Ängstliche und verantwortungslose Autobauende streiken für transparente Vermögensverhältnisse im Klimaschutz – Vermischtes 07.11.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Time to treat the climate and nature crisis as one indivisible global health emergency

Über 200 Gesundheitszeitschriften haben einen gemeinsamen Appell veröffentlicht, in dem sie Weltführer und Gesundheitsfachleute dazu auffordern, den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt als untrennbare Krise anzuerkennen. Sie warnen davor, Klima- und Naturkrisen getrennt zu behandeln und fordern die Weltgesundheitsorganisation auf, dies als globalen Gesundheitsnotfall zu erklären. Die direkten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, insbesondere in den ärmeren Gemeinschaften, werden betont, von steigenden Temperaturen bis zur Verbreitung von Infektionskrankheiten. Sauberes Wasser, Ernährung, Medikamentenentwicklung und psychische Gesundheit sind ebenfalls betroffen. Die Autoren drängen darauf, die COP-Prozesse zu harmonisieren und fordern eine bessere Integration nationaler Klima- und Biodiversitätspläne. Gesundheitsfachleute sollen sich stark für Biodiversität und Klimaschutz einsetzen, politische Führer sollen die Bedrohungen und Vorteile für die Gesundheit durch die planetare Krise erkennen. Eine Petition für einen globalen Gesundheitsnotstand wird unterstützt.(UK Health Alliance on Climate Change)

Die Klimakrise ist eine umfassende Krise, die sämtliche Bereiche berührt. Das ist immer noch zu wenig anerkannt. Sie wird in der öffentlichen Debatte immer noch gerne als eine Art Lifestyle-Thema behandelt, etwas, das man sich leistet, wenn man die entsprechenden Möglichkeiten und Veranlagung hat. Aber von der Flüchtlingspolitik über Wirtschaft, Finanzen zu Gesundheit, Wohnen zu Mobilität werden praktisch sämtliche Lebensbereiche betroffen. Je früher wir uns das klar machen und beginnen, über Folgen und Mitigierungsstrategien nachzudenken, desto besser für alle Beteiligten. Gleichzeitig besteht natürlich immer die Gefahr des Sandwichproblems, so dass ein Gefühl allgemeiner Überforderung entsteht, das paralysierend wirkt. Sehr vertrackt.

2) Autoworkers Strike a Blow for Equality

Die United Auto Workers (UAW) scheinen einen bedeutenden Sieg errungen zu haben, da sie nach Streiks seit dem 15. September nun vorläufige Vereinbarungen mit Ford, Stellantis und schließlich General Motors haben. Die Vereinbarungen beinhalten eine etwa 25-prozentige Lohnerhöhung in den nächsten viereinhalb Jahren sowie andere bedeutende Zugeständnisse. Dieser mutmaßliche Sieg der Gewerkschaft folgt auf signifikante Erfolge der organisierten Arbeit in anderen Branchen, insbesondere einer großen Einigung mit United Parcel Service. Dies könnte möglicherweise ein Meilenstein auf dem Weg zu einer weniger ungleichen Nation sein. In den 1960ern war die USA wirtschaftlich weniger polarisiert, und die Einkommensunterschiede waren viel geringer als heute. Die Rückkehr zu einer breit geteilten Prosperität könnte nun in Form von gestärkten Gewerkschaften und politischer Unterstützung für Arbeitnehmerrechte erfolgen. (Paul Krugman, New York Times)

Es gehört zu den guten Nachrichten von Bidens Präsidentschaft, dass die krasse Ungleichheit in den USA reduziert wird. Die Lohnabschlüsse, besonders der hier wegweisende durch die UAW, kommen überproportional den unteren Schichten zugute und helfen dadurch, das Lohngefüge von unten zusammenzustauchen. Das ist auch in Deutschland mehr als überfällig. Mehr zum Thema findet sich auch hier. Allerdings muss auch etwas kaltes Wasser über die guten Nachrichten geschüttet werden, denn die Reduzierung ist leider nur relativ: trotz knapp 30% Lohnsteigerung holen die Arbeiter*innen damit nur die Verluste seit Beginn der Coronapandemie auf; eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage geht damit nicht einher. Das allerdings ist deutlich mehr als in Deutschland, wo die Verluste durch Corona und Inflation nicht auch nur annähernd aufgeholt werden und auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.

3) Atmosphäre der Angst

Über 87 Millionen Migrantinnen und Migranten leben in Europa, doch viele erleben Ausbeutung und prekäre Arbeitsbedingungen. In Ländern wie Serbien, Italien und Spanien protestieren Arbeiterinnen und Arbeiter gegen schlechte Behandlung. Auch in der Online- und Gig Economy gibt es Ausbeutung. Warum kommen sie trotzdem? Oft aus wirtschaftlicher Not, verursacht durch Klimakatastrophen, politische Unruhen und Arbeitslosigkeit. Der komplexe Visumsprozess macht sie oft zu Opfern illegaler Vermittler. Staatliche Eingriffe und bessere Integration sind notwendig, genauso wie eine Überarbeitung der Visumssysteme. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter leben in Angst und können Missstände nur schwer melden. Lösungen erfordern internationale Zusammenarbeit und einen besseren Schutz der Rechte migrantischer Arbeitnehmerinnen und -nehmer. (Ankita Anand, IPG)

Wir haben ja letzthin darüber diskutiert, dass ausbeuterische Arbeitsbedingungen nicht das Gelbe vom Ei sein können, vorsichtig ausgedrückt. Der Einwand, dass das gewählte Beispiel der Arbeiter*innen in Bangladesch oder anderen unterentwickelten Orten nicht sonderlich sinnvoll sei, weil noch kein Land sich ohne miese Arbeitsverhältnisse in der Übergangsphase entwickelt habe und der relative Standortvorteile für diese Entwicklung notwendig sei, ist nicht leicht zu widerlegen. Daher nehme ich in den Artikel hier als Beispiel „closer to home“. Die Ausbeutung vulnerabler Bevölkerungsgruppen ist ein Problem, und wie ich ursprünglich dargelegt hatte, basiert unsere Wirtschaft darauf, weil niemand bereit ist, in den entsprechenden Sektoren realistische Preise zu bezahlen (Landwirtschaft etwa).

4) Verantwortungslos

Der Artikel berichtet über die enttäuschenden Ergebnisse der ersten weltweiten Bestandsaufnahme des Pariser Klimaabkommens vom 8. September, die vom UN-Sekretariat veröffentlicht wurde. Ursprünglich wurde erwartet, dass die Bewertung die Fortschritte der Länder bei der Umsetzung der Klimaziele bewertet, insbesondere die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Stattdessen wurde die Bewertung als „allgemeine Bewertung der Resultate nationaler Klimapolitik“ wahrgenommen, die wenig Transparenz bot. Der Artikel kritisiert die Verschleierung konkreter Ergebnisse und betont, dass eine echte globale Zusammenarbeit notwendig ist, um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen. Es wird auch auf die Notwendigkeit von Transparenz und Verantwortlichkeit hingewiesen, um das Vertrauen zwischen den Ländern zu stärken und einen effektiven Multilateralismus zu gewährleisten. (Michael Davies-Venn, IPG)

Inzwischen geben wir nach dem 1,5-Grad-Ziel auch das 2-Grad-Ziel auf und verklären das mit Mathezauberei. Dieser Versuch, die konkreten Gradzahlen jetzt für irrelevant zu erklären und stattdessen neue Kriterien zu erfinden, ist auf der einen Seite sicherlich nicht ganz unsinnvoll – schließlich sind fixe Zahlen eine eher starre Größe, die den Realitäten und pragmatischen Anforderungen nicht unbedingt entspricht (was es auf eine düstere Art witzig macht, dass die gleichen Leute, die mit beinahe religiöse Fanatismus die Einhaltung der Schuldenbremse zur höchsten Priorität erklären, unglaublich flexibel bei den Maßgaben des Klimaschutzes sind…). Auf der anderen Seite aber scheint es mir durchaus so, als wären die entsprechenden Argumente vor allem Nebelkerzen, um Untätigkeit zu verdecken.

5) Nur sechs Wochen Gardasee – Marie Nasemanns “Fairknallt”

Der Text kritisiert die Selbstwahrnehmung der deutschen Gesellschaft, insbesondere der Wohlhabenden, bezüglich sozialer Schichten und ökonomischer Realitäten. Die Autorin reflektiert dies anhand des Buchs „Fairknallt“ von Marie Nasemann, einer prominenten Persönlichkeit, die sich für nachhaltigen Konsum engagiert. Der Text bemängelt Nasemanns Wohlstandsprivilegien und ihre Neigung, sich als durchschnittliche Bürgerin zu inszenieren. Die Kritik erstreckt sich auf die deutsche Gesellschaft insgesamt, die oft Schwierigkeiten hat, objektive ökonomische Verhältnisse anzuerkennen. Es wird betont, dass die Identifikation mit bestimmten sozialen Klassen unabhängig von realen wirtschaftlichen Umständen stattfindet. Der Text schließt mit der Forderung nach mehr Offenheit bezüglich finanzieller Verhältnisse und einem besseren Verständnis für die tatsächlichen sozialen Unterschiede in der Gesellschaft. (Matthias Warkus, 54Books)

Einkommen und Vermögen sind aber objektive Verhältnisse und kein Vibe. Es ist ganz gleich, wie »bürgerlich« ich mich fühle – entweder verdiene ich zwischen 1500 und 4000 Euro brutto oder ich tue es nicht.“ Ein wunderschöner Satz aus diesem Artikel, den ich unbedingt empfehlen möchte. Ich finde es tatsächlich immer wieder auffällig, wie sehr die gefühlte Realität zu den Einkommensverhältnissen in Deutschland von der objektiven Realität abweicht. Die viel zu expansive Definition von „Mittelschicht“, zu der sich sowohl klar unten herausfallende Personene zählen als auch solche, die deutlich darüber liegen, ist ein Aspekt davon, der es fast unmöglich macht, rational über entsprechende Politiken zu diskutieren.

Es sorgt aber auch dafür, dass realistische Einschätzungen des Durchschnitts kaum möglich sind. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland ist wesentlich niedriger, als dies oftmals angenommen wird (die genannte Spanne von 1,5k bis 4k wird von denjenigen, die hauptberuflich über diese Themen sprechen, gerne überschritten), was aber nicht bedeutet, dass man gleich reich ist. Diese Begriffe gehen aber immer durcheinander. Deswegen fällt es Menschen auch so schwer, zu erkennen, dass sie überhaupt überdurchschnittlich verdienen (wie die ZEIT-Serie ja auch schön aufzeigt); irgendwie reicht das eigene Geld gefühlt nie für die großen Sprünge. Nur dass eben der eigene Lebensstandard für die Mehrheit der Deutschen bereits ein großer Sprung wäre.

Resterampe

a) FAZ-Rezension von Anton Jägers „Hyperpolitik“.

b) Gegen die mit ihren Treckern den Verkehr blockierenden Bauern erwarte ich aber mindestens Beugehaft. Schließlich halten sie ja vorsätzlich den Verkehr auf.

c) Dieser Artikel argumentiert, dass Bidens Präsidentschaft starke Parallelen zu der Trumans habe.

d) Die Situation der Wirtschaft der Ukraine ist gar nicht gut.

e) Es ist tatsächlich völlig absurd, dass Pistorius‘ Satz, dass die Bundeswehr „kriegstüchtig“ sein müsse, irgendwie kontrovers ist.

f) Die alternativen Fakten russischer Geschichtsschreibung

h) He. He. He.

i) Volkswirtschaftlicher Schaden von Leistungskürzungen an Geflüchtete. Aber um Rationalität geht es da ja auch nicht.

j) Neue Studie zu den Wirkungen von Platforming von Rechten.

k) Schwarzenegger als Life-Coach.

l) Macht in Gefahr. Noch was zu den politischen Dynamiken der arabischen Welt.

m) Nachtrag zur Debatte der Ausbeutung von Migrant*innen.

n) Deutschland ist krank. Kann nur zustimmen.

o) Netanyahus Regierung gibt sich echt alle Mühe, möglichst Sympathien weltweit zu verspielen.

p) Haben wir die Geldpolitik auf den Kopf gestellt?

q) Unterschätzter Aspekt islamistischen Terrors: die liberalen Muslime werden auch unterdrückt.

r) Erneuerbare stabiler als konventionelle Stromerzeugung.

s) Habeck bleibt stabil. Guter Mann.

{ 118 comments… add one }
  • Kning4711 7. November 2023, 09:15

    zu 2
    Ich denke das ist das Dilemma der deutschen Tarifpolitik – ich sehe es ja bei uns im Laden (Einzelhandel) – Arbeitgeberseite und Gewerkschaft streiten seit Mai um einen Tarifabschluss. Die Firma hat sich jetzt entschlossen eine pauschale 5,1% Vorweganhebung zu machen. Allerdings voll mit Gießkanne – sprich die Menschen im Markt erhalten 5,1% und die Menschen in der Verwaltung bis zu einem Bruttogehalt von fast 8.000 EUR / Monat erhalten ebenfalls diese 5,1%)
    Ich fände es viel zielführender auf Ebene der Tarifgrenze zu kappen (alle Mitarbeiter mit einem Gehalt > 5.200 EUR bekommen ihre 5,1% auf eben jene 5.200 EUR, sprich bei 7000 EUR bekommst du keine 5,1 % sondern nur 3,8 % – und die Differenz bei den Menschen in den unteren Lohngruppen in den Märkten zu verteilen. Die innerbetriebliche Solidarität hört aber bei soetwas schnell auf, daher geht das Management den Weg des geringsten Widerstands.
    Inzwischen finden Supermärkte in Hochpreis-Ballungszentren wie München oder Frankfurt kaum noch Mitarbeiter, weil sich niemand von dem Gehalt in der Nähe des Arbeitsorts eine Wohnung leisten kann bzw. keiner für das Geld 90min Pendeln möchte.

    Natürlich trifft die Inflation auch Gutverdienende – aber gerade in den prekären Lohngruppen, im Dienstleistungsbereich, die eben mal nicht so eben automatisiert oder genearshort werden könnnen, müssten wir allein schon des sozialen Frieden Willens mehr tun. Treibt das die Preise – klar, aber dann müssen die Effizienzen an anderer Stelle gehoben werden.

  • Stefan Pietsch 7. November 2023, 09:19

    1) Time to treat the climate and nature crisis as one indivisible global health emergency

    Sie wird in der öffentlichen Debatte immer noch gerne als eine Art Lifestyle-Thema behandelt (..).

    Wen meint der Autor damit? In Deutschland ist das Thema in Umfragen so hochgerankt wie in keinem anderen OECD-Land, nur hier hat eine Klimaschutzpartei Kanzlerambitionen. Es ist allerdings wahr, dass der permanente Alarmismus jedes Problembewusstsein abtötet. Und da sind wie Deutschen tatsächlich Weltmarktführer.

    Richtig ist auch, dass wir Deutschen die einzigen sind, die versuchen, ein globales Problem mit individuellem Moralismus zu lösen. Außerhalb der Landesgrenzen hat sich daher inzwischen die Überzeugung durchgesetzt, wir Deutschen würden die dümmste Klima- und Energiepolitik der Welt machen. So kommen nur die Deutschen auf die Idee, in Gestalt des Superministers für Wirtschaft und Klimaschutz (sic!) den Bürgern eine Alternative beim Heizen zu lassen, ihnen die individuelle Pflicht für das Klima aufzutragen und erst gar nicht zu fragen, ob die fürs Heizen zwingend erforderliche Infrastruktur überhaupt vorhanden ist.

    Nur wir Deutschen nehmen 30 Kernkraftwerke vom Netz, heizen dafür mit Kohle und geben das als Klimaschutzpolitik aus. Dann diskutieren wir rein ideologisch über Tempolimit und dessen homöophatische Dosenwirkung, und Nicht-Ökonomen und Staatsbedienstete erklären gleichzeitig, wie unwirtschaftlich es doch sei, CO2 wieder aus der Atmosphäre zu nehmen.

    Nein, es sind die Grünen und die angeschlossenen Milieus, die Klimaschutz zu einem Lifestyle-Produkt der Politik machen.

    • sol1 7. November 2023, 20:07

      „In Deutschland ist das Thema in Umfragen so hochgerankt wie in keinem anderen OECD-Land…“

      Wie willst du eigentlich ernst genommen werden, wenn du Behauptungen raushaust, die man innerhalb einer Minute per Google widerlegen kann?

      https://www.oecd.org/climate-change/international-attitudes-toward-climate-policies/

      • Stefan Pietsch 8. November 2023, 11:48

        Der Link passt nicht zu der Aussage. Aber auf solche Details achten Sie ja ohnehin nicht.

        • sol1 8. November 2023, 20:15

          „Der Link passt nicht zu der Aussage.“

          Wen willst du hier für dumm verkaufen?

  • mikefromffm 7. November 2023, 09:41

    Betr. Fairknallt: Unsäglich auch das oft angeführte Argument, dass in D bereits ein «Facharbeiter» den Höchststeuersatz zahlen würde. Diese Leute haben keine Ahnung von den Einkommensverhältnissen, geschweige denn vom Steuersystem in D. Muss man sich aber immer wieder und wieder und wieder und wieder anhören.

    • Stefan Sasse 7. November 2023, 18:56

      Das kommt häufig durch die Nebelkerze, dass sie den „Spitzensteuersatz“ benutzen, den Facharbeiter*innen durchaus mal erreichen können (wenngleich mit nur kleinem Teil des Gehalts).

  • cimourdain 7. November 2023, 10:19

    1) So richtig es ist, extremeres Klima als Gesundheitsrisiko zu sehen, ist die WHO für diese Stoßrichtung der falsche Adressat. Sie kann sicher helfen, die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Extremklima zu bekämpfen und Hilfe zu organisieren. Aber Ursachen im Vorfeld zu beseitigen ist immer noch Sache der (national geprägten) Politik.

    3) (Und m), das auf den gleichen Artikel verweist) Es hat einen Grund, dass das völkerrechtliche „Abkommen für die Rechte der Wanderarbeiter“ von keinem Zielland für Arbeitsmigration insbesondere keinem EU-Land ratifiziert wurde.

    4) Mir gefällt der Vergleich von Schulden und CO2 unter dem Aspekt, dass beide keine Moral kennen, sondern nur unerbittliche Buchhaltung. Beim Bankminus fragt keiner, ob das Geld für Luxus oder Notwendigkeiten ausgegeben wurde, es ist da. Genauso ist der Atmosphäre egal, ob CO2 aus Luxuskonsum, wirtschaftlicher „Notwendigkeit“ oder politischem Kalkül herrührt.

    5) Du trägst gerade zur Verwirrung bei, indem du (glaube ich) nicht klar Durchschnittseinkommen und mittleres Einkommen (Median) trennst. Außerdem muss immer Brutto und Netto unterschieden werden. So kommt die Spanne zwischen € 1.500 (Nettomedian) und € 4.000 (Bruttodurchschnitt) zustande.

    d) eine gelinde Untertreibung. Vor 2022 war die wirtschaftliche Situation „Nicht gut“. Jetzt ist Sie für die Ukraine „Nicht vorhanden“, das Land hängt komplett am Tropf.

    s) Auch wenn Habeck nur auf dem Zeitgeist surft, erweisen die Kommentatoren, die überall „Wolf“ (Antisemitismus) rufen, den jüdischen Gemeinden einen Bärendienst, tatsächliche Judenfeindschaft geht da in diesem Hintergrundrauschen unter. Außerdem ist das natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen (realen) Antisemiten, die von „privilegierten Juden“ schwadronieren.

    e) (Antimilitaristen-Polemik der Woche) Nimm dir bitte eine Weltkarte Karte und sieh dir die Kampfeinsätze (Wir führen ebenso wenig Krieg wie die RF) der BW seit 1955 an. Markiere alle, die der „Verteidigung“ dienten – hier die Liste: „“ . Wenn also Pistorius nicht nur Bundeswehr sondern gleich die ganze Gesellschaft für den Krieg „ertüchtigen“ will, meint er damit, dass in weit entfernten Ländern Deutsche töten und sterben. Und dann gibt es nur eins: „Sagt NEIN“

    • Stefan Sasse 7. November 2023, 18:57

      1) Ja, aber man muss halt mal Bewusstsein schaffen, das können die ja.

      4) Jepp.

      5) True.

      • Thorsten Haupts 10. November 2023, 12:12

        Zu e)
        Die Absurdität, sich eine NICHT kriegstüchtige Armee zu leisten, ist jedem einigermassen intelligenten Menschen bewusst. Die in sich konsistente Alternative dazu ist schlicht „keine Armee“. Da Deutschland mit weit überwiegender politischer Mehrheit nach wie vor an Sttreitkräften festhält, macht das nur dann Sinn, wenn diese Streitkräfte kampffähig sind, alles andere ist eine contradictio in adjecto. In etwa so sinnvoll wie eine Feuerwehr, die kein Feuer löschen kann.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 7. November 2023, 11:04

    Die viel zu expansive Definition von „Mittelschicht“ …

    Darf ich da vielleicht eine andere Perspektive anbieten? Für mich und für mein Umfeld war es immer völlig klar, dass alles zur Mittelschicht gehört, was auf das durch Lohnarbeit erzielte Einkommen angewiesen ist, sobald das deutlich mehr war, als zur reinen Existenzsicherung notwendig. „Oberschicht“ war dann, wer von seinen Vermögenserträgen leben konnte und auf bezahlte Arbeit nicht mehr angewiesen war.

    Es gibt hier eine für mich klar erkennbare Differenz zwischen dem, was die (sozialökonomische) Wissenschaft sich an Definitionen ausgedacht hat und dem, was allgemein in der Bevölkerung verstanden wird.

    Diese Begriffe gehen aber immer durcheinander.

    Setz Dich einfach in die nächste Kneipe Deines Vertrauens und biete einer so zufällig ausgewählten Gruppe von Menschen zwei Versionen von „reich“ an: 1) Verdient oberhalb von 4.000 Euro/Monat und 2) Kann von den Erträgen seines Vermögens leben. Ich nehme jederzeit eine Wette darauf an, was die spontane Antwort der Mehrheit auf diese beiden Definitionen ist.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Erwin Gabriel 7. November 2023, 13:21

      @ Thorsten Haupts 7. November 2023, 11:04

      2) Autoworkers Strike a Blow for Equality

      Für mich und für mein Umfeld war es immer völlig klar, dass alles zur Mittelschicht gehört, was auf das durch Lohnarbeit erzielte Einkommen angewiesen ist, …

      Zustimmung.

      Darüber hatten wir hier auch schon so oft Übereinstimmung erzielt, dass ich nicht verstehe, dass dieses Thema immer wieder seinen Weg in diese Diskussionen findet.

      • Thorsten Haupts 7. November 2023, 16:45

        Ja. Und es ist Teil von etwas, was ich mittlerweile als Kampagne betrachte – der konzertierte Versuch alle Qualitätsmedien, die Öffentlichkeit mit einer Flut von Veröffentlichungen über die letzten 5 Jahre hinweg davon zu überzeugen, dass alle mit einem Jahreseinkommen von 100K oder mehr (brutto) reich sind. Als Vorbereitung für Steuererhöhungen natürlich, die im Komplex von Medien und sozialwissenschaftlichen Instituten gemeinsamer Überzeugungsstandard sind.

        Es gibt kaum eine andere mögliche Erklärung für die andauernde Vielzahl von Medienberichten zu diesem Thema.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 7. November 2023, 19:02

          Ja, ich glaube auch, das ist eine Kampagne 😀 /Ironie

          • Kning4711 8. November 2023, 12:03

            Ich finde Thorstens Definition zutreffend: Reich ist, wer von seinen Vermögenserträgen im wesentlichen Leben kann und eben nicht zwangsläufig auf eine Vollzeit-Arbeit angewiesen ist.
            Wenn ich der Definition folge, dann wären diejenigen in Armut, deren Einkünfte im wesentlichen aus Transferleistungen gespeist werden.

            Ich fände auch den Betrachtungsrahmen wichtig bei der Bewertung: Eigentlich müsstest Du auch die Vermögensanwartschaften mitzählen. Ich kann jetzt als Selbstständiger viel verdienen, wenn ich aber nicht für die Rente vorsorge, dann werde ich zum Zeitpunkt x rasch abstürzen. Ich bin heute Beamter, verdiene daher etwas weniger, habe aber im Vergleich bessere Pensionsansprüche, als ein Rentner.

            Zur Theorie der Steuererhöhungsvorbereitung: Auch hier gehen ja die Betrachtungen in die irre – wir schauen ja sehr gerne auf Steuersätze, jedoch gibt es ja auch genügend indirekte Steuern. Für mich ist maßgeblich die Entwicklung der HAushalte von Bund, Ländern und Kommunen – und obgleich diese stetig wachsen, scheint die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderzugehen, so dass es offenbar strukturelle Fehlallokationen von Mitteln gibt. Ein wesentliches Messinstrument ist für mich hier die Kinderarmut: Diese ist in Deutschland im OECD Vergleich erschreckend hoch und hier sehe ich kaum politische Maßnahmen außer dem Schrei nach mehr Umverteilung. Ich denke, dass haben wir jahrzehntelang probiert und sind nicht besser geworden.

            • Stefan Sasse 8. November 2023, 12:28

              Weitgehend Zustimmung, aber „im wesentlichen Transferbeiträge“ reicht mir nicht. Wenn ich Mindestlohn verdiene und eine Familie zu ernähren habe, bin ich definitiv auch arm. Das muss etwas expansiver sein, sonst ist der Armutsbegriff zu eng.

              Vermögensanwartschaften: Ja, grundsätzlich richtig.

              Ja.

            • Stefan Pietsch 8. November 2023, 13:50

              Das Problem bei Ihren Ausführungen ist die Minderung der Aussagekraft durch eine extreme Individualisierung. So gehören – ich hatte das mal in einem Artikel aufgeschrieben – 20 Prozent der Vermögensten zu den 20 Prozent Einkommensschwächsten. Umgekehrt haben 20 Prozent der Einkommensstärksten kein nennenswertes Vermögen. Hänge ich die Gruppenzugehörigkeit nun am Vermögen oder am Einkommen auf?

              2015 wies ich in einem meiner ersten Artikel zur Migration darauf hin, dass durch den Zuzug weitgehend armer und geringqualifizierter Flüchtlinge die Einkommensspreizung in den Folgejahren deutlich zunehmen würde. Das muss man als Einwanderungsland wollen und nicht durch Sozialtransfers bekämpfen. Das Ergebnis sehen wir schließlich in den Statistiken:

              Das Verhältnis von Sozialhilfebeziehern mit deutschem Pass und Ausländern ist seit 2010 völlig gekippt. Inzwischen erhalten wesentlich mehr Ausländer als Einheimische das Bürgergeld – obwohl sie laut Grundgesetz gar keine Bürger der Bundesrepublik sind. Und das, obwohl sie einen wesentlich kleineren Teil an der Gesamtbevölkerung darstellen und Deutsche mit Migrationshintergrund (Zuzug in der ersten bzw. zweiten Generation) gar nicht mitgezählt sind.

              2010 bezogen 1,37 Millionen Kinder mit deutschem Pass Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. 2022 waren es nur noch 939.000 Kinder – ein deutlicher Rückgang. Bei den ausländischen Kindern hingegen stieg die Zahl der Empfänger von 304.000 im Dezember 2010 auf 903.000 im März 2023.

              Die Antwort auf diese Entwicklung kann nicht sein, Kinderarmut durch mehr Sozialleistungen zu bekämpfen. Damit würde man das Elend der Kinder verhärten. Raus aus der (statistischen) Armut bedeutet, die Eltern müssen arbeiten.

              In welchem Einwanderungsland kann man eigentlich dauerhaft als Migrant Sozialhilfe beziehen und wird sogar noch als Gewinn für die Gesellschaft gefeiert?

              Wer zahlt eigentlich indirekte Steuern? Volkswirtschaft betrachtet kann nur derjenige Steuern zahlen, der über die entsprechende Solvenz verfügt. Geliehene Solvenz in Form von Transfers ist keine Solvenz. Dann zahlt tatsächlich jemand anders. So gerechnet liegt die Steuer- und Abgabenlast auf einem kleinen Teil der Gesellschaft, da die meisten Haushalte per Saldo Leistungsempfänger sind.

              • Erwin Gabriel 12. November 2023, 08:46

                @ Stefan Pietsch

                2015 wies ich in einem meiner ersten Artikel zur Migration darauf hin, dass durch den Zuzug weitgehend armer und geringqualifizierter Flüchtlinge die Einkommensspreizung in den Folgejahren deutlich zunehmen würde. Das muss man als Einwanderungsland wollen und nicht durch Sozialtransfers bekämpfen.

                Zustimmung; man sollte es zumindest akzeptieren können. Aber unser Rechts- und unser Sozialsystem sind nicht auf Einwanderung ausgelegt.

                • Stefan Sasse 12. November 2023, 09:43

                  Ja, immer noch nicht. Total absurd.

                • Stefan Pietsch 12. November 2023, 18:37

                  Die Antwort, die ich von einem Linken darauf erhielt, lautete, dann müsse man das natürlich (sic!) so behandeln und die Ungleichheit bekämpfen, wie man es sonst auch tut. Übersetzt hieß das, Deutschland solle nicht nur arme Menschen in Millionenzahl aufnehmen, sondern anschließend Einkommen und Vermögen mit den nicht leistungsfähigen Flüchtlingen teilen.

                  Mit solchen Einstellungen bekommt man die AfD auch noch auf 40 Prozent.

                  • Stefan Sasse 13. November 2023, 06:59

                    Vielleicht sollten wir dieses „die Politik meiner Gegner fördert die AfD“-Ding einfach mal weglassen, das ist nur noch Klischee.

                    • Stefan Pietsch 13. November 2023, 11:29

                      Es gibt ja hier Kommentatoren, die sind seit Jahren der Ansicht, durch die Thematisierung von Migration würde man nur der AfD in die Hände spielen. Ich gehöre allerdings nicht dazu.

                      Deutschland hat eine rekordhohe Beschäftigung. Gleichzeitig erleichterte vor wenigen Monaten die Bundesregierung den Bezug des Bürgergeldes, früher auch Sozialhilfe oder Hartz-IV genannt, für Menschen mit langer Arbeitslosigkeit. Kurz danach kündigte der zuständige Arbeitsminister eine prozentuale Erhöhung des Bürgergeldes für 2024 um 12 Prozent an, mehr als jede Tarifrunde erwarten lässt. Spätestens dann wird eine vierköpfige Familie höhere Transferbezüge erhalten als ein durchschnittlicher Einkommensbezieher in Westdeutschland erhält.

                      Weiter wurde in den letzten Wochen bekannt (dank der AfD 😉 ), dass inzwischen deutlich mehr Ausländer als Menschen mit deutschem Pass Bürgergeld erhalten. Dabei hat sich das Verhältnis seit 2010 völlig gedreht. Das Bürgergeld wird damit zu einer Falschetikettierung, denn nach dem Grundgesetz sind nur Menschen mit deutschem Pass Bürger dieses Landes.

                      Eine Politik, die Millionen schlecht ausgebildete Ausländer ins Land holt um sie ins Sozialsystem zu schleusen und dann noch die Bezüge erhöht, wird demokratisch geändert. Das ist so sicher wie das Amen in der (katholischen) Kirche.

                    • Stefan Sasse 13. November 2023, 16:00

                      Ich weiß, ich habe darüber geschrieben. „Die AfD ist deswegen stark, weil stimmt, was ich schon immer glaubte“. Darum ging’s mir. Dass die deutsche Neidkultur wieder zuschlägt ist ja wenig überraschend.

                    • Stefan Pietsch 13. November 2023, 17:19

                      Neidkultur? Really?

                      Warte mal, nur das ich das richtig zusammenbekomme: Ein Einwanderungsland zeichnet sich dadurch aus, dass es Zuwanderer als Gewinn nicht nur empfindet, sondern sie nur dann Zutritt erhalten, wenn sie einen Gewinn für die Gesellschaft darstellen. Es ist sehr schwer von Gewinn zu reden, wenn die Migranten den Sozialstaat und damit Transfers von den Steuerzahlern viel stärker in Anspruch nehmen als die Einheimischen. Daher haben Einwanderungsländer Mechanismen eingebaut, um eine solche Ausbeutung ihrer Systeme zu verhindern.

                      Und niemand redet da von Neidkultur.

            • Erwin Gabriel 12. November 2023, 08:30

              @ Kning4711 8. November 2023, 12:03

              Ein wesentliches Messinstrument ist für mich hier die Kinderarmut: Diese ist in Deutschland im OECD Vergleich erschreckend hoch und hier sehe ich kaum politische Maßnahmen außer dem Schrei nach mehr Umverteilung.
              Ich denke, dass haben wir jahrzehntelang probiert und sind nicht besser geworden.

              Ich sehe das jahrzehntelange Probieren nicht wirklich. Man hat sich zur Umverteilung entschieden, und will diese nun verstärken, bis es klappt. Man arbeitet nur mit Geld, nicht mit Chancen; wie gesatg nur mein subjektiver Eindruck.

          • Thorsten Haupts 9. November 2023, 16:39

            Nein, niemals nicht. Heute der neueste der ZEIT:

            Rente bleibt Rente, auch wenn man sie Vermögen nennt
            https://www.zeit.de/arbeit/2023-11/armut-deutschland-diw-studie-rente-vermoegen

            Der absolut durchsichtige Versuch, die Rente NICHT Vermögen zu nennen, während das gleich grosse Vermögen, aus dem ein Selbständiger seine Alterseinkünfte abgreift, natürlich weiterhin Vermögen bleibt.

            Nein, keine Kampagne weit und breit. Schlicht dutzende von sehr interessierten Journalisten und Kommentatoren, die seit Jahren versuchen, der Bevölkerung abzugewöhnen, die Begriffe so zu verwenden, wie ich sie verwende. Purer Zufall der Gleichschaltung in dutzenden von Redaktionen in Deutschland.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 9. November 2023, 19:40

              Ich habe den Überblick verloren, worauf beziehst du dich?

              • Thorsten Haupts 10. November 2023, 09:03

                Dein Bestreiten der Kampagne.

                • Stefan Sasse 10. November 2023, 13:15

                  Ah, verstanden.
                  a) Mir fehlt die Empirie um sagen zu können, ob der von dir behauptete mediale Konsens existiert. Mehrheitlich wird aber Rente sicherlich nicht als Vermögen betrachtet.
                  b) Es ist keine Kampagne, wenn jemand deine Definition nicht teilt. Glaub mir, ich kenn das.
                  c) Man kann die GKV als Vermögen betrachten oder nicht. Gibt gute Gründe für beide Sichtweisen, IMHO.

                  • Thorsten Haupts 10. November 2023, 16:01

                    Ich kam zu der „Kampagne“, weil ich auf ZEIT, SPIEGEL, taz und SZ jetzt über Jahre hinweg eine Flut von Artikeln sehe (etwa 1 pro Monat Minimum), in denen es darum geht, wen man als „reich“ betrachten muss, was Deutsche durchschnittlich verdienen und wer drüber liegt, wie sehr sich die (Einkommens-)Mittel- und Oberschicht selber belügt, wie privilegiert die „Reichen“ (Einkommensstarken) sind und warum man „Reiche“ unbedingt viel höher besteuern muss.

                    Und das nenne ich eine Kampagne. Du darfst gerne weiter behaupten die gäbe es nicht und das ganze sei schlicht ein Zufall.

                    Der von mir verlinkte Artikel war schlicht ein aktuelles Beispiel, das exakt ins Muster passt.

                    Zu c) Solange man Altersrücklagen EGAL WELCHER Art immer gleich behandelt, kein Problem. Genau das geschieht aber nicht.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 10. November 2023, 19:42

                      Kampagne ist geplant und koordiniert. Das ist schlicht nicht der Fall. DAs Thema ist einfach nur beliebt und wird offensichtlich gerne gelesen.

                    • Thorsten Haupts 11. November 2023, 11:09

                      Ah. Dann muss ich meine Zustimmung zu der Behauptung einer SPRINGER-Kampagne gegen die GRÜNEN vor ein paar Monaten zurückziehen. Das Thema war einfach nur beliebt und wurde offensichtlich gerne gelesen.

                    • Stefan Sasse 12. November 2023, 09:34

                      Ich sehe keine Kampagne, weil das nicht über alle Medien hinweg koordiniert ist und keine klare Zielrichtung hat. Alle paar Wochen ein Artikel von wem zum Thema ist nicht dasselbe wie eine unternehmensweit koordinierte Ladung von Negativschlagzeilen innerhalb von Tagen.

                      Aber du HAST es damals nicht als Kampagne akeptiert, also spiel nicht holier than thou.

      • Stefan Sasse 7. November 2023, 19:02

        Weil ich es interessant fand, wie das offensichtlich immer durcheinander geht. Und: beziehst du dich nicht auf 5)?

    • cimourdain 7. November 2023, 14:54

      zum Thema: “ „Oberschicht“ war dann, wer von seinen Vermögenserträgen leben konnte und auf bezahlte Arbeit nicht mehr angewiesen war. “ . Eine stringente Definition, aber aus den Tiefen altlinker Sozialisation kam mir doch als Echo tatsächlich ein „Kapitalistenklasse“ entgegen.

      • Thorsten Haupts 7. November 2023, 16:11

        Stimmt. Und 🙂 ? Bin kein Altlinker, offensichtlich.

        • cimourdain 8. November 2023, 15:04

          Genau deswegen ist es mein Fernziel, Sie scheibchenweise zum Eingeständnis „Eigentlich hatte Karl Marx recht“ zu bringen.

          • Thorsten Haupts 8. November 2023, 20:31

            LOL. Mit einer grandiosen Theorie in seinem Hauptwerk (Kapital), die einzig und alleine auf dem albernen Axiom beruht, man könne den „Wert“ eines hergestellten Gutes objektiv bestimmen? Na, neuer Versuch in eine andere Richtung bitte 🙂 .

    • schejtan 7. November 2023, 17:51

      Ich glaub so ganz geht deine Definition nicht auf. Wenn ich bescheiden lebe (z.B. Zweizimmerwohnung, keine Reisen, keine teuren Hobbies, selten ausgehen, billige Nahrungsmittel) wuerden die Leute inner Kneipe glaub ich nicht auf die Idee kommen, mich als reich zu bezeichnen, auch wenn ich die Kosten allein aus Kapitalertraegen bestreiten kann. Den Fussballprofi ,der sein Millionengehalt verprasst und deshalb darauf angewiesen ist, dagegen schon.

      • Thorsten Haupts 7. November 2023, 18:13

        Akzeptiert, aber auch nur bis dahin. Ein Vermögen mit einem sicheren Jahresertrag von >=30.000 Euro im Jahr NACH Inflationsausgleich bedeutet mindestens 1.500.000 Euro in 4% Anlagen (30.000 wegen der komplett privaten Krankenversicherung) und ja, das würde die Mehrheit von Leuten für knapp „reich“ halten.

        Und wir reden hier wirklich nur von einer insignifikanten Nische ohne praktische Bedeutung. Wenn eine Definition auf 95% der Gruppe von Leuten zutrifft, für die sie gedacht ist, ist das für Menschen mehr als gut genug.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 7. November 2023, 18:59

      Ok, aber was heißt „angewiesen“? Von Merz‘ Vermögenseinträgen könnte ich meinen aktuellen Lebensstil vermutlich problemlos bestreiten; wird er das aber als „leben können“ betrachten?

      Auf jeden Fall.

  • Stefan Pietsch 7. November 2023, 11:11

    2) Autoworkers Strike a Blow for Equality

    Die Lohnabschlüsse, besonders der hier wegweisende durch die UAW, kommen überproportional den unteren Schichten zugute und helfen dadurch, das Lohngefüge von unten zusammenzustauchen.

    Hm. In den Achtziger- und Neunzigerjahren wollten die deutschen Gewerkschaften Soziales tun. In den Tarifabschlüssen wurden oft zulasten der oberen Lohngruppen deutliche Anhebungen in den unteren Bereichen vereinbart. Mindestbeträge und prozentuale Staffelungen begünstigten die niedrigsten Tarifstufen.

    Es passierte Erstaunliches: In den Restrukturierungsrunden litten die relativ schlechtbezahlten Tarifangestellten am meisten, die Arbeitslosigkeit gering Qualifizierte nahm drastisch zu. Unternehmen sourcten einfache Tätigkeiten verstärkt aus, gründeten billige Produktionsstätten im osteuropäischen und südostasiatischen Ausland, beschäftigten Subunternehmen, unter denen ein ruinöser Preiskampf entstand. Die Gewerkschaften verloren viele Mitglieder, vor allem in den oberen Tarifstufen.

    Anfang der Nullerjahre änderten die Gewerkschaften aus unerfindlichen Gründen ihre Strategie und nahmen von Mindestbeträgen Abstand zugunsten von allgemeinen Prozenterhöhungen. Hätte man einen Ökonomen gefragt oder auch nur die schwäbische Hausfrau, hätte man das einfach erklärt bekommen: Wenn der Preis für die Margarine steigt während der Preis für die Butter stabil bleibt, kauft die Hausfrau häufiger Butter.

    Das allerdings ist deutlich mehr als in Deutschland, wo die Verluste durch Corona und Inflation nicht auch nur annähernd aufgeholt werden und auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.

    Gegenfrage: Auf welchem Rücken denn sonst? Unternehmen sind überall mit höheren Preisforderungen ihrer Lieferanten konfrontiert. Gleichzeitig lassen Marktbedingungen oft nicht die vollständige Weitergabe an die Verbraucher zu. Sie können es ja auch machen, wie es der Wirtschaftsminister empfiehlt: Sie hören halt auf zu produzieren, sind aber nicht insolvent. 🙂

  • Stefan Pietsch 7. November 2023, 11:19

    3) Atmosphäre der Angst

    … der relative Standortvorteile für diese Entwicklung notwendig sei …

    Welche Standortvorteile? Kleines Einmaleins der Marktwirtschaft. Erst entdeckt der Unternehmer einen Markt. Diesen bearbeitet er mit günstigen Arbeitskräften, da er in der Entdeckungsphase oft Verluste macht und ohnehin nicht die besten Arbeiter bekommt. Erfahrung und zunehmendes Know-how steigern die Produktivität. Und dann, irgendwann, steigen auch die Löhne. Wer jedoch mit den damit einhergehenden Produktivitätsanforderungen nicht Schritt halten kann, fliegt raus.

    Einfach mal Ökonomen fragen. 😉

    4) Verantwortungslos

    Bei der Überschrift dachte ich instinktiv an die deutsche verantwortungslose Klimapolitik. Man versucht die Bürger zu belehren, statt Städte gegen Überschwemmungen, die Landwirtschaft vor Dürren und die Menschen vor den gestiegenen Temperaturen zu schützen.

    Stattdessen gibt es eine weitere Dosis Moralismus. Ungenießbar.

  • Stefan Pietsch 7. November 2023, 11:25

    5) Nur sechs Wochen Gardasee – Marie Nasemanns “Fairknallt”

    Es gibt internationale Maßstäbe, wie die Wissenschaft Mittelschicht definiert. Die Idee, dass Armut bei 80 Prozent des Medianeinkommens beginnt, die Oberschicht bei 120 Prozent, scheint auf den ersten Blick Unsinn. Ja, Deutschland betreibt eine Politik, den Bereich der prekär lebenden Menschen zu vergrößern. Das habe ich bereits 2015 geschrieben. Ein Land, das in millionenfacher Zahl Geringqualifizierte und solche ohne Ausbildung ins Land holt, kann nur diesen Weg gehen.

    Das verschiebt natürlich den Median nach unten (Mathe für Fortgeschrittene), macht aber den mit 120.000 Euro Einkommen nicht wirklich reicher.

    • cimourdain 7. November 2023, 15:23

      Ich bin mir fast sicher, dass Sie hier zwei Definitionen der Mittelschicht durcheinanderwerfen: Internationale Organisationen wie OECD nehmen einfach das 2. bis 4. Quintil der Einkommensverteilung (die „mittleren“ 60%), das DIW definiert als „Mittelschicht“ den Bereich von 70% bis 150% des Medianeinkommens. Wer die 80%/120% nutzt, kann ich nicht sagen.

      • Stefan Pietsch 7. November 2023, 23:56

        Ich auch nicht. Mein Punkt war, dass Stefan dazu tendiert, die Range der Mittelschicht sehr eng zu fassen. Das ist bereits Politik.

        • Stefan Sasse 8. November 2023, 06:58

          JEDE Definition ist politisch. Zwangsläufig.

          • Dennis 8. November 2023, 11:16

            Klar doch. Entweder ist das empirisch aus der Natur entnommen oder politisch. Was jetzt so politisch „richtig“ ist, hängt an der Deutungshoheit. Am besten, die Welt einigt sich auf meine, dann wird alles gut.

            Die hier besprochene Sache wird übrigens einfacher, wenn man den ganzen Quatsch mit der „Mitte“ einfach weglässt und rein binär (unten und oben) vorgeht. Die heikle Frage der Grenze ist dann zwar auch nicht ausgeschaltet, aber es gibt nur noch eine. Aber die Mitte-Ideologie wirkt halt als Polit-Entschärfung. Mitte ist irgendwie zum Wohlfühlen akzeptabel und hört sich nett an. Oben und unten mit nix dazwischen ist zu provokant. Muss es aber leider in Anbetracht der Mitte denklogisch auch geben 🙁 , am besten als bedeutungslose Randerscheinungen.

            • Stefan Sasse 8. November 2023, 12:27

              Schon richtig, aber ich bezweifle, dass deine Binarität Klarheit bringt. Ich meine, wo ist die Grenze von oben und unten? Das ist ja wieder eine Festlegung.

          • Stefan Pietsch 8. November 2023, 12:13

            Nein. Du hast doch mal ausweislich Deiner Profession studiert. Da sollte Dir der Unterschied zwischen einer wissenschaftlichen und einer politischen Vorgehensweise beigebracht worden sein. Wenn nicht mehr präsent, hier die Auffrischung:

            Bei einer politischen Vorgabe wird der Studienaufbau so gewählt, dass am Ende das gewünschte Ergebnis herauskommt. Die Wissenschaft versucht einen möglichst realitätsgetreuen Aufbau und schaut dann auf das Ergebnis.

            Wenn Dein Studienaufbau als Mittelschicht nur die Bandbreite von 80 bis 120 Prozent des Medianeinkommen eines Singles bestimmt, ist die Absicht klar. Wenn schon von den Werten der Mittelteil einer Definition wesentlich kleiner ist als der Bereich darunter (alle Einkommen zwischen 0 und 80 Prozent sind Armut) und darüber (alle Einkommen zwischen 120 Prozent und unendlich sind reich) ist die Absicht die Definition.

            Die Position, dass Mittelschicht ist, wenn die meisten (fast) das Gleiche verdienen, würde sich kaum jemand anschließen. Das Ziel ist ganz offensichtlich, hohe Steuern für die meisten zu rechtfertigen und mehr Umverteilung zu begründen.

            Die Wissenschaft geht schon anders als Du nicht von den Einzelverdiensten, sondern den Haushaltsnettoeinkommen aus. Wenn jemand mit einem Bruttogehalt in obersten 5 Prozent-Regal mit einer Durchschnittsverdienerin oder gar Nicht-Erwerbstätigen zusammenlebt, macht ihn sein Gehaltszettel noch lange nicht zum Angehörigen der Oberschicht. Und was ist, wenn er ein paar Monate arbeitslos wird, ist er dann ersthaft schon Unterschicht?

            Allein auf das Monatseinkommen geblickt gehören viele Studenten zur Unterschicht. Sie empfinden sich aber keineswegs dort zugehörig. Die meisten angehenden Akademiker stammen aus einem Elternhaus mit überdurchschnittlichem Haushaltseinkommen und werden mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit nach ihrem Studium ein Einkommen über dem Median beziehen. Eine ältere Studie zeigte eine Rendite des Studiums von 60 Prozentpunkte über Median.

            All das berücksichtigen Wissenschaftler und ignorieren politisch Interessierte. Welche Absichten Du verfolgst, hast Du mit Deiner Erläuterung gezeigt.

            • Stefan Sasse 8. November 2023, 12:30

              Wir reden über völlig unterschiedliche Dinge. Ich stimme deinen Ausführungen völlig zu. Ich war als Student arm, aber ich war nicht Unterschicht, weil es nur ein temporärer Zustand war. Aber mein Punkt bezog sich auf die Grenzen. Also ab welchem Einkommen reden wir von Unter-, Mittel-, Oberschicht. Gerne auch als Haushaltseinkommen, Pro-Kopf, was auch immer da Sinn macht. Aber jede Grenze ist hier so oder so arbiträr. Manche sind viel vernünftiger und brauchbarer als andere, aber es gibt keine objektiv-normativ richtige.

              • cimourdain 8. November 2023, 14:46

                Was aber daran störend ist, ist, dass du nicht arbiträr geschrieben hast, sondern das plakativere „politisch“. Klingt zwar knackiger, impliziert aber eine Agenda, die jenseits des wissenschaftlichen Sachverständnis liegt (und damit schlechte Wissenschaft produziert).

                • Stefan Sasse 8. November 2023, 14:52

                  Jein: worauf ich rauswollte ist, dass das ja Zahlen sind, die für die politische Debatte benutzt werden. Insofern ist die Festsetzung politisch. Wenn der Staat festlegt, dass er Leute als Mittelschicht sieht, die Zahl X genügen, ist das eine politische Festlegung. Das hat, erneut, mit Wissenschaft nichts zu tun.

                  • Thorsten Haupts 8. November 2023, 20:39

                    Ist okay, nur gilt ausgerechnet hier das exakt gleiche für die „Wissenschaft“ – die Zuordnung ist arbiträr und lässt sich nicht aus empirisch gut gesicherten Grundlagen herleiten. Der Unterschied zwischen Amateuren, Wissenschaftlern und Politikern ist auf dem Feld von Klassen- oder Schichtzuordnungen schlicht nichtexistent.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 9. November 2023, 09:06

                      Das ist Polemik.

                    • Thorsten Haupts 9. November 2023, 13:17

                      Bei Theorien, die zwangsläufig auf arbiträren Grundlagen beruhen? Ganz sicher nicht.

              • Stefan Pietsch 8. November 2023, 15:22

                Ich zitiere noch einmal den Ausschnitt, woran sich diese Debatte entzündet hat:

                „Einkommen und Vermögen sind aber objektive Verhältnisse und kein Vibe. Es ist ganz gleich, wie »bürgerlich« ich mich fühle – entweder verdiene ich zwischen 1500 und 4000 Euro brutto oder ich tue es nicht.“ Ein wunderschöner Satz aus diesem Artikel, den ich unbedingt empfehlen möchte.

                Du stimmst dem offensichtlich zu. Dabei ist der Satz eine Absurdität. Selbst Erzieher im Frankfurter Raum kratzen heute an der 4.000 Euro Marke. Wenn wir inzwischen Erzieher als am Rande der Oberschicht einstufen, läuft etwas mit den Definitionen falsch. 4.000 Euro Bruttogehalt sind in vielen Regionen Westdeutschlands kaum der Rede wert: In Rhein-Main, München ohnehin, Hamburg, Düsseldorf wird selbst für einfache Tätigkeiten das als Untergrenze angesehen. In Ostdeutschland sieht das schon ganz anders aus und genau das verzerrt die Statistik und entsprechende Studien.

                Ob man die Grenze zur Oberschicht bei 180 oder 220 Prozent des medianen Haushaltseinkommens zieht, ist nicht relevant. Für die meisten Analysen wäre das absolut sekundär. Doch wer für Deutschland die Grenze bei 4.000 Euro, einem absoluten Durchschnittseinkommen, zieht, der braucht sich nicht zu wundern, keine Akzeptanz zu finden.

                Dazu kommt ein weiterer Punkt, der in internationalen Vergleichsstudien aus nachvollziehbaren Gründen unbeachtet bleibt: Die Größenordnungen der Einordnung hängen auch sehr stark von den gesellschaftlichen Verhältnissen ab, die der Wissenschaftler vorfindet. In den USA zählt man wesentlich leichter mit einem Einkommen von 220 Prozent des Median zur Mittelschicht als in einer in den Einkommensverhältnissen sehr homogenen Gesellschaft wie Finnland. Die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden können, sind nicht immer gleich.

                Will sagen: Ein Maßstab ist im Sozialen umso objektiver, als er auf eine allgemeine Akzeptanz treffen kann und aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse nachvollziehbar ist. Der von Dir gelobte Maßstab erfüllt diese Kriterien definitiv nicht.

                • Olaf Kröger 8. November 2023, 17:58

                  4000 BRUTTO ist wohl nur ein dummer Schreibfehler des 54books-Autors. Er verlinkt selbst auf einen Artikel („Nils Wischmeyer hat in der Spitzenverdienerpostille Süddeutsche Zeitung darüber geschrieben“), in dem von „bis 4000 Euro VERFÜGBAREN Einkommen als Alleinstehender“ die Rede ist.

                  • Stefan Sasse 9. November 2023, 09:04

                    Würde ich auch annehmen. Und 4k verfügbares Einkommen sind DEFINITIV obere 10%.

  • Stefan Pietsch 7. November 2023, 11:38

    h) He. He. He.

    Einfach nur dämlich. Die FDP verliert ganz sicher nicht deswegen Stimmen, weil der Parteivorsitzende Porsche fährt. Die Ampel, zu der sich die Liberalen breitschlagen ließen, ist bei FDP-Anhängern regelrecht verhaßt und strahlt außer auf Hardcore-Fans keinen Glanz aus. Die Umfragewerte sind ein deutlicher Fingerzeig, dass es ein Fehler war, in die linke Regierung einzutreten („Es ist besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren.“)

    i) Volkswirtschaftlicher Schaden von Leistungskürzungen an Geflüchtete. Aber um Rationalität geht es da ja auch nicht.

    Nicht mehr ernstzunehmen. Ein Ökonom betont den Nutzen von Leistungsempfängern, die in großer Zahl immer Leistungsempfänger bleiben werden. Einfach irre.

    n) Deutschland ist krank. Kann nur zustimmen.

    Tja. Es ist leichter, die Wirtschaftsstruktur von Grund auf zu verändern (weniger Export, mehr Binnenmarkt, mehr Dienstleistungen, weniger Produktion) als die rekordhohen Steuern zu senken. Selbstverständlich arbeiten die meisten Menschen am liebsten für den Staat, vor allem, wenn der noch weitgehend dysfunktional ist.

    Leider ist das Beispiel Griechenland etwas aus der Mode gekommen, seit die Griechen nach einer Austeritätsroßkur, maßvoller Besteuerung, öffentlicher Sparsamkeit, Exportsteigerung und nicht zuletzt einer konservativen Regierung das Land auf Vordermann trimmt und die Verschuldung rasant senkt. Eigentlich schade, dass wir nicht mehr nach Osteuropa schauen.

    s) Habeck bleibt stabil. Guter Mann.

    Wenn der Mann nur seinen Job machen würde. Oder sich auf den Job des Bundespräsidenten zurückziehen würde. Für seine Fachpolitik gibt es von Experten außerhalb und innerhalb seines Ministeriums nur Ohrfeigen. Und auf die Frage von Journalisten, was aus seiner Rede folge, antwortete sein Pressesprecher ehrlich: Nichts. Es war halt nur eine Äußerung.

    Grünen-Anhänger sind ja so genügsam.

    • Stefan Sasse 7. November 2023, 19:00

      s) Und Grünen-Gegner so berechenbar.

    • Tim 7. November 2023, 19:18

      @ Stefan Pietsch

      Die FDP verliert ganz sicher nicht deswegen Stimmen, weil der Parteivorsitzende Porsche fährt.

      In der Tat. Die FDP verliert Stimmen, weil sie bei einem Riesenhaufen Ampel-Quatschpolitik aus Machtbesoffenheit mitmacht. Potenzielle Wähler werden schon verstanden haben, dass der FDP liberale Politik in vielen Bereichen relativ egal ist, insbesondere halt auch in der Wirtschaftspolitik. Das werden sie so schnell nicht vergessen. Ich würde der FDP keine Träne hinterherweinen, wenn sie endlich in den Ascheimer kommt.

      • Thorsten Haupts 7. November 2023, 22:48

        Leider richtig. Bedauerlich, aber wirklich Liberale sind weltweit eine verschwindend geringe Minderheit.

        • Tim 8. November 2023, 07:54

          Was ja wirklich erstaunlich ist, da ihre noch viel kleinere Teilmenge „Neoliberale“ seit Jahrzehnten bekanntlich die globale Wirtschaftsordnung prägt. 🙂

          Tatsächlich die albernste Verschwörungserzählung, die es gibt. Aber enorm wirkungsmächtig.

          • Dennis 8. November 2023, 10:27

            Ja, erstaunlich. Aber wie war das denn mit der Teilmenge der Aristokratie plus Klerus im Ancien Régime (nicht nur in Frankreich); auch Erster und Zweier Stand genannt. Da reden wir über höchstens 3 % mit maximalem Einfluss. Das ist eine nachprüfbare Tatsache und keine Verschwörungstheorie. In den Geschichtsbüchern sind 97 % der Bevölkerung kaum erwähnte Randerscheinungen – wegen der Überlieferungslage.

            Ab Bürgertum sei das alles anders. LOL

            Als Verschwörungstheorie kann man bewerten, dass die kleinen Leute „unten“ an der politischen Partizipation aktiv gehindert werden müssen. Das Desinteresse funzt ganz von selbst.

          • sol1 8. November 2023, 10:33

            Ihr jammert wie Grünen-Fundis in den 1980ern.

            • Stefan Sasse 8. November 2023, 12:26

              lol

              • Thorsten Haupts 8. November 2023, 13:56

                Mir würde zu der Qualifizierung von 1 oder 2 Satz-Nebenbemerkungen als „Jammern“ durchaus einiges einfallen … aber ich muss den Polemik-Wettbewerb nicht gewinnen.

  • sol1 7. November 2023, 12:00

    5) „…die genannte Spanne von 1,5k bis 4k wird von denjenigen, die hauptberuflich über diese Themen sprechen, gerne überschritten…“

    …und sie wird von einem Großteil der Leser ihrer Artikel überschritten:

    https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/reichtum-einkommen-vermoegen-elterngeld-unterschaetzen-folgen-1.6028679

  • cimourdain 7. November 2023, 15:58

    Nachtrag zu s) Hier eine Kritik der Habeck-Rede. Für meinen Geschmack etwas zu streng in der Bewertung, die Argumentation ist aber grundlegend richtig.
    https://www.spiegel.de/kultur/krieg-in-nahost-was-muessen-die-muslime-robert-habeck-beweisen-a-24ad17d6-e5a0-4342-986d-d37c0e52a5dd

  • Erwin Gabriel 9. November 2023, 13:14

    1) Time to treat the climate and nature crisis as one indivisible global health emergency

    Zustimmung. Klimawandel beeinflusst eine Menge anderer Entwicklungen / Krisen.

  • Erwin Gabriel 9. November 2023, 13:15

    Du hast eine Neigung entwickelt, komplexe Probleme auf einen Aspekt zu verkürzen.

    2) Autoworkers Strike a Blow for Equality

    Das ist auch in Deutschland mehr als überfällig.

    Das ist wieder so ein Satz der Kategorie „Der Strom kommt aus der Steckdose, das Wasser aus dem Hahn, und das Geld aus der Wand“

    Die Einkommen und Einkommensentwicklungen danach zu betrachten, was ein Arbeitnehmer haben möchte, ist genauso sinnlos wie eine reine Betrachtung aus Arbeitgeberseite. Nur wenige Unternehmen verdienen so fett, dass sie ihre Angestellten so bezahlen können, dass diese das als „fair“ ansehen. Und die mit Lohnerhöhungen zwangsweise einhergehenden Preissteigerungen für Produkte und Dienstleistungen werden nur ungern bis gar nicht akzeptiert.

    Wenn man aufgrund höherer Gewinne (die nicht immer dann gegeben sind, wenn der Arbeitnehmer sie annimmt) des Arbeitgebers mehr Gehalt erwartet, müsste man auch bereit sein, bei sinkenden Gewinnen lohnabstriche hinzunehmen. Das wird normalerweise auch nicht akzeptiert.

    • Stefan Sasse 9. November 2023, 14:05

      Respektive halt Preiserhöhungen beim Produkt. Das würde Autos verteuern.

      • Erwin Gabriel 9. November 2023, 18:15

        @ Stefan Sasse 9. November 2023, 14:05

        Respektive halt Preiserhöhungen beim Produkt. Das würde Autos verteuern.

        Es gibt da eine Hebelwirkung – 1 Euro mehr bei den Kosten, xx Euro mehr beim Endpreis. Ich weiß aber nicht genau, wo der bei Autos liegt.

        Teurere Autos = weniger verkaufte Autos = weniger benötigte Arbeitskräfte.

        • Stefan Sasse 9. November 2023, 19:44

          Zu niedriges Gehalt = weniger verkaufte Autos = weniger benötigte Arbeitskräfte

          • Stefan Pietsch 9. November 2023, 22:15

            Please explain!

            • Stefan Sasse 10. November 2023, 07:17

              Leute brauchen Geld, um Dinge zu kaufen.

              • Stefan Pietsch 10. November 2023, 09:35

                Das ist ungefähr so eine Tautologie wie „Unternehmen brauchen Umsatz und niedrige Kosten, um überleben zu können“. Wenn das Geld nicht reicht – Vater Staat fragen, Stefan. Bei der höchsten Einkommensbesteuerung in der OECD und ebenso rekordhohen Sozialtransfers ist die Verantwortung doch klar, oder?

                Also nochmal, könntest Du das bitte etwas näher erläutern:
                Zu niedriges Gehalt = weniger verkaufte Autos = weniger benötigte Arbeitskräfte

              • Erwin Gabriel 10. November 2023, 14:04

                @ Stefan Sasse 10. November 2023, 07:17

                Leute brauchen Geld, um Dinge zu kaufen.

                Wie an anderer Stelle erklärt haben Kosten einen Hebel.

                10 Euro mehr Lohn bei der Herstellung bedeuten 500 oder 1.000 Euro höheren Preis. Ist schwierig, das optimal auszupendeln.

  • Erwin Gabriel 9. November 2023, 13:16

    3) Atmosphäre der Angst

    … weil niemand bereit ist, in den entsprechenden Sektoren realistische Preise zu bezahlen (Landwirtschaft etwa).

    Kann das daran liegen, das „realistische Preise“ nicht immer realistisch sind?

    Der Kunde bezahlt nicht das, was der Hersteller braucht oder gerne hätte, sondern nur das, was aus seiner Sicht akzeptabel ist. Wenn mir etwas zu teuer ist, kaufe ich es nicht. Hältst Du das anders?

    • Stefan Sasse 9. November 2023, 14:06

      „Realistisch“ meine ich: das, was es kosten würde, stellte man das in Deutschland nach deutschen Standards her. Zahlst du Spargelstecher*innen nach Tarif mit Sozialbeiträgen, kostet das Bündel halt nicht mehr 4,99, sondern 7,99.

      • Erwin Gabriel 9. November 2023, 18:16

        @ Stefan Sasse 9. November 2023, 14:06

        „Realistisch“ meine ich: das, was es kosten würde, stellte man das in Deutschland nach deutschen Standards her. Zahlst du Spargelstecher*innen nach Tarif mit Sozialbeiträgen, kostet das Bündel halt nicht mehr 4,99, sondern 7,99.

        Eher 27,99 Euro.

        • Stefan Sasse 9. November 2023, 19:44

          Nein, so extrem ist es nun wahrlich nicht.

          • Erwin Gabriel 10. November 2023, 14:08

            @ Stefan Sasse 9. November 2023, 19:44

            Nein, so extrem ist es nun wahrlich nicht.

            Ich vermute eher schlimmer. Das geht los mit den Sozialbeiträgen, die dem höheren Lohn mit einem Hebel folgen.

            Jeder weitere in der Kette hat seine Marge, seinen prozentualen Anteil (bis hin zum Staat mit seiner Mehrwertsteuer). Die berechnet sich nach Wert und nicht nach Stück.

  • Erwin Gabriel 9. November 2023, 13:17

    4) Verantwortungslos

    Auf der anderen Seite aber scheint es mir durchaus so, als wären die entsprechenden Argumente vor allem Nebelkerzen, um Untätigkeit zu verdecken.

    Zustimmung. Der erste, der zuckt, wird verlieren. Also zuckt keiner, und alle werden verlieren.

  • Erwin Gabriel 9. November 2023, 13:21

    Diese Debatte über „Reichtum“ ist mal wieder Etiketten-Kleberei. Du schaust nicht auf die reale Situation, sondern klebst auf etwas ein Etikett und tust so, als wäre richtig, was Du mit dem Etikett verbindest.

    5) Nur sechs Wochen Gardasee – Marie Nasemanns “Fairknallt”

    „Einkommen und Vermögen sind aber objektive Verhältnisse und kein Vibe. Es ist ganz gleich, wie »bürgerlich« ich mich fühle – entweder verdiene ich zwischen 1500 und 4000 Euro brutto oder ich tue es nicht.“ Ein wunderschöner Satz …

    Ein selten dämlicher Satz. Wer als Single 4.000 Euro brutto im bayerischen Wald oder im deutschen Niemandsland an der polnischen Grenze verdient, lebt gut. Wer als Alleinverdiener für eine fünfköpfige Familie 4.000 Euro brutto in München verdient und dort wohnt, verdient schlecht

    Die viel zu expansive Definition von „Mittelschicht“, zu der sich sowohl klar unten herausfallende Personen zählen als auch solche, die deutlich darüber liegen, ist ein Aspekt davon, der es fast unmöglich macht, rational über entsprechende Politiken zu diskutieren.

    Wenn ich auf die Straße trete und einmal hoch und runter schaue, sehe ich in etwa meine Klientel: Einfamilienhäuser, vom Golf 6 bis zur aktuellen C-Klasse ist alles dabei. Ich passe da gut rein.

    Eine gute Ecke weiter bestimmen Wohnblöcke das Bild. Wer da wohnt, schaut die Straße hoch und runter, sieht in etwa seine Klientel, und passt da auch gut rein. So fühlt sich Mitteklasse an.

    Deswegen fällt es Menschen auch so schwer, zu erkennen, dass sie überhaupt überdurchschnittlich verdienen …

    Wer seine finanzielle Situation über Jahre nicht grundlegend verändert, wer unter seinesgleichen lebt, fühlt sich nur selten reich. Davon ab ist es albern, „Reichtum“ (ich bevorzuge für die Gruppe, über die wir hier reden, den Begriff „Wohlstand“) am Gehalt festzumachen. Du wirst viel mehr Menschen finden, die für sich „Wohlstand“ akzeptieren, „Reichtum“ dagegen nicht.

    Aber das hatten wir schon, hatten wir eigentlich auch geklärt, aber wie ich Dich und andere hier einschätze, wird das alle paar Wochen erneut aufpoppen. Verbuche ich wie stets dort, wo es hingehört: unter Sozialneid-Diskussion.

    • Stefan Sasse 9. November 2023, 14:06

      Der Satz ist falsch; es ist nicht brutto gemeint, sondern 4k verfügbares einkommen, also eher 8-9k brutto.

      • Stefan Pietsch 9. November 2023, 15:02

        Redest Du von Beamten? Mit 4k verfügbarem Einkommen liegt das Bruttogehalt bei einem Single ohne Sonderabzüge bei unter 7.000 Euro. Mit anderen Worten: Du vertust Dich beim Jahresgehalt locker um 20k – 25k Euro. Das ist eine ganze Menge Holz.

        Ich glaube, wir sollten bei Gelegenheit einen Grundkurs in Einkommensverteilung in Deutschland und Lohnabzüge machen. 🙂

        • Stefan Sasse 9. November 2023, 16:00

          Ich habe „verfügbares Einkommen“ als „für Konsum verfügbar“ gelesen und deswegen die grundlegenden Lebenshaltungskosten rausgerechnet. Vermutlich daher unser Dissens. Rein netto hast du natürlich Recht.

          • Stefan Pietsch 9. November 2023, 16:34

            Bei 4.000 Euro „verfügbarem Einkommen“ sind wir in den oberen Etagen, ja. Nur ist diese Größenordnung so individuell, von so vielen Faktoren abhängig, dass sie als Meßgröße völlig untauglich ist. Deswegen wird sie von Wissenschaftlern so auch nicht verwandt.

            • Stefan Sasse 9. November 2023, 19:38

              Ja, so hab ich „verfügbares Einkommen“ verstanden.

      • Erwin Gabriel 9. November 2023, 18:19

        @ Stefan Sasse 9. November 2023, 14:06

        Der Satz ist falsch; es ist nicht brutto gemeint, sondern 4k verfügbares Einkommen, also eher 8-9k brutto.

        Ändert nichts am Prinzip. Du musst auch auf die Umstände schauen.

        Und damit ist man definitiv nicht „reich“, sondern bestenfalls „wohlhabend“.

        • Stefan Sasse 9. November 2023, 19:45

          Ich sag ja auch nicht, dass man damit reich ist. Es ist nicht mehr Mittelschicht. Das sind zwei Paar Stiefel.

          • Thorsten Haupts 10. November 2023, 10:09

            Es ist nicht mehr Mittelschicht.

            Das ist, wie Du oben selber ausführlich erläutert hast, eine arbiträre Definitionsfrage 🙂 .

            • Stefan Sasse 10. November 2023, 13:17

              True enough. Aber damit sind wir ja bei meinem Ausgangspunkt: in Deutschland sind ALLE Mittelschicht.

              • Erwin Gabriel 10. November 2023, 14:11

                @ Stefan Sasse 10. November 2023, 13:17

                True enough. Aber damit sind wir ja bei meinem Ausgangspunkt: in Deutschland sind ALLE Mittelschicht.

                🙂
                Irgendwie kriege ich immer mit, dass es nur Arme und Reiche gibt, und nix dazischen. Die einen müssen stärker versorgt, die anderen mit höheren Steuern belastet werden.

                • Stefan Sasse 10. November 2023, 19:26

                  Das scheint mir ziemlich verschoben zu sein.

                  • Erwin Gabriel 12. November 2023, 08:40

                    @ Stefan Sasse 10. November 2023, 19:26

                    Das scheint mir ziemlich verschoben zu sein.

                    Danke für diese Einschätzung des linken Weltbilds; denn genau das denke ich auch immer, wenn ich es lese.

                    (Konservative und Liberale stufen ja alle in der Mittelschicht ein 🙂 )

                    • Stefan Sasse 12. November 2023, 09:41

                      Ist einfach faszinierend, wie unterschiedlich wir die Diskurse wahrnehmen. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen: offensichtlich sind die in Deutschland breit und differenziert genug, dass alle was für sich finden.

                    • Erwin Gabriel 13. November 2023, 01:53

                      @ Stefan Sasse 12. November 2023, 09:41

                      Ist einfach faszinierend, wie unterschiedlich wir die Diskurse wahrnehmen.

                      Ich hätte vermutlich schreiben sollen, „denn genau das denke ich auch immer, wenn ich es hier lese. Und Du bist (mit nur ein bisschen Übertreibung) ein Vertreter der „keine bzw. nur wenig Mittelklasse“-Meinung. 🙂

                    • Stefan Sasse 13. November 2023, 07:01

                      Aber hier verteilt sich das doch ziemlich 50:50? Wir haben mit dir, Stefan, Tim, Thorsten etc. genug Leute, die ziemlich klar anderer Meinung sind. Gerade die Kommentarspalte hier ist ja wirklich alles, aber nicht festgelegt. Und Artikel – well, das Angebot steht wie immer, selbst welche zu schreiben. Angebot und Nachfrage 😀

              • Thorsten Haupts 10. November 2023, 17:15

                Nein. Dazu gehören weder die am Existenzminimum noch die von ihrem Vermögen lebend. Dazwischen allerdings eher ja.

          • Erwin Gabriel 11. November 2023, 16:12

            @ Stefan Sasse 9. November 2023, 19:45

            Ich sag ja auch nicht, dass man damit reich ist. Es ist nicht mehr Mittelschicht. Das sind zwei Paar Stiefel.

            Gelegentlich – hier z.B. – habe ich das Gefühl, dass Du auf der „formaljuristischen“ Schiene ausbüchst.

            Nun habe ich über 4.000 Euro im Monat verfügbares Netto-Einkommen. Also bin ich Deiner Definition nach oberhalb von Mittelschicht.

            Aber von diesem Gehalt muss ich 1.500 Euro aufbringen, um meinen Job nachgehen zu können (Pendler-Wohnung, Benzin-Kosten etc.). Ich liege alson gleichauf mit (z.B.) einem Nachbarn, der hier wohnt und arbeitet, und zwischen 2.500 und 3.000 Euro verfügbarem Einkommen hat. Deiner Definition nach bin ich immer noch oberhalb Mittelschicht.

            Nun finanziere ich die Miete einer in Hamburg studierenden Tochter (alle anderen Lebenshaltungskosten trägt sie selbst, da sie nebenbei arbeitet). Das „muss“ ich tun, da sie aufgrund meines hohen Einkommens keine Unterstützung nach BAFöG bekommt; die Tochter meines Nachbarn hat diese Probleme nicht. Auch dann wäre ich Deiner Definition nach Mittelschicht, da ich diese Unterstützung nicht leisten muss (meine Tochter hat eine Ausbildung, ein paar Jahre gearbeitet, und sich dann erst zum Studium entschlossen).

            Ich dagegen meine, dass Umstände eine Rolle spielen. Und selbst, wenn Du (diesmal) nicht „reich“ sagst, tust Du das bei anderen Gelegenheiten, und viele andere hier auch.

            Ich mag, verglichen mit vielen anderen, immer noch im Wohlstand leben – keine Einwände. Aber das plakative „reich“, dass ich immer wieder um die Ohren bekomme (meist nicht als persönlichen Angriff, aber als Angriff auf Umstände, die auf mich zutreffen), ist nervig, weil es den gesellschaftlichen Druck auf den Staat erhöht, Steuern zu erhöhen.

            Diejenigen, die das so gerne fordern, werden nichts davon haben (was man sich mit ein bisschen Nachdenken auch einfach selbst erarbeiten kann), aber die, denen es besser geht, werden weniger haben; man macht die Schere ja immer von oben zu.

            Deshalb spreche ich immer von einer Sozialneid-Debatte, weil es nur darum geht, anderen etwas wegzunehmen. Und wenn man mal die Antworten á la „der böse Onkel hat’s nicht persönlich gemeint“ weglässt, habe ich auch noch kein Gegenargument vernommen. Hier ist es immer das gleiche Paar Stiefel.

            Denn wie stets: Da, wo das richtige Geld sitzt, will und kann man nicht heran, und auch den „Rittern der sozialen Gerechtigkeit“ ist noch nichts Sinnvolles dazu eingefallen.

            • Stefan Sasse 12. November 2023, 09:37

              Die Begriffe sind nicht fix für formaljuristische Betrachtungen, das ist ja eigentlich das Kernproblem. Aber wenn man mit dem Einkommen in den oberen 10% SÄMTLICHER Einkommensbeziehenden Deutschlands liegt, wie kann das noch Mittelschicht sein? Welche Aussagekraft hätte dann „Oberschicht“? Und nochmal, das ist nicht dasslebe wie „wohlhabend“ oder „reich“.

              • Thorsten Haupts 12. November 2023, 14:12

                Welche Aussagekraft hätte dann „Oberschicht“?

                Heute keine mehr. Früher die Bezeichnung für die regierende Elite (Adel, zuerst abgelöst vom wirklich reichen Besitzbürgertum, das sich im Lebensstil an den Vorgänger anlehnte).

                Und da es zwischen Einkommens-Mittel- und Oberschicht sehr grosse Durchlässigkeit gibt, macht die Unterscheidung auch sozial keinen Sinn. Die „Oberschicht“ hat kein anderes Bewusstsein, keinen anderen Set von Werten, kein anderes Gemeinschaftsgefühl, keine andere Sicht auf die Welt als die Mittelschicht.

                Im Sinne einer aussagekräftigen Stratifizierung gibt es in allen westlichen Ländern genau drei Gruppen – dauerhaft Einkommensarme, Mittelschicht und die wirklich Reichen (können von ihren Vermögenserträgen leben). Deren jeweilige Lebenswirklichkeit unterscheidet sich drastisch, alle anderen Unterscheidungen sind hochartifiziell und dienen ausschliesslich politischen Zwecken, aber keiner vertiefenden Erkenntnis. Wie auch …

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Sasse 12. November 2023, 18:19

                  Hm, interessant. Ich lass das mal sacken.

                • Erwin Gabriel 13. November 2023, 20:39

                  @ Thorsten Haupts 12. November 2023, 14:12

                  Im Sinne einer aussagekräftigen Stratifizierung gibt es in allen westlichen Ländern genau drei Gruppen – dauerhaft Einkommensarme, Mittelschicht und die wirklich Reichen (können von ihren Vermögenserträgen leben). Deren jeweilige Lebenswirklichkeit unterscheidet sich drastisch, alle anderen Unterscheidungen sind hochartifiziell und dienen ausschliesslich politischen Zwecken, aber keiner vertiefenden Erkenntnis. Wie auch …

                  Volle! Zustimmung!

  • Thorsten Haupts 11. November 2023, 18:55

    Da, wo das richtige Geld sitzt, will und kann man nicht heran …

    Kann man tatsächlich nicht, solange es Nationalstaaten mit unterschiedlichen Steuersystemen gibt. Bei saftigen Steuererhöhungen bleibt dieser Klientel immer der Ausweg in ein freundlicheres (zivilisiertes) Ausland, weswegen Debatten über die Besteuerung der winzigen Zahl von Multimillionären oder Milliardären einfach albern sind. Nicht praktikabel umsetzbar. Die einzig erreichbare Klientel wären deutsche Unternehmensbesitzer …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Erwin Gabriel 12. November 2023, 08:43

      @ Thorsten Haupts 11. November 2023, 18:55

      Kann man tatsächlich nicht, solange es Nationalstaaten mit unterschiedlichen Steuersystemen gibt. Bei saftigen Steuererhöhungen bleibt dieser Klientel immer der Ausweg in ein freundlicheres (zivilisiertes) Ausland, …

      Deswegen werde ich ja immer misstrauisch, wenn man Steuererhöhungen „nur für Reiche“ will. Man landet jedes Mal darunter …

      • Stefan Sasse 12. November 2023, 09:42

        Ja, verstehe ich. Deswegen wehre ich mich auch so dagegen, diesen Reichenbegriff zu benutzen einerseits und den Mittelschichten andererseits. Wir brauchen da eine sinnvolle Kategorie. Wohlhabend, Oberschicht, whatever, einfach, dass man überhaupt mal vernünftig drüber reden kann.

    • Stefan Sasse 12. November 2023, 09:38

      Weswegen ich by the by die entsprechenden Stellen in Ministry for the Future nicht uninteressant fand…

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