Mützenich fürchtet die verlogenen Traditionen der Ungleichheit erforschenden jugendlichen Männer – Vermischtes 27.08.2024

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Hier hat Mützenich recht

Der Plan der Bundesregierung, US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland zu stationieren, hat eine breite Protestbewegung hervorgerufen, die von der AfD über das Bündnis Sahra Wagenknecht bis hin zu Teilen der Union und SPD reicht. Diese Gegner der Stationierung warnen vor einer Militarisierung und einem drohenden Atomkrieg. Trotz dieser starken Ablehnung sind die Argumente der Gegner jedoch schwach. Die Befürworter der Waffenstationierung, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz, versprechen sich mehr Sicherheit durch die Waffen, äußern sich jedoch kaum öffentlich dazu. Die Situation erinnert an die Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss in den 1980er Jahren, als die NATO auf die sowjetische Aufrüstung reagierte. Damals kämpften Kanzler Helmut Schmidt und sein Nachfolger Helmut Kohl offensiv für die Stationierung der Waffen und setzten sich mit den Gegnern ihrer Politik auseinander. Ihre Entschlossenheit führte schließlich zur Abrüstung auf beiden Seiten. Im Gegensatz dazu agieren Scholz und Merz heute zurückhaltend und scheinen ihren eigenen Argumenten nicht zu trauen. Dabei ist es entscheidend, die Bevölkerung in diese Diskussion einzubeziehen und klarzumachen, dass Russland, nicht der Westen, die Bedrohung darstellt. Präsident Wladimir Putin hat mit dem Angriff auf die Ukraine das Völkerrecht missachtet, und neue Mittelstreckenwaffen in Deutschland sind eine notwendige Reaktion darauf. Die Politik muss ihre Positionen offensiv vertreten und die Bürger davon überzeugen, dass die Maßnahmen zur Verteidigung und Sicherheit beitragen. Schweigen und Arroganz sind keine Mittel, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Die Zeitenwende, wie Scholz sie nennt, erfordert klare Kommunikation und Entschlossenheit, um die Bedrohungen durch Russland abzuwehren und den Frieden in Europa zu sichern. (Ralf Neukirch, Spiegel)

Ich halte die Argumentation für fehlgeleitet. Vorweg, ich habe kein Problem mit den Mittelstreckenraketen; die Diskussion ist völlig überzogen. Die verändern so gut wie nichts, weder in die eine noch die andere Richtung. Die Debatte ist vor allem Symbolpolitik. Aber Neukirchs Vorstellung, dass es eine offensive Werbung für die Stationierung (und die restliche Zeitenwende) bräuchte halte ich zumindest für wackelig, und seine historische Argumentation mit dem Doppelbeschluss ruht auf falschen Annahmen. Schmidt hat das Ding nicht offen verteidigt. Nichts könnte ferner liegen. Wenn es nach Schmidt gegangen wäre (und ziemlich sicher auch Kohl), dann wären die Dinger geräuschlos aufgestellt worden und fertig. Schmidt hatte versucht, das Ganze aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Er positionierte sich erst für den Doppelbeschluss, als die Friedensbewegung und die Proteste ihm keine Wahl ließen. Die Idee, dass er aktiv dafür geworben hätte, ist Kokolores. Generell tun Politiker*innen das in solchen Situationen nicht, sondern versuchen, Fakten zu schaffen. Das ist letztlich auch die einzige Art, wie das funktionieren kann; würden wir alles dermaßen ausdiskutieren, würde noch weniger passieren als ohnhin. Zu welchen Themen dann Debatten ausbrechen und zu was sie die Politik zwingen (man denke an Chlorhühnchen…) ist kaum vorhersehbar.

2) Die Furcht der Bundeswehr vor der eigenen Tradition

Die Bundeswehr steht erneut vor einer Debatte über ihre Erinnerungskultur und die Frage, welche Traditionen und Vorbilder für eine moderne Armee angemessen sind. Der „Traditionserlass“ von 2018 sollte die Identität der Bundeswehr stärken, doch aktuelle „Ergänzende Hinweise“ des Verteidigungsministeriums haben Kontroversen ausgelöst. Diese Hinweise wurden nach Kritik von verschiedenen politischen Seiten und Medien zurückgezogen, was die Diskussion weiter angeheizt hat. Historisch gesehen hat die Bundeswehr lange Zeit auf Wehrmachtsoldaten als Vorbilder zurückgegriffen, was in den 1990er Jahren durch Auslandseinsätze und eine Neubewertung der Wehrmachtvergangenheit zunehmend in Frage gestellt wurde. Der Traditionserlass von 2018 betont die Bindung an die Werte des Grundgesetzes und die eigene Geschichte der Bundeswehr, erlaubt jedoch eine begrenzte Einbindung von Wehrmachtssoldaten, wenn deren Leistungen als vorbildlich gelten. Das Problem liegt darin, dass die Traditionsarbeit oft als politisch heikel angesehen wird, weshalb viele Kommandeure sie vernachlässigen. Gleichzeitig gibt es innerhalb der Bundeswehr eine Kluft zwischen denjenigen, die eine stärkere Einbindung der militärischen Vergangenheit wünschen, und denen, die solche Bezüge als überbewertet betrachten. Insbesondere in den Kampftruppen gibt es Kritik an einem Traditionsverständnis, das die spezifischen Anforderungen des Soldatenberufs nicht ausreichend berücksichtigt. Die zurückgezogenen „Ergänzenden Hinweise“ sollten dazu beitragen, die Tradition der Gründergeneration der Bundeswehr stärker zu betonen, die aus ehemaligen Wehrmachtssoldaten bestand, die nach dem Krieg zur militärischen Exzellenz und Abschreckung während des Kalten Krieges beigetragen haben. Die Debatte zeigt, dass die Bundeswehr noch immer auf der Suche nach einer geeigneten Tradition ist, die sowohl den Anforderungen der modernen Landesverteidigung gerecht wird als auch die historischen Realitäten berücksichtigt. (Sönke Neitzel, Welt)

Nicht alles, was in der Geschichte passiert ist, ist auch Tradition. Die Bundeswehr hat das einzigartige Problem, dass sie auf keine heißen Konflikte aufbauen kann, um Vorbilder für ihre Soldat*innen bereitzustellen. Die Weltkriege taugen aus offensichtlichen Gründen dafür nicht, und das 19. Jahrhundert ist auch nicht eben ohne Probleme und liegt zu weit zurück. Neitzel zeigt die Schwierigkeit der Debatte um die Tradition schön auf. Ich habe ehrlich gesagt mit seiner Interpretation wenig Probleme; ehemalige Wehrmachtsoffiziere, die sich danach in den Dienst des demokratischen Gemeinwesens stellten und aus diesem heraus die Armee aufbauten; bitte. Nur muss das eben auch das Framing und Narrativ sein, und da wirft Neitzel etwas Nebelkerzen, denn die bisherige Debatte um die Tradition der Bundeswehr stellte ja nicht in Frage, dass man Leute, die wenigstens Vernunftdemokraten wurden, dafür nicht toll finden sollte (siehe hier). Vielmehr ging es darum, ob soldatische Leistungen unabhängig von der Sache gesehen werden können, in der sie geschahen. Sprich: können Kameradschaft und Opfermut, besondere Fertigkeit etc. aus dem Zweiten Weltkrieg traditionsstiftend sein? Hier tendiere ich weiterhin zu einem Nein. Aber um die Frage schifft Neitzel herum. Für uns als Deutschland insgesamt ist es übrigens letztlich ein großes Glück, dass die Bundeswehr diese Traditionsstiftung nicht hat – es ist Beleg unserer langen Friedenszeit. Dass wir uns auch schwer damit tun, die Auslandseinsätze seit 1999 identitätsstiftend zu verarbeiten, scheint mir da das größere Problem zu sein als diese fruchtlose Wehrmachtsdebatte, ehrlich gesagt.

3) Lügen sind legal

In dem Text wird die aktuelle Diskussion um Desinformation und die damit verbundenen Maßnahmen der Bundesregierung kritisch beleuchtet. Besonders im Fokus steht die Rolle von Innenministerin Nancy Faeser und EU-Kommissar Thierry Breton, die beide im „Kampf gegen Desinformation“ aktiv sind, wobei der Text die Frage aufwirft, ob diese Maßnahmen nicht selbst in die Meinungsfreiheit eingreifen. Der Autor kritisiert, dass die Definition von Desinformation unscharf und subjektiv sei, was dazu führen könne, dass legitime Meinungen oder unbequeme Wahrheiten als Desinformation gebrandmarkt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass die meisten Bürger nicht in großem Maße mit Fake News konfrontiert seien und dass das Thema übermäßig viel Aufmerksamkeit erhalte, obwohl seine Auswirkungen noch nicht ausreichend verstanden seien. Des Weiteren wird argumentiert, dass politische Akteure wie SPD-Chef Lars Klingbeil oder Grünen-Politiker Janosch Dahmen selbst in die Verbreitung von Falschnachrichten verwickelt sein könnten, was die Glaubwürdigkeit des „Kampfs gegen Desinformation“ untergrabe. Der Text stellt infrage, ob es der Regierung wirklich darum gehe, die Bürger zu schützen, oder ob sie vielmehr ihre eigene politische Agenda durchsetzen wolle. Schließlich wird betont, dass das Grundgesetz die Meinungsfreiheit schützt, auch wenn diese Meinungen falsch oder kontrovers sind, und dass dieser Grundsatz zunehmend in Vergessenheit zu geraten scheint, besonders im Kontext des „Kampfs gegen rechts“. Der Text endet mit der provokativen Frage, ob die aktuellen Maßnahmen der Regierung selbst als Fake News betrachtet werden könnten. (Anna Schneider, Welt)

Schneider hat Recht damit, dass der Konsum von Fake News in Deutschland bei weitem nicht so hoch ist wie etwa in den USA. Wo ihre Analyse völlig in die Irre geht ist ihre Schlussfolgerung, nämlich dass es kein Problem sei und dass die Leute in der Lage seien, echte von falschen Nachrichten zu unterscheiden. Das ist erkennbar nicht der Fall. Wir haben in Deutschland nur die glückliche Situation, dass es keine reichweitenstarken Fake-News-Schleudern gibt. Man kann über die Springer-Presse sagen, was man will, aber sie leben im selben Universum wie alle anderen. Ob jungeWelt oder Welt, beide operieren innerhalb der selben Realität, mit massenhaft moderaten Medien dazwischen, die einen (natürlich imperfekten) Objetivitäts- und Neutralitätsanspruch verfolgen. Das ist etwa in den USA anders. FOX News erschafft eine komplett eigene Realität, eine Blase von Falschinformationen und Lügen, die mit der Realität wenig zu tun hat. So etwas gibt es hier schlicht nicht; NIUS und Reichelt haben glücklicherweise keine allzu hohe Reichweite. Das Problem ist aber auch nicht so klein, wie Schneider tut: das Segment wächst, und es gibt besorgniserregende Tendenzen, dass dieser Mist in den seriösen Diskurs einwandert. Wehret den Anfängen.

4) Früher waren auch wir jünger und gewalttätiger

Der Artikel behandelt die Verbindung zwischen dem Rückgang der Gewaltverbrechen und der Zunahme der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in den USA sowie Parallelen zu Deutschland. Zwischen 1990 und 2022 fiel die Zahl der Gewaltverbrechen in den USA um fast die Hälfte, während sich der Anteil der Migranten in der Bevölkerung verdoppelte. Dies widerspricht der gängigen Annahme, dass Zuwanderung zwangsläufig zu mehr Kriminalität führt. Der Autor erklärt, dass der Rückgang der Kriminalität hauptsächlich auf die älter werdende Bevölkerung zurückzuführen ist, da ältere Menschen tendenziell weniger gewalttätig sind. Diese Entwicklung lässt sich auch in Deutschland beobachten: In den 1950er Jahren gab es viele „Halbstarke“, die an Massenschlägereien beteiligt waren. Heute sind diese Menschen ältere, friedlichere Bürger. Der Artikel betont, dass die Gewaltbereitschaft unter jungen Menschen, insbesondere Männern, ein allgemeines Phänomen ist und nicht speziell auf Migranten oder Muslime beschränkt ist. Trotz allem sollten Gewaltverbrechen streng geahndet werden, aber es bestehe kein Grund, diese Verhaltensweisen ausschließlich mit bestimmten Bevölkerungsgruppen in Verbindung zu bringen. (Alan Posener, Welt)

Die Perspektive Poseners ist wertvoll, weil sie vor allem einen historischen und soziologischen Kontext schafft, der in der Diskussion gerne untergeht: ja, Gewalt in jeder Form ist vor allem ein Problem junger Männer, und ja, Messerstechereien, Prügeleien, Randale etc. sind wahrlich keine migrantische Provenienz, sondern etwas, das eher schichten- und altersabhängig ist. Aber gleichzeitig scheint er mir dabei einen Aspekt zu übersehen: die Gewalt hat in Deutschland (und im Westen allgemein) ja nicht nur abgenommen, weil die Zahl junger Männer abgenommen hat (wobei das ein wenig diskutierter Faktor ist, das ist, erneut, ein wichtiger Beitrag Poseners). Es handelt sich auch um einen kulturellen Wandel, der Gewalt deutlich tabuisiert hat und deswegen zu einem generell niedrigeren Level an Gewalt geführt hat (weswegen, by the by, die Fälle von Gewalt auch so ausführlich diskutiert werden; sie sind ein Normenbruch, wie sie es vor einigen Jahrzehnten nicht gewesen wären). Und diese Entwicklung zu einer Tabuisierung von Gewalt wurde in anderen Kulturen, aus denen die – aufgepasst: jungen Männer – stammen, die viele der durch diese Kriminalität auffallenden Einwanderungsgruppen ausmachen, nicht mitgemacht. Das ist eben die andere Seite der Medaille. – Das ändert aber leider auch nichts an den Fakten oder der Natur der Sache als neue Dog Whistle.

5) The Problematic Past, Present, and Future of Inequality Studies

Branko Milanovićs Visions of Inequality ist eine intellektuelle Geschichte, die untersucht, wie führende Ökonomen seit dem 18. Jahrhundert, darunter Adam Smith, Karl Marx und andere, mit den Konzepten der Einkommensverteilung und Ungleichheit umgegangen sind. Milanović, Forschungsprofessor für Ökonomie, konzentriert sich auf den Rückgang der Studien zur Ungleichheit während des Kalten Krieges und deren Wiederaufleben in den letzten Jahren. Er argumentiert, dass während des Kalten Krieges sowohl die USA als auch die Sowjetunion Klassenunterschiede herunterspielten, um ihre jeweiligen Ideologien zu fördern, was dazu beitrug, dass Studien zur Ungleichheit vernachlässigt wurden. Trotz des Endes des Kalten Krieges und des Zusammenbruchs der Sowjetunion hat sich die wirtschaftliche Ungleichheit im Westen nicht nur fortgesetzt, sondern sogar verschärft, was zu einem erneuten Interesse an diesem Thema geführt hat. Das Buch untersucht auch, wie die Klassenanalyse, die für frühe Ökonomen wie Smith und Marx zentral war, im 20. Jahrhundert in den Hintergrund trat. Milanović stellt fest, dass zwar die Klassengrenzen weniger scharf geworden sind, sie aber dennoch existieren, insbesondere in der Konzentration von Kapitaleinkommen unter den Reichen. Er diskutiert auch, dass Marx‘ Ansichten über Ungleichheit mehr auf die Strukturen des Kapitalismus als auf die Einkommensunterschiede abzielten, und dass Ungleichheit unter dem Sozialismus aufgrund nationalisierter Vermögenswerte und reduzierter Lohnunterschiede von selbst abnehmen würde. Milanović hebt außerdem die Rolle der Elitentheorie hervor, insbesondere Vilfredo Paretos Idee des Kreislaufs der Eliten, um die moderne Ungleichheit zu verstehen. Er stellt fest, dass sowohl die USA als auch die Sowjetunion während des Kalten Krieges die Anerkennung von Klassenunterschieden vermieden, um das Bild ihrer ideologischen Überlegenheit aufrechtzuerhalten. Das Wiederaufleben der Studien zur Ungleichheit heute, so Milanović, wird durch die wachsende Sichtbarkeit wirtschaftlicher Disparitäten und den politischen Einfluss der Eliten getrieben. Für die Zukunft sieht Milanović eine vielversprechende Entwicklung der Studien zur Ungleichheit, insbesondere in Bereichen wie globaler Ungleichheit und historischen Analysen der Einkommensverteilung. Er ist der Ansicht, dass das Verständnis von Ungleichheit in der Vergangenheit wertvolle Erkenntnisse für unsere gegenwärtigen und zukünftigen wirtschaftlichen Herausforderungen liefern kann. (Daniel Steinmetz-Jenkins, The Nation)

Spannendes Interview, das ich zur Lektüre nur empfehlen kann. Das Buch ist eher nichts für mich, weil ich in dem Thema nicht bewandert genug bin, fürchte ich. Aber die Sonderrolle Lateinamerikas ist eine Sache, die einige hier mit Sicherheit interessieren wird, und andererseits fand ich den Aspekt des „cancelns“ interessant: sowohl im Westen als auch im Osten wurden die Untersuchungen aus ideologischen Gründen blockiert. Das zeigt einerseits einmal wieder, dass Canceln nichts Neues ist, sondern immer schon gemacht wurde, und andererseits, dass es ziemlich subtil abläuft: es kann nicht sein, was nicht sein darf. Solche gesamtgesellschaftlichen Konsense sind wahnsinnig wirkmächtig.

Resterampe

a) Das Ende eines unnötigen Streits.

b) Persilscheinpolitik.

c) Our national debt problem really is simple.

d) Dieses Russland kann kein Partner Deutschlands sein. Duh. By the way, das ist wertebasierte Außenpolitik. Und sie deckt sich 100% mit unseren Interessen.

e) Jepp.

f) Dass die Werteunion kein Bein auf den Boden kriegt ist die wohl am wenigsten überraschende Politentwicklung, oder?

g) Ich halte die Idee eines konservativen Formats im ZDF für nicht doof. Zimmerer scheint mir hier schon etwas daneben zu liegen.

h) Elon Musk, Demagoge.

i) Löhne und Gehälter.

j) Oettinger jetzt China-Lobbyist.

k) Es reicht, Christian Lindner!

l) Lesenswertes Interview zum Öffentlichen Dienst.

m) Großartige Dekonstruktion populistischer Kulturkrieger.

n) Kritik an Radikalfeminismus.

o) Soll die Wirtschaft florieren, müssen wir mit Ungerechtigkeiten leben. Klar, „wir“ können das, wenn die Ungerechtigkeiten andere Leute treffen.

p) Sieben Gründe, warum die LINKE in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird.

q) Sehr guter Essay zu den verhärteten Fronten zwischen Israelis und Palästinensern.

r) Toozes Serie zur Hegomonie in den 1920ern bleibt brillant.


Fertiggestellt am 22.08.2024

{ 102 comments… add one }
  • Thorsten Haupts 27. August 2024, 08:20

    Zu 5) … und andererseits fand ich den Aspekt des „cancelns“ interessant: sowohl im Westen als auch im Osten wurden die Untersuchungen aus ideologischen Gründen blockiert.

    Das ist eine reine Behauptung von Milanovic, die durch keine Belege gestützt wird und mit meiner Erinnerung aus den achtzigern auch nicht in Einklang zu bringen ist.

    Und ganz nebenbei ist der hier vorgestellte Autor ein autoritärer Marxist, der zu den heutigen USA folgendes zu sagen hat:
    „Pareto, a student of Machiavelli, would be very much at ease in today’s United States: An elite composed of “foxes” (as opposed to “lions”) is skillfully using propaganda to claim that it is not the elite and that the society is democratic.“

    Yup, die uralte und hundertmal widerlegte Lüge, wahre Demokratie gebe es nur im Sozialismus, Milanovic-Edition 2024. Ich habe keine Ahnung, was Stefan S an dem Artikel interessant findet – für mich ist das nur die eintausendste Neuauflage eines Soundes, der mir von westdeutschen Universitäten meiner jungen Erwachsenenzeit nur allzu vertraut ist.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Lemmy Caution 27. August 2024, 13:25

      Ich kenne den nicht wirklich. Aber autoritärer Marxist geht wirklich zu weit.
      In Wikipedia lese ich…
      In Titos Jugoslawien aufgewachsen.
      Dissertation über soziale Ungleichheit im Realsozialistischen Jugoslawien.
      20 Jahre Ökonom und Chefökonom in Forschungsabteilung der Weltbank.
      Gastprofessur an mehreren namenhaften US Unis, u.a. John Hopkins. Letzteres sagt nicht viel. Da treibt sich allerhand Gesindel rum, aber weniger im Fachbereich Ökonomie.
      Es macht ihm nicht zum gläubigen Kommunisten, dass er die Demokratischen Komponenten im System der USA im Niedergang sieht. Dann wäre die Welt voller Kommunisten, inklusive mir.

      Kauf gleich direkt mal sein „Visions of Inequality: From the French Revolution to the End of the Cold War“. Inhaltsverzeichnis verheißt Hochspannung.

      • Stefan Sasse 27. August 2024, 18:36

        Schreib gerne eine Rezension, ich veröffentliche sie.

        • Lemmy Caution 27. August 2024, 20:56

          Wenn ich in den nächsten 4 Wochen nichts einsende, könnt ihr mich ab dann bis zur Einsendung Troll Caution nennen.

  • Thorsten Haupts 27. August 2024, 08:30

    Zu i)
    Bis zum Beweis des Gegenteils halte ich die gezeigte Grafik für gefälscht, sie ist jedenfalls mit Angaben des Statistischen Bundesamtes nicht in Einklang zu bringen.
    https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Realloehne-Nettoverdienste/_inhalt.html

  • Thorsten Haupts 27. August 2024, 08:32

    Zu l)
    Anknüpfend an eine unserer jüngsten Debatten:

    „WELT: Der öffentliche Dienst baut seit 2008 Jahr für Jahr mehr Stellen auf. Wie kann es sein, dass trotzdem immer mehr Arbeitskräfte fehlen? Nach Ihren Angaben sind es jetzt schon über 550.000.

    Geyer: Weil die Aufgaben durch neue Gesetze und Verordnungen immens zugenommen haben …“

    Told you so 🙂 .

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Tim 27. August 2024, 10:26

      Das muss diese Entbürokratisierung sein, von der alle seit Jahrzehnten reden.

    • Stefan Sasse 27. August 2024, 18:34

      Deswegen hab ich’s verlinkt.

  • Thorsten Haupts 27. August 2024, 08:46

    Zu o)
    Um meinen Hausphilosophen Karl R. Popper zu paraphrasieren: Das Streben nach absoluter Gerechtigkeit führt unausweichlich zu absoluter Ungerechtigkeit. Ansonsten führt der Autor nur eine Banalität aus – dynamische Systeme produzieren nun mal Ungleichgewichte, die man in der Wirtschaft unter bestimmten Gerechtigkeitsaspekten als „ungerecht“ labeln kann. Dient aber üblicherweise keiner Erkenntnis, sondern (ausschliesslich) dem politischen Zweck „Umverteilung“.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • CitizenK 27. August 2024, 13:25

      Und wohin führt das Streben nach absoluter Ungerechtigkeit?

  • Tim 27. August 2024, 09:06

    (c – Our national debt problem really is simple)

    Grundsätzlich hat er ja recht – die Republikaner sind (mindestens) seit der Reagan-Zeit fiskalisch unseriös.

    Aber seine Betrachtung ist deutlich zu „simple“. Er nimmt ja implizit an, dass das amerikanische BIP auch ohne die Steuersenkungen im selben Maß gestiegen wäre. Das ist aber unwahrscheinlich. Die Berechnungsgrundlagen der beiden Kurven sind unterschiedlich. Er tut aber so, als wären sie identisch. Unterkomplex, to put it mildly. 🙂

  • Tim 27. August 2024, 09:11

    (k – Es reicht, Christian Lindner!)

    Unglaublich. Dieter Schnaas schreibt, als hätten wir in den letzten 25 Jahren einen Staat gehabt, der das Geld der Steuerzahler zielgerichtet und effizient einsetzt und genau weiß, was er tut. In welchem Land lebt der Mann?

    Ich lese seit über 20 Jahren nicht mehr Wirtschaftswoche, offenbar eine gute Entscheidung. Solche albernen Kolumnen kann sich ein Wirtschaftsblatt nicht lange erlauben.

  • Stefan Pietsch 27. August 2024, 13:47

    3) Lügen sind legal

    Nach meiner Ansicht ist die Verbreitung von Fake News nicht das Problem, sondern das Desinteresse vieler Menschen an Information. Das beginnt keineswegs bei Facebook und endet auch nicht bei Öffentlich-Rechtlichen Sendern, die wissenschaftliche Ergebnisse nach eigener politischer Opportunität sortieren. Medien, die bei Themen wie Corona und Klimawandel den Konsumenten suggerieren wollen, es gäbe nur die eine Meinung und die eine Abwägung, verlieren zu Recht ihre Glaubwürdigkeit. Bei Corona sehen wir zunehmend, wie viel von Politik, Medien und Wissenschaft vorsätzlich gelogen wurde.

  • cimourdain 27. August 2024, 13:50

    1) Da täuschst du dich, Helmut Schmidt war einer der Urinitiatoren des Doppelbeschluss mit seiner Londoner Rede.
    https://www.welt.de/geschichte/article150282205/Als-Helmut-Schmidt-den-US-Praesidenten-anschrie.html
    Allerdings hat ihm das nicht gut bekommen, ein wichtiger Grund für das Misstrauensvotum gegen ihn war, dass CDU und FDP befürchteten, dass er angesichts der innerparteilichen Opposition dagegen „umkippt“.
    Ansonsten sind diese Raketen eines der Wunder der modernen Militärkommunikation: Sie sind gleichzeitig „nicht der Rede wert“ und „unverzichtbarer Bestandteil“, gleichzeitig zur „Verteidigung“ und „Erstschlag“ – „Friedenswaffen“ halt.

    2) Auch die Nachkriegs-Bundeswehr hat inzwischen eine inzwischen 25-jährige Tradition in diversen „heißen“ Konflikten mitzumischen. Sie hat nur nirgends eigenständig agiert.
    Und ansonsten gilt natürlich der gleich Heuchler-Maßstab wie bei den Ukrainern mit Symbolen, die bei uns verboten wären: Über Nazis kann man prima hinwegsehen, Hauptsache sie töten Russen.

    3) Du schreibst sehr korrekt in deinem letzten Satz „Wehret den Anfängen“. Ab dem Moment, in dem du eine „offizielle“ Wahrheit bestimmst (und diese mit staatsautoritären Mitteln durchsetzt) wirst du keine Demokratie mehr haben können.
    Und deine Betrachtung der deutschen Medienlandschaft berücksichtigt nicht, dass zu der von dir erwähnten Axel Springer SE nicht nur die (von dir konsumierte) Welt, sondern auch die Bildzeitung gehört. Auch dem Bauer-Verlag kann man vorwerfen, dass sein Geschäftsmodell Gerüchte (fake-news in spe) über Adelsfamilien sind. Was tatsächlich ein sehr deutscher Trend ist, ist das Ausmaß, in dem die Medienkritik sich als Kampfzone begreift. Egal ob Fundamentalkritik (apolut), Einzelfallkritische Kultur (BIldblog) oder affirmative Position (correctiv), immer wird die Kennzeichnung der anderen Seite als „fake news“ (wobei es meist nur um „biased perspective“ geht) als Waffe im Kampf um eine Deutungshoheit verwendet.

    5) Mir fällt in dem Interview auf, dass Milanovic nirgends differenziert zwischen ökonomischer „Kaufkraft“ und gesellschaftlicher/politischer „Einflussmacht“. Dadurch kommt sehr leicht dieses platte „Die Reichen ‚canceln‘ Ungleichheitsstudien“ zustande. Du kriegst noch die Kurve mit dem Hinweis, dass gesellschaftliche Normalitäten da die Wahrnehmung viel stärker bestimmen als bewusste Einflussnahme. Und ja, ökonomische Ungleichheit ist ein Thema, das unangenehmer ist als „Kulturkampfblödsinn 1234“, weil es das jeweilige System in Frage stellt, ein System, in dem sich der interessierte Journalist/Ökonom/Politiker einen guten Platz gesichert hat. Deshalb kommt dieses Thema mit schöner Regelmäßigkeit kurz auf die Agenda – (99%-vs-1%, Finanzkrise, Mindestlohn, Milliardäre, Hartz-Kürzung), aber selten (Mindestlohn) wird es nachhaltig an Politiken oder Diskursen etwas verändern.

    • Thorsten Haupts 27. August 2024, 16:17

      Über Nazis kann man prima hinwegsehen, Hauptsache sie töten Russen …

      Ach, die ukrainischen Nazis, die Russen töten, zeigen Sie uns dann mal, bestimmt. Ich lasse die letzten 5 Jahre gelten. Sonst lügen Sie einfach.

      • cimourdain 27. August 2024, 17:06

        Hier Times
        https://www.thetimes.com/world/russia-ukraine-war/article/azov-battalion-drops-neo-nazi-symbol-exploited-by-russian-propagandists-lpjnsp7qg

        Newsweek
        https://www.newsweek.com/why-have-so-many-neo-nazis-rallied-ukraines-cause-opinion-1804642

        Correctiv
        https://correctiv.org/faktencheck/2022/09/30/ja-auf-diesem-foto-traegt-ein-ukrainischer-soldat-einen-totenkopf-aufnaeher-mit-ss-motiven/

        Und sparen Sie uns die Rechtfertigungstheologie mit der Sie all diese „bedauerlichen“ (weil propagandistisch ausschlachtbaren) Einzelfälle erklären. Verarschung brauche ich in dem Zusammenhang echt nicht. Wir wissen beide, dass es OPPORTUN ist, über diese unangenehme Wahrheit hinwegzusehen, weil diese Nazis der NATO nützlich sind (Dem Geschichtsinteressierten, der Sie sind, verweise ich auf die Operation „Paperclip“)

        • Lemmy Caution 27. August 2024, 18:05

          Ich habe gehört, dass sich nun auch Juan Guaido, der Economic Hitman und gleich 3 Siths von Krieg der Sterne der Asow Brigade angeschlossen haben.
          Hier wird Brigade Asow ausführlich diskutiert. https://de.wikipedia.org/wiki/Brigade_Asow
          Viele Meinungsäußerungen werden dir da nicht gefallen. Diskutiere mit diesen Leuten und Du bekommst eine größere Reichweite.

          • Stefan Sasse 27. August 2024, 18:41

            Hatte ich im Vermischten jüngst ja auch angesprochen. Ich verstehe auch nicht, warum Thorsten und Stefan (?) da so vehement in Ablehnhaltung sind; das erinnert an Linke, wenn es um migrantische Gewalt geht. Kann nicht sein, was nicht sein darf. Ich meine, klar sind da auch Nazis dabei. No shit. Wenn Deutschland angegriffen würde, hätten wir auch einen guten Teil der jetztigen Wehrsportgruppe Hoffmann und dem ganzen anderne Gesindel schnell in Uniform. Und würden da etwas lockerer drüber wegschauen.

            • Thorsten Haupts 27. August 2024, 19:20

              Huh? Ich hatte nach Belegen gefragt, cimourdain hat welche geliefert (einen Teil davon kannte ich schon).

              Also scheint es ein paar Leute mit Nazisymbolen oder -sympathien zu geben (mehr geben die Artikel nämlich gar nicht her), die auch zu den Verteidigern der Ukraine gegen den russischen Vernichtungskrieg gehören. Ich kann mir zwar nach seinen bisherigen Posts gut vorstellen, dass cimourdain das nur allzu gerne als Grund heranziehen würde, der Ukraine weitere Unterstützung zu verweigern.

              Aber warum die geschilderten Fälle wichtig genug sind, um westliche Spitzenpolitiker zur Erwähnung zu zwingen (das steckt hinter dem blöden Vorwurf „opportun übersehen“), das muss mir nicht einleuchten und tut das auch nicht. Die ukrainische Politik wird nicht von Nazis bestimmt, sie ist sichtbar nicht nazistisch und das Militär der Ukraine weit überwiegend auch nicht.

              Warum also verlangt cimourdain, das öffentlich zu thematisieren? Da fallen mir Gründe ein – und keiner davon ist wirklich gut.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Stefan Sasse 27. August 2024, 20:04

                Sicher! Aber erneut, das Problem ist, wenn das nicht thematisiert werden darf, quasi ein Tabu darauf liegt.

                • Thorsten Haupts 28. August 2024, 11:33

                  Tschuldigung Stefan, aber Asow wurde und wird in der deutschen Linken unter Einschluss grosser Teile der SPD seit 2014 rauf und runter diskutiert und oft als Argument herangezogen, dass die Russen ja doch gute Gründe für ihren Vernichtungskrieg haben.

                  Und das macht mich regelrecht wütend. Denn es ist Trumpismus – das Aufblasen völlig irrelevanter, nebensächlicher und bedeutungsloser Anekdoten zu grosser Politik. Selbst wenn in einem ganzen Militärbataillon (800 Mann) jeder einzelne ein strammer Nazi wäre, ist das angesichts einer Armeestärke von vielen hunderttausend vollständig bedeutungslos. Es hat zero Auswirkungen irgendwo, für irgendwen und schon gar nicht für die ukrainische Regierungspolitik.

                  Weshalb die ständige Erwähnung dieser sporadischen Evidenz für Nazis bei cimourdain auch nicht dadurch zu erklären ist, dass das eben ein relevanter Fakt für diesen Krieg wäre. Das ist absolut eineindeutig nicht der Fall.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Tim 28. August 2024, 13:20

                    100 % Zustimmung. Wie ich immer gern sage, sind das Themen, die man bequem vom heimischen Sofa aufbringen kann, wenn die Front schön weit weg ist. Sehr deutsch.

                  • Stefan Sasse 28. August 2024, 14:34

                    Wie gesagt, ich stimme dir inhaltlich ja völlig zu. Nur sollte man aufpassen, dass man es nicht zu sehr kleinredet.

              • cimourdain 28. August 2024, 11:14

                Wenn Sie die Belege kennen, aber über meine Motive nur Vermutungen anstellen können, warum fragen Sie nach dem einen und nicht nach dem anderen?
                Es geht mir um zwei Erkenntnisse
                1) Söldner, Soldateska und Paramilitärs haben einen Faible für Nazitum – und darüber wird hinweggesehen, wenn diese nützlich sind. Gilt nicht nur für Ukraine, Putin hatte für seinen „antifaschistischen“ Krieg auf Söldner zurückgegriffen, die nach Hitlers Lieblingskomponisten benannt waren (und das nicht wegen der Musik). Verallgemeinert: Militarismus ist Gift für die Demokratie.
                2) Aufgrund des Krieges haben rechtsnationalistische (vorsichtige Wortwahl) Kräfte massiven Einfluss in der Ukraine und die (eigentlich gemäßigte) Regierung Selensky muss deshalb ethnonationalistische Politik durchführen.

                Daraus resultierend sehe ich als absolut notwendige Handlung neben der Forderung nach schneller Beendigung des Krieges (nicht überraschend) einen massiven Nachkriegsaufbau der Ukraine (Das habe ich schon beim letzten Vermischten angesprochen). Nichts wäre für Europa gefährlicher als eine verarmter aber hochgerüstete Ukraine mit einem hypernationalistischen, revanchistischen Militär.

                • Thorsten Haupts 28. August 2024, 12:16

                  … und darüber wird hinweggesehen …

                  Und genau das ist Unsinn – bei den dokumentierten Grössenordnungen muss man nicht „hinwegsehen“. Es ist schlicht nur mit einer speziellen Lupe zu erkennen – warum setzen Sie diese Lupe ständig ein?

                  Aufgrund des Krieges haben rechtsnationalistische (vorsichtige Wortwahl) Kräfte massiven Einfluss in der Ukraine …

                  DAS haben Sie in keiner Weise belegt.

                  … Forderung nach schneller Beendigung des Krieges …

                  Die Adresse der russischen Regierung ist bekannt. Sie kann den Krieg morgen beenden, dann ist er zu Ende.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                • CitizenK 28. August 2024, 12:44

                  „Forderung nach schneller Beendigung des Krieges“

                  Schließt das den sofortigen Rückzug der russischen Truppen mit ein – und die Rückführung der nach Russland deportierten Kinder?

                • sol1 28. August 2024, 21:25

                  „Nichts wäre für Europa gefährlicher als eine verarmter aber hochgerüstete Ukraine mit einem hypernationalistischen, revanchistischen Militär.“

                  Inwiefern wäre eine solche Ukraine gefährlicher als das aktuelle Rußland (verarmt, aber hochgerüstet mit Atomwaffen. mit hypernationalistischer, revanchistischer Regierung und Militär)?

            • Stefan Pietsch 27. August 2024, 20:55

              Sorry, ich weiß nicht, wovon Du redest und worüber ihr diskutiert. Aber macht mal weiter. 🙂

    • Stefan Sasse 27. August 2024, 18:38

      3) Ich lese die genannten Portale nicht regelmäßig, aber mir wäre neu, dass die Springer Fake News unterstellen.

      • cimourdain 28. August 2024, 08:49

        Der Begriff Fake News ist sehr schwammig, wenn verfälschte Darstellung, verschwiegener Kontext oder irreführende Zahlen dazu gehören, ist das dauernd Thema. Hier die letzten beiden Beispiele aus Bildblog:
        https://bildblog.de/144835/bild-laesst-ministerium-falsche-acht-millionen-euro-fuer-eitle-pr-ausgeben/
        https://bildblog.de/60433/schutzwesten-gegen-asylbewerber/

        • Stefan Sasse 28. August 2024, 09:48

          Fake News sind erfundene Dinge. Lügen. Das ist was völlig anderes als das was du nennst, sorry.

          • Thorsten Haupts 28. August 2024, 11:41

            So wird das Wort vielleicht von Dir verwendet. Aber eben nicht in der öffentlichen Debatte. Da bezeichnet „Fake News“ alles, was einem anderen an Einordnung, Wertung und Betonung nicht passt. Sonst wäre es auch einfacher, schlicht von „Lügen“ zu sprechen.

            • derwaechter 28. August 2024, 12:13

              Nein, Fake News sind zwar Lügen, aber Lügen sind nicht Fake News.

              Stefans Nutzung ist durchaus korrekt und auch verbreitet.
              “ Nevertheless, the term does not have a fixed definition and has been applied broadly to any type of false information presented as news.“

              Die Übernahme des Begriffes um unangenehme, aber eben nicht falsche, Nachrichten zu verunglimpfen, gibt es natürlich auch. Besonders ein gewisser Herr Trump hat sich diese Nutzung zu eigen gemacht. Grund genug davon Abstand zu nehmen.

            • Stefan Sasse 28. August 2024, 14:36

              Ich benutz den Begriff ja praktisch gar nicht, weil er so beliebig wurde. Aber es ist nicht meine Schuld, wenn andere Leute das machen. Ich verwende ihn für das, was er bezeichnet.

          • cimourdain 28. August 2024, 11:45

            „Lügen“ haben fast immer einen „Wahrheitsanteil“, deshalb ist die Grenzlinie zwischen „Lüge“ und „Falschdarstellung“ grau und verschmiert. Konkretes Beispiel: Springerpresse vermeldet „Landgericht München bestätigt: Letzte Generation ist kriminelle Vereinigung“. Wahrer Kern: Das Gericht hat verfahrenstechnisch der Polizei rechtgegeben, die einen Anfangsverdacht(!!) für die Bildung einer k. V. angenommen hatte. ‚Fake News‘ oder nur verschobene Darstellung?

  • Stefan Pietsch 27. August 2024, 13:55

    4) Früher waren auch wir jünger und gewalttätiger

    Woher kommen den die vielen jungen gewaltbereiten Männer? Ihre hohe Zahl war nur möglich durch eine Politik der offenen Grenzen, bei der den Bürgern noch durch einige Medien suggeriert wurde, es kämen vor allem verzweifelte Kriegsflüchtlinge – Frauen und Kinder. Dabei wusste man schon 2015, dass über 70 Prozent der Asylbewerber männlich und die meisten unter 40 sind. Wir haben das Problem sehenden Auges importiert und angeheizt.

    Und es sind auch nicht junge Männer ohne Migrationshintergrund, gerne als „Kartoffeln“ verbrämt, die Messerstechen und Frauen in Gruppen vergewaltigen. Es ist eine importierte Kultur. Und inzwischen ist das leider unumkehrbar. Die Politik sollte sich ihre Krokodilstränen also sparen, wenn wieder ein Messerattentat oder eine Gruppenvergewaltigung öffentliches Aufsehen erregt. Anders als behauptet, sind diese Taten nicht sinnlos. Sie sind aus Sicht der Täter nicht sinnlos – weder davor noch danach. Diese Gesellschaft, die wir jetzt haben, mit vielen gewaltbereiten, muslimisch geprägten Männern, die vom Staat und der Gesellschaft abhängig sind, die sie verachten, die haben wir gewollt.

    Das ist die traurige Wahrheit.

  • Stefan Pietsch 27. August 2024, 14:06

    a) Das Ende eines unnötigen Streits.

    Zwei der drei Protagonisten wollen als Spitzen der Regierung dem Parlament einen Haushaltsentwurf vorlegen, der größere Löcher als ein Schweizer Käse hat und dazu in Teilen verfassungswidrig ist. Und da ist der Streit „unnötig“? Eigentlich hätte es den Streit nicht geben dürfen, denn es versteht sich eigentlich von selbst, dass eine seriöse Regierung einen durchgerechneten Budgetentwurf gemäß der geltenden Gesetze aufstellt. Aber die Ampel ist zu solchen Selbstverständlichkeiten nicht in der Lage.

    i) Löhne und Gehälter.

    Ein schönes argumentatives Eigentor. Die Grafik zeigt in ihrer Klarheit, wie dumm die politische Ansicht ist, dass eine hohe Inflation kein Problem darstelle, da die Löhne ja entsprechend angepasst werden könnten. Die Wirtschaftswissenschaften haben solche Ideologien zigmal widerlegt, leider werden sie immer wieder geglaubt.

    k) Es reicht, Christian Lindner!

    Zur Erinnerung: Es war Lindners Idee, mit dem Sondervermögen Bundeswehr der Regierung Spielräume zu ermöglichen. Nur sind Spielräume nicht unendlich dehnbar.

    Saskia Esken hat dieser Tage die Schuldenbremse für das Attentat in Solingen verantwortlich gemacht. Teile der Linken werden immer irrer.

    o) Soll die Wirtschaft florieren, müssen wir mit Ungerechtigkeiten leben. Klar, „wir“ können das, wenn die Ungerechtigkeiten andere Leute treffen.

    Eine prosperierende Gesellschaft produziert Ungleichkeiten bei Einkommen und Vermögen. Eine stagnierende Gesellschaft stirbt in Gleichheit. Tausend Mal erlebt, in Deutschland nicht akzeptiert. Die Ungleichkeit trifft die weniger Leistungsfähigen und weniger Leistungsbereiten. Was ist daran ungerecht?

  • Erwin Gabriel 27. August 2024, 17:49

    k) Es reicht, Christian Lindner!

    Was mich hochgradig an solchen Beiträgen irritiert, ist, dass JEDER nur darauf zu schauen scheint, dass wir viel Geld brauchen. Aber NIEMAND schaut, wie viel Geld hereinkommt, was wir damit machen, welche weiteren Aspekte außer Geld uns ausbremsen, und welche Risiken wir durch höhere Schulden eingehen.

    Ein paar tun zwar so als ob, aber nach bedauerlichem Schulterzucken – „die Situation ist halt, wie sie ist“ – wird unser Zustand, unsere Ineffizienz und Verschwendung und das Verdrängen struktureller Probleme weiter festgeschrieben.

    • Stefan Sasse 27. August 2024, 18:39

      Ich stimme deiner Kritik durchaus zu. Was mich rasend macht ist dass von der FDP nichts kommt außer einen SCHLECHTEREN Status Quo festzuschreiben. Ich würde wirklich gerne sehen, wo Initiative unleashed, unnötige Bürokratie entfernt wird usw. Was ich sehe ist Zahlenmassage.

      • Erwin Gabriel 27. August 2024, 20:00

        @ Stefan Sasse 27. August 2024, 18:39

        Ich stimme deiner Kritik durchaus zu. Was mich rasend macht ist dass von der FDP nichts kommt außer einen SCHLECHTEREN Status Quo festzuschreiben.

        Wenn nichts passiert, ist das gut im Vergleich zu dem, was passieren würde, wären die Liberalen nicht mit am Start. verstehe mich da bitte nicht falsch: Ich bin hochgradig deprimiert, wenn ich sehe, dass die FDP von einer Macher- zu einer Verhinderer-Partei verkommt. Aber ich nehe zur Kenntnis, mit welchem Bullshit Grüne, FDP, Linke. BSW und teilweise CDU daherkommen. Die AfD fehlt, weil sie nicht ständig mit Kram daherkommt, wo man unbedingt mehr Geld raushauen muss, damit dieser Politiker und jene Partei so tun kann, als ob sie die Welt verbessert; deren Bullshit liegt woanders.

        Ich bin wirklich nicht begeistert von der FDP, aber es ist halt derzeit immer noch das kleinste Häufchen.

        Ich würde wirklich gerne sehen, wo Initiative unleashed, unnötige Bürokratie entfernt wird usw. Was ich sehe ist Zahlenmassage.

        Das Thema hatten wir schon; ist derzeit offenbar nicht machbar, weil es sehr viel Energie braucht. Macht gereade für keine Partei wirklich Sinn, denn aus jeder Vereinfachung kann die Seite, die nicht auf diese Idee gekommen bzw. dagegen ist, eine Verschlechterung machen.

        • Stefan Sasse 27. August 2024, 20:05

          Ich habe völlig Verständnis für Grenzen der Machbarkeit, besonders für eine kleine Partei. Den Grünen geht’s ja auch nicht anders. Niemand kann sich je vollständig (oder auch nur signfikant) durchsetzen, alles sind immer Kompromisse. Aber wie du schon schreibst, der Wandel zur Verhinderungspartei ist deprimierend, und offensichtlich elektoral auch nicht sonderlich zielführend. Aber ich kann das Dilemma der Partei politisch völlig nachvollziehen. Ich weiß, warum sie handeln wie sie handeln. Ich weiß ja auch, woher gewisser Bullshit kommt, über den sie sich aufregen (ich sag nur Laufzeitverlängerung…). Das sind ja dieselben Mechanismen.

        • Stefan Pietsch 27. August 2024, 20:26

          Die Rolle als Verhinderungspartei war so bereits in den Sondierungsverhandlungen festgelegt worden. Das habe z.B. ich hier früh thematisiert. Die FDP erhielt für ihre Zustimmung zur Ampel keine Gestaltungsrechte, sondern nur die Essentials Einhaltung der Schuldenbremse und keine Steuererhöhungen.

          Es ist billig der FDP vorzuwerfen, sie bestehe auf die selbstverständlichen Essentials. Ansonsten haben die Liberalen wahnsinnig viel durchgewunken, was ihren Anhängern gegen den Strich geht: Sondertopf Klimaschutz, Heizungsgesetz, Reform von Hartz IV zu einem bedingungslosen Grundeinkommen light, Fortsetzung der ultraliberalen Migrationspolitik, Wahlrechtsreform, Deutschlandticket, Staatsbürgerschaftsreform, Erleichterung der europäischen Schuldenregeln. Nur Teile davon waren im Koalitionsvertrag vereinbart.

          Die FDP hat dafür den höchsten Preis aller Ampelparteien gezahlt. Die Wähler ließen die Partei gleich zu Beginn im Frühjahr 2022 bei regionalen Wahlen durchfallen und halbierten sie meist. Zu behaupten, die schlechten Umfragewerte seien auf ihre angebliche Blockade zurückzuführen, ist reine Ideologie.

          • Erwin Gabriel 28. August 2024, 10:05

            @ Stefan Pietsch 27. August 2024, 20:26

            Zu behaupten, die schlechten Umfragewerte seien auf ihre angebliche Blockade zurückzuführen, ist reine Ideologie.

            Zustimmung. Die Leute, die sich über die „Verhinderungspartei“ aufregen, hätten sie eh nie gewählt. Aber die, die eine wirtchaftsfreundlichere Politik, weniger Bürokratie und weniger verschwendung erhofften, wurden enttäuscht.

            • Tim 28. August 2024, 11:41

              Aber die, die eine wirtchaftsfreundlichere Politik, weniger Bürokratie und weniger verschwendung erhofften, wurden enttäuscht.

              Und zwar nicht zum ersten Mal. Wie Stefan ja schon geschrieben hat, ist gegen Bürokratie und Verschwendung leider kein Kraut gewachsen. Den Bürokraten ist es egal, sie leben davon. Es wird auch künftig immer mehr Gesetze, Verordnungen, Pflichten, Dokumentationen geben.

              Man kann leider nicht mit den Füßen abstimmen. Helfen würden kleinräumige, möglichst unabhängige Kantone, die sich gegenseitig Konkurrenz machen. Aber auch das wird natürlich nie passieren. Selbst in der Schweiz gibt es eine sehr langfristige Tendenz zu immer mehr Bundeskompetenz. Staaten haben eine angeborene Allergie gegen Wettbewerb.

              Erst wenn die Bürokraten selbst an ihren Aufgabe ersticken, wird es – vielleicht – Linderung geben. Aber es wird Linderung vorrangig für die Bürokraten sein, nicht für die anderen, die unter ihren Ideen leiden.

              • sol1 28. August 2024, 21:37

                „Helfen würden kleinräumige, möglichst unabhängige Kantone, die sich gegenseitig Konkurrenz machen. Aber auch das wird natürlich nie passieren.“

                Weil es natürliche Grenzen des Trittbrettfahrertums gibt (die Schweiz als ganzes ist natürlich auch ein Trittbrettfahrer).

  • Erwin Gabriel 27. August 2024, 17:52

    o) Soll die Wirtschaft florieren, müssen wir mit Ungerechtigkeiten leben.

    Klar, „wir“ können das, wenn die Ungerechtigkeiten andere Leute treffen.

    Definiere „Ungerechtigkeit“ (bitte über den Punkt hinaus, dass jemand mehr will, weil ein anderer mehr hat). Und schön wäre ein konstruktiver Lösungsvorschlag.

    • Stefan Sasse 27. August 2024, 18:39

      Lösung für was…? Mir ist etwas unklar, was genau du denkst, was ich da geschrieben habe.

      • Erwin Gabriel 27. August 2024, 20:03

        @ Stefan Sasse 27. August 2024, 18:39

        Lösung für was…? Mir ist etwas unklar, was genau du denkst, was ich da geschrieben habe.

        Das, was da steht ? 🙂

        Klar, „wir“ können das, wenn die Ungerechtigkeiten andere Leute treffen.

        Liest sich für mich so wie:

        „Ja, Zustimmung, die Welt ist ungerecht, und diejenigen, die profitieren, scheren sich nicht drum“.

        Wie sollen sich Umstände vermeiden lassen, die nicht von irgendjemandem als „ungerecht“ empfunden werden?

  • Erwin Gabriel 27. August 2024, 17:57

    b) Persilscheinpolitik.

    Schöne Zusammenfassung. Dankie für den Link!

  • Lemmy Caution 27. August 2024, 20:54

    zu 1) „Aber die Sonderrolle Lateinamerikas ist eine Sache, die einige hier mit Sicherheit interessieren wird“
    Branko Milanović geht ja auf den Einwurf des Interviewers zur Dependenz-Theorie überhaupt nicht ein. Diese Theoriewelt war schon in den 90ern kein Ding mehr. Der rasante Aufschwung der exportorientierten neuen ostasiatischen Industrieländer ließ die Theorie alt aussehen, wie hier auch in wikipedia gut dargestellt: https://de.wikipedia.org/wiki/Dependenztheorie#Stellenwert_der_Dependencia-Theorien
    Fernando Henrique Cardoso als einer der wichtigsten Vertreter der Theorie wurde in den 90ern zum Präsidenten Brasiliens gewählt. Er hatte sich aber schon lange davor von der eigenen Theorie emanzipiert und regierte als Liberaler. Ich habe vor ein paar Jahren das in der chilenischen Unidad Popular Zeit sehr beliebte Buch von Gunder Frank gelesen, allerdings mehr als Fantasy Literatur.
    Das Ganze war eingebettet in die heute erstaunlich wenig bekannte ISI Phase 1935 bis 1979 in Lateinamerika. ISI steht für Importsubstituierende Industrialisierung. Das wurde in der Verschuldungskrise begraben. Hier ein genialer Beitrag des chilenischen Linken Jorge Baradit für den eher rechten Fernsehkanal Chilevision zu der Importsubstitution in Chile. Lohnt sich auch mit deutschen Untertiteln. Die ersten 35 Minuten.
    https://www.youtube.com/watch?v=JRaxEQZOM4k

    Manchmal erleben so Theorien auch Wiederauferstehungen. Ich sehe die Deindustrialisierung Europas kritisch. Wenn unsere Konzerne China für ein bisschen mehr Effizienz das Seil verkauft haben, an dem die uns aufknüpfen, werden vielleicht die heutigen Neoliberalen diese Theorie für sich wiederentdecken. One never knows.

  • Dennis 27. August 2024, 22:00

    1)

    Eigentlich ist das, was der SPIEGEL-Autor beanstandet, leicht zu erklären. Merz will sich nicht mit der Ostzonen-CDU anlegen und – ähnlich – der Scholz sich nicht mit dem Wagenknecht-Flügel in seiner Partei. Es könnte also sein, dass wir es bei den genannten Herren mit Leichtgewichten zu tun haben, die nicht die Absicht haben, in ihrem Polit-Dasein irgendetwas zu riskieren sondern die angezogene Handbremse bevorzugen.

    Zitat Stefan Sasse:
    „Schmidt hatte versucht, das Ganze aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Er positionierte sich erst für den Doppelbeschluss, als die Friedensbewegung und die Proteste ihm keine Wahl ließen. “

    Der Schmidt war – darauf hat schon cimourdain hingewiesen – der wesentliche AUTOR in dieser Sache. Positionierungsmäßig hat er sich also zu sich selbst positioniert^.

    Der formale NATO-Beschluss selbst stammt vom Dezember 1979. Carter musste zuvor erstmal überzeugt werden, was letztlich auch gelang. Die deutsche Seite hat das Projekt – wie gesagt – nicht nur mitgetragen sondern selbst wesentlich gefordert. Danach kam es tatsächlich zu entsprechenden Verhandlungen mit der SU, die sich zunächst mal ergebnislos hinzogen.

    All die Sachen wurden lang und breit in den damaligen Medien durchgekaut. Konnte man alles verfolgen, falls man insofern interessiert war. Falls Letzteres beim Publikum nicht vorliegt, hat das nichts mit Heimlichkeiten zu tun. Hätte der Schmidt die Leute draußen im Lande einzeln zu Hause aufsuchen sollen oder wie oder was ?

    Die Friktionen in der SPD damals sind allgemein bekannt. Falsch ist, dass der Schmidt darob eingenickt wäre. Der hieß ja nicht Scholz.

    Zitat Stefan Sasse:
    „Wenn es nach Schmidt gegangen wäre (und ziemlich sicher auch Kohl), dann wären die Dinger geräuschlos aufgestellt worden und fertig.“

    Sehr, sehr eigenwillig interpretiert. Die tatsächliche Aufstellung wurde im Bundestag beschlossen – nach einer hitzigen Debatte daselbst. Das war 1983, nach dem Regierungswechsel. Von „geräuschlos“ oder, dass das auch nur angestrebt worden wäre, kann ernsthaft keine Rede sein. Zuvor – am Jahresanfang 1983, vor der Wahl – war im Übrigen der Mitterrand im Bundestag und hat eine Ansprache gehalten. Offiziell galt das dem 20-jährigen Jubiläum des Élysée-Vertrages, aber der Mitterrand hat die Gelegenheit wahrgenommen, um Kohl in der Nachrüstungsdebatte zu unterstützen; diplomatisch verklausuliert aber ausreichend deutlich. Das Aufsehen kam dem Kohl grade recht; nicht zuletzt für die – außerplanmäßige – Wahl, die kurz bevor stand. Verträgt sich nicht gut mit der angeblich beabsichtigen Geräuschlosigkeit. Letzteres ist eh unmöglich.
    Mit dem Giscard-Freund Schmidt wollte der Mitterrand allerdings auch nichts zu tun haben. Aber den war er – dank Kohl – ja los.

    • Stefan Sasse 27. August 2024, 22:24

      Wenn es nach ihm gegangen wäre. Und ich weiß das, mein Punkt ist die ÖFFENTLICHE Positionierung, das zu-einem-Thema-machen.

      • sol1 28. August 2024, 21:43

        Aktuell wird das von den Kreml-Proxies AfD und BSW zum Thema gemacht – und die haben wesentlich mehr Gewicht als ihre Geistesverwandten DKP und NPD, die bei den Bundestagswahlen 1980 und 1983 jeweils 0,2 % bekamen.

        • Thorsten Haupts 30. August 2024, 10:44

          Na ja. Die deutsche Friedensbewegung der achtziger brachte Millionen auf die Strasse, also zum aktiven Demonstrieren. Sie hatte nur noch keine parlamentarische Vertretung, die bekam sie später mit den GRÜNEN. Das Parteiengewicht ist hier ein irrelevanter Indikator.

          • Stefan Sasse 30. August 2024, 11:21

            Wobei wichtig zu betonen ist, dass die Friedensbewegung wesentlich diverser aufgestellt war als die Grünen 1983 dann. Die haben ein wenn auch großes Subset der Friedensbewegung inkorporiert, aber bei weitem nicht alle.

    • Dennis 28. August 2024, 08:56

      Ähm…sollte im 6. Absatz eigentlich „eingeknickt“ heißen, aber „eingenickt“ gefällt mir nachträglich auch ganz gut. Passt auch besser zu Scholz.

  • Ariane 27. August 2024, 22:38

    Es handelt sich auch um einen kulturellen Wandel, der Gewalt deutlich tabuisiert hat und deswegen zu einem generell niedrigeren Level an Gewalt geführt hat
    Es ist absolut krass, wie schnell und umfangreich die Veränderung war und ist. Wenn man gelegentlich über Dinge aus den 80ern/90ern stößt, sowas wie Chaostage Hannover oder andere Sachen (Fußballspiele, in Westeuropa irgendsoein Royalkram), das war total normal, dass großflächige Randale ausgebrochen sind mit Verletzten und häufig auch Toten. Da würde man heute wochenlang Notstand ausrufen (wir hatten das im Podcast zu Silvester ja auch thematisiert)

    Und ja, hat auch mit den Medien zu tun, an der gefühlten Sicherheitslage scheint das nicht soviel zu ändern. Ist mir neulich im Nachhinein aufgefallen, weil es soviele Takes gab „Frauen trauen sich alleine nicht mehr auf die Straße“. Ich kam neulich nachts nach längerer Fahrt nach Hause und war erstmal noch an der Selbstbedienungstankstelle und dann bei McDonalds. Klar Landkreis Verden jetzt nicht Hauptbahnhof Frankfurt die Dorfjugend trifft sich scheinbar um Mitternacht für ein Eis bei McDonalds, aber es war nicht mal gruslig und absolut gesittet.

    Das hat sich imo sehr stark an die Ränder verlagert, wo Gruppen junger Männer zusammenkommen und Männlichkeit zu einem erheblichen Teil über Gewalt und Dominanz ausgehandelt wird. Das gilt sowohl für Migranten als übrigens auch diese Nazidemos letztes Wochenende im Osten bei den Gegendemos zu den CSDs. (vermutlich kein Zufall)

    Aber halt: insgesamt positive Entwicklung, individuell vielleicht sogar immer irgendwie erklärbar (aufm Dorf gibts ja nicht, boys will be boys, er war verzweifelt und drehte durch, blablubb). Ist mir scheißegal, da bin ich kompromisslos, keine Ausreden für Arschlochverhalten – schon gar nicht, wenn Gewalt im Spiel ist.
    Um ein beliebtes Meme umzuwandeln: Auch Männern (jung oder alt) stehen heute leichtere Wege offen, um mit ihren Gefühlen klarzukommen.

    • derwaechter 27. August 2024, 23:49

      „Chaostage Hannover oder andere Sachen (Fußballspiele, in Westeuropa irgendsoein Royalkram), das war total normal, dass großflächige Randale ausgebrochen sind mit Verletzten und häufig auch Toten.“

      Na ja. Ich denke auch, dass es eine Entwicklung hin zu weniger Toleranz für Gewalt gegeben hat. Und in vielen Bereichen auch weniger Gewalt.

      Aber die genannten Beispiele wurden nicht als „normal“ hingenommen. Chaostage z.B. waren doch ein grosses Thema in den Medien. Ich glaube die Berichterstattung und Wahrnehmung unterscheidet sich nicht grundlegend von heute bei G7, 1.Mai oder ähnlichem Krawallen. Gewalt beim Fußball wurde auch zunehmend mehr wahrgenommen und aktiv angegangen.

      Und gab es wirklich „häufiger auch Tote“? Bei den Chaostagen so weit ich weiß nicht

      • cimourdain 28. August 2024, 09:00

        Bei Chaostagen oder 1. Mai Krawallen gab es meines Wissens keine Todesfälle. Bei Fußballkrawallen hierzulande insgesamt vielleicht 3 oder vier (Ich erinnere mich düster an einen französischen Gendarm in den 90ern).

        • derwaechter 28. August 2024, 11:07

          Das war der furchtbare Angriff deutscher Hooligans auf den französichen Polizisten Daniel Nivel. Er ist allerdings nicht gestorben, wurde aber schwer verletzt und lag lange im Koma.

          Der öffentliche Umgang mit dem Fall bestätigt allerdings meine These, dass so etwas eben nicht als normal wahrgenommen wurde.

          Es gibt ein WDR Zeitzeichen dazu. Wie immer in dieser Reihe sehr höhrenswerte und informative Viertelstunde
          https://www1.wdr.de/mediathek/audio/zeitzeichen/audio-schande-von-lens-hooligan-angriff-auf-daniel-nivel-100.html

          • Thorsten Haupts 28. August 2024, 13:35

            Es gab damals dutzende von Artikeln, Kommentaren, Verurteilungen in ausnahmslos allen deutschen Leitmedien inkl. ÖRR. Über (erinnert) etwa 2 Wochen hinweg. Das wurde als absoluter Tabubruch wahrgenommen. Soviel zum Thema „Früher war Gewalt doch völlig normal“.

          • Thorsten Haupts 28. August 2024, 16:57

            Und korrigiert mich, wenn ich falsch liege – aber war Nivel nicht der Auslöser für eine der drastischsten Rechtsverschärfungen der letzten 20 Jahre: Seitdem können Behörden festlegen, Leute, die als Gewalttäter gelten (ohne Verurteilung!), nicht mehr zu Fussballspielen reisen zu lassen? Ich meine, mich dunkel zu erinnern.

            • derwaechter 28. August 2024, 19:39

              Die Datei Gewalttäter Sport gibt es bereits seit 94, also vor dem Angriff auf Nivel. Beschlossen wurde das glaube ich schon ein paar Jahre vor 94 und Vorläufer auf Landesebene gab es glaube ich auch.

              Drastischste Rechtsverschärfung erscheint mir zu hoch gegriffen, auch wenn die Datei rechtlich durchaus umstritten ist.

              • Thorsten Haupts 29. August 2024, 08:12

                Danke für die Klärung, da hat meine Erinnerung versagt.

      • Ariane 28. August 2024, 22:13

        Ähm also^^

        a) Nivel war 98, ich sprech ja von 20 Jahren früher.
        b ) ich meinte normaler, nicht so normal wie über die Straße gehen, aber halt so üblich wie ne Prügelei zwischen einzelnen Fans von St. Pauli und Dynamo Dresden. Das hat ja auch null Neuigkeitswert.

        Genauso wie es eben normaler war, dass Jungs sich auf dem Schulhof prügeln. Gibts heute auch noch, aber Stefan wird vermutlich bestätigen, dass darauf ne Tonne von Maßnahmen folgen und keiner mehr die Schultern zuckt, weil das halt so üblich ist.

        Oder (da bin ich mal in ner Doku drüber gestolpert und fands so ungewöhnlich) in den 70ern/80ern gabs ne skandinavische Krönung, mitten in großflächigen Straßenkrawallen. Sowas ist heute in ganz Europa ein Volksfest.

        Also, ich denke wir können uns zumindest darauf einigen, dass hier doch eine deutliche Veränderung stattgefunden hat?! Und zwar nicht einfach so oder durch Magie, sondern wie Thorsten richtig anmerkte, weil Staat und Gesellschaft nicht mehr bereit waren, das als Normalität zu akzeptieren.

        Jetzt ist es halt keine Normalität mehr für den Großteil der Männer, sondern von klar abgegrenzten Randgruppen, die an einem archaischen Männlichkeitsbild kleben und Gewalt ist da die logische Art, seine Gefühle in den Griff zu bekommen.

        Individuell tragisch, aber man kann sich ja mal kurz freuen, dass das nicht mehr die Regel ist, hoffentlich ist die Entwicklung noch nicht an ihrem Ende angekommen.

        • derwaechter 29. August 2024, 00:26

          a) du sprachst explizit von 80/90ger, den Chaostagen (Anfänge frühe 80ger Höhepunkt 1995), Hooligansimus (Anfänge in D schätze späte 70ger, trauriger Höhepunkt Nivel 98)
          Die Krönung war wahrscheinlich die von Beatrix in NL 1980.

          b) „ich meinte normaler, nicht so normal wie über die Straße gehen, aber halt so üblich wie ne Prügelei zwischen einzelnen Fans von St. Pauli und Dynamo Dresden. Das hat ja auch null Neuigkeitswert. “
          Die von Dir genannten Beispiele hatten großen Neuigkeitswert. Chaostage 1995 waren an jedem der Tage groß in der Tagesschau. Habe ich gerade extra nachgeschaut.

          Das gilt auch 20 Jahre früher bei z.B. Studentenunruhen, Brockdorf, Castor usw usf. Diese Randale erhielt damals nicht grundlegend weniger Aufmerksamkeit als Ausschreitungen heutzutage.

          Zustimmung von mir klar bei der Beurteilung leichterer und individueller Gewalt wie Rauferei auf dem Schulhof, Schlägerei im Wirtshaus und natürlich Gewalt im der Familie und Erziehung. Das hat sich in der Mehrheitsgesellschaft massiv geändert, in gewissen Schichten aber nicht.

          Ich tue mich nur sehr schwer damit, davon den Bogen zu der aktuellen Diskussion zu spannen, bei der es doch v.a. um tödlichen Terror gegen Unbeteiligte und Vergewaltigung, Belästigung und Mord geht.

          • Ariane 29. August 2024, 14:39

            Die Krönung war wahrscheinlich die von Beatrix in NL 1980.

            Oh, bestimmt. Halt irgendwo im Norden 😀

            ja, ich würde mich da jetzt nicht so streiten, aber weniger individuelle Gewalt führt natürlich über lange oder kurz auch zu weniger Massengewalt.

            Das gilt auch 20 Jahre früher bei z.B. Studentenunruhen, Brockdorf, Castor usw usf. Diese Randale erhielt damals nicht grundlegend weniger Aufmerksamkeit als Ausschreitungen heutzutage.

            Vielleicht wäre Üblichkeit besser gewesen. Denn wann waren denn die letzten Massenausschreitungen in Deutschland – auch noch in dieser Qualität?
            Silvester vor zwei Jahren, G20 in Hamburg vor einigen Jahren, diese Kölner Hooligans gegen Islamismus(?) vor etlichen Jahren. Klar, immer mal wieder kleinere Sachen (Pauli gegen Dresden, bei der EM haben Engländer Stühle auf Kroaten oder Serben geworfen, oder im Hambacher Forst Zusammenstöße)

            Aber das sind oft komplett andere Maßstäbe, wenn man heute was über Brokdorf z.B. sieht, das war ja Kriegszustand.

            • derwaechter 29. August 2024, 15:32

              Gefühlt würde ich auch sagen, dass das seltener und weniger umfangreich geworden ist. Allerdings gab es das früher jetzt auch nicht soo häufig.

              Ich denke, dass kann sich aber auch wieder ändern. Bei BLM, January 6th oder jetzt vor kurzem in England war es ja auch ganz schön heftig. Und diese Länder haben doch was das verpönen von alltäglicher Gewalt ähnliche Entwicklungen wie in D gehabt glaube ich.

              Kann gut sein, dass es da einen Zusammenhang gibt, aber monokausal eher nicht.

              • Ariane 29. August 2024, 15:58

                Die Banlieue-Krawalle in Frankreich könnten wir auch noch dazunehmen.

                Ich würde auch nur sagen, es ist ein Trend mit unklarer Weiterentwicklung. Ich bin da auch immer enorm unsicher, das spezifischer zu analysieren. Ich hab keine Ahnung, ob Deutschland da in irgendeiner Hinsicht Sachen richtiger gemacht hat oder wir halt einfach ein Volk sind, das nichts mehr liebt als seine Ruhe. Oder jeder spezifische Trigger hat, auch nicht unwahrscheinlich, dass hier irgendwann Straßenkrawalle um Fracking statt soziale/Ausländerthemen ausbrechen.

            • Stefan Pietsch 29. August 2024, 16:45

              Ich finde Du vermischt zuviel, was getrennt gehört. Du zählst zahlreiche Vorfälle auf, die sich allgemein um das Verhältnis Bürger zu Staat drehen. Das hat sogar eigene Regeln. Grosso Modo geht es um Widerstand gegen das Gewaltmonopol des Staates. Nur, das gibt es bis heute: Klimakleber, Querdenker, Protestanten gegen die EZB-Politik, G20-Ausschreitungen usw. Wir können gerne in die Kriminalitätsstatistik schauen, aber ich würde behaupten, das nimmt sich in den Jahrzehnten nichts.

              Etwas anderes ist die Gewalt der Bürger untereinander. Nachdem Gewaltdelikte über die Jahrzehnte immer weiter abgenommen haben, sind sie seit 2014 sprunghaft angestiegen und explodieren in manchen Bereichen geradezu. Messerattacken, Gruppenvergewaltigungen, Drogenhandel, Clankriminalität sind eindeutig Akte von Migranten, die inzwischen in eigenen Kategorien erfasst werden müssen. In den Achtziger-, Neunzigerjahren waren sie nicht relevant. Auch antisemitische Straftaten müssen inzwischen weiter detailliert werden.

              Und es ist eben nicht zu leugnen, dass diese, besonders spektakuläre wie brutale Kriminalität das Sicherheitsgefühl entscheidend beeinträchtigt. Die Bundesrepublik der Achtzigerjahre war ein sehr sicheres Land. In meiner Kindheit bin ich einmal Opfer eines Gewaltdelikts geworden. Als Grundschüler wurde ich – unauffällig, das muss ich betonen – von älteren Schülern auf dem Heimweg ausgeraubt. Die Ortspolizei schnappte die Diebe noch am selben Tag und die Sache war geklärt.

              Auf den Schulhöfen gab es keine Messer, nur harmlose Raufereien ohne blaue Augen und aufgesprungene Lippen. Ansonsten gab es tödliche Gewalt auf St. Pauli, aber nicht auf den Bahnhöfen. So etwas wie die Hinrichtung letzte Woche auf Gleis 9 des Frankfurter HBf oder das Stoßen auf Gleise waren völlig unbekannt. Schade, dass Ihr diese Welt nicht mehr erlebt habt. 😉

              • Ariane 30. August 2024, 12:52

                Nein, das ist schon ein allgemeiner, allumfassender Trend bei allem, was mit Gewalt zu tun hat. Und wie gesagt, ich kann (als Frau alleine!) hier problemlos nachts alleine in der Gegend herumtouren, ich vergesse in 50% der Fälle mein Auto abzuschließen, ich mach auch alleine Ortstermine in unseren „Ghettos“. Ich hab einen Freund, der ist in der Mordkommission Verden bis Diepholz oder so. Hab ihn mal gefragt, ob es denn überhaupt soviele Morde in seinem Gebiet gibt, dass er ausgelastet ist. -> Nein. Die machen auch andere Gewaltdelikte.

                Also dieses „auf den Straßen herrscht Mord und Verderben“ ist faktisch nicht wahr, das muss nicht zwingend mit dem Sicherheitsgefühl aber zusammenhängen.

                (Spektakuläre) Kriminalität ist halt ein wahnsinniger Clickbait, das wird geklickt und verkauft wie nichts Gutes. Neueste Trends Real Crimes und Regionalkrimis. Dazu kommt das veränderte Medienverhalten, von einer Hinrichtung in Frankfurt weiß ich nur durch Twitter, die lokaleren Nachrichten hier waren gerade (wegen Prozessbeginn) voll mit dem Bundeswehrheini, der drei Menschen, darunter ein Kleinkind erschossen hat. War vermutlich nicht spektakulär oder nicht migrantisch genug, um es überhaupt in die überregionalen Nachrichten groß zu schaffen.

                l, Clankriminalität sind eindeutig Akte von Migranten, die inzwischen in eigenen Kategorien erfasst werden müssen. In den Achtziger-, Neunzigerjahren waren sie nicht relevant
                Doch, es waren nur andere Migranten. Frag mal polnischstämmige oder italienischstämmige Personen, wie empfindlich die auf bestimmte Vorurteile reagieren. Es hieß halt nicht Clankriminalität und Messermann, sondern Klauski und Mafia.

                • derwaechter 30. August 2024, 13:52

                  Der positive Blick in die Vergangeheit trügt auch gerne. Wenn man sich z.B. die vollendete Morde und Totschläge anschaut (laut dieses Artikels „auch ein verzerrungsfreier Indikator für die Höhe der Kriminalität einer Gesellschaft“) fallen die 80ger nicht gerade positiv auf.
                  https://www.kriminalpolizei.de/ausgaben/2017/maerz/detailansicht-maerz/artikel/morde-1950-bis-2015.html

                  Das soll aber nicht heissen, das wir nicht aktuell ein grosses Problem hätten. Denn das haben wir ohne Zweifel.
                  Und ja, es gab auch damals Ausländerkriminialität. Aber das Mafiosi wahllos Leute erstechen oder todgefahren hätten wäre mir neu.

                  • Ariane 30. August 2024, 14:45

                    Und ja, es gab auch damals Ausländerkriminialität. Aber das Mafiosi wahllos Leute erstechen oder todgefahren hätten wäre mir neu.
                    Good old days, da hat man noch Vendettas mit Uzis angezettelt, während andere Leute wahllos Flugzeuge entführt haben. Man sollte das nicht verharmlosen, nur weils lange her ist.

                    Es gibt natürlich auch weiterhin Gewaltprobleme. Es gibt auch spezifisch migrantisch geprägte Gewaltdelikte. Aus der Situation heraus sollte man aber nicht den Kurzschluss ziehen „die ganze Gewaltsache ist ein importiertes, muslimisches Problem.“ Das ist es nicht.
                    Auf dem Niveau diskutiere ich auch nicht, das könnt ihr unter euch machen. Ich bin auch rücksichtsvoll genug, zu differenzieren und es nicht auf Männer zu reduzieren mit der Forderung, Männer sollten mal alle 5-10 Jahre verpflichtet werden, bei einem Psychiater vorstellig zu werden, weil die ständig von Gefühlen übermannt werden und dann Leute niedermetzeln. Wird hier weniger gern und weniger ausführlich diskutiert als andere Dinge.

                    • derwaechter 30. August 2024, 15:37

                      Die Antwort lässt mich etwas ratlos zurück.

                      Du hast den Vergleich zu italienischen Migranten (Mafia) selbst eingebracht und meine Antwort war, dass diese nicht als Terroristen auffällig geworden sind. Der Vergleich hinkt also.
                      Das hat mit verharmlosen und Good Old Days gar nichts zu tun, zumal ich im selben Post ja noch schreibe, dass die alten Tage eben nicht gut waren.

                      „Aus der Situation heraus sollte man aber nicht den Kurzschluss ziehen „die ganze Gewaltsache ist ein importiertes, muslimisches Problem.“
                      Tu ich nicht.
                      Aber: „Es gibt auch spezifisch migrantisch geprägte Gewaltdelikte“
                      Und Mord gehört dazu. Schau mal hier den Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger. Bin ich drüber gestolpert als ich nach Mordstatistiken gesucht hatte und war selbst überrascht. Seit Ende der 80ger meist um die 30% und seit Mitte der 2010er über 40%.
                      https://de.wikipedia.org/wiki/Totschlag_(Deutschland)#Anzahl_der_Opfer_von_Mord_und_Totschlag

                      „Auf dem Niveau diskutiere ich auch nicht, das könnt ihr unter euch machen.“
                      Euch?

                  • Ariane 30. August 2024, 14:49

                    Der positive Blick in die Vergangeheit trügt auch gerne. Wenn man sich z.B. die vollendete Morde und Totschläge anschaut (laut dieses Artikels „auch ein verzerrungsfreier Indikator für die Höhe der Kriminalität einer Gesellschaft“) fallen die 80ger nicht gerade positiv auf.
                    Ich empfehle das Buch „Gewalt“ von Steven Pinker, hat Stefan glaub ich auch mal rezensiert. Der hat die ganze Thematik sehr ausführlich auseinander genommen. Er springt statistisch immer zwischen den Ländern, glaube der steilste Abstieg aller Gewalttaten war tatsächlich 50-100 Jahre davor, ab den 70ern gab es tatsächlich ein Peak (auch international zumindest im Westen) und ging dann auf Normalniveau zurück. Deutsche Statistiken sind da nochmal extra verzerrt, weil die Wiedervereinigung dazwischen lag.

    • Stefan Sasse 28. August 2024, 09:44

      Ja und ja und ja!

    • sol1 28. August 2024, 22:05

      Man muß sich auch einmal den enormen Wandel in der Ächtung von Gewalt in der Erziehung vergewärtigen.

      Schweden verbot 1979 als erstes Land die Züchtigung von Kindern, Deutschland war 1998 das neunte Land weltweit. Mittlerweile sind es 66 Staaten:

      https://en.wikipedia.org/wiki/Corporal_punishment_in_the_home

      • Ariane 28. August 2024, 22:34

        Total! Das ging Hand in Hand. Es wird imo nicht genug gewürdigt, wie schnell und radikal der Wandel war und ist.

        Denkt nur mal an das fliegende Klassenzimmer (und ich liebe Kästner und die Geschichte in all seinen Interpretationen!), aber Massenprügeleien, gewaltvolles Mobbing, Geiselhaft!, normale Schulbestrafung ist Einzelhaft in nem Loch etc. und macht mal das Gedankenexperiment, nur eins dieser Dinge würde in einem heutigen Setting stattfinden.

        Es ist halt nicht mehr das Übliche und man kann nur allen Jungs das Glück wünschen, einen Außenseiter zu finden, der sich seine Empathie bewahrt hat.

      • Stefan Sasse 29. August 2024, 07:17

        Ja, total gut!

  • Ariane 27. August 2024, 23:17

    l) Lesenswertes Interview zum Öffentlichen Dienst.

    Spannend. Obwohl das immer bei öD so unscharf wird, die Welt will über Ministerialposten reden und Geyer über Polizisten und Lehrer, das sind halt schon krasse Unterschiede. Deswegen immer schwierig mit Pauschalisierungen zu Beamten oder öffentlichem Dienst.

    Da ich mich ja aktuell ganz gut mit der Arbeitsmarktsituation im Umkreis auskenne: was auffällt ist, dass die Anforderungen (wir reden jetzt von normalen Verwaltungsjobs) kräftig runtergeschraubt worden sind. Vor ein paar Jahren musste man noch zwingend was mit Verwaltung im Namen gelernt/studiert haben. (ähnliches gilt aktuell auch für Anwaltsbüros, Ärzte, Ingenieurbüros etc.). Die brauchen die Fachkräfte für die Facharbeit und stellen alle Büroleute ein, um den Kram drumrum abzufangen.

    Das ist auch, aber nicht nur ein staatliches Problem. Hängt imo generell mit Spezialisierung, größeren Unternehmen, die dann noch zusammenarbeiten müssen etc. oder klagefreudigen Menschen zusammen.

  • Thorsten Haupts 28. August 2024, 11:38

    Zu 4)

    Völlig egal, was „wir“ früher waren, Posener wie viele andere vergleichen absichtlich Jungmännerrandale mit der absichtlichen Tötung möglichst vieler völlig unbeteiligter Menschen an einem Zufallsort mittels Messern, Schusswaffen und Sprengstoff. Mit nacktem Terror.

    Und dieses Risiko existierte bei den „gewaltbereiten“ jungen Männern der achtziger schlicht nicht. Überhaupt nicht. Das aber macht den Unterschied, nicht eine möglicherweise (ich bin nicht überzeugt) vergleichbare Aggressivität junger Männer. Weshalb solche Artikel ihr Thema verfehlen und die Leute, die sie adressieren, nur noch wütender machen. Veralbern kann ich mich alleine.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • derwaechter 28. August 2024, 12:00

      Ich kann den Artikel nicht lesen. Wenn er die beiden Dinge wirklich durcheindanderbringt ist das schon heftig.

      • sol1 28. August 2024, 22:19

        Ich kann’s auch nicht lesen, aber ich halte einen Zusammenhang zwischen allgemeiner Aggressionsbereitschaft und Anfälligkeit für terroristische Ideologen für durchaus plausibel.

    • Stefan Sasse 28. August 2024, 14:35

      Die Gleichsetzung sehe ich ehrlich gesagt so krass nicht.

    • derwaechter 29. August 2024, 08:20

      „Völlig egal, was „wir“ früher waren, Posener wie viele andere vergleichen absichtlich Jungmännerrandale mit der absichtlichen Tötung möglichst vieler völlig unbeteiligter Menschen an einem Zufallsort mittels Messern, Schusswaffen und Sprengstoff. Mit nacktem Terror.
      Und dieses Risiko existierte bei den „gewaltbereiten“ jungen Männern der achtziger schlicht nicht. Überhaupt nicht.

      Ich finde diesen Zusammenhang wie gesagt auch komisch.

      Wenn man allerdings Äpfel mit Äpfeln vergleicht, also z.B. Todesopfer durch Terror , war es in Europa in den 70ger und 80gern tatsächlich schlimmer als heute. Ich glaube, dass ist vielen nicht klar.

      Was natürlich nicht heißen soll, dass er heute nicht schlimm ist und nicht bekämpft werden sollte.

      • Ariane 29. August 2024, 15:00

        Ich finde den Punkt valide. Ich fürchte allerdings, er hat mehr mit dem Zeitfaktor zu tun. Sowohl Stefan als auch Posener haben deutlich vor Solingen geschrieben und damit auch viel unspezifischer über Gewalt mit und ohne Messer (das bezog sich imo mehr auf eine allgemeine Kriminalitätsdebatte und eben nicht auf Terrorakte wie in Solingen)

        Ansonsten habt ihr natürlich absolut recht, individuelle Terrorakte sind nicht zu vergleichen mit allgemeiner Kriminalität oder sowas wie Krawallen.

        Wenn man allerdings Äpfel mit Äpfeln vergleicht, also z.B. Todesopfer durch Terror , war es in Europa in den 70ger und 80gern tatsächlich schlimmer als heute. Ich glaube, dass ist vielen nicht klar.

        Absolut! Obwohl sich (in Europa) die Art von Terror auch extrem gewandelt hat, vermutlich sogar durch gute Aufklärungsarbeit. Komplexe, gut durchorganisierte Terrorakte sind extremst selten geworden, also im Sinne von Al-Quaida, NSU, die spanischen Separatisten (deren Namen ich tatsächlich vergessen habe!), etc.

        Heute erfolgte Terrorakte der letzten Jahre sind ja eher einsame, individuelle Geschichten, die sich nur noch in ihrer Zielrichtung von Amokläufen oder Beziehungstaten unterscheiden. Breitscheidtplatz, München, Hanau, Solingen etc.

        • derwaechter 29. August 2024, 15:37

          „Absolut! Obwohl sich (in Europa) die Art von Terror auch extrem gewandelt hat, vermutlich sogar durch gute Aufklärungsarbeit. Komplexe, gut durchorganisierte Terrorakte sind extremst selten geworden, also im Sinne von Al-Quaida, NSU, die spanischen Separatisten (deren Namen ich tatsächlich vergessen habe!), etc.

          Heute erfolgte Terrorakte der letzten Jahre sind ja eher einsame, individuelle Geschichten, die sich nur noch in ihrer Zielrichtung von Amokläufen oder Beziehungstaten unterscheiden. Breitscheidtplatz, München, Hanau, Solingen etc.“

          Nicht obwohl, sondern weil würde ich behaupten. Das hat, beispiel islamistischer Terror definitiv mit bessern Gegenmassnahmen zu tun. Deshalb sieht man mehr „einfache“ Mittel wie Messer, und weniger Flugzeuge oder Bomben.

          Ausserdem haben viele Bewegungen mehr oder weniger dem Terror abgeschworen. Seperatisitischer und christlich religiöser sowie linksextremer Terror sind stark zurückgegeangen. Man denke nur an die furchtbaren Anschläge von IRA, ETA oder RAF. Gut das es die (kaum) noch gibt.

          • Ariane 29. August 2024, 16:20

            Ach ETA genau, danke. Guck heute schon halb vergessen, aber in den 90ern erinnere ich mich noch sehr dunkel, dass regelmäßig Autobomben in den Gebieten hochgegangen sind.

            Und ja, da wirken die Gegenmaßnahmen sehr effektiv. Imo verzerrt das auch schnell die Wahrnehmung, darf man auch nicht vergessen.
            Andersherum: es ist verdammt einfach, diese Reichsbürger um Prinz Reul nicht ernstzunehmen und sich lustig zu machen. Aber auch nur, weil das in einem recht frühen Stadium abgefangen wurde. Hätten die da unbemerkt weiter vor sich hingerödelt und am Ende wären Minister entführt oder ermordet und ähnliches, wäre das nämlich überhaupt nicht mehr lächerlich und wirr.

            Ich bin da selbst unsicher, ob das nun gut, schlecht oder einfach anders ist. An der Bedrohungslage und psychologischen Wirkung ändert es vielleicht gar nicht viel, nur die Lösungsansätze sind viel schwieriger. Wenn Terror heute ist, ein einsamer Mann sitzt da und guckt ein Youtube-Video und geht spontan los, um mit einfachsten Mitteln Leute zu killen, dann ist das schlicht nicht mehr mit Polizeiarbeit zu händeln. Da braucht es ja Planung, mehr Menschen, Absprachen etc., um überhaupt Ansätze zu haben.

            Auch ein Grund, warum die Debatten da so in komische Gefilde abdriften. Entweder bohrt man das dickste Brett der Welt an (bessere Erziehung und Sozialarbeit) oder fordert gesetzwidrigen, unpraktischen Quatsch (Küchenmesser und Autos verbieten).

  • sol1 28. August 2024, 22:12

    1) Die Nachrüstungsdebatte entzündete sich ja nicht zuletzt daran, daß die Regierenden selbst nicht so richtig an die Bedrohung ducrh den Ostblock glauben wollte – wie sonst hätte Franz-Josef Strauß der DDR 1983 einen Milliardenkredit vermitteln können?

    https://www.welt.de/geschichte/article181273938/Strauss-Milliardenkredit-Wie-die-DDR-den-CSU-Chef-ueber-den-Tisch-zog.html

    Die Fünfte Kolonne des Kreml ist heute viel bedrohlicher, wie dieses Zitat aus b) zeigt:

    „Vor allem aber ist Putin für viele – im Osten wie im Westen – attraktiv und anschlussfähig gerade wegen seiner repressiven Politik, der Ablehnung von Moderne und Individualismus, wegen seines reaktionären Familienbildes, seiner Queerfeindschaft, seinem toxischen Männlichkeitsbild, seines völkischen Denkens, seines Antiamerikanismus, seiner Verachtung für die Freiheit und die Demokratie. So einem sieht man alles nach, so einem lässt man alles durchgehen.“

  • sol1 28. August 2024, 22:30

    m) Wettkampf statt Wettbewerb ist wohl die beste Methode, Kindern den Sport zu vergällen. Und tatsächlich beruht ja der Breitensport vom Sportabzeichen bis zum Volkslauf auf dem Wettbewerbsprinzip.

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