Migration ist ein Dauerthema in der deutschen Debatte. Das ist nicht erst seit 2015 der Fall; mindestens seit Beginn der 1990er Jahre treibt die Furcht vor Zuwanderung Zyklen oft rassistisch konnotierter Hetze, die die allzu oft von realen Gewaltausbrüchen begleitet werden. Die dazugehörigen Debatten wirken zirkulär: von linker und progressiver Seite werden die Menschenrechte, die Leistungsfähigkeit und Aufnahmefähigkeit Deutschlands allgemein und der deutschen Sozialsysteme im Besonderen sowie das Leiden der Betroffenen betont, während von rechter und konservativer Seite die Belastung eben dieser Sozialsysteme, die Befürchtung von „Überfremdung“ und die mangelnde Integrationsfähigkeit der Betroffenen betont werden. Innenpolitisch sind diese Debatten in einen Aufstieg des Rechtsradikalismus eingebunden, für den sich Rechts und Links gegenseitig die Schuld zuschieben. Der aktuelle Zyklus dieser Debatte macht darin keine Ausnahme. Die einzige Hoffnung, die man aus dem Blick zurück auch vorherige Zyklen schöpfen kann, ist, dass das Thema üblicherweise irgendwann von alleine wieder verschwindet. Angesichts der Flurschäden ist das allerdings ein geringer Trost.
Ich selbst bin bei diesem Thema wie bei so vielen Themen auf einer Reise. Beginnen 2015 und für viele Jahre war ich klar in der „Refugees Welcome“-Ecke. In der letzten Zeit allerdings habe ich mich darauf Stück für Stück wegbewegt und kann mit der entsprechenden Rhetorik immer weniger anfangen. Ich merke das auf Twitter, wo ich entsprechende Tweets häufiger in die Timeline gespült bekomme. Der erklären Linke aller Schattierungen, dass die Geflüchteten zahlen ja gar nicht so hoch seien, dass Deutschland ein reiches Land sei, das grundsätzlich alle ins Land kommenden Menschen versorgen könnte, und so weiter.
Doch bevor wir in die politische Auseinandersetzung über die Migrationsfrage gehen, sollten wir zuerst einmal die Rahmenbedingungen abklären. Die moderne Migrationsdebatte hat ihren Ursprung in den frühen 1990er Jahren, als die Zahlen der Asylsuchenden im Kontext des Zerfalls Jugoslawiens massiv anstiegen. Diese Entwicklung fiel zeitlich zufällig mit der Wiedervereinigung zusammen. Dies ist insofern relevant, als dass der deutsche Ansatz traditionell darin besteht, die Asylsuchenden dezentral unterzubringen. Diese Prämisse der deutschen Asylpolitik wird uns später noch einmal begegnen, besorgte aber in dem Fall für einen plötzlichen Influx von Migrant*innen in ländliche Regionen in Ostdeutschland, die bisher dank der Ghettoisierungspolitik der SED für ihre eigenen „ausländischen Vertragsarbeiter“ (und deren relativ geringe Zahl) keine Berührungen mit migrantischen Menschen hatten.
Die Zunahme von Asylanträgen fiel zudem in eine Zeit, die von wirtschaftlicher Krise und hohen Kosten des Einheitsprozesses gekennzeichnet war und damit anders als die Zeit der Ankunft der Gastarbeitenden nicht mit einer wirtschaftlichen Boomphase zusammenfiel. Der Diskurs war daher ein krisenhafter. Die gesellschaftliche Dimension dieser Krise fand ihren offensichtlichsten Ausdruck in dem berüchtigten Spiegeltitel „Das Boot ist voll“, der auf ein verbreitetes Gefühl der Überforderung hindeutete. Weniger bekannt aber für das Verständnis der politischen Auseinandersetzung elementar ist die politische Dimension der Krise (politisch im Sinne der Polity), deren Dimension bis heute ungelöst ist und auch in den Jahren 2015ff. für dauerhafte Konflikte sorgte: da die Geflüchteten und/oder asylsuchenden Menschen auf die Kommunen verteilt wurden, trugen diese die Last der Versorgung und Integration. Da allerdings die Kommunen durch die andauernde Krise des föderalen Systems zu großen Teilen überschuldet und wenig handlungsfähig waren, war auf dieser Ebene die Rede von einer Flüchtlingskrise tatsächlich mehr als zutreffend, bin gleich die Gesamtbelastung relativ zum Bruttoinlandsprodukt überschaubar war.
Diese Gemengelage führte zum Asylkompromiss von 1993. Die damit einhergehende Grundgesetzänderung verschärfte die Kriterien für das Asyl in Deutschland stark, verteilte aber auch die Last zwischen Bund, Ländern und Kommunen um (wie sich in der Folgezeit herausstellen sollte: nicht nachhaltig). Diese strukturelle Reform war das Anliegen der SPD gewesen, deren Zustimmung im Bundesrat und für die Grundgesetzänderung zwingend notwendig gewesen war. Soweit zur politischen Übersicht. Diese generellen Konfliktlinien haben sich bis heute wenig geändert. Sie konnten in der Krise von 2015 erneut begutachtet werden, als Bayern die Hauptlast der Ankommenden tragen musste und die Verteilung auf die Kommunen diese danach erneut belastete, erneut – oder immer noch – in einer Zeit, in der die kommunalen Kassen weitgehend leer waren. Diese Verteilungsfrage ist bis heute ungelöst und ein wenig diskutierter Grund für Lokalpolitische Erfolge der Rechtsradikalen.
Sowohl in den frühen 1990er Jahren als auch heute ging die ganze Debatte mit einem Aufstieg des Rechtsradikalismus einher. Damals waren es die Republikaner, die in Landesparlamente einzogen (besonders viel diskutiert Baden-Württemberg 1994) und vereinzelt Achtungserfolge erzielten. Stärker im Gedächtnis geblieben ist die rechtsradikale Gewalt, die sich in Lichtenhagen und Hoyerswerda pars pro toto Bahn brach. Auffällig war damals der Tenor besonders der Bürgerlichen, aber auch der Sozialdemokraten, der diese rechtsradikalen Gewaltausbrüche als legitime Anzeichen des Volkszorns betrachtete, eine Sichtweise, die Bundespräsident Steinmeier jüngst in einer Rede reproduzierte.
Die aktuelle Krise beruht auch auf einer außenpolitischen Systemkrise: nicht nur ist der Föderalismus weiterhin nicht in der Lage, die Zuständigkeiten Verantwortlichkeiten zu regeln; dieses Problem reproduziert sich auch auf Ebene der Europäischen Union. Das ist nichts grundlegend Neues: seit deutlich über einem Jahrzehnt befindet sich das sogenannte Dublin-System unter Druck. In der Theorie sind unter diesem System die Länder an der europäischen Peripherie für die Abwehr, Aufnahme und Versorgung von Asylsuchenden und Geflüchteten zuständig, ohne dass dem ein europäischer Ausgleichsmechanismus zur Seite gestellt worden wäre. Ein solcher wird von den Ländern an der Peripherie seit mittlerweile sicher 15 Jahren gefordert und von den nicht betroffenen Ländern ebenso lange abgelehnt.
Dies führte zu verschiedenen Iterationen europäischer Flüchtlingspolitik: So rettete etwa die italienische Küstenwache um 2013 herum im Rahmen der Operation „Mare Nostrum“ noch zahlreiche Geflüchtete, eine Praxis, die sie auch auf deutschen Druck (vor allem seitens Thomas de Maizières) hin aufgab. Seither wurde die Grenzschutz Organisation Frontex deutlich gestärkt und erhielt zusätzliche Kompetenzen, während sie gleichzeitig ihre Zusammenarbeit mit den Küstenwachen und Grenzschutzorganisationen der peripheren EU-Mitglieder verstärkte, etwa die italienischen Carabinieri. Interessierten sei hier der Podcast „Zehn Jahre Lampedusa“ empfohlen, der diese Änderungen nachzeichnet.
Deutschland, das sich dem Ruf dieser peripheren EU-Mitgliedsländer nach einer europäischen Lösung lange widersetzt hatte, ich spürte den Druck dieser Entwicklungen bis 2015 praktisch überhaupt nicht. Seither versucht es, einen europäischen Verteilungsmechanismus zu finden, der sämtliche Mitgliedstaaten einschließt, was angesichts der Verweigerungshaltung vor allem Polens und Ungarns ein völliges Luftschloss ist. Auch der Kompromissvorschlag, dass Mitgliedsländer sich von ihren Aufnahmeverpflichtungen durch monetäre Ersatzleistungen freikaufen können, hat bisher wenig Erfolg. Einigen konnte sich die EU lediglich auf weitere Mittel für Frontex, Versuche der Abwehr von Geflüchteten vor allem durch Zusammenarbeit mit den Staaten an Europas Grenzen und Verschärfungen der rechtlichen Lage, die die Rechte von Asylsuchenden empfindlich beschnitten. Dies allerdings ist, was wohl niemand bezweifeln wird, Symptombekämpfung. Die viel beschworene Bekämpfung von Fluchtursachen bleibt weiterhin ein Desiderat, für das nicht einmal ansatzweise Konzepte zur Verfügung stehen und das vom Gehalt der Ernsthaftigkeit ungefähr auf demselben Niveau rangiert wie Bekenntnisse zur Wichtigkeit von Bildung im innenpolitischen Diskurs.
An dieser Stelle dreht sich der Diskurs permanent um sich selbst. Von links wird der Rassismus kritisiert, auf das Grundrecht auf Asyl verwiesen, die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft betont und eine Wiederauflage von „Wir schaffen das“ gefordert, die sämtliche demokratischen Parteien einschließen und das Thema auf diese Art und Weise befrieden soll. Von rechts der Rechtsbruch der Seenotretter*innen betont, auf die wirtschaftlichen Motive von Geflüchteten verwiesen, die Sicherung der Grenzen eingefordert Cortana und die Gefahr einer Überforderung von Volkswirtschaft und Sozialsystemen beschworen. Dummerweise sind beide Seiten dabei nicht in der Lage, eine Lösung dieser Situation anzubieten.
Stattdessen sind sich beide darin einig, dass der zunehmende Rechtsradikalismus auf die jeweils andere Seite zurückzuführen sei.
Aus linker Sicht würde die AfD schon dann verschwinden, wenn CDU und FDP sich bei SPD, LINKEn und Grünen einhakten und erklären würden, dass wir sämtliche Geflüchteten versorgen können, weil unsere Volkswirtschaft dazu die Mittel habe, was aber nicht einer Forderung nach Open Borders gleichkomme, ohne dass der genaue Unterschied je erklärbar wäre. Der Rechtsradikalismus ist in dieser Erzählung deswegen so stark, weil von bürgerlicher Seite kein Bekenntnis zu progressiven Werten erfolge.
Aus rechter Sicht lässt sich die AfD dadurch am besten bekämpfen, dass man die Grenzen weitgehend dicht macht, das Recht auf Asyl zurückschneidet, die Leistungen für im Land befindliche Menschen drastisch zurückschneidet und somit die „Anreize“ für eine Flucht nach Deutschland reduziert, ohne dass je klar wäre, worin hier eigentlich der Kategoriale Unterschied zu der AfD genau bestehen soll. Der Rechtsradikalismus ist in dieser Erzählung deswegen so stark, weil die Progressiven unbegrenzt Menschen ins Land lassen wollen.
Diese Erzählungen enthalten beide mehr als nur einen Korn Wahrheit, was das Bittere an der gesamten Angelegenheit ist. Gleichzeitig bilden sie eine Sackgasse für einen selbstreferentiellen Diskurs, der außer Rituellem anschreien der jeweiligen Gegenseite und dem Erheben drastische Vorwürfe wenig zu bieten hat. Ich will im Folgenden näher untersuchen, woher die jeweiligen Eindrücke stammen, welche Politiken tatsächlich verfolgt werden und welche Konsequenzen diese haben. Ich bin der Überzeugung, dass ein tatsächlicher Kompromiss ein Neudenken der Migrationspolitik generell erforderlich macht, das aktuell in keiner Partei zu finden ist, dessen Grundlagen allerdings in verschiedenen Formen bereits existieren. Gleichzeitig muss leider auch festgestellt werden, dass der Diskurs von Lebenslügen durchzogen wird, die sich seit vielen Jahren verfestigt haben und schwer aufzugeben sind. Einigen davon bin ich selbst lang genug angehangen. Ich will nicht behaupten, irgendeine Art von Muster Lösung für das Problem zu haben, sondern will eher mögliche Wege diskutieren, in der Hoffnung, dass ein solcher Weg tatsächlich einen Ausweg darstellt – schon allein, weil es einen Unterschied zur festgefahrenen aktuellen Situation wäre, die offensichtlich nicht wünschenswert ist.
Noch ein letztes Wort zur politischen Debatte an sich: ich bin durchaus der Überzeugung, dass ein großer Teil der Attraktivität der AfD der Prävalenz des Migrationsthemas geschuldet ist. Wenn es durch ein anderes Thema aus den Schlagzeilen verdrängt würde und die Republik nicht ständig darüber reden würde, verlöre die AfD mit Sicherheit an Zustimmung. Nur lässt sich dieses Verschwinden des Themas ja nicht mandatieren. Ich gehe davon aus, das ist durch andere Ereignisse so oder so irgendwann abgelöst werden wird, dass dies allerdings vermutlich zu spät und nur mit großen Flurschäden eintreffen wird.
Weiter geht es in Teil 2.
Danke fuer den ersten Teil. Nur ein paar Anmerkungen.
Die „Getthoisierung“ von Vertragsarbeiten in der DDR, war in der BRD nicht viel anders. Auf Integration wurde keinen Wert gelegt, die Gastarbeiter blieben unter sich und die Arbeit an den Fliessbaendern in Wolfsburg wurde auf italienisch organisiert.
Der Text liest sich etwas, als waere das Hauptproblem von Migration fuer Deutschland der Aufstieg der AfD und Rechte und Linke streiten sich, wie man das Problem am beste bekaempft. Vielleicht denken manche Politiker wirklich so, aber in der Bevoelkerung spielt das eher eine untergeordnete Rolle. Viele Menschen haben Angst vor Ueberfremdung, erhoehter Kriminalitaet, steigender Kosten, negativen Folgen auf die Wirtschaft, Verfall ihrer Kultur oder „rassischer Durchmischung“. Andere Menschen halten diese Aengste fuer unbedeutend, unbegruendet oder Quatsch und stellen heraus, dass man Menschen in Not helfen muss und Deutschland auch die Wirtschaftskraft hierfuer aufbringen kann.
In den 90er sind die Neonazis mit ihrem Gedankengut besonders im wirtschaftlich kaputten Osten auf fruchtbaren Boden gestossen. Viele Menschen erinnern sich auf die Anschlaege gegen Asyleinrichtungen in Solingen, Moelln oder Rostock. Wo ich aufgewachsen bin, wurden aber auch chinesische Studenten oder internationale Sportler verpruegelt, offensichtlich aus rein fremdenfeindlichen Motiven.
Korrekt, aber die DDR hat die mWn wesentlich bewusster abgeschottet als die BRD.
Ich halte es für eine Fehlwahrnehmung, dass das eine untergeordnete Rolle spielen würde, tatsächlich.
Ja.
Verständnisfrage (von mir als Westgewächs), gab es in der DDR die politische Absicht, die Gastarbeiter einzubürgen, odet waren es Zeitarbeiter, oder war das Entwicklungshilfe?
@Wolf-Dieter Busch
Die DDR hatte Vertraege mit anderen sozialistischen Laendern (Vietnam, Angola, Mozambik …). Diese haben dann Arbeiter fuer einen begrenzten Zeitraum (3 Jahre) in die DDR geschickt. Und der Lohn floss zum Teil direkt an das Land und wurde vom Heimatland dann an die Arbeiter ausgezahlt. Ich glaube offiziell war der Austausch hauptsaechlich zur Ausbildung gedacht.
Das Geld haben die natürlich nie gesehen, by the by. Die klagen immer noch vor deutschen Gerichten auf Entschädigung.
Die waren auf Zeit da, üblicherweise 7 Jahre. Einbürgerung, Integration oder Kontakt waren explizit unerwünscht.
Es gab auch Studenten. Mein aktueller Kollege Hai zum Beispiel. Als Vietnamese in der zweiten Hälfte der 80er irgendwo in Sachsen Informatik studiert und nach der Wende in der Bundesrepublik geblieben. Der ist jetzt um die 60. Ist mein zweiter Kollege mit so einem Lebenslauf.
„Aus rechter Sicht lässt sich die AfD dadurch am besten bekämpfen, dass man die Grenzen weitgehend dicht macht, das Recht auf Asyl zurückschneidet, die Leistungen für im Land befindliche Menschen drastisch zurückschneidet und somit die „Anreize“ für eine Flucht nach Deutschland reduziert“
Ich bin sehr gespannt, wo an dieser Stelle „mehr als ein Korn Wahrheit“ drinstecken soll.
Es gibt schlichtweg keine Maßnahmen, welche über Symbolpolitik hinausgehen – LdN350 hat das ausführlichst analysiert.
Und mir kann keiner erzählen, dass bei einer Beschneidung der Leistungen oder einer „Bezahlkarte“ die Rechnung „wage ich den Weg übers Mittelmeer oder nicht“ signifikant anders ausgehen würde.
Es gibt schlichtweg keine Maßnahmen, welche über Symbolpolitik hinausgehen …
Das ist exakt der Grund, warum niemand in der politischen Mitte und Rechten den Linken irgendeine Beteuerung abnimmt, sie wollten doch keine unbegrenzte Zuwanderung. Ihre Nicht-Handlungen erzählen die gegenteilige Geschichte. Alles andere ist Lippenkosmetik.
Gruss,
Thorsten Haupts
Worauf willst du raus?
@ Stefan Sasse 4. Oktober 2023, 14:11
Worauf willst du raus?
Erinnere Dich an unsere Diskussionen. Damals war Dein Standpunkt, dass man zwar nicht unbegrenzt aufnehmen kann, aber jeder Frage nach einer Obergrenze oder einer Beschränkung wurde von Dir mit einem Verweis auf das bestehende Recht auf Asyl zurückgewiesen.
Unser Recht sagte zwar auch, dass das Asylrecht nur für Fälle gelte, in denen die Reise aus einem nicht sicheren Land erfolgt, was uns rein theoretisch in die bequeme Lage versetzt hätte, JEDEN Flüchtling zurückzuweisen. Aber das hast Du wiederum auch nicht gelten lassen, weil „Dublin tot“ sei.
Wenn also jede Begründung für eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen (z.B. Belastung des Sozialstaats) zwar grundsätzlich akzeptiert, aber jede Maßnahme zu einer Reduzierung abgelehnt wird, ist jede Beteuerung, Flüchtlingszahlen reduzieren zu wollen, nur Gerede.
Das Gleiche passiert jetzt mit dem Verweis auf Europa. Zwar werden hier offiziell Regeln beschnitten, aber das Gros der Flüchtlinge landet immer noch in Deutschland. Wer immer in Italien oder Griechenland ankommt, wird unregistriert durchgewunken. Italien beispielsweise (60 Mio. Einwohner) nimmt weniger Flüchtlinge auf als Österreich (9 Mio. Einwohner). Da aber alle Kameras auf Lampedusa gerichtet sind, denkt man, was Wunder da für ein Theater ist. Ja, auf Lampedusa, aber Italien macht sich wie praktisch jedes andere europäische Land außer Deutschland, Luxemburg oder Portugal einen schlanken Fuß.
Wer eine europäische Verteilung anstrebt und bis dahin wie bisher weitermachen will, hat offenbar an einer Reduzierung der Flüchtlinge nach Deutschland kein Interesse (oder ist zu feige, Verantwortung zu übernehmen). An der Stelle glaube auch ich nur noch, was ich sehe, und nicht mehr, was verkündet wird.
Ja, bin ich bei dir.
Die Migrationskrise ist letztlich auch ein Musterbeispiel für mangelnde europäische Solidarität: Schon in den 90ern war absehbar das Griechenland und Italien und mit Einschränkungen Spanien und Frankreich die Hauptlast der Migration zu satteln hatten, sie waren nicht Wunschziel der (illegalen) Migranten sehr wohl aber Ankunftsort. Leider unternahmen die Regierungen in den Nordländern zu wenig, um die Länder wirksam zu unterstützen / zu entlasten und so fraß sich die die zunehmende Flüchtlingsfeindlichkeit von Süd nach Nord. Die Erschütterungen des arabischen Frühlings und die Schockbewegungen des syrischen Bürgerkriegs ließen das Dublinsystem kollabieren. Und noch immer findet Europa hier keinen gemeinsamen Weg – ein Trauerspiel.
Hallo Stefan,
Was mir an Deiner Einführung fehlt, ist die klare Unterscheidung zwischen Flüchtlings-Zuwanderung aus Asyl-und Schutzgründen und Einwanderung in den Arbeitsmarkt, um sich hier eine Existenz aufzubauen. Ein (aus meiner Sicht) weiterer großer Fehler ist, dass man den Blickwinkel auf die zu- und Einwanderungssituation immer für sich betrachtet, bzw. als Einfluss auf eine in sich geschlossene, „gesunde“ Gesellschaft. Aber unsere Gesellschaft ist seit 40, 50 Jahren auf dem Weg in die Überalterung.
Helmut Schmidt bezeichnete im Rückblick den Punkt, dieses Problem übersehen zu haben, als den größten Fehler seiner Regierungszeit; Helmut Kohl und Norbert Blüm war die Situation aber bereits deutlich bewusst. Ihre Reaktion war jedoch nur, den Rentnern Sicherheit zu versprechen, aber das Problem wurde weggedrückt. Hätte man schon in den 90er Jahren angefangen, sich kommunikativ vorsichtig zu öffnen, wäre die Wahrnehmung eine andere.
Auch, dass Deutschland das einzige Land der Welt mit üppigen Sozialleistungen UND hoher Flüchtlingsaufnahme ist, spielt eine Rolle. Wenn ein Flüchtling von den Ämtern gleich (bzw. meist besser) gestellt bzw. behandelt wird wie jemand, der 35 Jahre gearbeitet hat und seit zwei Jahren arbeitslos ist, darf man sich über Neiddebatten und Aggressionen nicht wundern.
Aber schauen wir mal, was die weiteren Folgen bringen.
Menschen aus aermeren Laendern kommen in die reichen Laendern weil sie sich Wohlstand erhoffen. Viele haben wahrscheinlich keine oder hoechst naive Vorstellungen, wie sie das Ziel erreichen werden. Ich denke, dass Sozialleistung hierbei kaum eine Rolle spielen. Die Menschen emigrieren zu aller erst in die Industrie-Laender, die leicht zu erreichen sind. Migranten aus Sued- und Mittelamerika ziehen nach Nordamerika. Menschen aus Afrika wollen nach Europa. Danach spielt es fuer die Auswahl des Landes eine Rolle, ob man die Sprache kann und ob es bereits eine Migranten-Community gibt.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich jemand in Nigeria auf den Weg nach Deutschland macht, nachdem er sich ueber das deutsche Sozialsystem informiert hat. Ich will aber auch nicht ausschliessen, dass Geschichten in Nigeria zirkulieren, nachdem jeder der es nach Deutschland schafft erstmal ein Auto bekommt. Solchen Maerchen kann man aber nicht entgegentreten indem man die Leistung fuer Fluechtlinge kuerzt.
@ Detlef Schulze 4. Oktober 2023, 13:08
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich jemand in Nigeria auf den Weg nach Deutschland macht, nachdem er sich ueber das deutsche Sozialsystem informiert hat.
Sag ich ja. Die Bilder mit Flüchtlingen, die Geld in den Händen hielten, gingen um die Welt. Dass das keineswegs die Realität (von Wohnungsnot, hohen Preisen, Gesetzen etc.) widerspiegelt, lässt sich nicht so einfach übermitteln. Und falls so eine Botschaft kommt, muss sie gegen Hoffnungen und Illusionen ankämpfen.
Ich will aber auch nicht ausschliessen, dass Geschichten in Nigeria zirkulieren, nachdem jeder der es nach Deutschland schafft erstmal ein Auto bekommt.
Passiert. Und falls eine gegenteilige Botschaft kommt, muss sie gegen Hoffnungen und Illusionen ankämpfen.
Solchen Maerchen kann man aber nicht entgegentreten indem man die Leistung fuer Fluechtlinge kuerzt.
Das greift, finde ich, etwas zu kurz. Für Flüchtlinge aus Afrika, Arabien oder dem mittleren Osten, die Sicherheit suchen, ist vermutlich Europa und nicht Deutschland das primäre Ziel. Wenn diese Menschen aber erstmal in Europa sind, ist auf einmal Deutschland das Ziel. Und da denke ich schon, dass in dieser zweiten Stufe das Geld eine Sogwirkung hat.
Davon abgesehen ist es irrwitzig teuer. Ein Arbeitsloser kostet den Staat schon viel Geld. Ein Flüchtling kostet ein Mehrfaches davon, weil Grundanschaffungen gemacht werden müssen, Wohnungen gesucht werden müssen, Sprachkurse und Integrationsmaßnahmen on Top kommen etc.
Genau, und die Geschichte ist halt, dass der dämliche Diskurs dieser Tage so getan hat, als würde es jemand in Nigeria abschrecken, wenn hier Zahnersatzleistungen für Asylsuchende gekappt werden. Das kommt ja nicht mal an, und selbst wenn wäre es irrelevant – oder würde auch schlicht nicht geglaubt, weil wer kann schon sagen, was von dem Unsinn alles stimmt?
Davon abgesehen ist es irrwitzig teuer. Ein Arbeitsloser kostet den Staat schon viel Geld. Ein Flüchtling kostet ein Mehrfaches davon, weil Grundanschaffungen gemacht werden müssen, Wohnungen gesucht werden müssen, Sprachkurse und Integrationsmaßnahmen on Top kommen etc.
Mal davon abgesehen, dass einem Arbeitslosen ebenfalls (teure) Weiterbildungsmoeglichkeiten bezahlt werden und, dass Sozialhilfeempfaengern auch die Wohnung bezahlt wird, kann man die Ausgaben fuer Fluechtlinge auch als Investition betrachten. Ein (Armuts-)Fluechtling der irgendwann sein eigenes Geld verdient, hilft der Wirtschaft und beseitigt den Arbeitskraeftemangel und die Investitionen die hierfuer anfangs getaetigt wurden, sind (wahrscheinlich) deutlich geringer als die Gelder, die der Staat in Menschen investiert, die in Deutschland geboren wurden (Kindergarten, Schule, Kindergeld ueber 20 Jahre).
Aber es stimmt natuerlich, dass auch fuer Investitionen in die Zukunft nur begrenzt Geld vorhanden ist. Und sie haben auch recht, dass ein Arbeitsloser in Deutschland dieser Argumentation nichts abgewinnen kann.
Alles korrekt.
@ Detlef Schulze 5. Oktober 2023, 08:14
Mal davon abgesehen, dass einem Arbeitslosen ebenfalls (teure) Weiterbildungsmoeglichkeiten bezahlt werden und, dass Sozialhilfeempfaengern auch die Wohnung bezahlt wird, …
(Fast) keine Einwände. Allerdings ist jemand mit Wohnung (selbst wenn sie vom Amt bezahlt wird) einfacher zu versorgen als jemand ohne, der sich außerdem mit Deutsch schwer tut. Wenn ich den bilden will, ist der Weg deutlich länger und kostspieliger.
… kann man die Ausgaben fuer Fluechtlinge auch als Investition betrachten.
Ein (Armuts-)Fluechtling der irgendwann sein eigenes Geld verdient, hilft der Wirtschaft und beseitigt den Arbeitskraeftemangel und die Investitionen die hierfuer anfangs getaetigt wurden, sind (wahrscheinlich) deutlich geringer als die Gelder, die der Staat in Menschen investiert, die in Deutschland geboren wurden (Kindergarten, Schule, Kindergeld ueber 20 Jahre).
versteh mich nicht falsch: Ich weiß, dass wir 300.000 bis 500.000 Fachkräfte pro Jahr brauchen, um unseren Lebensstandard und das Funktionieren unserer Gesellschaft aufrecht erhalten zu können. Ich bin ein Riesen-Verfechter für Einwanderung.
Zu Deinem Punkt: Genauso sinnvoll könnte man auflisten, wie viele Menschen in Lohn und Brot sind, um diese Flüchtlinge zu betreuen (Steuerzahler! 🙂 ). Aber das ist natürlich unsinnig, da diese Menschen aus Steuergeldern bezahlt werden.
Die Menschen, die sich hier eine Existenz aufbauen, gehen in weiten Bereichen in eine prekäre Beschäftigung (für mehr reichen Bildung und Sprachkenntnisse oft nicht), oder gehen in die Schattenwirtschaft und werden unter der Hand bezahlt. Nur wenige werden so erfolgreich sein, dass sie vom Aufwendungen der öffentlichen Hand unabhängig werden.
Die, die wirklich aktiv arbeiten und sich eine Existenz aufbauen wollen, werden derzeit aber in der Regel vom Staat bzw. den Kommunen ordentlich ausgebremst, den hier fehlen – wir haben es eben doch nicht geschafft – erhebliche Ressourcen, um dieser Aufgabe annähernd gerecht werden zu können.
Und sie haben auch Recht, dass ein Arbeitsloser in Deutschland dieser Argumentation nichts abgewinnen kann.
Der Eindruck, den ich wahrnehme, ist, dass man sich alle beine ausreißt, um Flüchtlinge unterzubringen. Man hört von Kommunen, die nicht mehr können, von Turnhallen, aus denen die Schüler vertrieben werden und und und …
Wer sich Monat für Monat beim Arbeitsamt anstellen muss, um doch nichts passendes angeboten zu bekommen, mag da eine Diskrepanz erkennen.
Wozu du gar nichts gesagt hast ist mein Punkt, dass nicht nur die Bürokratie, sondern die Gesellschaft selbst das arbeiten schwer macht, weil man an der lebenslüge festhält, dass die wieder gehen bzw. dass es keine einwanderung gibt. wir wollen ja oft gar nicht, dass die arbeiten.
@ Stefan Sasse 5. Oktober 2023, 14:47
Wozu du gar nichts gesagt hast ist mein Punkt, dass nicht nur die Bürokratie, sondern die Gesellschaft selbst das arbeiten schwer macht, weil man an der Lebenslüge festhält, dass die wieder gehen bzw. dass es keine Einwanderung gibt. wir wollen ja oft gar nicht, dass die arbeiten.
Da bin ich halt anderer Meinung. Viele mögen sich wünschen, „dass die alle wieder verschwinden“, aber die meisten verstehen, dass dem nicht so ist. Und wenn sie schon mal da sind …
Yup. Wir sollten halt nur nicht weitere Millionen reinholen.
Ich habe auch nicht das Gefühl, dass das wer will…
Völlig egal. Relevant ist nur, was GETAN wird, um das zu verhindern. Zur Zeit wenig. Und zur Klarstellung – ich habe keine Einwände gegen viele Zuwanderer, nur möchte ich, dass wir uns die aussuchen.
true!
Hoffen wir, dass du Recht hast.
Kommt im zweiten Teil noch was dazu.
Ja.
Findet eine solche Besserbehandlung statt, und wie sieht die aus?
@ Stefan Sasse 4. Oktober 2023, 14:12
Findet eine solche Besserbehandlung statt, und wie sieht die aus?
– Bevorzugung bei der Vergabe von Sozialwohnungen, teilweise Kita-Plätzen etc.
– Deutlich höhere finanzielle und personelle Aufwendungen bei der Betreuung (Schulungen etc.)
– In der Regel deutlich höheres Risiko für Vermieter, die auf Kosten sitzenbleiben, die man einem langjährigen arbeitslosen Mieter nicht durchgehen lassen würde.
(- nur Hörensagen: Besserbehandlung / mehr Toleranz vor Gerichten)
„höheres Risiko für Vermieter“
Die Ämter zahlen doch zuverlässig? Hörensagen: Viele Vermieter vermieten deshalb gern Kunden der Sozialämter.
Ja, das ist mir auch unklar.
Ja zum Einen.
Beim LK Verden weiß ich allerdings, dass die direkt kleine Wohnungen mit einer kleinen Grundausstattung haben, um Leute schneller aus diesen Behelfs-Sammelunterkünften rauszubekommen. Ich war mal in einer, die war süß, aber winzige Schrottwohnung ist noch nett gesagt^^
Und man muss auch ein bisschen unterscheiden, das geht in der medialen Debatte gerne unter, Flüchtlinge kommen nicht hier an und kriegen erstmal Bürgergeld, da haben die keinen Anspruch drauf. Das Asylbewerberleistungsgesetz funktioniert anders, weil es nicht so eine Komplettlösung ist wie Bürgergeld, deswegen haben – zuhören Herr Merz – die auch keine normale gesetzliche Krankenversicherung, sondern da wird viel vereinzelter vorgegangen. Sie kriegen zb auch weniger Geld monatlich, können dafür aber eine Winterjacke (bzw die Kosten dafür) beantragen.
@ CitizenK 4. Oktober 2023, 18:48
[„höheres Risiko für Vermieter“]
Die Ämter zahlen doch zuverlässig?
Ja, das tun sie. Den Mietvertrag schließt Du aber nicht mit dem Amt ab, sondern mit dem Empfänger der Leistungen. Aus dem Erleben meiner Frau, die als Maklerin arbeitet:
– Junger Mann meldet sich, will Wohnung mieten. Spricht halbwegs deutsch, schickt eine Kopie vom Ausweis, macht einen guten Eindruck, also Zusage. Wer dann zum Unterschreiben kommt, ist aber wer anderes: deutsches Sprak auf einmal weg, der Original-Ausweis ist zwar da, passt aber nicht mehr zum Mietwilligen. Tricky-Versuch nach dem Motto „wir Araber sehen doch alle gleich aus“.
– Junges Pärchen meldet sich, das Sozialamt setzt sich ein, dass die ihre Zwei-Timmer Wohnung bekommen. Vermieter stimmt zu, kriegt pünktlich seine Miete und Nebenkosten. Doch mit der Zeit wohnen auf einmmal sieben Personen in der Wohnung, was natürlich die kleine Küche nicht gut verkraftet. Auch die Nebenkostenrechnung geht nicht mehr auf, so dass ich die andereen Mieter beschweren.
Nach einer weiteren Weile waren es nur noch 5 Personen; das ursprüngliche Pärchen war auf einmal weg. Nach endlosen Monaten war der Spuk überstanden, aber die kleine Wohnung musste komplett renoviert werden – alles streichen, neue Teppichböden, halbes Bad neu, Küche neu. Auf den Kosten blieb der Vermieter sitzen, da das Amt zwar Miete, aber nicht die Renovierung bezahlt. Nun könnte man die ursprünglichen Mieter (wenn man denn wüßte, wo sie stecken) verklagen. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass man zu 100 Prozent Recht bekommt, kann man niemanden, der auf Hartz-IV-Niveau bzw. Existenzminimum ist, etwas wegnehmen. Man bleibt mit ein bisschen Pech auf den Anwalts- und auf den Gerichtskosten sitzen, obwohl man gewonnen hat.
– Ein junger Flüchtling aus Syrien mietete sich ein Zimmer, Amt zahlte. Irgendwann war der junge Mann von einem Tag auf den anderen weg, zog auf die andere Seite von Hamburg zu Freunden, da er dort einen Aushilfsjob bekommen hatte. Dort hat er sich beim Amt angemeldet, und am gleichen Tag hat ihn „unser“ Amt von der Liste gestrichen. Hat der Vermieter erst mitbekommen, als das Geld ausblieb. Dass eine dreimonatige Kündigungsfrist im Vertrag stand, hat der junge Mann zwar unterschrieben, aber nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Er war weg, es ging ihn nichts mehr an. Auch hier war eine Grundrenovierung der Wohnung fällig (wenigstens waren 1.000 Euro Kaution dageblieben). Aber es gab drei Monate Mietausfall.
Wenn das Amt mal wieder anklopft, erklärt meine Frau, dass sie an Flüchtlinge nicht mehr vermittelt. Wenn dann das Gedrücke auf die Tränendrüsen losgeht, das Gejammer, dass man den armen Flüchtlingen doch helfen müsse, lautet die Antwort inzwischen: „Ich vermiete gerne an Euch, und Ihr gebt die Wohnung, wem ihr wollt. Aber Ihr seid der Mieter.“
Wurde jedesmal voller Empörung abgelehnt.
Hörensagen: Viele Vermieter vermieten deshalb gern Kunden der Sozialämter.
Es mag Lotterbuden geben, wo das der Fall ist, wo keine Seite weitere Fragen stellt. Mag auch sein, dass es für viele sozial / finanziell Schwache funktioniert. Aber ich würde nie eine ordentliche Wohnung an Flüchtlinge vermieten.
Überzeugt.
Danke für den Kontext. Weißt du zufällig, inwieweit das Regel bzw. Einzelfall ist?
@Sasse
Weißt du zufällig, inwieweit das Regel bzw. Einzelfall ist?
Fun fact. Angenommen es gibt nur recht wenige problematische Mieter. Allerdings wechseln diese Mieter recht haeufig die Wohnungen (freiwillig oder unfreiwillig), so dass recht viele Vermieter irgendwann in den „Genuss“ solcher Mieter kommen. Ich kenne erstaunlich viele Leute, die Private kleine Wohnungen vermieten und irgendwann keine Miete gesehen haben.
@ Stefan Sasse 5. Oktober 2023, 08:27
Danke für den Kontext. Weißt du zufällig, inwieweit das Regel bzw. Einzelfall ist?
Natürlich nicht 🙂
Ich habe damit nichts zu tun, und kann nur aus den Erlebnissen meiner Frau weitergeben. Sie hat anfangs die Vermieter bequatscht, den Leuten zu helfen, und rät ihnen nun, wenn überhaupt nur direkt an die Gemeinde, nicht aber direkt an Flüchtlinge zu vermieten.
Ist auch meistens für alle Beteiligten nervenschonender, muss ja nicht mal Absicht sein, vieles wissen die auch einfach nicht. wie dass dauerhaft Mehrbewohner gemeldet werden müssen. (wissen nicht mal viele Deutsche, oder siehe Citizen mit Kaution).
Mein erster Vermieter (die hatten einen Elektriker-Betrieb) war nebenbei Hausmeister im Studentenwohnheim und da haben Auslandsstudenten häufiger versehentlich Küchenzeug kaputt bekommen, weil die halt keine deutschen Küchen gewohnt sind^^
– ok, wusste ich nicht.
– Gut, aber die Deutschkurse brauchen Einheimische ja auch nicht.
– Und wie würdest du da nicht auf den Kosten sitzenbleiben…? Und werden die Mieten der Arbeitslose nicht eh vom Amt bezahlt…?
Ich finde das durchaus eine spannende „Gesamtkosten“-Betrachtung. Aber dann bitte ehrlich alle Kosten eines „echten“ Deutschen dagegen rechnen: Kindergeld seit der Geburt, Kita/Kiga-Bezuschussung, Aufstocker-Programme für Geringverdiener, etc..
Bin ernsthaft gespannt was da herauskommt.
Das ist wie beim Klimaschutz: Nimmt man die sämtliche Opportunitätskosten in die Kalkulation, braucht man sich die moralische Frage gar nicht mehr geben.
@ yysamjo 5. Oktober 2023, 10:03
Ich finde das durchaus eine spannende „Gesamtkosten“-Betrachtung. Aber dann bitte ehrlich alle Kosten eines „echten“ Deutschen dagegen rechnen: Kindergeld seit der Geburt, Kita/Kiga-Bezuschussung, Aufstocker-Programme für Geringverdiener, etc..
Ist sicher auch ein Aspekt. Ich war mal ein Jahr arbeitslos, habe aber davor und danach an der Beitragsbemessungsgrenze eingezahlt. Ist nicht bei jedem so, ich weiß; andere werden das ganze Leben versorgt.
Aber da ist die Situation eben die, dass unser Sozialsystem auf ein bestimmtes Verhältnis von Einzahlern und Nutznießern ausgelegt ist, und sich die Beiträge der sozialpflichtig Versicherten daran orientieren. Schon jetzt funktioniert das nicht mehr zufriedenstellend, weil die Zahl der Arbeitnehmer sinkt, die Zahl der Leistungsempfänger deutlich steigt (die Baby-Boomer gehen halt in Rente).
Jetzt wird die Zahl der Leistungsempfänger nochmal rapide hochgeschraubt, ohne dass entsprechend Leistungsträger dazugekommen sind.
Ist sicherlich richtig, dass das nur eine kaufmännische Betrachtung ist und andere Aspekte auch eine Rolle spielen (sollten und müssen). Die Situation wäre deutlich angenehmer und verkraftbarer, wenn man es vor Jahren geschafft hätte, eine EU-weite Regelung zu finden. Aber nun haben die anderen EU-Staaten ihre Lektion gelernt: Wenn sie sich nicht bewegen, landen die Flüchtlinge bei uns. Hat mich damals sehr geärgert, wie das vor die Wand gefahren wurde. Ärgert mich noch heute, wie man den Flüchtlingen, die hier arbeiten wollen und könnten, seitens der Behörden im Weg rumsteht.
Wäre vielleicht eine Überlegung, die Sozialleistungen für geflüchtete europaweit abzurechnen, so dass die Staaten zumindest finanziell entlastet wären. Allerdings schreckt mich die Vorstellung, wie groß solch eine Behörde wohl werden würde.
In diese Diskussion will ich die EU nicht hereinziehen – auch bei vorbildlicher Solidarität unter den Mitgliedsstaaten, würden viele D wählen aufgrund der Wirtschaftsleistung.
Nochmal, ich bin gerne für eine kaufmännische Sicht auf die Dinge, aber dann a) wie gesagt gesamtheitlich und b) über einen längeren Zeitraum und nicht nur wie bei dir Stichpunkt-bezogen. Da kann mit Annahmen (wie z.B. ab wann findet der Einwanderer oder sein Kind eine Stelle) spielen und ein quantitatives Ergebnis bekommen.
genau. der relevante punkt ist: deutschland ist groß und wirtschaftsstark.
@ Stefan Sasse 5. Oktober 2023, 17:06
genau. der relevante punkt ist: deutschland ist groß und wirtschaftsstark.
Und kräht der Hahn auf dem Mist,
ändert sich das Wetter,
oder es bleibt, wie es ist.
@ ysamjo 4. Oktober 2023, 10:23
Und mir kann keiner erzählen, dass bei einer Beschneidung der Leistungen oder einer „Bezahlkarte“ die Rechnung „wage ich den Weg übers Mittelmeer oder nicht“ signifikant anders ausgehen würde.
Grundsätzlich stimme ich in soweit zu, dass für die meisten Menschen der primäre Impuls ist, aus der Situation wegzukommen, in der sie stecken. Der Reisebeginn ist ein gutes Stück weit unvermeidlich.
Wenn es um die Auswahl des Zieles geht, haben die wirkmächtigen „Wir schaffen das“-Bilder schon eine gewisse Sogwirkung erzielt. Dass sich die Situation, die Willkommensstimmung etc. inzwischen verändert haben, ist wohl nicht so gut kommuniziert. Ein weiterer Aspekt mag sein, dass Deutschland in den letzten Jahren so viele Flüchtlinge aufgenommen hat, dass man, woher man auch kommt, hier bereits eine Community vorfindet; auch das entfaltet eine gewisse Sogwirkung in dem Sinne, dass, wer nach Europa will, primär Deutschland ins Auge fasst.
1. Ich teile die Kritik, dass im (Intro-)Artikel kein Verweis auf die Überalterung und das Fehlen von Fach- und generell Arbeitskräften geschehen ist. Die angesprochene Differenzierung wird aber sehr schnell fadenscheinig – es ist so, dass auch die allermeisten Asylsuchenden „Integration in den Arbeitsmarkt“ suchen und sich „eine Existenz aufbauen wollen“. Mehr zur (mMn willkürlichen) Differenzierung der Rechten hatte ich hier im Thread: https://twitter.com/ysamjo/status/1707653816047284502
2. Asylbewerber erhalten kein Bürgergeld, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (welche niedriger sind). Woher kommt diese Fehlinformation?
3. Die Pull-Faktoren-Debatte halte ich für einen großen Strohmann. Die USA hat keinen ähnlich gelagerten Sozialsstaat, aber dennoch Einwanderungswillige. Communities finden sich überall, ob jetzt Skandinavien, Kanada oder Schweiz. Fragt man ausländische Fachkräfte, dann ist durchaus kommuniziert welche „Willkommenskultur“ hierzulande einem entgegen schlägt.
2 und 3 kommen im zweiten Teil auch.
@ ysamjo 4. Oktober 2023, 13:56
1. … es ist so, dass auch die allermeisten Asylsuchenden „Integration in den Arbeitsmarkt“ suchen und sich „eine Existenz aufbauen wollen“.
Die Menschen, die als Flüchtlinge und Asylbewerber zu uns kommen, sind in der Regel ohne Sprachkenntnisse und fachlich ungelernt. Sie werden vielleicht die Zuzahlungen des Amtes reduzieren, viel mehr aber auch nicht. Bei den Kindern (hoffe ich) wird es besser werden.
2. Asylbewerber erhalten kein Bürgergeld, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (welche niedriger sind). Woher kommt diese Fehlinformation?
Wenn Du Dich nur auf die direkten Auszahlungen beziehst, magst Du Recht haben. Aber für einen Langzeit-Arbeitslosen brauche ich keinen Deutschkurs, in der Regel hat der bereits eine Wohnung etc. Der Betreuungs- und Geldaufwand ist dort niedriger.
3. Die Pull-Faktoren-Debatte halte ich für einen großen Strohmann. Die USA hat keinen ähnlich gelagerten Sozialstaat, aber dennoch Einwanderungswillige.
Ja. Aber die kommen in die USA, um eine Karriere zu machen, um (viel) Geld zu verdienen. Es gibt in den USA Unterschiede zwischen einem indischen Programmierer mit Greencard und einem kolumbianischen Flüchtling, der sich des Nachts über die Grenze schummelt. Die USA wollen (und bekommen) die erste Kategorie, die zweit wollen sie nicht. Bei uns landet nur die zweite Kategorie.
Die ist allerdings (rein kaufmännisch betrachtet) eine Belastung für unser Sozialsystem, während wir händeringend eine Einwanderung in den qualifizierten Arbeitsmarkt brauchen. Kann man bei den Flüchtlingen noch gewisse Abstriche (etwa bei der Wohnqualität -> vorläufige Unterbringung in Turnhallen, Containern etc.) in Kauf nehmen und sich um die eine oder andere Wahrheit herumschummeln, sind wir im Falle von anspruchsvolleren Leistungsträgern, die zu uns kommen wollen (könnten), erst gar nicht in der Lage, sie aufzunehmen, weil Wohnungen, Schul- und Kitaplätze etc. fehlen.
Hätte man zu Helmut Kohls (oder auch noch zu Merkels) Zeiten angefangen, sich um qualifizierten Zuzug zu kümmern und ihn zu begründen, wäre die Akzeptanz für die Flut von kriegs- und anderen Flüchtlingen vermutlich höher. Aber diese Chance wurde vertan. So schade.
Communities finden sich überall, ob jetzt Skandinavien, Kanada oder Schweiz. Fragt man ausländische Fachkräfte, dann ist durchaus kommuniziert welche „Willkommenskultur“ hierzulande einem entgegen schlägt.
Versuch mal, nach Skandinavien, Kanada oder in die Schweiz einzuwandern. Da liegt die Latte ein wenig höher als bei uns.
In Sachen Willkommenskultur, da muss ich Dir zustimmen, war Deutschland noch nie der Hit – leider. Es sind um 2009/2010 zu Zeiten der großen spanischen Immobilienkrise viele einwanderungswillige Bauingenieure zu uns gekommen. Sie kamen aus einer europäischen, christlich-römisch geprägten Kultur, brachten also beste Voraussetzungen mit. Aber nach spätestens zwei Jahren waren die wieder in der Heimat, weil sich hier nach Dienstschluss keiner um sie gekümmert hat, und sie in der Regel nur als Funktion, aber nicht als Mensch wahrgenommen wurden.
Ein Großteil unserer wirtschaftlichen Strukturen sind ländlich. Da ist es schwierig, Menschen aus fremden Kulturen hier aufzunehmen. Unsere Unternehmen hätten genauso Integrationsschulungen gebraucht wie die Einwanderer. Auch hier: Riesen-Chance vertan.
„In Sachen Willkommenskultur….“
Die Klage hört man oft. So war das auch mit spanischen Krankenpfleger/innen. Deutschland ist wohl als Gesellschaft nicht sehr einladend. In anderen Ländern machen das oft die Nachbarn.
Ähnlich war es lange Zeit auch bei den Unis. Inzwischen hat man erkannt, dass man gute Leute nur kriegt, wenn man sie effektiv unterstützt bei Wohnungssuche, Schulen für die Kinder, sogar beim Job für den/die Eheparter/in. Wir sollten die Schuld für nicht gelingende Integration nicht immer nur bei den Zuwanderern suchen.
Ein paar Kommentare dazu:
– “wenn man sie effektiv unterstützt bei Wohnungssuche”. Das ist etwas, was Deutsche eher als Frechheit empfinden („wir lassen sie nach Deutschland kommen, und dann wollen sie auch noch, dass wir hier für sie Kindermädchen spielen ?!?“) und allgemein der Meinung sind, dass jeder Mensch für sich selber sorgen soll, aber das ist vielleicht nicht internationaler Standard. In meiner Firma in Mexiko bekommen alle Mitarbeiter eine Private Krankenversicherung und viele auch noch ein Auto. Das ist nicht unbedingt normal und die Mitarbeiter wissen das sehr zu schätzen. Aber damit ist es für sie nicht zuende. Wenn sie tatsächlich krank werden oder einen Unfall haben, erwarten sie mit vollster Selbstverständlichkeit, dass sich die Firma darum kümmert oder zumindest total unterstützt (insbesondere der Kontakt mit dem Broker, Krankenkasse, Werkstatt). Und werden auch gleich pampig, wenn das nicht mit der erwarteten Schnelligkeit oder Perfektion klappt. Und das obwohl sie alle die Kontakte haben und auch den Prozess kennen.
– „Es sind um 2009/2010 zu Zeiten der großen spanischen Immobilienkrise viele einwanderungswillige Bauingenieure zu uns gekommen.“ Es gab im deutschen Fernsehen dazu einmal einen Bericht, indem mehrere Spanier gefragt wurden, warum sie nach Spanien zurückkehren. Neben der erwähnten Unfreundlichkeit und dem Desinteresse der Deutschen an ihnen, meinten mehrere auch, dass ihnen die Arbeit zu hart war. Insbesondere die Schnelligkeit und Konzentration machte ihnen zu schaffen.
– Vor kurzem gab es einen internationalen Bericht, in dem insbesondere die deutsche Bevölkerung (neben der Sprache) als grösstes Hindernis genannt wurde, dass ausländische Expats hier glücklich werden. Es wurde vor allem genannt, dass die Deutschen desinteressiert an ihnen seien und sie nie wirklich Kontakt zur lokalen Bevölkerung bekamen. Dazu passt auch ein anderer Bericht, indem erläutert wurde, dass für Deutsche der Freundeskreis vor dem 30. Lebensjahr abgeschlossen ist und sie danach keinerlei Interesse an neuen Freunden haben. Das gilt aber gleichermassen für Deutsche, die innerhalb von Deutschland umziehen. Auch sie haben grosse Schwierigkeiten, an ihrem neuen Wohnort Freunde zu bekommen.
@ destello 5. Oktober 2023, 00:40
Dazu passt auch ein anderer Bericht, indem erläutert wurde, dass für Deutsche der Freundeskreis vor dem 30. Lebensjahr abgeschlossen ist und sie danach keinerlei Interesse an neuen Freunden haben. Das gilt aber gleichermassen für Deutsche, die innerhalb von Deutschland umziehen. Auch sie haben grosse Schwierigkeiten, an ihrem neuen Wohnort Freunde zu bekommen.
Den zweiten Punkt kann ich ein Stückweit nachvollziehen. Ich habe in meiner Karriere in Stuttgart, Düsseldorf, München, Hamburg, Hanau, München, Hamburg und nun Gütersloh gearbeitet. Ich habe enge Beziehungen zu drei Jungs aus Bundeswehr-Zeiten und ein, zwei weiteren freunden, zu den Nachbarn links und rechts (ein Haus weiter ist schon schwieriger), und meinen engsten Kollegen. Die Beziehungen zu Kollegen und Nachbarn halten nicht, wenn man wegzieht.
Komme ich in die alte Heimat (kleines Dorf bei Hannover), sind 80 Prozent meiner Bekannten dort steckengeblieben. Die interessiert nur, wer mit wem besoffen auf dem Schützen- oder Feuerwehrfest rumgemacht hat. Da ist Verständnis für ausländische Kollegen nicht großartig zu erwarten, dazu ist in der Birne kein Fach frei.
(Wie der Rollstuhl-Opa aus Lucky Luke einmal sagte: „Ich hab nix gegen Fremde. Viele meiner besten Freunde sind Fremde. Aber dieser Fremde ist nicht von hier“).
Die Idee, dass Asylsuchende hier selbst eine Wohnung suchen, ist doch absurd. Von welchem Geld denn? Die haben doch nicht mal die grundlegenden Rechte, das überhaupt zu machen. Dafür brauchst ja ein Konto und regelmäßiges Einkommen, von Sprachkenntnissen und Rechtskenntnissen mal ganz zu schweigen. Das MUSS über den Staat laufen.
@ Stefan Sasse 5. Oktober 2023, 08:25
Die Idee, dass Asylsuchende hier selbst eine Wohnung suchen, ist doch absurd.
Keine Einwände.
Mir ging es um den Eindruck, dass viele den Eindruck bekommen, den Flüchtlingen würde alles hinten reingeschoben, ihnen selbst aber nicht. Ein stückweit ist das richtig (und vielleicht auch erforderlich). Aber bei vielen, die sich für abgehängt oder für ein Opfer der Gesellschaft halten, wird dieser Eindruck verstärkt.
Das ist beschreibend, nicht bewertend oder zustimmend gemeint.
Verstehe. Bin ich bei dir.
Das war eine Antwort auf CitizenK und das komplette Zitat war so: „Ähnlich war es lange Zeit auch bei den Unis. Inzwischen hat man erkannt, dass man gute Leute nur kriegt, wenn man sie effektiv unterstützt bei Wohnungssuche, Schulen für die Kinder, sogar beim Job für den/die Eheparter/in“. Das heisst in diesem Fall ging es nicht um Flüchtlinge.
@ CitizenK 4. Oktober 2023, 18:44
Wir sollten die Schuld für nicht gelingende Integration nicht immer nur bei den Zuwanderern suchen.
Wir sollten sie aber auch nicht immer nur bei der Gesellschaft suchen. Bestimmte Dinge (Sprache, Benehmen etc.) sind Bringschuld.
Zustimmung. Für Sprache braucht es aber natürlich Kurse, das fällt nicht vom Himmel.
Wie immer bin ich bei solchen Debatten ein wenig schockiert, wie wenig manche Menschen es schaffen, sich in andere hinein zu versetzen.
Stell dir vor, du müsstest – warum auch immer, vllt. waren die Grünen schuld – nach Japan emigrieren. Du kannst die Sprache nicht, die Bräuche sind vollkommen fremd. Was macht man als erstes: Richtig, man sucht andere Deutsche, die das gleiche mitgemacht haben.
Und dann erfährst du von Vermietern die kategorisch nicht an Flüchtlinge vermieten und von Bürgern die das Geld für Japanisch-Kurse zu viel finden. So wird man bestimmt zum Muster-Einwanderer.
Stell dir vor, du müsstest …
Viele Migranten müssen aber nicht. Sie wollen.
@ ysamjo 5. Oktober 2023, 09:59
Wie immer bin ich bei solchen Debatten ein wenig schockiert, wie wenig manche Menschen es schaffen, sich in andere hinein zu versetzen.
Du machst Dir hier in den Diskussionen einen ziemlich schlanken Fuß. Kein eigener Beitrag außer, andere in moralisch vorwurfsvollem Ton zu kritisieren. Ich habe in der Tat, wen auch nur für recht kurze Zeit, in den späten 80er Jahren in der Tat in Japan gelebt (in Iwaki; in Tokyo oder Osaka wäre man noch mit Englisch über die Runden gekommen). Ich habe mich wie ein Alien gefühlt, konnte Essen nur bestellen durch darauf zeigen etc.
Das ist aber nicht der Punkt, um den es hier geht. Der Punkt ist: würden innerhalb kürzester Zeit zwei Millionen Deutsche nach Japan ziehen und erwarten, dass sie von der japanischen Gesellschaft finanziell und gesundheitlich versorgt, verpflegt, untergebracht und geschult werden, ohne dass sie der Gesellschaft etwas Nennenswertes zurückgeben können (außer deutschen Restaurants vielleicht), wäre auch die japanische höfliche Zurückhaltung schnell dahin (erst recht, wenn immer wieder junge männliche deutsche Einzelfälle lautstark miteinander redend nebeneinander durch die Straßen ziehen, andere zum Ausweichen zwingen, und gelegentlich jungen Damen gegenüber ein Verhalten an den Tag legen, dass man, höflich vormuliert, da drüben nicht gewohnt ist. Spätestens nach ein paar Messerstechereien und Vergewaltigungen wäre die kacke dort derart am Dampfen, wie Du es (wie ich allerdings nur vermuten kann) Dir in Unkenntnis der japanischen Mentalität nicht vorstellen könntest.
Unsere Gesellschaft ist extrem tolerant, selbst wenn es Dir nicht weit genug geht.
Und dann erfährst du von Vermietern die kategorisch nicht an Flüchtlinge vermieten und von Bürgern die das Geld für Japanisch-Kurse zu viel finden.
Ich hatte hier erwähnt, dass sich meine Frau als Maklerin sehr für syrische Flüchtlinge eingesetzt hat, und dass das eine sehr kostspielige Erfahrung war.
Vielleicht fehlen Dir als offenkundiger Schönwetter-Philosoph ein paar der überaus üppig vorhandenen auch schlechten Erfahrungen, um hier mitreden zu können?
Genau, aber das sind – worauf ich noch eingehe – grobe Bilder. Konkrete Zahnersatzleistungen spielen da keine Rolle.
@ Stefan Sasse 4. Oktober 2023, 14:13
Konkrete Zahnersatzleistungen spielen da keine Rolle.
Merz ist so ein Depp. Das ist der größte Schwachsinn, den ich in Zusammenhang mit Flüchtlingen je gehört habe. Wenn das unsere wahren Probleme wären, würde es uns wirklich gut gehen.
Exakt. Der Mann ist eine Fehlbesetzung, und solche Eskapaden zeigen warum.
Warum haben die Mittelmeer-Anrainer „Dublin“ unterschrieben?
Ein deutscher Minister hat öffentlich erklärt, das Flüchtlingsproblem sei kein deutsches, sondern ein italienisches. Nachvollziehbar, dass die Italiener die daraufhin in den Zug setzten.
Dublin wurde von allen Ländern der EU unterzeichnet, also auch allen Mittelmeerländern. Und ich kann mich nicht erinnern, dass diese Unterschrift mit deutschen Panzern erzwungen wurde. Was genau ist Ihr Argument?
Gruss,
Thorsten Haupts
Das Dublin-Übereinkommen ist ein „Abfallprodukt“ des Schengenabkommens. Es wurde in den frühen 90ern geschlossen. Bis zum Dublin-Übereinkommen übernahm Deutschland fast 60 % aller Flüchtlinge, die das Gebiet der damalige EG ansteuerten. Mit Schengen drohte eine unkontrollierbare Situation, die Dublin regeln sollte. Deutschland machte Druck, die anderen Länder fügten sich – schliesslich erhoffte man sich viel von Schengen und dem europäischen Binnenmarkt.
Die Asylfrage in Europa nachhaltig zu lösen wäre eigentlich wichtig gewesen, bevor man die EU erweiterte. Das Problem wurde vertagt und die Schönwetterkonstruktion wurde mit den zunehmenden Wirren an der europäischen Peripherie ad absurdum geführt.
Hab ein paar Artikel aus der Zeit aus den 90ern gefunden, die lesen sich kaum anders, als die Artikel zu den letzten EU Gipfeln zu Migration und Flüchtlingen, z.B.dieser hier überschrieben mit „Brüssel ohne Konzept“ vgl. https://www.zeit.de/1991/41/fluchtort-europa
Als klar war, dass Italien und Griechenland der Situation nicht mehr her wurden, wurden Sie von den Nordländern im Stich gelassen, bzw. nahmen das Geld aus dem europäischen Haushalt, was man ihnen als Kompensation zugestand. Wie schon oben geschrieben – die EU und seine Migrationspolitik ist eine schon 40 jährige Sage um falsche Erwartungen, gebrochene Versprechungen und nationalen Egoismens.
Kein Argument. Wirklich eine Frage. War doch absehbar gegen deren Interessen.
Dann hätten sie schlicht nicht unterschreiben dürfen?
Sehe ich das richtig: Nach den ursprünglichen Dublin-Regeln hätte D keinen Asylbewerber aufnehmen müssen, der zuerst in GR, I, F oder ES war. Bezog sich nicht darauf der Vorwurf des „Asyltourismus“?
Meine Frage ist: Warum haben die das unterschrieben? Gegen unverbindliche Zusagen oder gab es da bindende Verpflichtungen?
@ CitizenK 5. Oktober 2023, 11:33
Sehe ich das richtig: Nach den
ursprünglichenDublin-Regeln hätte D keinen Asylbewerber aufnehmen müssen, der zuerst in GR, I, F oder ES war.Ja.
Meine Frage ist: Warum haben die das unterschrieben?
Hat Kning4711 weiter oben schon erklärt. Weil die genannten Länder mit ins Schengen-Abkommen wollten. Hat auch eine Weile funktioniert. Funktioniert aber nicht mehr, wenn auf einmal zwei Millionen Menschen vor der Tür stehen.
Und man muss vielleicht auch ergänzen, dass in den frühen 90ern eher Migration von Ost nach West (durch den Zusammenbruch des Ostblocks und die Verwerfungen daraus) das akute Problem war und nicht von Süd nach Nord.
@ Ariane 5. Oktober 2023, 23:18
Und man muss vielleicht auch ergänzen, dass in den frühen 90ern eher Migration von Ost nach West (durch den Zusammenbruch des Ostblocks und die Verwerfungen daraus) das akute Problem war und nicht von Süd nach Nord.
Guter und richtiger Punkt, den ich nicht mehr in Erinnerung hatte. Danke für den Hinweis.
Das ist so nicht korrekt. Die Änderung des deutschen Asylrechtes war eine direkte Folge von Süd-Nord-Migration, die Ost-West-Migration spielte im deutschen öffentlichen Diskurs überhaupt keine Rolle. Noch viel weniger für die Unterschrift der Staaten, die direkt an der Süd-Aussengrenze der EU lagen (Griechenland, Italien, Frankreich) unter Dublin – die waren nie das Ziel von Ost-West-Migration im grösseren Umfang.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 10. Oktober 2023, 10:07
Das ist so nicht korrekt. Die Änderung des deutschen Asylrechtes war eine direkte Folge von Süd-Nord-Migration, die Ost-West-Migration spielte im deutschen öffentlichen Diskurs überhaupt keine Rolle.
Zustimmung, aber darum ging es in Arianes Kommentar nicht.
Zu den Zeiten, in denen in der EU Schengen und Dublin festgezerrt wurden, war die Ost-West-Bewegung zahlenmäßig deutlich relevanter.
Ein Aspekt wurde überhaupt noch nicht behandelt, aber er ist in diesem Gespräch sehr prominent: https://www.youtube.com/watch?v=HfK5g6fAf5E
Das historisch gewachsene aktuelle System ist extrem sozialdarwinistisch, bringt wenig besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder sowie auch vielleicht nicht die Leute, für die Deutschland ein besonders gut geeigneter Ort darstellt. Durch die Wüsten und übers Meer schaffen es vor allem junge Männer mit guten survival Fähigkeiten.
Die effektivste Möglichkeit besteht wohl darin, dass wir die Küstenwache in den nordafrikanischen Mittelmeeranreinerstaaten aktiv einbinden. Größere Flüchtlingslager dort werden sich aber sicher auch nicht stabilisierend auf die Region auswirken. Außerdem müßten die Regierungen der Herkunftsländer kooperativer bei der Rückführung agieren. Das kostet Geld und die Regierungen entsprechen in keinem Fall den Wertvorstellungen von Baerbocks Außenpolitik. Die AfD wird für solche komplizierten Lösungsansätze absolut null Lösungsansätze liefern.
Wenn man sich die Fertilität von Schwarzafrika oberhalb von Botswana anschaut, wird uns das Thema das gesamte 21. Jahrhundert beschäftigen.
Der Brics-Beitrittskandidat Saudi Arabien „löst“ das Problem mit den Flüchtlingen aus dem anderen Beitrittskandidat Äthiopien mit Granatwerfern. Hält Europa das aus? Ich nicht.
Ich befürchte eine Zunahme solcher menschenverachtenden Lösungen in nicht so ferner Zukunft.
Auf die Einbindung gehe ich in Teil 3 ein.
Erstmal Respekt, dass du dich überhaupt an das Thema rantraust. Mir ist das meistens viel zu deprimierend, weil es keine Lösung gibt. Grenzen abschaffen geht nicht, Leute an der Grenze abknallen auch nicht, die große europäische Lösung oder gar Fluchtursachen bekämpfen sind aussichtslos (btw selbst wenn man irgendwo den politischen Willen dazu fände)
Ich kann sogar verstehen, dass radikale Lösungen/Ideen da Zulauf finden, ich für meinen Teil versuche das weitgehend schon zu ignorieren und mich mehr auf die praktischen Aspekte zu konzentrieren – was übrigens nicht weniger deprimierend ist.
da die Geflüchteten und/oder asylsuchenden Menschen auf die Kommunen verteilt wurden, trugen diese die Last der Versorgung und Integration. Da allerdings die Kommunen durch die andauernde Krise des föderalen Systems zu großen Teilen überschuldet und wenig handlungsfähig waren, war auf dieser Ebene die Rede von einer Flüchtlingskrise tatsächlich mehr als zutreffend, bin gleich die Gesamtbelastung relativ zum Bruttoinlandsprodukt überschaubar war
Ceterum censeo: ich bin kein großer Freund des deutschen Föderalismus. Da summieren sich auch Probleme ins Unendliche. Die Kommunen sind zuständig, haben aber kein/wenig Mitspracherecht. Die Sparvorgaben ziehen sich einmal durch, weil sowohl der Bund sparen will als auch die Kommunen, während die Einnahmen viel krisenanfälliger sind (oder zb das Wachstumschancengesetz bei kommunalen Einnahmen ansetzt).
Das sorgt auch dafür, dass man aus diesem Krisenmodus nie rausfindet, weil es unmöglich ist, dauerhafte Strukturen anzulegen. Dafür gibts nämlich erst recht keine Gelder.
Und das zweite ist, dass die Debatte in vielen Fällen schon zu vergiftet ist, um zumindest bei einfachsten praktischen Lösungen anzusetzen. Und von zuviel Quatschinfos durchzogen ist wie die Zahnarztstory. Das gilt aber für vieles, was hier unter Pull-Faktoren diskutiert wird.
Siehe Sachleistungen: Zum Einen ist das Asylbewerberleistungsgesetz schon anders aufgebaut, weniger Geld, mehr Einzelanträge. Bürgergeldanträge sind dagegen ein Bierdeckel der Bürokratie, es wäre eigentlich für die Kommunen eine riesige Entlastung, das schneller zusammenzuführen, stattdessen wird eine Verschärfung diskutiert. Unklar, wer das denn bitte noch organisieren, verteilen, bearbeiten soll, gerne mit der Hälfte des Geldes. (zumindest hier im Landkreis ist eh schon Usus, dass im Landkreis einfach gar keiner mehr arbeitet bzw überhaupt mal ans Telefon geht)
Ähnliches haben wir mit der Frage des Aufenthaltsrechts, da haben wir schon Zustände, dass vor der Ausländerbehörde gecampt werden muss. Da kommt die Problematik häufig her, dass Flüchtende gar nicht arbeiten dürfen, dass es unbefriedigende Lösungen für schwebende Verfahren gibt. Die häufig jahrelang dauern können, weil Länder wie Syrien kein funktionierendes Einwohnermeldeamt haben, bei dem man mal fix anrufen kann usw. usf.
Es bräuchte eigentlich – für die Kommunen wohlgemerkt! – ganz dringend vereinfachte Verfahren für die praktische Bewältigung. Die vergiftete Debatte sorgt aber dafür, dass es eher schwieriger wird, weil dann ein Merz um die Ecke kommt und meint, ein Mensch aus Nigeria setzt sich ins Schlauchboot, wenn er hier schneller in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen wird.
Kommt auch noch mal in Teil 2 unter „Lebenslügen“; die Idee, dass die überlastete Bürokratie auch noch Sachleistungen organisieren soll (Planwirtschaft, anyone?) ist absurd.
Ich denke, ein grundsätzliches Problem der deutschen (und der europäischen) Debatte ist tatsächlich, dass man eigentlich bei dem Thema nie über Menschen spricht. Die Zuwanderer, egal über welchen Weg, bleiben immer gewissermaßen eine biologische Masse, die man auf die eine oder andere Weise hin und her verschieben will (sowohl im progressiven wie im reaktionären Lager). Und der Grundtenor der politischen Diskussion und der Diskussion in der Gesellschaft ist schon immer eigentlich gewesen: Wie werden wir diese Gestalten wieder los? Das hat Tradition seit der Zuwanderung von Gastarbeitern – schon da war die Erwartungshaltung, dass die doch bitte irgendwann einfach wieder gehen. Selbst in der Willkommenskultur von 2015 findet sich das, nur versteckter wieder. Denn natürlich wird immer implizit angenommen, dass die Hilfe für die Menschen irgendwann ja einen Endpunkt hat, natürlich in irgendeiner Form ein Happy End, aber wahrhaben, dass viele Syrer z.B. niemals zurückkehren können, wollte ja eigentlich keiner. Die unbewusste Vorstellung war ja eher so wie bei einem Verletzten: Helfen, umsorgen, zusammenflicken und irgendwann kann der Mensch wieder aus dem Krankenhaus nach hause, in diesem Falle aus Deutschland zurück in die weite Welt.
Hinzu kommt, dass beide Seiten – progressiv/links vs reaktionär/rechts – bei dem Thema vor allem Selbstvergewisserung der eigenen Identität suchen, was den gesamten Diskurs prägt, wie im Artikel ja beschrieben. Das verbaut einen praktischen Umgang mit den Menschen, ja, sie überhaupt als Menschen zu sehen. Denn als Menschen sind auch die Flüchtlinge komplexe Individuen und natürlich werden einige von ihnen hier bei uns Scheiße bauen, kriminell werden. Weil es unter vielen Menschen immer einen gewissen Prozentsatz gibt, die dazu tendieren, aus welchen Gründen auch immer. Rechts wird daraus ein Pauschalurteil über alle Migranten gebildet, dass die ja eigentlich alle kriminell sind. Links wird aus der Tatsache, dass das ja nur ein gewisser Prozentsatz ist, das Pauschalurteil gebildet über fast alle Migranten, dass die ja eigentlich alle korrekt und liebenswert sind und natürlich auf gar keinen Fall straffällig werden.
Nur ist ja beides falsch.
Wir müssen hier pragmatischer werden. Z.B. sollte man dringend anfangen, dass das Bemühen der Einwanderer darum, sich hier bei uns in die Gesellschaft einzubringen, einen Einfluss darauf haben sollte, ob sie bleiben dürfen. Wer vielleicht nur als Wirtschaftsflüchtling herkam, aber dann hier hart arbeitet, seine Beiträge und Steuern zahlt, beim Lernen der Sprache ranklotzt etc. – ja, meine Fressen, lasst den Menschen doch hier bleiben, genau solche Menschen brauchen wir doch. Wenn aber z.B. ein vor Krieg und Folter geflohener Mensch hier im gefundenen Schutzraum selbst Menschen umbringt (als Extrembeispiel, ich weiß, das ist ein geringer Prozentsatz), ja, der muss seinen Schutzstatus verlieren. Punkt. Es kann nicht sein, dass man vor Mord und Totschlag fliegt, um diese dann selbst zu verbreiten. Dann schickt denjenigen bitte zurück, ganz hart gesagt.
Und natürlich gibt es viele Fälle dazwischen und manche haben einfach mentale Probleme weil traumatisiert, ja klar, für die muss es ein therapeutisches Angebot geben – aber mit der klaren Ansage, das muss dazu beitragen, dass derjenige hier was beitragen kann, weil nur wenn wir alle zusammen an einem Strang ziehen, was sinnvolles daraus wird.
Aber dafür muss man sich den Menschen angucken. Und nicht immer nur im Kopf „Wir werden wir alle wieder los?“, sondern einfach ganz pragmatisch sagen „Ok, jeder, der hier leben will, kriegt ne Chance, wer die aber geradezu vorsätzlich vergeigt, der möge bitte gehen“.
Sehr guter Punkt!
Instinktiv stimmt man dem „Chance vertan = Abschiebung“ schnell zu. Macht Bauchgefühls-mäßig schon Sinn.
Aber folgende Fragen:
Ist es mit dem Grundgesetz Artikel 3 juristisch vereinbar?
Ist es überhaupt möglich? (Viele Länder verweigern die Aufnahme/Rücknahme.)
Ist es nachhaltig? (Können wir verhindern, dass diese Person nochmals nach D kommt?)
Ist es finanziell der „bessere Deal“? (Flieger + Polizeibegleitung + …)
Wer einmal bei uns ist, geht in der Regel (90%) nicht wieder. Mir sind Debatten um Abschiebung deshalb völlig wurscht, das sind nichts anderes als Problemvermeidungen.
@ Pirat 5. Oktober 2023, 00:59
Ich denke, ein grundsätzliches Problem der deutschen (und der europäischen) Debatte ist tatsächlich, dass man eigentlich bei dem Thema nie über Menschen spricht.
Über „Menschen“ spreche ich, wenn ich z.B. meinen Nachbarn oder meine Abteilungskollegen meine. Wenn ich von den Einwohnern meiner Stadt oder allen Mitarbeitern unseres Unternehmens rede, ist nicht mehr viel Platz für individuelle Betrachtung. Genauso wenig sieht ein Asylsuchender den Staat oder eine Behörde als Funktion zusammenarbeitender Individuen an.
Was allerdings stimmt: Jeder einzelne Flüchtling ist ein Mensch, genauso wie jeder Mitarbeiter einer Behörde, jeder Bewohner unseres Landes, der sich über den Flüchtling freut oder ärgert.
Jepp.
q Pirat 5. Oktober 2023, 00:59
Wir müssen hier pragmatischer werden. Z.B. sollte man dringend anfangen, dass das Bemühen der Einwanderer darum, sich hier bei uns in die Gesellschaft einzubringen, einen Einfluss darauf haben sollte, ob sie bleiben dürfen. Wer vielleicht nur als Wirtschaftsflüchtling herkam, aber dann hier hart arbeitet, seine Beiträge und Steuern zahlt, beim Lernen der Sprache ranklotzt etc. – ja, meine Fressen, lasst den Menschen doch hier bleiben, genau solche Menschen brauchen wir doch. Wenn aber z.B. ein vor Krieg und Folter geflohener Mensch hier im gefundenen Schutzraum selbst Menschen umbringt (als Extrembeispiel, ich weiß, das ist ein geringer Prozentsatz), ja, der muss seinen Schutzstatus verlieren. Punkt. Es kann nicht sein, dass man vor Mord und Totschlag fliegt, um diese dann selbst zu verbreiten. Dann schickt denjenigen bitte zurück, ganz hart gesagt.
Guter Punkt. Zustimmung.
„Aus rechter Sicht lässt sich die AfD dadurch am besten bekämpfen, dass man die Grenzen weitgehend dicht macht, das Recht auf Asyl zurückschneidet, die Leistungen für im Land befindliche Menschen drastisch zurückschneidet und somit die ‚Anreize‘ für eine Flucht nach Deutschland reduziert, ohne dass je klar wäre, worin hier eigentlich der Kategoriale Unterschied zu der AfD genau bestehen soll.“
Unzutreffend. Aus rechter Sicht lässt sich die AfD am besten bekämpfen, indem das Recht auf Asyl erst mal korrekt angewendet wird. Ist nämlich nicht der Fall.
Generell würde es AfD schwächen, wenn sich die Regierung überhaupt erst mal an Recht und Gesetz hielte. Ebenfalls nicht der Fall.
Die Gesetzlosigkeit der Regierungspraxis wird zementiert durch unvollständige Gewaltenteilung: der Staatsanwalt ist dem Justizminister weisungsgebunden. Deutschland ist ein defizitärer Rechtsstaat.
Zwei Anmerkungen.
(1) AfD als „rechts“ zu bezeichnen ist zutreffend, sie sieht sich selbst so. Der Begriff steht also nicht in Frage. Sie als „radikal“ zu bezeichnen setzt einen Konsens, also ein gemeinsames Verständnis des Begriffs, voraus, der definitiv nicht gegeben ist. Verbesserungsvorschlag, entweder den Begriff „radikal“ vermeiden oder durch Definition für Konsens sorgen.
(2) Der Artikel ist gegendert. Gegenderte Sprache wird von der Mehrheit (über 80% der Deutschsprachigen Menschen) abgelehnt. Das Gendern ist hier dermaßen impertinent, dass mein Browser-Add-on wortweise versagt. Verbesserungsvorschlag: korrektes Hochdeutsch.
Die AfD würde mit sicherheit nicht wollen, dass das ordnungsgemäß angewendet wird. Dann müssten sofort die Pushbacks aufhören und Menschen gerettet werden statt sie ersaufen zu lassen.
Die afd ist rechtsradikal.
Definiere.
Indem du deine Aussage als „wahr“ bewertest, hast du den Widerspruch des fehlenden Konsens nicht aufgelöst. Es gibt gegenteilige Meinung.
Die regelmäßige Aussage der gegnerischen Parteien im Parlament, AfD sei „radikal“, ist nicht Kriterium, denn sie kann – völlig legitim – als bloße Abwehr von Konkurrenz aufgefasst werden.
Der im Politischen pejorative Begriff „radikal“, Synonym dort für „extremistisch“, bedarf der Begründung. Diese muss dem Beweis zugänglich sein. Ich ehre und achte jedermann, der sich diese Mühe macht, um mich zu überzeugen. Unabhängig, ob er das schafft. Fühl dich eingeladen.
Nö. Die AfD ist rechtsradikal. Da brauchst nur den Verfassungsschutz für zu bemühen. Das diskutiere ich genausowenig wie die Schwerkraft.
Was dagegen spricht: eine extremistische Partei wird als solche gar nicht zugelassen. Wenn eine zugelassene Partei sich nach Zulassung als extremistisch erweist, wird sie verboten, so geschehen am 17. August 1956. Ausgesprochen wird das Verbot vom Bundesverfassungsgericht, also der Judikative.
Der Verfassungsschutz ist eine weisungsgebundene Behörde. Er gehorcht der Regierung, also der Exekutive. Ihn eine zugelassene Partei beobachten zu lassen ist widersinnig. Weiter oben habe ich – unwidersprochen – von gesetzloser Regierungspraxis gesprochen. Dies ist ein Beispiel (wie auch die Beobachtung eines politisch missliebigen Staatsbeamten zur Digitalen Sicherheit).
Du begründest durch Behauptung. Was du nicht vorträgst ist Fachwissen, das ich von einem Historiker erwarte.
Ich gestehe, ich bin enttäuscht.
lol
Ich entschuldige mich für die Überforderung.
Te absolvo.
Nach der Absolution kann ich ja vom Leder ziehen (danke übrigens). Also. Der Zustand unseres Landes ist dir scheißegal, wie überhaupt alles seit der Konversion, die dir immerhin Lohn und Brot sichert als Geschichtslehrer. Das einzige, das dich motiviert zu deinem vorliegenden verschämten Canossagang sind die Umfragewerte der AfD.
(Übrigens finde ich die gar nicht mal gut; ist halt die einzige, die keinen Knall hat. Die Linke, für dich ich 2009 mal getrommelt hab, ist im Orkus.)
Ist ein freies Land, du kannst denken, was du willst.
Wow! Den Versuch einer sachlichen Aufarbeitung, sicherlich immer noch defizitär, aber in vielen Punkten den weißen Elefanten klar benennend, beantwortest Du mit
– einer in keiner Form belegten Behauptung, direkt überführt in
– eine diffuse Verschwörungstheorie über mangelhafte Rechtsanwendung der Regierung(!)
– u.a. begründet mit einer (im Übrigen umstrittenen) Meinung über mangelhafte Gewaltenteilung in einer auch für diesen Text völlig unerheblichen Frage garniert mit
– einer insistierend vorgetragenen, für den Inhalt des Sujets aber völlig irrelevanten, Aufforderung zur Diskussion über den Begriff „radikal“
– sowie einer Diskussion über Gendern.
Ein Musterbeispiel eristischer Dialektik und bestes Derailing. Total ätzendes Verhalten.
Gruß, M.
Die „im Übrigen umstrittene Meinung zu mangelhafter Gewaltenteilung“ weckt mein Interesse. Gibt es öffentliche Diskussion dazu? Quelle? Ich wäre dankbar dafür.
Pars pro toto:
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw19-pa-recht-staatsanwaltschaft-692574
Danke, war mir nicht bekannt.
Die Diskussion betrifft nicht allgemein die Trennung Judikative von Exekutive, sondern speziell Weisungsgebundenheit des Staatsanwalts durch den Justizminister. Gegner des Änderungsantrags ist – vertreten durch Staatsbeamte – die Regierung, die allerdings interessenskompromittiert ist. Siehe oben, Klage, indirekt zulasten der Regierungspraxis, kann durch schlichte Weisung unterbunden werden.
Betrachten wir die viel geschmähte EU, stellen wir fest, dass Deutschland damit Minderheit ist: ein EU-Haftbefehl, ausgestellt vom Staatsanwalt, wird nicht anerkannt, weil nicht unabhängig. Deutsche Sonderstellung. Ich nenne das unrühmlich.
Mein Standpunkt beruht auf dem Gedankenkonstrukt, auf dem die Idee der Bürgerlichen Gesellschaft aufbaut, und die strikte Trennung der Instanzen von Judikative, Legislative, Exekutive vorsieht.
An anderer Stelle habe ich zum Thema gebloggt.
https://wolf-busch.lima-city.de/html/Tagebuch/2022/quartal2-2022/doc-2022-05-28-07-31-56.htm
… oder ist dein „umstritten“ nur Synonym für „das bestreite ich locker“?
Abschließende Anmerkungen zu deinem Kommentar.
Meine Bemerkung zu Gendern war im Appendix. Gendern ist eine Unart, die auch nebenbei nicht zu dulden ist. Insbesondere ist das nicht wertneutral. Die Deutsche Sprache ist ein schutzwürdiges Kulturgut.
Stefans Einsprengsel „radikal“ als feststehendes Faktum habe ich in Diskussion gestellt, weil es die Zielrichtung des Artikels frühzeitig verfälscht. Stefan hat das genau verstanden, denn er hat es in Gestalt eines Apodiktums wiederholt. Er hat – mit gutem Grund und in vollem Bewusstsein – die Diskussion abgewendet. Er verfolgt eine Absicht.
Schließlich deutet deine Wortwahl „Verschwörungstheorie (…)“ auf ein Grundvertrauen, das dich einerseits ehrt, andererseits die Irre führt. Ich misstraue, als Grundannahme einer demokratischen Gesellschaftsform, jeder Regierung, und unserer ganz besonders.
Vor konkreter Begründung für mein Misstrauen wäre zuerst dein Vertrauen zu beheben.
Im Übrigen stehe ich für Fragen zur Verfügung. Jederzeit gerne.
Mir kommt gerade ein lustiges Beispiel für illegale Praxis der Regierung unter. Lies und staune:
Regierung ist laut GG Art. 20 Abs. 3 an Recht und Gesetz gebunden.
Im Hochsauerland leben nun friedlich zwo Einwanderer aus Afghanistan mit je zwo Ehefrauen – in Afghanistan sind das Versorgerehen, die hier importiert wurden.
https://www.wp.de/staedte/meschede-und-umland/bund-genehmigt-familiennachzug-mit-doppel-ehe-in-den-hsk-id239328169.html
Weil Bigamie laut StGB §172 verboten ist, sollten sie dafür also belangt werden. Das geschieht nicht, obwohl laut GG Art. 3 Abs. 1 sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind. Bigamie ist für den Normalo unverändert verboten.