Rezension: Hartmut Kaelble – Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat. Europa 1945-1989, Teil 2

Hartmut Kaelble – Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat. Europa 1945-1989

Teil 1 hier.

Gleichzeitig war Europa aber auch der „Kontinent mit den vielen Gesichtern“, geprägt von zahlreichen Divergenzen. Zu diesen zählt Kaelble den anhaltenden Konflikt zwischen Peripherie und Zentrum, vor allem in Bezug auf Südeuropa. Zudem postuliert er eine „Vielfalt der nationalen Entwicklungen“, die zwar nicht schlecht, aber bemerkenswert ist. Für die Folgen des Zweiten Wektkriegs sieht er in den 1970er Jahren zwar eine weitgehende Überwindung von wirtschaftlichen Ungleichheiten; gleichwohl sei der moralische Gegensatz zwischen Gewinnern und Verlieren erhalten geblieben; so etwa wurde in den besetzten Länder und den Siegerländern das Erinnern an Widerstandsbewegungen und Standhalten hochgehalten, während der Diskurs in Deutschland und Italien ein merklich anderer war. Am offensichtlichsten war natürlich die Spaltung Europas durch den Kalten Krieg und den Eisernen Vorhang, der für zahlreiche Divergenzen im Wirtschaftssystem, dem politischen System, den gesellschaftlichen Entwicklungen und dem Wohlfahrtsstaat sorgte (Divergenzen, die bis heute in Deutschland für Probleme sorgen, von der europäischen Ebene gar nicht zu sprechen). Aber auch zwischen den westlichen Demokratien und den südlichen Diktaturen Europas bestanden Divergenzen fort, wenngleich in den 1970er Jahren hier erste Annäherungen stattfanden. Sie waren arm, aber in die NATO integriert und über Tourismus und Gastarbeiter an die westliche Wirtschaft angeschlossen, was ihre Aufnahme in die EG später deutlich erleichtern sollte. Diese Divergenzen sieht Kaelble in der „geteilten europäischen Integration“ zusammenkommen.

Kaelble wendet nun den Blick auf „Europa im globalen Kontext während der Dekolonialisierung“. Er macht fünf Besonderheiten aus, die die Außenpolitik Europas prägten. Einmal den Boom mit jährlichen Wachstumsraten um 4%, der Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine globale Rolle zuwies. Dieser Boom paarte sich mit einem rekordniedrigen Bevölkerungswachstum, unter dessen Folgen wir bis heute leiden. Auch griff in Westeuropa der Staat stärker als anderswo in die Wirtschaft ein und wurde der Wohlfahrtsstaat stärker ausgebaut. Zweitens die Entkolonialisierung, die, die sich von vorangegangenen Dekolonialiserungen in ihrer Loslösung von europäischen Idealen und Formen sowie in der Einmischung anderer Kräfte, vornehmlich der USA und UdSSR, unterschied. Er betrachtet sie auch als einen radikaleren Schnitt als vorangegangene, weil sie Europa endgültig als nicht mehr koloniale Macht etablierten. Zudem hatten sie schwere innenpolitische Folgen, besonders für Frankreich (sowohl in Vietnam als auch in Algerien), aber auch für Portugal (die Rückkehr und Integration der angolanischen Expats).

Kaelble sieht, drittens, zudem die internationalen Organisationen als großes und unterschätztes Betätigungsfeld der europäischen Staaten. Das betrifft auch NGOs, die gerne in einem Spannungsverhältnis zu den nationalstaatlichen Regierungen existierten (Stichwort Greenpeace). Für das vierte Gebiet, den Kalten Krieg, sieht Kaelble Europa vor allem im Schatten der Supermächte. Weder konnten noch wollten die europäischen Staaten die Blockbindung überwinden, auch im Kontext der Dekolonialisierung nicht, die von diesen Bindungen oft überschattet wurde. Auf dem fünften Gebiet, Migration und Tourismus, sieht Kaelble durch die Dekolonialisierung vor allem gekappte Verbindungen. In den 1960er und 1970er Jahren kam der Kontakt zwischen diesen Weltregionen und Europa weitgehend zum Erliegen und sollte erst in den 1980er Jahren langsam wieder zunehmen. Der sechste und letzte Aspekt ist das Außenbild Europas. Kaelble sieht den Wohlfahrtsstaat zwar als Bezugspunkt, der weltweit viel diskutiert wurde; nachgeahmt allerdings wurde er nicht oft. Wesentlich beständiger als die wirtschaftliche Performance – ab den 1970er Jahren dominierte das Krisennarrativ – sei der kulturelle Einfluss; die Intellektuellen Europas blieben eigentlich durch den ganzen Kalten Krieg hindurch tonangebend.

Mit diesen Betrachtungen kommt der Autor zum dritten Teil seines Buches, „Auslaufen der Prosperität und neue Vielfalt der Optionen (1973-1989)“. Er beginnt direkt mit der Prämisse, dass diese Periode eine der „großen Wendemarken des 20. Jahrhunderts“ sei. Dies könne man an verschiedenen Bereichen ausmachen.

Der erste davon ist die Wirtschaft. Der Ölpreisschock und das Ende von Bretton Woods waren die sichtbarsten Ausdrücke dieser Epoche, aber große Trends umfassten etwa die Wachstumsverlangsamung, den Aufstieg des Monetarismus, die Deregulierung, die beginnende Globalisierung und die Tertiarisierung der Wirtschaft. All diese Trends sind sicherlich nicht sonderlich nicht kontrovers und sorgen dafür, dass die Periode ab ca. 1973 ein für uns erkennbar „modernes“ Antlitz bekommt, das sich merklich von der vorhergehenden Zeit unterscheidet – ein impliziter Beweis für Kaelbles These.

Auf dem Gebiet der Gesellschaft ist natürlich 1968 die sichtbarste Wegmarke, aber neben den Proteststürmen in ganz Westeuropa sieht Kaelble eine generell um sich greifende Zukunftsskepsis, die den Fortschrittsoptimismus der Nachkriegszeit jäh ablöste. Das war sicher durch den Bruch in der Entwicklung des Lebensstandards und der sozialen Ungleichheit verursacht: ersterer hörte mit seiner rapiden Wachstumsbewegung auf, während zweitere massiv anstieg. Innerhalb der westlichen Gesellschaften begann zudem eine Ausdifferenzierung hin zu einer neuen Heterogenität, in der die konformistische Massenkultur der vorangegangenen Jahrzehnte von einem größeren Individualismus abgelöst wurde. Zuletzt beobachtet Kaelble eine stärkere Verflechtung der europäischen Gesellschaften und eine Angleichung zu einer einheitlicheren „europäischen“ Gesellschaft (wenngleich man sich nicht als europäisch betrachtete; eine wichtige Unterscheidung in meinen Augen).

Auf kulturellem Gebiet sieht Kaelble als eines der einschneidendsten Ereignisse den Wachstumsbericht des Club of Rome. Die Wahl, ihn unter „Kultur“ zu verorten, ist etwas kurios. Weitere kulturelle Trends sind Postmoderne und Popart („Anything goes“, in Kaelbles Zusammenfassung), aber für die Mehrheit der Menschen wohl bedeutender war die Deregulierung der Medien, vor allem der Aufstieg des Privatfernsehens. Es gibt wohl wenig, was so einschneidende Folgen für die Massenkultur (wenn man den Begriff verwenden will) hatte wie das. Wesentlich intellektueller war die neue Europadebatte, der Kaelble überraschend viel Raum einräumt und die (wohl im Kontext der Eurosklerosendebatte) in den 1980er Jahren eine große Rolle spielte.

Im politischen Bereich sieht er „neue, aber nicht immer prägende“ Entwicklungen durch Ölpreisschock und Grenzen des Wachstums aufkommen. Unter den Trends, die er für die Epoche ausmacht, ist einmal die Demokratisierung. Diese sieht er sowohl als „zweite Welle“ in Bezug auf Südeuropa, wo die Diktaturen fielen und Platz für demokratische Regime machten, als auch in einem Fortschritt von Frauenemanzipation, Gleichberechtigung und Partizipation auf vielerlei Ebenen. Für Osteuropa nennt er den Aufstieg der Dissidentenbewegung. Ein ambivalenter Trend ist die Einstellung der Europäer*innen zur Gewalt. Diese wurde immer mehr abgelehnt (Friedensbewegungen legten beredtes Zeugnis ab), aber gleichzeitig nahm der Terror zu. Das führte dazu, dass die 1970er Jahre das blutigste Jahrzehnt seit dem Zweiten Weltkrieg waren (und bis zu den Balkankriegen der 1990er Jahre bleiben würden).

Ein dritter politischer Trend war für Kaelble die Schwäche des Staates: seine Wahrnehmbarkeit im öffentlichen Raum trat zurück, die Menschen wurden skeptischer, die Globalisierung und der Ölpreisschock zeigten klare Grenzen auf. Dazu gehören auch Phänomene wie die Privatisierung der Post, die den „staatlichen Fußabdruck“ (meine Formulierung) im öffentlichen Raum zurückschnitten. Der Kalte Krieg spielt im politischen Bereich vor allem durch die Aufrüstung eine Rolle, die die Verschärfung des Kalten Krieges nach der Entspannungszeit der 1970er Jahre in den 1980er Jahren mit sich brachte. Wenig überraschend bekommt auch die Krise der europäischen Integration („Eurosklerose“) in Kaelbles Darstellung großen Raum.

Zwar bestanden sicherlich weiter Divergenzen zwischen den europäischen Staaten; ein Grundtrend der Epoche aber war ihr allgemeines Abnehmen. Dies macht Kaelble etwa an dem verschwindenden Unterschied zwischen Kolonialreichen und Ländern ohne Kolonien fest. Aber auch der Nord-Süd-Gegensatz schrumpfte in diesen Jahrzehnten deutlich zusammen (nicht unwesentlich dank der europäischen Integration). Gleiches galt, beinahe schon zwingend, für den Gegensatz zwischen Industrie- und Agrarländern, der immer mehr an Relevanz verlor. Die Globalisierung mit ihrer „Internationalisierung des Konsums“ sorgte auch für eine (begrenzte) Abschwächung der Unterschiede zwischen den Nationalstaaten und ihren Eigenheiten; gleichzeitig fand durch die Integration eine Angleichung politischer Prozesse und Institutionen statt.

Auch die „moralischen Folgen des Zweiten Weltkriegs“ schliffen sich ab. Zwar wurden Deutschland und Italien zu den Erinnerungsfeiern der Alliierten weiterhin nicht eingeladen, aber von Weizsäckers „Tag der Befreiung“-Rede wäre noch ein Jahrzehnt vorher undenkbar gewesen. Eine Zunahme von Divergenzen dagegen ist für den Ost-West-Gegensatz zu beobachten: der Osten fiel wirtschaftlich immer weiter zurück und war von den kulturellen und intellektuellen Entwicklungen im Westen weitgehend abgekapselt. Der gesamte Ostblock verfiel in Stagnation, aus der er bis zu seinem Zusammenbruch 1989/91 nicht mehr erwachen sollte.

Der Ölpreisschock brachte auch neue globale Besonderheiten und Verflechtungen mit sich. Auf wirtschaftlichem Gebiet sieht Kaelble eine europäische Besonderheit darin, dass der industrielle Sektor vergleichsweise bedeutend blieb (vor allem im Kontrast zu den USA) und das Niveau der Sozialausgaben weiter anstieg. Er sieht auch eine größere Invidivualisierung und Säkularisierung sowie eine wesentlich größerere Aversion zu Gewalt in Europa als in anderen Weltregionen, eine Divergenz, die in dieser Epoche ihren Ursprung findet. Im Bereich der Dekolonialisierung postuliert Kaelble eine große Abhängigkeit der ehemaligen Kolonien von ihren früheren Herren, die Europas politische Rolle mitbestimmte.

Auf wirtschaftspolitischem Gebiet war die Globalisierung der entscheidende Faktor. Die europäische Wirtschaft richtete sich zunehmend auf den Export aus, und die Informationsrevolution erlaubte eine größere Verflechtung und globalere Rolle, als man von anderen Faktoren her erwarten würde. Die starke Zunahme von Arbeitsmigration veränderte darüber hinaus die demographische Zusammensetzung der europäischen Gesellschaften erheblich. Insgesamt sieht er den Einfluss Europas in der Welt ambivalent: während sein machtpolitisches Gewicht weiter schwand und komplett im Schatten der Supermächte stand, blieb der kulturelle und wirtschaftliche Einfluss hoch – soft power vor hard power, gewissermaßen.

Kaelble schließt das Buch mit einem Epilog „Europa um 1989“. Den Umbruch jener Jahre sieht er als kein genuin europäisches Ereignis, weil der Impetus komplett von Gorbatschow und der Sowjetunion ausging und ohne die USA nicht vorstellbar gewesen wäre. Jedoch brachte die deutsche Einheit komplett neue Herausforderungen und Dynamiken für Europa und die Integration mit sich, die dann durch die Erweiterung der NATO und später der EU nach Osten hin noch verstärkt wurden. Das aber ist eine andere Geschichte.

{ 17 comments… add one }
  • Tim 16. Februar 2023, 09:42

    aber für die Mehrheit der Menschen wohl bedeutender war die Deregulierung der Medien,

    Allmählich verstehe ich, warum der Begriff „Deregulierung“ so oft für Situationen angewendet wird, in denen es ganz sicher keine Deregulierung, sondern in der Regel mehr Regulierung gab: Viele Menschen meinen damit offenbar Privatisierung oder überhaupt erst einmal Zulassung privatwirtschaftlicher Tätigkeit.

    Das bedeutet nun aber in der Regel, dass es zusätzlich zu den neu geschaffenenen privaten Unternehmen auch neue entsprechende Gesetze und neue Kontrollbehörden gibt. So war es ja auch beim genannten Beispiel „Deregulierung der Medien“. Private Funkmedien hatte der Staat in Deutschland jahrzehntelang auf Basis willkürlicher Annahmen schlicht verboten, und als sie dann erlaubt wurden, kam ein Regulierungswirrwarr hinzu, das in seinen Detailregelungen oft schlicht albern war. Dasselbe gilt natürlich für Post und Telekommunikation.

    Die Annahme, dass ab Anfang/Mitte der 70er Deregulierung ein beherrschender Trend in Europa war, ist einfach nur bizarr. Aber das Thema hatten wir ja schon.

    • Thorsten Haupts 16. Februar 2023, 11:31

      Ja. Eine De-Regulierung, also den Netto-Abbau bestehender Gesetze, Vorschriften und Verordnungen, hat es in ganz Westeuropa in den letzten 200 Jahren vielleicht zweimal gegeben – als die italienischen Kleinsataaten 1861 in Italien und die deutschen Kleinstaaten 1871 ins deutsche Reich integriert wurden. Ansonsten ist das eine Gespensterdebatte vorwiegend sozialistisch angehauchter „Intellektueller“, die damit vielleicht „Privatisierung“ meinen, also den Verlust angestammter Pfründe und staatlichen Unterschlupfs für Schwätzer aus den Geistes- und Sozialwissenschaften.

      All diese Trends sind sicherlich nicht sonderlich … kontrovers

      Doch. Der der De-Regulierung existiert faktisch einfach nicht, er ist schlicht frei erfunden.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Tim 16. Februar 2023, 12:01

        @ Thorsten Haupts

        Netto-Abbau bestehender Gesetze

        Sehr schön, die Formulierung muss ich mir merken. Da fällt mir gleich Edmund Stoiber ein, der damals ja als Entbürokratisierer nach Brüssel abgeschoben wurde. Erste Amtshandlung: Einrichtung einer neuen Dienststelle. Output der Dienststelle: ein dicker Bericht über mögliche Entbürokratisierungsmaßnahmen.

        Mit anderen Worten: Schilda.

    • Stefan Sasse 16. Februar 2023, 15:35

      Wir reden hier „im Vergleich zu 1950er und 1960er Jahren“. Und da stimmt das schon. Bei der Begrifflichkeit bin ich bei dir, das ist vielleicht auch meiner Verkürzung geschuldet.

      • Tim 16. Februar 2023, 17:15

        @ Stefan Sasse
        wir reden hier „im Vergleich zu 1950er und 1960er Jahren“

        Auch mit diesem Zeitrahmen stimmt die Aussage nicht. Kein Jahrzehnt der bundesdeutschen Geschichte war so dereguliert wie die 50er Jahre. Klar, in den 60ern kamen noch die ersten Ansätze von Umweltrecht, Arbeitsschutz, mehr Sozialpolitik hinzu, aber auch hier gilt: Sie kamen hinzu. In den 70ern hat es sich noch verstärkt. Und bei dieser immer stärkeren Regulierung ist es bis heute geblieben.

        Es hat in Deutschland nie irgendwo eine umfassende Deregulierung gegeben. Selbst Hartz IV (das viele ja in die Kategorie „Deregulierung durch neoliberale Monster“ einordnen) ist genau das Gegenteil, nämlich ein Bürokratie-Ungetüm.

        Um mal ein Gegenbeispiel zu bringen: Deregulierung in der Sozialpolitik würde aus meiner Sicht auf eine negative Einkommensteuer hinauslaufen, die zugleich wohl auch die fairste und würdevollste Form der Unterstützung ist.

        • Stefan Sasse 16. Februar 2023, 17:22

          Ja, da bin ich bei dir. Ich denke das liegt an der Eingrenzung des Begriffs „Deregulierung“, der üblicherweise im Sinne von „Rückzug direkter staatlicher wirtschaftlicher Handlungen“ verstanden wird. Also Privatisierung = Deregulierung, Schaffung neuer Geschäftsfelder. Völig bei dir, dass andere Gebiete neu verregelt werden.

        • CitizenK 19. Februar 2023, 08:26

          Negative Einkommensteuer: Immer, wenn ich mit der (Sozial-) Bürokratie zu tun habe, wünsche ich mir das.

          „Fair und würdevoll“ wäre es aber nur, wenn gleichzeitig Tims Idee umgesetzt würde: Erbschaften und Schenkungen wie Einkommen behandeln. Und Veräußerungsgewinne.

          Hat wohl seinen Grund, dass das Konzept nirgendwo nachhaltig umgesetzt wurde.

          • Stefan Pietsch 19. Februar 2023, 09:10

            Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen wie Einkommen führte über Jahrzehnte zum Lock-in Effekt bei Unternehmen und zur Überkreuzverflechtungen. Die Ansicht hat der Aktienkultur in Deutschland schweren Schaden zugefügt. Sie wären bereit die Fehler der Vergangenheit aus falsch verstandenen Gerechtigkeitsgründen zu wiederholen.

            Für Erbschaften gilt nach UN-Musterdoppelbesteuerungsabkommen das Wohnsitzprinzip. Theo Müller und und andere reiche Unternehmensbesitzer hatten deswegen ihren Firmen- und Wohnsitz in die Schweiz verlegt. Der Anreiz zu solchen Konstrukten würde stark steigen, wenn Deutschland Erbschaften wie Einkommen behandeln würde. Was sie laut UN nicht sind.

            Wir sind nicht allein auf der Welt, auch wenn deutsche Linke sich als der Nabel der Welt empfinden.

            • CitizenK 19. Februar 2023, 13:08

              Weiß ich alles. Dass es auf der Welt nicht „fair und würdevoll“ zugeht, ist mir nicht entgangen. War auch eine abstrakt-theoretische Folgerung aus der ebensolchen von Tim.
              Für unseren kleinen Teil der Welt wäre ein Schritt in die Richtung z.B. ein Eltern-unabhängiges BaföG. Aber dazu konnte sich die Regierung incl. FDP nicht durchringen.
              Anekdotisch: Antrag mit 33 Druck!seiten. Gestellt am 25. Aug. 2022, Bescheid am 14. Feb. 2023.

              • Thorsten Haupts 19. Februar 2023, 13:59

                Als Vollkredit? Überhaupt kein Problem, bin dafür. Als nicht rückzahlbares Einkommen? Warum sollen die Steuergelder von Otto Normalverbraucher das Studium der Sprösslinge gut verdienender Eltern bezahlen?

                Gruss,
                Thorsten Haupts

              • Stefan Pietsch 19. Februar 2023, 15:15

                Sie fordern etwas und erklären das im nächsten Post für Quatsch? Echt?

                Nur damit wir das zusammenkriegen: Heute erhalten vorrangig Studenten aus einkommensarmen Haushalten BAföG. Die elternunabhängige Unterstützung würde dies zugunsten von Kindern aus wohlhabenden Elternhäusern ausweiten, die bereits heute das Gros der Studentenschaft bilden. Und dies etikettieren Sie als wichtigen Beitrag zur Einkommensgerechtigkeit.

                Ich weiß ja, dass derzeit Karneval ist. Aber unlogisch ist nicht mit lustig zu übersetzen.

                • CitizenK 19. Februar 2023, 16:17

                  Die FDP hat das im Programm. Was man da an Bürokratie sparen könnte. Tausende Verwaltungsangestellte brüten über Fragebogen und Steuerbescheiden.
                  Auch in Gymnasien sind die Better Off überrepräsentiert. Schulgeld für die Oberstufe?

                  • Stefan Pietsch 19. Februar 2023, 16:37

                    Oh, wir können uns gerne unterhalten, wie es in Sachen Bürokratieabbau mit Ihren Interessen bestellt ist.

                    So haben Sie die Grundrente in ihrer jetzigen Form befürwortet. Ergebnis: von 1,7 Milliarden Euro Kosten fallen 0,4 Milliarden Euro nur für die Verwaltung und Administration an.

                    Sie sind ein großer Befürworter einer allgemeinen Vermögensteuer, ungeachtet der Einwände von Steuerverwaltungsfachleuten, die dieser Abgabe ein enormes Bürokratiepotential zubilligen. Die Reform der Grundsteuer bietet da einen Vorgeschmack.

                    Sie befürworten auch das Lieferkettengesetz, das mit einem enormen Bürokratieaufwand für mittelgroße Unternehmen daherkommt. Zudem konkurriert es mit drei weiteren EU-Richtlinien.

                    Also, hören Sie erstmal auf, neue Bürokratievorschriften zu fordern, bevor Sie Erleichterungen nebst finanzieller Besserstellung für einen kleinen Lobbykreis einklagen. Das würde zumindest Ihrer Glaubwürdigkeit zuträglich sein.

                    Übrigens: Die Steuerbescheide für das BAföG-Amt stellt die Finanzverwaltung aus. Nichts wäre einfacher, würde der Staat hier das Ganze straffen. Dann hätten alle Steuerzahler etwas davon, z.B. würde mit mehr und großzügigeren Pauschalen gearbeitet. Und Ihre Studenten würden davon profitieren.

                    Ansonsten habe ich früher auch so einen Wust ausfüllen müssen. Ich weiß wirklich nicht, warum wir immer bei Transferempfängern mit dem Bürokratieabbau anfangen (und aufhören) müssen. Und die eigentliche Frage beantworten Sie wie gehabt nicht: Warum wollen Sie ausgerechnet jene fördern, die heute schon begütert sind?!

                  • Thorsten Haupts 19. Februar 2023, 17:14

                    Ist Ihnen das – Bürokratieabbau – als Argument nicht a weng zu dünn? Im übrigen könnte man den heutigen bürokratischen Aufwand erheblich minimieren – automatische BAFöG-Bescheinigung mit dem jährlichen Steuerbescheid, fertig.

                    • Stefan Sasse 20. Februar 2023, 10:23

                      Ist halt wie immer: die Argumente werden der eigenen Position angepasst.

  • Erwin Gabriel 16. Februar 2023, 10:55

    @ Tim 16. Februar 2023, 09:42

    Allmählich verstehe ich, warum der Begriff „Deregulierung“ so oft für Situationen angewendet wird, in denen es ganz sicher keine Deregulierung, sondern in der Regel mehr Regulierung gab: Viele Menschen meinen damit offenbar Privatisierung oder überhaupt erst einmal Zulassung privatwirtschaftlicher Tätigkeit.

    Hast mich erwischt 🙂

    Das bedeutet nun aber in der Regel, dass es zusätzlich zu den neu geschaffenenen privaten Unternehmen auch neue entsprechende Gesetze und neue Kontrollbehörden gibt.
    … und als sie dann erlaubt wurden, kam ein Regulierungswirrwarr hinzu, das in seinen Detailregelungen oft schlicht albern war. Dasselbe gilt natürlich für Post und Telekommunikation.

    Überzeugt mich.

    Danke für diese Einsicht

  • CitizenK 20. Februar 2023, 08:13

    „automatische BAFöG-Bescheinigung mit dem jährlichen Steuerbescheid, fertig.“

    Guter Vorschlag. Oder zumindest Datenaustausch zwischen den Ämtern. Das ist kein Links-Rechts-Ding.

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