Höhere Parktickets sorgen bei französischen Konservativen für selbstkritisches Hinterfragen vom Bau von Chipfabriken mittels Wehrpflichtiger – Vermischtes 19.06.2024

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Frisches Geld für Berliner Nahverkehr

Berlins öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV) befindet sich trotz Dauerkritik national und international auf einem hervorragenden Niveau. Ein dichtes Netz aus S- und U-Bahnen, Trams und Bussen mit engen Takten, auch am Wochenende rund um die Uhr, bildet die Grundlage der Verkehrswende. Doch die Krise des Berliner Landeshaushalts stellt plötzlich die Frage, wie lange dieser Standard aufrechterhalten werden kann. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, deutete kürzlich an, dass auch die Mittel für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und S-Bahn zur Debatte stehen. Sollte der schwarz-rote Senat tatsächlich beim ÖPNV kürzen, wäre dies ein fataler Schritt. Bus und Bahn sind das Rückgrat des städtischen Verkehrs, und ohne ausreichende Mittel wird die Verkehrswende scheitern. Die bisherigen Einnahmen aus dem Ticketverkauf reichen nicht aus, um den ÖPNV zu finanzieren, insbesondere seit der Einführung des Deutschlandtickets. Verkehrsexperten fordern daher seit Jahren eine dritte Finanzierungssäule, um privates Geld in den Nahverkehr zu lenken. Dies könnte durch Parkgebühren, eine City-Maut, einen Touristenbeitrag, eine Arbeitgeberabgabe oder ein Pflichtticket geschehen. Frühere Pläne, höhere Parkgebühren und ein verpflichtendes Touristenticket einzuführen, wurden nie umgesetzt. Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) hat jedoch einer City-Maut und einer Nahverkehrsabgabe von Unternehmen eine Absage erteilt. Bleiben also höhere Parkgebühren als einzige realistische Option. Höhere Parkgebühren könnten zwei Probleme gleichzeitig lösen: die Reduzierung des Autoverkehrs im Zentrum und die Sicherung der Mittel für den ÖPNV. Dies ginge jedoch auf Kosten der Autofahrer. Der Senat muss sich nun ehrlich machen und entscheiden, ob der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wirklich Priorität hat oder ob am Ende die Interessen der Autofahrer überwiegen. (Christian Latz, Tagesspiegel)

In der Berliner Verkehrspolitik spiegelt sich im Kleinen das ganze Dilemma der deutschen Verkehrswende. Auf der einen Seite sind sich grundsätzlich alle einig, dass es da Änderung braucht. Auf der anderen Seite darf aber auf keinen Fall der Primat des Automobils angetastet werden. Das allein ist schon unvereinbar. Dann sind sich alle klar, dass die Verkehrswende nur mit mehr ÖPVN kommen kann, der darf aber keinesfalls auch nur einen Cent zusätzlich kosten. Auch das ist grundsätzlich unvereinbar. Die Lösung kann im Rahmen der deutschen Politik, die öffentliche Investitionen ausschließt, eigentlich nur in marktwirtschaftlichen Preismechanismen bestehen. Dazu aber braucht es seitens der Politik den Mut, die Preise auch entsprechend realistischer zu gestalten. Es gibt kein Menschenrecht auf billige Parkplätze im Stadtzentrum.

2) Der Verräter

Éric Ciotti, der Vorsitzende der konservativen Partei Les Républicains in Frankreich, ist eine polarisierende Figur in der französischen Politik. Jeden Sommer hält er seine Jahresversammlung in Levens, einem Dorf in Südfrankreich, wo er sich wie ein Rockstar inszeniert. Tausende Parteifans versammeln sich dort, um seine Reden zu hören, die oft rechtsextreme Positionen und Thesen beinhalten. In einem umstrittenen Schritt hat Ciotti kürzlich einen offiziellen Pakt mit der rechtsextremen Partei Rassemblement National von Marine Le Pen für die Neuwahlen am 30. Juni vorgeschlagen. Diese Entscheidung traf er ohne Rücksprache mit anderen Parteiführern oder Ortsverbänden, was zu heftigen Reaktionen innerhalb seiner Partei führte. Einige forderten seinen Rücktritt, während andere, wie der Vorsitzende der Jugendorganisation, den Schritt begrüßten und die Kooperation mit der Le-Pen-Partei ankündigten. Ciotti, der sein ganzes Berufsleben in der Schwesterpartei der CDU verbracht hat, ist bekannt für seine reaktionären Überzeugungen und Reden. Seine jüngsten Vorschläge und Äußerungen, wie die Einrichtung eines französischen Guantanamo für Terroristen oder die Einführung der „nationalen Präferenz“, stießen auf breite Kritik. Sein Vorschlag, eine Allianz mit Le Pen zu bilden, könnte entscheidend sein, um Marine Le Pens Ziehsohn Jordan Bardella zum Premierminister zu machen. Dies könnte eine bedeutende politische Verschiebung in Frankreich bedeuten, da die rechtsextreme Partei dadurch eine starke Position im Parlament erlangen könnte. Ciotti, der aus einer konservativen und zunehmend rechtsextremen Ecke Frankreichs stammt, hat viele Gegner, darunter seinen ehemaligen Mentor Christian Estrosi, den Bürgermeister von Nice. Die beiden bekämpfen sich öffentlich in den lokalen Medien. In der aktuellen Krise wird Ciotti vom obersten Parteigremium der Republikaner nicht einmal mehr zu Treffen eingeladen, was seine Position innerhalb der Partei weiter schwächt. Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, wie die politische Landschaft in Frankreich sich weiterentwickeln wird und welche Auswirkungen eine mögliche Allianz zwischen den Republikanern und dem Rassemblement National auf die französische und europäische Politik haben könnte. (Annika Joeres, ZEIT)

Ich habe über dieses Thema bereits 2017 geschrieben, als LePen gegen Macron in die Stichwahlen ging. Damals rief die im ersten Wahlgang unterlegene konservative Partei zum Wahl Macrons auf, was über zwei Drittel ihrer Wählenden dann auch befolgten. Der Unterschied zum Verhalten der amerikanischen Konservativen war offensichtlich. Daran hat sich wenig geändert. Rechtsradikale können nur an die Macht kommen, wenn sie konservative Steigbügelhalter haben. Deren Verhalten ist daher der entscheidende Punkt, und wird es vermutlich auch zu den kommenden Wahlen in Frankreich wieder sein. Dass Ciotti von seiner Partei ausgestoßen wurde und dann das Drama um die Besetzung der Parteizentrale lief zeigt allerdings, wie kaputt die Partei mittlerweile ist. Das scheint ebenfalls ein Trend zu sein, der sich in mehreren europäischen Ländern vollzieht und der bisher glücklicherweise an uns vorbeigegangen ist.

Zu den Ereignissen siehe auch dieser großartige Thread.

3) Nur ein kleines bisschen Pflicht

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat im Verteidigungsausschuss seine Pläne für einen neuen Wehrdienst vorgestellt. Anstelle einer Wiedereinführung der Wehrpflicht plant er, 18-jährige Männer und Frauen mit einem Fragebogen anzuschreiben, wobei die Beantwortung für Männer verpflichtend, für Frauen freiwillig sein soll. Pistorius hofft, dadurch das Interesse an der Bundeswehr zu steigern und die Personaldecke zu stärken. Ziel ist es, bis 2031 eine Reserve von 100.000 Soldaten aufzubauen, um die aktuelle Zahl von gut 181.000 Soldaten aufzustocken. Der neue Wehrdienst soll eine Grundausbildung von sechs Monaten umfassen, die auf bis zu 17 Monate verlängert werden kann. Um den Dienst attraktiver zu gestalten, sind Bonusoptionen wie eine Verpflichtungsprämie von 5.000 Euro, kostenlose Sprachkurse und ein kostenloser Führerschein im Gespräch. Die Pläne enthalten keine allgemeine Dienstpflicht, da hierfür eine Grundgesetzänderung nötig wäre. Stattdessen setzt Pistorius auf pragmatische Änderungen, die mit der Mehrheit der Ampelkoalition umsetzbar sind. Die SPD-Spitze, insbesondere Parteichefin Saskia Esken, betont die Freiwilligkeit des neuen Wehrdienstes als entscheidend für die Akzeptanz der Demokratie. Esken betont, dass Selbstbestimmung wichtig sei und Freiwilligkeit bei der Bundeswehr das richtige Prinzip darstelle. Kritik kam von der Opposition, insbesondere von CDU-Politikerin Serap Güler, die die Pläne als dünn und vage bezeichnete. Sie bemängelte insbesondere die fehlende Klarheit über die Organisation der Musterung. SPD-Politiker Johannes Arlt begrüßte hingegen die Pläne als logischen Einstieg in einen neuen Wehrdienst und plädierte langfristig für einen Gemeinschaftsdienst für Männer und Frauen. Auch die Grünenabgeordnete Sara Nanni unterstützte den Einstieg, betonte jedoch, dass die Bundeswehr allgemein attraktiver für junge Menschen werden müsse. Pistorius plant, seine Vorschläge am Nachmittag öffentlich vorzustellen und eine Kampagne in den sozialen Medien zu starten. Am Abend wird er im „heute-journal“ auftreten, um seine Pläne weiter zu erläutern. (Matthias Gebauer/Marina Kormbaki, Spiegel)

Auch das ist eine typisch deutsche Dynamik. Es wird ein Defizit erkannt – in diesem Fall das Fehlen von Personal und das Fehlen einer Reserve – und dann eine recht offensichtliche Lösung diskutiert, bei der aber wieder keinesfalls irgendein allzu effektiver Schritt unternommen werden darf. Es ist völlig unklar was passiert, wenn jemand den Fragebogen nicht ausfüllt, völlig unklar, wie das laufen soll; die Dauer mit 6 Monaten löst das Problem der Bundeswehr nicht wirklich; die Fördermaßnahmen taugen so gut wie nichts, etc. Alles ist noch unter dem kleinsten gemeinsamen Nenner und vor allem homöopathisch. Dazu kommt die Debatte um die Geschlechterregel: eine Wehrpflicht, die nur für Männer gilt, kann im Jahr 2024 in meinen Augen nicht mehr durchsetzungsfähig sein. Natürlich ist das wieder der leichtere Weg, weil man das über eine Wiedereinsetzung der alten Wehrpflicht lösen könnte, aber das macht es nicht besser. Nur deutscher.

4) South Korea Lays Out $470 Billion Plan to Build Chipmaking Hub

Südkorea plant, über 470 Milliarden US-Dollar in den Aufbau des weltweit größten Chipfertigungskomplexes zu investieren. Bis 2047 sollen 622 Billionen Won aus dem privaten Sektor fließen, um 13 neue Chipfabriken und drei Forschungszentren zu errichten. Diese werden neben den bestehenden 21 Produktionsstätten in einem Gebiet von Pyeongtaek bis Yongin angesiedelt sein, das bis 2030 monatlich 7,7 Millionen Wafer produzieren soll. Die Regierung unterstützt die heimische Chipindustrie, die 16% der Gesamtexporte ausmacht, mit großen Steuererleichterungen. Samsung und SK Hynix planen erhebliche Investitionen in fortschrittliche Chipfabriken im Inland: Samsung will 500 Billionen Won bis 2047 in Foundry-Projekte investieren, während Hynix 122 Billionen Won in Speicherchips in Yongin anlegen wird. Ziel ist es, die Selbstversorgung mit Halbleitern zu verbessern und den Marktanteil an der globalen Logikchipproduktion bis 2030 von 3% auf 10% zu steigern. (Sohee Kim, Bloomberg)

Ich sage immer wieder, dass Deutschland einfach keine Industriepolitik kann, und diese Meldung ist ein weiterer Beleg dafür. Niemals würden wir so etwas machen. Die Vorstellung, in Zukunftstechnologien zu investieren und dafür zu sorgen, dass man strategisch wichtige Bereiche unter eigener Kontrolle hat beziehungsweise in die Wirtschaft von morgen investiert, ist hierzulande geradezu Anathema. Stattdessen herrscht ein Versuch vor, den alten Status möglichst lange einzufrieren. Wie lange redet man schon vom Aufbau einer heimischen Chipindustrie? Rhetorik und Größe der Aufgabe einerseits und die konkreten Vorschläge und noch viel weniger die Resultate andererseits passen null zusammen.

5) Links, grün, versifft? Ich doch nicht!

In einem Kommentar reflektiert eine Journalistin über ihre Entscheidung, Zitate von Politikern in einem Newsletter zu verwenden. Besonders interessant fand sie ein Zitat von Robert Habeck (Grüne), verzichtete jedoch darauf, es zu erwähnen, um nicht als „linksgrün“ wahrgenommen zu werden. Stattdessen fühlte sie sich wohler, ein Zitat von Jens Spahn (CDU) zu loben. Sie erkennt, dass die Vorwürfe, Journalistinnen und Journalisten seien voreingenommen, sie beeinflussen. Diese Selbstzensur könnte erklären, warum sich ein antigrüner Zeitgeist durchsetzen kann, wie bei den hohen Verlusten der Grünen bei der Europawahl zu sehen. Die Autorin betont, dass Journalistinnen trotz ihrer persönlichen politischen Neigungen neutral berichten sollten. Eine besondere Strenge gegenüber Linken und Grünen wäre jedoch unfair und keine echte Neutralität. Abschließend überlegt sie, in einer nächsten Kolumne sowohl das Zitat von Habeck als auch das von Spahn zu besprechen, um ausgewogen zu berichten. (Susanne Beyer, Spiegel)

Ich habe das erst jüngst im Kontext von Medienkompetenz diskutiert. Man glaubt immer viel bereitwilliger, was man glauben will, und hinterfragt kritischer, was man nicht glauben will. Wir sind immer von unseren eigenen Vorannahmen geprägt, die unsere Wahrnehmung bestimmen. Die Reflexion Beyers hier ist daher sehr wertvoll. Mir fällt das selbst auch immer wieder auf. Ich bin immer total erleichtert, wenn ich die Grünen für irgendetwas kritisieren kann, um dem Eindruck der Voreingenommenheit entgegenzuwirken (nicht, dass es viel hilft). Dadurch entsteht leicht dieser Mix aus Hype und Backlash. Das betrifft ja nicht nur die Grünen. Ab 2015 wurde es ja total angesagt, Angela Merkel zu kritisieren, nachdem man zuvor jahrelang das Gegenteil geschrieben hatte. In den 2000er Jahren war man nicht ernstzunehmen, wenn man nicht die SPD kritisierte. Wer nach 2009 nicht die FDP doof fand, war auch out. Und so weiter. Sich in Erinnerung zu rufen, dass man immer solchen Moden und den eigenen Vorlieben unterliegt, ist ein wichtiger Akt politischer Hygiene.

Resterampe

a) Pistorius‘ Wehrpflichtpläne wirken irgendwie halbgar und merkwürdig anachronistisch.

b) Selbst der BDI fordert mittlerweile das Ende der Schuldenbremse und Milliardeninvestitionen.

c) Die Welt deiner Kindheit existiert nicht mehr.

d) Guter Artikel zum Stand der SPD.

e) Nach den Grünen fordert auch die GEW einen Verzicht auf klassische Hausaufgaben (und aufs Sitzenbleiben). Man sollte auch die Alternativvorschläge lesen bevor man urteilt.

f) Did you know . . . we defeated inflation in a single month?

g) Das dröhnende Schweigen dazu ist halt die andere Seite der Migrationsdebatte.

h) Sind eigentlich langsam alle verrückt geworden?

i) Was Habeck sagt.

j) The lessons of COVID.

k) Niemand ist immun gegen das „nach der Wahl“-Phänomen politischer Rhetorik.

l) So true.


Fertiggestellt am 19.06.2024

{ 83 comments… add one }
  • VD 19. Juni 2024, 14:30

    zu 1) Frisches Geld für Berliner Nahverkehr
    „Die Lösung kann im Rahmen der deutschen Politik, die öffentliche Investitionen ausschließt, eigentlich nur in marktwirtschaftlichen Preismechanismen bestehen. Dazu aber braucht es seitens der Politik den Mut, die Preise auch entsprechend realistischer zu gestalten. Es gibt kein Menschenrecht auf billige Parkplätze im Stadtzentrum.“

    Allerdings gibt es auch kein Menschenrecht auf einen billigen ÖPNV.

    Meiner Meinung nach sollte zuerst der ÖPNV verbessert werden, so dass er eine gute Alternative zum Auto bieten kann. Danach kann man gerne darüber nachdenken, den Autoverkehr auf irgendeine Art zu begrenzen (warum eigentlich, wenn der ÖPNV gut ist (wäre), muss man ihn nicht begrenzen, das würde dann automatisch passieren).

    • Stefan Sasse 19. Juni 2024, 15:22

      Überhaupt nicht, nein. Aber das lasse ich ja auch anklingen: unser Ziel ist eine Reduzierung der Emissionen. Dazu braucht es zwangsläufig mehr ÖPVN und weniger Auto. Egal, wie wenig das Leuten gefällt.

      • VD 20. Juni 2024, 07:40

        „Egal, wie wenig das Leuten gefällt.“
        Immer noch nicht gemerkt, dass dies kontraproduktiv ist?

        • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 08:25

          Doch. Aber weißt du, was auch nichts hilft? Kontraproduktive Sachen weiter machen.

          • VD 20. Juni 2024, 09:28

            Stimmt, Zwang ist nun mal kontraproduktiv. Aber ich glaube du meinst das anders herum 😉

            • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 10:30

              Jein. Veränderungen ohne externen Anstoß passieren halt nicht. Und Leute mögen keine Veränderungen. Völlig egal aus welcher Quelle.

      • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 10:03

        Tja. In einer Demokratie ist nun mal (leider?) am wichtigsten, was Leuten gefällt und was nicht.

        Nicht dass ich mit VD mitgehe. Die Attraktivität öffentlichen Nahverkehrs wird immer geringer sein, als die von Individualverkehr, weil Massentransport einen Haufen unvermeidbarer Nachteile mit sich bringt. Freiwillig wird der Grossteil der Leute also nie mitziehen, bleiben effektiv nur direkter oder indirekter (Preis-) Zwang.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 10:31

          Korrekt. Aber erneut, Parkplätze im öffentlichen Raum sind ja ein Gut, das man recht frei bepreisen kann. Es gibt keinen Grund, dass die so billig sind, wie sie aktuell sind. Und sobald du da die Preisschraube anziehst als Kommune sinkt die Attraktivität des Autos massiv. Schau mal in ein beliebiges Wohngebiet, die Straßen sind voll von Autos. Aber die Straßen gehören ja den Anwohnenden nicht.

          • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 13:01

            Findest Du 900 Euro für eine dermaßen kleine Fläche günstig? Warum sind dann Mieten von 4.000 Euro obszön?

            • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 15:20

              Ich hab den Faden verloren. Um was gehts?

              • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 16:58

                Dabei habe ich Dich so schön in eine argumentative Zwickmühle geschoben. 😉

                Du sagt, Parken sei so unfassbar billig. Ich rechne Dir im Gegenzug die Parkgebühren Berlins (Charlottenburg) in Bodenpreise pro Monat um. Danach muss jemand auf der Suche nach einem Parkplatz in der Größe 5 x 2,7 Meter 900 Euro berappen – unmöbliert.

                Jetzt die Frage: Findest Du das tatsächlich zu günstig? Wenn ja, warum hast Du ein Problem mit Mietpreisen von 4.000 Euro für 90 qm? Wenn nein, hat sich das Problem gelöst.

                Oder verhält es sich eher so, dass Du generell gegen Stellflächen für Autos in Innenstädten bist, die Diskussion um Parkgebühren aber als Vehikel siehst, weil Du ein echtes Verbot für illusorisch hältst?

                • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 17:11

                  Ich kann die Rechnung nicht wirklich nachvollziehen, aber mein Punkt ist der: die meisten Parkflächen gehören der öffentlichen Hand. Und die kosten meist – nichts. Das ist kein Naturgesetz.

                  • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 18:05

                    In jeder Großstadt kosten die Stellplätze im Zentrum. Und wenn jemand falsch parkt, kostet es leicht hunderte Euro. Und das ist in jedem Land so. Versuch‘ mal in L.A. oder einer sonstigen beliebigen Großstadt der USA einen Stellplatz zu finden. Paris und Straßburg kann ich auch empfehlen. Es stimmt einfach nicht, was Du sagst. Es sei denn Deine Position ist: So lange Autofahrer in die Städte fahren, sind Parkplätze noch zu billig.

                    Die Position kann man haben, aber es ist eine andere Diskussion.

                    • Stefan Sasse 21. Juni 2024, 07:29

                      Ich beziehe mich nicht nur auf Großstädte. Da ist ÖPVN ja auch nicht so das Problem. Es sind eher die kleinen Orte und ländlichen Gegenden.

                    • Stefan Pietsch 21. Juni 2024, 10:50

                      Was ist denn der Vorteil des öffentlichen Personenverkehrs? Wofür wurden Busse und Bahnen geschaffen? Doch nicht, um jeden wie in einem Privat-PKW zu befördern.

                      Öffentliche Verkehrsmittel sind für die Masse geschaffen. Dort, wo viele Menschen möglichst gleichzeitig transportiert werden wollen, ist er sinnvoll. Sonst nicht. Menschen bewegen sich meist in einem kleinen Umkreis. Nur ein geringer Teil will größere Strecken regelmäßig überwinden und dann nicht zur gleichen Zeit wie andere. Deswegen funktionieren Schnellbahntrassen nur zwischen Ballungsräumen.

                      Was Du anscheinend willst ist ein Massentransportmittel für den Einzelnen. Das funktioniert nirgends.

                    • Stefan Sasse 21. Juni 2024, 13:07

                      Naja…wir haben motorisierten Individualverkehr weniger lange als reinen ÖPVN. Deine Sicht hier ist ziemlich ahistorisch.

                    • Stefan Pietsch 21. Juni 2024, 13:14

                      Das ist doch kein Widerspruch.

                    • Thorsten Haupts 21. Juni 2024, 16:57

                      … wir haben motorisierten Individualverkehr weniger lange als reinen ÖPVN. Deine Sicht hier ist ziemlich ahistorisch.

                      ???? Das stimmt ausschliesslich für „motorisiert“. Ansonsten gab es jahrtausendelang überhaupt nur Individualvberkehr (Pferde, Esel, Ochsen, Kamele, Kutschen) und überhaupt keinen ÖPNV.

                      Deine Sicht hier ist ziemlich ahistorisch. 😎

                    • Stefan Sasse 21. Juni 2024, 21:12

                      Eisenbahn: ab dem frühen 19. Jahrhundert. Als Massenverkehrsmittel ab nach der Mitte 19. Jahrhundert. Darauf bezog ich mich. Autos als Massenverkehrsmittel: USA ab 1920er, außerhalb USA ab 1950er.

            • Detlef Schulze 21. Juni 2024, 12:59

              Findest Du 900 Euro für eine dermaßen kleine Fläche günstig? Warum sind dann Mieten von 4.000 Euro obszön?

              Weil Obdach ein Menschenrecht ist, einen Platz sein Auto zu parken aber nicht!

              Es gibt in vielen Innenstädten einfach nicht genug Platz für Parkplätze und dann kann auch nicht jeder einen bekommen.

              • Stefan Pietsch 21. Juni 2024, 13:20

                Das ist es nicht.

                Es geht allein um den Flächenpreis und der muss unabhängig von der Nutzung (Wohnen, Gewerbe, Parken) für alle gleich sein, sonst reden wir von Subvention. Und die Frage war allein, wie Stefan zu der Ansicht kommt, Parkraum wäre günstig. Auf einen Maßstab warte ich noch immer.

          • VD 21. Juni 2024, 08:52

            Die Straße gehört der Kommune (wenn es nicht eine Landesstraße, Bundesstraße etc. ist).
            Das Entscheidungsorgan der Kommune ist der Gemeinderat und den wählen auch die Anlieger der Straße. So gesehen gehört die Strasse schon den „Anwohnenden“, die dafür auch Beiträge bezahlen „dürfen“ für Ausbau, Reinigung etc.
            Bei uns im Ort gab es eine Diskussion, die Parkgebühren für Anliegerparken in der Innenstadt massiv zu verteuern (von den Grünen angeregt, wer hätte das gedacht). Die Grünen haben bei der Kommunalwahl massiv verloren (unter anderem auch deswegen).
            Scheinbar gibt es doch eine Preisobergrenze.

  • cimourdain 19. Juni 2024, 14:52

    1) Bemerkenswert ist, dass als dritte Säule unter „privates Geld“ lauter Finanzierungen durch öffentlich-rechtliche Abgaben wie Beiträge oder Gebühren genannt werden. Und das ist genau das Grunddilemma: öffentlicher Verkehr ist eine öffentliche Leistung (Staatsaufgabe ?) und ein gewaltiges Verlustgeschäft.

    3) und a) Fairness gebietet, zu erwähnen, dass das ganze nicht auf Pistorius zurückgeht, sondern der CDU-Stahlhelm Roderich Kiesewetter Anfang des Jahres eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aufgeworfen hat und gleich bei dieser Gelegenheit das „schwedische Modell“ vorgeschlagen hatte. Weil der Verteidigungsminister bei derzeitigem Zeitgeist seine „military credibility“ verlieren würde, wenn er den Blödsinn mit einem „zu teuer, bringt nix“ abbügelt, kommt dann ein solcher verzweifelter Versuch raus, das umzusetzen.

    4) Sieh dir an, wie das in Südkorea laufen wird: (Privat)firmen investieren den Riesenbetrag, der Staat liefert „nur“ günstige Rahmenbedingungen. Wahrscheinlich wird es auf eine Sonderwirtschaftszone rauslaufen. Die deutschen Exzellenzclusterinitiativen gingen von einem hohen staatlichen Finanzierungsanteil aus.

    e) Da hast du doch eine starke Pfadabhängigkeit. Vielleicht kannst du eine Politik abschaffen, die neue einzuführen, wird aufgrund Gewohnheiten schwierig. Konkret: Sitzenbleiben wird abgeschafft, stattdessen schick der Lehrer Stefan S. an die Eltern einen Brief: „Wir empfehlen zur Vertiefung eine freiwillige Wiederholung der Klasse 9“. Antwort wird sein: „Unser Kind bleibt nicht sitzen!“.

    i) Natürlich kann man zu Habecks Worten weise nicken. Aber nicht nur rechte Trolle nehmen inzwischen genau die grüne Partei als Hemmschuh einer gesellschaftlichen Diskussionskultur wahr:
    https://www.sueddeutsche.de/meinung/franz-kafka-gruene-spd-pazifismus-kolumne-lux.KQCFbKXgCqF6H3UTkaydwE?reduced=true

    z) (eigenes) Desinformationskampagne gegen Coronaimpfung:
    https://www.reuters.com/investigates/special-report/usa-covid-propaganda/

    • Stefan Sasse 19. Juni 2024, 15:24

      1) Richtig, und da sollte man dazu stehen.

      3) Weiß nicht, der scheint mir schon auch dafür zu sein.

      4) Die Schaffung solcher Zonen ist ja letztlich eine staatliche Leistung. Dazu stellen die ja meist Infrastruktur etc. hin.

      e) Das ist völlig korrekt, so was muss hochwachsen, immer.

      i) Ich halte das für eine Fehlwahrnehmung, aber ich weiß, dass man mir darin nicht zustimmt.

      • cimourdain 20. Juni 2024, 09:06

        3) Du hast recht, habe nochmal ältere Artikel gesucht. Pistorius hat bereits Anfang 2023 die Medien mit der ganzen Palette Wehrpflicht, Dienstpflicht, Wehrpflicht light durchinterviewangefüttert.

        4) Infrastruktur etc… kriegst du auch bei einem Autowerk in Brandenburg. Das „interessante“ an Sonderwirtschaftszonen sind die Sonderregeln bei Steuern, Zöllen, manchmal auch Arbeits- oder Umweltrecht. Mit demokratischem Rechtsstaat schwer vereinbar.

        i) Da spielt natürlich auch mit hinein, dass die Partei vom anderen Extrem kommt. Früher gab es intern so hart geführten Streit auch mit Meinungen außerhalb des Overton-Fensters, der auch nach außen kommuniziert wurde. Das war selten schön, aber auf jeden Fall lebendige Demokratie. Heute ist bei Parteitagen eine solche „bloß nicht ausscheren“ Wagenburgmentalität, das wirkt wie eine Kaderpartei.

        • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 10:28

          4) Warum?

          • cimourdain 20. Juni 2024, 13:03

            4) Schaffung von „rechtsfreien“ (bestimmte Rechtsgebiete) Räumen; Wettbewerbsnachteile für Unternehmen in normalen Regionen; Race to the bottom (wirtschaftsrechtliche Regularien).
            Vom Rechtsprinzip der Rechtsgleichheit will ich gar nicht erst anfangen.

            Und du musst nicht nach Shenzen oder Heinan schauen. Hier mal ein Beispiel aus einem demokratischen Staat: Erinnere dich an den Konflikt zwischen DeSantis und Disneyland. Dabei ist herausgekommen, dass der Disney-Konzern in diesem Gebiet faktisch hoheitsrechtlich agiert.

  • Tim 19. Juni 2024, 19:50

    (4 – Industriepolitik)

    Ich sage immer wieder, dass Deutschland einfach keine Industriepolitik kann

    Nun, man kann ja einfach mal vergleichen: Wie haben sich die Weltmarktanteile von Frankreich (ein Land mit ausgeprägter Industriepolitik) und Deutschland (ein Land mit ausgeprägter Industriepolitik-Abneigung) in den letzten 20-30 Jahre entwickelt? Viel Vergnügen bei der Recherche. 🙂

    Ich würde übrigens nicht behaupten, dass Deutschland keine Industriepolitik macht. Wir nennen sie hier bloß „Marktwirtschaft“, d.h. wir überlassen die Industriepolitik überwiegend der Industrie. Oder sagen wir besser: überließen, denn auch bei uns dreht sich ja der Wind. Die Folge wird sein, dass die deutschen Weltmarktanteile in den nächsten 20-30 Jahren ebenfalls stark sinken werden.

  • Stefan Pietsch 19. Juni 2024, 20:30

    1) Frisches Geld für Berliner Nahverkehr

    Berlins öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV) befindet sich trotz Dauerkritik national und international auf einem hervorragenden Niveau.

    Bitte, was ist der Vergleich? Die Berliner Verkehrsbetriebe können sich nicht mit den super modernen Bahnen und Bahnhöfen in Kopenhagen, Madrid, Boston, Valencia vergleichen. Heruntergekommene Stationen, verschmierte Bahnen und nicht zuletzt Kriminalität und Obdachlose in den Bahneinrichtungen wirken für Ausländer hochgradig abstoßend. Selbst in Frankfurt haben S- und U-Bahnen einen deutlich höheren Qualitätsstandard. Da schreibt ein Hauptstadtjournalist aus der Froschperspektive und hält seine Stadt für den Nabel der Welt.

    Dazu aber braucht es seitens der Politik den Mut, die Preise auch entsprechend realistischer zu gestalten. Es gibt kein Menschenrecht auf billige Parkplätze im Stadtzentrum.

    Wo wir bei Froschperspektive sind: Das gilt auch, wer die Welt aus einem Stuttgarter Vorort betrachtet ohne sie gesehen zu haben. In Berlin Charlottenburg rund um die Tautzienstraße kostet der Stellplatz in einem Parkhaus zwischen 30 und 36 Euro pro Tag. Das macht im Monat für eine Fläche von 5 mal 2,7 Meter 900 €. Die Berliner würden solche Preise als Mietwucher bezeichnen und nach Enteignung schreien.

    Kurz gesagt Berlin ist alles andere als eine autofreundliche Stadt. Aber das kann man aus der Froschperspektive natürlich nicht erkennen.

    • Lemmy Caution 20. Juni 2024, 07:33

      Ich bin 4 bis 5 mal im Jahr in Berlin, weil meine Schwester dort wohnt. Der öffentliche Nahverkehr ist völlig ok. Meine Schwester meidet eine bestimmte U-Bahnlinie, weil die laut ihr zwei Slums verbindet. Eins davon ist der Wedding. Ansonsten alles jutie.
      Krass finde ich die Drogenszene vor dem Haupteingang des Nürnberger Hauptbahnhofs und die hinteren Bereiche des Hauptbahnhofs in Hannover.
      Der Öffentliche Nahverkehr hat in Deutschland ein grundsätzlich hohes Niveau hat. Man beachte nur die vielen Bahnlinien ins Umland von jeder Stadt. Heute finde ich fast überall einen Sitzplatz, auch zu sogenannten rush-hour Zeiten. Das war vor 10 Jahren noch anders. Erstmal gibts heute weniger rush hour, vermutlich wegen home office und weil die Arbeitszeiten weniger standardisiert. Auf vielen Strecken wurde auch die Taktung erhöht.

      • cimourdain 20. Juni 2024, 11:17

        Das kann ich im großen und ganzen bestätigen. Ich war mit ausländischen Gästen in Berlin und sie hatten einen eher positiven Gesamteindruck: Positiv die hohe Dichte (zeitlich und räumlich) der Verbindungen; negativ die fehlenden Orientierungshilfen: verwinkelte Bahnhöfe, Beschriftungen fehlen oder sind nur deutsch; „Verslumung“ war für sie kein bemerkenswertes Ärgernis.

        Sitzplatz zu Stoßzeiten ist meine Erfahrung (München) eine komplett anders. Bei Schulbeginn und schlechtem Wetter sind U-Bahnen dichtgedrängt voll.

        Was mir allerdings zum Thema „heruntergekommen“ auffällt, ist, wie viele Bahnhöfe außerhalb der Großstädte in diese Kategorie fallen, wo die Gebäude sichtlich verfallen, die Anlagen ungepflegt sind, es einfach ersichtlich ist, dass sich niemand darum kümmert.

        • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 12:27

          Wo ist das mit den Stoßzeiten nicht? Fahr mal in London die Tube oder in China die U-Bahn, die sind auch übel voll. Aber das ist ja nicht das Thema, sondern: a) funktioniert die Klima b) sind die Dinger pünktlich c) fahren sie in ordentlicher Taktung?

          • Lemmy Caution 20. Juni 2024, 19:10

            In Hannover und Nürnberg gibts in den U-Bahnen kein Problem mit Stoßzeiten. Selten ist mal eine Bahn voll. Aber da warte ich einfach die 4 Minuten bis zur nächsten Bahn.

            Verslumung: Meine Schwester ist in der Linie zweimal von Mädchen-Gangs aggressiv angepöbelt worden. Ist nichts passiert, aber halt nicht so angenehm.

      • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 13:10

        Sorry, die Dinger ruckeln als wären wir im Berlin 1955. Bist Du mal in Valencia oder Kopenhagen mit den U-Bahnen gefahren? Das ist Spitze, nicht Berlin.

        • Lemmy Caution 20. Juni 2024, 19:26

          Im ÖPNV suche ich nicht das besondere sondern das akzeptable. Für die Strecke zwischen Bahnhof Zoo und Ostbahnhof ist eine Gleis-Renovierung geplant. Das sind die meistbefahrenen Gleise Europas. Habe ich mal irgendwo gehört.

          In Chile tauchten nach dem Scheitern des wenig realistischen Projekt eines Zuges von Santiago bis Puerto Montt hochfliegende Ideen eines Schnellzugs von Arica bis Puerto Montt auf. Das war einfach nicht finanzierbar. Seit der zweiten Amtszeit Pineras konzentriert man sich auf Nahverkehrszüge rund um Bevökerungszentren (Santiago, Valparaíso, Concepción, Temuco). Irgendwann sollen dann diese Stücke verbunden werden. Zwischen Santiago und Chillán (400 km) fährt nun 2 mal täglich ein Zug, der 3,5 Stunden braucht. Allerdings sollen die Sitze für die lange Strecke recht hart sein. Zwischen Santiago und Valparaíso gibt es bald einen Zug, der 1,5 Stunden braucht. Wenn man einen teuren Tunnel baut, kann die Fahrtzeit auf 50 Minuten verringert werden. Hat man erstmal bewußt drauf verzichtet, weil Kosten zu hoch und mit dem Umweg mehr Bevölkerung eingebunden wird. Ich finde dieses Konzept sehr gut.

          • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 20:33

            Kunden wünschen vom Nahverkehr Sauberkeit, Sicherheit, Komfort und enge Taktung. Erstaunlicherweise mangelt es daran in Deutschland. Wer über öffentlichen Nahverkehr spricht, sollte wirklich mal in andere Länder. Ich kann Kopenhagen wärmstens empfehlen. Diese Qualität findest Du hier nicht. Mit Abstand nicht.

            Das Problem ist, dass die Fürsprecher des ÖPNV sich nicht ehrlich machen. Ihre Theorie ist, man müsse nur den Individualverkehr schikanieren, dann steigen die Leute schon um. Aktuell läuft in Bonn ein solcher Großversuch. Die Stadt hat die Hauptadern verengt und die Ampelphasen verkürzt und so für wesentlich mehr Staus gesorgt. Aber der Autoverkehr wächst.

            Auch empfehlenswert für den Realitätscheck: Frankfurt Hauptwache und Konstablerwache sowie Eschersheimer Turm. Berge von Obdachlosen, belästigt von migrantischen Bettlern, Drogensüchtige sind auch darunter. Uringeruch überall in der Luft. Da hat man richtig Bock U-Bahn zu fahren. Bei mir im Auto gibt’s das alles nicht, nur gute Musik.

            Chile ist ei extrem großes Flächenland, sehr dünn besiedelt und eine alles dominierende Metropole. Was willst Du da mit öffentlichem Fernverkehr? Und der Busverkehr zwischen Valparaiso und Santiago ist ganz gut. Einziges Problem: die Busse enden im Außenbereich, weit vom Zentrum entfernt.

            • Lemmy Caution 21. Juni 2024, 08:38

              Ich bin wirklich ÖPNV hardcore user. Bin schon Hannover – Berlin, Hannover – Köln und Aachen – Hannover mit Nahverkehr, weil ich mein Rad mitnehmen wollte und ich da nichts kompliziert buchen muss. Außerdem fahre ich oft U-/Straßen-bahn
              Es ist völlig in Ordnung. Kopenhagen hat eine gute U-Bahn, wenn ich mich recht erinnere, aber die hat vermutlich eine Menge Geld gekostet. Die Systeme deutscher Städte sind aber auch für mich völlig akzeptabel. Ich habe keine Angst vor Obdachlosen, Drogenabhängigen oder agressiven Menschen, weil ein großer, seriös aussehender Mann einfach nicht mit der ihrem Opferschema kompatibel ist, falls die Geld brauchen oder Terror machen wollen.

              Viele Chilenen wollen einen Wiederaufbau des Eisenbahnnetzes, das ja vor den 70ern mal existierte. Allerdings waren die Züge sehr langsam und rumpelig. Die Züge um die Städte werden ausgebaut und werden von Pendlern viel genutzt. Besser als die vielen sehr hohen Wohnhochhäuser die in Santiago v.a. in Metro-nähe entstanden sind. Man spricht da auch von vertikalen Slums.
              Die Fernbusstationen sind selten direkt im Zentrum (Talca), aber doch sehr nahe am Zentrum. Die beiden Busterminals in den Süden (Metro Universidad de Santiago) sind 4 Metro Stationen von La Moneda entfernt und die in den Süden (Metrostation Pajaritos) 8 Metro Stationen. Das ist schon zentral. Du warst offensichtlich noch nie in Puente Alto oder Maipú 😉 . Der Flughafen in Pudahuel ist auch „draußen“. Das Stadtviertel „Estación Central“ grenzt direkt an Stgo Centro.
              Außerdem will man einen Teil des Güterverkehrs von der Straße ziehen. Es gibt v.a. ein Projekt vom größten Hafen San Antonio nach Santiago.
              Die Bahnprojekte werden von jeder Regierung fortgesetzt, egal wer gewählt wird. Nur gibts halt für einen teuren Hochgeschwindigkeitszug nicht genug Bedarf, aber Santiago – Chillán fährt 160 km Spitze, 120 km Durchschnitt.

            • CitizenK 22. Juni 2024, 16:54

              „den Individualverkehr schikanieren, dann steigen die Leute schon um“

              Wer sagt das? Ich höre und lese von den Befürwortern immer: Den ÖPNV attraktiver machen, DANN steigen die Leute um.

              • Stefan Pietsch 22. Juni 2024, 18:14

                Habe ich doch angeführt. Beispielsweise die Grünen. Okay, sie benutzen nicht das Wort „Schikanieren“, sondern „das Auto zurückdrängen“ und ähnlich. Aber jeder weiß, was gemeint ist. Und wie das genau aussieht, steht in dem von mir verlinkten Artikel. Ist übrigens in Frankfurt exakt das Gleiche: Gravierende Verengung der Fahrspuren, deutliche Reduzierung der Stellflächen, Änderung der Taktung der Ampelanlagen, so dass sich die Staulänge und Staudauer exorbitant erhöht hat. Früher hatten wir von Grünphasen gesprochen, um den Verkehr schnell aus den Städten gleiten zu lassen. So etwas gibt es weder in Berlin, Hamburg noch Frankfurt.

                In Bonn wie in Berlin (so die Aussagen hier, meine Meinung ist anders) ist der ÖPNV sehr attraktiv – und trotzdem steigen die Leute nicht um. Dann muss man sich eingestehen, dass das Idee eventuell falsch ist.

                • CitizenK 23. Juni 2024, 07:24

                  Das Auto „zurückdrängen“will man ja nicht aus purer Bosheit. Es geht um die faire Verteilung der knappen (Ökonomie!) Verkehrsflächen.
                  Ich halte es da mit dem frühen Kretschmann: Weniger ist mehr. Auch für die Autofahrer: Keine Staus, frei Parkplätze.

                  Ist auch ein Imageproblem. Schon vor Jahrzehnten überraschten mich Berichte aus Zürich: Dort fahren sogar die Banker Tram! Und die war weit weniger attraktiv. Altmodisch, quietschend. Keine Apps, keine Monitore mit Anschlüssen usw.

                  • Stefan Pietsch 23. Juni 2024, 11:02

                    Doch.

                    Zu diesem Ergebnis muss jeder kommen, der nach dem Ziel fragt. Wenn das Ziel ist, weniger Autos in den Innenstädten zu haben, dann wäre die richtige Maßnahme, den Zugang zu beschränken (Maut, anderes Auswahlverfahren). Die Bürger in die Städte fahren lassen und sich dann zu amüsieren, wie sie sich nach dem Prinzip „Reise nach Jerusalem“ um den immer weiter reduzierten Parkraum streiten, ist Bösartigkeit.

                    Es geht um die faire Verteilung der knappen (Ökonomie!) Verkehrsflächen.

                    Das ist doch ein Widerspruch in sich. Was ökonomisch ist, wird häufig nicht als fair empfunden. Die Einkommen der Bürger sind nach rein ökonomischen Kriterien entstanden. Aber die meisten halten es nicht für fair, weil die Verteilung extrem von dem Prinzip der Gleichheit entfernt ist.

                    Und genau darum geht es Ihnen: Gleichheit. Warum sollte ein Dicker mehr Platz beanspruchen dürfen als ein Dünner? Warum bekommen Erwachsene größere Essensportionen als Kinder? Sie würden es auch kaum als fair betrachten, wenn der Mann, der fünf Tage die Woche auswärts verbringt, den gleichen Wohnraum in Form eines Büros beanspruchen würde wie die eigene Frau, die auf der verbleibenden Fläche noch die Hausarbeit erledigt.

                    Ökonomisch ist, für den vorhandenen Platz eine möglichst hohe Auslastung zu ermöglichen. Ungenutzter Raum ist Verschwendung. Wenn ich mir in Frankfurt die Berliner Straße (parallel zur Einkaufsmeile Zeil) ansehe, wo inzwischen beidseitig breite Fahrradspuren existieren, die ähnlich wie in Bonn kaum genutzt werden, während daneben der Verkehr 15 Minuten braucht, um eine Strecke von 1,5 km zu überwinden, stellt sich die Frage nach der Ökonomie nicht. Das ist pure Verschwendung von Straßenraum.

                    Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie befürworten die Besteuerung nach Züricher Art und ich trete für Zugangsbeschränkungen wie dort ein. Deal?

              • Thorsten Haupts 23. Juni 2024, 15:34

                Das ist reines Wunschdenken. Es ist unmöglich, den öffentlichen Nahverkehr auch nur annähernd so attraktiv zu machen, wie den Individualverkehr, weil Massentransport inhärente, systembedingte, Nachteile hat, die nicht zu beseitigen sind.

                Nö, letztlich hat man (fast) nur ein wirksames Steuerungsinstrument – den Preis.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

  • Stefan Pietsch 19. Juni 2024, 20:40

    2) Der Verräter

    Das Ergebnis solcher parteipolitischer Exklusion können wir möglicherweise bald in Sachsen besichtigen, wenn AfD und BSW die erste rechts-/linksextremistische Regierung in Deutschland bilden. Wer heute noch von Brandmauern faselt, hat den Schuss immer noch nicht gehört.

    Rechtsradikale können nur an die Macht kommen, wenn sie konservative Steigbügelhalter haben.

    Das ist eine interessante Betrachtung. Die SPD hat bei der Europawahl 600.000 Wähler an die AfD verloren, genauso viel wie die CDU. Nach dieser Argumentation fallen die ehemaligen SPD-Wähler aus der Koalitionsarithmetik raus, weil sie die falsche Partei gewählt haben. Das soll aber nicht der Schaden der Sozialdemokraten sein. Da die Ex-SPD-Wahlgänger einfach ignoriert werden, hat Scholz‘ Partei gar nicht verloren. Entsprechend stellen sie in Brüssel Forderungen, ungeachtet, dass ihre Spitzenkandidatin Barley 2019 und 2024 beim Wähler durchgefallen ist. Man möchte trotz des Desasters den Präsidentenstuhl des Parlaments und alles, was der Wahlsieger EVP ablehnt, unter anderem den Green Deal.

    So werden Wahlverlierer zu Wahlsiegern dank Brandmauer. Und dann wundert sich noch jemand, wenn immer mehr Menschen radikale Parteien wählen. Echt?

    • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 08:27

      Ich verstehe deine Argumentation überhaupt nicht. Mein Punkt ist, dass die Rechtsextremisten nicht auf 51% der Stimmen kommen. Entsprechend brauchen sie Koalitionspartner. Und die finden sie sicher nicht bei der SPD, egal wohin deren Wählende abgewandert sind.

      • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 10:43

        Sein Punkt ist vielleicht, dass er a) bei „Rechtsextremisten“ nicht automatisch mitgeht (ich z.B. auch nicht) und b) bei bestimmten Mehrheitsverhältnissen keine akzeptabel aussehenden demokratischen Alternativen mehr existieren?

        Ich finde die Forderung an alle Konservativen in Europa „Spiel niemals mit den Schmuddelkindern …“ ohnehin faszinierend. Denn sie werden niemals begleitet durch das eigentlich notwendige „Wir werden dafür Politik von Euch mittragen, die auch Eure Anhänger befriedigt“. Nein, werden sie nicht, damit ist die Ausgangsforderung „Spiel niemals …“ im Ergebnis automatisch die Aufforderung zur Selbstzerstörung.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 12:26

          Das war aber in den 2000er Jahren exakt gleich, als das Spiel mit der LINKEn gemacht wurde. Da wurde die SPD bedrängt, nicht mit den Schmuddelkindern zu spielen, und es gab keine „wir befriedigen dafür euren linken Flügel“. That’s a game both sides can play. Ich stimme dir allerdings zu, dass wir zunehmend ein Problem hier kriegen.

      • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 12:53

        In Sachsen kommen AfD und BSW nach aktuellen Hochrechnungen auf eine absolute Mehrheit. Jetzt kann man flugs das BSW als nicht extremistisch einsortieren – dann hätte man nochmal Glück gehabt. Tatsächlich jedoch haben wir hier zwei populistisch-extremistische Parteien und die würden die mittigen Parteien nicht mehr fragen, ob sie eine Koalition eingehen dürfen.

        Und da sind wir bei dem Punkt: Was machen wir mit den Millionen Stimmen, die von der SPD zur AfD wandern? Sagen wir ernsthaft: Ignorieren wir, wir sollten noch mehr der abgelehnten Politik machen? Really? Übrigens: In Frankreich erreichten die extremistischen Parteien im ersten Wahlgang der Präsidentschaftwahlen eine absolute Mehrheit. Dass das unmöglich sei, reden sich wirklich nur noch extrem Hartgesottene ein.

        • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 15:20

          BSW und AfD sind beide populistisch, und ich würde sie beide nicht mit der Kneifzange anfassen. Wenn ich aber nur zwei Möglichkeiten habe – und nur diese -, nämlich AfD und BSW, dann würde ich aktuell den BSW nehmen, weil die nicht so demokratiegefährdend sind. Aber scheiße sind beide Möglichkeiten.

          Ich sprach nur von Deutschland. Und nein, sollten wir nicht. Aber Koalitionen mit der AfD gehen nicht.

          • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 17:05

            Der Punkt ist, dass Du bei dem Konzept der Brandmauer wahrscheinlich gar nicht mehr gefragt wirst. Wenn rechte und linke Populisten vor der Wahl stehen, gemeinsam regieren zu können oder eine mittige Partei mitzunehmen, wählen sie die Koalition unter Gleichen.

            Die Idee der Brandmauer wurde geschaffen, um die AfD und Populisten generell klein und von der Macht fern zu halten. Dieses Konzept ist eindeutig gescheitert. Das hätte man wissen können, denn es hat bereits in Frankreich und anderen Demokratien nicht funktioniert.

            Übrigens ist das kein Plädoyer, mit diese AfD zu koalieren. Aber diese Frage kommt über kurz oder lang auf die Politik zu, wenn die mittigen Parteien und hier insbesondere die SPD so weitermachen wie bisher.

            • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 17:11

              Ich weiß nicht, ich sehe AfD und BSW nicht wirklich zusammenarbeiten. Aber vielleicht werde ich noch enttäuscht.

              • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 18:11

                Die linkspopulistische Syriza hat 2015 binnen weniger Tage eine Regierung mit der rechtspopulistischen ANEL gezaubert. Auch in Italien fand 2018 die linkspopulistische 5-Sterne leicht mit den Rechtspopulisten der Lega zusammen. Hufeisen, Du weißt?

                • Stefan Sasse 21. Juni 2024, 07:32

                  Populismus =/ Extremismus. Ich kenne mich mit Italien und Griechenland nicht besonders aus, aber hatte die ANEL auch nur annähernd vergleichbare Absichten mit der AfD gehabt? Und die 5 Sterne waren doch ein ideologisches Potpourri, das in überhaupt kein Lager passt.

                  Ansonsten: ich will das ganze nicht schönreden. Ich will keine Populisten an der Macht, weder links noch rechts. Ich begrüße Koalitionen ohne BSW und LINKE jederzeit. Nur will ich keinesfalls Faschos Macht über die Verwaltung geben.

                  • Stefan Pietsch 21. Juni 2024, 10:43

                    Ich weiß. Ich bin in der Hinsicht vorsichtig in meiner Ausdrucksweise. Auch die AfD beschreibe ich da zurückhaltend. Laut Verfassungsschutz gelten ein Drittel der Mitglieder als gesichert rechtsextremistisch. Das macht aber die Partei in Gänze nicht automatisch zu einer rechtsextremistischen Partei (wozu ich durchaus in der Beschreibung tendiere).

                    ANEL wurde damals als eine rechts-nationalistische Partei beschrieben. Ich habe das abgemildert und mich der heutigen Zuordnung angepasst. 5-Sterne ist das, was im Linkspopulismus so um sich greift und was wir in Frankreich mit Mélenchon, Podemos in Spanien und nun BSW finden: Im Sozialen hart an sozialistische Ideen angepasste Programmatik, in der Außenpolitik und der Migration klare nationalistische Elemente.

                    Meine Punkte sind ganz andere: Wir sind uns nur darin einig, dass wir keine Freunde von Populisten / Extremisten sind. Aber was sonst an Konsequenz zu ziehen ist, sind wir völlig uneinig.

                    – Bei der Europawahl haben die Parteien gewonnen, die den Green Deal abschaffen wollen. Die linken und grünen Parteien, die klar verloren haben, treten für den Erhalt ein. Nun sagt man auf deren Seite, die Stimmen jener Parteien rechts der EVP dürfen nicht zählen, inklusive Meloni.

                    Meine generelle Sicht ist, das Aufkommen von Populisten sind Fingerzeige des Wählers. Werden sie ignoriert, nimmt das Gewicht populistischer Parteien immer mehr zu. Würden sich die linken Parteien im Europaparlament durchsetzen, werden, gewinnen die rechtspopulistischen Parteien weiter an Zulauf.

                    Gerade in Deutschland machen wir ja so unsere Erfahrungen mit dem Ignorieren des Wählerwillens. Mit der AfD holt eine Partei 16 Prozent, die nach allen politischen Theorien eigentlich keine Stimmen bekommen dürfte. Immer mehr Wählern ist offensichtlich egal, was in der AfD passiert. Es geht ihnen um etwas anderes.

                    Demoskopen beschreiben Teile der AfD-Wähler inziwschen als verzweifelt, wütend und desillusioniert. Die SPIEGEL-Journalistin Amann behauptete bei Caren Miosga, viele seien nicht mehr erreichbar. Doch warum sind sie nicht mehr erreichbar?

                    Mit politischer Ignoranz steuern wir das Land in eine Situation, die wir bereits in unserem Nachbarland Frankreich und in Italien vorfinden.

                    In Österreich ist die FPÖ seit Jahrzehnten eine relevante Machtkomponente. Sie war bisher zweimal an der Bundesregierung beteiligt und an unzähligen Regionalregierungen. Es war bisher nicht zum Schaden unseres Nachbarlandes.

                    • Stefan Sasse 21. Juni 2024, 13:06

                      Passt da dieser Begriff von Linkskonservatismus, den Wagenknecht selbst eingebracht hat, nicht ganz gut?

                      Ich glaube, alle sind sich einig, dass das Aufkommen der Populisten eine Botschaft der Wählenden ist. Nur, welche Botschaft das ist und wie man darauf reagieren soll, das ist das Umstrittene. Und da tendieren alle dazu, ihre eigenen Prämissen reinzudeuten.

  • Sören Schmitz 19. Juni 2024, 20:49

    Der Punkt ist doch Deutschland macht the Wordt of Both. Teure Parkplätze und teurer ÖPNV – Wie es anders gehen kann : war erst dieses Wochenende in Maastricht. Parken in der Stadt 40 EUR, Parken auf dem P+R Platz und 10 min Bus fahren, kostet ganztägig für die ganze Familie 5,40 (Kinder bis 11 sind gratis). In Kölln kostet mich der Parkplatz 25 EUR, fahrt mit Öffis liegt dann bei 24.10 (Kinder in Köln sind nur bis 6 frei).
    Kein Wunder, dass die Leute mit den Auto fahren.

    • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 08:26

      Exakt. Auch Bahn in Deutschland. Ich könnte theoretisch mit der Bahn in den Urlaub fahren. Kostet mich nur vier- bis fünfmal so viel wie mit dem Auto. Völlig bekloppt.

      • schejtan 20. Juni 2024, 10:38

        Ich kenn das ja von meinen Heimatbesuchen; ich guck da ja immer wieder mal nach, ob der Eurostar nicht ne Alternative zum Fliegen waere. Und sehe dann, dass es doppelt so teuer ist (als British Airways, nicht RyanAir oder so) und die ganze Reise (ohne grosse Verspaetungen) von Haustuer zu Haustuer statt ca. 7 h eher mal so ca. 9 h dauert.

      • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 13:09

        Das ist ein total schräger Vergleich, denn Du nimmst anscheinend nur die Benzinkosten daher. Außerdem: Ist Dein Auto so groß, dass Deiner Kinder (und Du) darin herumlaufen können? Habt Ihr einen Fahrer? Du sitzt auf verbotswidrig engem Raum im Auto zusammen. Doch der Platz kostet und der muss transportiert werden.

        Ehrlicher wäre, Du würdest für die Fahrt in den Urlaub einen Wagen anmieten. Dann sieht die Rechnung schon deutlich anders aus. Ich bezahle für meinen Wagen je nach zurückgelegter Strecke monatlich über 1.000 Euro. Meine Frau zahlt einen Bruchteil davon für ihre Bahnkarte. Sie fährt also deutlich günstiger.

        In Großstädten wie Berlin und Frankfurt kommt man prima ohne Auto zurecht. Aber die meisten Menschen leben nicht in diesen Städten, wo sich im Prinzip der Nahverkehr sehr günstig organisieren lässt. Und dennoch fahren viele Menschen in die Städte, offensichtlich überzeugt das Nahverkehrsangebot nicht. Denn man bekommt dafür weder Sauberkeit, noch Sicherheit oder Ruhe. Warum kann der Staat diese Assets nicht organisieren?

        • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 17:08

          Ich lebe ländlich, du brauchst mir keine moralinsauren Vorträge halten, wo man ein Auto braucht. Ich sage nur dass eine ICE-Karte für eine Familie absurd teuer ist. Und ich brauch (ländliche Gegend) den ICE normalerweise nicht, deswegen lohnt sich auch keine Bahncard.

          • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 18:01

            Ich bin die vergangenen zwei Wochen nach Athen und zurück geflogen, Business Class. Kostenpunkt: 1.450 Euro für zwei Personen. Da hast Du auch nicht mehr Platz als in einem Mittelklassewagen. Benzinkosten wären ungefähr 40 Prozent davon gewesen. So kann ich natürlich auch rechnen.

            Mein Punkt ist, dass Du die Strecke nicht zu Teilkosten mit dem Auto rechnen darfst, sondern zu Vollkosten, wie die Bahn das schließlich auch tut. Betriebswirtschaftlich gesprochen. Da das immer für Vergleiche ein bisschen schwierig ist, halte ich den Mietwagenvergleich für sinnvoll.

            Mobilität ist teuer und das Auto ist für einen Haushalt in der Stadt deutlich teurer als der Rückgriff auf öffentliche Verkehrsmittel. Deswegen verzichten ja sehr viele Menschen in Ballungsräumen auf ein eigenes Auto. Ich würde das auch tun, würde ich in Berlin oder New York leben. Aber Dein Vergleich ist eben – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesprochen – extrem schräg. Meine Eltern haben schon so gerechnet, weswegen sie mit ihren drei Kindern immer mit dem Auto in den Urlaub gefahren sind. Zugegeben, weil die Bahn auch keine Motorboote befördert und die Wasserlassung sich kompliziert gestaltet hätte. 🙂 Aber wir sind nie nach Griechenland geflogen, obwohl ich das geliebt hätte.

            Es hat sich also nicht so wahnsinnig viel zu den Siebzigerjahren geändert. Take it easy, Dusty!

            • Stefan Sasse 21. Juni 2024, 07:29

              Versuchst du mich gerade zu überzeugen, dass das Bahnticket in Wirklichkeit günstiger wäre? Weil ich sehe die Argumentation schon, nur: ich hab das Auto ja schon. Versicherung etc. zahle ich also so oder so. Deswegen fallen „nur“ die Stromkosten unterwegs zusätzlich an (Wertverlust etc. ist Hupe, weil Leasingwagen).

              • Stefan Pietsch 21. Juni 2024, 10:55

                Das ist so. Grundsätzlich ist der ÖPNV in Großstädten für Singles und Paare das günstigere Verkehrsmittel. Das verschiebt sich mit der Haushaltsgröße. Teuer werden die Dinge, wenn Du ein Bedürfnis mit zwei und mehr Alternativen abdecken willst. Das ist keine Besonderheit bei der Mobilität.

                Es hat ja seinen Grund, warum junge Familien aus den Ballungsräumen rausziehen. Das war zu allen Zeiten so.

  • Stefan Pietsch 19. Juni 2024, 20:55

    4) South Korea Lays Out $470 Billion Plan to Build Chipmaking Hub

    Da reden zu viele wie der Blinde von der Farbe. Das niederländische Unternehmen ASML ist der weltweit größte Anbieter von Lithographiesystemen für die Halbleiterindustrie. Der Konzern dominiert mit einem Anteil von 80-90 Prozent den Markt, alle relevanten Chipherrsteller sind gezwungen, bei ihnen einzukaufen. ASML versorgt auch den Giganten Nvidia, derzeit das wertvollste Unternehmen der Welt.

    ASML besetzt dabei die Schaltstelle für die Entwicklung von KI. Doch die Position ist gefährdet, Anbieter wie Intel drängen auf den Markt und bauen neue Fabriken auf. Schon 2026 rechnen Marktbeobachter mit einem deutlichen Überangebot, weshalb die hervorragenden Jahresergebnisse von ASML auch nicht mit einem Kursfeuerwerk belohnt wurden.

    Für die, die in der Markttheorie nicht so firm sind (alle Amateur-Makroökonomen und Hobby-Sozialisten sowie Industriepolitik-Fetischisten): Ein Überangebot sorgt für sinkende Margen, dann Verlusten und schlechte Ergebnisse. Vorteilhaft ist es dann, wenn die immensen Investitionskosten in die Überkapazitäten von industriepolitisch fixierten Politikern dem Steuerzahler aufgehalst werden.

    Die Wahrscheinlichkeit, dass Intel mit seiner mit 10 Milliarden Euro geförderten Chip-Fabrik in Ostdeutschland Gewinne erzielen wird, sind nicht übermäßig. Aber das macht nichts, das Management hat eben vorgesagt und grüne Gimpel, die besser Kinderbücher schreiben können als Wirtschaftspolitik betreiben, sind ihre besten Freunde.

    Wer sich da noch wundert, dass der BDI für die Aufhebung der Schuldenbremse votiert, hält Unternehmer und Manager offensichtlich für Vollidioten.

    • CitizenK 20. Juni 2024, 10:33

      Wie ist das Quasi-Monopol der Niederländer bei den offenbar essenziellen Belichtungsanlagen zu erklären? Berichte darüber gibt es seit Jahren. Da müssten doch längst Konkurrenten entstanden und eingestiegen sein.

      Können andere das nicht, auch in in USA, Südkorea, Japan? Ist die Technik so anspruchsvoll – oder gibt es andere Gründe?

      • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 11:36

        Die Technik ist wirklich extrem anspruchsvoll und spielt sich im Grenzbereich des technisch möglichen ab. Da akkumulieren sich über die Jahrzehnte die Vorteile systematischer Forschung und praktischer Anwendung, insbesondere weil wir hier von industriellen Dimensionen aka Massenproduktion reden. Und zumindest bisher hat ASML die häufigen Fehler eines marktbeherrschenden Unternehmens vermieden (lethargische Dekadenz).

        Das kann man natürlich aufbrechen, aber die Zeit dafür ist eher ein Jahrzehnt und die Investitionssummen sind enorm, sowohl für die Infrastruktur als auch für unvermeidbare Fehler und die anfangs vermutlich notwendige Priessubvention durch des Konkurrenzunternehmen.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

      • Stefan Pietsch 20. Juni 2024, 13:00

        Wie Thorsten Haupts schreibt, hat ASML einen deutlichen technologischen Vorsprung in einem extrem dynamischen Markt. Technologieführer wie auch Nvidia werden da nur überholt, in dem sich der Markt wandelt und neue Technologien die des Monopolisten ablösen. Dazu braucht es jedoch Innovationen.

        Innovationen entstehen aber nicht durch Subventionen und der Staat kann sich auch nicht mit Industriepolitik steuern. Erinnern Sie sich noch an das Tübinger Unternehmen CureVac? Vom Bund mit Subventionen zugeschüttet, weil man sich die Entwicklung eines Impfstoffs erhoffte. Dann machte BioNTech in Mainz das Rennen. Binnen Monaten war das Unternehmen Milliarden wert, doch es blieb bisher ein One-Hit-Wonder. Die Aktie stürzte um 70 Prozent ab.

        Der Staat kann weder Rising Stars machen noch Innovationen anstoßen oder vorantreiben. Versucht er es, verliert er das eingesetzte Steuergeld. Diese Lektion wird in unbegrenzter Zahl gelehrt – aber nicht gelernt. Es ist zum Verzweifeln.

  • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 10:23

    Zu i)

    Habeck hat also nie mit echten (auch deutschen) Wokies diskutiert? Nur dann kann er ausschliesslich den „rechten“ Populismus in die Haftung nehmen, andernfalls kann er das nicht.

    Und da Habeck das weiss, war das ein Meisterstück an Propaganda. Denn an Dogmatismus, Unversöhnlichkeit, Kompromissunfähigkeit und Polemisierungswilen sind Wokies Rechtsradikalen und Rechtspopulisten mindestens ebenbürtig, wenn nicht überlegen.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 10:31

      In jedem Spektrum gibt es die Leute. Aber Habeck hat doch inhaltlich völlig Recht, oder?

      • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 11:30

        Nein. Er zielt – ausschliesslich (!) – auf rechten Populismus und mit dieser falschen Verkürzung wird er Leute wie mich nicht überzeugen. Und ich habe weder vergessen noch verdrängt, mit welcher verbalen Härte grüne Aktivisten aus der Friedens- oder Anti-Atomkraft-Bewegung früher vorgegangen sind.

        Entweder das Polemisierungs- und Verzerrungsvervor gilt für alle, oder es gilt für niemanden. Habeck hat sehr deutlich gemacht, dass er es nur auf „Rechte“ anwenden will. Ihm geht es also nicht um die Sache an sich.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 20. Juni 2024, 12:29

          Ist es nicht ein bisschen unfair, die 80er Jahre jetzt Habeck umzuhängen? Da kann der ja nix für. Die Rote-Socken-Kampagne der CDU oder das Landesverrats-Gebrülle war ja auch nicht eben nett, aber was sagt das über die Konservativen heute?

          Und grundsätzlich bin ich absolut dafür, dass das für alle gilt. Ich finde jetzt auch nicht, dass Habeck sich da was vorwerfen müsste.

          • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 13:55

            Er hat bewusst (er ist Spitzenpolitiker) ausschliesslich über Rechtspopulismus gesprochen. Und nicht über das Prinzip. Beweisvortrag abgeschlossen.

        • cimourdain 20. Juni 2024, 13:20

          Nicht alle anderen haben vergessen und verdrängt, mit welcher Härte (nicht nur verbal) GEGEN grüne Aktivisten aus der Friedens- oder Anti-Atomkraft-Bewegung früher vorgegangen wurde.

          Tempi passati und vielleicht ist es auch Verklärung, aber im Nachhinein lag selbst in den Aggressionsmomenten der damaligen Zeit womöglich (subjektiv betrachtet) mehr demokratischer Widerstreit als heute, wo sich verschiedene Gruppen gegenseitig komplett auszublenden versuchen.

          • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 13:53

            Das könnte aber in einer schlichetn Illusion gelegen haben: Man hat geglaubt (sich selber eingeredet?), der jeweils andere achte die demokratischen Spielregeln und würde (zähneknirschend, aber eben doch) akzeptieren, keine demokratische Mehrheit zu bekommen.

            Ich bin mir nicht mehr sicher, ob das nicht schon immer falsch war, nur wollte das die Funktionselite nicht bemerken bzw. an dieser Illusion festhalten?

            Gruss,
            Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 10:27

    Zu 4) Ich sage immer wieder, dass Deutschland einfach keine Industriepolitik kann, und diese Meldung ist ein weiterer Beleg dafür.

    Ich verstehe in diesem Bereich Deine Neigung zu Argumenten nicht, die sich durch die Realität selbst widerlegen. Wenn Deutschland keine Industriepolitik kann, aber für viele Jahre Exportweltmeister ist, dann ist entweder dieses „Nichtkönnen“ dem „Können“ der anderen offenkundig deutlich überlegen? Oder das Axiom „Nichtkönnen“ ist einfach Unsinn?

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 20. Juni 2024, 10:32

    Zu 3)

    Was Pistorius und die Bundesregierung da abziehen, ist etwas, was ich beruflich wie politisch am meisten hasse – die Simulation einer Problemlösung anstelle einer Problemlösung.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • cimourdain 20. Juni 2024, 17:54

    1) Nachtrag zum Internationalen Vergleich beim öffentlichen Verkehr generell zur Organisation hierzulande: Ein brutaler Verriss der NYT.
    https://www.nytimes.com/athletic/5569570/2024/06/18/euro-2024-germany-england-fans-gelsenkirchen-trains/
    Muss man der Ehrlichkeit halber auch so wahrnehmen

    • Stefan Sasse 21. Juni 2024, 07:26

      Ja, wobei ich nicht abschätzen kann wie viel davon storytelling ist gerade.

  • derwaechter 21. Juni 2024, 00:10

    c

    „Veränderung nicht verstehen ist leicht. Wenn man 16 Jahre Kohl, 7 Jahre Schröder und 16 Jahre Merkel gesehen hat, dann sind das fast 40 Jahre Stagnation, die Abwesenheit von Veränderung in der Politik.“

    Mmh. Das erscheint mir ein bisschen arg, insbesondere, aber nicht nur, ggü Schröder.
    Es hat sich schon viel in der Politik verändert, sowohl in der faktisch umgesetzten Politik als auch in der politischen Landschaft.

    „Alles, was ihr über die Probleme und die Kosten einer Energietransition wißt oder an Artikeln lest, das älter als 12 Monate ist, ist wahrscheinlich falsch und basiert auf veralteten Annahmen. Der Wandel passiert schneller, ist einfacher und gefahrloser und sehr, sehr viel billiger als ihr denkt.“

    Weshalb es auch so fürchterlich weh tut sich immer wieder mit Argumenten von vor 10, 20 Jahren herumschlagen zu müssen.

    „Wenn Stephen Colbert scherzhaft sagt “Reality has a well-known liberal bias”, dann bezeichnet das auch genau das: Leute mit konservativem, veraltetem Weltbild scheitern an einer sich ändernden, progressiven Realität.“

    Da ist was dran, aber die Begründung des Autors ist m.E. wenig tragfähig. Denn die heutigen Liberalen haben ja den gleichen Zeithorizont und die gleiche Kindheit gehabt.
    Es ist aber eben nicht so, dass die jüngere Generation homogen progressiv und die vorherige(n) homogen konservativ seien.

    Oder andere Perspektive: Wir beide sind fast gleich alt. Wir gehören also knapp zu denen, die er mit „Leuten, deren Weltbild 30 Jahre und länger in Bernstein konserviert worden ist. Das ist ein Problem“ meinen müsste.
    Fühlst du dich uneingeschränkt angesprochen? Ich nicht.

    Der Autor des Textes wahrscheinlich auch nicht 🙂

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