltverbänden kommt; genutzt wird beides wenig. Wozu auch, wir haben Schulbücher, die per Komitee geschrieben sind und deswegen so wenig wie möglich anecken. Von privaten Firmen übrigens.
Diese wirre Vorstellung, die Schulen seien Propagandamaschinen, ist auf beiden Rändern lebendig. Von der Linken kenne ich die Kritik, was das Unterrichtsmaterial von Unternehmerverbänden (das gibt es nämlich!) vor allem im Wirtschaftsunterricht betrifft, oder den Besuch von Jugendoffizier*innen. Und die Rechte beklagt Auftritte von Friedensaktivist*innen oder Umweltmenschen. Ist schon mal jemand aufgefallen, dass Schüler*innen ihre Meinung nicht eben nach Unterrichtsinhalten ausrichten? Ich hätte manchmal gerne so viel Macht und Einfluss, aber letztlich bleibt es doch so, dass Schüler*innen eigenständige Menschen sind, die denken und handeln, wie sie wollen – und einen Scheiß auf das geben, was in der Schule passiert, wenn es ihren Ansichten zuwiderläuft. Ganz so, wie es in einer pluralistischen Gesellschaft sein sollte.
2) Der Paragraf 218 gehört ins Strafgesetzbuch
Der Artikel thematisiert die erneute Debatte um die Legalisierung von Abtreibungen in Deutschland und die mögliche Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Ein Vorschlag von Abgeordneten der SPD und Grünen sieht vor, Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu legalisieren, die dreitägige Wartefrist abzuschaffen, aber die Beratungspflicht beizubehalten. Kritiker argumentieren, dass der Paragraf 218 weiterhin im Strafgesetzbuch bleiben sollte, da er Abtreibungen als Eingriffe „gegen das Leben“ einordnet. Die Diskussion spiegelt den Konflikt zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes wider. Die aktuelle Gesetzeslage versucht, diese beiden Rechtsgüter in einen Ausgleich zu bringen, wobei die Entscheidung letztlich der Frau überlassen wird. Die Autorin betont die Notwendigkeit, die Verantwortung der Frau anzuerkennen und das Lebensrecht des Ungeborenen nicht zu ignorieren. Sie plädiert für eine liberale, aber bewusste Regelung, die den moralischen Konflikt berücksichtigt, statt ihn zu verdrängen. (Kristina Schröder, Welt)
Ich finde es gut, dass Schröder in ihrem Artikel betont, dass es sich um ihre persönliche Werthaltung handelt und darauf pocht, dass diese anerkannt wird. Gerade ein Thema wie Schwangerschaftsabbrüche ist nun einmal stark normativ aufgeladen und erlaubt keine echten Kompromisse; ein bisschen Schwangerschaftsabbruch erlauben geht einfach nicht. Ihre Position macht auch Sinn: sieht man das ungeborene Leben als von effektiv Beginn an schützenswert, muss das natürlich ins Strafgesetzbuch. Und ich gebe Schröder auch Recht, dass die Befürworter*innen oft übers Ziel hinausschießen, indem sie den moralischen Konflikt tatsächlich verdrängen. Nichtsdestotrotz habe ich bei dem Thema eine andere Meinung, aber das hier ist wirklich ein Klassiker, bei dem einerseits um gesellschaftliche Mehrheiten gerungen werden muss und andererseits die Anerkennung des anderen Moralverständnisses und ein echtes Verständnis dafür hilfreich sein können. Nein, hilfreich sind.
3) Das mangelnde Selbstvertrauen der Demokratie
Der Artikel analysiert die Herausforderungen und Grenzen der AfD im Bundestagswahlkampf und darüber hinaus. Trotz wachsender Unterstützung wird der Partei der Zugang zu zentralen Machtpositionen wie dem Kanzleramt verwehrt bleiben, was auf die „Brandmauer“ anderer Parteien und ihre eigene Positionierung zurückzuführen ist. Die AfD habe es versäumt, sich von einer Protestpartei zu einer konstruktiven Alternative rechts der Union zu entwickeln. Kritisiert wird, dass die Parteiführung um Alice Weidel und Tino Chrupalla radikale und provokative Elemente innerhalb der Partei duldet, was ihren demokratischen Anspruch untergräbt. Dies verhindere eine breitere Akzeptanz in der politischen Mitte. Ein Vergleich mit Marine Le Pen zeigt, dass strategisches Handeln und moderater Auftritt notwendig wären, um langfristig Einfluss zu gewinnen. Der Artikel reflektiert auch die Rolle der Medien und der etablierten Parteien. Die frühzeitige Stigmatisierung der AfD als rechtsextrem habe radikale Kräfte angezogen. Zudem wird das politische Klima in Ostdeutschland thematisiert, das laut Soziologe Steffen Mau von schwachen sozialen und moralischen Strukturen geprägt sei, was populistischen Parteien wie der AfD zugutekomme. Abschließend kritisiert der Artikel die Haltung der Union und anderer Parteien, die durch konsequentes Ausgrenzen der AfD und das Eingehen von Kompromissen mit anderen extremen Gruppierungen im Osten selbst an Glaubwürdigkeit und Stabilität verlieren. Dies führe zu einer gefährlichen Polarisierung der politischen Landschaft. (Jacques Schuster, Welt)
Ich halte überhaupt nichts von der Idee, dass die Stigmatisierung der AfD als rechtsradikal die extremen Kräfte angezogen hätte. Das ist einerseits einfach nicht korrekt – der Rechtsradikalitätsdiskurs begann mit dem scharfen Rechtsschwenk der Partei ab 2015, und dafür war die Geflüchtetenkrise ursächlich, nicht irgendwelche Zuschreibungen – und infantilisiert auch die Wählenden schon wieder so krass. Weil jemand sagt, die AfD sei rechtsradikal, ziehe diese Radikale an? Das verleugnet die Handlungsfähigkeit sowohl der Partei selbst als auch ihrer Wählenden. Denn es gibt keinen Grund, eine Partei, die Rechtsradikale anzieht, zu wählen. Da passiert ja offensichtlich etwas anderes. Und das kann man auch benennen.
Generell zeigt sich hier wieder ein schlecht verkleidetes eigenes Unbehagen. Man teilt die Feindbilder der AfD, aber man möchte sich nicht mit den Schmuddelkindern gemein machen. Es ist eine Sicht, die die AfD immer noch als ungezogene Kinder und Fleisch vom Fleische der Bürgerlichen sieht. Aber das sind sie nicht. Es ist ein gefährlicher Grundirrtum. Dabei ist vieles an der Analyse grundsätzlich richtig; denn dass die AfD einen Raum besetzt, den keine andere Partei bedient, dass sie am heftigsten auf das Migrationsthema reagiert, dass dieses von den demokratischen Parteien zu sehr vernachlässigt wird (siehe Fundstück 4), das stimmt ja alles. Aber das macht die AfD nicht besser. Deswegen ist es auch so wirr, wenn etwa Kristina Schröder erklärt, keine Menschen ausschließen zu wollen, das sei ganz böse, deswegen müsse man mit der AfD koalieren – und gleichzeitig aber massenhaft Menschen ausschließen will, nur eben die, die sie nicht da haben will. Da fehlt die Ehrlichkeit zu den eigenen Positionen.
4) Das große Missverständnis der deutschen Migrationspolitik
Der Artikel beleuchtet die Debatte um Flucht- und Erwerbsmigration im Kontext des bevorstehenden Bundestagswahlkampfs. Autorin Ursula Weidenfeld betont, dass Fluchtmigration und Arbeitsmigration rechtlich und praktisch getrennt betrachtet werden müssen. Viele Syrer, die seit 2015 in Deutschland leben, genießen Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention. Sollte sich die Lage in Syrien verbessern, erlischt dieser Status – was in der Diskussion oft missverstanden wird. Die Autorin hebt hervor, dass bestehende rechtliche Instrumente wie der „Spurwechsel“ und das „Chancenaufenthaltsgesetz“ bereits Wege für integrierte Geflüchtete bieten, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Gleichzeitig kritisiert sie Forderungen nach neuen Gesetzen oder radikalen Abschiebungen als unnötig, da bestehende Verfahren bereits greifen. Ein zentraler Punkt ist die geringe Beschäftigungsquote syrischer Frauen, die nur bei etwa 30 Prozent liegt. Dieses Ungleichgewicht erschwert politische Entscheidungen, insbesondere, wenn Familien unterschiedlich behandelt werden sollen. Weidenfeld plädiert dafür, künftig stärker auf gezielte Erwerbsmigration zu setzen, da diese schneller und effizienter zur Integration beiträgt. Sie sieht Kontingentregelungen und das Einwanderungsgesetz als geeigneter an, während Fluchtmigration weiterhin europäische Lösungen erfordert. Abschließend betont sie, dass klare Regelungen essenziell sind, um das Thema dauerhaft aus dem Wahlkampf zu nehmen. (Ursula Weidenfeld, Spiegel)
Mich erinnert das stark an meinen eigenen Artikel zur Sackgasse in der Migrationspolitik. Die Debatte ist hoffnungslos verfahren. Flucht und Migration sind von beiden Seiten vermischt, aber auf keine produktive Art. Da sperren sich dann Linke gegen die Abschiebung selbst schlimmster Straftäter*innen, während auf der Rechten die Schaffung eines sinnvollen Einwanderungs- und Einbürgerrechts – Stichwort Pfad zur Staatsbürgerschaft – verweigert wird, was aber nichts macht, weil die Linke das AUCH verweigert, denn wie kann man ökonomische Motive und so weiter und so fort. Ob klare Regeln das Thema entpolitisieren können weiß ich nicht, aber besser als die aktuelle Situation wäre es allemal. Für die Betroffenen ohnehin. Auch hier hatte die Ampel eine Chance, die vorherigen Blockaden zu lösen und endlich einen Schritt nach vorne zu machen. Passiert ist nichts.
Der Artikel beschreibt die aktuellen Herausforderungen Deutschlands und die Notwendigkeit einer strategischen Neuausrichtung. 2024 war geprägt von wirtschaftlicher und politischer Schwäche, die das internationale Gewicht Deutschlands verringert hat. Die Autorin fordert eine Wende zu Wachstum und strategischer Planung, sowohl wirtschaftlich als auch außenpolitisch. Wirtschaftlich leidet Deutschland unter einer Rezession, technologischer Rückständigkeit und einer kriselnden Automobilindustrie. Das beeinträchtigt nicht nur die wirtschaftliche Stärke, sondern auch das internationale Ansehen. Außenpolitisch mangelt es an Führungsstärke, insbesondere in der europäischen Zusammenarbeit. Kanzler Scholz hat keine starke Beziehung zu Frankreich und spielt in der EU eine marginale Rolle. Gleichzeitig droht der Machtwechsel in den USA unter Donald Trump und Elon Musk die transatlantischen Beziehungen und die NATO zu destabilisieren. Die deutsche Haltung zu Israel und die zurückhaltende Unterstützung der Ukraine verschärfen die Isolation Deutschlands. Historische Verantwortung, wie die Treue zur Schuldenbremse oder die Zurückhaltung bei Waffenlieferungen, wird als selbstfesselnd kritisiert. Die kommende Regierung wird aufgefordert, klare und pragmatische Strategien zu entwickeln, um Deutschlands wirtschaftliches Wachstum und internationale Position nachhaltig zu stärken. (Dirk Kurbjuweit, Spiegel)
Auch ein Dauerthema hier im Blog ist der völlige Mangel an strategischer Weitsicht in Deutschland. Der Sicherheitspod hat das in seiner neuesten Folge auch wieder thematisiert. Man würde ja deutsche Politik gerne für die falsche Strategie kritisieren, aber das geht gar nicht, weil es keine gibt. Wir sind von rechts bis links in einem Modus permanenter Verwaltung, Gestaltung egal in welche Richtung ist geradezu ein Tabu. Ob auf dem Feld der Finanzen, der Wirtschaft, des Klimaschutzes, der Sicherheitspolitik, der Migration, der Bildung; völlig egal. Niemand hat irgendeine Idee, wo es hingehen soll.
Resterampe
a)
b) Ich bin sicher, die BILD wird sich daran bei der nächsten Negativmeldung auch erinnern. (Twitter)
c) Sachsen: Michael Kretschmer bleibt Ministerpräsident – gekrönt von den Linken (Spiegel). Das Verhalten der LINKEn in den Ostbundesländern ist gerade echt lobenswert.
d) Who I am (Kevin Drum). So eine Aufstellung sollte ich vielleicht auch mal machen.
e) A quick look at every penny of domestic spending (Kevin Drum). Ach, Fakten.
f) Quote of the day: “Great question” (Kevin Drum). The audacity of it all!
g) Collections: On Bread and Circuses (ACOUP) Für die historisch Interessierten.
h) Kollegien am Pranger: Ministerium veröffentlicht Unterrichtsausfall von jeder Schule – Medien stürzen sich darauf (News4Teachers). Wie kann man glauben, das sei eine gute Idee? Die Idee, dass Transparenz per se gut ist, sollte mittlerweile echt genug diskreditiert sein.
i) Americans have not lost trust in the media. Republicans have. (Kevin Drum). Bei uns bei weitem nicht so schlimm, aber die Tendenz ist die gleiche. Die Kampagne gegen den ÖRR trägt hierzulande dieselben giftigen Früchte. Siehe auch: Americans haven’t lost trust in medicine. Republicans have.
j) Chartbook 341 On thinking in medias res: An Interview with Ding Xiongfei from the Shanghai Review of Books (summer 2024) (Chartbook). Super spannend, aber sehr nerdig.
k) Sollen die Frauen das doch weiter allein machen! (Spiegel) Ja, sicher, das zeigt Prioritäten.
l) Das ständige Duzen nervt – ich wünsche mir mehr „Sie“ (Welt). Ich will, dass das „Sie“ ausstirbt. Aber das passiert eh. Gehört zu meinen Steckenpferden, den Vormarsch des „Du“ zu beobachten.
m) Zum letzten Vermischten mit Jens Spahn und den Folgekosten der CDU-Regierungen. (Welt) Was mir an der Argumentation unklar bleibt: wo genau wäre es besser, wenn die Kostenerhöhungen anders verteilt wären, abgesehen von der Schockwirkung?
n) Sehr guter Artikel zu Magedburg. (Welt)
o) Hattie mal wieder (News4Teachers). Nicht, dass irgendwer deswegen Änderungsbedarf sähe.
Fertiggestellt am 29.12.2024
o) Einerseits sagt Hattie: Nicht auf das System kommt es an, sondern auf die Lehrkräfte. Andererseits müsste sich das System grundlegend ändern, um bessere PISA-Ergebnisse zu erzielen. Wie passt das zusammen?
Hattie versteht nicht die Klagen der Lehrkräfte über sehr heterogene Klassen. Ich kenne diese Klagen (auch von linken) Realschullehrern (in BW geht die Hauptschule quasi in der Realschule auf). Wie schaffen das die Lehrer in nicht-gegliederten Schulsystemen? (also fast überall sonst).
Wir haben halt auch keine Ahnung und kein Training dafür.
l) duzen/siezen. Allgemein gibt in verschiedenen Ländern einen Trend zum ‚du‘. Das grundsätzlich sprachlich experimentierfreudige Frankreich ist in diesem Punkt aber so was wie ein ’siez-Bollwerk. 20ty Something Italiener sind schockiert darüber, dass sich gegenseitig unbekannte französische Gleichaltrige erstmal siezen. Das kastilische Sie, also Usted, soll in Spanien praktisch ausgestorben sein. In Chile ist das so in der Richtung, aber nicht völlig.
Jede Kultur soll das so handhaben wie sie es halt macht. In Deutsch bin ich Team Du.
Zu 2:
In meinen Augen krankt die aktuelle Lösung an zwei Problemen:
1. Da sie strafrechtlich relevant ist, wird dee Schwangerschaftsabbruch in der ärztlichen Ausbildung nur unzureichend behandelt.
2. die Krankenkassen kommen nur in wenigen Ausnahmefällen für den Eingriff auf
In meinen Augen ließen sich diese zwei Probleme lösen ohne den grundsätzlichen gesellschaftlichen Konsens in der Frage anzutasten und für die Betroffenen wäre viel gewonnen. Sollte sogar eine CDU mittragen können.
Wir haben in Deutschland eine steigende Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen und bewegen uns trotz geringerer Neugeborenenzahl auf dem Niveau von 2012.
Jeder muss in Deutschland für seine Verhütungsmittel selbst aufkommen, so wie auch für die Babyausstattung. Auch wer Zahnersatz braucht, zahlt das üblicherweise selbst. Warum nun ausgerechnet ein Schwangerschaftsabbruch von der Solidargemeinschaft alimentiert werden sollte, erschließt sich da nicht.
In den letzten zehn Jahren kam es bei über 100.000 Schwangerschaftsabbrüchen jährlich – mithin über eine Million Abbrüchen nur in einem Fall zu einem Strafverfahren. Man kann nicht behaupten, wir hätten ausgerechnet in diesem Bereich ein gesellschaftliches Problem.
Klingt gut.
Hmmm, warum soll ich als Beitragszahler für Abtreibungen aufkommen, bitte? Wollen wir tatsächlich etablieren, dass Schwangerschaften eine Krankheit sind?
Womöglich rennen Sie da offene Türen ein:
1. Schwangerschaftsabbruch ist bereits Teil der fachmedizinischen gynäkologischen Ausbildung. Ich würde ihn auch wirklich dort belassen und nicht jeden Mediziner dafür ausbilden.
2. Richtig, die Krankenkassen müssen nur die Kosten für gerechtfertigte Eingriffe (wenn ein medizinischer oder kriminologischer Grund vorliegt) übernehmen. Allerdings übernehmen Sozialkassen bei vorliegender Bedürftigkeit die Kosten (je nach Situation ganz oder teilweise).
Zu i)
Aha. Weil also nur die Republikaner in den USA das Vertrauen in die Medien verloren haben, betrifft das nicht die Amerikaner, weil – wie wir alle wissen – die rund 48% Reps-Wähler der USA keine Amerikaner sind.
Dass Du Dir für Deutschland wünscht, das Vertrauen möge erhalten bleiben, ist nach Deiner politischen Positionierung absolut folgerichtig. Das ist nämlich – ausschliesslich – gut für Deine Position im olitischen Spektrum. Nur – warum sollte ich mich Deinem Wunsch anschliessen? Der ÖRR, die ZEIT oder der SPIEGEL sind in meinen Augen aktive politische Mitspieler und KEINE neutralen Berichtsinstanzen und selbstverständlich gehören sie üblicherweise, im Regelfall, zu meinen politischen Gegnern bzw. verbünden sich mit diesen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Wer sind dann die neutralen Beobachter?
Und wer die politischen Mitspieler auf Ihrer Seite?
Frage für mich.
Wer sind dann die neutralen Beobachter?
Existieren nicht. In Deutschland existieren nicht einmal Player, die ernsthaft diesen Anspruch erheben.
Und wer die politischen Mitspieler auf Ihrer Seite?
Alle Konservativen und Rechtsliberalen. Solange, wie ich politisch bewusst zurückdenken kann – also für die letzten 45 Jahre.
Stimmt, die Sichtweise des Artikels ist (im wahren Wortsinn) diskriminierend. Man stelle sich das Spiegelbild vor: „Die Amerikaner verlieren das Vertrauen, nur Democrats halten diesen noch die Stange“.
Als ob es darauf noch ankäme:
Grönland und Panama „notfalls“ militärisch zu den USA
Kanada immerhin „nur“ wirtschaftlich
Aber alle NATO-Staaten mindestens 5 % für’s Militär
Kniefall von facebook und instagram – Twitter sowieso
Es wird schon nicht so schlimm kommen?
„Die Amerikaner“ haben einen jingoistischen Imperialisten gewählt (was all meine antiamerikanischen Klischees bestätigt). Und „die Deutschen“ werden selbstverständlich auch den Forderungen „der Amerikaner“ nachkommen. (zumindest bis auf einen „Schamabstand“). Ja, die Mehrheit nimmt in gewisser Weise die Minderheit in Mithaftung.
Klingt ein wenig polit-akademisch. Die Wucht der jüngsten Trump-Aussagen ist noch gar nicht verstanden: Ein NATO-Land droht anderen NATO-Ländern mit militärischer Gewalt, um Gebietsansprüche durchzusetzen.
Das ist wirklich das Ende der bisherigen Ordnung. Wie will man jetzt noch begründen, dass Putin die Ukraine nicht haben soll?
Alles völlig richtig und ich rette mich hier nur mangels Lösungen in Zynismus. Nur führt das jetzt zu weit vom Thema weg. Vermutlich wird das eh bald in einem Vermischten-Kommentar „offiziell“ diskutiert.
Ich halte das für quatschig. Du kannst ja auch nicht 2021 sagen „die Deutschen wollen die Ampel“. Es ist nur eine Subgruppe.
Genau das ist mein Kritikpunkt. Die Gesamtheit ist immer die Summe aller Subgruppen. Da ist es vermessen, die eine Hälfte zur Norm zu erklären und die andere zur Abweichung.
Ich kann dich als jemand, der mit solchen Ansichten mal ins radikale Lager abgerutscht ist, nur warnen.
1) Das ist eigentlich ein guter „Kompetenzerwerb“. Natürlich macht jeder Propaganda, die einen offenkundiger, die anderen leiser. Ich hatte jedenfalls klar „linke“ und klar „rechte“ Lehrer, die aus ihren Meinungen keinen Hehl gemacht haben. Und die Schule ist diesbezüglich ein geschützter Ort zum Schwimmenlernen.
Gefährlich ist es nur dann, wenn die Schüler tatsächlich auch eine eigene Meinung entwickeln und äußern, das stört den Schulfrieden.
https://www.wsws.org/de/articles/2024/12/04/mili-d04.html
2) Da ist deine Formulierung etwas missverständlich. Gerade weil das Thema normativ aufgeladen ist, ist ein Kompromiss (beide Seiten sind nicht richtig zufrieden, aber können/müssen damit leben) notwendig. Und unter diesem Aspekt ist ein „gesellschaftliches Nachverhandeln“ leicht problematisch. Es führt zu zu einer entsprechenden Gegenreaktion und damit zu einer Dominanz der Radikalen im Diskurs.
3) a) Mit dem „Schlüsselmoment“ 2015 unterliegst du einem populären Irrtum. Auch die 2013-AfD war rechtsaußen. Sie hatte die rechtsaußen-Gruppen „Bürgerkonvent“ und „Die Freiheit“ quasi kannibalisiert, sie ist durch mehrere Äußerungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vor allem gegen sozial Schwache aufgefallen, und voll in die Islam/Leitkulturdebatte eingestiegen.
b) Auch wenn diese Partei zeitweise extrem war, ist das Overton-Fenster des politische Mainstreams ja inzwischen nachgezogen und den Qualitätsunterschied zu „Staatsbürgerschaft entziehen“-Merz und „arbeitslose Syrer abschieben“-Habeck muss man mit der Lupe suchen.
5) Diese „große Strategie“, nach der manche immer wieder schielen, läuft mehreren Kernfeatures der Demokratie zuwider: Pluralismus, reguläre Machtwechsel, Eigeninteresse der Bürger, begrenzte Mittel. Wechsel zwischen unterschiedlichen Langzeitstrategien sind vor allem eine Verschwendung gesellschaftlicher Ressourcen (Beispiel: Die Langzeitstrategien Atomkraft und Atomausstieg).
b) Bild hätte sich nur ein paar Worte sparen sollen: „Der Dax[…] hat nichts mit Wrtschaft […] zu tun.“
d) gut gemeinter Rat: Das bringt dir keinen Gewinn, sondern nur einen Haufen Grundsatzdiskussionen. Außerdem eine Festlegung, wenn sich herausstellt, das eine policy doch nicht so prickelnd ist wie erwartet.
h) Du irrst: Transparenz ist nicht „gut“ sondern notwendig für den „informierten(!)“ Diskurs. Ohne diese Zahlen bleibt davon nur anekdotisches Stammtischgeschwätz über Unterrichtsausfall und faule Lehrer.
Transparenz ist nicht „gut“ sondern notwendig für den „informierten(!)“ Diskurs.
Völlig korrekt. Nur existiert genau der in der medialen Praxis nicht. Nirgendwo und zu keinem Zeitpunkt jemals in der Historie. Der „informierte Diskurs“ ist mit dem real existierenden Menschen Fantasialand.
1) Ja.
2) Ja. Aber die Meinung kann ich trotzdem haben. Darum geht’s mir. Ich lehne die Schuldenbremse in ihrer Form ja auch ab, aber ich akzeptiere sie als geltendes Recht.
3) a) Ja, aber nichtsdestotrotz war die Radikalisierung da noch nicht so weit. Mit deiner Argumentation müsste man ja die CDU für ihre entsprechenden Ausfälle auch direkt aus dem demokratischen Konsens rausnehmen.
b) Zwischen den beiden besteht viel weniger Unterschied als getan wird, daher ja auch meine Kritik an Stefans „Richtungswahl“-Behauptung. Aber der Unterschied zur AfD ist riesig.
5) Ich denke du musst unterscheiden zwischen Taktik und Strategie. Es braucht halt ein Ziel, auf das man hinarbeitet. Nimm mal so was wie die Ostpolitik: das war in 40 Jahren Ost-West-Konflikt der einzige Strategiewechsel, genau zur Halbzeitmarke. Aber Taktikunterschiede gab es zur Genüge.
b) lol, ja
d) Auch wieder wahr.
h) Ja, aber so ist doch auch scheiße.
5) Ich zähle noch mindestens zwei weitere Strategiewechsel (Westdeutschland) während des Kalten Krieges I: Die Wiederbewaffnung mit dem Ziel, vollwertiges NATO-Mitglied zu sein und den NATO-Doppelbeschluss mit dem Ziel der nuklearen (Gegen)aggression.
Und natürlich verkommt eine Strategie, die sich nicht an die taktischen Wirklichkeiten anpasst, zur blanken Ideologie. Dafür ist bei diesem Großthema das Strategieelement Hallstein-Doktrin ein gutes Beispiel.
Ja, aber der NATO-Doppelbeschluss war ähnlich wie die Notstandsgesetzgebung nicht so sehr zwischen den Parteien, sondern innergesellschaftlich umstritten. Ich weiß ehrlich gesagt gerade nicht, wie die SPD zur Wiederbewaffnung stand.
Sie hatte geschlossen dagegen gestimmt und eine Verfassungsklage angestrengt. Diese wurde aus formalen Gründen zurückgewiesen (wohl aufgrund von Druck durch den BND). Nur die Regierungsparteien (CDU, FDP sowie die Rechtsaußenpartei DP) waren dafür und selbst da war es umstritten (Innenminister Gustav Heinemann ist deswegen zurückgetreten und Theodor Heuss wollte ein Rechtsgutachten in Auftrag geben).
Danke!
Zu 2)
Wie haben im Abtreibungsrecht einen klar erkennbaren Kompromiss zwischen „Mein Bauch gehört mir“ und „Schon ein befruchtetes Ei ist ein Mensch“, der auch noch nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes formuliert wurde. ICH würde unter überhaupt keinen Umständen an diesem Kompromiss rütteln, aber wer gerne eine Masse gesellschaftlichen Sprengstoffes zünden möchte, hat natürlich meinen Segen 🙂 . Ich werde das Schauspiel geniessen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Mir würde es reichen, dieses unselige „Werbeverbot“ abzuschaffen.
Das ist 2022 geschehen.
Ups.