Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
1) Baerbock: China will seine eigenen Regeln schaffen
Baerbock hatte Südkorea zuvor die Unterstützung Deutschlands auch in regionalen Konflikten angeboten. Die Zusammenarbeit mit dem Land solle in den Bereichen Klima, Wirtschaft, aber auch Sicherheit ausgebaut werden, sagte sie bei einem gemeinsamen Auftritt mit Park. So wie andere Nationen für die Sicherheit in Europa einstünden, müsse man die „Sorgen und Nöte hier in der Region ernst nehmen“, fügte sie hinzu. Das betreffe sowohl eine Bedrohung durch Nordkorea als auch Spannungen in der Taiwanstraße. […] „Wir wollen uns im Indopazifik stärker engagieren“, sagte die Grünen-Politikerin und verwies auf die entsprechende Strategie der Bundesregierung. Der Indopazifik sei eine Schlüsselregion für das 21. Jahrhundert. Darüber habe sie auch bei ihrem Besuch in China gesprochen. […] Bei ihrem Treffen mit Außenminister Park am Samstag in Seoul dankte Baerbock Südkorea auch für die Unterstützung der Ukraine nach dem russischen Überfall. „Ihr könnt euch darauf verlassen, dass wir als Partner an eurer Seite stehen“, sagte sie deshalb. „Das werden wir nicht vergessen.“ Parallel zu ihrer Asienreise ist in der Ampelkoalition Streit über den künftigen China-Kurs ausgebrochen. Grünen-Politiker kritisierten ein Strategiepapier des konservativen SPD-Flügels, in dem dieser vor einer „Anti-China“-Strategie warnt. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte der Zeitung „Welt am Sonntag“: „Es besorgt mich, dass die SPD offenbar nichts aus ihrer für Deutschland fatalen Russland-Politik gelernt hat.“ […] Das Auswärtige Amt wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern, sondern verwies auf die Taiwan-Äußerungen der Ministerin am Freitag. Baerbock hatte da mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang gesprochen und daraufhin einen militärischen Konflikt Chinas mit Taiwan als „Horrorszenario“ bezeichnet. Qin unterstrich seinerseits die Bedeutung der Beziehungen zu Deutschland, fügte aber hinzu: „Was China am wenigsten braucht, sind Lehrmeister aus dem Westen.“ (FAZ)
In meinen Augen macht die SPD bei China denselben Fehler, den sie bei Russland auch gemacht hat. Die Blauäugigkeit, mit der Wirtschaft und Politik in zwei völlig unverbundene Sphären getrennt werden, ist vor dem Hintergrund des Fehlers mit Putin besonders unverständlich. Natürlich ist es nicht wirklich gangbar, China auf ähnliche Weise zu betrachten wie weiland die Sowjetunion. Denn der Handel mit der Sowjetunion war in seinem Umfang zum einen wesentlich geringer, was die Abhängigkeiten deutlich reduzierte – das Imperium war dank seiner miserabel funktionierenden Planwirtschaft und ideologischen Abschottung ja nie als Markt interessant – und andererseits ungeheuer einseitig, weil die Sowjetunion von westlichen Importen viel abhängiger war als umgekehrt (wenngleich damals schon eine unangenehme Abhängigkeit bei fossilen Brennstoffen bestand).
Dass China keine „Lehrmeister aus dem Westen“ will glaube ich sofort, nur sollten wir uns davon nicht abschrecken lassen. Wer Genozid in Lagern begeht, hat keinen Anspruch, sich über Kritik zu beklagen. Wie auch bereits bei Russland sind die Grünen die hellsichtigste Partei in Deutschland, was die Gefahren der Verflechtung mit China angeht, und unternehmen am meisten, um diesen entgegenzuwirken. Inwiefern die verfolgten Ansätze funktionieren können, ist sicher diskussionswürdig; die Analyse aber scheint mir unstrittig. Ich finde es in jedem Fall sehr zu begrüßen, dass Baerbock eine deutsche Präsenz in Südostasien zu etablieren versucht. Südkorea, Japan, Vietnam etc. sind alle wichtige Ecksteine in einer Eindämmungsstrategie gegenüber China, und angesichts des Säbelrasselns ist eine solche wichtiger denn je.
2) The Problem With the Retirement Age Is That It’s Too High
The people arguing that Americans should work until they are 70 are typically people with cushy, remunerative white-collar jobs—the types of jobs that are fun and intellectually engaging for octogenarians. Most people do not have those jobs, especially not older workers without a college degree. That’s why the average lower-income American quits working and applies for Social Security as soon as they are eligible, trading a lower monthly benefit for the ability to stop changing car tires or working a cash register for $11 an hour at age 62. That is perhaps the strongest argument for lowering the retirement age rather than raising it: Earlier retirement is what the American people obviously want, given how they behave. Poll after poll after poll shows that both Democrats and Republicans strongly support leaving benefits alone. And survey after survey shows that older Americans seek retirement as soon as is practical, with one-third of people taking benefits at 62 and more than half accepting reduced benefits for the chance to quit working before the current “full” retirement age of 66. There is no good reason for the government to force such people to continue toiling away at their job toward the end of their life. We live in the wealthiest society the world has ever known. We have dozens of policy options available to increase employment among prime-age workers, help all Americans live a healthier life, and lift productivity and GDP. It would be straightforward to fully finance Social Security with some simple tax changes, ones that would have the benefit of making the tax code fairer and more progressive. And it would be straightforward to give workers what they want by letting them accept full retirement benefits at age 62 or 65 rather than at 67. (Annie Lowrey, The Atlantic)
Bei dieser ganzen Rentendebatte scheint sich mir alles immer um zwei unvereinbare Pole zu drehen: einerseits die Frage der Finanzierung der Rente, auf die ich bisher noch nie eine wirklich überzeugende Antwort gehört habe. Die Kritik der Befürworter*innen solcher „Reformen“ trifft hier ja durchaus zu. Der andere Pol aber, der von linker Seite vorgebracht wird, hat keinerlei überzeugende Antworten von der Befürworter*innenseite: das Arbeiten signfikant über 60 hinaus ist für weite Teile der Bevölkerung völlig illusorisch. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters führt daher aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu längerem Arbeiten, sondern schlicht zu gekürzten Renten durch frühere Renteneintritte (bzw. gleich frühe, aber nun als „früh“ geframed). Keine der beiden Seiten kann die Sorgen der anderen relevant addressieren.
3) Der „Matheschmerz“ – weshalb die Lernkultur in Mathematik einer Reform bedarf
Diese Aufgabenkultur ist Teil einer problematischen Lernkultur. Sie führt zu schlechten Noten, orientiert sich an Defiziten, steigert die Frustration und senkt die Motivation. Manche Pädagoginnen und Pädagogen sehen häufig über die Defizite der Aufgaben- und Lernkultur hinweg und verlagern die Probleme stattdessen in den Bereich der Lernenden. So vertritt beispielsweise Michael Felten die These, dass Schülerinnen und Schüler seelisch von ihren Eltern zu sehr verwöhnt würden und daher zu „verzärtelt“ seien für die harte Schule des Mathematikunterrichts. Lernende (oder ihre Eltern) dafür verantwortlich zu machen, dass Unterricht nicht funktioniert, ist eine didaktische Ausrede. Eine sehr schlechte Ausrede. Denn wer didaktisch reflektiert agiert, fragt sich, wo die Gründe dafür liegen, dass Mathematik bei Schülerinnen und Schülern als Fach unbeliebt ist und immer mehr von ihnen auf Youtube-Tutorials zurückgreifen, die schrecklich langweilige Rezeptmathematik vorführen. […] Gleichwohl ist aber die Vorstellung, Kinder würden Mathematik nur über Härte, Leiden und Herabsetzungen lernen, immer noch verbreitet. Feltens Vorwurf an Eltern, Kinder so stark zu verwöhnen, dass sie schlecht Mathematik lernen, drückt genau diese Haltung aus. Sie führt zu einer Herangehensweise, die Mathematik als Herausforderung gestaltet, an der zu viele Menschen scheitern müssen. So ergibt sich ein Zirkel: Sinnlose Anforderungen werden mit der Inkompetenz von Schülerinnen und Schülern begründet, die sich gerade (und nur) in diesen Anforderungen zeigt – und scheinbar nur durch eine Weiterführung dieser Überforderung behoben werden kann. […] Solche Ansätze setzen sich nicht durch, weil Mathematik als Selektionsfach eingesetzt wird, auch an Unis. Mathematik muss – in der Logik des Systems – Scheitern produzieren. Der „Matheschmerz“ ist gewollt. Mathelehrerinnen und Mathelehrer übernehmen eine Aufgabe, die sie verweigern sollten. (Philippe Wampfler, Deutsches Schulportal)
Oh, mein Lieblingsthema, strukturelle Probleme des Matheunterrichts. Die Fachkultur ist einfach kaputt. Der Felten-Artikel zeigt das auch exemplarisch, genauso wie dieses jüngst viel verlinkte Video von wegen „in Indien ist Mathe so viel anspruchsvoller und besser“. Die Idee, dass Mathe irgendwie das „fiery crucible in which true heroes are forged“ ist, ist einfach nicht totzukriegen. Nicht nur sind die Inhalte des Fachs offenkundig nicht eben super ausgewählt; die Didaktik ist ebenfalls problembehaftet und dazu haben wir die Haltung vieler Lehrkräfte. Kein Wunder läuft da so vieles falsch.
4) America’s Educational Superpower Is Fading
Yet behind this glittering façade of Nobel Prizes and gargantuan gifts, the US university system is beginning to molder. The problem is not just a few glitches here and there. That is to be expected in a giant system. It is that vital elements in a healthy academic system are failing at the same time. Prices continue to rise: A year at Cornell now costs nearly $90,000. Administrative bloat is rampant: Yale University now has the equivalent of one administrator for every undergraduate student. Federal student debt has reached $1.6 trillion, 60% more than credit card debt. […] Life within many universities no longer resembles the bucolic ideal that those of us of a certain age remember. A tiny tenured elite sits on top of a mass of toiling temporary workers who move from one short-term assignment and frequently end up unemployed — the world’s most highly educated lumpenproletariat. The biggest US strike last year was conducted by 48,000 workers at the University of California, the state’s third largest employer. The representation of these workers by the United Auto Workers union is symbolic as well as noteworthy: For America’s university sector increasingly looks like the country’s car industry in the 1970s, just before it was taken apart by the Japanese — hampered by a giant bureaucracy, contemptuous of many of its workers, and congenitally inward-looking. […] The democratic principle has triumphed: More Americans than ever before have been to university. But this triumph has exacted a heavy cost not only in college debt but in the neglect of non-college paths to success. In Germany, practical-minded children have a clear road to success through technical colleges and apprenticeships. In America, they are increasingly left with nowhere to go. Thirty-nine million Americans drop out of college without finishing their degree, leaving them in the worst of both worlds — student debt without a sheepskin — and suggesting that college-for-all is an inherently foolish idea. (Adrian Woolridge, Bloomberg)
Was mich an solchen Artikeln immer wieder fasziniert ist das „das Gras ist auf der anderen Seite immer grüner“-Effekt. Das leuchtende Vorbild Deutschland mit seiner großartigen Verzahnunung von Theorie und Praxis, das alle Probleme der Überakademisierung (eine ohnehin fragwürdige Prämisse) zu lösen scheint, ist für alle an der Bildungsdiskussion beteiligten Leute hier in Deutschland natürlich neu. Denn letztlich debattieren wir dasselbe: haben zu viele Leute einen Bachelor?
In den USA kommt natürlich noch einmal eine Latte von Problemen dazu, die wir hierzulande nicht haben. Hier verlieren die Student*innen hauptsächlich Zeit, wenn sie etwas studieren, von dem sie später nicht arbeiten können. In den USA versinken sie im Schuldensumpf. Die völlig absurden Kosten des Studiums im Land der finanziell sehr begrenzten Möglichkeiten sind ein enormes Problem für die Nachhaltigkeit des Bildungssystems dort – und schlicht volkswirtschaftlich ineffizient. Wenn in einer Uni wie Yale auf eine studierende Person eine in der Verwaltung kommt, dann läuft einfach was falsch.
5) Has the GOP’s culture war been for naught?
Legislative wins aside, some question whether Republicans‘ cultural crusade will work for them in the long run, as many of their measures appear unpopular among the general public. For instance, since the Supreme Court overturned Roe v. Wade, polls show „public opinion on abortion in the U.S. has moved sharply leftward,“ Intelligencer wrote. Are Republicans out of touch? […] As Republican presidential hopefuls prepare for 2024, „the fact that one cannot win a GOP primary without titillating culture-war addicts is undermining the party’s prospects for winning the next general election,“ Eric Levitz comments in Intelligencer. Republicans fare better when they focus on economic concerns, Levitz adds, and each day „that the GOP’s 2024 hopefuls display more concern with ‚Marxist‘ educators than with high prices brings Joe Biden one step closer to re-election.“ After a lukewarm performance in the midterms, Republicans are shifting their focus to who will represent them in the 2024 presidential race. Top possible GOP contenders for the White House „are increasingly focused on battles around LGBTQ issues and education,“ ABC News writes, „a dynamic that political operatives say is likely only to intensify in the lead up to next year’s election.“ (Theara Coleman, The Week)
Die Republicans sind mit Sicherheit out of touch, aber das ist die aktivistische Basis der Democrats auch. Das ist ein bisschen wie ein Rennen unter Blinden, nur dass die GOP von ihren Spinnern dominiert wird und die Democrats nicht. Allein, an der Außenwahrnehmung ändert das recht wenig, weswegen fragwürdig ist, wie viel das hilft. Dass die Themen der Republicans unpopulär sind, spielt in einer solchen Umgebung dann keine Rolle: zwar findet sich keine Mehrheit für die Einschränkung der Abtreibungsrechte, aber wenn die Wählenden der Überzeugung sind, dass die einzige Alternative eine Legalisierung von Transoperationen bei Kindergartenkindern ist, dann wird die Wahlentscheidung für das subjektiv kleinere Übel fallen. Und das ist in einem strukturkonservativen Land immer die konservative Partei, und das ist der Schaden, den die progressive Basis anrichtet – egal, wie viel tatsächlichen Einfluss sie hat.
Diese Dynamik beißt im Übrigen bereits Ron deSantis in den Allerwertesten. Sein Ansatz, die ganzen USA zu behandeln als seien sie ein Edelrentnerressort in Florida scheitert bereits vor den Primaries. Und schaut man auf die aktuelle Zahl von endorsements, ist die Idee, Trump zu outttrumpen, 2024 genauso blöd wie 2016. Aber das hält die Leute nicht davon ab, dieselben Fehler noch einmal zu machen.
Letztlich gilt für die USA dasselbe, was für alle anderen Länder auch gilt: der mit Abstand größte Indikator für die Wahlentscheidung ist die wirtschaftliche Lage, weil die meisten Leute sich mit dem identitätspolitischen Blödsinn eh nicht beschäftigen. Die werden vor allem als Mühlstein um den Hals relevant. Hätte Trump sich 2020 einfach ein bisschen besser unter Kontrolle gehabt, hätte er die Wahl gewonnen; dasselbe gilt auch für 2022. Es beibt die Hoffnung, dass dasselbe 2024 wieder passiert und die Fraktion der Vernünftigen die Oberhand behält, so dass Joe Biden wiedergewählt wird.
Resterampe
a) Spannender Thread zur Geschichte der Ursprünge der Abkehr vom Pazifismus der Grünen. Ich habe übrigens gerade bei meinen Unterrichtsplanungen eine Quelle aus dem Programm der Grünen von 1990 gefunden, in denen sie als Hauptthema den ökologischen Umbau der fossilen Industrie der DDR hatten. Schon ein Mysterium, warum die 1990 fast aus dem Bundestag geflogen wären. /Ironie
c) Super Thread zur Wehrpflicht in den USA.
d) Auch spannend dieser hier zum Formaldienst in der Bundeswehr.
e) Gute Einordnung der französischen Opposition zu den USA.
f) Michael Seemann verlässt Twitter.
g) Chinas Ein-Kind-Politik ist schon lange passé, jetzt fahren sie eine Drei-Kind-Politik. Bin ich froh, nicht in einer Autokratie zu leben.
h) Die FAZ hat was zu Merkels Verdienstkreuz. Ich sehe jetzt auch nicht, womit sie das verdient hätte. Gegenpunkt dazu ist Nikolaus Blome beim Spiegel. Krass ist aber, dass Merz und Linnemann nicht bei der Verleihung sind.
i) In der Welt findet sich ein langer Eintrag im beliebten Genre „Warum die FDP gerade so schlecht abschneidet„.
j) Das mit Thomas wird immer krasser.
k) Ich kann irgendwie gar nicht richtig glauben, dass so was wirtschaftlich wirklich so relevant sein kann, dass es diese Art nackter Einflussnahme rechtfertigt, aber ich lass mich gerne aufklären.
l) Mädchen sind schulisch deutlich erfolgreicher als Jungs. Das ist auch so ein Dauerdrama, das irgendwie einfach hingenommen wird. Genauso wie die Absurdität, dass das im Wissenschaftsbetrieb ein abrupter Ende findet.
m) Das schöne an diesem Streit zwischen Disney und Ron deSantis ist, dass auf beiden Seiten Arschlöcher stehen und es durchaus möglich ist, dass beide verlieren.
n) Republicans remain determined to destroy the economy.
o) Die Armut an Vielfalt durch die Streamingservices ist echt bedrückend.
p) Die EVP hat weiter ein echt gespaltenes Verhältnis zu Fidesz.
q) Die Ungleichheit in Indien nimmt massiv zu.
r) Ganz interessante Analyse zu Bitcoin-Fans.
s) Die private Meinung von Peter Müller ist meiner privaten Meinung nach ziemlich scheiße.
t) Die BPB hat eine ganz schöne Übersicht zu verschiedenen Definitionen von Klimagerechtigkeit.
u) Meiner amateurhaften Meinung nach ist der Heizkompromiss halbwegs tragfähig.
Hinweis Fehler: Link von „s“ geht zu „r“.
(2 – Rente)
das Arbeiten signfikant über 60 hinaus ist für weite Teile der Bevölkerung völlig illusorisch.
Warum sollte das illusorisch sein? Es geht ja um Menschen, die nicht grundsätzlich arbeitsunfähig sind und den Beruf wechseln können.
Vielleicht wäre es auch an der Zeit, die Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung völlig eigenständig über Konditionen der Rente entscheiden zu lassen. Im Prinzip kann man ja zwei der drei Faktoren frei wählen, der dritte ergibt sich versicherungsmathematisch von selbst: Rentenhöhe, Höhe Beitragszahlungen, Renteneintrittsalter.
Klar, wenn du die AGs findest, die 60jährige einstellen und neu einlernen, in signifikaten Zahlen, dann go for it. In dem real existierenden Arbeitsmarkt entlässt du weite Teile dann in die Arbeitslosigkeit. Geht auch, ist aber halt auch nur eine andere Kasse.
In vielen Bereichen wird das vor allem eine Preisfrage sein. Jobs für Menschen über 60 in ganz neuen Jobs werden (überwiegend) relativ einfache Tätigkeiten sein, die die Politik eigentlich verhindern möchte, siehe Mindestlohn-Debatte.
Ja, eben.
(4 – US-Studienfinanzierung)
Wenn in einer Uni wie Yale auf eine studierende Person eine in der Verwaltung kommt,
Die Angabe glaube ich nicht. Bzw. „administration“ ist in diesem Zusammenhang wohl anders zu deuten als bei uns „Verwaltung“. Wahrscheinlich zählen in den USA auch Lehrkräfte zur „administration“, womöglich sogar auch externe.
Ich habe selbst an einem recht exklusiven Institut in Deutschland studiert, wo wir damals inkl. externen Lehrkräften sicher auch auf ein Verhältnis von 1:2,5 gekommen sind. Das ist nicht mehr sooo weit weg von 1:1, wobei es an einer Verwöhn-Uni wie Yale natürlich noch jede Menge Luxusangebote gibt.
Das weiß ich natürlich nicht, so genau kenne ich mich nicht aus. Aber selbst wenn die Lehrkräfte dabei sind – die haben dann trotzdem einen riesigen administrativen Wasserkopf.
Hier sind die Zahlen:
https://www.yale.edu/about-yale/yale-facts
In den USA wird zwischen faculty (Forschungs- und Lehrpersonal einschließlich studentischen Kräften) und staff (Verwaltung, aber auch Technik, Sicherheit und alles was so für das Funktionieren des Betriebs nötig ist) unterschieden.
16000 Angestellte, die sich um 12 000 Studenten kuemmern. Von den 5000 graduate students sind sicher auch einige teaching assistants. Ich wuerde mal sagen, die Studenten in Yale werden gut bemuttert. Das errinnert mich ans Kloster Banz in Franken. Dort wurden die ca. 9 adligen Moenche auch von 32 Bediensteten versorgt.
Danke!
(5 – GOP)
der mit Abstand größte Indikator für die Wahlentscheidung ist die wirtschaftliche Lage,
Ich möchte kurz korrigieren: „… die individuell wahrgenommene wirtschaftliche Lage“. Das ist nicht notwendigerweise deckungsgleich.
Völlig korrekt, danke. Und noch dazu: die wahrgenommene Lage von ANDEREN. Denn das Absurde ist ja, dass die Einschätzung „der wirtschaftlichen Lage“ und der EIGENEN oftmals massiv auseinander gehen.
Guter Hinweis. Das ist in der Tat eines der großen Rätsel der Mediengesellschaft. Oder ein evolutionärer Effekt – zur Sicherheit immer eine möglichst schlechte Lage annehmen …
Was ist bitte die „Wirtschaftliche Lage“?
Es existiert eine konjunkturelle Lage, aber das ist ein aggregierter Wert.
Nehmen wir als Beispiel eine Robin Crusoe Insel, in der Stefan Pietsch als Finanzvorstand arbeitet und ich als Programmierer.
In der Vorperiode haben wir beide je 1 Kokusnuss erwirtschaftet.
Wenn nun auf der Robinson Crusoe Insel die Leistungen von Finanzvorständen plötzlich nicht mehr nachgefragt werden, aber die von Programmierern umso mehr, erhält Stefan Pietsch keine Kokusnuss und ich 3. Im Durchschnitt gibt es 1,5 Kokusnüsse, d.h. die Konjunktur hat um 50% angezogen. 😉
2) The Problem With the Retirement Age Is That It’s Too High
Wenn man so halbwegs den Ansatz verfolgt, dass ein jeder in erster Linie für sich selbst verantwortlich ist, sollte sich jeder über folgende Rechnung im Klaren sein:
Arbeit von 25 bis 65 Jahre: 40 Jahre Rentenbeiträge
Rente von 65 bis 85/95 Jahre: 20/30 Jahre Rentenbezüge.
Wenn also die Rentendauer 50 bis 75 % der Arbeitszeit beträgt, muss man entsprechend hohe Rücklagen bilden – unter der Berücksichtigung, dass man im Alter vermutlich einen höheren Lebensstandard als in jungen Jahren hat, den man halten möchte, unter der Berücksichtigung, dass man im Alter höhere Aufwendungen für die Gesundheit und eventuell Pflege zu leisten hat.
Heute ist die Regel, dass man während des Berufslebens etwa 80 % seiner Einkünfte für einen höheren Lebensstandard ausgibt, und was dann im Alter am gewohnten Wohlstand fehlt, sollen andere blechen – bevorzugt „Reiche“ und die Kinder anderer Leute.
Hier sollte (da bin ich bei Tim) die Rente ausbezahlt werden nur nach selbst erbrachter Leistung; zur Not wird vom Staat auf Hartz IV aufgestockt. Bei „zu wenig“ Rente über mangelnde „Gerechtigkeit“ zu klagen ist schon sehr scheinheilig.
Ich sag es immer wieder: ich sehe die Logik total. Was ich nicht sehe ist, wie die Leute signifikant länger arbeiten sollten.
Du siehst die Logik, die darin besteht, dass wir wesentlich höhere Beiträge leisten müssten um uns ein Rentenniveau am 60 leisten zu können. Wenn sich daraus etwas ableiten lässt, dann ein Plädoyer für Rentenbeiträge jenseits der 30% Richtung 40%. Das ist zumindest ein Statement, über das sich diskutieren ließe. Okay?
Wird das in Frankreich als Alternative diskutiert?
@ CitizenK 25. April 2023, 09:03
Wird das in Frankreich als Alternative diskutiert?
Nein, natürlich nicht. Wenn dort Jugendliche Autos abfackeln, weil sie sich nicht die gleichen T-Shirts wie ihre Klassenkameraden leisten können, wenn (wie schon geschehen) ein paar Angestellte die Notabschaltung eines AKW durchführen, weil der Geschäftsführer zu einem bestimmten Meeting keine Gewerkschaftler eingeladen hat, oder (wie schon geschehen) Streikende eine unbeliebte Führungskraft mal für zwei Tage in einen Container sperrten, dann diskutiert man so etwas nicht mit der Bevölkerung. Da ruiniert man lieber sein Land.
Nein, so etwas diskutiert niemand irgendwo auf der Welt. Warum auch? Selbst in Deutschland empfindet die Mehrheit Sozialabgaben als Zwangsabgaben, denen sich diejenigen entziehen, die es können: Freiberufler, Staatsdiener, Schwarzarbeiter. Freiwillig will nur eine Minderheit sich beteiligen.
Die Franzosen leisten sich die Frühverrentung unter zwei Bedingungen: Sie haben eine weit günstigere Altersstruktur der Erwerbsbevölkerung und damit weniger Rentner zu versorgen. Statt dies zur Senkung der Beiträge zu nutzen, erlauben sie den Bürgern einen früheren Ruhestand. Und: Wie Italien und Spanien finanzieren die Franzosen die gravierenden öffentlichen Kosten durch Schuldenaufnahme. So ruinierte Frankreich binnen einen Jahrzehnts seine Staatsfinanzen.
@ Stefan Pietsch 24. April 2023, 14:23
Du siehst die Logik, die darin besteht, dass wir wesentlich höhere Beiträge leisten müssten um uns ein Rentenniveau am 60 leisten zu können.
Genau das!
@ Stefan Sasse 24. April 2023, 13:56
Ich sag es immer wieder: ich sehe die Logik total. Was ich nicht sehe ist, wie die Leute signifikant länger arbeiten sollten.
Was ich nicht sehe, ist, dass jemand sein Lebenseinkommen (provokant formuliert) „verjubelt“, und es dann „ungerecht“ nennt, wenn andere nicht Schlange stehen, um ihn auf seinem Niveau zu versorgen.
Ich sehe das Argument für Leute wie dich und mich. Aber was tust du mit den zwei Dritteln, die realistisch nicht nennenswert zur Seite legen können?
@ Stefan Sasse 25. April 2023, 10:40
Aber was tust du mit den zwei Dritteln, die realistisch nicht nennenswert zur Seite legen können?
Hatte ich geschrieben. Dafür gibt es Hartz IV.
Dann kann man aber auch nicht behaupten, die Rente wäre irgendwas anderes als Grundsicherung für 60, 70% der Bevölkerung.
@ Stefan Sasse 25. April 2023, 12:06
Dann kann man aber auch nicht behaupten, die Rente wäre irgendwas anderes als Grundsicherung für 60, 70% der Bevölkerung.
Ja, mag sein. Ein jeder hat seine Standards, von denen er nicht runter will, und der Staat mit seiner Gier tut sein übriges.
Das ist jetzt aber arg Schwarz-Weiß. Diejenigen, die es im Alter am härtesten trifft, hatten vorher am wenigsten zu „verjubeln“.
@ CitizenK 25. April 2023, 13:50
Diejenigen, die es im Alter am härtesten trifft, hatten vorher am wenigsten zu „verjubeln“.
Unbestritten; die bekommen aber auch die meiste Unterstützung. Versteh mich da bitte nicht falsch: Ich will niemanden gewaltsam in die Armut treiben. Aber zwischen Mindestlohn und (Richtig-)Gutverdienern gibt es ein Mittelfeld, die viele Entscheidungen treffen, um sich das Leben jetzt schön zu machen, und die hinterher Probleme bekommen.
Ist angesichts des Versagens auch dieser Regierung in Richtung sozialer Wohnungsbau vielleicht schlechtes Timing, solch eine Diskussion zu führen. Aber die Rechnung ist: Man arbeitet vielleicht 45 Jahre, und will die Hälfte dieser Zeit als Rentner obendrauf legen. Hat man 1/3 seiner Einkünfte beiseite gelegt, geht es auf. Die staatlichen Rentenbeiträge kannst Du dabei nicht in voller Höhe, sondern nur mit (geschätzt) 10 % ansetzen; zum einen finanzierst Du andere mit, und zum anderen benötigt der Apparat auch seinen Teil.
Für bestimmte Berufe ist es halt sehr unwahrscheinlich, dass man die noch mit über 65 ausüben kann. Mit Umschulungen tuen sich auch einige diplomierte Bürokräfte sehr schwer, obwohl dem Management schon seit Jahrzehnten klar war, dass man Leute aus Komfort-Zonen ziehen muss. Das war ja ein Grund der viel beklagten Umstrukturierungen. Manche entwickelten da aber Strategien, um diese Wellen abzutauchen und benötigen nun in der Digitalisierungs-Strategie echt psychologische Betreuung, weil sie es echt verlernt haben, sich in ein neues Tätigkeitsfeld einzuarbeiten. Ich hör da unglaubliche stories.
1) Baerbock: China will seine eigenen Regeln schaffen
Es wäre sinnvoll, sich mit der Wirtschaftsstruktur Deutschlands zu beschäftigen und den Anteil Chinas an den globalen CO2-Emissionen. Im Reich der Mitte leben 1,3 – 1,4 Milliarden Menschen. In hoher dreistelliger Millionenzahl werden diese Menschen wohlhabend oder sind es bereits. Die gesamte entwickelte Welt zählt etwas über 1 Milliarde Menschen. Das bedeutet, von den 8 Milliarden Menschen auf dem Globus lebt der Großteil in armen Verhältnissen und wird auf absehbare Zeit weder industrielle Produkte kaufen noch sich an der Wertschöpfung der Welt nennenswert beteiligen können.
Deutschlands Wirtschaftskern besteht zu 28 Prozent aus Industrie, die Maschinen für die Herstellung von Produkten anbietet. Ein weiterer wesentlicher Teil der hiesigen Wertschöpfung sind sehr teure Luxusgüter. Auf der anderen Seite der Bilanz steht der Import von billigen und mittelteuren Konsumgütern, die aus ökonomischen Gründen nicht mehr in den Hochlohnländern gefertigt werden können.
Wer sich diese Fakten vor Augen führt, wird verstehen, dass ganz Westeuropa nicht auf enge Wirtschaftsbeziehungen wird verzichten können, zumal der nordamerikanische Markt von der Mehrheit der Westeuropäer zum Feindesland erklärt ist, mit dem man keine Wirtschaftsverträge abschließen kann. Das sehen übrigens hauptsächlich die Grünen so.
Irgendjemand wird umdenken müssen.
@ Stefan Pietsch
zumal der nordamerikanische Markt von der Mehrheit der Westeuropäer zum Feindesland erklärt ist, mit dem man keine Wirtschaftsverträge abschließen kann
Das werden Historiker einst als eine der dümmsten großen Fehlentscheidungen bezeichnen. Angesichts eines aufstrebenden Chinas eine strategische Allianz mit Nordamerika nicht eingehen, weil … Chlorhühnchen.
Zur Ehrenrettung der europäischen Bevölkerung nehme ich allerdings wohlwollend an, dass sie zu der Zeit noch gar nicht gewusst, wie stark China geworden ist. Warum sich auch über die Welt informieren.
True enough.
„… zumal der nordamerikanische Markt von der Mehrheit der Westeuropäer zum Feindesland erklärt ist, mit dem man keine Wirtschaftsverträge abschließen kann.“
Hier ist eine Liste der Länder, die von Westeuropa mehr oder weniger zum Feindesland erklärt wurde und deshalb mit (völkerrechtswidrigen) Embargos versehen wurde. Keines davon ist in Nordamerika.
https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/embargos_node.html
Ich bin ja total für enge Beziehungen in der EU und mit Nordamerika…?
Der Außenhandel brummt ja auch. Nun haben wir einen Handelsüberschuss von fast 65 Mrd Dollar und nicht mehr 50 Mrd Dolar wie die ganzen Jahre vorher…
Viele Latinos glauben völlig im Ernst, dass die USA gerade Deutschland finanziell auszublutet, weil die uns teures Flüssiggas liefern 😉
Alle linken Parteien haben CETA und TTIP bekämpft.
Ich weiß, und ich hab es damals schon für einen Fehler gehalten.
Ich kann nicht für alle CETA-/TTIP-Kritiker sprechen, aber den meisten ging es nicht um Chlorhühnchen, sondern um die äußerst intranspaenten Schiedsgerichte. Die Befürchtung war und ist, das durch die undurchsichtigen und teils geheimen Verfahren die Interessen des Gemeinwohls hinter den Interessen von Unternehmen regelmäßig zurückstecken. Das damit letztendlich demokratische Prozesse und das Wohl der jeweiligen Bevölkerungen den Profitinteressen geopfert werden oder zumindest in Gefahr sind. Das insbesondere die Schiedsgerichte bekämpft wurden hälst du für einen Fehler?
Jeder stumpfsinnige bilaterale Handelsvertrag enthält Bestimmungen zu besonderen Regelungen für spezielle Schiedsgerichte für Unternehmen aus den beteiligten Ländern. Das haben US Unternehmen in Deutschland auch ohne CETA-/TTIP, siehe etwa https://www.deutschlandfunkkultur.de/investor-staat-schiedsgerichte-wie-internationale-100.html
Das wurde nur zur Zeit der Verhandlungen von TTIP durch die aus meiner Sicht sehr manipulativen Kritiker stark hervorgehoben, weil sich der Normalbürger über solche Fragen keinen Kopf macht.
Natürlich bedürfen ausländische Investoren einen gewissen Schutz.
In 20 Jahren kommt dann möglicherweise heraus, dass im Gegenteil die Aktivisten konkrete Profitinteressen verfolgten, weil sie von feindlichen Regimes bezahlt worden sind. Nach den vielen Funden zu selbsternannten „Sozialen Bewegungen“ in den Archiven von Warschauer Pakt Staaten in den 90ern dürfte das auch nicht verwundern.
quote
„Die Friedensbewegung war sehr wichtig für unsere Seite. Sie wurde für unsere Konzeption eingespannt, Losungen wurden vorgegeben. Wir haben viele Gruppen, wie „Ärzte gegen den Atomtod“ usw. unterstützt, mit Geld und Material. Die Bewegung ‚Generäle für den Frieden‘ nach dem Nato-Doppelbeschluss war auch von mir. Wir haben unseren Agenten Professor Gerhard Kade, der Friedensforscher, bei uns IM „Super“, zu pensionierten Generälen in ganz Westeuropa geschickt, um sie für diese Bewegung zu gewinnen. Von uns bezahlt, sind dann die ganzen Publikationen gegen den Nato-Doppelbeschluss veröffentlicht worden.“
/quote
https://www.deutschlandfunk.de/ferngesteuert-oder-ausgenutzt-die-friedensbewegung-der-70er-100.html
Vieles in dem verlinkten Beitrag widerspricht meiner Aussage aber nicht, oder?
Nur weil es diese Art von intransparenten Schiedsgerichte schon viel länger gibt „und sich der Normalbürger über solche Fragen keinen Kopf macht“ heißt das doch nicht, das diese okay sind.
Und erst recht nicht, das man bei _neuen_ Abkommen nicht gegen als undemokratisch empfundene Bestimmungen protestieren kann und soll.
Es gibt vieles schon seit langem – bis es irgendwann einmal geändert wird.
Das gesellschaftliche und politische Bewusstsein ändert sich nun mal mit der Zeit.
Natürlich müssen Investoren einen gewissen Schutz haben.
Den sollten ordentliche Gerichte in Nordamerika und Europa aber bieten.
Mit der Möglichkeit für alle Parteien, bei einer Niederlage den Rechtsweg zu beschreiten.
Es gibt sicher andere Wege, Investitionen abzusichern.
Vor allem die tatsächlichen getätigten und verlorenen Investitionen erstattet zu bekommen.
Über einen prozentualen Aufschlag für nicht realisieren Gewinn kann man diskutieren.
Wie werden die Riesensummen für „entgangene Gewinne“ denn berechnet?
In dem verlinkten Artikel z.B. kommt das australische Bergbauunternehmen auf eine Summe von 6 Milliarden Dollar.
Mit Staaten, von denen sich viele erst in den letzten 50 bis 80 aus kolonialer Herrschaft befreien konnten und die bisher kaum oder nur recht fragil funktionierende Verwaltungen und rechtsstaatliche Strukturen aufbauen und vor allem festigen konnten.. das mit solchen Staaten Freihandelsabkommen mit dieser Art von Schiedsgerichten vereinbart wurden mag ja noch nachzuvollziehen sein.
Die Frage nach der Augenhöhe und Fairness ist ein anders Thema.
Das aber diese Art von Schiedsgerichte auch bei Freihandelsverträgen zwischen Staaten mit gesicherten, seit langem gefestigten rechtsstaatlichen Strukturen zur Anwendung kommen halte ich aus heutiger Sicht – in dieser Form – nicht mehr nachvollziehbar.
Die Schiedsgerichte sind geheim und intransparent.
Deren Urteile sind bindend und nicht anfechtbar
Es ist kein Rechtsweg möglich. Kein Widerspruch, keine Berufung.
Das ist mMn für demokratische Rechtsstaaten unwürdig.
😉 diesen Ausführungen kann ich nicht folgen.
Waren denn ausländische Probleme in der Vergangenheit ein besonderes Problem? Aber dann müsste man sich mit der empirischen Wirklichkeit auseinandersetzen und nicht selbstgebauten Theorie-Welten.
Ich teile auch nicht deinen Optimismus, dass Gesellschaften „intelligenter“ werden. Mein Eindruck ist, dass die Dummheit in den letzten Jahren eindeutig auf dem Vormarsch ist (afd, Querdenker, der verfassungsgebende Prozess in Chile, Ruzzland, chinesischer Imperialismus, Inacio Lula da Silva & Jair Bolsonaro, etc. etc.) . Was manche Mitmenschen als politisches Bewußtsein bezeichnen, erscheint mir oft als eine hohe Bereitschaft sich manipulieren zu lassen statt selber zu denken.
Wenn ein ausländisches Unternehmen gegen inländische Normen verstösst, wird das sicher nicht im Verborgenen verhandelt, weil nämlich ein öffentliches Interesse an einer Aufklärung besteht. Google & Co zahlten in der EU hohe Strafzahlen. In Lateinamerika wurden viele ökologisch problematische Mining-Projekte in den letzten Jahrzehnten eben nicht durchgeführt. Nach der Pleitewelle in Folge der „politisch bewußten“ (ha ha) zweiten pinken Welle von Linksregierungen ändert sich das gerade.
@ Lemmy Caution 25. April 2023, 21:44
Mein Eindruck ist, dass die Dummheit in den letzten Jahren eindeutig auf dem Vormarsch ist (afd, Querdenker, der verfassungsgebende Prozess in Chile, Ruzzland, chinesischer Imperialismus, Inacio Lula da Silva & Jair Bolsonaro, etc. etc.) . Was manche Mitmenschen als politisches Bewußtsein bezeichnen, erscheint mir oft als eine hohe Bereitschaft sich manipulieren zu lassen statt selber zu denken.
Ja.
Wenn ein ausländisches Unternehmen gegen inländische Normen verstösst, wird das sicher nicht im Verborgenen verhandelt, weil nämlich ein öffentliches Interesse an einer Aufklärung besteht.
Der Plan war, gerade nicht in der Öffentlichkeit zu verhandeln, gerade nicht vor reguläre Gerichte zu gehen. Das sehe ich schon skeptisch.
@ CarlosK 25. April 2023, 18:05
Natürlich müssen Investoren einen gewissen Schutz haben. Den sollten ordentliche Gerichte in Nordamerika und Europa aber bieten.
Mit der Möglichkeit für alle Parteien, bei einer Niederlage den Rechtsweg zu beschreiten.
Zustimmung!
Genau.
“ In 20 Jahren kommt dann möglicherweise heraus, dass im Gegenteil die Aktivisten konkrete Profitinteressen verfolgten, weil sie von feindlichen Regimes bezahlt worden sind.“
Das die Sowjetunion auf die Friedensbewegung der 70er/80er einen erheblichen Einfluss hatte ist wohl Fakt. Das war auch kein wirkliches Geheimnis, schon damals nicht. Das lag aber insbesondere an den zahlreichen, gut vernetzten und bestens organisierten K-Gruppen in der alten BRD. Bestens geschulte Kader. Mit vielen finanziellen Mitteln ausgestattet.
Das aber die Bewegung gegen CETA/TTIP in ähnlicher Weise unterwandert waren oder sind halt ich für sehr weit hergeholt. Das ist mMn überwiegend klassisch-bürgerliche, linksliberale Zivilbewegung.
Eine K-Gruppen-Struktur wie vor dem Mauerfall gibt es schlicht nicht mehr. Die paar Moskautreuen der Linkspartei sind damit nicht mal im Ansatz vergleichbar.
Es ist doch eher so, das Putin seit längerem gezielt auf rechtsradikale bis rechtsextreme Zielgruppen setzt, mit stark chauvinistischen und nationalistischen Bezügen.
Seine Troll – Armeen hetzen im Internet ganz gezielt gegen genau diese, als linksliberale Eliten gelabelten Gruppen, die sich gegen solche Freihandelsabkommen engagieren.
Ich betrachte mich auf meine Art linksliberal und fand damals die Diskussionen um das Handelsabkommen mit den USA entsetzlich unsachlich. Wie gesagt: Diese Sondergerichtsbarkeit für Investitionsschutz hört sich doll an, ist aber sowieso schon sehr weit verbreitet. Mit dem Argument lassen sich Menschen leicht mobilisieren.
In Chile war das wegen den zu ratifizierenden Verträgen in der Trans Pacific Partnership (ohne USA und China, aber mit VR Vietnam, Malaysia, etc.) und dem neuen Chile-EU ein Stein des Anstosses. Deshalb ist mir das noch sehr präsent. Am Ende haben sich die Stimmen für die Abkommen im Grunde durchgesetzt. Wie gesagt: Diese Sondergerichtsbarkeit für ausländische Direktinvestitionen gibts sowieso schon und ich halte die auch in der Praxis für deutlich weniger problematisch als viele denken.
Übrigens: US-Geheimdienste hatten auch die Ostblock-Opposition massiv unterwandert. ^^
Das war auch kein wirkliches Geheimnis, schon damals nicht.
Stimmt. Allerdings wurde es immer heftig und energisch bestritten, nicht nur von der Friedensbewegung selbst, sondern auch von denen ihr freundlich gesinnten deutschen „Qualitäts“medien.
Gruss,
Thorsten Haupts
Was ist „inbesondere“? Ich bezweifle, dass eine signifikante Größe in Deutschland je von Schiedsgerichten gehört hat. „Chlorhühnchen“ waren sicher wesentlich mehr. Ich behaupte, dass du mit dem Thema „Schiedsgerichte“ das Ding nicht hättest kippen können. – Zur Sache: ich bin kein Fan von ihrer aktuellen Ausgestaltung, aber du brauchst einen Arbitrationsrahmen irgendeiner Art für so was.
@ CarlosK 25. April 2023, 13:15
… aber den meisten ging es nicht um Chlorhühnchen, sondern um die äußerst intransparenten Schiedsgerichte.
Mir zumindest. War für mich zwar keine Schwarz-Weiß-Angelegenheit, aber zu mehrstelligen Millionenbeiträgen als Ersatz für entgangene Geschäfte, ausgekobert hinter verschlossenen Türen, während in den USA immer wieder mehr oder weniger unverhohlen gegen Importe vorgegangen wird, habe ich keine besonders offene Einstellung. Und dass diese Schadensersatzforderungen nur zur Lasten der EU laufen würden, wäre auch klar gewesen.
Zur Erinnerung: Der Hauptkritikpunkt war die Aushebelung der staatlichen Justiz durch eine eigene, in der vor allem internationale Anwaltskammern „Recht“ gesprochen hätten. Warum ausgerechnet Anhänger des Rechtsstaates das toll finden, erschließt sich mir nicht.
hört sich doll an, gibts nur heute schon:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/investor-staat-schiedsgerichte-wie-internationale-100.html
Ist also keine Neuerung der CETA/TTIP.
Davon war ich auch kein Fan, siehe Antwort an CarlosK.
@ Stefan Pietsch 24. April 2023, 14:34
Irgendjemand wird umdenken müssen.
🙂 Yep.
2) The Problem With the Retirement Age Is That It’s Too High
Soso, in Westeuropa können viele Menschen noch 30 Jahre und mehr nach ihrem Renteneintritt leben, arbeiten können sie aber nicht. Das ist Unsinn. Richtig gebrechlich werden Menschen laut Statistik der Krankenkassen erst 5 Jahre vor ihrem Tod. D.h., den Großteil verbringen die meisten bei ganz ordentlicher Gesundheit von der Allgemeinheit bezahlt.
Wer behauptet, die meisten könnten nicht länger als bis 60 arbeiten, sollte sich mal in Japan umschauen. Dort arbeiten viele mit weit über 70. Oder, das Gute liegt so nah, in Deutschland. Hier liegt das tatsächliche Renteneintrittsalter bei 64 Jahren. Arbeitet der Großteil also 4 Jahre länger als ihnen guttut? Fakt ist, dass das Argument, die Menschen könnten ja gar nicht länger arbeiten, überall unter allen Bedingungen benutzt wird – in Griechenland zur Rechtfertigung von Frühpensionierungen, in Frankreich zum Schutz anderer Lobbygruppen. Ein Argument, das vermeintlich immer passt, ist eins garantiert: Falsch. Kluge Menschen benutzen keine Argumente, die unabhängig von der Situation immer passen sollen.
Ich bleibe ja dabei: ich würde einfach gar keine Regeleintrittsgrenze machen und tatsächliche Arbeitsunfähigkeit annehmen.
Ich würde es an die Zeit der Beitragsjahre zur Rentenversicherung koppeln. Wenn Du 45 Jahre Beiträge zur Rente eingezahlt hast, dann darfst Du auch abschlagsfrei in Rente gehen.
Der Handwerker, der mit 18 gestartet hat ist dann 63, der Jurist nach Studium eben 72.
Das halte ich tatsächlich auch für den gangbarsten Weg. Gerade die körperlicheren Berufe sind ja das Problem, die kann man nicht so lang ausüben und jede höhere Eintrittsgrenze sorgt dann für noch krassere Abschläge (die einem Altenpfleger vermutlich auch deutlich mehr weh tun als einem angestellten Juristen).
Allerdings ist der Gedanke, dass in Deutschland nicht nur die Jugend, sondern auch die ältere Generation einfach verweichlicht ist, immerhin mal was neues^^
lol
@ Ariane 25. April 2023, 08:31
Allerdings ist der Gedanke, dass in Deutschland nicht nur die Jugend, sondern auch die ältere Generation einfach verweichlicht ist, immerhin mal was neues^^
Eine der bekanntesten Forscherinnen für „Employability, Frau Prof. Dr. Jutta Rump, hält die aktuellste Jugend – zumindest den Teil, der es glatt durch Schule und Studium schafft – für die leistungsfähigste, die es je gab; und für die leistungsbereiteste, so man es schafft, sie mitzunehmen.
Ansonsten habe ich hier schon mehrfach geschrieben, dass meinem Eindruck nach die gesamte deutsche Gesellschaft auf dem Sofa vor dem Kamin liegt (unser Durchschnittsalter liegt so bei 50 Jahren).
dass meinem Eindruck nach die gesamte deutsche Gesellschaft auf dem Sofa vor dem Kamin liegt (unser Durchschnittsalter liegt so bei 50 Jahren).
Inwiefern denn?
Ich weiß nicht, mir scheint das immer so eine Verherrlichung von Mühsal und Qual zu sein, und mMn ist es ein komischer Vorwurf, klar reißen sich Leute nicht drum.
Es scheint mir zutiefst menschlich, es irgendwie nett haben zu wollen, warum sollte man sein Leben absichtlich versauen? Egal, obs dabei um Geld, Zeit, Sinn oder Zwischenmenschliches geht.
@ Ariane 25. April 2023, 12:14
Inwiefern denn?
Prosaisch ausgedrückt: Die Leute sind so unterwegs, als würden sie Spazierengehen, nicht, als hätten Sie ein festes Ziel, das sie rasch erreichen wollen.
Ich weiß nicht, mir scheint das immer so eine Verherrlichung von Mühsal und Qual zu sein, …
Verherrlichung, Mühsal, Qual …
Bei Deiner Begriffswahl brauche ich eigentlich nicht weiter diskutieren …
Mag sein, dass sich die meisten ins Schlaraffenland wünschen. Aber irgendeiner muss die gebratenen Tauben, die einem in den Mund fliegen wollen, doch anrichten. Der Strom kommt zwar aus der Steckdose und das Geld aus der Wand, aber der eigentliche Trick ist, beides dahin zu bekommen.
Es scheint mir zutiefst menschlich, es irgendwie nett haben zu wollen, warum sollte man sein Leben absichtlich versauen?
Wer will den das? Habe ich nicht gefordert. Nur, dass man sich im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst versorgt. Und das versorgt werden müssen hört halt nicht mit dem Renteneintritt auf.
Auch möglich.
Das war der Grundgedanke der Rente mit 63. Die hier heftig kritisiert wurde.
Offensichtlich kein Vernünftiger. Es wurden vor allem Leute begünstigt, die noch fit waren, während die eigentliche Zielgruppe nicht erreicht wurde. Dazu wird es zu großzügig gehandhabt, wenn Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden. Das konterkariert den Grundgedanken.
Wenn man die Leute, die noch fit sind, zur Solidarität zwingt, konterkariert das einen anderen Grundgedanken – den der Selbstverantwortung.
Es ist normal zu arbeiten und nicht nicht zu arbeiten.
Wir haben aus sozialen Gründen irgendwann den arbeitslosen Lebensabend eingeführt. Dabei zahlen Aktive für jene, die nicht mehr können. Wer kann, aber nicht arbeitet, ist eins jedenfalls nicht: solidarisch. Sich sein frühes Ausscheiden von den Allgemeinheit bezahlen zu lassen, hat nichts mit Eigenverantwortung zu tun.
Ein sehr vernünftiger und fairer. 45 Beitragsjahre – das ist die Bedingung – schafft man mit 63 als Akademiker niemals, das schafft man nur, wenn man nach der Schule mit 16 in die betriebliche Ausbildung geht. Und das sind meistens körperbetonte Jobs, bei denen ein Weiterarbeiten mit 63 tatsächlich schwierig werden kann.
Gruss,
Thorsten Haupts
Wer schwer körperlich gearbeitet hat, ist, wenn er mit 16 eingestiegen ist, mit Mitte / Ende 40 fertig. Die erreichen nicht das reguläre Renteneintrittsalter. Die Studien zur Rente mit 63 zeigen ja eindeutig, dass das Frühverrentungsprogramm vor allem von Bürohengsten genutzt wird. Das entspricht durch die Bank meiner generellen Beobachtung. Ein großer Teil der Arbeitnehmer will nach Möglichkeit mit 60 aufhören. Nicht, weil sie körperlich fertig sind, sondern weil sie noch das Leben genießen wollen.
Das Programm wird also vorwiegend von IHK-Kaufleuten, IHK-Fachinformatikern bzw. deren Vorgängern et al genutzt? Dazu haben Sie ja bestimmt Daten – die über google gefundene, im wesentlichen eine (!) Studie gibt den Befund jedenfalls nicht her.
Gruss.
Thorsten Haupts
Guckst Du hier:
https://www.iwkoeln.de/studien/ruth-maria-schueler-wer-geht-abschlagsfrei-vorzeitig-in-den-ruhestand.html
Eine Untersuchung anhand der Daten des Sozio-Oekonomischen Panels und der Deutschen Rentenversicherung zeigt, dass vor allem Personen mit einem mittleren Haushaltseinkommen die Möglichkeit wahrnehmen, vor der Regelaltersgrenze abschlagsfrei in Rente zu gehen.
Zur Erinnerung: Wir suchen vor allem Menschen mit geringem Einkommen, für die die Rente mit 63 bestimmt war.
Nein, lieber Herr Pietsch, das war bis grade NICHT das Argument, zumindest erkennbar nicht meines 🙂 . Sondern körperliche Arbeit. Und dazu sagt Ihre (btw – immer noch die einzige) Studie schlicht nichts aus.
Ich halte die Rente nach 45 Beitragsjahren noch immer für okay. Hab zuviele Leute kennengelernt, die sich aufgrund bequemer betrieblicher oder beamtenrechtlicher Regeln mit 57 in den Ruhestand verabschiedeten. Bei der Bundeswehr beispielsweise ehemals Stabsoffiziere, die ihren Enddienstgrad erreicht hatten und nicht mehr zur Beförderung anstanden.
Kein Vorwurf gegen die Leute übrigens – ich fand und finde es immer höchst albern, Leute wegen der Nutzung gesetzlich legaler Möglichkeiten „moralisch“ anzugehen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Kein Vorwurf gegen die Leute übrigens – ich fand und finde es immer höchst albern, Leute wegen der Nutzung gesetzlich legaler Möglichkeiten „moralisch“ anzugehen.
Zustimmung!
Ich würde auch noch ein anderes Argument anführen. Das Problem, wenn man früher in Rente geht, sind ja auch die Abschläge und häufig ist körperliche Arbeit weniger gut bezahlt als Bürojobs, das könnte auch ein Grund dafür sein, dass Frühverrentung hier mehr genutzt wird, während sich das andere, die das von der körperlichen Arbeit her eher brauchen würden, finanziell nur im Notfall erlauben können.
Korrekt, tun wir bei Steuern ja auch nicht.
@Ariane
vs.
@Thorsten Haupts
Obwohl Du Thorsten Haupts zustimmen willst, widerlegst Du sein Argument. Seines ist, dass durch die Rente mit 63 eben Arbeitnehmer begünstigt würden, die wegen ihrer langjährigen körperlichen Arbeit nicht mehr arbeiten könnten. Er zieht damit die Studie des IW in Zweifel, wonach sich körperliche Arbeit eher gering entlohnt sei.
Du führst nun explizit an, dass solche Menschen eher geringes Einkommen beziehen, womit Du nicht nur die Studie und die Bewertung, sondern auch die generelle Beobachtung bestätigst.
Thorsten meint, die Rente mit 63 träfe die Gemeinten, nämlich jene, die aufgrund ihrer körperlichen Beanspruchung nicht mehr arbeiten könnten. Alle weiteren Begünstigten seien Kolateralschäden eines eigentlich gut gemeinten Gesetzes. Du stimmst zu, ausschlagend sei die gute Absicht.
Und das ist der Punkt: es kommt nicht auf das Ergebnis an, sondern die gute Motivation. Mission accomplished.
Ja aber wenn ich das richtig verstehe sind das doch die Leute, die 45 Beitragsjahre haben, oder? Und dann ist doch für das Argument erstmal egal, welchen Job sie haben?
Das Argument für die Rente mit 63 war, Menschen die körperlich schwer beansprucht sind, zu entlasten und sie nicht bis zum normalen gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeiten zu lassen. Das war Gegenstand der politischen Wahlkampagne. Die Kampagne begründete die Gesetzesinitiative nicht damit, Bürohengsten den frühen Ausritt auf die Weide zu ermöglichen.
Wäre die politische Begründung gewesen, grundsätzlichen Menschen dann eine abschlagsfreie Rente zuzugestehen, wenn sie 45 Jahre gearbeitet haben, wäre die heutige Folge ja nicht zu beanstanden gewesen. Nur: So war es eben nicht. Und daran müssen sich alle messen lassen, die mit dem Dachdecker die Rente mit 63 begründet haben und heute noch verteidigen.
Daran gemessen: Ziel verfehlt.
Ja, genau. Aber in der Diskussion hier gehen ja beide Sachen gerade durcheinander. Wenn ich das richtig im Überblick habe diskutieren wir ja drei Modelle:
– Erhöhung des Renteneintrittsalters für alle
– Umstellung auf „45 Jahre Beiträge für alle“
– Abschaffung des Renteneintrittsalters und Knüpfung an (zu definierende) Arbeitsunfähigkeit
Und dann gibt es eine Latte von flankierenden Ideen wie Umschulungen und Umstrukturierungen in andere Jobsegmente, Aktivrente, Aktienrente, etc. etc., aber die sind ja stets ergänzend und kein Systemwechsel. Richtig soweit?
Das sind zumindest nicht meine Diskussionspunkte, weil ich sie entweder als sozialpolitisch nicht in Ordnung oder ungerecht empfinde.
Geschätzt 8 – 12 Prozent der Erwerbsbevölkerung können gar nicht länger als Anfang 60 oder noch niedriger arbeiten. Als ich bei einem Logistiker das Controlling geleitet habe, habe ich nicht nur viele Lageristen in körperlich anspruchsvollen Jobs erlebt, sondern auch in den Zahlen ablesen können, dass die nicht einmal bis 50 durchhalten. Jede Erhöhung des Renteneintrittsalters ist da blanker Hohn.
Diese Gruppe ist nicht dominierend, aber vergessen sollte man das in Diskussionen auch nicht. Das Gleiche gilt für die Umstellung auf die 45-Jahres-Regel. Ich halte es gesellschaftspolitisch für schwer erträglich, wenn rüstige Menschen mit Anfang 60 aus dem Erwerbsleben scheiden, weil sie zufällig mit 15 in die Lehre gegangen sind und andere sich, obwohl verschlissen oder umgekehrt, sehr finanzstark durch hohe eigene Rücklagen, bis 70 abbuckeln sollen.
Den vernünftigsten Vorschlag, den ich zu dem Thema gelesen habe, ist die Knüpfung der Rentenzahlungen an das versicherungsmathematische Prinzip der kalkulierten Verzinsung. Menschen, die als Lageristen gearbeitet haben, versterben im Schnitt wesentlich früher als ein Arzt. Es ist fair, wenn alle die gleiche Verzinsung auf ihre Beiträge erhalten. Dazu müsste die Rentenversicherung Risikoprofile bilden und anhand von Lebenserwartung und bisherigen Einzahlungen die Verzinsung, also die monatliche Rente berechnen. Ja, ich weiß, ein revolutionäres Konstrukt. So wird es nicht kommen. Aber fair im Sinne objektiver Maßstäbe, ist es.
Zur Aktienrente habe ich genug gesagt. Wie die Grundrente vor 30 Jahren eine bestechende Idee, heute kein Problemlöser für die anstehenden Verwerfungen.
Puh, aber wirft eine solche Bindung der Rente an Lebenserwartung, Lebenswandel etc. nicht massive neue Probleme auf? Sowohl ethischer Art, mit Gerechtigkeitsfragen etc., als auch ganz praktisch rechtsstaatlich? Weil da müsste die Rentenversicherung ja Zugriff auf tonnenweise echt reichlich private Informationen bekommen. Die haben ja nicht mal die Krankenkassen.
Das rechtsstaatliche Problem sehe ich nicht. Schließlich bewerten private Lebensversicherer ebenfalls die Lebenserwartung ihrer Kunden anhand standardisierter Sterbetafeln. Die Rentenversicherung weiß, in welchen Berufen ihre Versicherten gearbeitet haben und ist damit sogar gegenüber Privatversicherungen im Vorteil.
Eine ganz andere Frage ist die ethische Dimension. Was wir bei einem privaten Versicherer akzeptieren, billigen wir längst nicht einer Sozialversicherung zu. Ohne eine Umfrage dazu gelesen habe, gehe ich davon aus, dass 80 Prozent der Deutschen die Gewichtung ihrer Rente nach ihrer Lebenserwartung schon aus moralischen Gründen ablehnen werden.
Nur, einen Tod werden wir immer sterben müssen, sage ich an der Stelle. Wenn wir bei weiteren Beitragserhöhungen eine verstärkte Flucht aus den Sozialsystemen und höhere Arbeitslosigkeit befürchten müssen, nicht alle Menschen ewig lange arbeiten können und wir deswegen das Renteneintrittsalter nicht beliebig anheben können (politisch die unbeliebteste Maßnahme überhaupt) und die Renten nicht kürzen wollen, werden wir uns für eine unbeliebte Konsequenz entscheiden müssen.
Da halte ich die Zahlung nach der Lebenserwartung noch für die humanste und fairste Lösung.
Stimme ich dir zu – sowohl in der Präferierung als auch darin, dass das ein politischer Non-Starter ist.
Nicht „moralisch angehen“, eher politisch. Länger arbeiten attraktiver gestalten: Angepasste Arbeitsbedingungen, Steuerfreiheit etc.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article243578471/Rente-mit-63-Koennen-uns-das-nicht-mehr-leisten.html
Bei so was hätte ich gerne Empirie.
Exakt!
@ Thorsten Haupts 25. April 2023, 18:17
45 Beitragsjahre – das ist die Bedingung – schafft man mit 63 als Akademiker niemals, das schafft man nur, wenn man nach der Schule mit 16 in die betriebliche Ausbildung geht.
Die Arbeitsdauer ist aus meiner Wahrnehmung irrelevant. Von mir aus kann man mit 30 in Rente gehen, wenn man bis dahin soviel zurückgelegt hat, dass man für den Rest seines Lebens anderen nicht zur Last fällt.
Gut, aber das hat doch auch noch nie jemand bestritten? Es geht ja nur um die Fälle, die „zur Last fallen“.
@ Stefan Sasse 27. April 2023, 10:03
Gut, aber das hat doch auch noch nie jemand bestritten?
Hat bislang aber auch auch niemand eingeführt. Und ob das Rentenalter nun 30, 57 oder 63 Jahre ist – mir geht es hier nur um die dahinterstehende Logik.
Ansonsten bin ich stark bei den Ausführungen von Stefan P., ebenfalls mit der Einschätzung, dss wir das nicht hinbekommen werden.
@ CitizenK 25. April 2023, 11:14
Das war der Grundgedanke der Rente mit 63. Die hier heftig kritisiert wurde.
Mir ist das Renteneintrittsalter schnuppe, solange sich die Leute selbst um sich kümmern.
Was an der Rente mit 63 nicht so gut passt, ist, dass das Berufseintrittsalter eher nach hinten gerutscht ist. Nimmst Du für ein abgeschlossenes Studium aktuell ein Alter von 25 Jahren an, hat man (falls man durchgängig beschäftigt ist) nach 38 Jahren Berufstätigkeit das Alter von 63 Jahren erreicht. Da kommen für die heute 25jährigen noch 19 Jahre Rente oben drauf – mindestens. Welche Beiträge (bzw. eigenen Rücklagen, sind effektiver als die staatliche Rente) dazu nötig sind, kann jeder selbst ausrechnen.
Wie siehst du eigentlich das Argument, das von linker Seite häufig kommt, nämlich dass Produktivitätsgewinne das mehr und mehr möglich machen?
Was heißt das? Das ist nichts anderes als dass die Bürger mehr von ihrem Einkommen an die Rentenkasse zahlen, also der Beitragssatz angehoben wird.
Du verdienst in Periode 0 100 Einheiten. Davon gibst Du 40% für die Daseinsvorsorge weg, mit Dir 60 verbleiben.
In Periode 1 konntest Du aufgrund besserer Produktivität (alles andere bleibt gleich, Preise etc.) auf 200 steigern. Wenn Du jetzt 50% für die Daseinsvorsorge zahlst, behältst Du immer noch 100 und stellst Dich besser als in Periode 0.
Nur: meist wollen die Menschen eben die Produktivitätsgewinne für sich und fragen, warum zahle ich eigentlich 100, wo es zuvor nur 40 waren?
Das stimmt ja so nicht. Wir haben ja heute ein wesentlich höheres Niveau als vor 100 Jahren, bei nicht auch nur ansatzweise proportional gestiegenen Beiträgen.
Anfang der Siebzigerjahre lagen die Sozialabgaben bei 26%. An die Rentenversicherung wurden 17% gezahlt. In den heutigen Werten ist übrigens zu berücksichtigen, dass wir 1999 eine Umwidmung vorgenommen haben. Damals wurde eine Ökosteuer (Erhöhung der Mineralölsteuer) eingeführt und mit den Zusatzeinnahmen die Beiträge zur Rentenversicherung gesenkt.
Den Sozialsystemen reicht es also bei weitem nicht, mit den allgemeinen Einkommen mitzuwachsen, aus denen ja die Leistungen wie Rente und die Mitarbeiter im Gesundheitssystem bezahlt werden, sondern sie beanspruchen mehr vom Kuchen. Dieses Mehr resultiert aus den Produktivitätsgewinnen, denn nur so können Arbeitnehmer und Arbeitgeber anteilsmäßig mehr bezahlen und vom wachsenden Wohlstand partizipieren.
Das geht nicht gegen unendlich und das ist der Haken der Theorie. Mehr als 100% lässt sich von Einkommen nicht abschneiden.
Ja, wir müssen ja zwei Phänomene unterscheiden. Einerseits die Ausweitung der Leistungen und andererseits die Veränderung des Verhältnisses von Beitragzahlenden zu -empfangenden. Dass nicht endlos Wachstumsspielraum ist, ist klar – aber es besteht grundsätzlich überhaupt ein Spielraum, oder?
Das sehe ich nicht. Und das ist nicht individuell-persönlich gemeint.
Es hat schwerwiegende Gründe, warum die Politik seit über zwei Jahrzehnten so sklavisch an der Regel festhält, die Sozialversicherungsbeiträge nicht über 40 Prozent (hälftig geteilt) anzuhaben. Von der rechten bis zur linken Seite des politischen Spektrums ist man überzeugt, dass eine spürbare Anhebung der Lasten nicht mehr durchsetzbar wäre und die Nebenwirkungen die Vorteile überkompensieren würden.
Faktisch ist die Sache klar: Aufgrund der demographischen Entwicklung werden die Kosten der Renten- wie der Pflegeversicherung deutlich ansteigen. Hier ist man in einer Zwickmühle gefangen, weil auch die Leistungen nicht ohne massive, wahlentscheidende Widerstände gekürzt werden können. Weiterer Indikator: Die Politik verweigert seit einem Jahrzehnt den Einblick in ihre Vorstellungen, wie die Rentenversicherung über das Jahr 2025 hinaus finanziert werden soll.
Ja, wir werden an die Produktivitätsgewinne wie bisher rangehen müssen. Nur wird das nur noch fast ausschließlich über das Steuersystem erfolgen. Investitionen werden weiter gekürzt, zusätzliche Steuereinnahmen in die Sozialhaushalte umgeleitet. Die Richtung war schon vor 20 Jahren unausweichlich. Für die Größenordnung ist maßgeblich die Ära Merkel verantwortlich.
Es kann ja durchaus sein (und ist sogar sehr wahrscheinlich), dass der Spielraum wie von dir beschrieben von den steigenden Kosten aufgefresse wird. Dass diese steigenden Kosten sogar höher sind als der Spielraum selbst. Aber mir scheint die Annahme realistisch, dass zumindest ein Teil der Kostensteigerungen sich auch über Produktivitätsgewinne wird auffangen lassen. Wie groß der Teil ist, scheint mir der eigentliche Streitpunkt. Ansonsten bin ich in allen Punkten bei dir.
destatis hat was dazu: „Arbeitsproduktivität – nachlassende Dynamik in Deutschland und Europa“ – als pdf.
Kurzfassung: Dynamik lässt nach. Mögliche Ursachen: die Verschiebung von Produktion zu Dienstleistungen und Fachkräftemangel. Die Digalisierung wirkt sich noch nicht aus, vielleicht in Zukunft, aber ungewiss.
Danke!
@ Stefan Sasse 25. April 2023, 12:38
Wie siehst du eigentlich das Argument, das von linker Seite häufig kommt, nämlich dass Produktivitätsgewinne das mehr und mehr möglich machen?
Da wird natürlich die Verantwortung wieder schön in einer bestimmten Ecke abgeladen, aber lassen wir das.
Ich sehe eher, dass die meisten Menschen dazu neigen, ihre ganz persönlichen „Produktivitätsgewinne“ nicht in der Altersvorsorge, sondern eher in einen steigenden Lebensstandard zu investieren.
Das ist sicher richtig, ja.
Völlig korrekt, genau den Fehler habe ich gemacht, als mein Einkommen sprunghaft stieg.
Zählt eigene Immobilie als Altersvorsorge?
Natürlich.
Dann bin ich voll am für’s Alter vorsorgen. 🙂 Ich hab sogar ein bisschen vermögenswirksame Leistungen!
4) America’s Educational Superpower Is Fading
In den USA ist der Akademiker-Anteil höher als in Deutschland. Junge Menschen sehen eher die Bildungsrendite. Hierzulande ist es für einen jungen Menschen kostenseitig egal, ob er studiert oder abbricht. Deswegen studieren viele eben reine Bonsaifächer – eben just for fun. Leisten sich die USA Politiker wie Kevin Kühnert oder Ricarda Lang?
h) Die FAZ hat was zu Merkels Verdienstkreuz. Ich sehe jetzt auch nicht, womit sie das verdient hätte. Gegenpunkt dazu ist Nikolaus Blome beim Spiegel. Krass ist aber, dass Merz und Linnemann nicht bei der Verleihung sind.
Lustig, dass Du fragst. Als Merkel nicht zur Wahl Friedrich Merz‘ auf den CDU-Parteitag gegangen ist und auch den Ehrenvorsitz ablehnte, hast Du keine Notiz davon genommen. Terminprobleme. Wahrscheinlich mussten Merz und Linnemann auch wegen Terminproblemen passen.
Tatsächlich ist Merkel so fertig mit der CDU wie die CDU mit ihr. Sie da als Konservative zu bezeichnen zumal im Angesicht ihrer sechszehnjährigen Politik, ist da Hohn.
4) Ja, sicher?
h) Hab ich tatäschlich nicht mitbekommen. „Fertig“ ist die CDU mit Merkel aber sicher nicht.
Zu h)
Es ist krass, dass Merz nicht zur Ehrung der Person kommt, die ihn ehemalig – gegen seinen ausdrücklichen Willen – aus dem Amt des Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion drängte? Krass.
Hier wird die letzte CDU-Bundeskanzlerin ausgezeichnet. Ich glaube, Schäuble kam auch zu Ehrungen Kohls, oder?
Schäuble ist von Kohl aus einem Amt gedrängt worden? Welches?
Kohl hat verhindert, dass er Bundeskanzler wurde.
Nee, das hat er selbst verhindert und genau dadurch bewiesen, dass er zu DEM Amt nicht taugte.
das könnte man zu Merz allerdings auch sagen
My point exactly: das ist letztlich alles eine Frage der Wertung.
Merz hat – das war alles, was ich sagen wollte – jedenfalls einen nachvollziehbaren Grund, nicht zu erscheinen. Merkel erschien bei ihm ja auch nicht, OBWOHL er ihr politisch nie direkt geschadet hat, also ohne nachvollziehbaren Grund.
Jo, klar. Ich fand’s nur bemerkenswert.
Ich wollte auf die Schnelle zwischen zwei Arbeitsaufträgen einn Linktipp da lassen, da es einer der Artikel ist, von denen man sonst hier liest:
https://www.spiegel.de/ausland/harvard-oekonom-raj-chetty-kontakte-zu-reicheren-sind-der-entscheidende-faktor-fuer-den-aufstieg-a-c98f9b76-2422-41fa-8468-9cc139761c0b?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
Liebe Grüße!
Danke, zurück!
v) Fox News hat Tucker Carlsson entlassen. Er könnte sich nun voll auf Aktivitäten konzentrieren, die möglicherweise in Bitcoins entlohnt werden.
Jepp, gerade auch gelesen. Good riddance.
zu 1) China.
Das ist natürlich kompliziert. Unsere großen Autobauer machen teilweise über 40% ihres Umsatzes im Reich der Mitte. Die Autos für den chinesischen Markt werden teilweise in Europa hergestellt. Und wir sind in vielen Lieferketten von China abhängig.
Unsympathische Meinung: Es ist uns aktuell nicht mehr möglich, Menschenrechte global zu verteidigen. Dafür findet die chinesische und sogar russische Propaganda zu viele Anhänger in Drittländern in Lateinamerika, Afrika und Asien. Das hat natürlich Grenzen, aber die Erfolgschancen eines Einsatzes für die Uighuren sehe ich ungefähr so groß wie ein Etappensieg von mir bei der Tour de France.
Die wirkliche Bedrohung besteht in der sehr aggressiven chinesischen Politik zur Absicherung von Rohstoffquellen. Da müssen wir hurtig etwas entgegen setzen. Dafür müssen wir aber echt umdenken.
Warum nicht die neue Lithium-Strategie der Boric Regierung Chiles damit unterstützen, dass wir großzügig EU Forschungsgelder an chilenische Unis und Unternehmen vergeben, damit die versuchen exportfähige Produkte weiter oben in irgendeiner Wertschöpfungskette unter dem Label ökologisch nachhaltig zu erstellen? Das können Baterien sein oder auch mit regenerativer Energie hergestellte energieintensive Chemie-Produkte. Ähnlich könnte man in einem post-peronistischen Argentinien unter einer rechts-neoliberalen Regierung Milei/Bulrich vorgehen. Unternehmen können das nicht alleine stemmen. Wir brauchen da … Industriepolitik.
Freihandel war gestern und wird vielleicht wieder sein… 2070. Natürlich wird das Wohlstandsverluste mit sich bringen.
Ich habe den Verdacht, dass in Afrika investierende deutsche Unternehmen nicht nur mit den hohen Risiko-Aufschlägen zu kämpfen haben sondern auch mit härteren deutschen compliance Regeln gegen Korruption.
Die sehr starke chinesische Ausdehnung kann sich natürlich auch zu einer riesigen Finanzblase ausbeulen, die dann China schwächt. Erstmal ist es natürlich schön, dass die Chinesen denen eine Straße bauen und dazu noch 3 Krankenhäuser verschenken. Dann müssen die aber zurückzahlen. Wenn die das nicht machen, kommt es zum Streit. Die hohen Risiko-Aufschläge für Projekte in gewissen Ländern sind ja nicht unbedingt zum Spaß da.
https://foreignpolicy.com/2017/06/06/venezuelas-road-to-disaster-is-littered-with-chinese-cash/
Wir können uns aber nicht darauf verlassen, dass es in Afrika ähnlich drunter und drübergeht wie im bolibananischen Venezuela.
zu 3)
Solche Ansätze setzen sich nicht durch, weil Mathematik als Selektionsfach eingesetzt wird, auch an Unis. Mathematik muss – in der Logik des Systems – Scheitern produzieren. Der „Matheschmerz“ ist gewollt.
Ganz spannende Diskussion, wobei ich beide Seiten nicht wirklich überzeugend finde. Mathe als Selektionsfach, das immer irgendwie als Intelligenztest genommen wird und gefälligst wehtun muss, finde ich fragwürdig. Dass man da aber mehr mit Bezug zur Umwelt und dem echten Leben erreicht, und plötzlich alle Spaß an Mathe haben und super darin sind – tja auch eher unwahrscheinlich.
Mathe braucht anderes Denken als die Laberfächer und ich bin zb auch ne ganz gute Rechenmaschine (was heute wirklich ziemlich obsolet ist) aber würde mein Leben davon abhängen, zu erklären, was ich da so schön und richtig rechne, wäre ich sowas von tot.
Da ich mich demnächst für Prüfungsfächer entscheiden muss, stehe ich zb auch vor dem Problem, dass Mathe einerseits weniger Lernkram und teils einfacher ist, man (bzw ich) aber richtig angeschissen ist, wenn man irgendwo nicht weiterkommt und sich da quasi mit Formeln plötzlich was herleiten muss. In Öffentlichkeitsarbeit kann man sich ja oft immer noch zwei Sätze weiter retten, bis man wieder auf Kurs ist.
Und großzügig wie ich bin, gehe ich mal davon aus, dass das nicht zwingend Mangel an Intelligenz ist, sondern mein kontextuelles Textverständnis einfach deutlich ausgeprägter ist als mathematisches Herleiten.
3) In keinem anderen Fach ist Didaktik so wichtig wie in Mathe. Jedenfalls für die Mehrzahl der durchschnittlich Begabten. Ein „guter“ Mathelehrer ist so wichtig – und so selten.
Bei der Förderung der Lesekompetenz haben wir nach dem PISA-Schock von den Angelsachsen gelernt. Für Mathe steht dieser Lernprozess noch aus. Warum ist das so? Oder muss die Mathe-Didaktik nach Osten schauen?
Ich verstehe es nicht, aber mir fehlen auch die Sachkenntnisse. Alles was ich tun kann ist beobachten, DASS diese massiven Probleme da sind, aber ich bin nicht qualifiziert, zu sagen warum und wie man sie beseitigt.
Für Mathe steht dieser Lernprozess noch aus. Warum ist das so? Oder muss die Mathe-Didaktik nach Osten schauen?
Gut möglich, wir haben zumindest zwei Leute aus Ex-Sowjet-Republiken (die da auch noch eingeschult wurden) und die sind wirklich gut in Mathe^^ Und ja, gute Mathelehrer sind tatsächlich selten und es ist ja wirklich so, dass vermutlich kein Fach so an Alltagsbedeutung verloren hat wie Mathe in den letzten 20 Jahren.
Ich hab öfter schon gehört, dass Mathe in Russland einen ganz anderen Stellenwert hat als hier.
Dazu ein Hinweis:
Das gängigste Mathematik-Nachschlagewerk auch bei uns, der „Bronstein“ (kennt noch jemand den Begriff ‚Bronstein-Integration‘ ?), ist ein sowjetisches Produkt gewesen.
…nach Osten schauen: vielleicht reicht der nahe Osten. Bernhard Krötz (der mit dem Indien-Video) empfiehlt dezidiert die alten DDR-Mathebücher.
Kein Zweifel.
1) Du hattest bei der letzten Kommentarrunde (zurecht) geschrieben „Identitätspolitik ist hell of a drug“ Dies ist ein gutes Beispiel dafür. Das ist bei der deutschen Behandlung des Chinathemas ersichtlich. Zur Verdeutlichung eine Analogie: Du fändest es wohl ziemlich lächerlich, wenn bei der Diskussion um die Übernahme des Heizungsbauers (kritische Klimatechnik) Viessmann durch einen US-Konzern die üblichen „Antiamerikanismus“-Argumente (Angriffskriege, Polizeistaat o.ä.) zur Sprache kämen. Hier machst du das ganz selbstverständlich.
Noch deutlicher wird das, wenn du an Ende Vietnam erwähnst. Auch dieser Staat ist eine (sozialistische) Einparteiendiktatur, das ist aber nicht von Belang, wenn es geostrategischen Interessen dient.
3) Auch wenn die Herangehensweise „Verwöhnte Schüler“ wahnsinnig an die überkommene Pädagogikvorstellung des 19. Jahrhunderts erinnert, einen Aspekt übersiehst du in meinen Augen mit deiner „Das Fach ist broken“ Haltung: Die Anforderungen, die für Mathematik spezifisch sind, wie strukturiertes Herangehen an Probleme, konzentriertes exaktes Arbeiten in kleinen Schritten (das „Rechnen“) und Denken in abstrakten Kategorien, sind genau die Dinge, die Arbeitgeber und (MINT-)Professoren immer wieder als fehlend bemängeln. Eigentlich wäre es richtig zu schreiben „Wir anderen Fächer sind broken“.
4) Hier liest du in meinen Augen zu viel in den Artikel hinein. Es geht ja nicht um das gesamte deutsche Bildungssystem, sondern nur um den Teilaspekt „Wie umgehen mit denjenigen, die keine akademische Ausbildung erreichen ?“ Und da ist das deutsche System der Berufsqualifizierung tatsächlich hocheffizient – so sehr, dass es andere Mängel des Bildungsgesamtsystems verdeckt.
a) Da ist jetzt ein sehr kurzer Aspekt der Parteiengeschichte gewählt worden. 1993 beim Zusammenschluss mit den „Westgrünen“ ist B90 schon zerbröselt, wichtige Politiker wie Platzeck, Nooke oder Wendland sind (über die Zwischenstation einer Kleinpartei „Bürgerbündnis“) zu SPD oder CDU gewechselt.
h) Als Bundespräsident bekommst du das Großkreuz zum Amtsantritt, als Bundeskanzler musst du es dir ersitzen, so ab der dritten Amtszeit (Adenauer, Kohl, Merkel) bist du im Klub.
l) Eigentlich habe ich erwartet, dass du den Gender-Schoolgrade-Gap als strukturelles Problem identifizierst, das sich am besten durch Einserquoten beim benachteiligten Geschlecht beheben lässt.
1) Eric Bonse hat dasselbe Argument auf Twitter gebracht, aber das sind Äpfel und Birnen. Wir wenden uns nicht gegen jegliche ausländische Beteiligung, sondern gegen Beteiligungen an kritischer Infrastruktur durch Staatskonzerne, deren Systeme unsere Werte nicht teilen.
3) Das hängt nicht an den Anforderungen, das ist ja der Punkt!
4) Hm, interessanter Blickwinkel, danke.
a) Da kenn ich mich wenig aus, danke!
h) Nun, es gibt halt bisher auch nur drei Leute mit 3+ Amtszeiten, nicht? ^^
l) Ha. Ha. Ha. Hast du dir den alleine ausgedacht oder hat dir jemand geholfen?
1) Naja, nach diesen Kriterien wäre Huawei kein Problem (kein Staatskonzern), der katarische Staatsfond QIA schon.
l) wollte dich nicht trollen (naja ein bisschen), aber diese Geschlechterungleichheit, was die „Aufmerksamkeitslobby“ betrifft, ist schon auffällig.
1) Huawei kein Staatskonzern? Please.
l) Sicher, aber es gibt auch nur sehr wenige Felder, in denen Männer benachteiligt ist. Bildung ist eines, und die Übernahme körperlich schädlicher/gefährlicher Jobs. Inwiefern du Kriminalität reinzählen willst ist fraglich, das ist letztlich Definitionssache.
1) Private Ownership – case closed. Wenn staatliche Einflussnahme als Kriterium zählt, gibt es auf einmal nur noch Staatsunternehmen im Bereich Infrastruktur und Kommunikation.
l) Da sind schon noch ein paar mehr und gravierende Punkte : Gesundheit/Lebenserwartung, Kriegsopfer/Militärdienst, Kriminalitätsopfer, Familienrecht.
1) Ich kann viel behaupte nwenn der Tag lang ist.
Es geht nicht um Einflussnahme. Ich habe selbst einige Jahre für ein chinesisches Nuklearprojekt gearbeitet. Was ich dabei erfuhr – und was im Westen nahezu unbekannt ist: In jedem Vorstand einer grösseren chinesischen Company sitzt auf einem Posten – nie der Vorstandsvorsitzende – ein dazu extra abgestelltes, höherrangiges, Mitglied der KPChi. Und das ist auch der mit der eigentlichen Entscheidungsmacht im Unternehmen.
Diese Unternehmen nur wegen formal privater Besitzverhältnisse so zu behandeln, wie westliche, ist einfach albern. Dazu sind die formalen privaten Besitzverhältnisse jederzeit folgen- und entschädigungslos widerrufbar – Sie wissen ja vermutlich, dass ganz offiziell nach der chinesischen Verfassung die KPChi Gott gleicht. Sie hat – nach dieser Verfassung – das Recht, ich über jedes geschriebene Recht hinwegzusetzen. Und wenn jemand trotzdem nicht spurt, verschwindet er halt für ein paar Monate und taucht wundersam handzahm wieder auf.
Einflussnahme gibt´s tatsächlich überall. Die unbegrenzte tatsächliche Verfügungsgewalt über jedes Unternehmen und jedes Individuum in einem Staat dagegen nicht.
Leseempfehlung:
The Party: The Secret World of China’s Communist Rulers – Richard McGregor
Gruss,
Thorsten Haupts
Das ist auch mein Argument, genau.
zu 1) Viessmann ist noch so ein Fall, der die Entwicklung der ökologischen Wende „verschlafen“ hat. Ihr Kerngeschäft mit Gas- und Ölheizungen bricht zusammen, im neuen Geschäft mit den Wärmepumpen haben sie kein know how aufgebaut. Technisch funktionieren Wärmepumpen ähnlich wie Klimaanlagen. Damit haben US Unternehmen eine Menge Erfahrung. Damit macht der Verkauf Viessmanns Sinn.
Bezüglich China befürchte ich, dass es denen um Dominanz geht. Unternehmen agieren untergeordnet unter der Gesamtstrategie der chinesischen KP. Die „erobern“ Märkte und drängen Wettbewerber heraus. Vietnam kann schon aufgrund seiner Größe keine Märkte monopolistisch beherrschen. Denen geht es um Autonomie, gerade auch gegenüber China.
Im größten Teil der europäischen Geschichte hatten wir widerstreitende Mächte. Versuche, den ganzen Kontinent zu beherrschen unter Barbarossa, Napoleon, Karl V und Hitler scheiterten.
Aus meiner Sicht, liefert Demokratie für alle Entwicklungsphasen aller Gesellschaften nicht die optimale Regierungsform. Südkorea, Taiwan und Vietnam entwickelten sich lange recht gut als Diktaturen. Die Entwicklungen Chiles, Perus, Argentinien und Brasiliens seit mitte der 80er Jahre haben mich aus der Rückschau sehr ernüchtert. Natürlich waren sie besser als die Phase der widerwärtigen Militärdiktaturen davor, aber diese korrupten, manipulativen und populistischen Spielchen dort nehme ich zunehmend als dystopisch wahr.
Die Dichotomie der nächsten 50 Jahre besteht aus meiner Sicht nicht in Kommunismus vs Kapitalismus oder Demokratie vs Autokratie sondern in der Suche nach einem neuen Gleichgewicht, in dem die Macht nicht zu sehr in wenigen Zentren konzentriert ist.
Aktuell im Zusammenhang mit der Rentendebatte:
https://twitter.com/Schuldensuehner/status/1650807501506371585?cxt=HHwWgoCz_aOr7OgtAAAA
Deutschland ist Vize-Weltmeister bei den Abgaben. Ja, ALLEN Abgaben, Sozialversicherungen der anderen Länder eingerechnet.
Könnte natürlich an mir liegen – aber ich kann nicht erkennen, dass wir im Gegenzug Vize-Weltmeister bei den staatlichen Gegenleistungen sind …
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 26. April 2023, 11:47
Deutschland ist Vize-Weltmeister bei den Abgaben …
… aber ich kann nicht erkennen, dass wir im Gegenzug Vize-Weltmeister bei den staatlichen Gegenleistungen sind …
Das siehst Du falsch. Mit der hohen Differenz zwischen den Staatseinnahmen und den staatlichen Gegenleistungen kann man viel auf die Beine stellen.
Was war es nur? Sozialer Wohnungsbau? Bundeswehr? Schulen auf Vordermann bringen? Kranken- und Altenpflege?
Hab’s wohl vergessen …