Chinesische Suppenkasper kippeln im Klassenzimmer mit Scheidungspapieren zahnloser Tiger – Vermischtes 02.05.2024

Anmerkung: Dieser Post war für den 2.5. geplant, aber aus irgendeinem Grund hat WordPress ihn nicht veröffentlicht. Daher mit Verspätung. Hab mich schon gewundert dass keine Kommentare kommen…

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Die Suppenkasper sind über uns

In dem Radiointerview mit dem Deutschlandfunk äußerte der FDP-Verkehrsminister Volker Wissing die Ansicht, dass die Reduzierung von CO2-Emissionen den Menschen unzumutbare Einschränkungen auferlegt. Er argumentierte, dass individuelle Verhaltensänderungen, wie zum Beispiel das Vermeiden von Autofahrten, für viele Menschen zu belastend seien. Diese Haltung spiegelt die Vorstellung wider, dass politische Maßnahmen nur dann akzeptiert werden, wenn sie für die Bürgerinnen und Bürger hundertprozentig zumutungslos sind. Wissing implizierte, dass die Akzeptanz von Emissionsreduktionen nur dann möglich sei, wenn sie keine persönlichen Opfer erfordern. Diese Auffassung steht im Gegensatz zu der Idee, dass politische Entscheidungen manchmal unangenehm sein können, aber dennoch notwendig sind, um langfristige Probleme anzugehen, wie zum Beispiel den Klimawandel. Indem er die CO2-Reduktion als unzumutbar darstellte, versuchte Wissing möglicherweise, politische Unterstützung für seine Position zu gewinnen und gleichzeitig Druck auf andere Parteien auszuüben, weniger anspruchsvolle Maßnahmen zu fordern. (Hedwig Richter, FAZ)

Der Essay von Hedwig Richter hat viel Aufmerksamkeit erregt; sogar Marco Buschmann sah sich bemüßigt, ein kulturkämpferisches Statement für die Freiheit des Schnitzelverzehrs abzugeben. Es wird die Lesenden wenig überraschen, dass ich ihren Punkten voll zustimme, aber ich möchte auf einen anderen Aspekt hinaus: Richter benutzt viel die Begrifflichkeit der „Zumutung“, in einem positiven Kontext: die Politik müsse den Leuten mehr zumuten. Während ich, erneut, völlig bei ihr bin, erinnert mich die Formulierung sehr stark an die Reformdiskurse der 2000er Jahre und der aktuellen FDP-Rhetorik. „Zumutungen“ verlangen sich immer besonders leicht, wenn sie andere betreffen beziehungsweise wenn man sie selbst bereits akzeptiert hat. Das gilt für alle politischen Spektren. So verlangen sich „Zumutungen“ bei sozialen Einschnitten besonders leicht, wenn man selbst keine Sozialleistungen bezieht, und „Zumutungen“ beim Fleischverzehr und Tempolimit, wenn man eh wenig Fleisch isst und selten über 120 fährt.

2) The U.S. Has Received a Rare Invitation From China. There Is Only One Right Answer.

Chinas nukleare Strategie war lange Zeit auf Selbstverteidigung ausgerichtet, aber jüngste Entwicklungen haben in Washington Besorgnis ausgelöst. Das Pentagon warnt davor, dass China bis 2030 seine Atomwaffen verdoppeln will, und gleichzeitig seine Testeinrichtungen und Raketenfelder ausbaut. Diese Veränderung in Chinas nuklearer Haltung stört das traditionelle Gleichgewicht zwischen den USA und Russland. Während die USA Chinas Aufrüstung als Versuch sehen, mit ihren Rivalen gleichzuziehen, gibt es Befürchtungen, dass sie auch als Abschreckung gegen Interventionen in Konflikten wie Taiwan dienen könnte. Chinas Einladung zur nuklearen Diplomatie, in der es einen gegenseitigen Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen vorschlägt, hat viele überrascht. Die USA haben jedoch noch nicht reagiert, was interne Meinungsverschiedenheiten über die Aufgabe ihrer Ersteinsatzpolitik widerspiegelt. Die Zurückhaltung von Präsident Biden, sich zum Verzicht auf den Ersteinsatz zu verpflichten, hängt mit Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von Verbündeten und den Reaktionen potenzieller Gegner zusammen. Das Angebot Chinas könnte jedoch trotz möglicher strategischer Absichten Wege für Gespräche über Rüstungskontrolle öffnen, Spannungen abbauen und Normen für das neue nukleare Zeitalter festlegen. Trotz Herausforderungen könnte eine Einigung mit China über die nukleare Politik den Grundstein für zukünftige Abkommen legen und so zur globalen Sicherheit beitragen. (W. J. Hennigan, New York Times)

Grundsätzlich wäre es natürlich zu begrüßen, wenn der derzeitige „Rüstungskontrollwinter“ wieder durch neue Abkommen etwas Tauwetter bekäme. Das Problem mit dem konkreten Vorschlag aber ist, dass Chinas Angebot ein Verzicht auf den Einsatz der Waffen GEGENEINANDER bedeutet. Es lässt aber explizit offen, Atomwaffen gegen andere Staaten einzusetzen. Das wäre ein massiver Rückschritt, kein Fortschritt, weil es plötzlich qua Vertrag das bisherige Tabu über den generellen Einsatz von Atomwaffen auflösen würde. Dazu kommt natürlich für die USA, dass anders als mit Russland keine strategische Parität mit den chinesischen Nuklearwaffen besteht; diese haben gar nicht dasselbe Potenzial, weswegen es für die USA natürlich nur eingeschränkt attraktiv ist, egalitär-reziproke Vereinbahrungen einzugehen.

3) Es gibt auch gute Nachrichten aus deutschen Klassenzimmern

Das Deutsche Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung zeichnet ein düsteres Bild der Bildungslandschaft mit Lehrermangel, verhaltensauffälligen Schülern und Lehrkräften, die unter psychischer und physischer Gewalt leiden. Trotz dieser Herausforderungen zeigen Lehrkräfte positive Rückmeldungen zur direkten Beziehungsarbeit mit den Schülern. Die meisten fühlen sich von den Schülern respektiert und als Vorbilder angesehen. Ein starkes Gemeinschaftsgefühl im Kollegium ist jedoch oft Mangelware, und ein Viertel der Lehrkräfte erhält kaum Feedback für ihre Arbeit. Eine stärkere Teamarbeit und eine Entlastung von Verwaltungsaufgaben könnten das Schulklima verbessern und den Lehrerberuf wieder attraktiver machen, indem Lehrkräfte sich auf das Kerngeschäft des Lehrens und Erziehens konzentrieren können. (Sabine Menkens, Welt)

Erstens ist es immer gut, wenn in den Medien auch einmal positive Meldungen kommen, was die Hervorhebung dieser Nachricht ganz besonders wichtig für mich macht, reite ich doch ständig darauf herum, dass die dauernde Negativität gesellschaftlich negative Effekte hat. Aber auch inhaltlich ist das etwas, das die Verbreitung lohnt und das ich aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen kann. Das Verhältnis zwischen Schüler*innen und Lehrkräften hat sich deutlich verbessert, wenn ich das mit meiner Zeit vergleiche. Das fiel mir bereits im Referendariat auf (mittlerweile auch 11 Jahre her), wo ich nie mit den Problemen zu kämpfen hatte, die Referendar*innen damals mit uns hatten, und das hat sich weiter fortgezogen: das inzwischen wesentlich mehr als früher auf Gleichrangigkeit, Augenhöhe und Respekt fußende Verhalten von Lehrkräften gegenüber Schüler*innen hat viele positive Nachwirkungen, die sich darin zeigen.

4) Die vaterlandslosen Gesellen von der AfD

Die AfD sieht sich mit Enthüllungen konfrontiert, die ihr Spitzenpersonal in ein zwielichtiges Licht rücken. Es besteht der Verdacht, dass einige AfD-Politiker aus Russland und China Geld erhalten haben könnten. Obwohl die Unschuldsvermutung gilt, bewundern viele in der AfD fremde Autokraten, darunter Putin und Xi Jinping. Trotzdem ist die Partei erfolgreich und hat sich im politischen Betrieb normalisiert, auch wenn sie immer radikaler wurde. Möglicherweise schadet das Verhalten einiger AfD-Politiker nun der Partei, da es die Grenzen ihrer Anhängerschaft überschreiten könnte. Einige könnten sich vom extremen Kurs der Partei distanzieren, insbesondere wenn sie den Eindruck vermittelt, die Interessen fremder Mächte zu vertreten. Jeder Prozentpunkt, den die AfD in diesem Wahljahr verliert, wäre ein Gewinn für die deutsche Demokratie. (Sebastian Fischer, Spiegel)

Die Frage, wie sinnvoll es ist, in einen Wettbewerb mit der AfD um die Begrifflichkeit des Patriotismus einzutreten, habe ich auf Bluesky mit Hanning Voigts diskutiert. Ich bin grundsätzlich der Überzeugung, dass es wenig sinnvoll ist, den Rechtsextremisten den Begriff zu überlassen. Es war ja bereits früher ein Fehler der Progressiven, ihn den Konservativen zu überlassen; nun auch noch das Prädikat komplett aus dem demokratischen Spektrum verbannen zu wollen, halte ich für eine Eselei. In den USA sehen wir ja dasselbe Problem: es macht den Democrats unendlich Probleme, dass die Republicans das Label des Patriotismus für sich gepachtet haben; an schrecklichen Auswirkungen denke man nur an den Irakkrieg.

5) Mehr Papier als Tiger

Die FDP sorgt mit einem Zwölfpunkteplan zur Beschleunigung der Wirtschaftswende für Aufsehen. Dieser beinhaltet Maßnahmen wie Kürzungen beim Bürgergeld und das Ende der Rente mit 63, was von SPD und Grünen kritisiert wird. Die FDP betont jedoch, dass sie diese Punkte ernst meint und Deutschland wettbewerbsfähiger machen möchte. Generalsekretär Djir-Sarai betont, dass die FDP nicht vorsätzlich die Koalition sprengen will. Die SPD äußert sich genervt über die Vorstöße der FDP, während die Grünen gelangweilt reagieren. Trotzdem bleiben ernste Fragen, ob die FDP einen Koalitionsbruch vorbereitet oder Zugeständnisse vom Kanzler erreichen will. Besonders umstritten sind Forderungen wie die Abschaffung der Rente mit 63. Die FDP hält an ihren Ideen fest und betont ihre Wichtigkeit für die Wirtschaft. Der Kanzler bleibt für die FDP jedoch vorerst tabu. (Jonas Schaible/Christoph Schult/Christian Teevs, Spiegel)

Ich kann so einigermaßen verstehen, was die FDP versucht. Die Umfrageergebnisse sind mies, und die Analyse scheint die zu sein, dass man in der Ampel wesentlich mehr zurückstecken muss als die beiden Partner und dass man zu wenig erreicht. Ersteres halte ich für eine Fehlwahrnehmung, aber das ist irrelevant – Gefühle sind, was sie sind, ob im Alltag oder in der Politik (Thorsten Jungholt von der Welt attestiert der FDP ein „Glaubwürdigkeitsproblem„). Dass die FDP wenig Konkretes vorzuweisen hat, liegt aber auch an ihr selbst: wer sich selbst vor allem als Verhinderer inszeniert, kann natürlich auch nichts Konstruktives vorbringen, und „wir haben Schlimmeres verhindert“ hat schon der SPD in ihren Koalitionen mit der CDU genau gar nichts geholfen.

Gewollt ist natürlich der Vergleich zum Lambsdorff-Papier (hier ein solcher), aber das ist ziemlicher Unfug. Die CDU pusht natürlich dieses Narrativ, weil sie auf den Koalitionsbruch hofft (besonders angesichts des aktuellen Umfragehochs), während die FDP sich in strategischer Ambivalenz übt: die eigene aufrührerische Basis soll gerne glauben, dass es ein potenzielles Scheidungspapier ist, während der Rest und die Partner gerne glauben dürfen, dass es irrelevanter Parteitagkrach ist. Das ist sicher eine valide Strategie. Ob sie aufgeht, wird sich zeigen und hängt neben Lindners Kommunikationsgeschick auch viel vom Glück und den Winden der Politik ab. Solche Sachen können eine Eigendynamik entwickeln und außer Kontrolle geraten.

Siehe auch die Analyse von Benedikt Becker.

Restrampe

a) Super Erklärung der polizeilichen Kriminalstatistik und dem Law&Order-Schindluder, der damit getrieben wird.

b) Ausführliche Analyse, wie republikanische Politik Menschenleben kostet.

c) Die Debatte um Falschparken ist völlig bekloppt. Statt Strafverfolgung sollte man einen Zettel an die Windschutzscheibe kleben. Einmal mehr ist der Kontrast zum Umgang mit der Letzten Generation beachtlich.

d) Philologen beklagen Anfeindungen in Abi-Zeitungen: Was Lehrkräfte hinnehmen müssen – und was nicht. Der Philologenverband sind echt solche Clowns.

e) Warum Unternehmer das Lieferkettengesetz loben.

f) Europa muss mehr Kapitalismus wagen.

g) Interessante Beobachtung zum Thema Attraktivität von NGOs.

h) Habeck spricht über den Wiederaufbau der Ukraine. Völlig zurecht, in meinen Augen.

i) Immer derselbe Punkt zur Steuerhinterziehung, bleibt aber einfach wahr. Vergleiche zu g).

j) Wissings (und seiner Vorgänger) Versagen in Zahlen.

k) Die CDU ist immer mehr auf „weg mit der Schuldenbremse“-Kurs. Die sind echt nicht doof.

l) Wagenknecht verortet sich offiziell rechts von der SPD. Wow.

m) Journalismus ist besser als sein Ruf.

n) Guter Thread zum Thema „ich interessiere mich für Militärgeschichte“.

o) Beweis 3259723ß5723 dass das „free speech“-Gerede der Republicans eine reine Kampfvokabel ist. Siehe auch hier.

p) Die Dystopie des US-Gefängniswesens überrascht einen immer wieder aufs Neue.

q) Ob links oder rechts, der ÖRR ist immer das Feindbild der Populisten.

r) Kretschmann reflektiert seinen Bildungsweg.

s) Interview mit Ralf Fücks.

t) Klimaschutz-Gesetz: Verfassungsgericht weist Eilantrag zurück. Wie Ariane und ich schon öfter angemerkt haben, diese Verrechtlichung des politischen Prozesses durch das BVerfG ist epidemisch.


Fertiggestellt am 26.04.2024

{ 47 comments… add one }
  • CitizenK 5. Mai 2024, 10:37

    3) Die„Hölle Referendariat“ wird weniger von den Schülern befeuert, eher von der Institution selbst. Bezeichnend die Parallele zur Juristenausbildung. Höchste Zeit, diesen Anachronismus abzuschaffen, wie es einige Bundeländer inzwischen auch tun. BW sollte schleunigst nachhziehen.

    5) „die eigene aufrührerische Basis soll gerne glauben, dass es ein potenzielles Scheidungspapier ist, während der Rest und die Partner gerne glauben dürfen, dass es irrelevanter Parteitagkrach ist“

    Sehr treffend. Was ist das für eine Partei, die solche Mätzchen nötig hat?

    • Stefan Sasse 5. Mai 2024, 18:39

      3) Das Ref? Ich halte die Ausbildung schon für ziemlich gut, aber sie hat ihre Probleme.

      5) Letztlich muss jede Partei mal die Basisseele streicheln; bei der FDP ist der Bedarf nur übermäßig größer. Ist aber auch verständlich; für die ist die Koalition auch am stressigsten.

  • Kning4711 5. Mai 2024, 11:20

    Zu 1)
    Klimafreundlich leben ist gleichbedeutend mit teuer zu leben. Als normaler Verbraucher hast Du drei Stellschrauben die du beeinflussen kannst: deine Mobilität, dein Konsumverhalten und mit abstrichen: wie du mit Heizung / Energie umgehst. Wer will sich da freiwillig einschränken? Denn die Falschfahrer profitieren deutlich mehr, als diejenigen die sich auf den Wandel einlassen.
    Da es kein Klimageld gibt, sehe ich nicht, wie man Zustimmung generieren will, so dass der Wähler dem Verzicht zumindest zähneknirschend folgt.

  • Stefan Pietsch 5. Mai 2024, 11:42

    1) Die Suppenkasper sind über uns

    Wem muss die Politik etwas zumuten? Und warum?

    Die linken Parteien, vorneweg die Grünen, betonen, man dürfe keinesfalls die unteren 50 Prozent belasten. Belastet werden dürfen auch nicht Mieter. Wer eigentlich? Es kommt immer auf das Gleiche hinaus: Die Reichen müssen mehr tun. Nur hat das wenig bis nichts mit Klimaschutzpolitik zu tun, egal wie sie definiert wird.

    Seit den Achtzigerjahren belastete die stetig steigende Massenarbeitslosigkeit nicht nur die öffentlichen Haushalte. Die Belastungen waren am Lohnzettel ablesbar, immer mehr Menschen hatten nichts zu tun und auf der anderen Seite fanden vor allem kleinere Unternehmen keine Arbeitskräfte mehr. Die Situation heute ist dem nicht ganz unähnlich. Das fand eine Mehrheit ziemlich direkt nicht mehr erträglich. Die Arbeitslosigkeit belastete die Gesellschaft.

    Das gilt für den Klimawandel nicht. Leute wie ich, die in Hessen leben, fragen sich immer öfter, wann es denn endlich losgeht mit dem Klimawandel. In den letzten 4 Jahren war das Wetter von März bis Mai in drei Jahren nicht frühlingsmäßig. Viel Regen, Temperaturen wie im (Spät-) Herbst, dicke Decken. So sieht es konkret aus. Warum soll man für solchen „Klimawandel“ Einschränkungen hinnehmen?

  • Stefan Pietsch 5. Mai 2024, 11:49

    5) Mehr Papier als Tiger

    Das „Gegen“ wurde vom Wähler und von den Koalitionären im Vertrag angelegt. Das habe ich übrigens bereits im November 2021 geschrieben. Während SPD und Grüne sich konkrete Zusagen sicherten (Mindestlohnerhöhung, 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz in der Verwaltung der Partei, Reform Staatsbürgerschaftsrecht, Cannabisfreigabe etc.) bekam die FDP die Torte ins Gesicht: Wächter der Verfassung (das müssen Regierungspartner echt vereinbaren!), keine Steuererhöhungen.

    Die FDP bekam nicht einmal die billige Abschaffung des Solis. Während Habeck 60 Milliarden Euro für was auch immer verbraten durfte, waren 10 Milliarden für die Steuerzahler bereits zu viel. Habeck hat übrigens auf seinen Fonds bestanden, obwohl das Bundesverfassungsgericht die Finanzierung „ungültig“ gestempelt hat.

    Seit die FDP die Wächterfunktion übrigens ernster nimmt, fällt sie zumindest nicht weiter in den Umfragen. Dafür aber die Grünen, was die nicht lustig finden.

  • Stefan Pietsch 5. Mai 2024, 12:01

    c) Die Debatte um Falschparken ist völlig bekloppt.

    Was für eine bekloppte Schilderung. Wer dort beim Parken erwischt wird, muss in Großstädten wie Frankfurt damit rechnen, binnen Minuten am Haken eines Abschleppdienstes zu landen und sein Auto 20-30 km entfernt wieder ablösen zu dürfen. Wie er dahin kommt – seine Sache. Kostenpunkt je nach Großstadt: zwischen 300 – 600 Euro. On top kommt die Strafe von über 100 Euro.

    In Summe ist das weit mehr, als typischerweise die Straßenblockierer als Geldstrafe auferlegt bekamen.

    e) Warum Unternehmer das Lieferkettengesetz loben.

    Oetker ist kein Unternehmer, sondern ein riesiger Konzern aus sehr vielen Kapitalgesellschaften. Der Umsatz liegt bei weit über 6 Milliarden Euro, die Mitarbeiterzahl bei knapp 30.000.

    Das Lieferkettengesetz gilt jedoch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, die EU will das auf 250 Mitarbeiter und einen weltweiten Nettoumsatz von 40 Millionen Euro absenken. Damit wären Unternehmen betroffen, die einen Bruchteil der Möglichkeiten eines Oetker-Konzerns haben. Oetker als Mittelstand zu verkaufen, ist absurd.

    i) Immer derselbe Punkt zur Steuerhinterziehung, bleibt aber einfach wahr. Vergleiche zu g).

    Das Problem der Steuerhinterziehung ist die Schwarzarbeit, zu der diese Regierung einen nennenswerten Beitrag leistet. Vier von 5 hinterzogenen Steuerbeträgen entfallen auf die „Steuerhinterziehung des kleinen Mannes“. Da lässt der Staat ziemlich viele kleine Fische laufen.

    • cimourdain 6. Mai 2024, 16:33

      c) Sie kennen natürlich den Unterschied zwischen Geldbuße/strafe und Einsatzkosten. Warum rechnen Sie letztere auf der einen Seite dazu und auf der anderen nicht ? Auch Straßenblockiererer ohne KfZ müssen den Polizeieinsatz (zu Recht) bezahlen.

      i) Sie irren sich: Hier aus dem Tätigkeitsbericht der Steuerfahndung 2022:
      https://www.bundesfinanzministerium.de/SiteGlobals/StyleBundles/Bilder/highcharts/deutschland.png?__blob=normal
      Umsatzsteuer ist die Nummer 1

      • cimourdain 6. Mai 2024, 17:14
      • Stefan Pietsch 6. Mai 2024, 17:39

        c) Ja, den kenne ich. Sie kennen wohl auch den Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat. Straftaten sind dabei in der Bestrafung eine ganz andere Kategorie als Ordnungswidrigkeiten. Wer übrigens gefährdend sein Auto abstellt, hat eben nicht nur ein Ordnungswidrigkeitsverfahren am Hals, sondern auch ein Strafverfahren. Vergleicht man nur die Strafe wegen Ordnungswidrigkeit, ist das auch falsch.

        Generell kalkulieren Bürger die potentiellen Kosten eines falschen Verhaltens. Das demonstrieren ja die Klimaaktivisten sehr klar und die Debatten zeigen hier ja auch, dass ganz nüchtern gemessen wird. Ich parke oft ohne Ticket, es sei denn die Kontrollen sind sehr hoch. Auch das ist eine nüchterne Abwägung. Ich parke nie absichtlich im absoluten Halteverbot oder Sperrzonen, weil eben das wahnsinnig teuer werden kann. Und so weiter.

        i) So ist das nicht. Typischer Fall: Ein Mechantroniker übernimmt nach Feierabend „Freundschaftsdienste“. Hier wird keine „Lohnsteuer“ hinterzogen, sondern Einkommensteuer sowie Umsatzsteuer. Ich habe zahlreiche solcher Fälle kennengelernt. Das sind keine reichen Leute, die das machen. Der Kneipier, der Kräfte schwarz beschäftigt, wird wiederum wegen Umsatzsteuerbetrugs und hinterzogener Einkommensteuer zur Rechenschaft gezogen, obwohl es um ein Vergehen „Schwarzarbeit“ geht. Deswegen sagt die Aufteilung nach Steuerarten nichts über das Vergehen aus.

        Die Schwarzarbeit wird in Deutschland auf 8-10 Prozent der Wirtschaftsleistung von 4,1 Billionen Euro geschätzt. Wenn der hinterzogene Betrag mit 30 Prozent angesetzt wird, dann ist der Schaden durch Schwarzarbeit mit knapp 130 Milliarden Euro zu beziffern. Zum Vergleich: Der Schaden durch Steuerhinterziehung wird auf 38 Milliarden Euro geschätzt.

        Nur, der Schaden durch Schwarzarbeit ist ja noch größer. Viele Schwarzarbeiter beziehen nebenher Sozialleistungen. Hier wird der Schaden auf knapp 21 Milliarden Euro taxiert.
        https://www.focus.de/finanzen/steuern/schwarzarbeit-steuerhinterziehung-sozialleistungen-113-milliarden-euro-pro-jahr-haerterer-kampf-gegen-sozialbetrug-wuerde-allen-helfen_id_259705105.html

        • CitizenK 7. Mai 2024, 07:17

          „weil eben das wahnsinnig teuer werden kann“

          Nicht, weil das andere Menschen in Gefahr bringen kann?

          • Stefan Pietsch 7. Mai 2024, 09:12

            In Frankfurt und Berlin stehen die wenigsten Verbotsschilder an gefährlichen Stellen. Es ist Städtepolitik, Autofahrern das Parken an vielen Stellen nicht zu erlauben. Und auf die Idee, in zweiter Reihe zu parken, bin ich noch nie verfallen. Schließlich suche ich in der Regel einen Stellplatz und nicht ein Halt zum Kurz-mal-reinspringen.

            Übrigens: auch eine Glaswand oder nur eine Kiste mal kurz abstellen, ist im öffentlichen Raum prinzipiell sehr gefährlich.

  • Tim 5. Mai 2024, 18:40

    (e – Warum Unternehmer das Lieferkettengesetz loben)

    Der Pudding-Konzern verkörpert wie kaum ein anderes Unternehmen den klassischen Mittelstand.

    Ich lach mich schlapp. Der Laden hat 30.000 Mitarbeiter. Oetker hat mit Mittelstand nicht das Geringste zu tun.

    Aber der Artikel illustriert perfekt die Misere: Politik und Medien verwechseln sehr gern die Wirtschaft mit den großen Unternehmen. Die Sorgen und Nöte der anderen 99,5 % Firmen interessieren niemanden.

    So haben sich etwa Tchibo, Ritter Sport, Nestlé Deutschland und Hapag-Lloyd früh für das deutsche Lieferkettengesetz ausgesprochen, das – anders als die EU-Variante – eher auf Anreize als auf Strafen setzt.

    So ein Unsinn. Haben die Autoren das LkSG überhaupt mal gelesen? „Anreize“? Ein Artikel ohne Recherche. Für die Mülltonne.

  • Tim 5. Mai 2024, 18:46

    (k – Die CDU ist immer mehr auf „weg mit der Schuldenbremse“-Kurs. Die sind echt nicht doof)

    Doof nicht, aber populistische Hasardeure. Wer bei den Sozialausgaben beide Augen fest zudrückt und den Bundeshaushalt nicht strukturell zukunftsfähig machen will, hat in einer Bundesregierung nichts mehr zu suchen.

    • Michael 6. Mai 2024, 08:11

      Wieso glaubst du Flitzpiepe denn beurteilen zu können, ob ein Bundeshaushalt «strukturell zukunftsfähig» ist oder nicht? Mach dich doch nicht lächerlich.

      • Floyd 8. Mai 2024, 09:02

        Mal als Nachfrage eines leicht irritierten Mitlesers: Ihre Beiträge beschränken sich hier bisher auf niveaulose Polemik oder, wie in diesem Fall, die reine Erwähnung von Schlagworten ohne jede Erläuterung oder Argumentation. Was genau gedenken Sie so zu erreichen?

  • moinz 5. Mai 2024, 18:53

    p) kein neues phänomen, genau das mittel wurden u.a. benutzt, um die sklaverei bis ~1940 am leben zu erhalten, danach war on drugs, prison industrial system, und jetzt wird es wieder eingeführt.

    ‚american dream… wer sich anstrengt… glückes schmied… mach doch in aktien… yadda yadda blablabla‘
    evil empire eben.

  • Thorsten Haupts 5. Mai 2024, 20:56

    Zu e)
    Der Pudding-Konzern verkörpert wie kaum ein anderes Unternehmen den klassischen Mittelstand.

    Friedrich Merz ist ein klssischer Vertreter der deutschen Mittelschicht, Stefan P ein klassischer Vertreter deutscher Sozialhilfeempfänger und ich bin ein klassischer Vertreter empathischer Esoteriker.

    … Tchibo, Ritter Sport, Nestlé Deutschland und Hapag-Lloyd …

    Eine wirklich beeindruckende Riege deutscher Spitzenunternehmen. 4 Kreistagsabgeordnete der GRÜNEN haben übrigens neulich …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 5. Mai 2024, 20:59

    Zu 1)
    Ich warte auch bei Hedwig Richter – die ich als Historikerin übrigens schätze – auf einen einzigen KONKRETEN Vorschlag, was Wissing denn unternehmen sollte. Tempo 120, lieber Stefan S, bringt für den Klimaschutz einen nur unter dem Elektronenmikroskop sichtbaren Beitrag, würde seine Partei aber weitere 2% Wählerstimmen kosten.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 6. Mai 2024, 07:46

      Das Tempolimit ist Symbolpolitik, das ist glaube ich allgemein verstanden. Es ist aber auch nicht die Aufgabe von so Leuten, konkrete Policies zu entwickeln. Das ist ja letztlich auch unmachbar. Respektive: wie konkret willst du es haben?

      Ich glaube aber sofort, dass du sie als Historikerin schätzt. Ich auch. Ich habe das Gefühl, die ist right up your alley.

  • Thorsten Haupts 5. Mai 2024, 21:02

    Zu 3) … das inzwischen wesentlich mehr als früher auf Gleichrangigkeit, Augenhöhe und Respekt fußende Verhalten von Lehrkräften gegenüber Schüler*innen hat viele positive Nachwirkungen …

    Dafür, lieber Stefan, hätte ich gerne einen echten empirischen Nachweis. Nein, Deine persönliche Erfahrung alleine reicht da nicht 🙂 .

    • Stefan Sasse 6. Mai 2024, 07:46

      Ich halte das für ziemlich offensichtlich, das ist ja ein gesamtgesellschaftlicher Trend. Das hat natürlich, wie alles, auch Nachteile.

  • Thorsten Haupts 5. Mai 2024, 21:04

    Zu a)
    Staatliche Statistiken sind immer scheisse, wenn sie dem Schndluder des politischen gegners dienen und nur dann gut, wenn ich sie benutzen kann. Beweisstück No. 10375.

  • Thorsten Haupts 5. Mai 2024, 21:06

    Zu g)
    Was für weitreichende Schlüsse man doch aus dem Verhalten einer Staatsanwältin und eines Bundestagsabgeordneten ziehen kann.Weniger als 0,1% einer Gruppe als Beleg für egal was heranzuziehen, überzeugt mich persönlich allerdings nicht von der Seriosität desjenigen, der das tut.

    • Stefan Sasse 6. Mai 2024, 07:47

      Klar, pauschalisieren kann man das nicht, aber es ist trotzdem eine interessante (und massiv falsche) Sicht.

  • Michael 6. Mai 2024, 08:09

    Letzte Woche der Suppenkasper von der FAZ, jetzt der irrlichtende Michael Sauga? Ich bin ja auch dafür zu wissen, was der Klassenfeind denkt, aber kritisch sollte die Lektüre schon sein. Einfach unkommentiert den Blödsinn verlinken ist wenig hilfreich.

  • Dennis 6. Mai 2024, 11:38

    1)
    Etwas merkwürdig: Der Suppenkasper war ja magersüchtig und ist daran gestorben. Heißt doch eigentlich: Aufpäppeln tut not, zum Beispiel mit doppelter Rinderkraftbrühe^.

    Richter jedoch empfiehlt uns Vollgefressenen wortreich das Gegenteil: Entzug. Das Bild passt also nicht. Im Übrigen kommt natürlich alles vom hohen Ross aus, versteht sich. Der Disput Richter/Kaube in der FAZ: Im Grunde eine bildungsbürgerliche Unterhaltungsveranstaltung. Weil schon äußerlich erkennbar, fühlt sich Kaube beim Thema Verzehrgewohnheiten offenbar persönlich angesprochen^; das hat niemand so gerne. Im Gegenzug geht’s dann um Richters Reisegewohnheiten. Da wird Frau R. wiederum grantig. Herrlich; die gehobenen Kreise werfen sich wechselseitig ihren Luxuskonsum vor und schwadronieren über irgendwas mit Austerity, was die privat eh nie akzeptieren würden.

    5)
    Zitat Stefan Sasse:
    „Gewollt ist natürlich der Vergleich zum Lambsdorff-Papier (hier ein solcher), aber das ist ziemlicher Unfug. Die CDU pusht natürlich dieses Narrativ, weil sie auf den Koalitionsbruch hofft“

    Ja, das ist wohl so. Die Lage heutzutage ist aber eine gaaaaaaaanz andere als damals, als der Kohl die FDP mit Schmeicheleien freundlich einzuladen beliebte. Die Strategie war richtig, wie sich später gezeigt hat, und die Strategie von Strauß und anderen Unionisten, die FDP wegzuharken, war falsch, bzw. wäre gewesen.

    Aber es gibt keinen Kohl mehr und eine Funktions-FDP nach Bonner Art auch nicht mehr. Wenn es nach Merz geht, sollen die „Liberalen“ lediglich schwarz-rot Platz machen und ansonsten verschwinden.

    Zitat Stefan Sasse:
    „Siehe auch die Analyse von Benedikt Becker.“

    Was Becker nicht erwähnt, aber zeitgeschichtlich IMHO wichtig ist: Schmidt hat das eigentlich harmlose Papier bei Lambsdorff angefordert; als Bundeskanzler beim Minister. Es handelte sich also im Grunde um eine Auftragsarbeit des Ministers, was offiziell mit der FDP zunächst nichts zu tun hatte. Schmidt wird sicher nicht so dumm gewesen sein um nicht zu wissen, was dabei rauskommt. Lambsdorff hat das von Schmidt Gewünschte und Erwartete geliefert und klar, damit war die FDP „dran schuld“, was die bekannten Ereignisse angeht. Dass Schmidt in seiner Partei keine Mehrheit mehr hatte, konnte somit elegant aus dem Fokus verschwinden. Vermutlich war dieses Manöver als „geschickt“ gedacht^. Im Übrigen war das „Papier“ – anders als der neoliberale Extremismus heute – eigentlich eher brav und gemäß dem traditionellen rheinischen Kapitalismus konventionell. Gefordert wurden u.a. eine ganze Latte von Subventionen. z.B. :

    • Verstärkung der Mittel für Existenzgründung
    • Erhöhung der Mittel für Fernwärmeprogramm Bund/Länder
    • Überwindung von Engpässen im Straßenbau (Bundesfernstraßen, kommunaler Straßenbau) und im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
    • Zeitgerechten Ausbau der für die Stahlindustrie benötigten Bundeswasserstraßen (z. B. Saar-Ausbau)

    Und im richtigen Leben danach beim Kohl und beim Blüm wurde eh alles verwässert, wie das immer so ist. So richtig fetzig neo-liberal wurde es ja erst dank Rot-Grün ab ’98.

    • Stefan Sasse 6. Mai 2024, 13:50

      1) Ja, darauf will ich ja auch raus: Zumutungen sind immer leicht für andere gefordert.

      5) Weiß nicht, ich denke, Merz würde schon am liebsten mit der FDP, oder?

      Was wäre denn in dem Szenario Schmidts Strategie und Ziel gewesen?

      • Stefan Pietsch 6. Mai 2024, 19:57

        5) Geh‘ davon aus, dass Merz die Grundrechenarten beherrscht. Eine Neuauflage von Schwarz-Gelb ist so realistisch wie eine Bundeskanzlerin Baerbock.

        Merz und Linnemann senden keine Koalitionssignale, sie wollen die FDP im Zweifel unter Wasser drücken. Sie wissen genau, dass in den 30 Prozent für die Union aktuell 5-6 Prozent FDP-Anhänger stecken. Die Merz-CDU hat in den relevanten Politikfeldern Finanzen, Wirtschaft, Energie und Klima so starke Schnittmengen mit den Liberalen, dass die Unterschiede kaum erkennbar sind.

        Was Merz fürchten muss, ist ein entfesselter Wahlkämpfer Christian Lindner, der mit „nicht mehr mit den Grünen“ glaubhaft werben kann. Lindner ist der viel bessere Wahlkämpfer, seine Kampagne 2017 ist schon legendär, 2021 ein riesiger Erfolg. Dagegen kommt die Union trotz großem Frust über die Ampel nicht voran. Dabei braucht er noch ein paar Prozentpunkte, die er offensichtlich weder von der SPD noch von den Grünen bekommt. Und Verluste an die FDP kann er sich in der Lage nicht leisten.

        • Stefan Sasse 7. Mai 2024, 08:57

          Möglich, ja. Ich glaube nicht an die Fähigkeiten Merz‘, ehrlich gesagt 🙂

      • Dennis 6. Mai 2024, 20:50

        Nun ja, der Schmidt wollte die massive Spaltung in der SPD nicht noch groß ins Schaufenster stellen. Auf Eindreschen auf die FDP konnten sich die Genossen immerhin noch einigen, nachdem Schmidt sich von den „Machenschaften“ (O-Ton Schmidt) Genschers tief getäuscht sah. Das Schuldig-geschieden sollte der FDP angehängt werden und der Lambsdorff hat das dankenswerterweise beurkundet.

        Und was aktuell den Merz angeht: Offiziell ist das natürlich so. O-Ton („Rundbrief“ vom Februar) : «Mit der FDP liesse sich eine bürgerliche Koalition am ehesten verwirklichen, fraglich ist aber, ob sie als Partei überlebt» Gleichzeitig wird im Unteroffizierston angeordnet, unverzüglich aus der Ampel auszusteigen; falls nicht, droht zur Strafe das: «Wenn sie bis zum bitteren Ende in der gegenwärtigen Koalition bleibt, werden wir um ihre früheren und bis dahin noch verbliebenen restlichen Wählerinnen und Wähler kämpfen» . Und alles „Gesellschaftspolitische“, das die FDP als kümmerlichen liberalen Restbestand noch so rumträgt, hat selbstverständlich eh zu verschwinden.

        Der erinnert stark an Strauß und Kiesinger; weit weg vom Kohl. Aber die Zeiten haben sich ja eh geändert. Und da alles, was der Merz von der FDP erwartet, er selbst abzudecken gedenkt, funktioniert das Spiel natürlich nicht; soll wohl auch nicht.

  • cimourdain 6. Mai 2024, 11:41

    1) Richter verschweigt, wie geringfügig das Ganze war: Es gab genau vier autofreie Sonntage (die auch noch in der ausflugsarmen Vorweihnachtszeit). Das Tempolimit (100km/h) hielt sich immerhin ein halbes Jahr. 1974 wurde wieder das teurere Öl gekauft, der Betrieb lief wieder – nur noch eine Stufe hochgedreht – normal.

    2) Sehen wir uns doch die offizielle Nukleardoktrin an:
    China hat 1964 auf die Erstschlagsoption verzichtet, Indien 1999, beides hat noch Bestand. Das galt auch für die UdSSR 1982, was aber Russland 1993 widerrufen hat. Seitdem behält sich das Land einen Atomschlag bei konventionellen Angriffen, die die Existenz des Staates gefährden vor. USA und UK behalten sich generell vor, bei Angriffen auf Territorium, Bevölkerung oder Armee (eigenes oder verbündetes), Atomwaffen einzusetzen, ebenso Frankreich, das schon bei Bedrohung auch einen begrenzten Erstschlag führen würde. Pakistan hält sich den Kernwaffeneinsatz komplett offen.

    4) Salonfähige Nazisprache („vaterlandslose Gesellen“) im Mainstream, die wievielte ? Ich versuche, wenigstens hier im Forum ein Bewusstsein zu wecken, aber vergeblich.

    5) In gewisser Weise erfrischend ehrlich. Die FDP schreibt, was sie will, wenn man sie ließe und versteckt sich nicht hinter Sachzwängen, Koalitionsräson o.ä.

    g) Wer in „die Forschung“ geht, um etwas zu bewegen, steht bei mir unter dem (begründeten) Verdacht, keine Wissenschaft sondern Ideologie produzieren zu wollen.

    q) Das Ganze hat eine längere und (dank der Machtwechsel in der Slowakei) wechselhafte Geschichte: RTVS ist komplett staatsfinanziert. 2016 war Koalitionspartner von Ficos Smer die rechtsnationalistische SNS. Diese hatte mit Jaroslaw Reznik einen kompletten „Hofberichterstatter“ zum Generalintendanten gemacht. Reznik wurde nach der Wahl 2020 von der konservativen Regierung Dzurinda abgesetzt und durch Machaj ersetzt, die auch dessen Amt durch Festschreiben der Amtszeit auf 7 Jahre „regierungswechselfest“ gemacht hat. Deswegen will Fico jetzt statt einer Entlassung einfach den Senderverbund auflösen und neu gründen.

    t) Kurz, worum es eigentlich ging, weil der Begriff „Verrechtlichung“ (außer in Bezug auf legislative Prozeduren) da irreführend ist: Zwischen Vorlage des endgültigen Entwurfs und Abstimmung lag nur eine Woche, weswegen Heilmann mehr Zeit wollte, sich darin einzulesen.

    • Dennis 6. Mai 2024, 13:37

      4) Okay, aber nach meinem Bewusstsein war das, was die Gesellen angeht, Wilhelm Zwo. Bezog sich wohl auf den damals bei den Sozen auf dem Papier noch gehuldigten Internationalismus, der allerdings 1914 bachab ging. Da kannte auch Willem nur noch Deutsche – und die SPD, später MSPD, desgleichen.

      • Stefan Sasse 6. Mai 2024, 13:55

        Ja, für so fünf Minuten.

      • cimourdain 6. Mai 2024, 15:10

        Stimmt, Willi zwo ist korrekt. Mein Punkt ist aber, dass die (Original)Nazis den Begriff so gerne verwendet haben, dass er für immer verbrannt sein sollte. Ich erinnere mich düster, dass irgendein SPD-Politiker in den frühen 2000ern einen gewaltigen Backlash bekommen hatte, weil er (Banker/Millionäre/Steuerflüchtlinge) als v-l.G. bezeichnet hatte.

    • Stefan Sasse 6. Mai 2024, 13:53

      1) Sie lässt wenig Zweifel an der symbolpolitischen Natur. Aber schau mal, was für einen Wirbel Wissing mit der Erwähnung losgetreten hat. Die vier autofreien Samstage waren wahnsinnig prägend und wirkmächtig.

      2) Außer den USA und Russland hat überhaupt niemand eine Erstschlagsoption, da verzichtet es sich leicht.

      4) Mich begeistert die Wortwahl auch nicht.

      5) Ja, ich bin sicher, das würde, wenn die Grünen das täten, auch als „erfrischend ehrlich“ gelten und nicht eine völlig hysterische Kampagne auslösen.

      g) Halte ich für Unsinn.

      q) Danke!

      t) Danke!

      • cimourdain 6. Mai 2024, 16:17

        1) Das ist doch der Punkt: Warum haben sich die autofreien Sonntage so im Gedächtnis gehalten? Weil sie eine ganz kurze exotische „novelty“ waren. An das längerfristig wirksame „langweilige“ Tempolimit erinnert sich keiner und die im Nachklapp (6 Jahre später) eingeführte Sommerzeit wird bestenfalls als Ärgernis wahrgenommen.
        Aber womöglich ist ein interessanteres Beispiel für staatlich verordneten Konsumverzicht der „Eintopfsonntag“. Versteh mich nicht falsch, es geht mir (ausnahmsweise) nicht um „Nazikeulen“-Polemik, sondern um die Analyse einer (leider) erfolgreichen Maßnahme: Auch da war weder die materielle Wirkung noch das abverlangte „Opfer“ substanziell, sondern es ging in erster Linie um Identitätsstiftendes.

        2) Du schreibst selber, dass nicht nur das Verhältnis der Großmächte untereinander sondern auch gegenüber Drittstaaten. Natürlich könnten auch Frankreich, China, Indien ein kleineres Land nuklear angreifen, was unbedingt zu verhindern ist – deswegen ist jede Verschiebung der Nukleardoktrin hin zum Erstschlagsverzicht zu unterstützen.

        4) Es geht nicht um „Begeisterung“, sondern um den dringenden Verdacht, dass systematisch die „Grenzen des Sagbaren“ verschoben werden.

        5) Du machst es den Grünenbashern echt zu leicht, wenn du ihnen selber die Steilvorlage lieferst.

        • Stefan Sasse 6. Mai 2024, 16:25

          1) Ich denke, die waren insofern super wirksam, als dass sie die Problematik allseits begreiflich gemacht haben. Nichts hat so gut „Ölkrise“ kommuniziert wie diese vier Tage.

          2) Das ist natürlich wahr.

          4) Das führt mir zu weit.

          5) Wieso? Das ist doch bei jeder Partei so. Was glaubst du, wie die CDU klingen würde, wenn sie all ihre tiefsten Begehrlichkeiten aufschriebe? Oder die SPD?

  • cimourdain 6. Mai 2024, 13:15

    (eigenes Fundstück) aus dem beliebten Fundus des Doppelgenres „Schüler wollen im Abitur keine nicht ‚gelernten‘ Stoffe“ und „Erwachsene werfen Schülern vor, nicht über vorgekautes hinaus gelernt zu haben“ die diesjährige Version aus dem Bereich Lyrik.
    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/abitur-in-bayern-vergebliches-pauken-fuer-modernes-gedicht-19696007.html

    Das möchte ich um meinen eigenen Twist bereichern: „cimourdain wirft Medien vor, bei Aufregerthemen nicht den Stein des Anstoßes zu präsentieren, damit sich Lesery ein eigenes Bild machen kann.“: Ich habe keine Verknüpfung auf das Gedicht selber gefunden, nur nach längerem Suchen einen Ausschnitt aus einem Gedichtband.
    https://files.hanser.de/Files/Article/ARTK_LPR_9783446250758_0001.pdf

    • Stefan Sasse 6. Mai 2024, 13:55

      Oh Gott kann ich diesen Artikel unterschreiben, jedes einzelne Wort.

    • CitizenK 7. Mai 2024, 07:34

      Wäre berechtigt, wäre der Unterricht nicht ( ex- oder implizit) auf die Prüfung ausgerichtet. Die Schüler fühlen sich getäuscht – zu recht, finde ich.

      • Stefan Sasse 7. Mai 2024, 08:57

        Genau, das kommt alles zusammen!

      • cimourdain 7. Mai 2024, 11:12

        Dann ist die Geschichte ein Beleg für Stefans These, dass Prüfungen schädlich sind. Statt der Kompetenz „Schüly hat die Werkzeuge um mit lyrischem Text umzugehen.“ wird eine Kompetenzsimulation „Schüly kann lyrischen Text einer ‚Epochenschublade‘ zuordnen und die dieser Schublade zugeordneten Stichworte (Die Lehry dann bequem abhaken kann) einsetzen.“ gelehrt.

  • sol1 8. Mai 2024, 13:25

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