Rezension: Kevin Eastman/Peter Laird/Tom Waltz – Teenage Mutant Ninja Turtles: The Last Ronin

Kevin Eastman/Peter Laird/Tom Waltz – Teenage Mutant Ninja Turtles: The Last Ronin (Deutsch)

Die Ninja Turtles sind, wie ich in meiner Oral History zum Thema auch beschrieben habe, nicht unbedingt das ernsthafteste Medium, das man sich vorstellen kann. Die originale Serie von Eastman und Laird endete bereits in den 1980er Jahren, wenngleich der Erfolg des Franchises und seine Wiederbelebung durch IDW und zahlreiche Film- und TV-Adaptionen dafür gesorgt haben dürften, dass die beiden ein komfortables Auskommen beibehalten, auch wenn sie keine Schildkrötengeschichten mehr zeichnen. Basierend auf einem alten Skript aus den 1980er Jahen hat Tom Waltz nun die Geschichte um den „Last Ronin“ entwickelt, eine Art Abschlusspunkt der Geschichte um die Turtles, der in einem dystopischen New York der Zukunft (wohl unserer Gegenwart) spielt.

„The Last Ronin“ ist in einer düsteren, dystopischen Zukunft angesiedelt, in der New York City von Oroku Hiroto, dem Enkel des legendären Feindes der Teenage Mutant Ninja Turtles, Oroku Saki (Shredder), tyrannisch beherrscht wird. In dieser Welt hat nur ein Turtle überlebt: Michelangelo.

Die Geschichte beginnt dramatisch, als ein schwer verletzter Michelangelo in die Stadt einbricht, um Rache für den Tod seiner Brüder zu nehmen. Er ist entschlossen, Hiroto zu stürzen, der nicht nur die Stadt mit eiserner Faust regiert, sondern auch für den Tod von Michelangelos Brüdern Leonardo, Raphael und Donatello verantwortlich ist. Michelangelo, der einst der lebensfrohe und unbeschwerte Turtle war, ist nun von Trauer und Wut getrieben.

Michelangelos Rettung erfolgt durch April O’Neil, eine langjährige Verbündete und Freundin der Turtles. April, die in dieser Zukunft eine kriegserfahrene Überlebende ist, findet Michelangelo und pflegt ihn zurück zur Gesundheit. Sie lebt mit ihrer Tochter Casey Marie Jones, benannt nach ihrem verstorbenen Ehemann und Freund der Turtles, Casey Jones. April und Casey Marie bieten Michelangelo nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch emotionale Unterstützung.

Während seiner Erholung bei April reflektiert Michelangelo die tragischen Ereignisse, die zum Verlust seiner Brüder führten. Durch Rückblenden erfährt der Leser von den entscheidenden Kämpfen gegen Hirotos Streitkräfte, die letztlich zum Tod jedes seiner Brüder führten. Diese Momente sind von entscheidender Bedeutung, da sie die Tiefe des Verlusts und den Schmerz, den Michelangelo empfindet, verdeutlichen.

Nachdem er sich erholt hat, setzt Michelangelo seinen Plan fort, um Hiroto zu stürzen. Er infiltriert Hirotos Hauptquartier, wo er sich durch zahlreiche Gegner kämpft. Der Weg zu Hiroto ist gefährlich und gewalttätig, doch Michelangelo ist unerbittlich in seinem Streben nach Rache. In einem entscheidenden Kampf gelingt es ihm, Hiroto zu besiegen und somit den Tod seiner Brüder zu rächen.

Nach Hirotos Niederlage steht Michelangelo vor einem existenziellen Dilemma. Sein Lebenszweck, die Rache, ist erfüllt, aber er ist konfrontiert mit der Leere, die der Verlust seiner Brüder hinterlassen hat. Die Geschichte endet mit einer Szene, in der Michelangelo über die Ruinen von New York blickt, in sich gekehrt und nachdenklich über seine Vergangenheit und die Zukunft.

Neben der Haupterzählung gibt es wichtige Nebenstränge, die sich mit April O’Neil und ihrer Tochter Casey Marie befassen. Aprils Charakterentwicklung von der Reporterin und Verbündeten der Turtles zur kampferprobten Überlebenden zeigt die Härte und Resilienz, die in dieser dystopischen Welt erforderlich ist. Ihre Tochter, Casey Marie, wächst in einer von Krieg und Zerstörung geprägten Umgebung auf, was sie zu einer entschlossenen und fähigen jungen Frau macht. April und Casey sind zentrale Figuren in Michelangelos Leben und seiner Mission, da sie ihm nicht nur ein Gefühl von Familie und Zugehörigkeit geben, sondern auch bei seinem Kampf gegen Hiroto unterstützen.

Die Erzählung von „The Last Ronin“ ist geprägt von intensiven Action- und Kampfszenen, während Michelangelo sich durch Hirotos Streitkräfte kämpft, um sich seinem ultimativen Gegner zu stellen. Jede Begegnung, jeder Kampf ist ein Schritt näher an seinem Ziel, Rache zu nehmen für den Tod seiner Brüder. Diese Kämpfe sind sowohl physisch herausfordernd als auch emotional beladen, da sie Michelangelos tiefen Schmerz und seine unerschütterliche Entschlossenheit widerspiegeln.

Michelangelos Konfrontation mit Hiroto ist das zentrale Ereignis der Geschichte. Es ist ein Kampf, der nicht nur körperlich, sondern auch symbolisch ist, da er die Auseinandersetzung zwischen dem Erbe der Turtles und der tyrannischen Vision Hirotos darstellt. Michelangelos Sieg über Hiroto ist nicht nur ein Triumph über seinen Feind, sondern auch ein Akt der Befreiung für sich selbst und die Stadt.

Nachdem Hiroto besiegt ist, muss Michelangelo sich mit den Konsequenzen seines lang ersehnten Triumphs auseinandersetzen. Er steht vor der Herausforderung, einen neuen Sinn in seinem Leben zu finden, jetzt, wo sein Ziel der Rache erreicht ist. Die Geschichte endet damit, dass Michelangelo über die Ruinen von New York City blickt, was seine Akzeptanz der Vergangenheit und den Verlust seiner Brüder symbolisiert. Es ist ein Moment des Nachdenkens und der Ungewissheit über seine Zukunft.

Die Nebenhandlung mit April und Casey Marie zeigt, wie sie Michelangelo in seinem Kampf gegen Hiroto unterstützen. Aprils Erfahrungen und Weisheit als langjährige Verbündete der Turtles sowie ihre mütterliche Fürsorge für Michelangelo bieten ihm Trost und Unterstützung in seinen dunkelsten Stunden. Casey Maries Charakter ist ein Sinnbild für die Hoffnung und den Fortschritt in dieser zerstörten Welt. Sie repräsentiert eine neue Generation, die vielleicht nicht dieselben Kämpfe wie ihre Vorgänger führen muss.

Wie bereits eingangs erwähnt ist das ganze Ding nicht sonderlich ernstzunehmen. Zwar fürchte ich, dass es ähnlich den Werken Frank Millers (pars pro toto) genug Leute geben wird, die genau das tun, aber das liegt sicherlich nicht am Setting selbst. Das dystopische New York, das hier beschrieben wird, macht ungefähr so viel Sinn wie das, in das Snake Plissken sich etwa zur gleichen Zeit begab, nämlich keines. Die Stadt ist hermetisch abgeriegelt und steht unter der absoluten Diktatur des Enkel des Shredder, der eine Armee von Ninja-Kriegern hat (die stilecht bei Versagen für das Verbrechen, überlebt zu haben, hingerichtet werden), Nina-Kampfrobotern und ähnlichen Dingen, die auch im Robocop-Franchise ihren Platz haben dürften. Im Untergrund existiert als großer Rivale immer noch Baxter Stockman mit seiner Armee weiterentwickelter Mauser-Roboter, denn warum auch nicht. Wie es um die Welt außerhalb der New Yorker Mauern bestellt ist ist in etwa so relevant wie in den übrigen Turtles-Comics, in denen einerseits das Verbrechen regierte und andererseits Aliens, Roboter und Ninjas munter Seite an Seite mit- und gegeneinander kämpften, also auch gar nicht. Den munteren Wahnsinn dieses Settings muss man akzeptieren, wenn man sich mit dem Stoff auseinandersetzen will.

Waren die Turtles ursprünglich eine Art Persiflage für etwas ältere Leser (bewusst maskulin) und wurden dann mit dem Cartoon und den Realverfilmungen zu einer harm- und blutlosen Kindergeschichte, so knüpft „The Last Ronin“ eher an die Wurzeln an und bietet eine „grimdarke“ Dystopie, die ungefähr dem Ernsthaftigkeitslevel eines durchschnittlichen 16jährigen entspricht. In dem Alter jedenfalls hätte ich die düstere Stimmung sicher total unironisch cool gefunden und darauf bestanden, wie erwachsen diese Version des Turtles-Mythos ist. Ich stelle all diese Betrachtungen vorweg, damit kein falscher Eindruck entsteht: in dieses Mindset muss man sich versetzen, wenn man die Lektüre von „The Last Ronin“ genießen will.

Strukturell stellt die Story die Lesenden zuerst vor ein Mysterium: wer ist der einzige überlebende Turtle? Das wird am Ende des ersten Bands (ich rezensiere hier den Gesamtband, der alle Softcover zusammenfasst) aufgeklärt: es ist Michelangelo. Da er die Waffen aller vier Turtles herumschleppt und (natürlich) ein schwarzes Augenband trägt, blieb dies anfangs unklar. Lästerzungen würden behaupten, dass die Unterschiede jenseits der Ausrüstung auch nicht überragend sind. Die existierenden Charaktereigenschaften werden aber in den Rückblenden schön aufgearbeitet: Raphael stirbt als erster, weil er seine Aggression nicht beherrscht und eine (IDW-Fans sicher bekannte) rechte Hand von Hiroto besiegen will; Leonardo und Casey fallen im Kampf gegen eine Roboterarmee, Donantello zusammen mit Splinter durch Verrat in Japan, wo sie Hilfe beim Familienclan erhoffen.

Michelangelo selbst nimmt es mit Horden von Bösewichten auf, wobei ihm seine fortgeschrittene Mutation hilft (die optisch starke Ähnlichkeiten zu Millers „The Dark Knight Returns“ aufweist). Je älter die Turtles werden, erfahren wir hier, desto mächtiger wird ihre Mutation. Michelangelo ist also alleine so stark wie das ganze Vierer-Team früher war, was durchaus hilfreich ist, um Stürze aus Wolkenkratzer auf die Straßen New Yorks zu überleben.

Ähnliches gilt für April O’Neill, die den Widerstand (den es natürlich gibt und der aus lauter Bikerklischees im besten 1980er-Stil besteht) anführt und im Kampf ein Bein verlor, das mittlerweile durch eine Robotergliedmaße ersetzt ist. Ihre Tochter Casey ist natürlich ein Mutantenhybrid, der sein ganzes Leben auf Basis alter Videokassetten Martial Arts und Ninja-Fähigkeiten lernte, bevor Michelangelo (nach einer kurzen Schamperiode des „ich bin zu alt für den Mist und du bist nicht bereit“) ihr Mentor wird.

Thematisch bietet die Geschichte eine solide Rachestory; been there, done that. Was den Band eigentlich interessant macht ist einerseits der „definitive“ Abschluss der Turtles-Saga (inklusive dem Ausblick auf eine neue Generation von Schildkröten und Mentorin) und andererseits die Schamlosigkeit, mit der der ganze Blödsinn aufgefahren wird. Ich mag es, wenn etwas so offen zu dem steht, was es ist, und vor allem die Verankerung in den Sensibilitäten der 1980er Jahre, vom beherrschenden Einfluss Japans bis hin zur optischen Gestaltung New Yorks und der Charaktere, der technologischen Entwicklung und so weiter haben mir beim Lesen viel Freude bereitet. Ich bin nicht Turtle-Experte genug, um die Nebencharaktere richtig einordnen oder die Verweise auf Ereignisse in der Vergangenheit (vor allem bezüglich Hirotos Vergangenheit und seiner Mutter) verstehen zu können, aber das ist ehrlich gesagt auch nicht sonderlich wichtig. Die Turtles sind für mich ein guilty pleasure, ungefähr auf dem Level von „Robin Hood: König der Diebe“, und ich stehe dazu. Wer ähnlich fühlt, kann sich den Band gerne für eine gute Prise Eskapismus besorgen.

{ 3 comments… add one }
  • cimourdain 24. Januar 2024, 09:14

    Auch wenn ich kein TMNT Fan bin, diese Besprechung ist sehr lesenswert, weil ja wirklich jedes Dark-Age-Comic Klischee abgerufen wird. Beim nächsten Lesen mach ein Trinkspiel draus.

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