Die EU hat einen neuen Asylkompromiss geschlossen. In der deutschen Innenpolitik schlägt er vor allem wegen des halben Aufstands der Grünen-Basis große Wellen. Ich spreche mit Alexander Clarkson darüber, was in dem Kompromiss eigentlich drin ist und wie man den gesamteuropäisch einordnen muss – abseits der deutschen Innenpolitik, die sich eher durch eine bewusste Verdrängung des Geschehens auszeichnet.
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Shownotes:
- ZEIT: Im Zweifelsfall Machtpolitikerin
- SPIEGEL: Das AA blockiert Hilfe für Seenotrettung
- Solomon: Küstenwache hat bewusst SOS-Rufe ignoriert
- WDR: Verdacht auf Pushbacks
- Twitter: Klage über das Niveau der Debatte
- Twitter: Kommentar von Patrick Bahners
- Twitter: DDR-Vergleich von Jürgen Zimmerer
- Twitter: Bericht über die vermuteten Pushbacks
Sehr guter Podcast! Ich stimme im grossen und ganzen Alex Analysen und Positionen voll zu. Die Kritik an links ist berechtigt so sie sich auf Strategie bezieht – die Grünen hätten hier echt eine Chance. Wäre das nicht etwas wie gemacht für Özdemir? Würde das nicht besser passen als der Agrarsektor?
Alex‘ Forderungen/Vorstellungen würden natürlich von rechts mindestens ebenso scharf kritisiert / bekämpft als von links…
Mir fällt nur auf, dass die Debatte schon insgesamt einen scharfen Rechtsdrall hat bzw historisch hatte. Es wird von ALLEN Mitgliedsstaaten versucht Personen (weg)zu vetteilen, nie die Chance, nur die Herausforderung betont. Und das nach linken Krawallen / Terrorismus (#Rostock/Lichtenhagen) nicht starker Staat gegen Links, sondern sogar in der Aussenpolitik/strategisch ‚etwas getan werden muss‘ gegen rechts um die Linken wieder einzufangen … wohl auch unvorstellbar…
But, I agree, that’s the world we live in…
Doch noch was… NIEMAND denkt strategisch (in öffentlichen Debatten) und die deutsche Debattenkultur ist auch nicht sooo besonders. In den USA ist trotz ‚Weltpolizist‘ JEDE ‚aussenpolitische‘ Debatte reine Innenpolitik/’nach innen gewandt‘. ‚Wie sieht eigentlich die Realität vor Ort – in Syrien, Arabien, Afghanistan aus?‘ im Sinne von ‚on the ground‘, strategische Zusammenarbeit / Ziele / Partner etc. geschweige denn Kenntnis darüber, habe ich jedenfalls noch von keiner Seite gehört…
Völlig bei dir.
Hmmm … also eine Demokratisierung ganz Nordafrikas – mit oder ohne Libyen – als Lösung für die Migrationskrise halte ich für grotesk unrealistisch. Erstens reicht ein einziger machtbewusster General, um alle Demokratiebewegungen in diesen Ländern zu beenden. Im Sudan herrscht ja gegenwärtig auch nicht Bürgerkrieg, weil die normalen Menschen so gerne aufeinander schießen. Zweitens gibt es in keinem nordafrikanischen Land eine Mehrheit für die Demokratie. Die gibt es selbst in Teilen Ostdeutschlands nicht. Die Mehrheit der Afrikaner ist autoritäre Regime gewöhnt, gerne auch mit islamistischem Einschlag und wählt diese an die Macht, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt. Eine demokratische Kultur ist nicht vorhanden und kann auch nicht von heute auf morgen wachsen. In Europa hat es Jahrhunderte gedauert bis aus den despotischen Regimen des Mittelalters echte demokratische Institutionen gewachsen sind. Haben wir zu wenig gemacht, um Tunesien und Ägypten nach dem Arabischen Frühling zu helfen? Ja, das ist von unserer Seite aus schlecht gelaufen. Aber dieses „Window of Opportunity“ hat sich geschlossen. Und so einfach, wie das im Podcast klingt, wo die Europäische Union scheinbar einfach mit dem Flieger über Tunesien fliegen und Bündel von Euro-Scheinen abwerfen soll, ist es nun auch nicht … Und fünftens sind Migrationswellen wie Wasser. Wasser sucht sich immer den Weg, wo es am einfachsten durchkommt. Selbst wenn fast ganz Nordafrika demokratisch wird und nur Libyen als einziges Land nicht, dann gehen die Migrantenströme eben durch Libyen. Und nichts ist gelöst.
Ich habe in den letzten Jahren zunehmend die Hoffnung verloren, dass eine menschliche Einwanderungspolitik möglich ist, die unsere westlichen Werte bewahrt, aber auch unsere heimischen Gesellschaften nicht überfordert. Ich befürchte, wir werden uns entscheiden müssen: Entweder wir werfen unsere Werte – betreffend der Migranten – über Bord. Oder wir werden ein Kippen unserer Gesellschaften sehen, mit der Folge, dass in wenigen Jahrzehnten wieder Nationalsozialisten in Deutschland regieren. Da in letzterem Fall auch unsere Werte sterben werden, sind Werte das, was wohl – so oder so – nicht zu retten ist.
Deshalb läuft es aus meiner Sicht wohl darauf hinaus, das Asylrecht abzuschaffen. Die Idee des Asylrechts ist wunderschön, aber in der Realität wird es in Massen von Migranten als Werkzeug genutzt, um unser Einwanderungsrecht zu untergraben. Man könnte das Asylrecht durch ein Asylprivileg ersetzen, das eine Regierung für ausgewählte Gruppen aussprechen kann, wo das politisch gewünscht ist – z.B. im Ukrainekrieg. Wenn das Asylrecht fällt, wären auch Pushbacks legal und sollten auch überall dort angewendet werden, wo nicht das Leben von Migranten unmittelbar bedroht wird. Das erste Mal, als ich den Begriff „Pushback“ hörte, ging es zum Beispiel darum, dass griechische Einsatzkräfte Migrantenboote an einem Grenzfluss zur Türkei zurückdrängten. Das halte ich für moralisch in Ordnung. Das Aussetzen von Menschen auf offener See hingegen ist offensichtlich durch garnichts zu rechtfertigen und darf unter keinen Umständen geduldet werden. Neu hinzugekommene Migranten ohne Qualifizierung für unseren Arbeitsmarkt sollten sofort abgeschoben werden, ohne Verhandlung, wo immer das möglich ist. Die Regierung sollte sich bemühen entsprechende Abkommen mit relevanten Staaten zu schließen. Aber hier ist mein Optimismus begrenzt – schließlich wird ja bereits seit geraumer Zeit erfolglos versucht solche Abkommen hinzubekommen – und mit verbrecherischen Staaten wie Syrien oder Afghanistan kann man auch nicht verhandeln. Man wird den nordafrikanischen Staaten wohl viel, viel Geld geben, damit die weniger Migranten durchlassen – und nicht so genau nachfragen, mit welchen Methoden die das machen. Ich glaube, dass sich das auch nicht verhindern lässt. Und man wird zur Abschreckung Hilfeleistung für Neuankömmlinge verzögern so lange wie es nur irgendwie geht, mit der Folge, dass es immer wieder auch zu Massenunglücken kommen wird, so wie in der letzten Woche. Auch das sehe nicht, dass es sich realistischerweise ändern lässt oder ändern wird.
Der Härte gegen neue Migranten von außen, müsste man dann aus meiner Sicht einen massiven Push an Integrationsbemühung im Inneren – also bei den Migranten, die bereits da sind – anbeistellen. Hier müsste es viel stärkere Schul-, Arbeitsmarkt- und Sprachqualifizierungen geben und eine verpflichtende Verteilung im Land. Auf europäischer Ebene nähern wir uns ebenfalls einem Verteilmechanismus an – langsam, aber stetig. Ziel von Integration sollte sein die Migranten, die bereits da sind, zu Bundesbürgern zu machen – mit allen Rechten und voller Staatsbürgerschaft. Bei Migranten, die sich ordentlich integriert haben und/oder erfolgreich zur Schule gehen oder studieren, sollte uns völlig gleichgültig sein, wie die am Anfang ins Land gekommen sind – legal oder illegal. Tüchtige Menschen können wir in Deutschland gebrauchen. Insgesamt sollten wir ein Greencard-System wie in den USA aufbauen, wo man nach fünf Jahren die US-Staatsbürgerschaft beantragen kann – und in der Regel auch bekommt. Ein Greencard-System könnte auch für die Steuerung legaler Migration eingesetzt werden, die wir dringend brauchen und die auf harten Arbeitsmarktkriterien beruht. Möglicherweise kann man mit den Staaten Nordafrikas Investitionen in deren Schul- und Universitätssystem gegen Abschiebeabkommen tauschen. Dann könnte man einem Teil der dortigen Absolventen legale Wege in die EU ermöglichen im Austausch dafür, dass die Länder illegale Neuankömmlinge zurücknehmen. Keine Ahnung, ob das realistisch ist. Aber vielleicht wäre es ein Ansatz …
Ich halte das, wie Alex auch, für unrealistisch, dass wir uns abschotten kommen. Ich finde zudem extrem problematisch zu sagen, dass wir uns da entscheiden müssten; ich denke das nicht. Denn das Asylrecht ist, wie wir ad nauseam hier im Blog ja schon besprochen haben, gar nicht das Problem – der Großteil der Leute, die hier ankommen, ist ja gar nicht asylberechtigt.
Das Asylrecht ist vertretbarerweise schon das Problem, denn wegen des Asylrechts hat jeder Migrant das Recht einen Antrag zu stellen, auch wenn der Antrag hoffnungslos ist. Aber zur Antragstellung muss man den Migranten zumindest temporär aufnehmen. Und die Erfahrung zeigt, dass praktisch alle, die temporär aufgenommen werden, dann für immer bleiben. Egal ob der Antrag positiv oder negativ beschieden wird. Und vermutlich wird sich letzteres auch nicht signifikant ändern lassen.
In a nutshell – schöne Zusammenfassung des Problems.