Scholz bekommt für Tauruslieferungen zu wenig Gehalt und reduziert die Moralziele von Friedrich Merz – Vermischtes 28.03.2024

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Ein Kanzler verzwergt sich selbst

In der Diskussion über die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz seine Position ausführlich erläutert, was jedoch zu Kritik und Zweifeln an seiner Kompetenz geführt hat. Er signalisierte Misstrauen gegenüber der Ukraine und stärkte damit Wladimir Putin. Scholz lehnte es ab, deutsche Soldaten einzusetzen, um sicherzustellen, dass die Raketen nicht tief in Russland eingesetzt werden. Dies deutet auf eine tiefe Angst vor Moskau hin. Sein offener Zweifel an Kiews Aufrichtigkeit könnte die deutsche Unterstützung für die Ukraine beeinträchtigen. Indem er sich den Russen gegenüber einschüchternd zeigt, düpiert er auch die westlichen Partner. Scholz‘ Offenheit führt zu einem diplomatischen Desaster und gefährdet die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der internationalen Politik. (Ralf Neukirch, Spiegel)

Ich habe im letzten Vermischten schon angesprochen, wie verrannt die Debatte um die Ukraine (wie auch jene um Gaza) mittlerweile ist. Ähnliches gilt auch für die Debatte um Scholz. Fürs Protokoll, ich halte seine Taurus-Verweigerung für falsch, aber die Kritik scheint mir doch reichlich überzogen. Der FAZ-Artikel von Hofreiter und Röttgen etwa, der sich anfühlt wie ein Lambsdorff-Papier 2.0, ist wie weitere Aufrufe dieser Art (z.B. „Herr Scholz, kommen Sie ihrer Pflicht nach!„) unglaublich aufgeladen. Umgekehrt scheint mir die Vorstellung eines brillant agierenden Scholz („Diese Stunde im Parlament ging an den Kanzler„) auch fern der Realität. Letztlich sind sich doch alle einig, dass die Taurus keinen entscheidenden Unterschied machen. Das ist wie mit den fünfzehn Leopard-2-Panzern. Alles nett, besser haben als nicht haben, aber daran entscheidet sich der Krieg sicher nicht. Dieser absolutistische Ton, in dem die einen einen Verrat an Deutschland und dem Westen generell sehen und die anderen blutgierige Kriegstreiber am Werk ist angesichts des Sachthemas völlig absurd.

2) Warum Olaf Scholz tun sollte, was sein Volk nicht will

Eine Mehrheit der Deutschen, insbesondere Anhänger der AfD und BSW, lehnt die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ab. Diese ablehnende Haltung wird bei den traditionellen Volksparteien CDU und SPD sowie bei den bürgerlichen Parteien FDP und Grüne weniger stark ausgeprägt. Diese Situation wirft Fragen auf, ob FDP und Grüne eine bürgerliche Tugend repräsentieren, indem sie Risiken eingehen. Olaf Scholz wird gelobt, weil er sich dem Willen des Volkes beugt und keine Taurus-Raketen liefert. Doch es wird auch die Frage aufgeworfen, ob diese Entscheidung die Freiheit international verrät und ob politische Führer nicht manchmal gegen den Volksentscheid handeln sollten, um zu führen. Es wird betont, dass die Ukraine Waffen erhalten muss, um die Demokratie zu verteidigen, und Scholz muss deutlich machen, dass Freiheit nicht ohne Opfer zu haben ist. (Alan Posener, Welt)

Passend zu Fundstück 1) sei dieser Kommentar zur Taurus-Geschichte hier nicht weiter besprochen. Erneut, von mir aus gerne liefern, aber wenn nicht halt nicht. Was ich auffällig finde ist die Argumentationsweise: Posener (wie viele andere auch) erkennt einen Sachverhalt, den er moralisch (siehe dazu Fundstück 5)) für bedeutend hält und argumentiert, dass dahinter der Mehrheitswille zurückstehen müsse. Das ist natürlich wohlfeil. Der Mehrheitswille ist immer wahnsinnig wichtig, wenn die Mehrheit so tickt wie man selbst („Die Mehrheit der Deutschen ist gegen Gendern!“, „Die Mehrheit ist gegen Kürzungen im Sozialbereich!)“) und wird plötzlich total irrelevant, wenn es den eigenen Interessen zuwiderläuft („Lieferung von allem an die Ukraine“, „Schulden zur Finanzierung von allem möglichem“). Das Argumentum ad Populum ist deswegen auch so nutzlos. Politik kann machen, wozu sie Mehrheiten findet. Und das Volk kann versuchen, diese Mehrheitsfindungen zu steuern (Partizipation!) und ansonsten bei der nächsten Wahl andere Repräsentant*innen wählen.

3) Working-class people rarely have a seat ‘at the legislative table’ in state capitols

Die demokratische Abgeordnete Kaela Berg aus Minnesota ist eine seltene Vertreterin der arbeitenden Klasse in der Politik. Trotz fehlendem College-Abschluss und vorheriger politischer Unerfahrenheit gewann sie einen Sitz im Staatsparlament. Berg kämpfte nicht nur gegen einen erfahrenen republikanischen Gegner, sondern auch gegen Wohnungsprobleme und arbeitete als Flugbegleiterin. Als eine von nur 116 arbeitenden Klasse-Abgeordneten unter fast 7.400 in den USA, setzt sich Berg für die Anliegen von Arbeitnehmer:innen ein. Ihre Erfahrungen als Flugbegleiterin beeinflussen ihre politischen Entscheidungen, insbesondere in Bezug auf Arbeitszeitregelungen. Bergs Präsenz im Parlament zeigt, wie vielfältige persönliche Erfahrungen zu einer ausgewogeneren Gesetzgebung führen können. Trotz der Barrieren für arbeitende Klasse-Kandidat:innen, wie niedriger Gehalt und mangelnde politische Unterstützung, betonen Expert:innen die Wichtigkeit ihrer Vertretung in der Politik, um die Anliegen der arbeitenden Bevölkerung angemessen zu berücksichtigen. (Robbie Sequeira, News from the States)

Die Staatenhäuser-Abgeordneten in den USA machen das oft nur als Nebenjob. Das sind etwa drei Monate im Jahr, die rund 10.000$ einbringen. Das ist ein Hobby für Wohlhabende. Erstmal muss man sich drei Monate im Jahr aus den Rippen schneiden können. Das geht in den meisten Jobs ja gar nicht. Genau das ist ja der Grund, warum die Konservativen im 19. Jahrhundert so erbittert gegen Diäten gekämpft haben: es hält das breite Volk aus dem Parlament raus, vor allem aber diese furchtbare Arbeiterklasse. Politik als Beruf, oft beklagt, ermöglicht überhaupt erst die Repräsentanz, deren Fehlen bei Berufspolitiker*innen dann wieder kritisiert wird. Es ist ein Paradox der Politik, aber eines, das selten öffentlich diskutiert wird. Stattdessen bekommt man immer diese alberne Debatte über „volksnähere“ Politik, die man angeblich bekäme, wenn Politik kein Beruf, sondern Berufung wäre. Nur können halt nur Leute mit viel verfügbarer Zeit und Sicherheit einer Berufung nachgehen, der Rest arbeitet für den eigenen Lebensunterhalt.

4) Friedrich Merz will deutlich weniger Flüchtlinge in Deutschland – 60.000 bis 100.000 pro Jahr

Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender, strebt an, die jährliche Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, auf unter 100.000 zu senken. Er unterstützt die von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer vorgeschlagene Obergrenze von 60.000 bis 100.000 Flüchtlingen pro Jahr. Merz befürwortet auch Reisen des Bundeskanzlers in Drittländer, um Asylverfahrensmöglichkeiten zu erkunden, ähnlich wie es Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron getan haben. Er lobt das Ruanda-Modell Großbritanniens und das Albanien-Modell Italiens als Vorbilder. Dabei betont er die Wichtigkeit, dass der humanitäre Schutz nach einem erfolgreichen Asylantrag im Aufnahmeland gewährleistet bleibt. In Deutschland stellten 2023 rund 329.120 Menschen erstmals einen Asylantrag, darunter viele aus Syrien, der Türkei und Afghanistan. Zudem leben etwa 1,14 Millionen ukrainische Geflüchtete in Deutschland aufgrund des russischen Angriffskriegs, die keinen Asylantrag stellen müssen. (Spiegel)

Ich kenne niemanden in der Verantwortung, der das nicht will. Aber arbiträre Zahlen verkünden ist das eine, die Realität an die Zahlen anpassen was völlig anderes. Die Grünen fordern ja auch beständig irgendwelche coolen Zahlen von CO2-Reduktionen, und das Ziel der Reduktionen wollen auch alle. Nur an der Praxis scheitert es dann halt. Und genauso wie der Vorwurf an die Grünen und generell Linke, dass ihre Positionen allzu oft auf Open Borders hinauslaufen, nicht unberechtigt ist, so gilt das umgekehrt auch für die Bürgerlichen. Deren Positionen laufen nämlich aller Rhetorik zum Trotz auch oft darauf hinaus, dass wir halt nichts tun und auf das Beste hoffen. Wir nehmen alle gerne die entsprechende Reduktion, allein, wie sie zu erreichen ist und welche Konsequenzen das für die jeweilige Politik hat, das ist die Crux.

5) Moral löst Argumente ab – und das killt dann die Debatten

Papst Franziskus löste mit seinem Vorschlag, die Ukraine solle die „weiße Fahne“ hissen und den Krieg mit Russland beenden, Empörung aus. Obwohl der Vatikan Schadensbegrenzung betreibt, wird der Papst nicht abgesetzt. In Deutschland jedoch haben immer mehr Menschen Angst, ihre Meinung frei zu äußern. Dies führte zu einer Diskussion über Meinungsfreiheit im SWR, bei der der CDU-Politiker Armin Laschet betonte, dass abweichende Meinungen akzeptiert werden müssen. Alena Buyx, Vorsitzende des deutschen Ethikrats, widersprach und betonte, dass es kein Problem sei, seine Meinung zu äußern. Diese Diskussion zeigt die bestehende Besorgnis über die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland. Es ist wichtig, dass demokratische Gesellschaften diese Freiheit wahren und respektieren, anstatt abweichende Meinungen zu unterdrücken oder zu verspotten. (Anna Schneider, Welt)

Ich stimme Schneider völlig zu. Moral nimmt in Debatten einen riesigen Stellenwert ein. Damit endet unsere Übereinstimmung aber bereits. Denn der Tenor, dass das irgendwie ein neues Phänomen wäre, ist genauso falsch wie ihre Idee, dass sie das nicht machen würde. Anna Schneider ist eine 1A-Moralisiererin; jede ihrer Kolumnen trieft nur so von Moralismus und ideologischer Überzeugung. Wie halt bei praktisch jedem. Niemand ist frei von Wertvorstellungen. Nur tendieren die allermeisten Menschen dazu, ihre eigenen Wertvorstellungen nicht als solche und damit relativ zu begreifen, sondern sie absolut zu setzen. Moralisieren tun immer die anderen, Ideologie haben immer die anderen. Man selbst hat Prinzipien oder ist pragmatisch oder was auch immer. Aber Debatten drehen sich IMMER um Moral, deswegen enden sie ja auch nie. Diskutiert man um irgendein Fakt, ist ein Ende erreichbar (und wird auch recht schnell erreicht); moralische Debatten können niemals enden. Das macht sie nicht nutzlos; wir werben um Mehrheiten und vergegenwärtigen uns unserer eigenen Vorstellungen, nutzen sie für unsere eigene Identität und zur Schaffung von Gruppenzugehörigkeit. Nur sollte man nicht so tun, als würde man das nicht machen.

Resterampe

a) Zu dem Thema Organisation der Demokratie in Ostdeutschland.

b) Zum Thema Verfassungsschutz als politische Waffe, das im Podcast mit Horst Meier eine Rolle spielte.

c) Dieses Plädoyer für mehr Transrechte für Teens machte in meiner Timeline die Runde, falls das wen interessiert. Ich habe da mangels Expertise keine Meinung dazu.

d) Wehrpflicht – demnächst auch für Frauen? Ist aus meiner Sicht völlig unstrittig. Wenn wir den wieder einführen, MUSS er für beide Geschlechter gelten. Das ist anders überhaupt nicht mehr vermittelbar.

e) „Pflichtübung ohne Glanz und Freude“: Was ein Didaktik-Professor (und Vater) der Schule ins Stammbuch schreibt. Bin völlig bei ihm.

f) Die Lösung für die Nachkriegs-Ukraine lautet Amnestie.

g) America’s teens probably don’t get very much real news from TikTok. Diese TikTok-Debatte fasziniert mich wegen der Flachheit und Abgelutschtheit der Argumente echt. Hatten wir nicht den gleichen Unfug schon in den 2000ern über die Daily Show, dann über Facebook, dann Instagram? Siehe auch: TikTok is losing popularity among teens.

h) EU-Lieferkettengesetz: FDP schadet der Position der Bundesregierung in der EU. Ja, no shit.

i) Nachtrag zur Debatte ums thüring’sche TV-Duell. Was mich überhaupt nicht überzeugt ist das Argument, dass die Social-Media-Dominanz der AfD ein Grund für das TV-Duell wäre. Selbst wenn Höcke das krachend verlöre – SEHR großes „Wenn“ – würde das ja auf Social Media überhaupt nicht rezipiert. Bleibt der Rest der Argumentation.

j) Gedanken zur Reform der Lehrkräfteausbildung.

k) Bodo Ramelow zum Streit zwischen Bahn und GDL: »Ich bin über die jetzige Lage fassungslos« Passend dazu die Verbotspartei: Streiks: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai will Streikrecht bei der Bahn einschränken.

l) BKA warnt vor wachsender linksextremer Bedrohung. Zu Recht. Weiß nicht, ob „linksextrem“ das passende Label ist und man nicht eher ein neues wie „Ökoterrorismis“ oder so bräuchte, aber die Tendenz ist ziemlich offensichtlich.

m) Joe Biden is a decent human being. Exakt. Dasselbe Muster wie bei Obama auch schon, für den galt dasselbe.

n) “Americans” don’t think Biden is too old. Ja, aber: Ein Fünftel haste dennoch, und das würde gegebenenfalls entscheiden.


Fertiggestellt am 18.03.2024

{ 76 comments… add one }
  • Mr_Grudenko 28. März 2024, 06:06

    zu l): Thomas Knüwer hat das mal „Lebensstil-Terrorismus“ genannt.
    https://www.indiskretionehrensache.de/2019/10/lebensstil-terrorismus/

  • Kning4711 28. März 2024, 07:36

    Zu 1
    Taurus ist letztlich doch nur ein Macguffin in einer viel größeren Story. Es geht letztlich darum wie viel Deutschland bereit ist zu tun für seine Verteidigung und die Verteidigung Europas.
    Als größter Volkswirtschaft Europas fällt Deutschland automatisch eine zentrale Führungsrolle zu.
    Der Kanzler hat sich erklärt, ebenso sein Fraktionsvorsitzender. Inhaltlich kann die Argumente nachvollziehen, wenngleich ich diese überhaupt nicht teile. Jedoch sind die Stakes ungleich höher, wie bspw. einer Debatte über Steuern, denn hier geht es um zentrale Fragen unserer Sicherheit und Zukunft. Die Ukraine kämpft einen Kampf für die Freiheit Europas und der Kanzler und sein Fraktionsvorsitzender erwecken den Eindruck, dass man die Ukraine unter den Bus werfen würde, um Frieden mit Putin zu haben. Da darf dann auch mal die Debatte etwas heftiger und emotionaler ausfallen.
    Wenn Scholz die Merkel 2.0 macht und hier auf Sicht zu fahren sucht, ist das aus seiner politischen Sozialisierung verständlich – kommt aber mit einem hohen Preis, den die Menschen in der Ukraine bezahlen müssen und wenn wir Pech haben auch wir, weil es Putin ermutigt ein Nato Land anzugreifen.

    • Tim 28. März 2024, 09:41

      Je gefestigter Putin wirkt, desto mehr werden auch seine Freunde in Ungarn & Co. gestärkt. Schon aus diesem Grund brauchen wir einen Sieg der Ukraine, das heißt: einen Frieden, den Putin unter Druck zustimmen muss. Er darf auf gar keinen Fall für 2022 und 2014 belohnt werden.

      Taurus ist sicher nur ein Baustein und wohl auch viel weniger wichtig als ausreichende Munitionslieferungen. Ich nehme der Politik hier allerdings durchaus ab, dass sie das Mögliche tut. Die satten (west-)europäischen Wohlstandsgesellschaften haben nun mal keine Lust auf energische Verteidigung. Warum es dem Frieden dient, militärisch deutlich überlegen zu sein, erschließt sich – wie schon Anfang der 80ern – offenbar nicht allen.

      Natürlich geben die SPD und ihr Kanzler ein erbärmliches Bild ab. Aber sie bewegen sich hier wohl einfach im gesellschaftlichen Konsens.

      • Michael 28. März 2024, 10:53

        Die SPD und ihr Kanzler sind dafür verantwortlich, dass Deutschland mit 22 Mrd. € den zweitgrößten einzelstaatlichen Beitrag zur Unterstützung der Ukraine leisten. Aber hey, Fakten interessieren Klein-Timmy nicht, denn sein Urteil steht immer im voraus fest.

        • Kning4711 28. März 2024, 12:14

          Alles andere wäre auch für die größte europäische Volkswirtschaft auch nicht akzeptabel. Aber wo trägt die Haltung der SPD dazu bei den Krieg so zu entscheiden, dass es zu einer Verhandlung auf Augenhöhe kommen kann und nicht zum russischen Diktatfrieden?

        • Erwin Gabriel 28. März 2024, 14:06

          @ Michael 28. März 2024, 10:53

          Aber hey, Fakten interessieren Klein-Timmy nicht, denn sein Urteil steht immer im voraus fest.

          Da kenn‘ ich wohl noch einen 🙂

        • Stefan Sasse 28. März 2024, 17:58

          Lass doch bitte die Beleidigungen und bring einfach deinen Punkt.

    • Stefan Sasse 28. März 2024, 17:52

      Zustimmung.

  • Kning4711 28. März 2024, 07:44

    Zu 4
    Ich frage mich wer da das größere Problem ist. Der Politiker der weiss, dass sein Vorschlag so nicht umsetzbar ist und ihn für den billigen Applaus macht. Oder ist es vielmehr der Bürger, der weiss, dass der Vorschlag per se nicht umsetzbar ist und dennoch Applaus spendet und den Politiker anheizt, weiter so zu agieren.
    Diese ständigen Bauerntheater, die da aufgeführt werden, sind einfach nur noch ermüdend, aber eine wunderbare Ablenkunk, sich nicht mit dem konkreten Problem zu befassen.

    • Stefan Sasse 28. März 2024, 17:53

      Ich sehe das gar nicht so negativ. Das ist politische Kommunikation, das ist deren Job.

      • Kning4711 29. März 2024, 07:09

        Zuspitzung ja, aber unrealistische Versprechen, die du nie erfüllen wirst können, tragen meiner Meinung erheblich zur Politikverdrossenheit bei.
        Unabhängig von der politischen Orientierung: Was die Obergrenze bei Migration bei der CDU, die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels bei den Grünen ist die Vermögenssteuer bei der SPD. Jeder weiss, dass die so nicht kommen können, aber dennoch werden diese Evergreens immer wieder wie die politische Sau durchs Dorf getrieben.

        • Stefan Sasse 29. März 2024, 09:47

          Richtig, ich halte wie geschrieben diesen Vorstoß auch für bekloppt; ich wollte mich nur gegen die generelle Kritik an Zuspitzung verwahren.

  • sol1 28. März 2024, 12:43
    • Stefan Sasse 28. März 2024, 17:58

      Danke! Ich kann SZ leider nicht öffnen, da hab ich keinen Account.

      • sol1 28. März 2024, 23:05

        Der Artikel ist frei lesbar (eventuell mußt du die Cookies löschen).

  • sol1 28. März 2024, 12:46

    1 und 2)

    Die Union will sich beim Taurus offenbar nicht mehr so weit aus dem Fenster lehnen – wohl weil man auch dort Umfragen liest:

    https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100367728/friedrich-merz-strategiewechsel-bei-taurus-was-dahinter-steckt.html

    • Stefan Sasse 28. März 2024, 17:59

      Sag ich ja, das ist innenpolitisch gesteuert.

    • Dennis 29. März 2024, 09:11

      Klar doch, man muss auf die Ostzonen-Union Rücksicht nehmen. Sonst merken die womöglich, dass die den Merz aus den falschen Gründen und damit irrtümlicherweise lieben.

      Der Herr Kretschmer aus dem Sachsenland hat ja vor ein paar Monaten auf dem Historiker-Tag in Leipzig seine Auffassung kundgetan, dass der Adenauer anno ’52 in Sachen Stalin-Note womöglich eine „historische Chance vertan“ haben könnte. Da sei noch was; darüber müsse nochmal gesprochen werden. Diese Sicht der Dinge war bei den Unionschristen bisher eher ungewohnt^.

      Das war etwa zur selben Zeit, als im Adenauer-Haus (momentan heißt das noch so, obwohl Otto-Nuschke-Haus ja auch in Frage käme) die neuen sensationellen CDU-Farben „Cadenabbia-türkis“ und „Rhöndorf-blau“ vorgestellt wurden. Ob das mit drüben abgestimmt war, weiß man nicht.

  • Thorsten Haupts 28. März 2024, 14:28

    Zu 1)
    Einen Schritt zurücktretend und das ganze im grösseren Zusammenhang betrachtet: Wenn der Westen will, dass die Ukraine nicht verliert, dann tut er dafür zu wenig. Case closed, Details irrelevant.

    Zu 2)
    Ich habe keinerlei Zweifel an der generellen Ablehnung von Waffenlieferung durch die deutsche Mehrheit der Bequemlichkeitspazifisten. Ich würde nur gleichzeitig darauf wetten, dass dieses Thema (mangels persönlicher Betroffenheit) wie alle aussen- und sicherheitspolitischen Themen auf den Bedeutungsagenden der Bevölkerung so auf Platz 100 oder tiefer rangiert. Die Politik hat bei solchen Themen sehr, sehr viel Spielraum, weil den Menschen (nicht nur in Deutschland) das Bewusstsein dafür fehlt, dass solche Themen überlebensrelevant sind, anders als Gendersprech oder Tempo 100.

    Zu 4)
    Völig korrekt. Ebenso billig wie folgenlos.

    Zu 5)
    Die öffentlich geäusserte Empfindlichkeit in Diskussionen liesse auf ein Volk von Sensibelchen schliessen, nähme ich sie ernst. Was ich nicht tue. Wem es in der Küche zu heiss wird, der gehe halt in den Keller. Solange vom medienpräferierten Meinungskorridor abweichende Meinungen nicht zu „harten“ Konsequenzen führen (Job- oder Vertragsverluste, physische Belästigung des Meinenden oder gar seiner Familie) gehört harte, unfaire, gemeine Kritik zu den unvermeidbaren Rahmenbedingungen einer öffentlichen Diskussion. Die hat nun mal seit Millennia mehr Ähnlichkeit mit einer Müllhalde als mit einer englichen Debatte in einem Debattierclub.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 28. März 2024, 18:01

      1) Bin ich nicht 100% sicher, aber Tendenz ja.

      2) Ja!

      5) Richtig.

  • Thorsten Haupts 28. März 2024, 14:49

    Zu c)
    Der Artikel begründet letztlich nur (zu) ausführlich, warum es bei jugendlichen Trans-Menschen, die im falschen biologischen Geschlecht geboren wurden, weiterhin medizinischer Anpassung schon im Jugendlichenalter bedarf. Das ist eine (bisher) spezifisch US-amerikanische Debatte, weil Teile der Rechten in den USA bestreiten, dass diese dauerhafte Störung zwischen biologischen Geschlecht und Geschlechtsempfinden überhaupt existiert. Und im A*loch-Modus gesetzliche Schritte unternehmen, medizinische Hilfe für diese Menschen zu unterbinden. Scheint mir auf Westeuopa (noch?) nicht übertragbar, wo das „Verbrechen“ der Mehrheit der angeblich transphoben Menschen sich darauf beschränkt, a) die Gleichstellung von Trans-Frauen mit funktionierendem Penis nicht auf alle Bereiche ausdehnen zu wollen (Sport, für Frauen reservierte Räume) bzw. b) medizinische Massnahmen schon im Kindesalter (Prä-Pubertät) abzulehnen.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Dennis 29. März 2024, 12:28

    zu 1)
    Zitat im Bezugs-Text (kursiv):
    „Indem er sich den Russen gegenüber einschüchternd zeigt, düpiert er auch die westlichen Partner.“

    Gemeint ist der Scholz. Ähm….einschüchternd oder eingeschüchtert?

    Das Problem bei Herrn Scholz ist im Übrigen die Frage : Welche Agenda hat dieser Mann tatsächlich? Oder zeigt das Flip-Flopping eigentlich nur, dass es da gar keine gibt, sondern stattdessen Wurschteln von Tag zu Tag. Ich tippe mal auf Letzteres was nicht untypisch ist für jemanden, der einst von seiner Partei zum Kanzlerkandidaten gemacht wurde in der Annahme, dass die Wahl eh verloren geht, so dass die Scholzens in der SPD anschließend endlich nichts mehr zu sagen haben. Dass das gewünscht war, hat ja schon die Vorsitzenden-Wahl zuvor deutlich gemacht.

    Nicht ganz unähnlich der seinerzeitigen Verlegenheit der Unionschristen mit der „Übergangslösung“ Merkel bis die richtigen Männer der CDU wieder rankommen. Da gab es indes dann eine gewisse unerwartete Verstetigung der Frau M.^, die der Scholz wohl auch gerne hätte und da ist Flip-Flopping offenbar keine schlechte Idee.

    Und ja 2), Demokratie und Volkes Wille und all so was. Schwierig und ein weites Feld. Ochlokratie kann man ja auch sagen, ist aber nicht so üblich, würde aber zu den indignierten Feststellungen Poseners betreffend die da unten besser passen:

    Zitat Posener:
    „Inmitten des egoistischen Ohnemichl-Lärms dieser Tage – Keine Tesla-Fabrik in unserem Wald! Keine Windräder in unserem Dorf! Atomkraft, ja bitte, aber kein Endlager bei uns! Keine Steuer auf mein Dieselöl! Keine Stunde mehr als 35, und dabei keinen Cent weniger! Und eben: Genuss ohne Reue! Kein Risiko eingehen, um der Ukraine zu helfen! – “

    Der Posener könnte das, was er sagen will, auch kurz fassen: Ordinäres Pack, mindestens ahnungslos. Solche häßlichen Ausdrücke sind aber wiederum bei den liberal-konservativen Ständen nicht opportun. Linke denken zuweilen ähnlich, insoweit die da unten lümmelhaft krass-rechts wählen.

    Aber es heißt doch: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, oder Stefan Sasse so, Zitat:
     „Politik kann machen, wozu sie Mehrheiten findet“.

    Keine Ahnung, warum sich dann der eine oder andere über AfD, Trump und all so was aufregt ^.

    Aber egal, genau betrachtet heißt ja „Politik kann machen, wozu sie Mehrheiten findet“, dass „Politik“ und „Mehrheiten“ a priori zwei verschiedene Abteilungen sind. Es gibt also eine politische Klasse (früher: Stand) und nachrangig den ganzen Rest da draußen („Mehrheiten“).

    Zitat:
    „Und das Volk kann versuchen, diese Mehrheitsfindungen zu steuern (Partizipation!)“

    Dem Rest da draußen ist es also gestattet, bei der politischen Klasse anzuklopfen um eine gewisse Mitwirkung zu erheischen. Indes sind die dafür entweder zu doof (glaubt Posener) oder wollen das gar nicht oder kaum (glaube ich. siehe Wahlbeteiligung).

    Heißt am Ende des Tages, anders als es im GG steht: Die Staatsgewalt geht von der politischen Klasse aus und wird anschließend in das Volk hineingetragen und das möglichst nett und freundlich und wohlwollend; es soll nicht offen autoritär aussehen, obwohl es das ist.

    So ist das realistisch gedacht (IMHO). Nur: „progressiv“ gedacht ist das eigentlich eher weniger, oder doch ?

    Am besten, wenn man Volkes Wille schon erkennt bevor das Volk den selbst kennt, sich aber zunächst mal vom Volk nicht reinreden lässt, welches die Dinge dann aber ex post – nach „Aufklärung“ – voraussichtlich einsieht. Dann ist man immer auf der richtigen Seite. So was schwebt anscheinend auch Posener vor, jedenfalls bei „historischen Stunden“. Wer jetzt feststellt, was eine „historische Stunde „ist, muss noch geklärt werden.

    Dass linkerseits Volk nicht mehr Volk heißt, sondern Zivilgesellschaft, kann auch noch erwähnt werden, ist aber eigentlich unwichtig.

    Nicht ganz unwitzig übrigens, wie Grünens, immerhin in der WELT, da so tituliert werden:
    Zitat WELT/Posener:
    „bei den bürgerlichen Parteien FDP und Grüne sind es nur 40 bzw. 37 Prozent. “ (die gegen Taurus-Lieferungen sind)

    Booooaaaah. Grünens sind – gemeinsam mit FDP-Anhängern – lt. WELT die Bescheidwisser, also „bürgerlich“. Aber vermutlich nur ausnahmsweise in dieser Sache und zufällig.

    • Stefan Sasse 30. März 2024, 14:11

      Ich weiß nicht, was dein Problem ist. Politik kann tun, wozu sie Mehrheiten organisieren kann (sofern GG-konform). Ob ich das gut finde, was sich da mehrheitet, steht ja auf einem völlig anderen Blatt.

      • Dennis 30. März 2024, 16:42

        Kopie:
        „Ich weiß nicht, was dein Problem ist.“

        Ganz einfach: Dass die Staatsgewalt nicht vom Volke ausgeht, sondern lediglich von eher kleinen Teilen desselben, obwohl man das in Schule anders lernt bzw. lehrt. Und ferner, dass Demokratie nicht das heißt, was sich aus der wörtlichen Übersetzung ergibt, sondern lediglich, dass Eliten der Meinung sind, dass es gut ist, das Volk sozusagen mitzunehmen und nicht zur Opposition zu reizen. Die diesbezüglichen Methoden wiederum sind indes schwierig und gerne manipulativ.

        Aber dass das jetzt eigentlich „Probleme“ sind, glaub ich gar nicht.

        • Thorsten Haupts 30. März 2024, 22:48

          Ganz einfach: Dass die Staatsgewalt nicht vom Volke ausgeht, sondern lediglich von eher kleinen Teilen desselben, obwohl man das in Schule anders lernt bzw. lehrt.

          Das ist einfach falsch. Nur – damit die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, müssen relevante Teile des Volkes sich halt aktiv engagieren. Meckern kann jeder, sich über „steuernde Eliten“ beschweren auch. In einer Demokratie ist es von allen bekannten Regierungsformen mit Abstand am einfachsten, dagegen etwas zu unternehmen, und zwar für wirklich jeden Staatsbürger.

          Wenn also das Volk zulässt, dass die Staatsgewalt von einer kleinen Elite gesteuert wird, hat dieses Volk alle Mittel, um das zu ändern. Ansonsten ist es damit schlicht – im grossen und ganzen – einverstanden, das war immer meine Lesart.

          Darüber hinaus hat bisher noch niemand nachgewiesen, dass ein aktuelles Umfrageergebnis in irgendeiner Weise den Mehrheitswillen auch nur halbwegs akkurat widergibt. Es gab z.B. in den frühen achtzigern über Jahre sowohl eine Umfragemehrheit als auch Demonstrationen von wirklich Millionen Menschen (!) gegen die NATO-Nachrüstung. Trotzdem wurden 1987 überzeugend ausgerechnet die Partei und der Kanzler erneut in die Regierung gewählt, die beide offen und unverhohlen vor der Wahl verkündeten, sie würden die Millionen in dieser Frage einfach ignorieren. Offenkundig waren entweder die Nachrüstungsfrage nicht wahlentscheidend oder die Umfrageergebnissse begrenzt brauchbar (letzteres wieder meine Lesart).

          Gruss,
          Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 31. März 2024, 19:21

          Decisions are made by those who show up.

  • Stefan Pietsch 29. März 2024, 13:13

    2) Warum Olaf Scholz tun sollte, was sein Volk nicht will

    Das Problem mit den Waffenlieferungen sind nicht so sehr die Debatten oder die Frage, ob diese oder jene Ausrüstung nun besonders hilfreich ist. Das Problem ist, dass der Westen mit seinem Verhalten die Ukraine zwar befähigt, den Krieg nicht (schnell) zu verlieren, aber eben auch nicht entscheidende Fortschritte erzielen kann. So halten wir den Krieg am Kochen, treiben ein zynisches Spiel mit dem Leben der ukrainischen Soldaten.

    Wer an dieser These Zweifel hat, muss die Frage beantworten können, warum es nicht möglich ist, einen Partner mit dem ganzen Know-how der führenden Industrieländer so zu ertüchtigen, dass dieser einen effektiven Verteidigungskrieg gegen einen Aggressor zu gewinnen, der mit mittelmäßigem Gerät angreift. Die entscheidende Frage ist: Soll die Ukraine den Krieg gewinnen? Und die NATO-Staaten haben sie bisher mit „Nein“ beantwortet.

    • Stefan Sasse 30. März 2024, 14:14

      Völlig korrekt. Nur: damit liegt Scholz eben auf Mehrheitslinie, das ist mein Punkt. So bedauerlich ich das auch finde.

      • Stefan Pietsch 30. März 2024, 15:07

        Das halte ich nicht für ausgemacht. Wenn Du sagst, die Deutschen sind generell bei Waffenlieferungen zurückhaltend, dann stimme ich Dir zu. Aber das ist ja gerade nicht der Punkt.

        Es geht um die gesamte Strategie des westlichen Bündnisses. Was ist das Ziel? Ich denke schon, dass in Deutschland die Position mehrheitsfähig ist, der Aggressor Russland solle komplett aus der Ukraine gedrängt werden. Das scheint aber nicht das Ziel der NATO zu sein. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass die militärische Schwächung Russlands das strategische Ziel ist, und diesem dienen die anhaltenden Kämpfe. Gleichzeitig scheint eingepreist, dass die Krim und Teile der Ostukraine russisches Staatsgebiet bleiben.

        Das mag zwar strategisch rational sein, es ist aber auch zynisch.

        Warum liefert der Westen immer nur mit sehr großer Zeitverzögerung die von der ukrainischen Regierung erbetenen Waffensysteme? Meist erfolgte bisher die Freigabe erst, als der von den Militärs erhoffte Erfolg sich verringert hatte. Im Krieg entscheidet Schnelligkeit. Situationsbedingt müssen die richtigen Waffen verfügbar sein. Die besten Waffen haben nur eingeschränkten Nutzen, wenn die Situation nicht passt. Wenn die Freigabe erst nach vielen Monaten oder sogar einem Jahr erfolgt, ist der erhoffte Vorteil längst dahin.

        Doch das gehört offensichtlich zum Kalkül. Der Bundeskanzler selbst verhindert regelmäßig frühzeitige Entscheidungen im Bundessicherheitsrat.

        • Stefan Sasse 31. März 2024, 19:20

          Ist eines der Themen, wo du für die Theorie eine Mehrheit hast, für konkrete Maßnahmen aber nicht. Wie so häufig. Und ich glaube, Scholz weiß das.

          Ich glaube, das sind innenpolitische Gründe. Scholz versucht die SPD-Parteibasis ruhigzuhalten.

          • Stefan Pietsch 1. April 2024, 11:54

            Das sind innerparteiliche Gründe. Nach meiner Wahrnehmung ist der großen Mehrheit egal, welche Waffen geliefert werden. Entweder sind sie dafür oder dagegen. Aber da die wenigsten Lust und Interesse haben, sich über die Fähigkeiten der einzelnen Systeme zu informieren, wollen sie darüber auch nicht detailliert diskutieren. Geht mir übrigens genauso.

            Meine Position ist klar: Liefert der Ukraine, was die Militärs zur Kriegsführung für sinnvoll erachten, damit dieser Krieg möglichst schnell und mit möglichst wenig Opfern beendet werden kann. Denn er ist spätestens dann zu Ende, wenn die russische Armee aus allen besetzten Gebieten vertrieben ist. Und das kann nur durch totale Überlegenheit der westlichen Waffensysteme passieren, denn zahlenmäßig ist Russland der Ukraine um ein Vielfaches überlegen.

            Andere wollen das nicht. Ehrlich ist dann aber auch zu sagen, man ist einverstanden, dass Russland sich gewaltsam Territorien aneignen darf – warum übrigens dann nicht auch von Deutschland? In Ordnung ist auch, dass Kinder ihren Eltern entrissen, die ukrainische Sprache verboten und Frauen systematisch vergewaltigt werden. Das kann man ja alles befürworten, nur sollte man sich ehrlich dazu bekennen. Und nicht irgendetwas von Frieden und Kompromiss labern.

            • Stefan Sasse 1. April 2024, 14:39

              Sicher, aber Scholz ist halt Chef der SPD, also muss er auf innerparteiliche Gründe Rücksicht nehmen.

              Ich bin inhaltlich ja völlig bei dir! Deswegen wähle ich auch nicht SPD. Unter anderem.

              • Stefan Pietsch 1. April 2024, 15:36

                Nein, das stimmt nicht. Zum einen heißen die Chefs der SPD Lars Klingbeil, Saskia Esken und Rolf Mützenich. Sie bestimmen maßgeblich die Positionen der Partei.

                Zum anderen ist Olaf Scholz auf der letzten Stufe seiner politischen Karriere angekommen. Spätestens bei einer Abwahl 2025 kann er sich auf seine Memoiren konzentrieren. Allerdings kann der Zeitpunkt auch vorgezogen werden, wenn seine Koalitionspartner ob seiner Positionen die Regierung sprengen würden.

                Die SPD hat keine Alternativen zu Scholz. Sie kann ihn kaum ernsthaft unter Druck setzen. Würde sie ihm das Vertrauen öffentlich entziehen, wäre zweifelhaft, ob sie bei der nächsten Wahl überhaupt noch zweistellig abschneidet. Pistorius ist für die Friedensfreunde keine Option. Der Verteidigungsminister hat eher noch deutlich militaristischere Vorstellungen.

                • Stefan Sasse 1. April 2024, 23:13

                  Scholz braucht eine Mehrheit, um zu regieren, ganz egal, auf welcher Stufe seiner Karriere er ist. Die Leute im Bundestag müssen mitmachen.

                  • Stefan Pietsch 1. April 2024, 23:47

                    Die Entscheidung über die Lieferung von Waffen ist allein Sache der Exekutive. Wie die Öffnung der Grenzen durch Merkel 2015 muss da nichts durch den Bundestag. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte keine Möglichkeit, Scholz in den Arm zu fallen.

                    Die Obstruktion des Kanzlers hat fraglos einige Motive. Sorge um seine Machtbasis ist es allerdings sicher nicht.

                    • Stefan Sasse 2. April 2024, 16:47

                      Das ist doch naiv. Mal angenommen, du wirst von deinem Vorgesetzten brüskiert, weil du formal an einer Stelle nichts zu sagen hast. Wie kooperativ bist du das nächste Mal, wenn du wieder mitzureden hast? Vor allem, wenn dieser Vorgesetzte von deinem Votum abhängig ist und dich jederzeit feuern könnte?

                    • Stefan Pietsch 2. April 2024, 16:56

                      Diese Regierung hat noch höchstens 1 1/2 Jahre. Politik kann sich vielleicht noch 10 Monate machen. Es gibt derzeit kein Szenario, das Scholz eine zweite Amtszeit gibt.

                      Deine Analogie hat einen großen Haken, an der sie aufgehängt wird: Du vergleichst eine hierarische Situation mit einem demokratischen Staatsaufbau. Was soll mir das sagen?

                    • Stefan Sasse 2. April 2024, 17:02

                      Korrekt, aber die Wahl ist September 2025.

                      Vergleiche hinken immer.

          • CitizenK 1. April 2024, 12:57

            Ob das noch gelingt – nach dem Offenen Brief der Historiker um Winkler (mit SPD-Parteibuch)? Möglicherweise stehen wir vor einer Art neuen Nachrüstungs-Debatte.
            Der Beitrag der litauischen Autorin in der FAZ ist auch eine Art Offener Brief. Wir brauchen eine öffentliche Debatte darüber:

            „Wüssten die Westeuropäer, was die Russen über sie sagen, würden sie sich mehr Sorgen machen und aufrüsten, mahnt die litauische Schriftstellerin Kristina Sabaliauskaitė in der FAZ: „Europa hört nicht und liest nicht, was Russland und die Russen über sich und den Westen zu sagen haben. Wenn dann doch einmal eine Übersetzung vorliegt, hält Europa das für eine Übertreibung, einen Bluff, weil es zu verrückt scheint, um es für wahr zu halten. Etwa im Fall der Erklärung des russischen Propagandisten Wladimir Solowjow im russischen Staatsfernsehen, in der er gesagt hat, dass Deutschland irgendwann unter russischer Flagge stehen werde, dass die Russen wieder nach Berlin kommen, dieses Mal aber nicht gehen würden. Das ist kein Scherz – es ist eine Botschaft des Kremls an sein eigenes Volk und darüber hinaus ein aufrichtiger Wunsch vieler Russen, denen fast ein Jahrhundert lang in Schulen, durch Kino, Musik und Theater beigebracht wurde, Deutschland mit Faschisten und Feinden gleichzusetzen. Wenn die deutsche Öffentlichkeit nur die Sprachbarriere überwinden und in den düsteren Ecken der russischen sozialen Medien und Foren stöbern könnte, um die Stimmung der Gesellschaft gegenüber Deutschland zu spüren, wäre sie auf die eigene Sicherheit ernsthafter bedacht.“
            (zitiert nach) https://www.perlentaucher.de/9punkt/2024-03-27.html

            • Stefan Sasse 1. April 2024, 14:41

              In der Debatte sind wir schon mittendrin.

              Zustimmung!

              • Thorsten Haupts 2. April 2024, 11:25

                „Wir“ (Deutschland) sind in überhaupt keiner ernsthaften Debatte, geschweige denn in einer, die in absehbarer Zeit zu irgendwelchen Konsequenzen führen wird. Nur zur Erinnerung – wir sind vom uns selbst vor einem Jahrzehnt gegebenen Ziel von 2% des BIP für Verteidigung heute genausoweit entfernt, wie 2014.

                • CitizenK 2. April 2024, 13:34

                  Warum diese Fixierung auf eine Prozentzahl? Ohne Bedrohungslage sind 2 % zu viel, mit sind es möglicherweise (viel) zu wenig.
                  Auch Trump bezieht sich ja darauf. Heißt das: Wenn wir zahlen, werden wir geschützt bzw. verteidigt?

                  • Stefan Sasse 2. April 2024, 17:00

                    Wie wir gerade sehen kannst halt von „keine Bedrohungslage“ zu „Bedrohungslage“ nicht einfach umswitchen; die 2% schaffen eine Basis.

                  • Thorsten Haupts 3. April 2024, 08:51

                    Die 2% schaffen unabhängig von der aktuellen Bedrohungslage (die sich sehr schnell ändern kann) wenigstens eine solide Basis. Ich wundere mich immer wieder darüber, warum es kein Bewusstsein dafür gibt, dass man sicherheitskritische Infrastruktur nicht aus dem Boden stampfen kann – bei dem Vorhalten der Feuerwehr fragt auch niemand nach der gerade aktuellen Bedrohungslage und beschliesst, sie nach 5 Jahren mit wenig Feuer zu halbieren.

                    Tatsache ist, dass ganz Westeuropa derzeit nicht in der Lage wäre, einen modernen Krieg von auch nur ein paar Monaten Dauer durchzustehen, weil neben eingelagerten Munitionsvorräten die Produktionskapazitäten für den Nachschub fehlen. Dass diese Tatsache erst angesichts des Ukraine-Krieges auffällt, ist ein medial völlig unterbelichteter Skandal.

                    Und wegen der konkreten Nachfrage – ich bin da zu 100% bei Trump. Warum soll ich den mitverteidigen, der das selber nicht WILL und das auch noch offen dauerhaft demonstriert?

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                • Stefan Sasse 2. April 2024, 16:55

                  Ich bin nicht ganz so sicher wie du, einfach, weil die Zeithorizonte zu groß sind. Bei Streitkräfte&Strategien meinten sie letzthin, dass die Resultate jeglicher „Zeitenwende“ so oder so 10-15 Jahre brauchen werden, das ist aktuell also gar nicht absehbar. Aber: ich denke auch, dass zu wenig passiert. Nur wie viel zu wenig ist glaube ich in einem größeren Graubereich, als du zulässt.

  • Stefan Pietsch 29. März 2024, 13:19

    4) Friedrich Merz will deutlich weniger Flüchtlinge in Deutschland – 60.000 bis 100.000 pro Jahr

    In Deutschland leben inzwischen knapp eine halbe Millionen Ausländer ohne legalen Aufenthaltsstatus. Das ist eine richtige Metropole. Während die Bevölkerung binnen kurzer Zeit um Millionen Menschen wächst, die nach den Regeln keine Aussicht auf ein längerfristiges Bleiberecht haben, gelingt es nicht, solche Menschen wieder abzuschieben bzw. des Landes zu verweisen. Bei einer solchen „Erfolgsbilanz“ lässt sich unmöglich davon sprechen, eigentlich wäre eine geordnete Zuwanderung gewünscht. Sie ist es offensichtlich nicht, aus welchen Gründen auch immer.

    Der Gesetzgebungsprozess um die Bezahlkarte zeigt eben, dass maßgebliche Teile der Regierungsfraktionen definitiv keine geordnete Zuwanderung wünschen. Die Bezahlkarte mag einiges an Symbolik enthalten. Das Verhalten der Grünen-Fraktion jedoch zeigt, dass öffentliche Verlautbarungen, man wolle die Migration steuern, reine Rhetorik ist.

    • Thorsten Haupts 29. März 2024, 15:50

      Das geht an Stefan S Kommentar leider völlig vorbei! Es ist nämlich wurscht, was sich Merz (oder viele andere) wünschen – entscheidend ist nur, was dafür unternommen oder vorgeschlagen wird, das gewünschte Ziel auch zu erreichen. Nichts wirksames bisher und solange ist die Verkündung eines Wunschziels heisse Luft. Darauf bezog sich Stefan S hier berechtigte Kritik.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Stefan Pietsch 30. März 2024, 12:27

        Das sehe ich nicht. Ich habe mir zur Vorsicht Stefans Kommentar nochmals durchgelesen. Er vertritt die Überzeugung, dass im Grunde alle eine Steuerung der Migration möchten, so wie auch alle für Emissionsreduzierungen seien. Das ist so nicht richtig.

        Relativ zu Beginn meiner Karriere habe ich an einem Führungskräfteseminar teilgenommen. Eine Aufgabe war, dass sich die Teilnehmer erst non-verbal und dann kommunikativ auf eine Zielhierarchie einigen. Ganz oben sollte genau ein Begriff stehen, auf der zweiten Ebene höchstens drei. Selbst wenige Menschen, die in einem Unternehmen arbeiten, konnten sich nur schwer auf Ziele verständigen. Am Ende arbeiteten die Teilnehmer wie in der Politik mit großen Verallgemeinerungen und ließen Begriffe unspezifiziert.

        Wollen die Grünen gesteuerte Zuwanderung? Nein, sie wollen eine Politik der Open Borders, so steht es schon im Wahlprogramm. Dort sagen sie auch, dass sie explizit unqualifierten Menschen die Zuwanderung ermöglichen wollen. Demgemäß ist ihre Regierungspolitik. Selbst den vereinbarten Koordinator für die Rückführung abgelehnter Asylbewerber blockierten sie ein Jahr lang.

        Wollen Union und FDP eine Reduzierung der Emissionen? Das kommt darauf an, was man darunter versteht. Deutschland ist den Regeln des Pariser Klimaabkommens verpflichtet. Der dominierende politische Part sieht hier die Auslegung eng und verzichtet explizit auf mögliche Erleichterungen der Zielerreichung. Zunehmend folgen die bürgerlichen Parteien dieser Linie nicht mehr.

        Auch die Grünen sagen (bzw. handeln so), wichtiger als der Klimaschutz ist der Ausstieg aus der Kernenergie.

        Alles legitim. Nur sollte eben nicht ignoriert werden, dass die Parteien jenseits von Formelkompromissen eben nicht identische Ziele verfolgen. Und das macht im Grunde Demokratie aus.

        • Thorsten Haupts 30. März 2024, 14:07

          Rhetorisch ganz nett, nur erneut meilenweit am Ziel vorbei. Stefan S und mich eint hier – zufällig – die Kritik an wolkigen Absichtserklärungen (max. 100.000 Flüchtlinge pro Jahr) OHNE auch nur eine einzige wirksame Massnahme zu nennen, wie das zu erreichen wäre und die eine Union umsetzen würde. Hat grosse Ähnlichkeit mit dem wolkigen Ethikkatalog, zu dem sich heutzutage alle grösseren Unternehmen „bekennen“ 🙂 .

          Gruss,
          Thorsten Haupts

      • Stefan Sasse 30. März 2024, 14:17

        Exakt, danke!

    • Stefan Sasse 30. März 2024, 14:15

      Alles richtig, aber es ändert ja nichts daran, dass Merz‘ Forderung blanker Unsinn ist. Ich kann ja auch fordern, dass die Klimaerwärmung sich jedes Jahr um 0,1 Grad reduzieren soll, das wäre genauso richtig und notwendig. Allein, die Forderung tut halt nichts und ist aktuell kaum realistisch.

      • Stefan Pietsch 30. März 2024, 14:56

        Warum sollte Merz es zum jetzigen Zeitpunkt konkretisieren? Er hat nicht die geringste Einflussmöglichkeit, weil die Migrationspolitik allein in der Hand des Bundes liegt und maßgeblich über die Behörden und Verordnungen gesteuert wird. Eine Konkretisierung hätte nur Nachteile, aber keinen Vorteil, bspw. in Umfragen. Die Wähler interessieren nämlich nicht die Details von Einzelmaßnahmen, sondern allein das Ergebnis. Hier formuliert der bis 2025 völlig machtlose Oppositionsführer die Zielsetzung. Und die unterscheidet sich von der Position der Bundesregierung.

        Was Merz im Sinn hat, ist ja nicht schwer zu schlussfolgern. Die Fakten zeigen, dass Abschiebungen den Zustrom an Flüchtlingen bei weitem nicht ausbalancieren können. Das gilt übrigens nicht nur für Deutschland so. Folglich muss eine Politik der Begrenzung dort ansetzen, wo Flüchtlinge die Grenze überschreiten und Anträge stellen. Hier gibt es ein paar Hebel, welche die Bundesregierung nicht bedienen will:

        1. Grenzkontrollen. Die Bundespolizei kontrolliert Züge und Wege der Fluchtbewegungen im angrenzenden Ausland. Die Bundesinnenministerin Faeser wehrt sich bis heute mit ihrer ganzen politischen Kraft gegen den Einsatz der Bundespolizei, obwohl sich solche Kontrollen an der bayrischen Grenze als sehr wirkungsvoll gezeigt haben.

        2. Beendigung des Mehrfachantragsrechts.
        3. Verschärfung der Regelungen zum Familiennachzug.
        4. Weitgehender Sachleistungsbezug für abgelehnte Asylbewerber und Kürzung der Leistungen.

        Es gibt auch wirksame Maßnahmen der Klimaschutzpolitik. Doch diese will die Bundesregierung nicht gehen und setzt lieber auf Placebo-Maßnahmen. Jedenfalls hat der Klimaminister gezeigt, dass das Ziel des Atomausstiegs über dem Ziel der Klimaneutralität steht. Das heißt nicht, dass man nicht auch die Emissionen reduzieren will, nur ist das andere Ziel definitiv wichtiger.

        • Stefan Sasse 31. März 2024, 19:19

          Du würdest diese Argumentation niemals akzeptieren, wenn Oppositionsgrüne Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung mit ner konkreten Kennziffer fordern würden.

          • Stefan Pietsch 1. April 2024, 11:55

            Ähm, Stefan, wir haben konkrete Kennziffern. Die stehen in internationalen Verträgen, in Richtlinien der EU und in nationalen Gesetzen.

            • Stefan Sasse 1. April 2024, 14:40

              Als blumige Zukunftsvisionen irgendwann mal, deren Leitplanken ständig verschoben werden. Ich rede von konkreten Zahlen für ein Jahr.

              • Stefan Pietsch 1. April 2024, 15:27

                Es gibt konkrete Zielwerte für das Jahr 2050, 2045, 2040, 2038, 2030. Es gibt jährliche Werte der EU für den EU-ETS. Es gibt konkrete jährliche Werte für die Emissionen wie für die CO2-Steuer.

                Eher als den angeblichen Mangel an konkreten Werten ist politisch zu diskutieren, wie sinnvoll solche Zielmarken und Steuersätze sind, wenn Klimaforscher selbst sagen, dass der extrem kurzfristige Blick auf Ein-Jahres-Rhythmen nicht hilfreich sein kann. Denn selbst wenn die Welt heute keine Emissionen mehr erzeugen würde, so ließe sich der Klimawandel für die nächsten 100 (?) Jahre nicht mehr aufhalten. Der „Bremsweg“ sei einfach sehr lang.

                • Stefan Sasse 1. April 2024, 23:12

                  Ist ja so ein bisschen mein Thema: so konkrete Zahlen find ich eher quatschig.

  • Stefan Pietsch 29. März 2024, 13:29

    5) Moral löst Argumente ab – und das killt dann die Debatten

    Auf die Art wird der Begriff der Moral zum Wieselwort. Moral im ursprünglichen Sinne ist jedoch, sich in seinen Entscheidungen, unabhängig von allgemeingültigen Gesetzen und Regeln, von seinen eigenen Überzeugungen leiten zu lassen. Ratio, ökonomische Resultate und sonstiges rational zu begründete Strategien spielen bestenfalls eine sehr untergeordnete Rolle.

    Die Aufklärung hat zum regelbasierten Staat geführt. Demokratisch organisierte Gesellschaften geben sich Gesetze und Regeln, die für alle Bürger Allgemeingültigkeit besitzen. Es ist kein moralisches Verhalten, sich an diese Gesetze und Regeln zu halten. Es ist dem Folgen des Legalen, der gemeinsamen Vereinbarungen, unabhängig, ob man die Regeln exakt mit dem eigenen Wertesystem in Übereinstimmung bringt. Abseits der Einhaltung der Regeln ist nach den Überzeugungen der Aufklärung alles die persönliche Freiheit des Individuums.

    Genau das ist die Position der Liberalen und Libertären. Es ist das, was Anne Schneider in jeder Kolumne postuliert. Dieses zur „Moralisierung“ zu verbrämen stellt unsere Geschichte der Aufklärung in Misskredit.

    • Stefan Sasse 30. März 2024, 14:16

      Q.e.d.

    • Thorsten Haupts 1. April 2024, 00:35

      Genau das ist die Position der Liberalen und Libertären.

      Auch das ist letztlich natürlich eine „moralische“ Position. Übrigens durchaus eine, gegen die ich Progressive immer gerne anrennen sehe – sie entlarven sich damit selbst als im Kern Autoritäre, was zu Sekten hervorragend passt.

      Was Sie bewusst übersehen, aka ignorieren, ist, dass auch Gesetze und Verordnungen einer Moral folgen und ohne diese gar nicht gemacht werden könnten. Eine geltende Gesetzeslage ist streng genommen nichts anderes als eine moralische Position, die in Gesetzesform gegossen wurde.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Stefan Sasse 1. April 2024, 10:05

        Genau, das ist mein Punkt. Es macht keinem Sinn, dem Gegner vorzuwerfen, er hätte Moral. Das hat jeder. Man muss sich mit der Moral auseinandersetzen und sie auf ihren eigenen Prämissen kritisieren.

      • Stefan Pietsch 1. April 2024, 11:45

        In meiner Uni-Zeit habe ich gelernt, ein Argument, das immer stimmt, ist keins.

        Es ist unbestritten, dass Gesetze oft einen moralischen Hintergrund haben. Damit verhält sich aber noch lange nicht jemand moralisch, der einfach Gesetze befolgt. Er kann dies auch tun, wenn er nicht die Überzeugung teilt, aber Angst vor Strafe hat oder sich einen wirtschaftlichen Nutzen davon verspricht. Das sind eben keine moralischen Motive. In einem Rechtsstaat unterteilen wir in legales und illegales Verhalten.

        Stefans (und Ihre Position) ist eine andere. Während in meiner Einteilung Klimaaktivisten, die Straftaten begehen, illegal Handelnde (eben Straftäter) sind, steht für Stefan das moralische Handeln im Vordergrund. Dass sie Straftaten begehen, ist da ein Nebenaspekt, der aber vom moralischen Handeln überlagert wird. Ich klebe mich nicht deswegen auf die Straße, weil ich es für moralisch verwerflich halte, sondern weil es gefährlich, zeitverschwendend und albern ist. Und strafbar.

        Ein Kind handelt nicht moralisch, weil es den Anordnungen der Eltern folgt. Die Anweisungen der Eltern – im Allgemeinen „Erziehung“ genannt – gründet jedoch auf moralischen Überzeugungen.

        Entscheidend sind die Motive, aus denen heraus jemand etwas tut. Das habe ich am Anfang geschrieben. Neben moralischen Motiven gibt es eine Reihe weiterer, etwas zu tun oder zu unterlassen. Nur weil jemand anders denkt und handelt, dieses mit Moral zu begründen, macht alles platt. Es stimmt dann eben nicht, siehe oben.

        • Stefan Sasse 1. April 2024, 14:38

          Für mich sind „Klimaaktivisten, die Straftaten begehen“ genauso wie für dich „illegal Handelnde (eben Straftäter)“. Hör auf, mir andere Dinge zu unterstellen.

          • Stefan Pietsch 1. April 2024, 15:47

            Bitte piano. Ich habe keinen Anlass an Deiner Redlichkeit zu zweifeln. Wenn Du das sagst, nehme ich das zum Nennwert. Aber es kommt mir in Deinen Äußerungen nie in dieser Klarheit raus.

            Du hast zuletzt geschrieben, Klimaaktivisten würden mit drakonischen (sic!) Strafen überzogen. Tatsächlich erhalten Blockierer, Nötiger (bewehrt mit bis zu 5 Jahren Haft!) und Schmierfinke öffentlicher Bau- und Kunstwerke fast immer Geldstrafen, obwohl sie weder Reue über ihre Taten zeigen noch von ihrem strafbaren Tun ablassen wollen.

            In wenigen Fällen wurden Gefängnisstrafen von 2-3 Monaten ohne Bewährung verhängt. Grundsätzlich ist Bewährung zu geben, wenn eine günstige Sozialprognose besteht. Das ist bei Klimaktivisten aber nicht der Fall, wenn sie ankündigen weiter Straftaten zu begehen.

            Zur Einordnung: Jörg Kachelmann musste 2010 für 3 Monate in Haft, obwohl ihm keine Straftat nachgewiesen und der nicht verurteilt worden war. Grund war allein die Behauptung einer Ex-Geliebten, die – so später ein Gericht – bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hatte. Die musste übrigens weder in Untersuchungshaft noch wurde sie je für ihre Taten verurteilt.

            Also, zwei oder drei Monate Haft für unbelehrbare Serienstraftäter kann man kaum drakonisch nennen, zumal dies nur in seltenen Fällen angesetzt wird – bei einem möglichen Strafrahmen von 5 Jahren.

            • CitizenK 1. April 2024, 20:50

              Die Bauern und ihre Funktionäre haben auch weitere Straftaten angekündigt.

        • Thorsten Haupts 1. April 2024, 19:09

          Neben moralischen Motiven gibt es eine Reihe weiterer, etwas zu tun oder zu unterlassen.

          Also was jetzt? Schneider wirft Progressiven das häufige Reiten eines hohen moralischen Rosses vor und behauptet – ohne ernsthaften Beleg – das kille Debatten und Meinungsfreiheit. Sie verteidigen das damit, Anna S. gehe es ausschliesslich um die Position der Liberalen „Abseits der Einhaltung der Regeln ist nach den Überzeugungen der Aufklärung alles die persönliche Freiheit des Individuums.“ Da weder Anna S. noch Sie ernsthaft behaupten wollen, legale Äusserungen der Meinungsfreiheit seien in Deutschland mit beruflichen oder staatlichen Sanktionen bedroht, verstehe ich dann das ganze Argument nicht. Um es verständlich zu machen, MUSS ich zusätzlich annehmen, Anna S. wolle, dass die selbsternannten Moralisten aufhören, moralisch zu argumentieren. Nur – warum sollten sie das tun? Es gehört nämlich auch zur Meinungsfreiheit, eine Moral wie eine Monstranz vor sich herzutragen und zu predigen.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

  • Dennis 30. März 2024, 12:25

    Ach ja, und das Dauerthema 4) . Typischer Fall von Planwirtschaft, was der Herr Merz da vorträgt. Liberale sind doch für gewöhnlich der Auffassung, dass sowas eh nicht funktioniert, geschweige denn wünschenswert ist. Aber in diesem Fall ist das anscheinend „was anderes“ .

    Die Brüder im Geiste auf der Insel haben auch einen Plan, werden die Wahl aber trotzdem verlieren:

    https://www.conservatives.com/news/2023/our-plan-to-cut-immigration

    „Together this package would have meant around 300,000 fewer people coming to the UK last year.“ heißt es. Klingt nett, aber wer war denn da „last year“ und zig Jahre davor an der Regierung ? So ist das halt mit „Plänen“ .

    Interessant also einerseits, dass eine seit 13 Jahren aktive Regierungspartei jetzt mit einem so genannten „Plan“ rüberkommt, andererseits aber auch die beiden traditionell linken Anliegen:

    „undercutting British workers“ und „cut-price labour from overseas“ sei jeweils ganz schlecht und müsse verhindert werden. Typisch Trumpismus (forget Thatcher): Gewisse Adaptionen klassischer linker Ideen, die die offizielle „Linke“ mittlerweile längst vergessen hat – nitt grad zu ihrem Vorteil^. So weit sind die MerzLinnemanns noch nicht – vorläufig noch zu viel FDP-Denke, die zwar – was auch die Absicht ist – die FDP vernichten wird, den Unionisten indes nur sehr begrenzt nutzt.

    • Stefan Sasse 30. März 2024, 14:21

      Jepp, deswegen bin ich auch super skeptisch gegenüber allen selbsterklärten „Prinzipien“. Die gelten immer nur solange, bis man selbst was haben will.

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