Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Landkreis Sonneberg laut Ezra neuer Schwerpunkt rechtsextremer Gewalt
Die neue Jahresbilanz der Opferberatung Ezra zeigt einen starken Anstieg rechtsextremer Gewalt im Landkreis Sonneberg, der nun als Schwerpunkt dieser Straftaten in Thüringen gilt. 2023 wurden 20 rechtsextreme Angriffe in Sonneberg verzeichnet, darunter Überfälle auf Unterkünfte für Geflüchtete und Angriffe auf Kinder. Laut Ezra hängt der Anstieg der Gewalt eng mit dem Erstarken der AfD zusammen, die seit 2023 den ersten AfD-Landrat in Deutschland stellt. Wissenschaftliche Studien belegen, dass rechtsextreme Täter durch die AfD in ihrem Handeln bestärkt werden. Landesweit gab es knapp 150 rechtsextreme Angriffe, was einen Rückgang gegenüber 2022 bedeutet. Dennoch sieht Ezra keinen Grund zur Entwarnung, da viele Gewalttaten im Umfeld von Aufmärschen verübt wurden. Thüringer Politiker, darunter Vertreter von Linken, SPD und Grünen, reagierten alarmiert auf die Zahlen und forderten verstärkte gesellschaftliche und politische Maßnahmen gegen Rassismus sowie eine finanzielle Aufstockung der Beratungsstellen von Ezra. (MDR)
Das ist genau das, was Warnende immer befürchtet haben: es ist eben nicht irrelevant, ob Faschisten in Exekutivfunktionen kommen, auch wenn es „nur“ ein Landrat ist. Die Zahlen sind auch so eindeutig, dass man über Korrelation und Kausalität nicht ernsthaft diskutieren muss. Selbst wenn man einbezieht, dass die Quelle ein eher linksgerichtetes Aktivistenspektrum ist – wenn es „nur“ eine Verdreifachung statt einer Verfünffachung wäre, wäre das immer noch alarmierend genug. Dieser Sachverhalt ist eindeutig, und genau das ist der Grund, warum es eine Brandmauer braucht: diese Leute dürfen nicht an die Macht kommen, weil sie die Macht missbrauchen. Und wenn sie die Macht haben, schaffen sie letztendlich Recht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis AfD-Richter*innen dann solche Dinge sanktionieren. Je länger die AfD bleibt, je mehr sie normalisiert wird, desto schwerwiegender werden diese Fälle werden.
2) Die große Entfremdung, die schon unter Merkel begann
Die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen zeigen deutlich, dass der Parlamentarismus in Deutschland funktioniert, indem er den Wählern ermöglicht, Veränderungen herbeizuführen, wenn sie mit der aktuellen Regierungspolitik unzufrieden sind. Die AfD konnte in beiden Bundesländern starke Wahlergebnisse erzielen, weil sie Themen aufgegriffen hat, die von den etablierten Parteien aus Sicht vieler Wähler nicht ausreichend behandelt wurden. Dazu zählen unter anderem Migration, Energiepolitik und das Heizungsgesetz. Die zunehmende Entfremdung von der Bundespolitik, die bereits unter Angela Merkel begann, hat sich unter der aktuellen Regierung fortgesetzt. Viele Ostdeutsche empfinden die Politik als übergriffig und ideologisch, was sich in der Ablehnung von Maßnahmen wie dem Heizungsgesetz und den Corona-Regelungen zeigt. Auch die Ukraine-Politik und die wahrgenommene Bevorzugung kleinerer Minderheiten haben zur Unzufriedenheit beigetragen. Diese Entfremdung spiegelt sich in der breiten Unterstützung für die AfD wider, die von vielen als Alternative zu den etablierten Parteien gesehen wird. Die traditionelle Strategie, die AfD und ähnliche Gruppierungen auszugrenzen, scheint gescheitert zu sein. Einige Kommentatoren fordern daher, dass die etablierten Parteien besser auf die tatsächlichen Anliegen der Wähler eingehen müssen, anstatt sich in Wählerbeschimpfungen und Ausgrenzung zu ergehen. Nur durch den Nachweis, dass sie die Probleme besser lösen können als die AfD oder BSW, können die etablierten Parteien das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen und die Demokratie stärken. (Hubertus Knabe, Welt)
Ich stimme Knabe soweit zu, dass das Vertrauen der Wählenden zurückgewonnen werden muss – unabhängig davon, was die Leute gerade wählen; auch Grünen-Wählende haben gerade nicht überragend viel Vertrauen in den Staat – und dass es entsprechende Angebote braucht. Nur gibt es keinen Automatismus, dass dies dem der AfD entsprechen muss (oder einer AfD light). Dass Knabe das bevorzugt ist nachvollziehbar und legitim, aber will man das Problem angehen gibt es grundsätzloch auch die Option, ein Angebot in die andere Richtung zu machen und tatsächlich Alternativen zu bieten (es ist eh ein Treppenwitz, dass die ALTERNATIVE für Deutschland damit bekämpft werden soll, keinesfalls Alternativen für ihr Kerngebiet anzubieten). Nur macht das keiner, wie wir hier ja schon öfter diskutiert haben.
3) Germany’s growth model is broken
Der Artikel beschreibt die strukturellen Herausforderungen, vor denen die deutsche Wirtschaft steht. Trotz ihrer Rolle als größte Volkswirtschaft Europas stagniert Deutschland nach der Pandemie. Ein zentrales Problem ist die Abhängigkeit vom exportgetriebenen Wachstum, das angesichts der sinkenden globalen Nachfrage, insbesondere aus China, und der Konkurrenz im Bereich der Elektrofahrzeuge immer schwieriger wird. Auch der Wegfall des Handels mit Russland und die insgesamt schwächelnde Weltwirtschaft verschärfen die Lage. Hinzu kommen demografische Probleme: Die alternde Bevölkerung belastet die öffentlichen Finanzen, während die jüngere Erwerbsbevölkerung schrumpft. Gleichzeitig leidet Deutschland unter einem chronischen Investitionsmangel in Infrastruktur, einer überbordenden Bürokratie und einer langsamen Digitalisierung. Zwar wurde die Einwanderungspolitik reformiert, um qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen, doch der politische Widerstand, besonders durch den Aufstieg der AfD, erschwert die Umsetzung. Obwohl Deutschland über fiskalischen Spielraum verfügt, verhindert die strenge Schuldenbremse (Schuldenbremse) eine expansivere Haushaltspolitik. Trotz dieser Herausforderungen betont der Artikel, dass Deutschland in der Vergangenheit, wie nach der Wiedervereinigung, Anpassungsfähigkeit gezeigt hat und daher auch jetzt wieder das Potenzial zur Erholung besitzt. (Mark Sobel/Taylor Pearce, OMFIF)
Hier kommen einige Themenbereiche zusammen. Ich glaube, es gibt aktuell niemanden, der das deutsche Wirtschaftsmodell sonderlich loben würde; allein, die entsprechenden Analysen unterscheiden sich. Die Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft wird ja gerade aus progressiven Kreisen schon lange kritisiert, weil sie zulasten der Binnenkonjunktur geht, was – und ist fairerweise zugegeben der Punkt, der hier üblicherweise interessiert – eher drückend auf Löhne und Arbeitsbedingungen wirkt. Es hat aber auch die negative Auswirkung, deutlich von der Auslandskonjunktur abhängig zu sein, auf die man praktisch keinen Einfluss hat. Vor allem Ordoliberale sehen darin auch gleichzeitig einen positiven Faktor durch die disziplinierende Wirkung und den Wettbewerbsdruck (Standortvorteile), und auch da ist sicher etwas dran. Aber in einer Welt, die von einer zunehmend aggressiveren Rivalität mit China beherrscht wird, kommen auch weitere Probleme hinzu.
4) Die CDU im Osten sollte aus dem Rundfunk-Staatsvertrag aussteigen
In dem Text wird die politische Lage in Thüringen und Sachsen nach den Landtagswahlen diskutiert, insbesondere die Herausforderung für die CDU, sich in einer polarisierten politischen Landschaft zu positionieren. Der Satiriker „LiberalMut“ macht sich darüber lustig, dass die CDU möglicherweise mit ehemaligen Linken und Sozialisten koalieren könnte, was in den Augen des Autors nur die AfD stärken würde. Er argumentiert, dass die CDU konsequent „Nein“ zu Koalitionen mit sowohl der AfD als auch der Linken (und deren Abspaltungen wie der BSW) sagen sollte, um die „Brandmauer“ zu wahren. Der Text kritisiert außerdem den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der als parteiisch und ideologisch beeinflusst wahrgenommen wird, und schlägt vor, dass die CDU in einer möglichen Minderheitsregierung Bildungs- und Migrationspolitik priorisieren sowie eine Reform oder den Ausstieg aus dem Rundfunkstaatsvertrag in Betracht ziehen sollte. Diese Positionen spiegeln eine wachsende Distanz zu den etablierten Medien und politischen Institutionen wider. (Ulf Poschardt, Welt)
Die Radikalität dieser Leute wird immer schlimmer. Wie kann jemand glauben, dass in einer Atmosphäre, in der die AfD stärker oder gleich stark wie die CDU ist, die Vernichtung der ÖRR mit einer Besserstellung der CDU enden würde? Wie kann man als bürgerlicher Liberaler annehmen, dass sich das Meinungsklima damit zu seinen Gunsten bessern würde? So sehr man sich aufregt über den ÖRR, das muss einem doch klar sein. Ich würde nie davon ausgehen, dass wenn Springere heute bankrott geht oder mit einem Fingerschnippsen Thanos‘ beseitigt würde, dies besser für die Progressiven wäre. Springer ist sicher nicht mein Freund, aber wesentlich besser, als es sein könnte. Man schaue nur in andere Länder. Dasselbe gilt für den ÖRR. Der erfüllt nicht alle Erwartungen an die Qualität, die man so an ihn hat, sicherlich. Aber so schlimm, dass er die Poschardt’sche nukleare Option rechtfertigte, ist er auch nicht.
5) Eine Atommacht Europa wird es nicht geben
In dem Artikel wird die Debatte um die nukleare Abschreckung Europas thematisiert. Es wird argumentiert, dass eine europäische Atommacht, etwa durch Frankreich oder Großbritannien, keine realistische Option sei. Beide Länder nutzen ihre Atomwaffen primär zum Schutz des eigenen Territoriums und zeigen keine Bereitschaft, sie für den Schutz anderer europäischer Staaten einzusetzen. Der Text beschreibt, dass der Einsatz von Atomwaffen in einem Konflikt zwischen Russland und Europa auf das europäische Territorium beschränkt bleiben könnte. Russland hat strategische Vorteile durch seine geografische Lage und könnte europäische Städte ohne direkte Bedrohung seines eigenen Landes angreifen. Europa fehlt es an der strategischen Tiefe, um dieser Bedrohung effektiv zu begegnen. Es wird zudem kritisiert, dass die USA sich nicht bereit zeigen, europäische Staaten konventionell zu verteidigen. Stattdessen liegt der Fokus auf der Abschreckung durch Atomwaffen. Die Europäer müssten daher stärker in ihre konventionellen Streitkräfte investieren, um ihre Verteidigung sicherzustellen. Insgesamt bleibt die Aussicht auf eine eigenständige europäische Atommacht unwahrscheinlich, während die Zusammenarbeit mit den USA für den Schutz Europas unverzichtbar bleibt. (Jürgen Reichardt, Welt)
Reichardt gibt hier eine gute Erklärung für das System der nuklearen Abschreckung. Auch die Rolle Frankreichs und Großbritanniens werden gut erklärt, und warum Europa keine Atommacht sein kann. Was mir etwas zu kurz kommt, ist die Rolle der USA. Denn natürlich gibt es keinen nuklearen Schutzschirm ohne die USA, das war ja die gesamte Logik hinter dem Atomwaffensperrvertrag: die europäischen Länder, vor allem die BRD, entwickeln kein eigenes Arsenal, dafür garantieren die USA ihren Schutz. Diese Gleichung war stets eine Schwachstelle in der Abschreckung (würden die Amerikaner „Paris für New York“ eintauschen?), aber funktionierte durch den Kalten Krieg hindurch. Nur, seit der Wahl Trumps – und kaum gelindert durch Bidens Präsidentschaft – steht das in Frage. Denn wenn die USA auch aus Europa zurückziehen, gehen nicht nur die Truppen (ein Problem, das angesichts der europäischen Kapazitäten und Verteidigungsausgaben schlimm genug ist), sondern bekommt der nukleare Schutzschirm entscheidende Löcher. Das scheint mir viel zu wenig bedacht zu werden.
Resterampe
a) Markus Söder hat schon echte Probleme mit dem Rechtsstaat.
b) Wohl wahr.
d) Kamala Harris‘ Versprechung von 2010.
e) Weiteres Futter für meine Harris-Analyse.
f) What’s the matter with West Virginia?
g) Sie kapieren es einfach nicht. Tun sie tatsächlich nicht, aber Poschardt meint das nicht so, wie es richtig wäre 😉
h) Hamas murdered six hostages in cold blood.
i) FDP: Warum Christian Lindner als Parteichef und Ampelpartner weitermachen will. Weil er keine andere Wahl hat.
j) Saskia Esken: SPD-Chefin korrigiert eigene Aussage zu Solingen. Manchmal wäre vorher denken echt gut.
k) Don’t send the Afghanistan withdrawal down the memory hole. Sehr richtig.
l) So true.
m) Scheint fast als würde Habeck doch etwas von Wirtschaft verstehen 😉
n) Autsch.
o) Plädoyer, keine toten Schauspieler*innen digital wiederzubeleben.
Fertiggestellt am 05.09.2024
(3 – Germany’s growth model)
Die Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft wird ja gerade aus progressiven Kreisen schon lange kritisiert, weil sie zulasten der Binnenkonjunktur geht
Dieses „Weil“ hätte ich gern mal erklärt. Eine spanische Firma kauft in Deutschland eine Maschine für 20 Mio. Euro. In welcher Weise sind diese 20 Mio. Euro nach Meinunger dieser „Progressiven“ bitte eine Last für die Binnenkonjunktur? 🙂
Das ist natürlich keine Last. Eine Last ist es, die Wirtschaft einseitig darauf auszurichten.
Einseitig? Was meinst Du damit? Das passiert doch gar nicht.
Wegen mir könntest Du das auch genauer ausführen.
Exportorientierung sehe ich als erstmal grundsätzlich gut an. Die Unternehmen müssen auf dem Weltmarkt operieren, um zu überleben. Eine argentinische Schuhfabrik hinter hohen Handelsmauern kann wesentlich gemütlicher arbeiten … und die Konsumenten zahlen höhere Preise. In solchen Systemen gibt es starke Anreize für die Einflußnahme der Wirtschaft auf die Politik.
Denkbar wäre aus meiner Sicht das Argument der Versorgungssicherheit, d.h. sicherzustellen, dass die KP Chinas nicht entscheiden kann, dass wir keine Schmerzmittel mehr produzieren können. Dann aber bitte im europäischen Rahmen.
In Deutschland gibt es nach wie vor eine Menge von Maschinenbaufirmen, die sich ihren Weltmarkt erkämpft haben.
Oder hidden champions, d.h. relativ kleine Unternehmen, die eine kleine Sache besonders gut können. Die existieren übrigens auch in Argentinien und Chile, aber sind so hochspezialisiert, dass ich die Details ihrer Produkte schnell wieder vergesse. Sowas sehe ich auch als grundsätzlich gut an.
Ein wichtiger Bestandteil des Franzöischen Wehklagens über ihren Niedergang besteht in dem echt dramatischen Verlust Frankreichs bei Exporten. Dies sollte uns eine Warnung sein.
Export ist offensichtlich gut. Ich plädiere nicht dafür, nicht zu exportieren, sondern für eine ausgeglichenere Wirtschaftspolitik. Das Problem mit der Exportorientierung ist eine starke Abhängigkeit von den Exportmärkten, auf die du keinen Einfluss hast, und die damit einhergehenden Risiken für das ganze System, was Zahlungsfähigkeiten angeht.
Du argumentierst für eine Industriepolitik, bei der der Staat die Wirtschaftsstrukturen vorgibt. Das ist eben keine Wirtschaftspolitik, bei der es den Bürgern und Unternehmen überlassen bleibt, welche Produkte sie für welche Kunden anbieten.
Die deutsche Exportabhängigkeit ist von der Welt. Wir sind entscheidend abhängig von der EU, von den USA, von China, von Indien, von Großbritannien. Ein Land wie Deutschland kann nicht autark sein. Und auch ein Land wie die USA mit einem riesigen Binnenmarkt importiert zu einem großen Teil Konsumgüter. Und ein Land wie China importiert in großem Maßstab Investitionsgüter.
Der Exportanteil der skandinavischen Länder, der Schweiz und der Niederlande ist sogar noch weit höher als der Deutschlands. Die haben bisher aber nie ein Problem in der „Exportabhängigkeit“ gesehen.
Deutschland hat permanent eine Industriepolitik betrieben, die die Exportindustrie begünstigt hat.
Wo und wie?
@ Stefan Sasse
Oh Mann, Du rutschst immer wieder auf der gleichen Bananenschale aus.
Deutschland ist extrem teuer, mit überdurchschnittlich hohen Löhnen, überdurchschnittlich hohen Steuern und sehr, sehr viel Bürokratie. Wie, meinst Du, wirkt sich das auf unsere Wirtschaft aus? Welche Produkte, Strukturen und Ausrichtungen machen unter diesen Bedingungen Sinn?
Wir können das Lohnniveau nicht auf das Level senken, das mit Rumänien oder Vietnam konkurrieren könnte. Stichwort Bananenschale.
Was ist denn das für ein Quatsch? Erstens befindet sich Deutschland mit seinem Lohnniveau im obersten Regal und obwohl die Produktivität zuletzt sogar gesunken ist, steigen die Produktivlöhne weiter und stärker als in den meisten OECD-Ländern. Irgendwann führt so ein Irrsinn zu Arbeitslosigkeit und / oder Abwanderung.
Ach so, das haben wir bereits …?
Zweitens steigen die Löhne in Rumänien und Vietnam rasant, bei dem Tempo werden Sie viele westeuropäischen Länder bald eingeholt haben. Also, kein kluges Argument.
@ Stefan Sasse 8. September 2024, 09:04
Wir können das Lohnniveau nicht auf das Level senken, das mit Rumänien oder Vietnam konkurrieren könnte. Stichwort Bananenschale.
Ich habe keine solche Forderung erhoben.
Aber Du solltest verstehen:
– wenn wir diese Löhne nicht hinkriegen, können wir entsprechende Niedrigpreis-Produkte nicht selbst erzeugen.
– wenn wir die Leute zu den hier geltenden Lohn- und Gehalt-Situationen beschäftigen wollen, müssen wir Hochpreis-Produkte herstellen, die ein hohes gehaltsniveau ermöglichen.
– Das sind in der Regel technisch anspruchsvolle Produkte, die hier aber nicht jeder Haushalt braucht.
– wir müssen genug davon herstellen und exportieren, weil die Erträge unseres Binnenmarkts allein bei weitem nicht ausreicht, unsere Ansprüche an Lohn und steuerfinanzierte staatliche Leistungen zu decken.
Und jetzt zeig mir bitte den Weg zu einer „ausgeglicheneren Wirtschaftspolitik“ ohne Wohlstandsverluste.
Wieso kriegen fast alle anderen entwickelten Volkswirtschaften das hin? Die USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Benelux etc. schaffen das alle ohne die Unwucht. Wenig überraschend, die kaufen unseren Kram ja.
@ Stefan Sasse 9. September 2024, 07:03
Wieso kriegen fast alle anderen entwickelten Volkswirtschaften das hin? Die USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Benelux etc. schaffen das alle ohne die Unwucht. Wenig überraschend, die kaufen unseren Kram ja.
Noch einmal: Wenn Dich die Unwucht stört, musst Du entweder weniger Produkte ins Ausland verkaufen oder mehr Produkte ins Inland.
Ersteres würde einfach viele Deutsche Unternehmen in die Pleite treiben; mit den bekannten Folgen, versteht sich.
Das für das letztere die Löhne nicht reichen, hast Du ja schon selbst festgestellt. Bliebe noch, die Inlandspreise zu erhöhen und günstigere ausländische Produkte auszuschließen (=Protektionismus, nur noch im Rahmen der EU möglich, nicht auf nationaler Ebene).
Und schau Dir mal die anderen Länder an, die Du genannt hast. USA und Kanada als riesige Flächenländer sind bei Lebensmitteln oder Rohstoffen weitgehend autark und schwerlich mit uns vergleichbar Allein, was die USA an Autos im eigenen Markt verkaufen können …
Be-Ne-Lux sind viel zu klein, haben deutlich weniger Industrie (Handel kann man schlecht exportieren), eine deutlich kleinere Bevölkerung (deutlich kleinerer Binnenmarkt), sind also auch nur eingeschränkt mit Deutschland vergleichbar.
England und Frankreich sind von den äußeren Umständen (Bevölkerung, Größe) eher vergleichbar, haben aber spürbar weniger Industrie und einen niedrigeren Lebensstandard. Spanien und Italien passen am Rande auch noch rein, haben aber ganz andere Probleme. Japan hast Du nicht gelistet; passt auch, hat die vergleichbare Probleme.
Falls ich Dich mißverstanden habe, sorry dafür. Dann nenn vielleicht mal ein Land (idealerweise mit Beispielen), dass die Dinge, die Dir an unserer Wirtschaft nicht gefallen, besser macht.
Hm. Gute Punkte. Mein Wunsch wäre natürlich: mehr Konsum ohne Abstriche woanders 😉
@ Stefan Sasse 9. September 2024, 16:09
Mein Wunsch wäre natürlich: mehr Konsum ohne Abstriche woanders 😉
Ah, free desert 🙂
Um mehr zu konsumieren, brauchen wir höhere Löhne und Gehälter und / oder mehr Jobs. Da geht üblicherweise mit einer boomenden Wirtschaft einher, die wir aus verschiedensten Gründen nicht haben. Unsere Treiber sind üblicherweise Autos, Chemie, Bau.
Autos stehen aus verschiedenen Gründen schwer unter Druck, Chemie leidet an zu hohen Energiekosten, Bau an zu hohen Zinsen und Mangel an Bauland, und alle drei Industriezweige stehen in dieser „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Gesellschaft steuertechnisch, bürokratisch und politisch unter großem Druck.
Wir haben ja schon öfter festgestellt, dass Wachstum im Aggregat nicht überall gleich ankommt. Wir haben halt zwischen Branchen ein ziemlich krasses Lohngefälle. In Teilen sicherlich unvermeidlich, aber die genannten Branchen verdienen üblicherweise ja schon recht gut.
Konserven mit ihrer myopischen Grundverfassung in allen relevanten Dingen, verstehen es einfach nicht, dass die handelsbilanzüberschüsse der einen immer zu Lasten der anderen gehen und dies kein tragbares Modell für die Welt im allgemeinen ist.
Wer ein Hirn hat, kann auch hier wieder erkennen, was die Natur des konservatismus ist.
Schon klar, dass sich das volkswirtschaftliche Wissen vieler Linker auf diesen einen Satz beschränkt.
Ich lasse Ihnen mal einen Artikel von 2016 da, wo Sie sehen können, wie es Ländern mit dauerhaft hohen Handelsbilanzüberschüssen und dauerhaft hohen Defiziten geht.
https://www.deliberationdaily.de/2016/08/linke-wirtschaftsmythen-2-exportweltmeister-deutschland-und-das-leben-unter-den-verhaeltnissen/
Du verwechselst da etwas, bloß weil die Löhne politisch gedrückt werden, heißt das nicht, dass es nicht eine gewisse Klasse gibt, die davon profitiert.
Sonst wären die Konserven ja nicht dafür. Mensch.
Außerdem ist der kapitalinflux in die usa Teil eines politischen Deals zwischen den usa als hegemon und den restlichen weststaaten.
Also auch Australien und Neuseeland? Boah, so einen Hegemon, der alle reich macht und die anderen arm lässt, den liebe ich! Dagegen können eigentlich nur ein paar Russen-Freunde etwas haben…
Da gehe ich nicht mit. Handelsüberschüsse sind kein Problem, wenn sie im Rahmen sind. Du wirst ja nie null auf null rauskommen, auf solche Ideen kommen nur Bürgerliche 😉 Und zum anderen gehen die nicht „immer zu Lasten anderer“, sondern meine Kritik ist, dass sie zu unseren eigenen Lasten gehen können!
Mein damaliger Artikel zeigte, dass Länder nicht Wohlstand exportieren, wenn sie hohe Handelsüberschüsse ausweisen. Haben Länder attraktive Bedingungen für Investitionskapital, profitieren sie erheblich von Handelsbilanzdefiziten. Deutschland war immer für Kapitalgeber von mäßiger bis niedriger Attraktivität. Die mathematische (!) Folge ist, dass man dann hohe Handelsbilanzüberschüsse generiert. Kapitalexport und Warenexport bedingen einander. Leider verstehen die von Flassbeck indoktrinierten Linken diesen Zusammenhang nicht.
Es ist ein asoziales Verhalten, dass nicht tragfähig ist.
@ Moinz 8. September 2024, 09:38
Konserven mit ihrer myopischen Grundverfassung in allen relevanten Dingen …
Sollte man als hypermetropischer Linker, der nicht erkennt, was sich vor den eigenen Füßen befindet, anderen nicht vorwerfen. 🙂
… dass die handelsbilanzüberschüsse der einen immer zu Lasten der anderen gehen und dies kein tragbares Modell für die Welt im allgemeinen ist.
Nun ja, wenn man sich ausschließlich auf eine Schwarzweiß-Darstellung der Welt einlässt, mag diese Rechnung aufgehen. Ich habe aber noch kein Land und keine Gesellschaft gesehen, die über die Theorie hinaus sich um den Rest der Welt gekümmert hat.
Wer ein Hirn hat, kann auch hier wieder erkennen, was die Natur des konservatismus ist.
Wer als Linker ein Hirn hat, sollte es auch benutzen, anstatt alle Menschen in Schubladen zu packen, diese zu beschriften, die eigenen Beschriftungen als absolutes Urteil zu nehmen und das weiterführende, eigene Denken einzustellen.
Mit dem Risiko ist das so eine Sache. Mit dem Absatz in viele Märkte schützt man sich auch gegen Zahlungsausfällen in Folge einer Krise in Deutschland. Warum ist in Deutschland das Risiko von Zahlungsausfällen geringer als anderswo, da ja solche Länderrisiken in die in aller Regel kurzfristigen Handelskredite eingereist sind?
Hier krasse Country Risk Premium Tabelle. Das wird auf ein Jahr bezogen für Kredite draufgeschlagen.
Argentinien: 18,75%
Uruguay: 2,75%
In der argentinischen Debatte wird dieses Datum übrigens sehr, sehr ernst genommen.
(4 – Rundfunkstaatsvertrag)
Dasselbe gilt für den ÖRR. Der erfüllt nicht alle Erwartungen an die Qualität, die man so an ihn hat, sicherlich. Aber so schlimm, dass er die Poschardt’sche nukleare Option rechtfertigte, ist er auch nicht.
Ich glaube, das sieht’s Du hier viel zu punktuell. Wir hätten schon vor langer Zeit den ÖRR in seiner tradierten Form abschaffen und durch ein zeitgemäßiges öffentlich-rechtliches Mediensystem ersetzen sollen. Dagegen hat sich der ÖRR durch ganz bewusstes Nichtstun natürlich massiv gewehrt, weswegen er – neben den Staatskanzleien und dem Bundesverfassungsgericht – auch eine Mitschuld an der traurigen Situation trägt.
Der faire Vergleich ist nicht „ÖRR vs. gar kein ÖRR“, sondern „ÖRR vs. ein modernes öffentlich-rechtliches Mediensystem“.
Der beste Zeitpunkt für eine nötige Reform ist immer jetzt. Da die satte ÖRR-Truppe noch immer nicht handlungsbereit ist, liegt Poschardt auf der richtigen Seite. Mit diesen Molochanstalten werden die Probleme jedes Jahr größer werden.
Aber Poschardt argumentiert ja für de facto Abschaffung.
Aus Interesse: was wäre denn dein „modernes“ System?
Ein bisschen so wie in Italien die Kultursteuer. Sagen wir: pro Haushalt monatlich 10 Euro. Jeder muss sie zahlen, aber man kann (in einem gewissen Rahmen) selbst festlegen, wer davon profitieren soll.
Das müssen nicht zwangsläufig klassische Medien sein, sondern gern auch Blogs, Redaktionsbüros, Aggregatoren … Vor allem auch lokal und regional, denn hier droht vielerorts die Medien-Wüste.
Meinetwegen kann es ja national noch einen Fernseh- und einen Radiosender geben, aber diese sollten auch als Plattform für Inhalte von Dritten dienen.
Es stört mich, wenn die italienische Mandatsteuer „Otto per Mille“ als Beispiel für die Souveränität über einen Steuer-Verwendungszweck aufgeführt wird. Richtig, das war in den 80ern die anfängliche Intention, du gibst in der Steuererklärung eine Institution an, an die ein Teil deiner Steuern (0,8 %) gehen soll. Inzwischen ist aber die Anzahl der möglichen Empfänger wegen Verwaltungsaufwand auf 12 zusammengeschrumpft. 11 sind Religionsgemeinschaften, einer (der häufigste) der Staat Italien. Und eine Rundfunkgebühr, bei der du zwischen WDR, RBB, BR, ZDF etc. und einem neu zu schaffenden Regierungs-TV wählst, braucht keiner.
Richtig, Italien würde ich nicht unbedingt als Vorbild für Verwaltungseffizienz nehmen. Mir geht es nur um die grundsätzliche Idee. So etwas kann man heute sehr schlank umsetzen.
Hast du nen Link wo das erklärt wird bzw. kannst selbst etwas detaillierter erklären?
Von molochanstalten reden und glauben springerdreck wäre jemals etwas anderes als auf der falschen Seite. Tschüss Realität, hallo fantasiewelt.
(5 – europäischer Atomschirm)
sondern bekommt der nukleare Schutzschirm entscheidende Löcher. Das scheint mir viel zu wenig bedacht zu werden.
Würde ich nicht sagen, es wird rauf und runter diskutiert. Aber Europa ist eben in einer sehr schwachen Position, eigentlich kann es nur Spielball der Mächte bleiben. Wirklich katastrophal wäre, die EU militärisch aufzuladen, weil dies unweigerlich die NATO schwächen würde.
Ja.
(m – Habeck)
Scheint fast als würde Habeck doch etwas von Wirtschaft verstehen
Dieses Zitat zeigt, dass er offenbar wirklich keine Ahnung vom Standort und seinen Problemen hat. Allerdings stammt der Satz ja aus dem Jahr 2019, damals konnte er sich noch leisten, in seiner Märchenwelt zu leben.
Ein Mann, der noch nie investiert hat und noch nie Mitarbeiter bezahlen musste. Es sagt einiges über unser Land aus, dass dieser alberne Satz jetzt so gefeiert wird.
a) Zur Einordnung: Der Ausschnitt stammt vom Gillamoos, einer Veranstaltung auf einem so tiefen Stammtischniveau, dagegen ist der ‚politische Aschermittwoch‘ schöngeistig.
Ich hab bis heute übrigens nicht kapiert, was das eigentlich ist. Ein Ort? Irgendeine Art Volksfest? Letztes Jahr war doch auch schon Skandälchen, glaub Merz meinte Gillamoos ist Deutschland und Kreuzberg nicht. (oder so)
Und war das auch da, wo Aiwanger mal so einen krass populistischen Ausfall hatte (ala wir holen uns das Volk zurück). Auch irgendwas, was ein demokratischer, regierender(!) Politiker halt echt nicht machen kann, da genauso wie bei Söders Gerichte sollen Volkszorn machen, find ich nen punktuellen Trump-Vergleich echt mal berechtigt.
Ich find schon den politischen Aschermittwoch albern, aber was ist das für ein Ding, das es normal ist, einmal jährlich ne übelste Populismus-Show abzuziehen? Ist das nicht auch im Bierzelt? politisches Oktoberfest?
Also „das ist normal und findet jährlich statt“ find ich da echt nicht irgendwie tröstlich, sondern noch viel alarmierender.
Was die Norddeutschen so für Fragen stellen und für watt all die so kein Verständnis haben^^^.
Erinnert entfernt an das Verhältnis Frau Merkel (geb. in Hamburg) zum Karneval.
https://c8.alamy.com/compde/ef7hw9/deutsche-bundeskanzlerin-angela-merkel-cdu-begrusst-karneval-prinzenpaare-lit-prinz-paare-von-15-staaten-und-uhren-eine-funkenmariechen-tanz-performance-von-der-tanzgruppe-coburger-mohr-im-kanzleramt-in-berlin-deutschland-28-januar-2015-foto-bernd-von-jutrczenkadpa-ef7hw9.jpg
Gillamoos kommt von „St. Gilg“ und das wiederum vom heiligen Aegidius. Der wiederum hilft bei Pest, Aussatz und Krebs, bei Dürre, Sturm und Feuersbrunst, in geistiger Not und Verlassenheit, gegen Fallsucht, Geisteskrankheiten und Unfruchtbarkeit von Mensch und Tier. Is das nix ?
Erinnert entfernt an das Verhältnis Frau Merkel (geb. in Hamburg) zum Karneval.
Hahaha, ja nie fühlte ich mich Frau Merkel näher!
Der wiederum hilft bei Pest, Aussatz und Krebs, bei Dürre, Sturm und Feuersbrunst, in geistiger Not und Verlassenheit, gegen Fallsucht, Geisteskrankheiten und Unfruchtbarkeit von Mensch und Tier. Is das nix ?
Es ist großartig! Ich mag Heiligengeschichten, aber wäre es nicht eher eine Gelegenheit, diese nachzuerzählen, ein bisschen christliche Gesinnungsrhetorik? So eine üble Populistensause scheint mir trotzdem unangebracht, scheint ja sowas zu sein wie Hamburger Dom und Bremer Freimarkt.
Aber wir Norddeutschen machen sowas nicht, bei unseren raren Fröhlichkeitsausbrüchen wollen wir doch nicht mit Politik behelligt werden. Da wird bei den jährlichen Piratentagen, der Bürgermeister entführt (ohne große Rede!) und dann ist gefälligst Ruhe im Karton!
Naja, was Dennis zum heiligen Ägidius verschwiegen hat, ist, dass er als einer der vierzehn Nothelfer auch einen spezialisierten Bereich hatte, er war Schutzpatron der Mütter (vielleicht nicht passend) sowie der Beichte (soll Karl dem Großen(??) Fürbitte gehalten haben oder so).
Aber historisch hat sich das von einer Wallfahrt zu einem Jahrmarkt (im alten Sinne jährlich abgehaltener Markt vor allem für Vieh) zu einem „modernen“ Jahrmarkt (Budenzauber) entwickelt. Seit der Jahrhundertwende gibt es die Bierzelte, dort haben erstmal Lokalpolitiker Reden geschwungen, bis etwa in den 70ern einzelne Zeltwirte direkt Landespolitiker eingeladen haben. Andere haben dann „mit der Konkurrenz“ nachgezogen und heute (21.Jahrhundert) sind alle vertreten. Die Besonderheit dabei ist, dass direkt parallel auf relativ engem Raum die Parteivertreter um die Lufthoheit konkurrieren.
Söder sagte, die Politik solle entscheiden, wer ins Land kommt (nicht „Volkszorn“), nicht die Gerichte.
Auch hier im Blog wird immer wieder gegen die Verschiebung politischer Entscheidungen auf die Gerichte argumentiert. Wenn Söder das gemeint hat: Wo ist das Problem? Es sei denn, die Gerichte achten Menschen- und Grundrechte mehr als die Politik.
Wir kritisieren, politische Entscheidungen ans Bundesverfassungsgericht abzugeben.
Söder scheint hier eher ein ganzes rechtsstaatliches Verfahren abschaffen zu wollen, das ist nicht dasselbe. (aber vielleicht ist es wirklich müßig, zu interpretieren, was auf so einem Besäufnis/Populisten-Treffen nun gemeint war.
Es ist generell müßig, irgendwas von dem zu interpretieren, was so aus Söders Mund rauspurzelt, da das selbst bestenfalls nur gilt, bis der Wind sich dreht.
Oh, ich bin durchaus dafür, dass Politik und nicht Gerichte solche Sachen entscheiden. Ich finde nur a) die Inkonsistenz mit anderen Themen (Haushalt!) und b) den Unterton vom „gesunden Volksempfinden“ für bemerkenswert.
Das Grundrecht auf Asyl ist nach der Verfassung ein Individualrecht. Keine Regierung kann gegen Gesetze handeln. Die Unionsfraktion verlangt von der Regierung, dass sie das überlagernde europäische Recht missachtet, da dieses nicht mehr funktioniert. Und damit hat sie einen Punkt. Die Bundesrepublik hat – wie alle anderen Mitgliedstaaten auch – nationale Souveränitätsrecht nur an die EU abgetreten, damit von dort die Interessen gleich oder besser umgesetzt werden können. Und nicht, damit nationales Recht ausgehebelt wird.
Die EU müsste dafür einen wirksamen Grenzschutz an ihren Außengrenzen installieren, unberechtigte Flüchtlinge abweisen und innerhalb der Binnengrenzen effektiv Asylbewerber übergeben. Das ist nicht der Fall. Damit hätte die Bundesrepublik aber das Recht, wieder selbst Grenzkontrollen zu errichten und Flüchtlinge abzuweisen.
Die Bundesregierung hat für die Jahre 2022 und 2023 verfassungswidrige Haushalte aufgestellt. Da die Regierung nicht einsichtig war, hat die Union dagegen geklagt. Das Urteil ist bekannt. Eine Regierung muss schon verfassungstreu mit den Steuereinnahmen und Finanzen des Staates umgehen. Da darf es keine zwei Meinungen geben.
Der Bundesfinanzminister erklärte daraufhin für 2023 die Haushaltsnotlage. Verfassungsrechtler sahen diese jedoch nicht gegeben, dennoch verzichtete die Union darauf, gegen die Erklärung der Haushaltsnotlage für 2023 vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen und damit die Nöte der Exekutive weiter zu vergrößern. Das kann man durchaus verantwortungsvoll nennen.
Es war bis vor kurzem eine bare Selbstverständlichkeit, dass jede Gesellschaft frei bestimmen darf, wer sich in ihren Landesgrenzen aufhält und wer dauerhaft im Land lebt. Mit 2015 hat nicht nur die politische Linke in Deutschland dieses selbstverständliche Recht für überholt erklärt. Die große Mehrheit sieht es weiterhin anders und versteht nicht, dass praktisch jeder nach Deutschland kommen darf, der das will und der über die notwendigen Mittel für Schleuser verfügt.
Die Populisten treffen da einen Nerv, wenn sie damit Kampagnen fahren „Wir holen uns unser Land zurück!“. Denn im Kern geht es genau darum.
„das überlagernde europäische Recht missachtet, da dieses nicht mehr funktioniert“
Warum eigentlich nicht? Nach dem Asykompromiss (Änderung Art. 16 GG) hieß es von Kritikern, jetzt könne nur noch nach D kommen, wer mit dem Fallschirm abspringe.
Nach Dublin hätte D doch jeden abweisen können, der über ein EU-Land einreist, besonders, wenn er dort schon erfasst war. Das hat man aus humanitären Gründen nicht getan, u. a. weil die Asyl-Bedingungen dort von Gerichten als menschenunwürdig (und damit GG-widrig) eingestuft wurden.
Dabei hat eine Rolle gespielt, dass verantwortliche deutsche Politiker einer sich als staatstragend verstehenden Partei sich höhnisch (zynisch?) äußerten: Nicht unser Problem – schlag nach bei Dublin. Es war nicht erst Merkel 2015.
Auf die Folgen der „Haushaltsdisziplin“ bei der UN-Finanzierung der Unterkünfte in der Türkei und ihren Folgen wurde hier schon hingewiesen.
Ihre Geschichtserzählung ist die Legende der Linken. Deutschland habe sich viele Jahre ruchlos verhalten, Merkel habe die Dinge gerade gerückt und Deutschland ernte mit den Flüchtlingswellen die Früchte seiner Bösartigkeit. Daran ist nichts wirklich richtig.
Vor dem Asylkompromiss war Deutschland ein Jahrzehnt Hauptabnehmer aller Flüchtlinge und Asylbewerber, die es in Europa gab und die nach Europa kamen. Das fanden Linke schon damals gut, weshalb sie bis heute die Reform des Asylartikels als schlimmen Sündenfall geißeln.
Schengen und die Dublin-Abkommen wurden von den Regierungschefs unter Gleichen verhandelt und beschlossen. Die Transitländer leisteten keinen Widerstand. Das hatte Gründe. Natürlich wusste man immer in Rom, dass Leute nicht nach Bari, sondern in den Norden der Union wollten. Als es Rom zu viel wurde, schloss Berlusconi ein Abkommen mit Libyen über die Rückführung. Wenn man nicht darüber loswurde, schickte man ohne weitere Papiere zur Grenze mit der Map „Deutschland“ in der Hand.
Bis dahin agierten die Europäer wie alle Aufnahmeländer dieser Welt. Menschen ohne Anspruch wurden zurück an den Empfänger gegeben. Dem schob jedoch 2013 der Europäische Gerichtshof einen Riegel vor, als er auf die Non-Refoulement-Abkommen verwies, gegen das sich nie ein Kläger fand. Doch die Richter akzeptierten die Klage und verdonnerten, obwohl kein EU-Gericht, die Union zur Annahme jeden Asylgesuchs.
Ab da änderte Italien seine Politik, registrierte die Flüchtlinge einfach nicht, sondern winkte sie durch. Hinzu kommt inzwischen ein weiteres Urteil, nachdem ein Flüchtling in jedem europäischen Land erneut einen Asylantrag stellen kann, in Deutschland sogar mehrmals. Das Bundesverfassungsgericht wiederum verdonnerte das Bundesverfassungsgericht mit Verweis auf Artikel 1 den Bund, jedem Flüchtling, ob anerkannt oder abgelehnt, notfalls bis ans Lebensende Sozialhilfe wie jedem Bürger zu zahlen.
Das ist die Selbstfesselung der Europäer. Wie WELT-Journalist Robin Alexander vor kurzem aufdeckte, fürchtete Merkel eine Klage, wenn sie die Grenzen schlösse. Merz bricht mit dieser Politik und hat dafür gute Gründe. Wenn die Europäer nicht das Recht grundsätzlich neu fassen, wird die Union gesprengt. Und wir können Wetten abschließen, ob erst die AfD über 30 Prozent kommt und mit dem BSW regieren kann oder die EU implodiert. Großbriannien hat die Union schon verlassen, weil sie den Quark nicht mehr mitmachen wollten.
Ende 2021 / Anfang 2022 hatten wir beide eine Diskussion, in der ich Sie auf das Beispiel der dänischen Sozialdemokraten verwies. Sie erwiderten, Sie hofften, dass sich die deutsche SPD nicht dahin entwickeln würde. Nach der Europawahl sagte ich im Freundeskreis, die SPD sei nur noch eine Wahlniederlage davor, in der Flüchtlingsfrage zu drehen. Nun dreht sie, doch dazu musste die AfD erst führende Kraft in einigen Bundesländern und die SPD marginalisiert werden. Sie drehen auch seit Wochen.
War es den Preis wert?
Meinen Dank für den Hinweis auf die absolut unselige Rolle, die höchste Gerichte in der Asyl- und Flüchtlingsfrage spiel(t)en.
Es stimmt, dass ich meine Position überdenke. Aber eher unter dem Eindruck der Verbrechen als unter finanziellen Aspekten. (Es gab ärmere Länder, die mehr geleistet haben). Nach meiner Beobachtung war das auch der Grund bzw. der Auslöser des Kurswechsels in den ehemals Migrations-liberalen
Staaten NL, DK und S. Leben und Gesundheit steht für mich an erster Stelle. Wenn das nur durch schärfere Maßnahmen zu erreichen ist – her damit.
Den dänischen Weg finde ich allerdings noch immer nicht überzeugend. Unerwünschte Migranten zu behandeln wie Verbrecher, da gehe ich nicht mit.
Wenn ich mich gegen Abschiebungen gewendet habe, dann waren das immer solche, bei denen gut integrierte Menschen betroffen waren. Deren Arbeitgeber (oft CDU-nahe Klein-Unternehmer) händeringend dagegen kämpften (Zitat: „Ich brauche den Mann“).
Was die „unselige Rolle“ der Gerichte angeht: Mir wurde immer wieder ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat unterstellt, wenn ich ein Urteil kritisiert habe.
Wenn immer wieder geklagt wird, es kämen vor allem junge Männer aus besseren Verhältnissen (weil sie sonst die Schlepper nicht bezahlen könnten), dann frage ich mich, warum man das nicht genutzt hat. Die wollten doch arbeiten (und dann Geld schicken), nicht tatenlos in Lagern herumhocken. Der Spurwechsel war lange eine linke Forderung. CDU und FDP haben sehr lange gebraucht, um das nachzuvollziehen.
Okay. Wie ich schon zu Ralf schrieb, sind es fast immer extreme Ereignisse, die uns zu Meinungsänderungen bringen. Mich interessiert da ohnehin der Prozess, nicht das Ergebnis. Konnten Sie sich nicht vorstellen, dass der Zuzug von Millionen hauptsächlich junger Männer irgendwann zu sozialen Problemen führen würde?
Abschiebungen im großen Stil funktionieren in Europa nicht. Das Problem haben wir nicht exklusiv. Wenn Menschen ohne Aussicht auf Anerkennung erstmal hier sind, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Knowledge by experience.
Ich habe Sie schon vor Jahren gefragt: Wen sollen wir abschieben, wenn Sie dagegen sind, die bösen Buben aus humanitären Gründen nicht zu nehmen? Dann nehmen wir halt die anderen.
74 Prozent der kanadischen Einwanderer haben einen akademischen Abschluss. In Deutschland sind die Verhältnisse entgegengesetzt.
Die Ampelregierung versucht, den Zusammenbruch des Sozialstaats abzuwenden, indem sie die Einwanderung von Arbeitskräften fördern will. Kanada soll dafür die Blaupause liefern. Eine neuere Untersuchung der Federal Reserve Bank von St. Louis zeigt, dass unter den kanadischen Einwanderern im Alter von 25 bis 64 Jahren rund 74 Prozent einen Hochschulabschluss und knapp 20 Prozent den Abschluss einer höheren Schule und eine Berufsausbildung hatten.
Nur sieben Prozent hatten keinen Schulabschluss. Gute Bildung ist aber die Voraussetzung dafür, dass die Zuwanderer einen Beitrag zur Wirtschaftskraft und zum Erhalt des Sozialstaats leisten können.
Im Gegensatz zu Kanada hatten 32 Prozent der Zuwanderer nach Deutschland keinen Schulabschluss und nur jeweils ein weiteres Drittel den Abschluss einer höheren Schule und Hochschule. Schlechter als in Deutschland war die Ausbildung der Zuwanderer in den untersuchten Ländern nur in Frankreich, wo 35 Prozent der Immigranten keinen Schulabschluss hatten. Im Gegensatz zu Kanada, den USA und Großbritannien sind die Zuwanderer nach Deutschland und Frankreich folglich weit weniger leistungsfähig.
https://www.welt.de/wirtschaft/plus253291572/Migration-Mehr-Asylbewerber-und-Rentner-das-wird-der-Sozialstaat-nicht-ueberleben.html
Leider mag mancher nicht einmal der Weltbank Glauben schenken. Ich schreibe seit Jahren nichts anderes. Wir können unseren Sozialstaat nicht mit der Migration von Hilfsarbeitern retten.
Die Bundesrepublik hat über zwei Jahrzehnte die Restriktionen für den Arbeitsmarkt gelockert. Aber es hat seinen Grund, warum ein Asylbewerber nicht von Tag eins arbeiten darf – nicht hier und nicht in den meisten Ländern. Die Politik will keine verkappte Armutsbeschäftigung und Lohndumping importieren, weshalb hier auch immer Gewerkschaften bremsen. Wie gesagt, nicht nur in Deutschland. Wer arbeiten will, dem stehen andere Möglichkeiten offen. Das Asylrecht ist dafür der falsche Weg.
„Das Asylrecht ist dafür der falsche Weg.“
Ja. Das weiß man aber auch nicht erst seit gestern. Die Folge von „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ (nicht von links, just for the record).
Mit Kanada können wir nicht mithalten. Wir wären ja schon froh, Pfleger und Busfahrer zu haben.
Exakt, das ist ja das, was mich daran so wahnsinnig macht. Sackgassen in der Migrationspolitik, ich sag’s immer wieder.
„Das Asylrecht ist dafür der falsche Weg.“
Ja. Das weiß man aber auch nicht erst seit gestern.
Die politische Linke weiß es bis heute nicht. Warum sonst versucht man argumentativ als auch mit Gesetzesreformen aus Asylbewerbern in großem Stil Fachkräfte zu machen, Stichwort Spurwechsel?
Deutschland definiert sich seit fast dreißig Jahren als Einwanderungsland. Und was macht das für einen Unterschied? Vielleicht lassen wir endlich mal die Schlagworte beiseite, die schon vor zwanzig Jahren nach abgestandenem Kaffee schmeckten.
Die politische Linke versucht aus der Erkenntnis der Fehler der Siebziger- und Achtzigerjahre das Gegenteil zu machen und will nicht begreifen, dass das genauso falsch ist. Aus „niemanden reinlassen“ „jeden reinlassen“ zu modeln ist eine besonders dumme Idee.
Mit Kanada können wir nicht mithalten. Wir wären ja schon froh, Pfleger und Busfahrer zu haben.
Sie haben den Link nicht gelesen:
Im Gegensatz zu Kanada hatten 32 Prozent der Zuwanderer nach Deutschland keinen Schulabschluss und nur jeweils ein weiteres Drittel den Abschluss einer höheren Schule und Hochschule. Schlechter als in Deutschland war die Ausbildung der Zuwanderer in den untersuchten Ländern nur in Frankreich (..).
Auf Deutsch: Wir haben bei Gutausgebildeten nicht nur keine Chance gegen Kanada. Wir schaffen nicht mal Quoten wie die Schweiz, Spanien, Niederlande, Dänemark, Uruguay (bitte weitere ergänzen). Ich kann es auch kürzer formulieren: Wir können es einfach nicht!
Das schrieb ich übrigens bereits vor 8 1/2 Jahren – und Sie haben sich darüber sehr aufgeregt.
https://www.deliberationdaily.de/2016/01/warum-deutschland-kein-einwanderungsgesetz-braucht/
Damit Deutschland die gleiche nominelle Anzahl an Akademikern wie Kanada erreicht, müssten wir ein Mehrfaches an Nicht-Qualifizierten ins Land holen, die dann dauerhaft von sozialen Transfers abhängig sind. Keine kluge Strategie.
Sicher, Deutschland braucht alles, auch Busfahrer. Nur ist die Funktion des Busfahrers leichter zu ersetzen als die eines Software-Entwicklers. Und ja, wir brauchen auch Pfleger. Aber die muss irgendjemand bezahlen, die schaffen keinen produktiven Mehrwert. Nur reiche Länder können sich professionelle Pfleger leisten. Aber wie wird ein Land reich? Kaum, in dem wir uns gegenseitig die Haare schneiden, wie man vor zwanzig Jahren sagte.
Als Change Manager spüre ich es stärker als andere: Es gibt zur Zeit keine sicheren Arbeitsplätze in Deutschland, weil alle Branchen schwächeln oder gar in der Krise sind. Wir bekommen jetzt die Folgen unserer jahrzehntelangen Ignoranz gegenüber Unternehmertum und Innovationen zu spüren. In den USA kann ich Ihnen eine Reihe Branchen nennen, wo Sie richtig dickes Geld verdienen können und auch Arbeiter keine Jobangst haben brauchen. In Deutschland haben wir noch SAP.
Ich könnte dem entgegenhalten, dass es bis vor Kurzem bare Selbstverständlichkeit war, dass das Parlament über den Haushalt entscheidet. Stimmt nur natürlich nicht, weil europäische Verträge dieses Königsrecht schon vorher beschnitten.
Stimmt nur nicht. Auch Waigel konnte nicht an der Verfassung vorbei einen Haushalt nach Gutdünken aufstellen.
Übrigens: Ist Deine Position eigentlich, dass Deutschland europäisches Recht achten oder missachten sollte? Ich frag‘ weil es sicher Interessantes für Dich bereit hält.
Das ist doch genau mein Punkt…?
Stefan, was? Bitte eindeutig!
Du konntest seit 1993 nie frei einen Haushalt aufstellen.
Wieso nicht? Und wieso nicht seit 1993?
Der Vertrag von Lissabon verpflichtet die Staaten, die den Euro als Zahlungsmittel haben, zu Haushaltsdisziplin und der Schaffung von Instrumenten dafür. Dies wird von Verfassungsrechtlern als Verpflichtung zu einer Schuldenbremse interpretiert. Denn traditionell wird Haushaltsdisziplin mit dauerhaft ausgeglichenen Haushalten gleichgesetzt.
Oh, sicher, traditionell – von den deutschen Ordoliberalen. „Traditionell“ ist eine rein normative Kategorie.
Traditionell bedeutet „lange Linie“. Alles, was Konsistenz aufweist, hat lange Linien. Wer ständig seine Position und Ansichten wechselt, hat keine Konstanz.
„überlagerndes europäisches recht“
Uli, da hat jemand wenigstens in den Fakten dazugelernt, nur leider nicht in der komplett falschen geistig moralischen Grundausrichtung, die viel härter korrigiert gehört.
a) Ok, aber ich weiß nicht inwieweit ich das als Entschuldigung werten will.
Je länger die AfD bleibt, je mehr sie normalisiert wird, desto schwerwiegender werden diese Fälle werden.
Mach doch mal konkrete Vorschläge, wie wir die AfD wieder loswerden, anstatt dieser ständigen Krokodilstränen über die Existenz der Nationalsozialisten.
Markus Söders Vorschlag das individuelle Asylrecht abzuschaffen, so dass nicht mehr jeder Migrant an der Grenze einfach nur “Asyl” sagen muss, um damit – mindestens auf viele Jahre – nach Deutschland zu kommen, hast Du nicht nur abgelehnt, sondern Du warst – laut Deinem letzten Podcast – sogar angeekelt. (Am Rande – die Abschaffung eines individuellen Asylrechts bedeutet nicht die Abschaffung von Asyl, sondern die Ersetzung eines Rechts durch ein Privileg. Aufnahme würde politisch, nicht juristisch kontrolliert)
Von Überlegungen, die Klagerechte von Asylbewerbern gegen ihre (abgelehnten) Bescheide zu beschneiden und ihnen damit die Möglichkeit zu nehmen, sich durch zig Instanzen zu klagen und ihre Abschiebung auf Jahre zu verzögern, warst Du ebenfalls nicht begeistert. Ich glaube, auch hier warst Du angeekelt.
In Deinem Podcast mit Ariane fiel sogar die Bemerkung, dass ihr eigentlich garnicht das Herz hättet, irgendeinen Migranten abzulehnen. Also – gegen den Willen der Menschen in Deutschland – ein Plädoyer für völlig offene Grenzen.
Die Radikalisierungsmaschinerie, die das Internet und seine Medien darstellt und Dank derer immer mehr Terroristen in Deutschland entstehen (“hat sich im Internet radikalisiert” ist mittlerweile ein Standardstatement in praktisch 100% aller Zeitungsartikel über praktisch jeden Anschlag in praktisch jedem der vergangenen 10 Jahre), möchtest Du auch nicht stumm schalten.
Mit ist einfach zunehmend völlig schleierhaft, was Du zu tun gedenkst oder was Du hoffst, dass eine Partei, die Du wählen würdest, tun sollte, um die AfD wieder einzudämmen. Die Menschen lehnen offensichtlich unser gegenwärtiges Maß an ungeregelter Migration ab, wollen dass Illegale, die unserem Land nichts zu bieten haben und sich nicht integrieren wollen das Land verlassen und fürchten sich vor Terror. Was bitte sagst Du diesem wachsenden Bevölkerungssegment?
In Deinem Podcast mit Ariane fiel sogar die Bemerkung, dass ihr eigentlich garnicht das Herz hättet, irgendeinen Migranten abzulehnen. Also – gegen den Willen der Menschen in Deutschland – ein Plädoyer für völlig offene Grenzen.
Überhaupt nicht. Wir sagen nur, dass WIR BEIDE diese Entscheidungen nicht treffen könnten. Müssen wir aber auch nicht, weil wir diese Positionen nicht haben und auch nicht wollen!
Ok – dann hab ich Dich in dem einen Punkt missverstanden. Trotzdem höre ich von Dir nur Negatives. Du lehnst in starken Worten alles ab, was die Zahl an Armutsmigranten in Deutschland limitieren würde und sprichst Dich dafür aus, dass der Brandbeschleuniger Internet unbedingt weiterarbeiten soll. Wo soll dann das Zurückdrängen der Nationalsozialisten herkommen? Wenn man Dich so liest, gewinnt man den Eindruck, dass Du glaubst, dass das irgendwie von selbst passieren wird. Dass die Menschen sich an Gewalt, Terrorismus und den Anblick vollverschleierter Integrationsverweigerer gewöhnen werden und das auch noch bereitwillig mit ihren Steuern bezahlen werden, während weder Deutsche noch legal ins Land gekommene Arbeitsmigranten noch Wohnungen in Großstädten finden und – dank Schuldenbremse – für nichts Geld da ist – weder für Investitionen noch für Bildung noch für Soziales. Sorry – das ist einfach komplett unrealistisch. Und die, die den höchsten Preis dafür bezahlen, sind die – wie Arianes Cousin aus dem Podcast – die den geltenden Gesetzen folgend ins Land gekommen sind, die auf ehrliche Weise die deutsche Staatsbürgerschaft oder ein gültiges Aufenthaltsvisum bekommen haben, die tüchtig arbeiten, etwas leisten und Steuern zahlen – und die aber das Pech haben erkennbar ausländisch auszusehen. Die werden nämlich völlig unschuldig in die Ablehnungsspirale mit reingezogen.
Es ist weder gangbar, noch wünschenswert, noch realistisch das Internet „abzuschalten“ oder was auch immer du dir da vorstellst, und ein liberaler Staat zu bleiben. Meine Erwartung ist, dass die AfD sich soweit moderieren wird, dass sie ihre autoritäre Agenda ohne den Nazikram pushen, und dann mit der CDU zusammenarbeiten. Ich meine, the writing’s on the wall. Ich rechne fest vor 2030 mit einer Rechtsregierung in Deutschland.
Meine Erwartung ist, dass die AfD sich soweit moderieren wird, dass sie ihre autoritäre Agenda ohne den Nazikram pushen
Am höchsten gewonnen hat bei der AfD gerade der Landesverband, an dessen Spitze ein ideologisch verhärteter Nationalsozialist steht. In Brandenburg – konnte man dieser Tage lesen – schärfen die Nazis deshalb schon nach. Denen ist klar geworden, dass – jetzt mit BSW-Konkurrenz – eine noch radikalere, noch fundamentalistischere Linie den größten Erfolg verspricht. Auf Deinen moderateren Kurs kannst Du also lange warten.
Und im Grunde ist es genau, wie ich befürchtet hatte. Du hast einfach gar keine Strategie, wie die Nazis wieder zurückgedrängt werden sollen. Du beklagst Dich nur ständig über die, überlässt es dann aber dem Zufall, dem Prinzip Hoffnung oder dem Schicksal, dass sich irgendwas ändert. Erinnert frappierend an Zeitzeugenberichte aus den 30er Jahren, wo auch allgemein erwartet worden war, dass Hitler sich schon moderieren wird. Hat ja auch damals hervorragend geklappt …
Es ist weder gangbar, noch wünschenswert, noch realistisch das Internet „abzuschalten“ oder was auch immer du dir da vorstellst, und ein liberaler Staat zu bleiben.
Das ist eine einfach dahingesagte Behauptung, ohne jede sachliche Grundlage. Tatsächlich warb Elizabeth Warren schon 2019 dafür Facebook als Konzern aufzubrechen. Warren wurde zwar nicht die demokratische Präsidentschaftskandidatin – aber diese Forderung hallte nach und war populär. 2024 beschloss der hochpolarisierte amerikanische Kongress, der sich normalerweise auf rein garnichts verständigen kann, mit überwältigender parteiübergreifender Mehrheit, TikTok abzuschalten, wenn die Platform in den USA weiter aus China betrieben wird. Seither läuft die Frist. Tik … tok … tik … tok … tik … tok … Eines der beliebtesten und am häufigsten genutzten Social Media-Portale einfach abschalten? Geht nicht in einer liberalen Demokratie? Geht anscheinend doch. In Brasilien wurde übrigens gerade Twitter abgeschaltet. Von der einen auf die andere Sekunde war Elon Musks Hassportal einfach weg. Geht nicht? Geht anscheinend doch. Das letzte Mal, als ich nachgeschaut hab, gab es Brasilien scheinbar noch und ich habe den Eindruck, das Leben geht weiter. In Frankreich sitzt derweil der CEO von Telegram in Untersuchungshaft. Ist Frankreich keine liberale Demokratie mehr?
Und überhaupt – Deine Sorge um die liberale Demokratie kann ich nicht so ganz ernst nehmen. Warst Du nicht derjenige, der mal schrieb, die Demokratie sei mit der Existenz von Milliardären fundamental nicht vereinbar? Newsflash – Elon Musk, auf dessen Portal Du postet und wo Du Inhalte teilst und wo Du diskutierst, ist auf sicherem Kurs, der erste Billionär zu werden …
https://www.theguardian.com/technology/article/2024/sep/07/elon-musk-first-trillionaire-2027
Elon Musk ist auch ein ganz besonderer Charakter, da er sich aktiv für Donald Trump und damit für den Faschismus in den USA einsetzt. Vielleicht solltest Du – falls Dir so viel an der liberalen Demokratie liegt – mal dran denken, dass Du mit jedem Post auf seinem Portal, mit jedem Kommentar auf seinem Portal, mit jedem geteilten Clip auf seinem Portal und mit jedem Lesen auf seinem Portal, seinen Einfluss und seinen Reichtum steigerst und damit aktiv den Faschismus förderst und die Demokratie bekämpfst.
Und überhaupt erinnert mich dieses Gerede, das Abschalten des Internet sei „nicht realistisch“ fatal an die 80er. Damals hieß es, das Eindämmen des Rauchens sei nicht realistisch. Man kann halt nichts machen. Es rauchen ja fast alle. Soll man die Mehrheit kriminalisieren? Und die Zigarettenlobby war so unheimlich reich und stark. Die hat doch die Politiker in der Hand gehabt. Und überhaupt – kann man die Zigarettenindustrie wirklich verantwortlich machen, für die unzähligen Lungenkrebstoten, für die amputierten Raucherbeine, für die bereits als Embryo geschädigten Kinder? Schließlich haben die Leute doch freiwillig geraucht.
Naja – und dann ist die Zigarettenindustrie mit dramatischen Klagewellen überrollt worden. Das wirtschaftliche Erfolgsmodell ist denen systematisch zerstört worden. Mittlerweile gibt es fast in jedem europäischen und nordamerikanischen Land flächendeckende Rauchverbote in der Öffentlichkeit. In keinem Restaurant, in keiner Bar, in keinem Zug, in keinem Flugzeug, in keinem Bus, an keinem Arbeitsplatz darf man mehr rauchen. Auf öffentlichen Plätzen wie Zugsteigen darf man noch nichtmal draußen rauchen. Einfach ein Komplettverbot. Gleichzeitig sind die Preise für das Rauchen drastisch angestiegen. Und der Erfolg ist spektakulär. Aus einem Volk von Rauchern ist innerhalb einer Dekade ein Volk von Nichtrauchern entstanden.
Genau dasselbe könnte man auch mit den großen Internetkonzernen machen. Mit Klagewellen überrollen. Sollen sie doch Verantwortung übernehmen für den Genozid an den Rohingya in Myanmar, den Facebook angestiftet und mit seinen profitgeilen inflammatorischen Algorithmen gefördert hat. Sollen sie doch Verantwortung übernehmen für die Selbstmorde jugendlicher Mobbingopfer. Sollen sie doch Verantwortung übernehmen für die jungen Mädchen, deren Essstörungen, die Portale aktiv bewerben. Sollen die sozialen Netzwerke doch Verantwortung übernehmen für die in ihren Blasen getauschte Kinderpornografie und das Leid der Missbrauchten, für die gehandelten Waffen und die damit ermordeten Menschen, für die verkauften Drogen und das Elend der Käufer, für das geförderte Verbrechen, für den geförderten Terrorismus und seine Opfer. Sollen sie doch endlich den gesellschaftlichen Preis zahlen, den ihre zerstörerische, zersetzende Agenda in unserer Gesellschaft anrichtet. Die Minute, in der das passiert, ist das Internet Geschichte.
Und ja – das ist mehr als wünschenswert.
Meinst Du wirklich „das Internet“ (also auch das hier) oder bestimmte Plattformen?
Der Unterschied zum Rauchverbot: Der Schaden war dort sichtbarer, greifbarer. Und es gab einen, der das wollte und voranbrachte: Lothar Binding, der SPD-MdB aus Heidelberg, dem Sitz des Deutschen Krebsforschungsinstituts. Mit dessen Expertise im Rücken. Beides sehe ich für Dein Anliegen noch nicht.
@CitizenK
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Nicht jedes Element des Internet ist gleich schädlich. Die großen sozialen Netzwerke mit ihrem exzessiven Manipulations- und Verhetzungspotential, mit ihren aggressiven, kommerzgetriebenen Algorithmen und Massen an Usern inklusive ganzer Fluten an Bots – ganz vorne Facebook, Twitter, TikTok, Telegram, aber auch viele andere im Segment – sind ohne Frage das größte Problem. Ein flächendeckendes Verbot für solche Macht in privaten Händen wäre ein erster bedeutender Schritt. Allerdings sehe ich bei der gegenwärtigen Organisation des Internet nicht wie eine solche Infrastruktur – selbst wenn sie in öffentlicher Hand wäre – wirksam vor den Angriffen von Bad Playern geschützt werden könnte. Denk nur mal wie lange es gedauert hat Russia Today in Deutschland aus den Medien zu drängen oder wie lange dem iranischen Regime erlaubt wurde in bekannten Moscheestrukturen Propaganda zu machen bis hin zur Rekrutierung von Terroristen. Deshalb denke ich, dass große Social Media-Strukturen einfach generell verschwinden müssen.
Allerdings geht es da für mich noch weiter. Meine wichtigste Lehre aus der Covid-Krise ist, dass selbst kleinere Blogs inakzeptabel anfällig sind für Angriffe und dass sie – trotz der Tatsache, dass sie lediglich so ein kleines, unbedeutendes Ziel ausmachen – auch angegriffen werden. Ich hab 2020 noch für diesen Blog geschrieben und war geschockt, wie die Diskussionen von malignen Kräften unterwandert wurde. Gleichzeitig war ich Forenadministrator bei einem anderen, etwas größeren Portal – und die Situation dort war exakt die gleiche. Die Bad Player waren immer wenige – nie mehr als 10% der aktiven Teilnehmer – und manchmal nicht mehr als einer. Dennoch übernahmen diese wenigen Bad Player bis zu 80% der Kommunikation und drängten alles andere beiseite. Sinnvolle Debatten gingen unter in einem Tsunami aus Müll und die Community war paralysiert, obwohl sie in der Mehrheit war. Mit der weiteren AI-Verfeinerung von Bots, die die Programme kommunikationstechnisch zunehmend ununterscheidbar von Menschen machen und der Möglichkeit das gesamte Internet mit solchen Bots zu fluten, ist einfach jedes Medium, bei dem User Input geben – also Antworten schreiben, kommentieren, Feedback geben oder debattieren können – per se anfällig.
Und die Gefahren sind riesig. Auch das ist eine Lehre aus der Covid-Pandemie. Früher hab auch ich geglaubt, dass man die Spinner und Verschwörungstheoretiker halt einfach in der Ecke stehen lassen kann. Wen interessiert es, welchen Blödsinn Truther, Flat Earther oder Vakzin-Sekten glauben? Nun – in der Covid-Krise haben wir gesehen was passiert, wenn Amateuren, YouTube-Professoren und Spinnern die Bühne überlassen wird: Zehntausende Menschen sterben. Information kann um Größenordnungen mehr Menschen töten als eine Schusswaffe. Dennoch regulieren wir peinlichst genau, wer welche Waffe tragen darf und verlangen intensive Schulungen für Träger, die ihre Waffe dann nur unter Auflagen nutzen dürfen. Im Informationsraum hingegen erlauben wir auch dem primitivsten Eumel mit Megaphon vor Millionenpublikum alles zu sagen, was der Eumel zu sagen gedenkt – egal wie hoch der gesellschaftliche Schaden ist. Das hat mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nichts mehr zu tun. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht ein Recht Megaphon und Massenzuhörerschaft.
Meine Hauptforderung ist deshalb das “Mitmach-Internet” ersatzlos abzuschaffen. Also weg mit allen Blogs, Foren, Social Media, Bewertungsplattformen, persönlichen Websites.
Theoretisch würde dann immer noch eine Menge Internet bleiben. Online-Shopping zum Beispiel oder Web-Präsenzen von Unternehmen und Business-Aktivitäten – sofern die staatlich überprüft sind, eine gültige Lizenz haben, garantieren keine politisch oder gesellschaftlich relevanten Inhalte zu verbreiten und voll haftbar sind für jeglichen Missbrauch ihrer Infrastruktur. Online-Shopping – anders als soziale Netzwerke und Blogs – ist nicht fundamental inkompatibel mit Rechtsstaat und Demokratie. Aber für mich stellt sich die Frage, ob wir eigentlich wirklich verödende Innenstädte wollen, ob wir den Bankrott kleiner Geschäfte zugunsten von milliardärsgeführten Monopolen wollen. Stefan Sasse beklagt sich immer – zurecht aus meiner Sicht – dass Milliardäre ebenfalls nicht kompatibel mit der Demokratie sind. Und Stefan Pietsch bedauert immer wieder, dass den Deutschen der Unternehmergeist verloren geht. Unternehmergeist lernt man aber in kleinen Unternehmen, oder? Im eigenen Geschäft der eigene Boss sein. Wer diese Werte in der Familie gelebt sieht, wer aufwächst als Kind von Unternehmern, wird auch mit größerer Wahrscheinlichkeit selbst später mal unabhängig sein wollen. Ich bezweifele also, dass wir als Gesellschaft ein Interesse am Sterben kleiner Geschäfte haben, nur damit Jeff Bezos sich den Traum einer Marskolonie erfüllen kann. Meinetwegen kann dieser ganze Online-Shopping-Quatsch deshalb gerne weg – aber, wie gesagt, aus anderem Grund als bei den sozialen Netzwerken.
Idealerweise bliebe vom Internet eine rein öffentliche Struktur, gerne auch in Partnerschaft mit öffentlichen Playern aus befreundeten Ländern (deutsche, österreichische und schweizerische Sender haben ja auch in den 80er Jahren viel kooperiert). Eine Struktur für Nachrichten, Information – und ein bisschen Unterhaltung. Eine moderne Form dessen, was früher in den 80er Jahren mal das öffentlich-rechtliche Fernsehen war.
Das Leben – Menschen kennenlernen, kommunizieren, daten, diskutieren, Freunde finden, aber auch shoppen, essen gehen und unterhalten werden – sollte weg vom Digitalbildschirm wieder in den Raum der Wirklichkeit getragen werden, wo es hingehört.
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Ach ja – noch zu Lothar Binding. Der hat, glaub ich, nicht in den USA das Rauchverbot durchgesetzt. Oder in Frankreich. Oder in den Niederlanden. Tatsächlich hat es eine globale Bewegung gegeben, die die enormen gesellschaftlichen Kosten – und ich meine nicht die finanziellen, sondern die gesundheitlichen Kosten – einfach nicht mehr hinnehmen wollte. Irgendwann hat man den Konzernen, die mit ihrer Gier Millionen Menschen umgebracht haben, den Prozess gemacht. Ich bin zuversichtlich, dass bei den sozialen Netzwerken im Internet früher oder später Analoges geschehen wird.
Würden Deine Forderungen erfüllt, hätten wir beide uns nie getroffen und könnten nicht diskutieren. Wär doch auch schade, oder?
Ich sehe den Punkt: Wenn Wahlen gewinnt, wer die trendigeren Tik-Tok-Videos kann, stimmt etwas nicht. Poppers Mindest-Bedingung für Demokratie wäre allerdings immer noch erfüllt, aber mir reicht das auch nicht.
Algorithmen, Troll-Fabriken und Bots sind ein großes Problem. Hat jemand eine Lösung?
Und wie Stefan Sasse mit der kognitiven Dissonanz bei Twitter, (die er haben muss), würde mich auch interessieren.
Wie meinen?
Würden Deine Forderungen erfüllt, hätten wir beide uns nie getroffen und könnten nicht diskutieren. Wär doch auch schade, oder?
Ja – schade. Aber statt alleine am Computer zu sitzen, würdest Du dann halt am Stammtisch, im Verein oder bei der Parteisitzung mit anderen Leuten diskutieren. Die hättest Du nie kennengelernt, wenn Du weiterhin soviel Zeit mit Online-Debatten verloren hättest. Das wäre doch auch schade, oder?
Diese Rechnung bezweifle ich sehr, sehr stark.
Welche „Rechnung“ meinst Du? Du glaubst nicht, dass – wenn die Schreibbeteiligung im Internet wegfiele – die Menschen dann stattdessen Kommunikation und Austausch im Real-Life suchen würden? Auf welcher Basis kann man das nicht glauben? Schon die Menschen im antiken Rom sind auf’s Forum und in die öffentlichen Bäder gegangen, um sich auszutauschen. Hätten die damals schon ein Internet gehabt, hätte so mancher Römer morgens garnicht erst seine Toga angezogen, sondern hätte, noch im Bett liegend, online mit Lucius und Gaius über die Punischen Kriege gestritten …
Ich habe ja den Vorteil, „damals“ live dabei gewesen zu sein, als das Internet sich etabliert hat. Und ich kann dir sagen, ich war sozial ziemlich isoliert und habe im Internet zig Menschen kennengelernt, die ich im RL NIEMALS kennengelernt hätte. Ich meine, ich suchte Gleichgesinnte! Ein Stammtisch ist was für Konformisten. Wie viele Leute finde ich denn in der schwäbischen Kleinstadt zum Austausch über Rollenspiele?
„…auch schade“
Ja und nein. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Hab mich früher bei solchen Gelegenheiten heiser geredet. Behauptungen kann man dann erst zu Hause überprüfen, es sei denn, man hat das Smartphone dabei ;-).
Mit Verlaub, Du neigst dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Um bei dem Vergleich zu bleiben: nicht das Rauchen in geschlossenen Räumen verbieten, sondern gleich die ganze Tabakindustrie. (Mir würde nichts fehlen, anderen schon).
P.S. Ist es dann nicht auch ein kleines bisschen inkonsequent, hier zu diskutieren?
Hab mich früher bei solchen Gelegenheiten heiser geredet. Behauptungen kann man dann erst zu Hause überprüfen, es sei denn, man hat das Smartphone dabei 😉
Manchmal sehne ich mich zurück und erinnere mich an die guten alten Zeiten, als man noch eine halbe Nacht lang hitzig streiten konnte über ein Thema, während heute ein Blick auf Wikipedia die Diskussion meist nach einer Minute beendet und anschließend schauen alle betroffen auf den Boden und suchen verzweifelt nach einem neuen Gesprächsthema.
Aber Spaß beiseite. Ist ja nicht so, als wenn es früher kein gesammeltes Wissen gegeben hätte. Ich hatte in den 80er Jahren drei Lexika und einen Duden im Schrank. Dazu Geschichtswerke und Bücher über Politik. Ein Freund von mir hatte einen 24-bändigen Brockhaus im Regal. Auch damals konnte man vieles rausfinden.
Und mal am Rande – das Internet, so wie ich es mir vorstelle, lässt absolut Raum für ein Online-Dictionary. Halt nur eben eins, bei dem User nicht die Artikel schreiben, editieren und manipulieren können. Nichts einzuwenden wäre dagegen, dass User zu einem öffentlich geführten Online-Dictionary Vorschläge machen, z.B. was fehlende oder falsche Einträge angeht – solange die Entscheidung, was davon übernommen wird bei einem öffentlichen Träger liegt. Deine abendlichen Diskussionen könntest Du also auch in „meiner Welt“ noch mit dem Internet ruinieren.
Mit Verlaub, Du neigst dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Um bei dem Vergleich zu bleiben: nicht das Rauchen in geschlossenen Räumen verbieten, sondern gleich die ganze Tabakindustrie. (Mir würde nichts fehlen, anderen schon).
Das ist kein Argument sondern ein Statement, weshalb es mir schwer fällt darauf zu antworten. Deine Ansicht scheint vorauszusetzen, dass Internet und Demokratie doch irgendwie kompatibel sein könnten. Aber da Du das nicht ausdrücklich schreibst – was Dich zwingen würde Dich mit den Argumenten dagegen auseinanderzusetzen – drückst Du Dich damit ein bisschen vor der Debatte.
Mal abgesehen davon, dass man aus meiner Sicht gerne die gesamte Tabakindustrie verbieten kann. Wo darf ich dafür unterschreiben?
P.S. Ist es dann nicht auch ein kleines bisschen inkonsequent, hier zu diskutieren?
Schrieb Goebbels 1935 nicht „Das wird immer einer der besten Witze der Demokratie bleiben, dass sie ihren Todfeinden die Mittel selber stellte, durch die sie vernichtet wurde“?
@Stefan Sasse
Ich habe ja den Vorteil, „damals“ live dabei gewesen zu sein, als das Internet sich etabliert hat. Und ich kann dir sagen, ich war sozial ziemlich isoliert und habe im Internet zig Menschen kennengelernt, die ich im RL NIEMALS kennengelernt hätte. Ich meine, ich suchte Gleichgesinnte! Ein Stammtisch ist was für Konformisten. Wie viele Leute finde ich denn in der schwäbischen Kleinstadt zum Austausch über Rollenspiele?
An einem Stammtisch sitzt Du zunächst mal mit denen, mit denen Du Dich an den Tisch gesetzt hast. Wenn das alles Konformisten sind, dann wechsel halt den Tisch.
Ok – in einer schwäbischen Kleinstadt wird es schwierig werden, Fans von Rollenspielen zu finden. Ich bin nicht sicher, ob es unmöglich ist. Wir haben früher per Annonce nach Menschen mit ähnlichen Hobbys gesucht. Hab so zum Beispiel Schlagzeuger und Sänger für meine damalige Band gefunden. Die Musik, die ich höre ist extrem „Nische“. Andere Fans mit ähnlichem Musikgeschmack hab ich auf Konzerten getroffen. Manchmal bin ich für die Konzerte 200-300 km gereist (meine Eltern waren nur mittelmäßig begeistert). In der Grundschule hab ich einen Commodore C64 bekommen. Das war nichts besonders – den hatten alle. Aber nachdem ich eine Zeit lang nur damit gespielt habe, so wie alle anderen, wollte ich irgendwann lernen zu programmieren. Und mich hat die Technik interessiert. Dafür gab es dann Nischenmagazine (in meinem Fall das „64’er:
https://i.ebayimg.com/images/g/VwAAAOSw9mtkSm~X/s-l1600.png). Wenn man ein Hobby hatte, hat man sich meist einen Club oder Verein gesucht, wo Leute ähnliche Interessen hatten. Es wurden auch Programmierfreizeiten angeboten, wo man Leute kennenlernen konnte.
Aber klar – ich verstehe Dich schon. Ich behaupte nicht, dass das Internet nicht auch Vorteile hat. Aber gerade das, was Du herausstreichst – dass Nischengruppen im Internet kinderleicht Gleichgesinnte finden können – ist eines seiner gefährlichsten Aspekte. Auch Pädophile sind auf der Suche nach Gleichgesinnten. Auch die Anwerber islamistischer Terrorgruppen sind auf der Suche nach Gleichgesinnten. Auch Drogendealer und illegale Waffenhändler suchen ein Nischenpublikum. Das Internet hat ein Forum geschaffen, das de facto ein Wilder Westen für das Verbrechen ist.
Und es bleibt die Tatsache: Das Internet und die Demokratie sind fundamental inkompatibel.
Am Ende – was bringen Dir die schönen Kontakte, die Du wegen des Internets knüpfen konntest, wenn am Ende unsere Demokratie zerbröselt und die Nationalsozialisten wieder an die Macht kommen? Du bist ja Historiker. Ich muss Dir also nicht erklären, was ab 1933 mit Bürgern passiert ist, die einen dicken Trace an linksliberalen und anti-rechten Meinungen in der Gesellschaft hinterlassen hatten. Glaubst Du echt, Dein letzter Gedanke wäre da „Wenigstens hab ich im Internet den Rudi und den Michael kennengelernt, die auch gern Rollenspiele spielen. Das war’s wert.“?
Genau wie Du hab ich die „prä-Internet“-Zeit übrigens auch mitgekriegt. Ich bin, glaub ich, sogar noch 10 Jahre älter als Du. Hab also eher mehr davon gesehen. Kontakte knüpfen war damals langsamer, mühsamer und man brauchte einen längeren Atem. Letztlich waren die Kontakte, die man dann fand, aber auch langfristiger und intensiver – weil beide Seiten eben wirklich interessiert und enthusiastisch waren – ansonsten hätten sie sich die Mühe garnicht erst gemacht. Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass das am Ende mehr zählt und wertvoller ist.
Ich stimme dieser Prämisse einfach nicht zu. Das Internet ist ein Werkzeug wie alles andere auch. Es kann zum Guten verwendet werden und zum Schlechten. Ich habe in meinem Leben so viel Gutes durch das Internet erfahren, ich will es nicht missen. Übrigens auch in der politischen Meinungsbildung.
„Also weg mit allen Blogs, Foren, Social Media, Bewertungsplattformen, persönlichen Websites.“
Welche Regimes haben das schon (in Teilen) gemacht? Ausnahmslos diktatorische, repressive. Kein einziges demokratisches darunter.
Na und? Was beweist das? Kein Land der Welt hat soviel in E-Mobilität investiert wie das diktatorische China. Ist deshalb E-Mobilität abzulehnen?
@Stefan Sasse
Ich stimme dieser Prämisse einfach nicht zu. Das Internet ist ein Werkzeug wie alles andere auch. Es kann zum Guten verwendet werden und zum Schlechten.
Sorry, aber Du verweigerst schlicht eine Debatte über die Sachlage. Stattdessen postest Du Binsenweisheiten („Internet ist ein Werkzeug“, „Internet hat positive Seiten“), die kein Mensch infrage gestellt oder bezweifelt hat.
Ich fühle mich erinnert an Debatten mit einem Kollegen in den USA, als wir nach zahlreichen grausamen Schulmassakern über schärfere Waffenregulierung diskutierten. Nach diversen überflüssigen Scheinargumenten („aber Jäger brauchen doch ein Gewehr“ (echt? Wie viele Jäger gibt es New York City? Und die brauchen alle ein „military level“ Sturmgewehr?)), kam dann endlich das eigentliche Argument: „Maschinengewehre sind geilomat. Es macht einfach Spaß mit einem zu schießen. Ich will den Spaß nicht aufgeben“.
Fast die identische Debatte hatte ich mit einem Schulfreund über seine Pläne sich einen fetten spritfressenden Jeep zu kaufen, obwohl wir doch eigentlich versuchen müssten CO2 einzusparen. Nach diversen überflüssigen Scheinargumenten („aber ich brauche doch ein Auto um zur Arbeit zu kommen“ (echt? Dann kauf Dir doch einen sparsamen Nissan oder Fiat)), kam dann endlich das eigentliche Argument: „Dicke Autos sind geilomat. Es macht einfach Spaß mit denen auf der Autobahn zu rasen. Ich will den Spaß nicht aufgeben“.
Und genau denselben Typ an Argumenten kriege ich von Dir und von Ariane. Einfach eine Verweigerung zur Kenntnis zu nehmen, was ihr mit der Unterstützung dieses Systems anrichtet und einzig und allein auf euren eigenen kurzfristigen Vorteil ausgerichtet.
Dabei sind die Fakten kristallklar. In den USA hängt die Demokratie an einem seidenen Faden. In Frankreich ist Marine Le Pen in der Pool Position für die nächste Präsidentschaft, was sehr wahrscheinlich das Ende der EU bedeuten würde. In Deutschland ist der Osten unregierbar geworden. Und paralysierte, zersplitterte Parlamente, die nichts bewegen können und im Streit untergehen, sind nur ein Garant dafür, dass sich noch mehr Wähler von der offensichtlich handlungsunfähigen Demokratie abwenden. Bundesweit sind die Nationalsozialisten in Deutschland bereits solide zweistärkste Partei. Im Augenblick weile ich im Urlaub in Portugal. Hier erzählte mir meine Touristenführerin gestern, dass bei den vergangenen Wahlen zum ersten Mal in der Geschichte Portugals seit Einführung der Demokratie, die Anhänger des Ex-Diktators Salazar mit starken 20% ins Parlament eingezogen sind. Dort wackelt derzeit eine konservative Minderheitsregierung und Teile der Konservativen schielen schon auf die Koalition mit den Faschisten. Dieselben Geschichten hörst Du überall in Europa.
Es ist fünf vor zwölf.
Aber schön, dass Du im Internet Freunde findest, die Rollenspiele mögen.
Ich teile ja durchaus deine Sorge, nur eben nicht die Prämisse.
Das erinnert mich an Deine “Sorge” bezüglich des Aufstiegs der AfD, die Du ja auch teilst. Deine Lösung – da wie hier: Nichts tun und resignieren. Und auf das Prinzip Hoffnung setzen. Auch wenn die gesellschaftlichen Indikatoren in die entgegengesetzte Richtung weisen.
Danke für die ausführliche Antwort. Ich muss das etwas mehr bedenken.
Sollen sie doch Verantwortung übernehmen für den Genozid an den Rohingya in Myanmar …
Boah, Sie verrennen sich aber ziemlich. Nein, Facebook hat keinen Genozid „angestiftet“.
… deren Essstörungen, die Portale aktiv bewerben …
Portale bewerben aktiv Esstörungen? Sie ham einen an der Waffel 🙂 .
Gruss,
Thorsten Haupts
Informieren statt rumpöbeln.
Oh, gerne. Sie liefern die Belege für Ihre steilen Behauptungen, ich prüfe sie dann. Nur zu.
Google kannst Du auch ohne mich verwenden.
Wie erwartet haben Sie keine Belege für Ihre steilen Behauptungen. Schön.
Wie erwartet, bist Du unfähig zu googeln.
Sie haben irrsinnig steile Behauptungen aufgestellt und können sie natürlich nicht belegen.
Du schreibst irrsinnig steile Antworten und bist nicht bereit oder nicht fähig Dich zu informieren.
Bin gut informiert. Deshalb weiss ich ja, dass Sie Grütze erzählen – und sich weigern, sie zu belegen.
Würdest Du lernen zu googeln, wärst Du möglicherweise irgendwann schlauer.
Zu m)
ROFLMAO. Es gibt keine Firma der entwickelten Welt, die ein E-Auto unter 20.000 Euro anbietet. Alle doof – ausser Habeck natürlich …
https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/auto-kaufen-verkaufen/autokosten/guenstigste-elektroautos/
Gruss,
Thorsten Haupts
Bis 2025 ist ja noch ein bisschen, ausserdem hat er 2019 vielleicht nicht die hohe Inflation kommen sehen. Im Range 20- 30 000 gibt es schon einiges (z.B. für 23 000 von Citroen made in Europe https://www.citroen.de/modelle/e-C3.html) und Dacia hat sogar einen ab 16.900 € im Angebot https://www.dacia.de/kampagnen/neuer-spring-strom-kostenlos.html
Exakt! Auch Renault hat Autos unter 25.000 Euro im Angebot. Der billigste Volkswagen dagegen (ID3) kostet fast 37.000 Euro. Volkswagen hatte ja mal den e-Up. Der hat aber auch 30.000 Euro gekostet.
Und die VW-Autos in der Preisklasse sind leider auch nicht topp. Keine schlechten Autos, aber andere machen das einfach noch besser.
Ist das nicht vielleicht einfach sowas, was wir gerade auch in der Modeindustrie sehen? Das Mittelsegment geht reihenweise pleite?
Ich kenn glaub ich tatsächlich keinen mehr, der einen VW hat – völlig unabhängig ob E oder Verbrenner. Wer wenig Geld hat, fährt nen ollen Fiesta wie ich. Oder nen kleinen Asiaten.
Vielleicht noch einen Renault.
Und wer Kohle hat, fährt Mercedes, Audi oder BMW. Ich kenne auch schon zwei Leute mit E-Porsches.
Auch bei Dienstwagen, bzw Arbeitsautos wie Sprintern scheint VW da nicht mehr so ein tolles Angebot zu haben.
Dass VW dem V in seinem Namen nicht mehr gerecht werde, ist einer der Gründe für die Krise den ich schon öfter gelesen habe. Scheint mir nicht unplausibel.
Ich kenne mich da wenn überhaupt nur im Elektrobereich aus. Und aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich am Ende bei einem Wagen aus Grünheide gelandet bin. Mein persönlicher Aufbau Ost 😉
Sehr löblich. Und? Cool?
Aber stimmt, da sind im Bekanntenkreis auch einige zugekommen. Ich bin auch schon mal E-Mustang gefahren und die sind wohl zumindest kein Ladenhüter.
Zu 1)
Ich habe mal wieder den Fehler gemacht, selbst nachzusehen, in Originalquellen. Auf der Website der Beratungsstelle, die der MDR als Quelle nennt, werden für 2023 acht – und nicht zwanzig – rassistische Übergriffe registriert. Und Ezra zählt rassistische Beleidigung zu rassistischen „Gewalttaten“.
Weckt mich, wenn Ihr wenigstens halbwegs seriöse Quellen für alarmistische Beiträge gefunden habt. Vorher bitte nicht. Und nur, um das klarzustellen – ich plädiere seit mehr als 30 Jahren für ein wesentlich härteres, entschiedeneres und dichteres Vorgehen gegen gewalttätige Rechtsextremisten. Entspricht nur leider prinzipiell nicht dem Zeitgeist, der in Tätern in erster Linie Opfer sieht.
Gruss,
Thorsten Haupts
Im Bericht wird die Jahresbilanz als Quelle genannt.
Dort steht:
„Wie in den Jahren zuvor bleibt die Landeshauptstadt Erfurt ein
Schwerpunkt rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in
Thüringen (33 Angriffe). Nach Erfurt zeichnet sich erstmals der Land
kreis Sonneberg mit 20 registrierten Angriffen als Hotspot ab, gefolgt
von Weimar (17 Angriffe), Jena (13 Angriffe) und Gera (8 Angriffe).“
Ich vermute mal Du hast entweder blind einem Kommentar unter dem MDR Artikel vertraut der das gleiche behauptet wie Du und/oder auf der Homepage in der Chronik gefiltert und dann gezählt. Dort steht aber ausdrücklich: „Die Chronik ist nicht identisch mit der (jährlich veröffentlichten) Statistik. “
„Und Ezra zählt rassistische Beleidigung zu rassistischen „Gewalttaten“. “
Kann man diskutieren. Im Bericht wird das wie folgt beschrieben und klingt nicht ganz so harmlos:
„Bezüglich der Straftatbestände zeigt sich mit 61 Fällen ein starker
Anstieg bei Bedrohungen und Nötigungen (2022: 55 Fälle), die von
Betroffenen ebenso traumatisierend wie körperliche Angriffe wahr
genommen werden können. Dabei geht es u.a. um aggressive Beleidi
gungen, das Bedrängen, Bespucken und Schubsen von Betroffenen,“
Die Ezra-Jahresbilanz unterscheidet sich nach Darstellung der Beratungsstelle von der Chronik durch:
Zudem finden sich in der Statistik auch nicht veröffentlichte Fälle , die z. B. nicht zur Anzeige gebracht wurden, oder bei denen Beratungsnehmende einer Veröffentlichung nicht zugestimmt haben.
Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich selbst wurde schon das Ziel übler, anonymer, Nachrede. Mehrfach. Bei Meldungen, in denen das „Opfer“ weder eine Anzeige macht noch die Tat veröffentlicht sehen will, nehme ich als default an, dass es die Tat nicht gab. Die Chronik gibt wider, was angezeigt wurde bzw. wo das Tatziel einer Veröffentlichung zugestimmt hat. Deshalb beziehe ich mich auf diese Zahlen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Der erste Kommentar erweckt den Eindruck, der MDR hätte die Quelle falsch zitiert. Das ist nicht der Fall.
Mit der angewandten Definition nicht einverstanden zu sein, ist etwas ganz anderes und sollte auch so beschrieben werden.
Ich kenne mich mit der konkreten Datenerfassung nicht gut genug aus, um da eine eindeutige Meinung zu haben, stelle aber fest, dass durchaus Gründe gibt von Anzeigen abzusehen.
Die Tatsache, dass einige Delikte aus der Polizeistatistik nicht einfließen (Widerstandsdelikte gegen Polizeibeamt:innen, sowie weitere Straftatbestände wie gefährliche Eingriffe in den Straßen- Bahn- und Schifffahrtsverkehr und Landfriedensbruch) sind m.E. ein Indiz dafür, dass es zumindest nicht einseitig um das Aufblasen der Fallsstatistik geht.
Also verbot der afd?
Thorsten, du bist einfach heimlicher Sympathieträger.
zu 3:
In eine ähnliche Kerbe haut auch der Guardian in diesem Artikel:
https://www.theguardian.com/business/article/2024/sep/01/germany-economy-problem-analogue-industries
Kernsatz:
An analogue world is rapidly going digital, and Germany has been painfully slow to realise that.. .
Dieses Versäumnis holt uns auf so vielen Ebenen ein, dass man eine Regierung allein gar nicht dafür verantwortlich machen kann. Und nach wie vor verharrt die Politik und viele Bürger in unserem Land krampfhaft an der Bewahrung der Verhältnisse statt mutig Wege in eine schmerzhafte Transformation zu weisen bzw. voranzugehen. „Migration, sei die Mutter aller Probleme“, erklärte kürzlich noch Friedrich Merz und wirft damit nur eine weitere Nebelkerze. Die analoge Erstarrung ist das Hauptproblem und wird inzwischen immer wohlstandsbedrohender.
Total!
Kann man das an einigen Kernpunkten festmachen?
Beim Parade-Beispiel Netzausbau/Glasfaser häufen sich die Artikel: ich brauch das gar nicht, VDSL ist schnell genug.
Eine ganze Reihe:
Schau dir einfach mal an welche Services du online auf einem deutschen Amt und welche du bspw. in Lettland erledigen kannst.
Nimm das Gesundheitswesen: Wechselst du den Arzt musst du deine ganze Krankengeschichte auf Papier mitnehmen. Rezepte per Handy einlösen – mit viel Glück und Geduld kann da was gehen. In der Regel auch hier Papier.
Arbeitsweise in deutschen Ämtern und Behörden – du glaubt gar nicht wie häufig noch PDF Dateien ausgedruckt und die Infos an anderer Stelle neu in ein Computersystem eingegeben werden müssen. Vom Datenaustausch zwischen Behörden will ich gar nicht erst anfangen.
Die Digitalkompetenz vieler Schulen beschränkt sich darauf Tablets einzusetzen, ohne begleitende Unterrichtskonzepte.
Verfügbarkeit von Breitbandinternet wird zum Engpass. Soll Supermarkt-Ketten geben, die Services in den Märkten reduzieren müssen, weil es keine ausreichende Datennetzanbindug gibt.
Ich will gar nicht weiter auflisten – macht nur depressiv.
Und immer das deutsche Mantra dazu: dAtEnScHutZ.
Gepaart mit: Das haben wir immer schon so gemacht!
Das ist ein Grund. Es gibt aber noch weitere.
Der Austausch von Daten zwischen IT Systemen hat in den letzten 30 Jahren gewaltige Fortschritte in Richtung einer de-facto Standardisierung gemacht.
Wenn auf taktischer Entscheiderebene in den Abteilungen eines bizarren Kompetenzgeflechts diese Fortschritte konsequent ignoriert werden und man meint, „seine“ über jahrzehnte liebgewonnene Anwendung möglichst unberührt vor diesen störenden Veränderungen weiterentwickeln zu wollen, dann endet das zwangsläufig zu einer aberwitzigen Verlängerung der Projektlaufzeiten für die Integration zwischen Anwendungen.
In dem von mir beobachteten Fall gibt es ganz oben Leute mit dem notwendigen technischen Verständnis. Das ist aber in vielen Verfahren einfach nicht gegeben. Berater verdienen über Jahrzehnte sehr gutes Geld, ohne dass sie sich die Mühe machen müßten, dem technischen Wandel zu folgen.
Integrierte IT Systeme erfordern ein komplexes strategisches Vorgehen, dessen best practices einem recht schnellen Wandel ausgesetzt ist. Wenn Entscheider und deren Berater diesen Entwicklungen in den Grundzügen nicht folgen wollen, haben wir unser Ergebnis.
Natürlich soll man nicht jeder Welle hinterher hecheln.
Ich rede hier überhaupt nicht über Microservices, sondern Dependency Injection, automatisierte Tests, eine leichtgewichtige Infrastruktur und Rest Apis. Verzichtet man in einer Java Anwendung weitgehend darauf, ist das so als würde man 1880 beim Warentransport auf die Eisenbahn verzichten, sondern sie lieber weiter auf Kanälen mit von Pferden gezogenen Kähnen setzen.
Natürlich ist es einfacher die gesamte IT Infrastruktur neu aufzusetzen. Da hatte es Estland einfacher. Solche völlig neuen Systeme werden greenfield genannt und die alten brownfield. Jedes greenfield wird über die Zeit zum brownfield. Man kann beides über Schnittstellen integrieren, aber greenfield mit brownfield ist halt teurer als nur greenfield. Man muss sich aber strategisch überlegen, wie man einen möglichst kostengünstigen Kompromiss hinbekommt, brownfields zu greenfields zu renovieren und was und wie erstmal einfach als brownfield integriert wird. Wenn aber nicht mal klar ist, was nun greenfield und was brownfield ist, werden solche Entscheidungen sehr mühseelig.
Das Ganze besitzt einen hohen Unterhaltungswert, aber als Steuerzahler schmerzt es mich.
In diesem Zusammenhang sehr spannend, die Innovationsagenda des Deutschen Start-Up Verbands:
https://startupverband.de/fileadmin/startupverband/politik/innovationsagenda/Innovationsagenda.pdf
Das stehen im Kontext Staat spannende Sachen drin, bin gespannt, was daraus gemacht wird…
Interessant!
Marketing mit Hochglanzbroschüren konnten Wirtschaftsverbände immer sehr gut.
Dieses unkonkrete Geseier, dass ich seit 2 Jahrzehnten höre. Inzwischen hat uns Frankreich in der Digitalisierung von staatlichen Prozessen abgehängt.
Ich traue da eher der youtuberin Jasmin. Die lebt und arbeitet seit mehreren Jahren in Frankreich und besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Teilweise muss sie behördliche Prozesse in Frankreich und in Deutschland abwickeln:
ab 8:10 einfach mal zuhören und staunen: https://www.youtube.com/watch?v=3oRJmuaMmjw
Entscheidend ist, was hinten herauskommt. Deutschland investiert in den letzten Jahren recht viel in die Digitalisierung. Manche Projekte laufen gut, andere nicht. Es bräuchte eine schonungslose und technisch-strategisch ambitionierte Revision.
ZU 4) Das legt die Perspektive einer gewissen Arbeitsteilung nahe: Die Europäer sorgen für die nötigen Mittel und Kräfte zur konventionellen Verteidigung ihres Territoriums.
Können, genauer, wollen sie nicht. Ausschliesslich wegen Bequemlichkeitspazifismus, nicht wegen fehlender finanzieller oder technischer Mittel. Weshalb ich jedes Verständnis dafür habe, dass US-Amerikaner diese hartnäckige Verweigerung nicht mehr ausgleichen wollen. Ich hätte schon lange die Reissleine gezogen …
Gruss,
Thorsten Haupts
„Bequemlichkeitspazifismus“
Der Begriff erscheint immer wieder in Ihren Beiträgen. Was genau bezeichnet er?
Einen Pseudo-Pazifismus, der in erster Linie dem Bedürfnis nach „Stört mich nicht“ zuzuschreiben ist.
Sorry, aber das ist mir zu ungenau. Sind auch diejenigen gemeint, die nach der Erfahrung mit Wilhelminismus und Nationalsozialismus ein Misstrauen gegen allzu Millitärisches entwickelt haben?
Und diejenigen, die nach der Warnung Eisenhowers (!) vor dem militärisch-industriellen Komplex (der natürlich Beschäftigung und Absatz braucht), da nicht gutgläubiger geworden sind?
Und auch diejenigen, die in der Gorbatschow-Ära dafür eintraten, das Geld statt für eine nicht mehr notwendige Abschreckung lieber für soziale Zwecke (horribile dictu) auszugeben?
Dann wäre ich nämlich mitgemeint. Ich gebe aber ununwunden zu, dass er Überfall Russlands auf die Ukraine meine Sicht der Dinge verändert hat. Und dass ich die Warnzeichen im Donbass und der Krim nicht richtig gedeutet habe.
Es sind alle gemeint, die aus welchen Gründen auch immer entgegen absolut jede historische Evidenz dafür gesorgt haben, dass nicht nur Deutschland weder sich noch seine Verbündeten verteidigen kann. Sondern dass diese Geisteshaltung auch noch als Zeichen besserer Menschen galt und gilt. Entschuldigungen und (vorgeschobene) Begründungen dafür sind mir vollkommen gleichgültig – das war und bleibt Wohlstandsverwahrlosung.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das sind diejenigen, die beispielsweise die Bundesregierung der Vorbereitung eines Angriffskriegs bezichtigen, nur weil die BuReg empfiehlt sich einen Grundvorrat von Sachen anzulegen um im Katastrophenfall 2 Tage ohne Supermarkt durchhalten zu können.
Das sind diejenigen, die bei Soldatengelöbnissen noch immer skandieren, dass Soldaten Mörder seien.
Das sind diejenigen die Leute auslachen, weil sie sich im Katastrophenschutz oder Zivilschutz engagieren, und denen sagen, ob sie mit ihrer Zeit nichts sinnvolleres anzufangen wissen.
Mangelnde Bereitschaft sich für andere töten zu lassen, für andere zu töten oder von anderen zur Finanzierung von Mördern gezwungen zu werden.
Da stellt sich natürlich sofort die Frage: Wer sind diese „anderen“?
Als individuelle Entscheidung ist das völlig in Ordnung.
Es gibt aber in dieser Welt so etwas wie Autokraten, die sich ohne Gewalt nicht von den Töpfen der Macht vertreiben lassen und ihren Machtbereich auch gerne ausdehnen.
War der Einmarsch der Armee Vietnams in Kambodscha 1979 ein Verstoß gegen dein Pazifismus-Gebot?
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Kambodschas#Diktatur_der_Roten_Khmer_(1975%E2%80%931979)
Gestern hat die narco-militärische Verbrecherbande, die tragischerweise in Venezuela Regierungsgewalt ausübt, die zuvor vom Regime beauftragte Schutzfunktion brasilianischer Sicherheitskräfte für die Botschaft Argentiniens in Caracas aufgehoben. In der Botschaft befinden sich ein paar venezolanische Oppositionelle. Brasilien erkennt den Widerruf für die Schutzfunktion nicht an. Der Strom ist bereits unterbrochen. Es könnten nun irgendwann blaue Bohnen fliegen. Ist diese Haltung der brasilianischen Regierung aus deiner Sicht unverantwortlich?
Ohne Androhung auch militärischen Drucks seitens der USA hätte die chilenische Militärjunta wohl nie das Ergebnis des Abwahlreferendum 1988 akzeptiert.
Ohne dem militärischen Druck der OAS wäre Algerien vermutlich heute noch französisch.
Es gibt zahlreiche weitere Beispiele.
Es existieren schlicht und einfach Bereiche der Pervertierung autokratischer Machtausübung, die auf Dauer zu zerstörerisch sind. Dagegen ist der Gebrauch militärischer Gewalt legitim.
„Pfleger. Aber die muss irgendjemand bezahlen, die schaffen keinen produktiven Mehrwert“
Da spricht der eiskalte Zahlenmensch. Ohne diese „unproduktiven“ Kräfte ginge über kurz oder lang auch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes flöten. Und ganz so leicht sind sie auch nicht zu ersetzen, sonst müssten sie nicht in Übersee angeworben werden.
Was die Branchen in den USA angeht, in denen man so dolle Geld verdienen kann: War da nicht was mit IRA und nix Schuldenbremse?
Das ist Ökonomie. Sie beschreibt, wovon wir leben.
Wie stellen Sie sich denn vor, wie Pfleger, Erzieher und Beamte bezahlt werden? Das mag Ihnen kaltherzig erscheinen, aber ein warmes Herz hat noch keinen Teller gefüllt.
In Unternehmen wird das Geld auch nicht vom Personalbereich oder Finanzen verdient. Umsatz und Gewinn werden von der Produktion und dem Vertrieb erzielt. Das heißt nicht, dass HR und Finance verzichtbar wären, aber sie sind eben nicht für den Erfolg verantwortlich. Das ist für die ganzen Gutmenschen, die Gender- und Gleichstellungsfetischisten eine harte Erkenntnis, die sie deswegen am besten ignorieren.
Hilft nur nix.
Die USA haben eine ähnliche Verschuldung wie Frankreich. Beide haben ihren Triple-A-Status schon vor langer Zeit verloren. Für Paris ist das schon lange ein großes Problem. Selbst Le Pen verlangte in ihrem Programm zu den vorgezogenen Parlamentswahlen, dass die EU Frankreich mit einem neuen Schuldenprogramm unterstützen müsse. Die Vorstellung der Rechtspopulistin war, Deutschland bringt das Geld und die Bonität ein, Paris gibt aus.
Die USA sind bekanntlich nicht in der EU. Sie können aufgrund ihrer enormen wirtschaftlichen Dynamik noch die hohen Zinsausgaben stemmen, was Paris zunehmend nicht mehr kann ohne sich weiter zu verschulden. Die Dynamik bringen aber nicht die Pfleger, nicht Beamte, auch nicht GM und Ford. Sie kommen von den Magnificant Seven und den angeschlossenen Konzernen, von Eli Lilly usw.
Leider ist unsere Lernkurve praktisch nicht vorhanden. Glauben Sie ernsthaft, irgendein High Potential der Welt ist interessiert, Deutschland bei seinem demographischen Problem in den Sozialsystemen zu helfen und die Hälfte seines Einkommens beim Staat abzuliefern und absurde Energiepreise für ökologische Spinnereien zu bezahlen? Really? Wir müssen doch irgendwann mal zur Kenntnis nehmen, welchen Typ Migrant wir anziehen – und welchen gerade nicht.
Ich lese aber nicht, was Sie daraus lernen, dass Deutschland so schlecht abschneidet. Immer noch nicht.
Zum Nachdenken.
https://m.focus.de/finanzen/immer-mehr-konzerne-bauen-stellen-ab-der-arbeitsmarkt-steht-vor-einer-krise-der-tausend-schnitte_id_260293810.html
Und so kaltherzig:
Wir können nicht nur davon leben, dass wir gegenseitig auf unsere Kindern aufpassen.
Als zentrale Faktoren für die Probleme der Wirtschaft gelten Energiepreis und Regelungsdichte (Bürokratie). Bei der Autoindustrie kommen Managementfehler dazu.
Den Fehler, einseitig auf billiges russisches Gas zu setzen, haben wir gemacht, andere nicht. Den baden wir jetzt aus. Aber ob das Fracking in den USA, das dort die niedrigen Energiepreise beschert, nicht langfristige Folgen haben wird, ist offen. (Die Abholzung der Wälder hat damals zeitweilig auch Wohlstand gebracht – mit langfristigen Folgen). Artensterben, Boden- und Grundwasserzerstörung können aus ökologischen ganz schnell reale ökonomische Faktoren machen. Die Begriffe haben ja eine gemeinsame Wurzel.
SpaceX ist sicher eine der Branchen, die Sie gemeint haben. Dazu zwei Aspekte.. Weltraum-Tourismus für Milliardäre steigert das Sozialprodukt, aber schädigt die Umwelt, möglicherweise irreversibel. Die Explosion einer SpaceX-Rakete hat die Atmosphäre beschädigt. https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/astronomie/starship-explosion-spacex-rakete-hat-grosses-loch-in-atmosphaere-gerissen-13379368
Und die massive Zunahme von Weltraumschrott (zwangsläufige Folge der Aktivitäten dieser HighTech-Firma) könnte die gesamte Satelliten-Kommunikation zum Einsturz bringen. https://www.geo.de/wissen/satelliten-und-truemmer–zunehmender-weltraumschrott-gefaehrdet-raumfahrt-35041822.html
Bürokratie: Möglicherweise ist dieser Faktor gar nicht so entscheidend, wie oft angenommen. Auch wenn viele deutsche Unternehmer gern glauben, die hiesige Bürokratie sei die komplizierteste, ist dem offenbar nicht so: Im Government Effectiveness Index der Weltbank, der die Effizienz staatlicher Einrichtungen misst, landen die USA lediglich auf Platz 26 – einen Platz hinter Deutschland“. (https://www.theglobaleconomy.com/rankings/wb_government_effectiveness/).
Einige hier im Forum kennen die USA aus eigener Anschauung. Ich selbst war noch nie da, deshalb würden mich die Erfahrungen mit der US-Bürokratie interessieren. Schon in den (inzwischen 20 Jahre alten) „Notes from a Big Country“ klagte Bill Bryson darüber. Um seine (britische!) Ehefrau anmelden zu können, brauchte er zwei Jahre und zahlreiche Fahrten zu Behörden in verschiedenen Städten.
SpaceX zählt nicht zu den Magnificent Seven. Folglich habe ich es nicht gemeint.
Ich habe früh gelernt, man soll sich nicht für klüger halten als andere. Leider halten sich viele meiner Landsleute für schlauer als der Rest der Welt. Das scheint in unseren Genen zu liegen.
Investitionsentscheidungen internationaler Konzerne laufen nicht nach dem Prinzip von Klein Hänschen ab. Für strategische Entscheidungen wird ein komplexer Evaluationprozess gestartet, in dem Alternativen nach einer Vielzahl von Kriterien quantifizierter, messbar und vergleichbar gemacht werden. Und das nationale Management agiert in der Regel nicht nach dem Prinzip, bei uns lieber nicht, weil schlechter Standort.
Deutschland hat kaum Punkte einzuwerfen: sehr teures und knappes Fachpersonal, Bürokratie, teils marode öffentliche Infrastruktur, genügsame Mitarbeiter (Work Life Balance), hohe Energiepreise und nicht wettbewerbsfähige Steuern. Man kann ein oder zwei dieser Kriterien ausknocken, wenn der Standort in anderen Punkten Top ist. Aber genau das ist Deutschland nicht. Und auch die politische Linke sollte endlich aufhören, Ausreden zu suchen, denn das nützt nichts. Davon lässt sich nun wahrlich kein Investor überzeugen. Überzeugen tun allein Hard Facts.
Sie werden staunen: auch andere Länder brauchen Energie und nicht hauptsächlich regenerative. Sie nutzen Atomkraft, Kohlekraft, (Fracking-) Gas, Wasserkraft. Wir wissen vor allem, dass wir viel schlauer sind. Kanada und Norwegen hätten uns auch günstig Gas verkauft – mit langfristigen Verträgen. Das wollten die Grünen nicht.
2013 sagte Habeck, der geniale Wirtschaftsminister, wir bräuchten eine halbe Billion zum Ausbau der Erneuerbaren und für billigen Strom. Die halbe Billion ist weg, aber der Strom ist sauteuer. Keine Fehler gemacht? Wir haben das Kind so in den Sand gesetzt, dass wir daran noch in zwanzig Jahren würgen werden. Wie bei der Migration lässt sich das Problem nicht mehr in ein, zwei Legislaturperioden lösen. Und das Problem hat kein anderes Land.
Ich fände es daher mal gut, wenn Sie eingestehen würden, dass wir in den letzten zwanzig Jahren verdammt viel falsch gemacht haben.
Noch zur Bürokratie. Im Verlauf des Einbürgerungsprozesses meines amerikanischen Freundes in den USA wurde ihm seine Deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Er ist hier aufgewachsen, hat in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt, Steuern gezahlt. Aber die Behörden verwehren ihm die Rückeinbürgerung. Jeder Syrer erhält hier schneller den deutschen Pass. So etwas kann nur noch wütend machen. Wer wundert sich eigentlich wirklich, dass immer mehr Menschen AfD wählen?
Natürlhsben auch die USA viel Bürokratie. Aber wir haben noch viele überlappende Regelungen, neben den nationalen noch die EU-Verordnungen. Schauen Sie, Amerikaner zahlen ihre Ansteuern einmal im Jahr – wir zwölf Mal. Bei Kündigungen wird die Abfindung frei verhandelt, bei uns wird das über einen nervigen Arbeitsgerichtsprozess ausbaldowert, wobei alle Optionen auf dem Tisch bleiben. Unternehmen lassen sich in den USA in Tagen gründen, hier dauert es Monate. Etc.
Das wissen die Leute bei der Weltbank doch auch, kommen aber trotzdem zu dem genannten Index. Taugt der nichts?
Was haben Sie sich da angesehen? Schauen wir uns das mal analytisch an. Deutschland belegt bei der Bürokratie einen mittelprächtigen Platz, nimmt man die wichtigen Wettbewerber unter den Industrienationen, ist es eher eine unterdurchschnittliche Platzierung. Sie meinen, das sei ja nicht schlimm, schließlich seien die so tollen USA auch nicht besser.
Da ist zweierlei zu sagen: Eine unterdurchschnittliche Platzierung bleibt eine unterdurchschnittliche Platzierung. Der 1. FC Köln kann sich nicht damit trösten, dass auch der HSV 2. Liga spielt. Im Gegensatz zu Deutschland schneiden die USA aber bei den anderen genannten Faktoren viel besser ab. Das zeigt sich beim Competitiveness-Ranking, bei dem Deutschland seit einem Jahrzehnt immer weiter abrutscht.
https://www.imd.org/centers/wcc/world-competitiveness-center/rankings/world-competitiveness-ranking/rankings/wcr-rankings/#_tab_Rank
Zum anderen ist unklar, welche Bürokratie gemessen wird. Wenn die Beantragung von Bürgergeld besonders umständlich ist, dann ist das für die Betroffenen ärgerlich, berührt aber nicht die Sphäre der Wirtschaft. Für die ist relevant, wie schnell man ein Unternehmen gründen kann. Und da ist Deutschland besonders schlecht.
Ich weiß das nicht nur aus der Statistik, sondern auch aus M&A-Projekten. Hier gibt es inzwischen eine Industrie, die sich darauf spezialisiert hat, unternehmerische Mäntel zu entwickeln und die ABC-GmbHs ohne Geschäftszweck zu verkaufen. Eigentlich absurd.
3)
Ist ja eigentlich eine Binse, dass ein zu großes Ungleichgewicht immer zu mehr Risiken und Abhängigkeiten führt. Da muss man nicht mal grundsätzlich über das Lohnniveau reden, internationale Krisen wie Corona, (Lieferketten allgemein) und der Ukrainekrieg sind für ein exportorientiertes Land schwerer zu kompensieren.
Insofern wenig verwunderlich, dass Deutschland da mehr Struggle hat als andere Länder.
Rein gefühlt (bin zu faul, da jetzt einzelne Branchen-Statistiken zu vergleichen) wirkt es, als wäre das ganze in Unordnung geraten. Die großen Produktions-Industrien sind da mehr unter Druck, während es woanders gut läuft. Ich denke da zum Beispiel an deine Wirtschaftsdaten aus Sachsen aus dem letzten Podcast.
Wir sind auch eine Branche, wir haben nix mit dem Ausland oder internationalen Unternehmen zu tun und selbst die große Baukrise macht sich null bemerkbar. (imo betrifft das aktuell vorrangig Großunternehmen)
Das größte Problem ist eher zuviel Arbeit für zuwenig Menschen.
Und da kommt dann auch die generelle Problematik mit mangelnder Digitalisierung, Schuldenbremse, etc. zum Tragen.
Bei uns zum Beispiel gerade das größte Problem, dieses verrückte Förder-On/Off-Gehampel der Ampel. Die ändern alle 3 Monate ihre Meinung, ob sie was mit Wirtschaftswachstum oder mit Sparen machen wollen. Sowohl für Unternehmen als auch Privatmenschen sind das aber langfristige Planungen. Und da hat die FDP augenscheinlich genauso wenig Plan vom wirtschaftlichen Handeln wie die Grünen.
Die Risiken und Abhängigkeiten werden wir eh nicht los. Du kannst gerne eine Wirtschaft haben, die sich auf die in Deutschland erhältlichen Rohstoffe stützt. Kohle, Roheisen und Holz. Bin mir ziemlich sicher, Dir würde das Ergebnis nicht gefallen.
Zwischen „loswerden“ und „reduzieren“ sind halt auch Welten. Kein Land der Welt ist autark, völlig klar.
Ich schreib mal hier meinen Senf zur „Internet ja/nein-Diskussion“ weiter:
Und ich kann dir sagen, ich war sozial ziemlich isoliert und habe im Internet zig Menschen kennengelernt, die ich im RL NIEMALS kennengelernt hätte. Ich meine, ich suchte Gleichgesinnte! Ein Stammtisch ist was für Konformisten
Total! Ich werde das Internet bis zu meinem letzten Atemzug verteidigen, einfach weil ich so geile Sachen dadurch entdeckt hab und so tolle Leute kennengelernt, die sich nie und nimmer einfach bei einem Klub oder Annonce oder gar einem Stammtisch gemeldet hätten! Hab auch kein Problem damit, die dann in mein real life zu integrieren.
Ich meine allein der harte Kern der Kommentatoren hier schreibt doch bestimmt mindestens 10 Jahre. In der Zeit bin ich 3x umgezogen und hab 5x was anderes gemacht, in der Zeit sind massig RL-Kontakte eingeschlafen, die man häufig eher wegen räumlicher Nähe hatte.
was ab 1933 mit Bürgern passiert ist, die einen dicken Trace an linksliberalen und anti-rechten Meinungen in der Gesellschaft hinterlassen hatten.
Hm, aber spricht das nicht eher gegen deine These? Die Nazis haben die Welt komplett ohne Internet in Schutt und Asche gelegt, es hat auch niemand Zeitungen dafür verantwortlich gemacht und überlegt, die künftig total zu verbieten?
Am Ende agieren Menschen – zum Guten wie zum Schlechten. Scheint mir jetzt auch nicht weniger legitim, die Gegenthese aufzustellen:
Wenn die Leute mehr Zeit und das Internet für abgefahrenen Nerdkram und Katzenvideos nutzen würden (oder Pornos, um gleich alles dabeizuhaben^^) hätten wir vielleicht auch weniger Demokratieprobleme.
Die Nazis haben die Welt komplett ohne Internet in Schutt und Asche gelegt
Ich behaupte nicht, dass das Internet eine zwingende Voraussetzung für das Entstehen von Nationalsozialismus in 1933 war, sondern dass das Internet mit Demokratie und liberaler Ordnung fundamental unvereinbar ist und dass das Vorhandensein des Internets somit die Abschaffung der Demokratie garantiert. Exakt das beobachten wir seit den vergangenen 10-15 Jahren, seit Ältere und Ungebildetere angefangen haben in großen Zahlen online zu gehen.
Ihrer radikalen Ablehnung kann ich nicht zustimmen, aber ein Stück weit gebe ich ihnen recht.
Das „Internet“ ist dabei aber nicht das Problem, es ist auch nicht der Individualverkehr daran schuld wenn eine Person in eine Menschengruppe rast (oder was irgendwelche verblendeten Idioten so machen).
Manche Dienste des Internets sind aber ein Stück weit daran beteiligt, dass Gesellschaften verrohen (subjektiver Eindruck) und mehr und mehr immer größere Scheuklappen aufbauen (ebenfalls subjektiv).
Der gehässige, agressive Tonfall in sozialen Medien ist ein riesiges Problem. Mich z. B. stößt das mittlerweile ab und ich reagiere nur noch sehr selten auf Diskussionen (obwohl ich das früher ganz gern gemacht habe).
Ein weiteres riesiges Problem ist die Blasenbildung, die dafür sorgt, dass man quasi nur noch seine eigene Meinung hört (hören will).
Es fehlt meines Erachtens an Medienkompetenz, man glaubt was einem die Timeline in den eigenen Channel spült, dies wird nicht kritisch angesehen sondern einfach konsumiert.
Ich frage mich manchmal, ob es nicht etwas bringen würde, wenn es nur noch möglich wäre unter seinem richtigen Namen etwas zu posten (egal ob in Facebook, TikTok oder sonstwo).
Ich werde das Internet bis zu meinem letzten Atemzug verteidigen, einfach weil ich so geile Sachen dadurch entdeckt hab und so tolle Leute kennengelernt
Das ist genau das, was ich kritisiere. Wir ziehen unserem Wohlstand, unserem Rechtsstaat, unserer Demokratie, dem Recht, dass alle Menschen leben dürfen, gerade den Boden unter den Füßen weg. Wir stürzen wie eine Armee aus Lemmingen in einen dunklen Abgrund. Und warum? Weil wir im Internet so geile Sachen finden. Es ist wirklich zum Heulen.
Ich finde, du konstruierst hier einen Kausalzusammenhang, den ich zumindest einfach nicht sehe. Diese Pauschalisierung auf Ältere und Ungebildete finde ich übrigens auch nicht besonders geil.
Aber Menschen sind doch eben keine Lemminge, die sich willenlos in einen dunklen Abgrund stürzen. Internet hin oder her, warum werden die denn da aus der Verantwortung genommen? Ich bin doch nicht plötzlich weniger liberal oder demokratiefeindlich, nur weil ich das Internet gut finde? Man kann auch im Internet agieren, ohne Nazi zu sein. Und Nazi sein ohne das Internet zu nutzen.
Am Ende sind das halt alles Auswüchse im Zusammenleben von Menschen. Kann man zigtausend Jahre zurückgehen bis an die Anfänge, was wir noch ergründen können. Menschen haben sich immer schon gegenseitig abgemetzelt, Terrorherrschaften errichtet und Genozide durchgeführt. Oder eben das Alphabet erdacht, sowas wie Demokratie und Liberalismus überhaupt erfunden und ausprobiert, Stonehenge gebaut oder die Mona Lisa gemalt.
Das Erwachen rechtsextremistischer menschenfeindlicher Strömungen hat dramatische Ausmaße erreicht und es geschieht ganz eindeutig global – auf dem nordamerikanischen Kontinent genauso wie auf dem europäischen Kontinent. Und zwar in voller Breite. Das Gift träufelt in alle unsere Gesellschaften. Klar gibt es auch andere Faktoren neben dem Internet. Z.B. die Migrationskrise. Aber die ist nicht lösbar. Und die Klimakrise. Aber auch die ist nicht lösbar. Oder die Covid-Krise. Und auch die war nicht lösbar. Dazu schüren kommerzgeile private Medien Negativstimmung auf alles und jeden. Das Internet ist dann der Brandbeschleuniger, der das toxische Gemisch zur Explosion bringt.
Deine Gegenthese, dass die Menschen sich doch theoretisch von all der Dynamik abkoppeln könnten und lieb und nett und rational werden könnten – ganz ohne Nazis zu werden – und dann wird schon alles gut, wird gerade durch die Realität widerlegt.
Das war nicht meine Gegenthese^^
Sondern, dass man – jeder ausnahmslos – selbst die Verantwortung dafür trägt, was für ein Mensch man ist. Niemand ist gezwungen, Nazi zu werden. Oder islamistischer Attentäter. Oder whatever.
Und meine Sicht ist auch nicht naiv gutmenschlich, sondern viel zynischer. Die Menschheit an sich ist generell absolut nicht fähig, multiple Großkrisen irgendwie gemeinsam, harmonisch und rational zu lösen.
Glaubst du denn wirklich, früher gab es kein Gift in der Gesellschaft? Keine Leute, die von negativer Stimmungsmache profitiert haben? Keine Gemengelage, die als Brandbeschleuniger ganze Städte zur Explosion gebracht haben?
Dagegen leben wir in unserer Zeit im rationalen Paradies! So etwas wie das Attentat in Solingen sorgt immer noch für emotionale Verwerfungen und konfusen Aktionismus. Aber niemand verfällt in solche Hysterie, dass ein Pogrom durchgeführt wird. Kleiner Fortschritt, aber es ist definitiv ein Fortschritt. Ganz ernst gemeint, den Großteil der menschlichen Historie hindurch, lief es eben auf Hysterie und Pogrom hinaus. Ein Land oder eine Zeit, in der die Menschheit friedlich zusammenlebte und rational und konsensual ihre Probleme löste, gab es nie.
dass man – jeder ausnahmslos – selbst die Verantwortung dafür trägt, was für ein Mensch man ist. Niemand ist gezwungen, Nazi zu werden. Oder islamistischer Attentäter. Oder whatever.
Das Potential jedes einzelnen dies zu tun oder jenes zu tun, ist irrelevant. Was zählt, ist einzig was am Ende tatsächlich rauskommt. Und bestimmte Grundbedingungen führen vorhersagbar zu bestimmten Outcomes. Frag mal den Stefan, ob nicht – theoretisch – alle Schüler seiner Klasse das Potential hätten brav zu sein, ruhig und konzentriert mitzuarbeiten und immer die Hausaufgaben zu machen. Aber dann – wie oft sehen wir das in der Realität, dass tatsächlich alle Schüler brav sind, ruhig und konzentriert mitarbeiten und ihre Hausaufgaben gemacht haben?
Glaubst du denn wirklich, früher gab es kein Gift in der Gesellschaft? Keine Leute, die von negativer Stimmungsmache profitiert haben?
Wie ich schon an CitizenK schrieb. Dein Punkt ist ein Strohmann. Nichts was ich jemals behauptet hätte.
Propagandistisches Gift hat es immer in allen Gesellschaften gegeben. So wie es in allen Gesellschaften Bad Player gegeben hat. Aber nur in einem winzigen Fensterchen der Geschichte hat es echte Demokratie gegeben. Und diese Demokratie ist immer extrem fragil gewesen. Trotz der Fragilität haben kleinere und mittlere Erschütterungen das System nicht zerstören können. Die BILD-Zeitung mit ihren Lügen z.B. konnte sich nie wirklich durchsetzen in einem Umfeld, in dem starke öffentlich-rechtliche Leitmedien mit professionellem und ethischem Journalismus das Meinungsbild prägten und dominierten. Hat die BILD-Zeitung gesellschaftlichen Schaden angerichtet? Selbstverständlich hat sie das. Aber eben nicht ausreichend Schaden, um der Demokratie gefährlich zu werden. Das Internet ist dagegen ein anti-Demokratie-Rammbock. Eine Abrissbirne unseres Systems. Eine Massenvernichtungswaffe unseres Wohlstands und unseres gesellschaftlichen Umgangs miteinander. Und das in einem andersartigen Umfeld, in dem zunehmend private Medien Berichterstattung nach rein kommerziellen Interessenslagen machen. Das alles ist mit nichts vergleichbar, was wir jemals in der Bundesrepublik vor 1990 gesehen haben.
Wir haben in den 1920er und 1930er Jahren einen globalen Rechtsruck. Ganz ohne Internet.
Ich überlege, ob Du damals auch den Buchdruck hättest verbieten wollen.
Sehr guter Punkt, weil: was haben die Leute damals gedruckt? Vor allem Flugschriften. Das war unglaublich hetzerischer Kram. Der Dreißigjährige Krieg wäre kaum vorstellbar ohne die Druckerpresse.
Da es weder damals Grund gab noch heute Grund gibt, den Buchdruck zu verbieten, stellt sich die Frage überhaupt nicht. Anstatt erneut einen Strohmann zu errichten, könntest Du Dich auch mit den von mir vorgebrachten Argumenten auseinandersetzen.
Gründe dafür gab es genug, und Versuche auch!
Ja – aber nicht für mich. Ich habe nie gefordert den Buchdruck zu verbieten. Ich habe auch nicht gefordert der Buchdruck hätte damals verboten werden sollen. Ich habe überhaupt den Buchdruck nirgends in meiner Argumentationskette erwähnt. Und der Buchdruck im 17. Jahrhundert – ob erlaubt oder verboten – hat null Relevanz für die Diskussion über die Gewalt, mit der das Internet die Demokratien vierhundert Jahre später, im 21. Jahrhundert, zerstört.
Worauf ich immer noch warte, ist eine Auseinandersetzungen mit den Argumenten, i.e., der Realität des Erwachens der Faschisten überall in der westlichen Welt. Ein Erwachen, das auffällig parallel zum Einklinken der älteren und ungebildeteren Bürgerschichten ins Internet verläuft.
Nein, würde ich dir auch nicht unterstellen. Ich sage nur, dass die Polarisierung etc. damals durch den Buchdruck massiv befeuert wurden.
Das tu ich doch. Der Vergleich ist nicht sooo weit hergeholt: Neue Technik zur Verbreitung von Fakten und Meinungen in vorher unvorstellbarer Geschwindigkeit und Menge. Hassrede und Aufforderung zu Gewalt (Luther), Wegfall der gatekeeper, Minimierung der Kosten.
Glaubst Du ernsthaft, der Aufstieg der Rechtsextremen sei durch die Nutzung des Internets durch die älteren (ich?) und ungebildeten (?) Bürger verursacht? Dann, fürchte ich, ist eine ernsthafte Diskussion nicht möglich.
Nachtrag: https://www.deutschlandfunk.de/australien-will-mindestalter-fuer-nutzung-sozialer-medien-einfuehren-102.html
Bin gespannt, was daraus wird.
Naja…Whatsapp ist ab 16. Soweit die Theorie der AGB.
Ich weiß zu wenig über die Geschichte des Buchdrucks, um da sinnvoll mitdiskutieren zu können. Und Luthers Schriften haben keine Relevanz für den gegenwärtigen Aufstieg der Nationalsozialisten.
Und ja – ich glaube fest, dass das Einklinken älterer und ungebildeter Schichten ins Internet eine wichtige Ursache für unsere derzeitige desolate Lage ist. Das bedeutet weder, dass das Erwachen der Rechtsextremen monokausal ist. Ich hatte die multiplen Krisen ja genannt – Migrationskrise, Klimawandel, Pandemie – aber diese Krisen sind allesamt nicht lösbar. Folglich bieten sie keinen Hebel, das Problem einzudämmen. Und meine Behauptung ist auch nicht, dass JEDER Ältere und JEDER Ungebildete Rechts-Propaganda betreibt oder ihr Opfer ist. Sondern meine Meinung ist, dass – statistisch – die Empfänglichkeit für solche Propaganda und die Verbreitungswilligkeit für solche Propaganda in diesen Gruppen dramatisch höher ist als in der gebildeten Gen-X/Millenial-Generation. Könnte sich allerdings gerade drehen, während eine junge Generation mit Hassmedien wie TikTok aufwächst.
Und ja – ich glaube fest, dass das Einklinken älterer und ungebildeter Schichten ins Internet eine wichtige Ursache für unsere derzeitige desolate Lage ist.
Das war fast exakt das Argument der katholischen Kirche, nach Verbreitung des Buchdruckes Schriften auf den Index zu setzen und nur ausgewählten Katholiken zugänglich zu machen.
Du bist mal wieder zu spät. Das Thema “Buchdruck” ist seit Tagen abgehakt (eigentlich schon seit Jahrhunderten). Nirgends ist vorgeschlagen worden, den Buchdruck zu verbieten. Von mir schon garnicht. Also -> nächstes Thema.
@ Ralf
Siehst Du die Analogie wirklich nicht?
Das Thema Informationsfreiheit mit der Gefahr des Missbrauchs ist niemals „abgehakt“. Bei jedem neuen Medium/neuer Technik stellte sie sich. Es gab sie beim Buchdruck und danach bei den Zeitungen, dann beim Rundfunk, Fernsehen und jetzt – in zugegeben verschärfter Form – beim Internet. Die nächste Stufe ist die KI – mit noch mehr Möglichkeiten der Desinformation und Fälschung.
Aber auch die kriegst Du nicht mehr aus der Welt. Weshalb wir uns auf Möglichkeiten der Eindämmung und/oder der Befähigung der Nutzer konzentrieren sollten.
Wie Ariane betonte, sind Nutzer bereits heute befähigt. Jeder hat das Potential das Richtige zu tun. Es wird nur nicht getan. Und es ist unmöglich, dass sich das ändert. Menschen agieren so, wie ihre Gehirne gebaut sind. Definierte Umstände führen unweigerlich und unausweichlich zu vorhersagbaren Outputs. Deshalb passiert ja auch überall auf der Welt das Gleiche, z.B. der zunehmende Hass im Internet oder das Erstarken der Rechten und Populisten.
Warum all das am besten im Kontext des Buchdrucks im 17. Jahrhundert diskutiert werden sollte, zu einer Zeit in der es keinerlei unabhängige Medien gab, in der es keine Meinungsfreiheit gab und in der absolute Monarchien eine völlig verarmte und weitestgehend auf den Feldern arbeitende Bauernbevölkerung brutal dominierten, ist mir schleierhaft. Bleib doch einfach mal im 21. Jahrhundert. Oder wenigstens im späten 20. Jahrhundert.
Bin ich doch, ab „Zeitungen“. Da verlässt man sich auf den Wettbewerb als Kontrolle. Bei Rundfunk/Fernsehen hat man nach den Erfahrungen mit Goebbels auf das ÖR-Modell gesetzt, später wenigstens als Gegengewicht zu den Kommerz-Sendern. Beim Internet (T. H. weiß ganz sicher, wie man das schreibt) ist das aussichtslos.
Dass „Information“ das zentrale Element, die Grund-Voraussetzung der Demokratie in der Hand „privater“, gewinnorientierter Akteure ist, kann nur durch Informationsfreiheit und funktionierenden Wettbewerb gerechtfertigt werden. (Der war immer bedroht: Hugenberg, Hearst, Murdoch, Springer als Stichworte). Die Zerfaserung im Internet hebelt das Prinzip nun gänzlich aus.
Es kann also nur um politische Kontrolle gehen. Die akutellen Milliarden-Strafen zeigen, dass die Politik nicht machtlos wäre.
Niemand hat was gegen Wettbewerb. Auch in den 80er Jahren waren lediglich die Leitmedien (i.e., das Fernsehen) in öffentlich-rechtlicher Hand. Private Zeitungen gab es en masse.
Private Medien dienen ALLE ausschließlich der Generation von Profit -nicht nur das Internet (T. H. lernt hoffentlich irgendwann, wie man das schreibt). Und Wettbewerb gibt es dort auch kaum. Die großen IT-Businessplayer sind fast allesamt Monopole. Und Zeitungen sind seit Jahren von einem Massensterben betroffen. Wenige Konzerne kontrollieren praktisch fast den gesamten Markt.
Da es weder damals Grund gab noch heute Grund gibt, den Buchdruck zu verbieten …
Da hat jemand sein eigenes Argument nicht verstanden. Wenn das Medium die Botschaft ist – Ralfs Behauptung über das Indernet – und in erster Linie „niedere Instinkte“ bedient, ist es, Ralf folgend, für den Niedergang der Zivilisation verantwortlich. Das aber war der Zustand des Druckes nach Verbreitung der Druckerpressen, also ist „…weder damals Grund gab…“ die Aufgabe des eigenen Arguments.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das Thema ist, wie bereits gesagt, ausdiskutiert. Einfach oben nachlesen.
Und – da Du den Fehler dauernd machst: “Internet” schreibt man mit “t”, nicht mit “d”. Das Internet hat nichts mit Indien zu tun.
Ralf, wach auf!
Bin offensichtlich wach. Ansonsten könntest Du ja nicht mit mir sprechen.