Teil 1 hier.
Bevor ich über Auswege sprechen will, möchte ich zuerst einmal die Probleme mit den bisherigen Ansätzen näher untersuchen.
Das Problem bei den Linken ist, dass die grundsätzliche Idee, wir seien eine ausreichend reiche Gesellschaft, um die Aufnahme und Versorgung all dieser Menschen zu gewährleisten, zwar grundsätzlich richtig, aber gleichzeitig bedeutungslos ist. Wir können uns eine ganze Menge Dinge leisten, wenn wir entsprechend auf andere Dinge verzichten. Nun ist natürlich die Rettung und Aufnahme von Menschen ein edles Ziel als sämtliche Autobahnen rosa anzustreichen, was durchaus auch in unserem Vermögen läge. Gleichzeitig allerdings beruhen große Investitionen und Umschichtungen des gesamten Volksvermögens und der Ausrichtung der Volkswirtschaft – und das verbirgt sich hinter der locker-flockigen Aussage, das ist grundsätzlich möglich wäre – auf der grundlegenden Zustimmung derjenigen, die sich einschränken, die Mittel aufbringen und die nötige Arbeit leisten müssen. Dass hierfür auch nur im Ansatz demokratische Mehrheiten vorhanden oder gewinnbar wären, ist eine komplette Illusion.
Gleichzeitig ist sicher auch korrekt, dass ein vergleichsweise großer Anteil der Geflüchteten hier Arbeit findet. Allein, erstens bleibt damit immer noch ein relativ großer Block von Menschen, die keine finden – und die Kritik von rechts, die tatsächlich durchaus mehrheitsfähig ist, fordert bei migrierenden Menschen üblicherweise Beschäftigungsquoten nahe 100% als Voraussetzung für die Einreise – und zudem sagt diese Statistik auch wenig darüber aus, wie viel und welche Arbeit diese Menschen finden. Teilzeitarbeit in schlecht bezahlten Bereichen macht sie ja nicht eben unabhängig vom Sozialsystem. Das letzte Problem ist, das zahlreiche Menschen und insbesondere die Kritik von rechts ja gar nicht will, dass Geflüchtete und asylsuchende Arbeit finden, weil dies ihre Aufenthaltsperspektiven verbessert, die aber gerade nicht gewünscht sind. Wir kommen auf dieses grundsätzliche Paradox der Migrationspolitik noch einmal zu sprechen.
Die Linke ignoriert zudem komplett, dass die rechte Kritik an den Pullfaktoren – die viel zitierten „Anreize“ – ja nicht komplett in die Irre geht: die Menschen kommen ja nach Europa, weil sie sich hier eine bessere Behandlung und ein besseres Leben erhoffen also beispielsweise in der Türkei, dem Iran, Nordafrika oder etwa Russland. Sich diesen Gedanken komplett zu verleugnen ist eine Art Lebenslüge. Wenn Marco Buschmann etwa raunt, der „Eindruck“ der Zuwanderung in Sozialsysteme sei entstanden (eine Passivkonstruktion, die die Urheber dieses „Eindrucks“ aus der Verantwortung nimmt und ambivalent lässt, ob er wirklich existiert; Friedrich Merz sollte sich ein Beispiel an bürgerlicher Kommunikation zum Thema nehmen), hat er ja nicht Unrecht. Menschen hier haben Anspruch auf Sozialleistungen.
Es ist umso verblüffender, dass ausgerechnet Linke, für die dieses Thema ja ein Leib-und-Magen-Thema ist oder zumindest sein sollte, den Stand der Sozialsysteme ignorieren. Zwar ist natürlich Merz‘ Narrativ von einer Vorzugsbehandlung von Geflüchteten beim Zahnarzt kompletter Unsinn aus dem Fiebertraum des rechten Sumpfs, aber es bleibt ja gleichzeitig Realität, dass als gesetzlich versicherte Person einen Termin beim Zahnarzt zu bekommen und dann nicht durch Zuzahlungen ruiniert zu sein durchaus ein Abenteuer für sich darstellt. Das komplett zu ignorieren widerspricht der Lebensrealität der überwiegenden Mehrheit und sorgt nicht eben dafür, den Rest der Argumente ernst zu nehmen.
Zudem darf man auch nicht unterschlagen, dass wie überall, wo es um Menschen geht, auch solche beteiligt sind, die niedere Motive haben. Ein Opfer zu sein Macht nicht automatisch edel, und so gibt es selbstverständlich Menschen, die hierher kommen und nicht ihren Teil beitragen, indem sie einen Integrationsmaßnahmen teilnehmen und sich an die bestehenden Gesetze halten. Es gibt solche, die kriminell sind, die sich verweigern und versuchen, möglichst anstrengungsfrei durch den Alltag zu kommen und es gibt Menschen, die die Behörden über ihren wahren Status belügen. Das alles ist letztlich unvermeidlich. Wo immer Menschen zusammenkommen, wird es auch faule Eier geben, genauso wie es immer auch Goldstücke gibt. Aber so zu tun, als sei bereits die Erwähnung migrantischer Gewalt in der Debatte unzulässig, ist nicht hilfreich.
Dazu kommt, dass Linke permanent ignorieren, dass Fakten und Zahlen in der politischen Auseinandersetzung annähernd irrelevant sind und dass Gefühle eine viel größere Bedeutung haben. Dass die Linke so beharrlich die Rolle von Emotionen und Wahrnehmungen ignoriert, ist und bleibt eine ihrer größten Schwächen. So bleibt die Behauptung, Geflüchtete und Zugewanderte würden gegenüber Alteingesessenen bevorzugt behandelt und erhielten irgendwelche Leistungen, auf die „echte Deutsche“ keinen Anspruch hätten, vollkommener Unsinn. Gleichwohl ist es Unsinn, der für eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung gefühlte Wirklichkeit darstellt und daher als solche behandelt werden muss.
Darüber wird häufig mit Verweis auf die Menschenrechte hinweggewischt, wie jedem Menschen ein Grundrecht auf Asyl zusprechen würden. Das ist bis zu einem bestimmten Punkt auch korrekt; allein, das entsprechende Recht erlaubt das Stellen eines Asylantrags, nicht seine automatische Genehmigung. Diese Grenzen werden in der Debatte von links häufig, und ich behaupte: durchaus bewusst, vermischt.
Zudem finden sich auf der Linken zahlreiche Zahlenspielereien. So habe ich in den letzten Tagen aus entsprechenden Kreisen immer wieder die Statistik der aktuellen Asylanträge von stark 200.000 im Jahr 2023 in die Timeline gespült bekommen, die dann gerne mit den Zahlen von 2015ff. kontrastiert wurden oder auch mit den rund 230.000 von 2022 verglichen wurden. Letztere Zahlenspielerei ist so offensichtlich absurd – 2022 ist abgeschlossen, 2023 nicht – dass sie kaum die Widerlegung lohnt, während erstere Zahl einerseits ignoriert, dass sämtliche Geflüchteten aus der Ukraine – deren Zahl mittlerweile siebenstellig ist – durch die verkürzten Aufnahmeverfahren in der Statistik überhaupt nicht auftauchen und andererseits die politische Dimension ignoriert, dass die konkrete Zahl völlig bedeutungslos ist. Der Diskurs wäre exakt derselbe, ob nun 100.000 oder 400.000 Geflüchtete ins Land kommen würden. Die Debatte dreht sich nicht um konkrete Zahlen, sondern um Gefühle, was die Linke praktisch komplett ignoriert und für illegitim erklärt.
Gleichzeitig leidet auch der rechte Teil des Diskurses unter Lebenslügen.
Wo wir gerade bei Zahlen sind: hier sieht es auf der Rechten nicht besser aus. Auch hier wird gerne wider besseren Wissens behauptet, die konkreten Zahlen würden irgendetwas aussagen – als ob Menschen, die die AfD wählen, bei einer Halbierung der aktuellen Zahlen plötzlich wieder zurück zu CDU wandern würden – und werden falsche Eindrücke erweckt (wie etwa bei Julia Klöckner, die bewusst mit falschen Zahlen operiert), wobei dies häufig in die andere Richtung geht: entweder fehlen zahlen vollständig, wie in der beknackten Zahnersatzdebatte, oder Einzelfälle werden verallgemeinert und pauschalisiert.
Überhaupt, der Zahnersatz. Zu den Lebenslügen gehört auch etwa der in der jüngsten absurden Diskussion von Friedrich Merz vorgebrachte Anwurf, das deutsche Sozialsystem sei ein besonders herausragender Pullfaktor. Das ist schlichtweg unrealistisch. Es setzt Kenntnisse über die Komparative europäische Sozialbürokratie voraus, die in den Ursprungsländern sicherlich nicht vorliegen können.
Er ignoriert zudem, dass die beliebtesten Ziele der Migrant*innen Großbritannien und die USA sind, die beide nicht eben für ihr Sozialsystem berühmt sind. Sie bilden den Fluchtpunkt aller idealistischen Erwartungen, nicht die Agentur für Arbeit. Die Sache ist viel einfacher gelagert: der größte Pullfaktor Europas ist unser Bruttoinlandsprodukt. Der ganze Rest besteht aus Mund-zu-Mund-Propaganda, wie wir sie noch von 2015 kennen und die mit der Realität überhaupt nichts gemein hat. Die Vorstellung also, dass ein Umstellen auf Sachleistungen für Geflüchtete (die ohnehin völlig unrealistisch ist), eine Reduzierung der Anspruchssätze und was des Deutschen liebstes Kind, die inkrementelle bürokratische Reform, nicht noch an Ideen produzieren kann, die Attraktivität Deutschlands bei Menschen, die aus Bürgerkriegsgebieten in Zentralafrika flüchten, nennenswert beeinflussen würde, ist völlig absurd.
Das führt ihn genau die nächste rechte Lebenslüge dieser Debatte, nämlich, dass diese Menschen nicht flüchten würden, wenn Europa nicht so attraktiv wäre, sprich, dass sie „Wirtschaftsflüchtlinge“ seien. Menschen, die eine unglaublich gefährliche Reise quer durch einen sowohl politisch als auch klimatisch hochgradig gefährlichen Kontinent auf sich nehmen, tun dies nicht vorrangig, weil sie auf mehr Geld hoffen. Sie tun es, weil sie um ihr Leben fürchten. Das schließt natürlich nicht aus, dass sie auch auf ein besseres Leben und ein höheres Einkommen offen, weswegen sie auch hierher kommen und nicht in die erwähnten Alternativen. Aber es ist nicht der treibende Grund, sonst würden wir Migrationsbewegungen ja unabhängig von Lebensgefahr im Ursprungsland sehen, was wir aber nicht tun.
Eine weitere Lebenslüge auf der Rechten ist die Vorstellung, man sei ja gar nicht gegen Migration, da man eigentlich Fachkräfte ins Land locken wolle. In den 2000er Jahren war dafür die klischeehafte Mirage der indischen Informatiker, die sicherlich in Scharen die neue Greencard beantragen, sprichwörtlich geworden. Diese Idee leidet unter dem grundsätzlichen Problem, dass nie ausgesprochen wird, welche Prämisse dahinter steckt: die ausländischen Fachkräfte müssen ja im Ausland überhaupt erst zu Fachkräften gemacht werden, was selbiges Ausland große Summen in der Investition ins Bildungssystem abverlangt. Genau diese Summen wollen wir dann kostenlos abschöpfen, indem wir den anderen Ländern zwar sämtliche Kosten aufbürden, dann aber die Früchte ernten wollen. Am besten gehen die Fachkräfte dann mit Erreichen des Renteneintrittsalters direkt in ihre Ursprungsländer zurück und beantragen niemals Zahlungen. Warum aber genau im Ausland massenhaft für den deutschen Arbeitsmarkt brauchbare Fachkräfte ausgebildet werden sollten, die dann quasi als Überschuss zur Migration zur Verfügung stehen, konnte nie geklärt werden – und noch viel weniger, warum sie ausgerechnet nach Deutschland kommen sollten.
Den zur Lebenslüge wird diese Geschichte ja nicht nur wegen der mangelhaften Prämissen, sondern auch deswegen, weil selbst die Fachkräfte hierzulande unwillkommen sind. In Befragungen von Expats landet Deutschland regelmäßig auf den hintersten Plätzen, erst jüngst wieder auf Rang 49 von 53. Der deutsche Alltagsrassismus ist dafür natürlich nicht der einzige Grund; die Bürokratisierung und mangelnde Digitalisierung liegen sogar noch vorn. Er trägt aber eben auch zum katastrophalen Bild bei.
Weiter geht es in Teil 3.
„erhielten irgendwelche Leistungen, auf die „echte Deutsche“ keinen Anspruch hätten“
„Kompletter“ Unsinn ist es nicht. Die Wohnungen zum Beispiel stehen dann für andere (halt auch für „echte Deutsche“) einfach nicht mehr zur Verfügung.
Anekdote: In einer Bürgerversammlung meldet sich eine Frau zu diesem Thema – und wird ausgebuht. In unserem Stadtteil wurden Wohnungen extra für Flüchtlingsfamilien gebaut. Ist das eine Bevorzugung? Ich beantworte die Frage für mich so: Diese Menschen haben Schlimmes erlebt (ausgebombt und verfolgt in Syrien) und brauchen die Wohnungen dringender. Aber wer als Geringverdiener keine bezahlbare Wohnung findet, sieht das wahrscheinlich nicht so.
Ja, Lesen und Verstehen sind zwei unterschiedliche Dinge, danke, dass du uns noch mal daran erinnert hast.
Ja, guter Punkt.
@ CitizenK.
Zustimmung
Jep, da summieren sich auch ganz häufig die Probleme. Wohnraum, KiTa-Plätze, Personal noch und nöcher sind eh Mangelware oder auf Kante genäht und selbst vergleichsweise wenig Flüchtlinge bringen das System dann komplett aus dem Gleichgewicht (selbst wenn die gar nicht die Ursache sind)
Generell – auch zu dem was Erwin drüben angemerkt hatte (mehr bzw andere Kosten Flüchtlinge vs Arbeitslose):
In der Theorie ist die Idee mit dem Asylbewerberleistungsgesetz (weniger Geld, mehr Einzel-beantragte Leistungen) auch nicht verkehrt.
Ein Bürgergeld-Empfänger braucht ja nicht nur keinen Deutschkurs, sondern hat normalerweise auch schon eine Wohnung mit Grund-Einrichtung und Kleidung für jede Jahreszeit, diesen Grundstock müssen Geflüchtete ja erstmal aufbauen.
Das sorgt aber auch schnell für Missverständnisse, dass viele denken, die bekommen sogar mehr Sonderleistungen für Arbeitslose.
@ Ariane 5. Oktober 2023, 23:38
… da summieren sich auch ganz häufig die Probleme.
Fraglos richtig! Zustimmung!
Wohnraum, KiTa-Plätze, Personal noch und nöcher sind eh Mangelware oder auf Kante genäht und selbst vergleichsweise wenig Flüchtlinge bringen das System dann komplett aus dem Gleichgewicht (selbst wenn die gar nicht die Ursache sind)
Sie sind zumindest nur eine von mehreren Ursachen. Aber bei uns im Ort wurden die wenigen verfügbaren Sozialwohnungen damals (2016) schon bevorzugt an syrische Flüchtlinge vergeben. Weiß nicht, ob das noch immer so läuft; vielleicht gibt es auch keine Wohnungen mehr, die man vergeben kann.
Ja bei Wohnraum (klein und günstig vor allem) brennt das einfach sowieso schon an allen Ecken. Hier hat die Kommune auch selbst Wohnraum irgendwie beschafft. Die eine, in der ich mal war, war ein baufälliges Haus und im EG – wo die Wohnung war – war früher mal ein kleiner Laden. Kann ich verstehen, ist ja auch sinnvoll, gerade nach Syrien und Ukraine müssen sie die Leute ja erstmal aus Turnhallen oder vom HSV-Parkplatz wegbekommen. Aber natürlich ist das für alle anderen, die auch auf kleine und günstige Wohnungen angewiesen sind, ärgerlich.
@ Ariane 6. Oktober 2023, 13:50
Aber natürlich ist das für alle anderen, die auch auf kleine und günstige Wohnungen angewiesen sind, ärgerlich.
Es gibt ja diesen Effekt, dass man immer in der langsamsten Schlange vor der Kasse steht (steht man in der schnelleren Schlange, denkt man halt nicht drüber nach). Ich vermute auch hier etwas Ähnliches; die Bevorzugung kommt vor, aber sie fällt nur auf, wenn es sie gibt. Die häufigeren „normalen“ Fälle merkt dann kein Mensch.
Dazu kommt, dass Linke permanent ignorieren, dass Fakten und Zahlen in der politischen Auseinandersetzung annähernd irrelevant sind und dass Gefühle eine viel größere Bedeutung haben. Dass die Linke so beharrlich die Rolle von Emotionen und Wahrnehmungen ignoriert, ist und bleibt eine ihrer größten Schwächen.
Interessant. In praktisch allen Debatten, die mich interessieren, nehmen Linke eine emotionale Perspektive ein und sind überaus schwach in Analyse und Strategie. Im völligen Gegensatz zur neoliberalen Perspektive übrigens, die meist kalt und teilnahmslos wirkt, weil sie in der Regel eben zahlengetrieben ist (und eben deshalb in keinem westlichen Staat irgendeine Bedeutung hat, was ja meist himmelschreiend falsch gedeutet wird).
Die Linke als Hort der Argumentation, das muss ich mir merken.
Selbst emotional zu argumentieren und die Emotionen von anderen als Treiber wahrzunehmen sind völlig unterschiedliche Skills. Ansonsten Zustimmung – in nahezu allen politischen Debatten meiner langen Vergangenheit waren die Linken diejenigen, die Gefühle als Argument benutzten.
Klar, weil Gefühle benutzen immer die anderen, man selbst ist total rational. Die anderen verstehen das nur nicht, weil sie emotional sind.
Merkste selber, wa?
@ Stefan Sasse 5. Oktober 2023, 11:52
Klar, weil Gefühle benutzen immer die anderen, …
Nicht schon wieder … 😐
Das ist doch der Vorwurf! Ich hab einfach keinen Bock mehr, ständig diese Bad-Faith-Lesarten widerlegen zu müssen. Und dann dazu ein „Aber meine Seite ist toll, und die Linken sind böse“. Es nervt einfach.
@ Stefan Sasse 5. Oktober 2023, 14:50
Aber Thorsten hat hier ein stückweit Recht.
Ich will mal lieber mich als Beispiel nehmen. Natürlich habe ich eine Meinung, die aus meiner Weltsicht abgeleitet ist. Aber ich versuche stets, die zu belegen. ich habe hier 2015 / 2016 zahlen gepostet, bis der Arzt kam, mühsam zusammengepuzzelt aus amtlichen Statistiken, mit Hinweisen auf mögliche Unschärfen. Pauschale Antwort lautete stets „ja aber“.
Auch Stefan Pietsch belegt seine Kommentare etwa zum Thema Steuern / Staatsausgaben oft mit sehr detaillierten Zahlen, und kriegt als Antwort keine Fakten, sondern „ja, aber“ („… wir brauchen mehr Geld“) etc.
Welche Mühe wir uns immer geben, Fakten zusammenzutragen, Folgen zu erklären, auf Umstände hinzuweisen (etwa auf die schlechte Funktionalität von Behörden, auf die nachweislich nicht vorhandenen Auswirkungen von zugewiesenen Geldausgaben, auf die Situation am Wohnungsmarkt whatever) kommt stets diese Antwort nach dem Motto „lassen wir die Fakten doch einfach mal beiseite“.
Auch mein Weltbild kollidiert gelegentlich schmerzhaft mit der Realität, aber dann bringt es nichts, auf die Realität zu schimpfen. Wenn ich schaue, wie viele Diskussionen hier schon ein Dutzendmal geführt wurden, mit Standpunkten, Meinungen, Fakten, Daten …
Das „ja, aber“ ist schon nervig genug, aber immer, wenn jemand ertappt wird oder eine Diskussion „verliert“ zu sagen „die anderen aber auch“ ist schon recht nervig.
Und noch einmal: Ich gestehe Dir gerne eine von mir abweichende Grundprogrammierung zu, aber wenn man in einigen Punkten von Fakten widerlegt wird, muss das doch irgendwann mal sitzen.
Thorstenhat schon oft genug Recht gehabt bzw. behalten, aber auch schon mehrfach sich korrigieren lassen und sich für die entsprechenden Infos bedankt. Aber an ein „die anderen auch“ kann ich mich bei ihm nicht erinnern.
Mir ging es nur überhaupt nicht um das, was er kritisiert. Ich habe ja gesagt, die Zahlen der Linken sind Quatsch, aber SELBST WENN SIE WAHR WÄREN wären sie egal, weil es hier um Gefühle geht (was Thorsten ja schön in seinem Kommentar zum Heimatverlust beschrieben hat). Und meine Kritik war, dass die Linke das ignoriert. Wenn Thorsten mir dann vorwirft zu sagen, die Linken wären nicht emotional und würden nur faktenbasiert arbeiten, ist das einfach völliger Unfug. Mein Punkt ist ja eher, was du hier schreibst: du kannst noch so viele Zahlen und Fakten zur Vermögensverteilung in Deutschland rauspacken, wenn die Leute fühlen, dass es ungerecht zugeht, wird das nichts ändern – und erfolgreiche Politik muss damit abreiten.
@ Stefan Sasse 6. Oktober 2023, 08:18
Wenn Thorsten mir dann vorwirft zu sagen, die Linken wären nicht emotional und würden nur faktenbasiert arbeiten, ist das einfach völliger Unfug.
Hat er nicht. Er hat Folgendes gesagt: „… in nahezu allen politischen Debatten meiner langen Vergangenheit waren die Linken diejenigen, die Gefühle als Argument benutzten.
Da hat er halt Recht. Ich bringe vielleicht nicht so häufig Statistiken, Zahlen und Fakten wie Stefan P., aber etwa in der Steuerdiskussion kamen auf Zahlen, Belastungen, Etats immer Gegen“argumente“ wie „soziale Gerechtigkeit“ (Synonym für „ich will Geld von anderen“), stets gemessen am höchstmöglichen Maßstab, nämlich der Mittelklasse in Deutschland. Da wird ein Gefühl als Argument missbraucht.
Wenn Dein Punkt nun ist, dass Emotionen und Gefühle sich durch Fakten nicht bekämpfen lassen, hat Dich Thorsten bestätigt, nicht Dir widersprochen.
PS: Wobei ich denke, dass intelligente Köpfe wie Du oder CitizenK. irgendwann mal begreifen sollten, dass das „mehr Geld“, dass gefordert ist, schon da ist; es wird nur woanders verschwendet. Wenn also das „Gefühl“ da ist, dass es für Teile der Gesellschaft „nicht gerecht“ zugeht, mag das sogar stimmen, bzw. kommt von meiner Seite kein Widerspruch.
Widerspruch kommt für die angedachte Lösung, die man schon so oft vergeblich probiert hat. Dieser Film endet immer gleich, wie oft ich auch ins Kino gehe. Kluge Leute sollten das verstehen.
Ich glaube, alle benutzen Gefühle als Argument. Von rechts haben wir das doch ständig was den heimatverlust und die bedrohung durch migrant*innen angeht, beispielsweise. da wird auch nur mit gefühlen argumentiert. und wie gesagt: das ist ja völlig ok! meine forderung war ja, existierende gefühle als fakt zu akzeptieren.
PS: ja.
Keine Seite ist nur emotional oder faktengetrieben. Liberale ignorieren Emotionen übrigens auch gerne. Einer der Gründe für den relativ großen Erfolg von Konservativen: sie berechnen die Gefühlsebene mit. Das ist kein „linke sind besser“ oder so was. Das ist ein echtes Manko. Mir geht es hier auch nicht um die eigenen Gefühle (offensichtlich haben sie die und sind davon getrieben), sondern darum, die GEÜFHLE DER ANDEREN in die eigene Perspektive einzubeziehen. Darin sind natürlich die meisten Leute schlecht.
Das sage ich doch. Viele liberale, insbesondere neoliberale Konzepte sind ausgesprochen technokratisch. Funktionalität ist eben das, was liberale Ansätze im Kern ausmacht. Damit gewinnt man keine Herzen.
Ich will aber keinen Staat haben, der sich an Gefühlswelten orientiert. Die Folge ist nämlich Verschwendung und unendlicher Unsinn. In Deutschland wird nicht mal mehr die Bundeswehr funktional geführt. Das war früher ein Bereich, dem ich das durchaus zugeschrieben hatte.
Klar, aber du kannst nicht unendlich technokratische Politik machen. Das bricht dir irgenwann zusammen. Politik MUSS die Gefühle reinnehmen. Und Technokratisch finden Leute auch immer nur gut, solange es das eigene Team macht; eine technokratische Grünenregierung wäre dir sicher auch nicht recht.
„Nicht unendlich technokratische Politik“, Du bist wirklich witzig. Politik ist heute fast nur emotional. Es gibt praktisch keine funktionale Politik in Deutschland. Weder klare Zielsetzungen noch funktionale Umsetzung und schon gar nicht Zielcontrolling.
Nichts wäre mir lieber als eine technokratische Regierung unter Grünen-Führung. Die Grünen sind aber mit die größten Gegner des funktionalen Denkens. Darum scheitert ja auch die Energiewende.
@ Tim 5. Oktober 2023, 14:49
Zustimmung!
technokratisch ist aber nicht das Gleiche wie funktional.
In meiner Welt ist eins der wenigen sympathischen Punkte an jenem Denken aus einer untergegangenen Epoche genannt Neoliberalismus, dass er eben im Kern *nicht* technokratisch ist.
Die Neoliberalen liefen ja verständlicherweise Sturm gegen radikal-keynesianische und damit ins kybernetische abstürzende Ideen einer Globalsteuerung der Wirtschaft, die mir zu technokratisch sind.
@ Ariane, Lemmy Caution
Ich meine damit das (fast bornierte) Beharren der Neoliberalen auf klaren (und natürlich möglichst einfachen) Regeln, statt in zig Einzelfällen moralisch zu argumentieren. Nennt es meinetwegen gern auch „systemisch“ statt „technokratisch“.
Beispiel Energiewende: Neoliberale setzen voll das technische Regelwerk Cap & Trade, Grüne verirren sich in irrelevanten Einzeldebatten wie den Fragen, ob es auf Autobahnen ein Tempolimit geben und wie man mit SUVs im öffentlichen Raum umgehen soll.
Zu den Lebenslügen gehört auch etwa der in der jüngsten absurden Diskussion von Friedrich Merz vorgebrachte Anwurf, das deutsche Sozialsystem sei ein besonders herausragender Pullfaktor. Das ist schlichtweg unrealistisch. Es setzt Kenntnisse über die Komparative europäische Sozialbürokratie voraus, die in den Ursprungsländern sicherlich nicht vorliegen können.
Ich habe viele Mitarbeiter, die aus Ländern wie Indien, Pakistan oder der Türkei kommen. Als ein starkes Argument für Deutschland wird immer wieder das gute Gesundheitssystem genannt. Aber klar, das sind IT-Spezialisten, also ganz sicher nicht der Durchschnitt ihrer Heimatländer.
Ja, auf dem Level läuft die ganze Debatte ja auch völlig anders.
Leider ist auch in diesem Bereich die Debatte völlig idiotisch. „Gute“ Migranten müssen aktuell rund 60.000 Euro Einkommen vorweisen, damit sie die EU-Bluecard kriegen. Damit sind schon mal 2/3 der qualifizierten Interessenten raus aus dem Spiel. Drückende Personalknappheit in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kindergärten, Verkehrsbetrieben, vielen privatwirtschaftlichen Servicebereichen? Egal.
Ich hab ja überhaupt kein Problem damit, wenn Leute gegen Zuwanderung sind. Aber sie sollen dann bitte auch keine Leistungen mehr nutzen (dürfen), die nur noch durch Zuwanderung angeboten werden können.
@ Tim 5. Oktober 2023, 12:16
Ich hab ja überhaupt kein Problem damit, wenn Leute gegen Zuwanderung sind. Aber sie sollen dann bitte auch keine Leistungen mehr nutzen (dürfen), die nur noch durch Zuwanderung angeboten werden können.
🙂
Jepp
Stefan Sasse 5. Oktober 2023, 14:45
Jepp
Ehe mein Smiley missverstanden wird – der galt dem geschickt vorgetragenem Scheinargument, nicht der Situation.
Wenn jemand einen Großteil seines Lebens in ein Sozialsystem eingezahlt hat, darf er natürlich alle dazugehörigen Leistungen beanspruchen – selbst wenn er der Meinung ist, dass andere, die noch nie eingezahlt haben, nicht profitieren sollten.
Selbst wenn er gegen die Bedingungen dieses Sozialsystems kämpft? Nee. Menschen müssen die Folgen ihrer Entscheidungen schon spüren.
Würden wir daraus ein Grundprinzip machen und es auf die Gesellschaft anwenden, wäre das eine wirkliche und echte Revolution.
🙂
Alles gut!
Als ein starkes Argument für Deutschland wird immer wieder das gute Gesundheitssystem genannt.
Hoert sich an wie ein Argument, warum sie nach Deutschland sind anstelle der USA, wo sie die Sprache bereits sprechen und viel mehr verdienen koennen.
Er ignoriert zudem, dass die beliebtesten Ziele der Migrant*innen Großbritannien und die USA sind, die beide nicht eben für ihr Sozialsystem berühmt sind.
Das Argument ist nicht stichhaltig, denn Wettbewerber müssen nicht zwangsläufig dieselben Verkaufsargumente haben. Ganz im Gegenteil, auch bei der Migration kann sich durchaus – vielleicht ungewollt – eine Differenzierung ergeben haben. Rein strategisch wäre ein Pull-Faktor „Sozialsystem“ natürlich eine dumme Idee. 🙂
Grundsätzlich richtig, nur wollen die wenigsten Leute in ein Sozialsystem einwandern, sondern Lebenschancen haben. Der Traum ist ja nicht Bürgergeld, sondern ein guter Job mit ordentlichem Gehalt.
Das stimmt schon, und leider ist Deutschland – gegen ureigenes Interesse! – sehr schlecht darin, den Menschen die Verwirklichung ihrer Träume so leicht wie möglich zu machen. Wir preisen und regulieren viele von ihnen aus den Arbeitsmärkten.
@ Tim 5. Oktober 2023, 12:23
… leider ist Deutschland – gegen ureigenes Interesse! – sehr schlecht darin, den Menschen die Verwirklichung ihrer Träume so leicht wie möglich zu machen. Wir preisen und regulieren viele von ihnen aus den Arbeitsmärkten.
Yepp.
Wer schon mal hier ist, sollte arbeiten (dürfen), ohne durch Behörden daran gehindert zu werden.
Wer schon mal hier ist, sollte arbeiten (dürfen), ohne durch Behörden daran gehindert zu werden.
Dir ist schon klar, dass das in letzter Konsequenz die radikalste und neoliberalste Forderung ist, die hier je aufgestellt worden ist? 🙂
Genau das steht auch in Teil 3 morgen 😀
@ Tim 5. Oktober 2023, 14:53
Dir ist schon klar, dass das in letzter Konsequenz die radikalste und neoliberalste Forderung ist, die hier je aufgestellt worden ist?
Label interessieren mich an der Stelle nicht. Wie wir schon festgestellt haben, klappt das mit der Abschiebung unberechtigter Asyl-Antragsteller nicht so gut; wer hier ist, kann sich hier weitgehend festkrallen, den größten Teil werden wir eh nicht mehr los. Aber dann sollen diese Leute auch (sozialversicherungspflichtig!) arbeiten
müssendürfen. Wir brauchen so viele, die mit anpacken.Das soll weiß Gott nicht heißen, dass man den bewusst den Transfer aus Afrika aufrecht erhält, denn das von Thorsten angesprochene Thema „Heimat“ kann ich sehr gut nachvollziehen.
Stefan hatte mal einen Beitrag zum Thema Spurwechsel verfasst, dem ich folgen konnte.
Auf jeden Fall, das Problem haben wir aktuell ja sogar auf beiden Seiten. Es kann elendig lange dauern, bis eine Arbeitsgenehmigung vorliegt (und oft dann noch mit Abstufungen) und dann auf der anderen Seite bei Abschiebungen, die auch häufig Leute (bzw die ganze Familie) betreffen, die längst in Arbeitsmarkt/Gesellschaft integriert sind.
Da wäre mehr Pragmatik viel besser. (gerade wenn man das noch mit gewollter Zuwanderung in den Arbeitsmarkt verknüpft, viele von Abschiebung Betroffene erfüllen die Kriterien ja sogar)
Genau das.
@ Ariane 5. Oktober 2023, 23:42
Zustimmung. Sind beides Dinge, die mich wirklich ärgern. Wenn die Ämter schon nicht helfen können, sollen sie wenigstens nicht im Weg herumstehen.
Wenn die Ämter schon nicht helfen können, sollen sie wenigstens nicht im Weg herumstehen.
Sehr schön. Der Satz sollte über jedem Amtsbildschirm hängen. 🙂
Das „man muss sich Flüchtlinge leisten können“-Narrativ trägt leider auch der „Wir müssen die Zahlen möglichst niedrig halten“-Grundhaltung bei.
Die Zusammenhänge zwischen Wirtschaftswachstum und Bevölkerungswachstum sind durch die Historie hinweg eigentlich ziemlich eindeutig, dachte ich.
Nun, Deutschland benötigt 400k Zuwanderer, alleine um stabil zu bleiben. https://www.destatis.de/DE/Methoden/WISTA-Wirtschaft-und-Statistik/2016/07_Sonderheft/zuwanderungsbedarf-bis-2050-072016.html
@ ysamjo 5. Oktober 2023, 10:13
… Deutschland benötigt 400k Zuwanderer, alleine um stabil zu bleiben.
… in den Arbeitsmarkt; wandern 400k nur in die Sozialsysteme ein, geht es in die instabile Richtung.
Leider verhindern die Verhältnisse in den Kommunen allzu oft, dass man den Sprung vom Sozialsystem in den Arbeitsmarkt schafft. Zu viele, die arbeiten wollen, lässt man nicht.
Total!
Nein, das ist schon der Arbeitsmarkt. Die Studie arbeitet mit Erwerbsquoten.
Klar muss da Bürokratie abgebaut werden, aber mit dem Grundtenor der Angst (wie ich ihn auch hier wieder rauslese), kommt eben das Gegenteil – mehr Bürokratie durch z.B. Bezahlkarten oder andere Gängeleien. Ohne ein gewisses Grundvertrauen in Menschen wird das alles nichts.
Exakt! das ist das widersinnige, gerade bei so was wie „Sachleistungen für Geflüchtete“. Das ist ein bürokratischer albtraum
@ Stefan Sasse 5. Oktober 2023, 17:06
Exakt!
Nein, nicht exakt. Keinesfalls.
Das ist das widersinnige, gerade bei so was wie „Sachleistungen für Geflüchtete“. Das ist ein bürokratischer Albtraum.
Hier kann ich folgen (dahingehend, dass ich die Idee grundsätzlich / pauschal nicht komplett für blöd halte, aber sie ablehnen muss, weil ich sie unserer Bürokratie schlichtweg nicht zutraue.
Das ist doch auch einfach nur ineffizient, selbst wenn die Bürokratie es könnte. Was du da an Kosten und Personal, von dem wir eh zu wenig haben (Fachkräfte…) investieren musst, einfach nur, um Leuten das Leben schwer zu machen…
@ Stefan Sasse 6. Oktober 2023, 08:26
Das ist doch auch einfach nur ineffizient, selbst wenn die Bürokratie es könnte. Was du da an Kosten und Personal, von dem wir eh zu wenig haben (Fachkräfte…) investieren musst, einfach nur, um Leuten das Leben schwer zu machen …
Wenn man das alles noch per Fax verschickt, sicherlich.
Ansonsten geht es nicht darum, den Leuten das Leben schwerer zu machen. Aber nur Geld ausgeben ist der Weg des geringsten Aufwands, der geringsten Verantwortung.
Das Geld (an Leistungen FÜR die Asylbewerber) bleibt doch das Gleiche, es geht ja nicht um weniger zahlen. Anscheinend ist die aktuelle Forderung, komplett auf Geldauszahlungen zu verzichten und alles über Gutscheine zu regeln. Mir unklar, wie das für jeden Kleinscheiß des monatlichen Bedarfs gehen soll.
Die Zusatzkosten entstehen ja dadurch, dass der Kram irgendwie organisiert werden muss. Als ich früher noch Klamotten nebenbei verkauft hab, kam zwischendurch immer mal jemand mit nem Gutschein, hat uns kirre gemacht, weil zumindest unser elektronisches Kassensystem nicht dafür ausgelegt war. Und natürlich geht es darum, es den Leuten schwerer zu machen. Das zu leugnen nützt ja auch nichts.
Sachleistungen, Verbot von Überweisungen, Streichen von Gesundheitsleistungen machen das Leben schon schwer.
@ ysamjo 5. Oktober 2023, 16:34
Nein, das ist schon der Arbeitsmarkt. Die Studie arbeitet mit Erwerbsquoten.
Wie viele Flüchtlinge sind seit 2015 zu uns gekommen? Wie viele zusätzliche, die von der Statistik nicht erfasst werden (z.B. Familiennachzug)? Wie viele sind auf einem Niveau sozialpflichtig beschäftigt, dass sie von staatlicher Unterstützung nicht mehr abhängig sind? Wie viele sind es nicht?
Wenn Du glaubst, dass das Thema Flüchtlinge unser soziales Netz „stabilisiert“, liegst Du falsch.
Noch einmal, damit es nicht in Vergessenheit gerät: Das Kaufmännische ist nur EIN Aspekt der Situation, auch in meiner Wahrnehmung NICHT der Einzige. Ich bin dankbar über jeden, der mit anpackt und sich an die Gesetze hält, und ärgere mich über die Hemmnisse, die unsere Bürokratie Arbeitswilligen in den Weg stellt.
Ich denke auch, dass die aktuell (noch) kein Nettoplus sind, aber es ist ja schon mal gut zu wissen, dass sie nicht Netto-Minus in voller Höhe sind, also dass sie durchaus auch was zurückgeben. Da wäre mehr Realismus von beiden Seiten angebracht. Das ist das mit den Zahlen, was ich meinte: wahnsinnig viel bullshit.
@ Stefan Sasse 6. Oktober 2023, 08:25
Ich denke auch, dass die aktuell (noch) kein Nettoplus sind, …
Eher noch ein dickes Netto-Minus (aber wie gesagt, Geld ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt).
… aber es ist ja schon mal gut zu wissen, dass sie nicht Netto-Minus in voller Höhe sind, also dass sie durchaus auch was zurückgeben.
Ja, viel zu wenig (was – gerne zugegeben – zu einem relevanten Teil auch an den mangelnden Möglichkeiten der öffentlichen Hand liegt).
Aber, wie schon 2015/2016 erklärt: Merkels „Wir schaffen das“ lässt sich nicht nach 24 Monaten beurteilen, sondern erst nach ein, zwei Jahrzehnten. Ich bin – leider – immer noch der Überzeugung, dass wir das nicht schaffen.
ich hoffe immer noch, dass.
Ich habe den Eindruck – vielleicht kommt das ja noch – auch der Grundsatzartikel vermeidet den eigentlichen Elefanten im Raum:
Den Verlust von Heimat.
Es gibt in Deutschlands Städten bereits Strassen und Viertel, in denen Deutsch eine Minderheitensprache ist, die Strasse von Männern dominiert wird, Frauen überhaupt nicht mehr oder nur bodenlang bemantelt und bekleidet öffentlich auftreten, die Luft mit „exotischen“ Gerüchen gefüllt ist etc.
Das IST Verlust von Heimat – und der übliche linke Appell, das doch bitte einfach zu begrüssen, ist bestenfalls hilflos und wahrscheinlicher nur ein weiterer Anlass für Erbitterung.
Mir persönlich ist der Aspekt nur deshalb egal, weil ich Arbeitsnomade war/bin und in keiner Weise lokal verwurzelt. Das aber ist eine Minderheitenposition, für sehr viele Menschen ist dieser Verlust von Heimat sehr real und fühlt sich an, wie eine Invasion. Das muss man nicht teilen, aber wissen – und wenn jemand tatsächlich möchte, dass wir ein zunehmend migrationsoffenes Land werden, dann muss dieser jemand darauf eine emotional überzeugende Antwort finden.
Der zweite Aspekt, der mir ein wenig untergeht, ist, dass die Einwanderer überwiegend jung und männlich sind, die Deutschen dagegen im Schnitt immer älter werden. Als halbwegs fitter, 1 Meter 93 messender Mann mit 35 fühlte ich mich von Jungmännergruppen nicht wirklich bedroht. Als über Sechzigjähriger geht mir das inzwischen deutlich anders, vor allem dann, wenn diese Jungmännergruppen ein wenig zu aggressiv und laut auftreten, was nach meinem Eindruck bei Menschen aus dem arabischen Raum endemisch ist. Damit verliere ich Bewegungsraum – und das in meinem eigenen Land.
Heimatverlust und ein latentes Bedrohungsgefühl sind sehr, sehr schlechte Voraussetzungen für Migrationsakzeptanz. Ich kann nicht erkennen, dass auch nur einer dieser beiden Punkte politisch bemerkt wurde, geschweige denn, adressiert wird.
Gruss,
Thorsten Haupts
Gebe ich dir völlig Recht, das läuft für mich unter den Teil, der gerne von links ignoriert wird. Ich schau mal, dass ich das in die finale Version noch aufnehme.
Den Verlust von Heimat.
Ich denke, das ist einer der wichtigsten Faktoren, der als negativ wahrgenommen wird und zu Konflikten fuehrt. Welches Verhalten als respektvoll oder respektlos angesehen wird, ist ja in anderen Kulturen haeufig anders. Solche Inkompatibilitaeten fuehren ja auch zu Missverstaendnissen und erzeugen Spannung. Und wenn in ganze Wohnviertel sich die Bevoelkerungszusammensetzung relativ schnell aendert, fuehlen sich dann die Altbewohner schnell „ausgegrenzt im eigenen Land“.
Allerdings muss man dem Argument entgegenhalten, dass es Veraenderung auch ohne Immigration gibt und alte Menschen sich dann eben von der juengeren Generation ganz aehnlich ausgegrenzt und respektlos behandelt fehlt.
Sind wir mal wieder bei gefühlten Wahrheiten. Wenn das der „Elefant im Raum“ wirklich wäre, dann wäre die AfD besonders stark wo besonders viele Ausländer sind. Das Gegenteil ist der Fall.
Auf den subtilen Rassismus in dem Kommentar werde ich nicht eingehen.
… dann wäre die AfD besonders stark wo besonders viele Ausländer sind. Das Gegenteil ist der Fall.
Das war schon immer ein ziemliches Quatschkramargument. Treiber ist die Angst vor Veränderung – und da, wo besonders viele Ausländer leben, leben eben kaum noch Leute mit Heimatverlustängsten. Die sind nämlich da weggezogen.
Auf den subtilen Rassismus …
Ach, machen Sie ruhig. Wurde absolut noch nie der Subtilität beschuldigt, bin deshalb sehr gespannt.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 5. Oktober 2023, 18:05
Wurde absolut noch nie der Subtilität beschuldigt, …
🙂
Das war schon immer ein ziemliches Quatschkramargument. Treiber ist die Angst vor Veränderung – und da, wo besonders viele Ausländer leben, leben eben kaum noch Leute mit Heimatverlustängsten. Die sind nämlich da weggezogen.
Finde deine Argumentation oben zwar auch bedenkenswert, aber hier würde ich widersprechen und ysamjos Argument weniger beiseitewischen.
Es ist ja schon richtig, dass zb im Osten viel mehr Angst und Vorurteile Ausländern gegenüber herrschen als zb in Hamburg, dem Ruhrgebiet oder Bremen. Obwohl der Anteil ausländisch aussehender Menschen genau umgekehrt ist (und natürlich sind nicht einfach alle Biodeutschen weggezogen in den Osten)
Das ist eine Frage des eigenen Erlebens, weil es etwas anderes ist, ob man Ausländer als homogene Masse beim Stadtbummel oder im Fernsehen sieht oder wirklich Individuen kennenlernt, als Essensverkäufer, Kollege, Schulkameradin etc. Und in einer westdeutschen Großstadt kommt man da gar nicht drumherum (selbst ich in meiner Kleinstadt wäre ja sonst schon verhungert) und dann ist das nicht mehr die fremde Bedrohung, sondern der mit den besten Pommes, der mir immer die Majo schenkt^^
Bin ich bei dir.
Das ist doch aber mein Punkt: Gefühle sind real und wichtig.
Zur Expats-Studie
Der deutsche Alltagsrassismus ist dafür natürlich nicht der einzige Grund; die Bürokratisierung und mangelnde Digitalisierung liegen sogar noch vorn. Er trägt aber eben auch zum katastrophalen Bild bei.
Deutschland ist ganz klar ein Einwanderungsland, was bei vielen Behoerden offensicht noch nicht angekommen ist. Die Behoerden koennen sich manchmal gar nicht vorstellen, dass manche Dinge in anderen Laendern ganz anders ablaufen als hier. Das ist wahrscheinlich ein weiteres Problem fuer Expats, die dann irgendwie nicht ins buerokratische System passen. Sehr triviale Dinge koennen zu Problemen fuehren. So wird durch deutsche Behoerden der Mittelname eines Auslaenders schnell mal zum Teil des Nachnamens gemacht, weil es ja im deutschen keine Mittelnamen gibt.
Ein Familienmitglied von mir wurde in den USA geboren und aus dem Nachnamen der Eltern „Müller“ wurde in der Geburtsurkunde des Kindes „Mueller“. Zurueck in Deutschland gab es erstmal Diskussionen, warum das Kind und die Eltern unterschiedliche Nachnamen hatten. Fuer die Beamtin im Rathaus etwas voellig abwegiges.
Besonders witzig fand ich ja auch, dass Fluechtlinge, die hier im Verein Fussball spielen wollten, erst einen internationalenFreigabeschein von ihrem Heimatland beantragen mussten, um sicherzustellen dass weltweit nur eine Spielberechtigung existiert.
auf der anderen seite willst du halt auch nicht, dass die bürokratie völlig willkürlich regeln aussetzt. ist verzwickt.
@ Detlef Schulze 5. Oktober 2023, 14:21
Deutschland ist ganz klar ein Einwanderungsland, was bei vielen Behoerden offensicht noch nicht angekommen ist.
Deutschland wollte und sollte nie ein Einwanderungsland sein, weder von Staats wegen noch seitens der Bevölkerung. War, anders als in den USA, nie ein Nation Building Concept von uns. Befindlichkeiten ob der Situation kann ich gut verstehen; die meisten die hier (geblieben) sind, sind zumindest ursprünglich unerwünscht hier.
Nun, wo wir ein Einwanderungsland werden müssten, um unsere alternde Gesellschaft am Laufen zu halten, ist viel Boden bereits verbrannt, und man flüchtet sich entweder in Gerechtigkeitsfloskeln oder in Ablehnung bis Hass. Scheiß-Realität halt.
In diesem Zusammenhang ist immer wieder auf schmerzhafte Weise interessant zu beobachten, wie der Staat bei solchen Aufgaben scheitert.
Deutschland wollte und sollte nie ein Einwanderungsland sein, weder von Staats wegen noch seitens der Bevölkerung …
Spielt an dieser Stelle wirklich keine Rolle 🙂 . Mit dem Bleiben der angeworbenen Gastarbeiter und deren Familien aus Südeuropa und der Türkei sowie der grosszügigen Flüchtlingsaufnahme während der Balkankriege plus der seit mehr als einem Jahrzehnt jährlich hundertausenden Migranten wurden wir ein de facto Einwanderungsland. Die einzige Chance, das zu vermeiden, wären Massenausweisungen gewesen – und das wollten wir nicht, case closed. Man kann nicht alles haben.
Nur ist das in der heutigen Situation irrelevant. Auch als Einwanderungsland, cf Kanada, wären wir mitnichten gezwungen, alle die zu begrüssen, die zu uns wollen, sondern nur die, die wir hier haben wollen. Auch die heiss diskutierte Frage also, ob wir ein Einwanderungsland sind, betrachte ich als Nebelkerze – viel Gelaber, keine Folgen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ob Deutschland Einwanderungsland sein wollte oder nicht ist in der Tat irrelevant. Aber ob die Politik, Buerokratie und die Gesellschaft das einsieht oder nicht ist in der Tat relevant. Beispielsweise fuer die Disskussion ob und ab wann Flüchtlinge hier arbeiten dürfen.
Ich glaube, diese Glorifizierung Kanadas ist auch nur beschränkt hilfreich. Wenn ich das richtig sehe, haben die ihre eigenen Probleme auf dem Gebiet. Gras ist halt auf der anderen Seite immer grüner.
@ Stefan Sasse
Immer wieder interessant zu sehen, wie anders Dein Blickwinkel auf die Welt ist als meiner …
Nun gut – zum Thema:
Er ignoriert zudem, dass die beliebtesten Ziele der Migrant*innen Großbritannien und die USA sind, die beide nicht eben für ihr Sozialsystem berühmt sind.
Du hast eine Kategorie von Flüchtlingen, die in Angelsächsische Länder wollen, eine andere, die es nach Europa zieht. Die beiden Gruppen haben so wenig gemein miteinander wie ein indischer Ingenieur, der sich in den USA eine Existenz aufbauen will, und ein kolumbianischer Koka-Farmer, der sich durch Mittelamerika kämpft und das Gleiche anstrebt.
Die Sache ist viel einfacher gelagert: der größte Pullfaktor Europas ist unser Bruttoinlandsprodukt.
Nur weil das einer behauptet, wird es nicht wahr. Es sei denn, dass Du unser „Bruttoinlandsprodukt“ mit „reicher Staat mit vielen Sozialleistungen“ gleichsetzt. Niemand der Geflüchteten kennt das Bruttosozialprodukt von Europa. Aber wenn sie erstmal in Europa sind, wollen sie dann doch nach Deutschland.
Die Vorstellung also, dass ein Umstellen auf Sachleistungen für Geflüchtete … die Attraktivität Deutschlands bei Menschen, die aus Bürgerkriegsgebieten in Zentralafrika flüchten, nennenswert beeinflussen würde, ist völlig absurd.
Zustimmung
Das führt ihn genau die nächste rechte Lebenslüge dieser Debatte, nämlich, dass diese Menschen nicht flüchten würden, wenn Europa nicht so attraktiv wäre, sprich, dass sie „Wirtschaftsflüchtlinge“ seien. Menschen, die eine unglaublich gefährliche Reise quer durch einen sowohl politisch als auch klimatisch hochgradig gefährlichen Kontinent auf sich nehmen, tun dies nicht vorrangig, weil sie auf mehr Geld hoffen. Sie tun es, weil sie um ihr Leben fürchten.
Da reicht mir die Behauptung nicht aus. Wenn Dörfer ihre Gelder zusammenlegen, um einen der ihren nach Europa oder Deutschland zu schicken, geht es um ein besseres Leben (vulgo: Wirtschaftsflüchtling“).
Eine weitere Lebenslüge auf der Rechten ist die Vorstellung, man sei ja gar nicht gegen Migration, da man eigentlich Fachkräfte ins Land locken wolle.
Quatsch. Ich habe da klare Vorstellungen.
… die ausländischen Fachkräfte müssen ja im Ausland überhaupt erst zu Fachkräften gemacht werden, was selbiges Ausland große Summen in der Investition ins Bildungssystem abverlangt. Genau diese Summen wollen wir dann kostenlos abschöpfen, indem wir den anderen Ländern zwar sämtliche Kosten aufbürden, dann aber die Früchte ernten wollen.
Ja, natürlich. Besser als andersrum, dass wir alle ungebildeten fit machen und sie wieder zurückschicken …
Viele hoch und gut ausgebildete deutsche Fachkräfte wandern in die USA aus. Die USA sagen „Danke“, und gut ist.
Dann sind Fachkräfte auch Lkw-Fahrer, Leute auf dem Bau, Krankenpfleger etc. Die „Rechten“ erwarten keinesfalls, von Doktoren und Ingenieuren überflutet zu werden.
Am besten gehen die Fachkräfte dann mit Erreichen des Renteneintrittsalters direkt in ihre Ursprungsländer zurück und beantragen niemals Zahlungen. Die gehen oft zurück, und beantragen Zahlungen. Haben sie die Ansprüche erworben, warum nicht.
Warum aber genau im Ausland massenhaft für den deutschen Arbeitsmarkt brauchbare Fachkräfte ausgebildet werden sollten, die dann quasi als Überschuss zur Migration zur Verfügung stehen, konnte nie geklärt werden – …
Falsche Sicht. Nicht „das Ausland“. Es sind einzelne Menschen, die kommen, in der Regel, weil sie sich ein besseres Leben wünschen. Ansonsten mag es Gesellschaften geben, in denen mehr Menschen wohnen, als man versorgen kann. Da fliegen dann Außenministerin und Wirtschaftsminister hin und werben um Fachkräfte – win/win
… und noch viel weniger, warum sie ausgerechnet nach Deutschland kommen sollten.
Vielleicht, weil es hier mehr Geld für weniger Leistung als sonst in der Welt gibt? Die, die so gut gebildet sind, dass sie überall gut über die Runden kommen, gehen in ein angelsächsisches Land.
Ja, dafür machen wir das hier ja 😀
Ok, das mögen tatsächlich unterschiedliche Gruppen sein, da hast du Recht. Das ist ein ziemlicher oversight von mir.
BIP war ja auch nur eine Metapher für „Europa ist reich“, die konkrete Zahl interessiert niemand. Ich kenn die nicht mal.
Ja, aber mein Punkt ist, dass die Leute AUCH aus wirtschaftlichen Motiven flüchten – aber eben AUCH aus Angst um Leib und Leben. Both can be true!
Es bezieht sich ja auch nicht auf dich als Person sondern allgemein.
Die genannten Fachkräfte sind es in der Debatte ja eben nicht, das sieht man immer wieder. Dabei bräuchten wir die auch.
Wie gesagt, ich glaube, das gibt es nicht in nennenswerter Zahl.
Aber ist das denn so?
Danke für den Artikel, würde hier vielleicht noch ergänzen, dass sich hier – wie so oft – Migration mit ausländisch aussehenden Menschen (die häufig gar keine Ausländer mehr sind) immer vermischen und komplett unter Migration abgehakt wird.
Und meistens vermeide ich solche Diskussionen schon, weil sie das Problem haben – wie Pirat drüben schrieb – eher von Zahlenmassen auszugehen als von individuellen Menschen und pragmatischen Lösungen
die Attraktivität Deutschlands bei Menschen, die aus Bürgerkriegsgebieten in Zentralafrika flüchten, nennenswert beeinflussen würde, ist völlig absurd.
Ich hasse diese Diskussion um Pull-Faktoren bei jeder Kleinigkeit. 1. ignoriert sie die Push-Faktoren und beim kleinsten Nachdenken fällt ja auf, dass die gewaltig sein müssen, wenn Leute eine horrende Summe hinblättern, um unter Lebensgefahr den Kontinent zu durchqueren und sich dann noch in ein seeuntüchtiges Schlauchboot zu setzen. Das setzt mehr Motivation voraus als ein bisschen mehr Geld in der Lohntüte.
2. Sie verhindert jeden praktischen Ansatz, Dinge zu verbessern. Selbst wenn es um eigentlich unhaltbare Zustände geht wie das Campen vor der Ausländerbehörde (was sowohl indische Topingenieure als auch afrikanische Bürgergeldempfänger müssen), kommt jemand daher und verteidigt das, damit kein Pull-Faktor entsteht.
Eine weitere Lebenslüge auf der Rechten ist die Vorstellung, man sei ja gar nicht gegen Migration, da man eigentlich Fachkräfte ins Land locken wolle.
Hier würde ich auch gerne noch unsere Twitterdiskussion mit reinholen mit der Frage, ob Flüchtlinge eine Ausbildung haben oder nicht. Und häufig haben sie keine bzw keine, mit der sie etwas anfangen können. Programmierer sind da zb schon sehr speziell.
Aber um das mal umzudrehen: meine baldige kaufmännische Ausbildung wäre im Senegal mit Amtssprache Französisch und ohne DIN-Normen komplett nutzlos. Ich müsste da genauso kellnern wie ein senegalesischer Bürokaufmann hier. Und das betrifft ja gerade die Masse zwischen Hilfskräften und Topleuten in Berufen, in denen international (sprich englisch/amerikanisch) gearbeitet wird. Ist zum Beispiel auch ganz häufig, dass jemand schon was Handwerkliches (oder zb Pflege) gelernt hat, aber die Ausbildung wird hier nicht anerkannt und dann wird der schulische Teil als nicht schaffbar eingestuft, weil man dafür schon sehr sehr gut Deutsch können muss, und den Level bekommt man selbst bei bestem Willen nicht auf die Schnelle.
„afrikanische Bürgergeldempfänger“
Asylbewerber-Leistungsgesetz. Ich geh davon aus, dass Dir das bekannt ist – den meisten wohl nicht. Erinnere mich an eine Diskussion schon vor vielen Jahren mit einem Kollegen (Lehrer in leitender Funktion), der ganz überrascht war, als er die Info von mir bekam. Und neu nachdachte.
Jep danke. Ging mir jetzt nur um die „Klassenunterschiede“ und dass häufig Dinge, die unter „Pull-Faktoren vermeiden“ laufen, dann genauso den indischen Programmierer treffen, der ja mühsam angeworben werden soll.
Volle Zustimmung, danke!
@ Ariane 6. Oktober 2023, 00:40
… weil sie … eher von Zahlenmassen auszugehen als von individuellen Menschen und pragmatischen Lösungen
Nun ja. Kommt einer, kann ich ihn individuell behandeln. Kommen Hunderttausende, geht das eben nicht mehr.
… 1. ignoriert sie die Push-Faktoren …
Das ist aus meiner Wahrnehmung gleichermaßen richtig und falsch.
Zustimmung dahingehend, dass der maßgebliche Auslöser für den Reisebeginn wohl eher die Zustände vor Ort sind; niemand sitzt dort vor einer Excel-Tabelle und vergleicht die Sozialleistungen der Welt, um sich dann das passende Land auszusuchen. Auch glaube ich, dass alle, die sich auf den Weg machen, mit der Intention die Reise, sich am Zielort durch eigene Arbeit eine neue, bessere Existenz aufzubauen. Niemand, der loszieht, ist sich wirklich in vollem Umfang der Gefahren und Risiken bewusst, die auf ihn warten.
Ablehnung dahingehend, dass diese Menschen, so sie in Europa ankommen, sehr schnell verstehen, das ihre Fähigkeiten hier wenig weiterhelfen, dass es aber dieses ihnen bislang unbekannte Wunder Sozialhilfe gibt. Es muss einen Grund haben, dass die meisten Menschen, die aus Afrika in Europa ankommen, wissen, dass sie nach Deutschland wollen, um dort Asyl zu beantragen.
Letztendlich ist das unser Problem: Nicht, dass wie viele Menschen aus Afrika auch immer ein besseres Leben anstreben, sondern dass sie es bei uns auf unsere Kosten tun, und dass unsere Strukturen und Finanzen nicht (mehr) in der Lage sind, das zu bewältigen. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass der Exodus aus Afrika gerade erst beginnt; er wird sich in den nächsten Jahrzehnten deutlich steigern.
Ich glaube, die Unterscheidung ist nicht so einfach. Stefan hat ja recht, Deutschland ist beliebt, weil Deutschland ein tolles Land zum Leben ist. Hohe Wirtschaftsleistung, stabil, hohe Standards. Die Bürokratie ist nervig, aber immerhin arbeiten die Leute, ohne dass man sie schmieren muss. Der größte Nachteil ist die Sprache (weswegen bei vielen Afrikanern zb Frankreich noch beliebter ist)
Deswegen ist es imo ein unmögliches Unterfangen, Deutschland unbeliebt zu machen, außerdem hat es ja mehrere Seiten. Wir haben gute Sozialleistungen, aber ebenso Unterstützung die Menschen zu befähigen, auf eigenen Beinen zu stehen. Die Idee, den Leuten nur Kohle zu geben und fertig – ist ja schon lange weg.
@ Ariane 7. Oktober 2023, 16:08
… Deutschland ist beliebt, weil Deutschland ein tolles Land zum Leben ist. …
Ich stimme Dir da ja zu.
Was mich grundsätzlich stört, ist, dass in der Regel so getan wird, als diskutiere man darüber, diese Form von Einwanderung zu
wollenoder eben nicht zu wollen.Für mich geht es darum, ob es überhaupt möglich ist, und nach allem, was ich sehe, glaube ich das nicht; zu viel wird falsch gemacht. Mit dem Ergebnis, dass wir unser Land von innen gewaltig schwächen und uns Wege verbauen, es von außen zu stärken.
Ich stell das mal extra, weil wir das Thema hier einige Male hatten, die Tagesschau hat gerade einen Übersichtsartikel zu Leistungen:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/sachleistungen-asyl-100.html
tldr: Wichtig ist die Unterscheidung: das Asylbewerberleistungsgesetz gilt für das schwebende Verfahren (das ja mitunter arg lange dauern kann) und für Leute, bei denen Asyl abgelehnt, aber in eine Duldung umgewandelt wurde. (ist mir da erst aufgefallen, Merz spricht immer von abgelehnten Asylbewerbern, aber es gibt keinen Unterschied bei den Leistungen, ob gestern beantragt oder jemand, der geduldet ist).
Außerdem können Bundesländer/Kommunen schon jetzt auf mehr Gutschein/Sachleistungen setzen, zumindest erlaubt das Gesetz es. Totale Phantomdiskussion.
Überhaupt Merz: Ob abgelehnte oder nicht-Asylbewerber hat er immer noch nicht drauf, aber irgendjemand hat ihn jetzt über den Fakt informiert, dass nach 18 Monaten umgestellt wird auf die normale gesetzliche Kranken-Grundversorgung (was immer noch nicht „sofort Termin bekommen und Zähne machen lassen“ heißt) und den Zeitraum möchte er jetzt doch bitte auf 3 Jahre erweitern. Um die unkontrollierte Zuwanderung in deutsche Zahnarztpraxen zu unterbinden.
btw den Zeitraum von 18 Monaten kannte ich auch nicht und finde den übrigens empörend lang (das betrifft ja logischerweise sämtliche gesundheitliche Versorgung)
Danke!
Wenn jetzt EU-einheitliche Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen gefordert wird, wäre es hilfreich zu wissen, wie vergleichbare Länder das handhaben.
Eine kurze Google-Recherche zeigt in der Tag große Unterschiede. Ähnlich wie bei uns ist (war?) Schweden und Österreich. Wesentlich schlechter Griechenland und Italien. Dazwischen Frankreich und Spanien: Unterkunft und Basis-Gesundheit, keine Schule für Kinder, Taschengeld 50 bzw. 210 Euro.
Stimmt das (Google KI nicht immer verlässlich). Weiß jemand da mehr?
@ Ariane 6. Oktober 2023, 14:14
Überhaupt Merz …
Ich muss ja zugeben, dass ich seine Ansätze sehr gut fand, solange er sich auf Wirtschaft- und Finanzthemen kaprizierte und als Gegenstück zu einer (aus meiner Wahrnehmung) verachtenswert tatenlosen und schädlichen Kanzlerin Merkel agierte.
Mit seiner Zahnarzt-Behauptung hat er es aber nicht nur geschafft, die AfD populistisch und rassistisch rechts zu überholen, sondern eben auch bewiesen, dass er außer Wirtschaft NICHTS drauf hat. Was für ein Blödmann, was für ein Riesen-Flop als Parteichef …
Volle Zustimmung.
Jep, gerade mit dieser Instabilität, die er in die Partei reinträgt, hätte ich gar nicht gerechnet.