Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
1) If Russia Can’t Defeat Ukraine, Then Could The Soviet Union Have Conquered Europe?
Did our game answer the question of whether the Soviet Union could have conquered Western Europe? The answer is a definitive…maybe. If you believe that the Soviet military of the late 1980s was powerful and competent – as NATO itself feared – then The Third World War offers a plausible simulation of how a Soviet invasion of Western Europe might have transpired. However, if you believe that the fumbling Russian military in Ukraine faithfully reflects its Soviet ancestor, then the game was a fable. A fantasy based on Kremlin propaganda, and the fears of Western hawks eager to justify larger defense budgets. Instead of crossing the Rhine, those Soviet tank columns would have barely crossed the West German border before they ran out of gas. Though to be fair, we can’t be sure how well many of the NATO armies would have performed in a full-scale war. In the end, my crystal ball is no better than yours. A guess – and no more than a guess for such a vast counterfactual – is that the truth falls somewhere between these two extremes. Today’s Russian military inherited the failings of its Soviet progenitor. But the Soviet Union could also put 200 divisions and 50,000 tanks into the field in 1989, before the post-Soviet cuts decimated the armed forces. Even if the Soviet military suffered the same flaws now seen on the battlefields of Ukraine, it might have had enough mass to compensate. Does this have implications for the current Ukraine war? Again, the answer is maybe. Our World War III game featured a Soviet invasion big on mass and short on time. Russia’s invasion of Ukraine is short on mass, but potentially long on time if Russia – or Ukraine — opts to prolong the war in hopes of wearing down the enemy and securing better peace terms. Nonetheless, there is a common denominator to both our fictional World War III and the real-life Ukraine conflict: the Russian war machine is less than the sum of its parts. The bear is fierce, but it can be tamed. (Michael Peck, Forbes)
Für mich als Brettspiel-Nerd ist Pecks Ansatz natürlich besonders spannend. Diese Cosims (Kurzform von „Conflict Simulator“, das Genre, in dem das beschriebene Spiel funktioniert) sind ja nicht so mein Ding; ich habe zwar anderthalb davon (Falling Skies und Twilight Struggle), aber ich bin nie recht damit warm geworden. Aber gerade der Detailgrad der Regeln und die unbedingte historische Verortung, die die Dinger für mich eher unattraktiv machen – zu sehr Simulation, zu wenig Spiel – machen sie natürlich für solche Planspiele interessant. Das US-Militär setzt die in Offizierskursen auch immer wieder ein. Das ist, nebenbei bemerkt, eine deutsche Tradition: „Kriegsspiele“ (im Englischen immer noch „war gaming“, im Deutschen aus Gründen leicht aus der Mode gekommen) wurden im preußischen Generalsstab im 19. Jahrhundert erfunden.
Aber zum Artikel selbst: ich erinnere mich noch an ein Buch aus den 1980er Jahren über den maroden Zustand der Roten Armee, das ich einmal gelesen habe. Bereits damals waren professionelle Beobachtende sehr skeptisch gegenüber den angeblichen Fähigkeiten dieser Armee. Es zeigt sich ein grundsätzliches Problem jeder Armee, das wir vor einigen Ausgaben auch mal für China und Taiwan diskutiert haben: eine Armee, die jahrzehntelang nicht im Einsatz stand, kann unmöglich wissen, wie sie im Ernstfall performt. Und wie der Artikel das ja auch darstellt, gilt dasselbe für die NATO. Ich glaube, die einzige Armee, die im Ernstfall überperformen würde, ist die Bundeswehr. Aber auch nur, weil die Erwartungen an sie dermaßen niedrig sind, dass sie sie kaum reißen kann.
Wie also könnte die FDP auf die Höhe der Zeit kommen? Sie müsste die neuen Notwendigkeiten auf innovative und kreative Weise mit ihren alten Überzeugungen verschränken, sie bräuchte einen nachhaltigen Liberalismus. Wenn man beispielsweise nicht so viel Staat will, wie es die FDP ständig behauptet, dann muss man halt auch etwas dafür tun. Wenn etwa der Liberale in sein Auto steigt und ohne Tempolimit die Autobahn langbrettert, dann lachen sich Mohammed bin Salman und Wladimir Putin eins und erhöhen via OPEC die Ölpreise, die der Staat dann wieder deckeln oder entlasten muss, wofür er was aufnimmt? Genau: Schulden. Ja, das klingt ungewohnt, aber so hängen die Dinge nun mal zusammen: keine Schuldenbremse ohne Tempolimit. Wer weniger Staat will, muss weniger Auto fahren, fliegen, Fleisch essen, weniger Klamotten kaufen und nicht so viel Golf spielen, sonst rationiert der Staat bald in jedem zweiten Sommer das Wasser, jeder Notstand stärkt den Staat, so einfach ist das. Die Botschaft einer erneuerten FDP an ihre Wähler müsste lauten: Nehmt euer Geld und kauft euch eine teure Geige oder einen Gesangslehrer oder ein Gemälde oder einen Plattenspieler von Bang & Olufsen, irgendwo muss die Kohle ja hin. Aber hört auf, Nebenwirkungen zu erzeugen, die immer noch mehr Staat nötig machen, um darüber anschließend wieder rumzujammern. Ihr wohlhabenden FDP-Wähler seid es, die den Staat fett machen, so ist die Lage. (Bernd Ulrich, ZEIT)
Ich bin überhaupt nicht überzeugt von diesem Genre „Die Partei, die ich eh nie wählen werde, muss machen, was ich gut finde, um wieder Erfolg zu haben“. Würde ich eine FDP entlang der von Ulrich gezeichneten Linien begrüßen? Absolut. Würde ich sie wählen? Vermutlich nicht. Ich sehe einfach nicht, wie Leute, die grundsätzlich in das Wählendenreservoir der FDP fallen, eine noch so liberal formulierte Degrowth-Policy stützen würden. Das erinnert mich an all die tollen Ratschläge an die SPD, doch bitte die Reformpolitik weiterzutreiben und zu verschärfen, die sie in den 2000er Jahren bekommen hat.
3) „Es geht um Transformation, nicht nur um Digitalisierung“ (Interview mit Saskia Esken)
Frau Esken, schon wieder eine Kommission, die sich mit digitaler Bildung befasst. Warum braucht die Nation so etwas?
Wenn Sie genau hinschauen, dann sehen Sie, dass das Digitale nur ein Aspekt der Arbeit der Kommission für „Bildung in der Transformation“ ist. Unter dem Dach der Gesamterzählung „Gestaltung der Transformation“ ist die Digitalisierung natürlich ein wichtiger Aspekt. Weitere Treiber der Transformation sind unser Ziel, so bald wie möglich klimaneutral zu wirtschaften und zu leben, aber auch der demografische Wandel und nicht zuletzt die geopolitische Zeitenwende. Was aber sind die Grundlagen, damit Mensch und Gesellschaft diese Veränderungen nicht scheuen, auch nicht nur ertragen, sondern im Idealfall aktiv mitgestalten? Da ist Bildung als Mittel zur Emanzipation des Menschen ein ganz wichtiger Schlüssel. Deshalb diese Kommission. […]
Als das neue futuristische KMK-Papier zu digitalem Lernen vorgestellt wurde, fiel ihm dazu ein, dass Präsenz das Nonplusultra von Schule ist.
Ich finde es richtig, zu sagen, dass dieser Distanzunterricht, den wir jetzt wegen Corona erleben mussten, nicht unsere Idee von digitaler Bildung ist. Wir sind nicht in Australien, wo wir im Outback Schüler nur über digitale Verbindungen in die Schule bringen können. Es kann und darf kein Dauerzustand sein, dass die Schüler allein zu Hause sitzen. Auch die Bildungsgerechtigkeit hat darunter gelitten.
Sondern?
Wir müssen digitales Lernen und Präsenz zusammen denken. Es hat nichts mit digitaler Bildung zu tun, als Schüler von zu Hause Videounterricht mit dem Lehrer anzuhören. Schülerinnen und Schülern müssen viel mehr lernen, wie sie sich über digitale Methoden neues Wissen, aber auch neue Kompetenzen erschließen. (Christian Füller, TableBildung)
Saskia Esken hat in diesem Bereich eine unbestreitbare Kompetenz. Von daher bin ich ganz froh, sie dabei zu sehen. Ich halte sie ohnehin für ziemlich unterschätzt, was wohl auch an ihrer nicht ganz unumstrittenen SPD-Führung liegt. Aber gerade bei Digitalisierung und Bildung ist sie eine Koryphäe (was sicher auch an der niedrigen Messlatte im Bundestag bei dem Thema liegt). Was für mich auffällig ist ist, wie wenig parteipolitisch dieses Thema ist. Wenn ich mir etwa ihre Antworten oben ansehe, dann könnten die genauso aus einem Interview mit Stark-Watzinger stehen. Das öffnet viele Möglichkeiten für Kooperation, sobald die politischen Ressourcen dafür mal vorhanden sind (was angesichts der aktuellen Krisenlage nicht sehr wahrscheinlich ist, leider).
Inhaltlich gibt es glaube ich auch wenig allzu Kontroverses hier. Dass der Fernunterricht im Sinne eines „Streaming von Normalunterricht“ nicht gerade super ist, ist glaube ich unstrittig. Ebenso gilt, dass Digitales ganzheitlich betrachtet werden muss, dass da Kompetenzen erlernt werden müssen und dass das in einem größeren Kontext von Transformation gedacht werden muss. Das Schlimme ist eigentlich, dass das als Forderung für eine unbestimmte Zukunft ausgesprochen werden muss und nicht längst in Gange ist.
4) Ein anderes Russland ist möglich
Russland steht an einer historischen Weggabelung. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um den Abschied vom Imperium, eine zweite Phase der De-Kolonisierung nach der Implosion der UdSSR. Weshalb sollte Russland nicht zumutbar sein, was Deutschland, das Habsburger Reich, Frankreich und Großbritannien hinnehmen mussten – am Ende zu ihrem Glück? Der Kreml muss seinen Machtanspruch über den postsowjetischen Raum aufgeben. Erst dann kann Russland zu einem guten Nachbarn werden. Wieweit der Prozess der De-Kolonisierung auch die innere Peripherie des Landes – etwa den Nordkaukasus – erfassen wird, ist eine offene Frage. Die Alternative wäre ein Abgleiten in noch schrilleren Großmacht-Chauvinismus, begleitet von einer aggressiven Paranoia: alle gegen uns, wir gegen alle, insbesondere den Westen. Der Überfall auf die Ukraine liegt auf dieser Linie. Solange Russland am imperialen Wahn festhält, gibt es keinen stabilen Frieden in Europa – und keine Chance auf Demokratisierung nach innen. Eine Niederlage Russlands in der Ukraine ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine Erneuerung. Dazu braucht es auch die schmerzhafte Auseinandersetzung mit der eigenen Gewaltgeschichte nach innen und außen, die Entwicklung eines staatsbürgerlichen Bewusstseins von Rechten und Pflichten, die Achtung des Rechts sowie tief greifende Reformen des Gefängnissystems und der Armee als Brutstätten der Gewalt. Dieser Prozess wird dauern, und er ist von außen nur bedingt beeinflussbar. […] Gegenwärtig scheinen die Aussichten für eine politisch-moralische Erneuerung Russlands eher düster. Es gehört allerdings zum Wesen autokratischer Systeme, dass Veränderungen eher abrupt als linear ablaufen. Militärische Niederlagen waren seit jeher die Mutter von Reformen und Revolutionen in Russland. (Ralf Fücks, SpiegelOnline)
Für mich schließt sich dieses Thema sehr gut an die Aufarbeitungs-Debatte aus dem letzten Vermischten an. Genauso wie im Falle des UK und Frankreichs wäre für Russland eine Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit – die ja, wenn überhaupt, erst 1991 endete! – dringend geboten. Aber nicht nur weigert sich Russland hier; Putin bietet ja seit seinem Amtsantritt stattdessen ein gegenläufiges Narrativ alter kolonialer Größe an, das sich in Sachen chauvinistischer Überheblichkeit nichts von einem britischen „Was wollen diese Wilden aus Kenia?“ nehmen lassen muss.
Was die Möglichkeit eines Regimewechsels angeht: ich denke Fücks hat vor allem Recht damit, dass dieser sich im Zweifel plötzlich vollzieht – und vermutlich für alle Beteiligten überraschend. Könnten die Teilnehmenden einer Talkshowrunde in Deutschland ein akkurates Bild der Lage im russischen Machtzentrum abgeben und einen Regimewechsel vorhersagen, dann können wir uns sicher sein, dass Putin das auch könnte und entsprechende Schritte ergriffe. Er würde von so etwas also im Zweifel genauso überraschend getroffen wie wir; anders ist ein solcher Umsturz ja auch kaum vorstellbar.
5) Elon Musk will nicht mehr für Ukraine-Internet zahlen: Ging Melnyk am Ende zu weit?
Elon Musks Raumfahrtfirma SpaceX will die Kosten für den kriegswichtigen Betrieb seines Satelliten-Internetdienstes Starlink in der Ukraine nicht mehr übernehmen. Einem US-Medienbericht zufolge schlug die Firma vor, das Pentagon solle einspringen. Am Freitagmorgen deutscher Zeit äußerte Elon Musk sich auch persönlich zu dem Vorgang und begründete die Entscheidung mit den „Empfehlungen“ des scheidenden ukrainischen Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk. er hatte auf Musks Friedensplan für die Ukraine kürzlich sehr aggressiv reagiert. Musk solle „sich verpissen“ („fuck off“), ließ Melnyk wissen. Jetzt hat der amerikanische Multi-Milliardär erklärt, beim Ende der Finanzierung von Starlink in der Ukraine würde man einfach dieser „Empfehlung“ des Ukrainers folgen. Ein Ende der Unterstützung durch Starlink hätte dramatische Auswirkungen auf die Fähigkeit der Ukraine, militärische Aufklärung im Kriegsgebiet zu leisten. Sollte Musk nicht nur die Zahlungen einstellen, sondern auch den Service einschränken, selbst wenn andere Geldgeber gefunden würden, dürfte das den Kriegsverlauf zu Ungunsten der Ukraine beeinflussen. (horn/dpa, Berliner Zeitung)
Die ganze Episode um Starlink bestätigt alle meine Kritik an der Existenz von Milliardär*innen. Nicht nur ist es einfach eine dystopische Vollkatastrophe, dass lebenswichtige Infrastruktur in den Händen von Milliardären sein könnte (aktuell kein Grund zu gendern). Die Mentalität, die Musk zumindest nach außen hin zur Schau stellt (und ich glaube, dass das genau seine reale Haltung wiederspiegelt) – also die eines beleidigten Halbgotts, der seine Gunst nach Belieben erteilen und entziehen kann – ist ein Desaster. Sollen geopolitische Entwicklungen davon abhängig sein, ob sich ein Kleinkind im Körper eines erwachsenen Mannes beleidigt fühlt? Das kann doch nicht der Ernst sein. Genau aus dem Grund haben wir demokratische Legitimationen und Kontrolle. Nicht, dass die perfekt wären, aber ein einzelner, allmächtiger Egomane ist mit Demokratie grundsätzlich unvereinbar. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Dazu kommt noch, dass es alles gelogen ist – wie immer bei Musk. Der Mann hat noch keinen müden Dollar verdient, ohne dass nicht irgendwie Steuermillionen dahinterstanden. Die Ukraine bezahlt für Starlink! Sie hat von Anfang an dafür bezahlt.
6) How Far Would a Republican Majority Go?
That starts with the debt ceiling. An anachronistic policy necessity, used only by Denmark and the U.S., raising the debt ceiling requires periodic action by Congress to maintain the full faith and credit of the United States; the failure to do so when the ceiling is reached would mean a default. Although both parties have played partisan games with the debt ceiling, they have always made it through, even if we came dangerously close during the Obama presidency. In 2011, McConnell said, “I think some of our members may have thought the default issue was a hostage you might take a chance at shooting. Most of us didn’t think that. What we did learn is this: It’s a hostage worth ransoming.” McConnell and his House counterpart Boehner did use the debt ceiling threat to get some concessions on spending. The concessions demanded by the new MAGA extremist radicals will be non-negotiable. And this time, if Republicans win, a lot more members will be ready to push us over the cliff—and the speaker, McCarthy, with no ability or willingness to stop their juggernaut. Of course, other major disruptions could occur, including government shutdowns and costly investigations. But it is the tangible threat of default that looms largest. (Norm Ornstein, The Atlantic)
Die Frage in der Überschrift kann keine ernsthafte sein. Wir wissen, wie weit sie gehen würden. Hätten die Republicans die Chance – und aller Wahrscheinlichkeit nach kriegen sie die im November – würden sie ohne zu zögern die Wirtschaft zerstören und Millionen Existenzen vernichten, um bei den nächsten Wahlen bessere Chancen zu haben. Sie haben es 2009 getan, 2011 und 2013. Warum um Gottes Willen sollten sie es 2023 nicht wieder tun? Sie sagen es ja sogar offen. Das ist keinerlei Mysterium. Diese Leute sind Extremisten.
In ihrem 2020 erschienenen Buch „Die Einwilligung“ beschreibt Vanessa Springora den sexuellen und emotionalen Missbrauch durch einen 50jährigen Mann, den sie als 13jährige kennenlernte und mit dem sie jahrelang wie in einer erwachsenen Beziehung in aller Öffentlichkeit zusammenlebte. Der Mann, der in Frankreich zu den literarischen Größen des Landes gehörte, hatte in seinen Büchern vollkommen unverstellt von seiner kriminellen Liebe zu minderjährigen Mädchen geschrieben. Alle wussten es und behandelten die beiden als gewöhnliches Paar. Selbst als das Mädchen sich in ihrer Not an gemeinsame Freunde wendet, wird ihr nicht geholfen. Stattdessen wird sie zu ihm zurückgeschickt und man rät ihr, ihn so zu akzeptieren, wie er ist. Das Buch hat in Frankreich eine Debatte um den Autor ausgelöst und ihn schließlich zu einer persona non grata gemacht, deren Bücher nicht mehr verlegt werden. Die Empörung ist gerechtfertigt, aber es bleibt die Frage, warum es für diese Reaktion erst Springoras Buch brauchte. […] Offenbar auch nicht abhängig von einem bestimmten Milieu. Dieser Missbrauch passiert unter aller Augen, mit aller Einverständnis. Die Täter schweigen gar nicht. Sie verheimlichen nichts. Sie überrumpeln ihr Gegenüber, indem sie die Grenzen, die für selbstverständlich gehalten werden und die durch Gesetze festgeschrieben sind, einfach ignorieren. Das lässt sie mutig und besonders erscheinen. Sie sprechen von Liebe und sind offenbar bereit, dafür alles aufs Spiel zu setzen, ihre Reputation, ihren Job. Dabei wissen sie, dass sie nichts zu befürchten haben. Die Schweigenden schützen sie. Vielleicht weil sie selbst Täter sind, vielleicht weil die Täter ihnen einen Platz geben, den sie sonst nur schwer finden. Sie bekommen Bedeutung durch das Geheimnis und die Täter tun viel dafür, dass die verschworene Gemeinschaft sich nicht auflöst. So ist es in Schulen, in Sportvereinen, in Kirchen, in Familien und in Ferienlagern. Die Beispiele sind nicht mehr zu zählen. Jedes Jahr kommen neue dazu, werden neue Systeme aufgedeckt, die alle ähnlich funktionieren. (Anne Rabe, 54Books)
Alle Punkte, die in diesem kurzen Ausschnitt genannt werden, sind hochgradig relevant. Ich will eine historisch-ergänzende Einordnung zum Stichpunkt Milieu machen: Wir hatten ja vor ein paar Jahren diesen mittleren Skandal um die Aufarbeitung der Gutheißung von Pädophilie in der alternative Szene der 1980er Jahre. Daniel Cohn-Bendit und diverse andere Früh-Grüne waren da ja ziemlich heftig dabei. Das ist in meinen Augen ein Topp-Beispiel für die beschriebenen Mechanismen. Die Täter haben damals ja sogar Bücher geschrieben, in denen sie ihre Taten über den grünen Klee gelobt haben, weil sie in ihrem Milieu keinerlei Unrechtsbewusstsein besaßen (und, das muss man ja leider auch sagen, im Rest der Gesellschaft diesbezüglich auch kein großes Echo hervorriefen). Deswegen ist es ja so wichtig, dass die Gesellschaft das thematisiert und sich weiterentwickelt – Stichwort #MeToo.
8) Wieviel Reichtum ist genug?
Beim Limitarismus geht es darum, dass niemand übermäßig reich werden sollte. Der Grund hinter der Idee: Einzelne Superreiche würden der Gemeinschaft zu sehr schaden. Sie belasten mit ihrem Lebensstil das Klima unverhältnismäßig mehr als andere Menschen und sie können sich mit ihrem Geld zu viel politischen Einfluss erkaufen. Deswegen müsse es eine Grenze geben. Diese Obergrenze ist aber nicht als Bestrafung gedacht. Die Idee ist vielmehr, dass durch die Begrenzung des Reichtums – und somit die bessere Verteilung des Geldes – die Gesellschaft im Allgemeinen gefördert wird. Außerdem trägt Geld ab einem gewissen Punkt nicht mehr zu einem Mehr an Wohlbefinden bei, so die Begründerin der Idee, Ingrid Robeyns. […] Der Limitarismus ist kein Sozialismus oder Kommunismus. Er lehnt nicht die Anhäufung von Reichtum, den Besitz von Privateigentum oder ein gewisses Maß an sozialer Ungleichheit ab. Er besagt lediglich, dass sehr viel zu haben, manchmal zu viel ist. Wo genau, dieses „zu viel“ angesiedelt ist – bei zehn Millionen Dollar oder bei zwei – dazu hat sich Robeyns noch nicht geäußert. (Deutsche Welle)
Nachdem ich in Fundstück 5 gerade noch über Milliardär*innen geschimpft habe, muss ich hier doch widersprechen. Mag ja sein, dass die Leute glauben, dass das nicht als Bestrafung gemeint ist. Aber so wird es bei den Betroffenen nie ankommen. Wenn ich meinen Sohn zum Vokabellernen setze, sieht er das auch als Bestrafung und nicht zu seinem Besten, auch wenn das von mir so gemeint ist. Der größte Irrtum der Linken in diesem ganzen Diskurs aber liegt in meinen Augen in deiser irrigen Vorstellung, dass Geld ab irgendeinem Punkt nicht mehr zum Wohlbefinden beitrage und deswegen der Limitarismus die Lösung sei.
Auf der einen Seite ist es natürlich wissenschaftlich nachgewiesen, dass Lebenszufriedenheit und Geld einen ziemlich scharfen Grenznutzen haben. Allein, der liegt verdammt tief. Ich wäre mit meinem Einkommen bereits deutlich darüber. Dieses „Geld trägt nicht zum Wohlbefinden bei“ ist eine reine Nebelkerze. Erstens arbeitet Jeff Bezos nicht, weil ihm noch ein paar Millionen für die sechste Yacht fehlen. Für diese Leute ist das Geld ein Benchmark. Das ist wie bei einem Bundesligaspiel zu sagen, dass mehr als ein Tor nicht nötig ist, um die Kompetenz eines Teams zu ermitteln. Klar, das mag schon sein, aber das ist nicht der Grund, warum die Leute 90 Minuten auf dem Rasen kicken. Dieses grundsätzliche Unverständnis gegenüber dem, warum wohlhabende Menschen überhaupt arbeiten ist einer der riesigen blinden Flecken der Linken, die mich rasend machen.
Supporters of liberal democracy must not give in to a fatalism that tacitly accepts the Russian-Chinese line that such democracies are in inevitable decline. The long-term progress of modern institutions is neither linear nor automatic. Over the years, we have seen huge setbacks to the progress of liberal and democratic institutions, with the rise of fascism and communism in the 1930s, or the military coups and oil crises of the 1960s and ’70s. And yet, liberal democracy has endured and come back repeatedly, because the alternatives are so bad. People across varied cultures do not like living under dictatorship, and they value their individual freedom. No authoritarian government presents a society that is, in the long term, more attractive than liberal democracy, and could therefore be considered the goal or endpoint of historical progress. The millions of people voting with their feet—leaving poor, corrupt, or violent countries for life not in Russia, China, or Iran but in the liberal, democratic West—amply demonstrate this. […] Celebrations of the rise of strong states and the decline of liberal democracy are thus very premature. Liberal democracy, precisely because it distributes power and relies on consent of the governed, is in much better shape globally than many people think. Despite recent gains by populist parties in Sweden and Italy, most countries in Europe still enjoy a strong degree of social consensus. (Francis Fukuyama, The Atlantic)
Francis Fukuyamas „Ende der Geschichte“ ist glaube ich eine der meist-missverstandenen Thesen überhaupt. Er erklärt sie in aller Kürze im Artikel nochmal, aber ich denke der Punkt oben reicht eigentlich schon aus: die liberale Demokratie ist und bleibt das bestmögliche System, es gibt keine Alternative. Der Faschismus ist seit 1945 diskreditiert, und in den mittlerweile über 30 Jahren seit dem Untergang des Kommunismus‘ wetterleuchtet eine andere noch nicht mal am Horizont. Und das ist etwas, das hoffnungsfroh stimmt, finde ich.
10) Ohne jeden moralischen Kompass
Mitte der Siebzigerjahre stellte der Journalist Paul Johnson, damals auf seinem Wege der Konversion von Labour zu Margaret Thatchers Konservativen, fest, dass die Linksintellektuellen sich in die Arme der Gewerkschaftsbewegung geworfen haben. Wer Bedenken gegen diese Entwicklung anmelden wolle, setze sich dem Vorwurf des Elitarismus aus. „Elitär“ sei bei dieser syndikalistischen Linken zum bevorzugten Schimpfwort geworden, schrieb Johnson. Heute jedoch sind es die rechten Konservativen und fanatischen Brexit-Befürworter, die dem „liberalen Establishment“ (wie sie es bezeichnen) vorwerfen, elitär zu sein. Es war denn auch dieses „Establishment“, das Liz Truss im Visier hatte, als sie ihre Partei gegen jene „Antiwachstumskoalition“ aufzuwiegeln suchte, die im Taxi aus ihren Stadthäusern in Nordlondon ins BBC-Studio fahre, um von dort aus jeden anzugreifen, der den Status quo infrage stelle. Der politische Philosoph John Gray hat diese eifernde Haltung von Liz Truss und ihren Anhängern schon vor Jahren als „Maoismus der Rechten“ bezeichnet und bemängelt, dass die von Friedrich Hayek übernommene neoliberale Ideologie keine Vorstellung mehr habe vom traditionell konservativen Ideal der Bewahrung und Erneuerung einer Kultur. Gray und andere sprechen deshalb jetzt abfällig vom „Ersatz-Thatcherismus“ der Gerade-noch-Premierministerin Truss. (Gina Thompson)
Wie war das mit der Wiederholung der Geschichte als Farce? Die Implosion von Liz Truss ist in der an Farcen nicht eben armen Brexit-Entwicklung schon noch einmal ein besonderer Schlussstein. Der Radikalismus, mit dem Truss vorging, gepaart mit der völligen Empathielosigkeit und Ignoranz gegenüber politischen Gesetzmäßigkeiten, spricht sehr für eine völlige Abgeschottetheit von der breiten Realität. ls Truss gewählt wurde, gab es ja viel Kritik daran, dass nur ein winziger Teil der Parteibasis abstimmen konnte. Ich habe das damals als Kritik zurückgewiesen, weil Parteien grundsätzlich selbst ihre Leute aufstellen und nicht das Wahlvolk als Ganzes. Aber wenn die Partei darin versagt, die Attraktivität für die breite Bevölkerung im Auge zu behalten, dann kommt so etwas dabei heraus. Truss ist ein Versagen der kompletten konservativen Partei, der (vorläufige) logische Endpunkt einer Entwicklung, die bei Cameron begann und über May zu Johnson führte. Vielleicht wäre Labour etwas Ähnliches passiert, wenn Corbyn 2017 gewonnen hätte.
Resterampe
a) Sehr gute Ansprache vom Vorsitzenden des Städtetags.
b) Wenn sich mal wieder jemand über MMT ärgern will und einen Anlass sucht. 😉
c) Spannende Rezension zu einem Buch über Kinderkrippen in der DDR, das extrem problematische DDR-Bilder transportiert.
d) Guter Thread zu den 1,5-Grad, die mich an meinen entsprechenden Artikel erinnern.
e) Wohl wahr.
f) Russische oder republikanische Propaganda? Lässt sich nicht auseinanderhalten.
g) Neue Evaluation zu häuslicher Gewalt durch den Europarat.
h) Erneuerbare sind mittlerweile die mit Abstand effizienteste und profitabelste Energieform. Und Schwarz-Gelb hat den Standort dafür absichtlich zerstört.
i) Unglaublich spannendes Interview mit Adam Tooze über die aktuelle wirtschaftliche Lage.
j) Dieser schon etwas ältere Artikel über das „Great Awokening“ ist eine gute Illustrierung dessen, was ich im letzten Vermischten zum Thema sagte.
l) Die Financial Times hat was zur europäischen Dimension des Gaspreisdeckels.
m) Ich sag’s mal so: diese Koch-Mehrin/Kubicki-Episode bestätigt mich in all meinen Vorurteilen über Kubicki.
n) Schöner FAZ-Artikel zum Thema Spieltheorie und Gleichgewicht des Schreckens.
o) Dieses Buch von Precht und Welzer zieht einem echt die Schuhe aus.
p) Das Problem mit den Conni-Büchern. Ich hass die Dinger auch…
q) Erinnert ihr euch noch an meinen Artikel zur Selbstmarginalisierung von FFF? Jüngstes Beispiel.
r) Denis Yüzel zum Muezzin-Ruf in Köln.
s) Sehr entlarvende Kurz-Äußerung.
t) Spannende Analyse von Timothy Snyder in der NZZ zum Kriegsgeschehen in der Ukraine und der Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes.
u) Weil wir oben schon Saskia Esken hatten: die Frau ist ihrer Partei weit voraus. Man kann über sie und ihre Fähigkeiten als SPD-Chefin sagen was man will, aber sie liegt nicht falsch.
v) Es ist und bleibt mir völlig unverständlich, dass es nicht wesentlich entschlossenere Schritte gibt, diesen Crypto-Schwachsinn unter Kontrolle zu kriegen.
w) Die FAZ hat vor 60 Jahren schon gegendert.
x) Die aktuelle Wahlumfrage aus Rheinland-Pfalz zeigt, kontrastiert mit der für den Bund, in meinen Augen eine für Deutschland immer noch starke Lokalisierung der Landtagswahlen.
y) Ein gutes Beispiel für die Zerrissenheit der CDU zwischen Polen, die wir im Podcast angesprochen haben und für die es keine offensichtliche Lösung gibt.
4) „Genauso wie im Falle des UK und Frankreichs wäre für Russland eine Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit – die ja, wenn überhaupt, erst 1991 endete! – dringend geboten.“
Die muß dann tatsächlich die gesamte russische Gesellschaft umfassen:
https://www.spiegel.de/ausland/wie-russland-die-augen-vor-seiner-kolonialgeschichte-verschliesst-a-83eae96e-f99a-4467-a05c-4cd3679fe58a
Und tatsächlich hätten auch wir von einer besseren Aufarbeitung unserer eigenen kolonialen Vergangenheit profitiert, denn dann hätten wir die imperiale Mentalität in Rußland besser durchschaut.
Absolut! Aber das muss solche Aufarbeitung immer, wenn sie kein leeres Ritual sein soll.
@ Stefan Sasse 19. Oktober 2022, 08:27
Absolut!
Absolut nicht, MEILENWEIT davon enternt. Dass ein Historiker so etwas glaubt, kann ich nicht nachvollziehen.
Aber das muss solche Aufarbeitung immer, wenn sie kein leeres Ritual sein soll.
Das ist ein anderes Thema, da magst Du Recht haben. Aber zu glauben, dass eine bessere Aufarbeitung unserer Kolonialgeschichte uns dazu gebracht hätte, die Sorgen anderer Länder besser zu verstehen, ist abstrus. Wir waren Täter; hätten bestenfalls über die Opfer unseres Handels nachgedacht, sie entschädigt, um unser Gewissen zu beruhigen, und anschließend versucht, anderen „Täter“-Ländern Hilfestellung dabei zu geben, selbst „besser“ zu werden.
Mag sein, dass das nicht Deine Idealvorstellung von Aufarbeitung ist, aber kannst Du Dir aus Deutschland wirklich etwas anderes vorstellen? Ich nicht.
Mein Punkt ist: wenn ich mir klar mache, was ich in Polen angestellt habe, kann ich Polens Haltung gegenüber meinem Land nachvollziehen (siehe Brand, Willy). Wenn ich das nicht tue, trete ich unter Umständen trampelig auf und tappe in Fettnäpfchen bzw. sehe manche Dinge nicht kommen.
@ Stefan Sasse 20. Oktober 2022, 14:55
Mein Punkt ist: wenn ich mir klar mache, was ich in Polen angestellt habe, kann ich Polens Haltung gegenüber meinem Land nachvollziehen (siehe Brand, Willy). Wenn ich das nicht tue, trete ich unter Umständen trampelig auf und tappe in Fettnäpfchen bzw. sehe manche Dinge nicht kommen.
Ich habe schon verstanden, was Du unter Aufarbeitung verstehst. Aber ich sehe da viele Unschärfen: ICH habe in Polen schon mal nichts angestellt, Du (vermutlich 🙂 ) auch nicht. Als geht es darum, was „Deutschland“ getan hat, oder nur das Hitler-Regime? Wie hat sich Polen damals benommen? Bei der Judenverfolgung gab es große Unterstützung … Geht es um das rein militärische, oder zählt das gerade nicht, sondern die üblen Dinge, die über das hinausgehen, was „gute“ Soldaten anrichten? Das ermittelt dann eine Kommision, die, höflich formuliert, nicht den Durchschnitt der Gesellschaft widerspiegelt … usw.
Und nun kommen wir zum Thema, dass sol1 aufgeworfen hat: Das all das (wie lange es immer dauern und was immer das Ergebnis sein würde) „uns“ dabei geholfen hätte, die polnischen Nöte und Sorgen, die sich aus der russischen Aggression ergeben, besser hätten verstehen können?
Nochmal mein Antwort: Er hat NICHTS gefehlt, um genau zu verstehen, warum sich die Polen und andere bedroht fühlen. Wir haben es erkannt, wir haben es verstanden, und dann gesagt „interessiert uns nicht“.
Was immer eine Aufarbeitung bringen würde (und zum Dritten Reich /WW2 waren wir halbwegs fleißig), Nordstream 2 wäre so oder so vereinbart worden, und unsere Bundeswehr wäre im gleichen lausigen Zustand.
Letztendlich versteckt man sich nur: Nun kann man darüber jammern, dass man nicht ausreichend aufgearbeitet hat, statt zuzugeben, dass man aus Wohlgefälligkeit und rein wirtschaftlichen Interessen einem Despoten zur Hand ging.
Ich denke die aktuelle Kritik an der Aufarbeitung spiegelt direkt in die Bundeswehrsituation. Diverse Leute erheben ja den Vorwurf, dass die Aufarbeitung des Dritten Reichs zu einer Art Bequemlichkeit führte. Siehe etwa hier: https://twitter.com/StefanSasse/status/1583073233938821120
Aber erneut, weder du noch ich haben irgendwas in Polen gemacht. Ich verstehe gar nicht, warum dieser Punkt immer wieder kommt. Wir sind daran nicht schuld, period. Und das steht in Deutschland auch außer Frage. Der Begriff, den ich hier relevant finde, ist der der historischen Verantwortung. Das berühmte „Nie wieder“.
@ Stefan Sasse 21. Oktober 2022, 06:43
Drücke ich mich so unklar aus?
Noch einmal: Ich verstehe, was Du willst. Aber darüber diskutieren wir hier nicht.
Ausgangspunkt der Diskussion war unsere Kolonialpolitik während der Kaiserzeit und Sol1′ Aussage dazu, dass wir, hätten wir diese gründlicher aufgearbeitet, mehr Verständnis für die Sorgen unserer osteuropäischen Partner aufgebracht hätten, um so Fettnapf-Tretereien wie Nordstream 2 zu vermeiden.
Du hast der Aussage zugestimmt; ich bestreite deren Sinnhaftigkeit.
zeIch bezweifle aber, dass eine noch bessere Aufarbeitung von was auch immer, wie auch immer dazu geführt hätte,
Sorry, da hab ich dich vermutlich mit Thorstens weitflächigerer Kritik zusammengelegt.
Grundsätzlich: ich denke, dass eine Aufarbeitung das Potenzial hat, bessere Sichtweisen zu ermöglichen, aber ein Automatismus besteht nicht. Kannst du da d’accord gehen?
@ Stefan Sasse 21. Oktober 2022, 09:57
Sorry, da hab ich dich vermutlich mit Thorstens weitflächigerer Kritik zusammengelegt.
… die ich ein gutes Stück weit teile 🙂
Grundsätzlich: ich denke, dass eine Aufarbeitung das Potenzial hat, bessere Sichtweisen zu ermöglichen, aber ein Automatismus besteht nicht. Kannst du da d’accord gehen?
Ja.
Womit ich mich schwertue, ist die Vorstellung, dass „unsere Gesellschaft“ lernt. Die einen nehmen solche Ergebnisse als Grundlage für woke Attacken, die nächsten versuchen zu lernen, zu verstehen und umzusetzen, wieder andere fühlen sich angepisst, weil das nervige Thema schon wieder auf den Tisch kommt, wieder welche schreien „die anderen …“ oder „damals war alles besser …“.
Drittes Reich / Holocaust waren sicherlich ziemlich krass, aber (wenn man sich in der Welt umschaut) soooo außergewöhnlich auch wieder nicht – weder, was die Anzahl der Toten, noch, was das systemische Vorgehen zum Töten angeht. Wer hat was daraus gelernt?
Wie immer bleibt, dass man Fakten zusammenträgt, sich sogar darüber halbwegs einig sein kann (was ja auch nicht garantiert ist), was passierte, und anschließend quetscht ein jeder die Ergebnisse in sein Weltbild; überstehende Reste werden wie gewohnt weggeschnitten.
Wie gesagt, es mag Historikern und anderen Wissenschaftlern helfen; schon die Politik unterliegt dem (stärkeren) Druck, wiedergewählt zu werden. Doch dass eine Aufarbeitung (erst recht der weit entfernten Kolonialzeit) eine oder gar unsere Gesellschaft besser macht, vermag ich nicht zu sehen. Ich halte das eher für ein Spezialistenthema.
Ich denke, die Aufarbeitung des Holocaust zeigt weltweit eine unglaublich starke Sensibilität gegenüber Antisemitismus. Nur als Beispiel.
Im Nachgang zu der Aufarbeitungsdebatte:
Grossbritannien hat jetzt einen indischstämmigen Premierminister aus einer dediziert rechten Partei, der auch äusserlich genauso aussieht, wie ein Inder. Ratet doch mal, zu welcher Schlagzeile das Wokie-Hausblatt (taz) jetzt greift:
Zugepflasteter Rassismus
https://taz.de/Neuer-Regierungschef-in-Grossbritannien/!5886981/
Nein, es geht den Wokies nicht um Rassismus …
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich hatte gestern eine ähnliche Diskussion mit einem Wokie-Kritiker. Letztlich ist es doch nie recht, denn er kritisierte diejenigen Artikel, die sich über die Diversität an der Spitze freuten. Schließlich sei Sunak ja ein Kind reicher Eltern, Investmentbanker etc. und das zeige nur die Oberflächlichkeit der Wokies. Letztlich kritisiert ihr doch alles, egal was da kommt 😀 Hätte die taz gar nichts dazu gesagt, wäre das auch Beleg ihrer Heuchelei gewesen.
… ähnliche Diskussion mit einem Wokie-Kritiker …
Schön. Irgendein Zusammenhang mit meiner Kritik? Nein? Dann – warum wurde der hier eingeführt?
Alice Weidel gratuliert Meloni auf Facebook =>22.071 Likes
Top-Kommentar: „Gratulation … ich hoffe sehr dass Deutschland auch langsam aufwacht … “
Alice Weidel gratuliert Sunak auf Facebook =>3.372 Likes
Top-Kommentar: „Ich traue dem Typen irgendwie nicht.“
Mir ist der Bezug unklar?
Thorsten Haupts scheint es ja für irre Wokie-Propaganda zu halten, wenn man darauf hinweist, daß auch mit einem Hindu als konservativer Premierminister das Rassismus-Problem fortbesteht.
Alice Weidels Zielgruppe ist eine, die im UK wegen des Zwei-Parteien-Systems von den Tories abgegriffen wird – da ist es natürlich aufschlußreich, wie unterschiedlich diese auf diese beiden Postings reagiert.
… daß auch mit einem Hindu als konservativer Premierminister das Rassismus-Problem fortbesteht.
Weil Sie das zwei Beiträge weiter im Blog mal ansprachen – auch das ist toxische Debattenkultur.
Zur Sache: Eine Gesellschaft, deren konservativer/rechter Teil (!) einen indischstämmigen Hindu zum Premierminister macht, hat kein durchgehendes rassistisches Problem mehr, sonst wäre der nämlich niemals Premier geworden. Case closed.
Und als Gegenbeleg einen Tweet einer deutschen (!) Rechtspopulistin ohne Bezug zu Grossbritannien anzuführen, ist nicht mal mehr grenzwertig. Es ist Sockenpuppentheater.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ sol1 18. Oktober 2022, 21:11
4) Ein anderes Russland ist möglich
Und tatsächlich hätten auch wir von einer besseren Aufarbeitung unserer eigenen kolonialen Vergangenheit profitiert, denn dann hätten wir die imperiale Mentalität in Rußland besser durchschaut.
Diese Kausalität kann ich nicht erkennen. Vermutlich wäre das deutlich wahrscheinlichere Ergebnis gewesen, dass die Deutschen nicht verstanden hätten, warum die Russen ihre Vergangenheit nicht genauso toll, nicht genauso ehrlich aufbereiten wie die Deutschen. Sie hätten anschließend angefangen, ungefragt Ratschläge zu verteilen.
Und vermutlich hätten sie nicht verstanden, warum sich die Russen anschließend darüber aufgeregt hätten, warum ein Land, dass den zweiten Weltkrieg lostrat und über fremde Länder (darunter eben auch die Sowjetunion) herfiel und dort grausamst wütete, ihnen ihre kolonialen Untaten unter die Nase reibt.
Du tust in deinem Kommentar so, als ob es nur um die Deutschen und die Russen ginge. Das tatsächliche Ergebnis einer solchen Aufarbeitung wäre aber doch wohl eher gewesen, daß man die Sorgen in den russischen Nachbarländern ernster genommen hätte.
@ sol1 19. Oktober 2022, 12:12
Du tust in deinem Kommentar so, als ob es nur um die Deutschen und die Russen ginge.
Du schreibst das; ich beziehe mich nur darauf.
Aber davon ab:
Das tatsächliche Ergebnis einer solchen Aufarbeitung wäre aber doch wohl eher gewesen, dass man die Sorgen in den russischen Nachbarländern ernster genommen hätte.
Wie das?
Deutschland hat wie auch die anderen europäischen Staaten alle Kolonien verloren; Russland nicht, China nicht, die USA nicht. Und wo wir nach Afrika und andere europäische Länder nach Asien oder Amerika gingen, erweiterten Russland, China und die USA „nur“ ihr Herrschaftsgebiet (mit der Ausnahme der Philippinen). Das, was für uns zu einer aufarbeitbaren Vergangenheit gehört, ist für Russland (oder China oder die USA) Entstehungsgeschichte nach dem Motto „wo gehobelt wird, da fallen Späne“. Ich sehe nicht, dass das vergleichbar wäre.
Und wie hätte man die Sorgen der Nachbarn mit einer historischen Selbstbespiegelung ernster nehmen können? Ich muss doch nicht in unsere Vergangenheit schauen, um die russische Mentalität besser zu verstehen – wie hätte das „besser“ passieren können? Wir saßen doch in der ersten Reihe, haben alles aus nächster Nähe mitbekommen. Die sowjetischen Niederschlagungen der Aufstände in der damaligen DDR, in Ungarn oder in der damaligen Tschechoslowakei. Die „Engagements“ in Kuba, in Afrika, in Afghanistan. Die kriegerischen Aktivitäten Russlands in Georgien, Moldawien, Tadschikistan, Tschetschenien, Dagestan, die Parteinahme für Serbien im Jugoslawien-Konflikt, das blutige Agieren in Syrien.
Die „russischen Nachbarländer“ haben uns doch ihre „Sorgen“ nicht vorenthalten. Sie haben sie uns entgegengeschrien, während sie uns beim Kragen packten und durchschüttelten, und wir hielten uns die Ohren zu: Die Verträge von Nordstream 2 wurden nach der Annektion der Krim und des Donbass unterzeichnet, und wir wurden nicht nur von ehemaligen Sowjet-Republiken und den ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes, sondern auch von unseren Verbündeten über Jahre sehr, sehr deutlich darauf hingewiesen, dass wir uns sehenden Auges in eine Abhängigkeit begeben.
Sorry, aber wer glaubt, dass irgendeine Art von Aufklärung oder Aufbereitung die deutsche Seele dazu gebracht hätte, irgendwem (statt zu belehren) besser zuzuhören, ist nicht mal mehr idealistisch, sondern nur noch brutal naiv, und sucht Ausreden für ein Versagen, für das es keine Ausreden gibt.
Ich finde das eine sehr problematische Sicht. Klar sahen die das damals nach dem Motto „wo gehobelt wird“, aber das macht es ja nicht besser? Mit dem Argument wäre ja der Holocaust weniger schlimm, weil der in der deutschen imperialien Einflusssphäre in Osteuropa stattfand.
@ Stefan Sasse 20. Oktober 2022, 14:53
Ich finde das eine sehr problematische Sicht. Klar sahen die das damals nach dem Motto „wo gehobelt wird“, aber das macht es ja nicht besser? Mit dem Argument wäre ja der Holocaust weniger schlimm, weil der in der deutschen imperialien Einflusssphäre in Osteuropa stattfand.
Sicherlich. Was glaubst Du, wie tapfer aufgearbeitet worden wäre, hätte Deutschland den Krieg gewonnen?
Logisch nicht. Aber das ist nicht mein Punkt. Der ist: wir hätten nach der Logik auch mit der Niederlage nicht aufarbeiten müssen, weil Späne gehobelt worden. Oder ist es alles ok, wenn man gewinnt? Mir ist einfach nicht klar, welche moralische Schlussfolgerung da steht.
@ Stefan Sasse 21. Oktober 2022, 06:44
Du hast das Diskussionsthema geändert. 🙂
Es ging nicht um die Aufarbeitung als solche, sondern um Sol1’s Schlussfolgerungen daraus.
Wenn wir grundsätzlich über Aufarbeitung reden, ist das ein anderes Thema.
Siehe Antwort: https://www.deliberationdaily.de/2022/10/lehrer-von-der-fdp-spielen-mit-elon-musk-brettspiele-und-kalkulieren-mit-fukuyama-und-truss-paedophile-milieus-durch-vermischtes-18-10-2022/#comment-263811
@ Stefan Sasse 21. Oktober 2022, 09:57
Ja, aber das war der Thread mit Thorsten; bei sol1 ging es um die Auswirkungen Richtung Osteuropa.
Ich habe ein generelles Problem mit Deinem Aufarbeitungsbegriff. Es beginnt damit, dass Du auf die Definition als „Gemeinschaft“ aufweichst. Schuld ist immer individuell, sie ist adressierbar. Dein Begriff ist das nicht.
Praktisch keiner, der in der Nazizeit an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt war, lebt heute noch. Auch die Opfer sind bis auf Ausnahmen alle tot. Was soll also noch gutgemacht werden? Mehr als das Leben kann man einem Menschen schließlich nicht nehmen.
Wir ehren und verehren die großen Ahnen, die als Deutsche große politische, militärische, kulturelle und wissenschaftliche Leistungen erbracht haben. Das tun wir übrigens auch mit den großen Griechen und Römern, Caesar und Augustus. Wir haben ihnen Denkmäler errichtet, um ihrer großartigen Leistungen zu gedenken. Aber genauso gedenken wir der Gräueltaten, den dunklen Stunden der Menschheit, der Christenverfolgung und den Hexenverbrennungen. Das gehört zusammen, das ist Geschichte.
Schuld ist individuell, Erinnerung gemeinschaftlich. Provokativ formuliert, ich bezweifle, dass auch nur ein schwarzer Amerikaner ernsthaft bedauert, dass seine Vorfahren im 17. und 18. Jahrhundert aus dem Kongo in die USA verschleppt wurden. Denn die Konsequenz hieße, dass er selbst nicht in einem der reichsten, sondern einem der ärmsten Länder der Welt leben würde.
In den letzten 25 Jahren war ich unzählige Male in Griechenland, meist aus Urlaubsgründen. Skepsis, Ablehnung oder nur negative Gefühle gegenüber Deutschen gibt es dort nicht. Zumindest nicht wegen des 2. Weltkrieges. Mit der Austeritätspolitik, die dem Land einiges Leid beschert hat, sieht es schon anders aus. Und in dieser Zeit wurde der Gedanke an Reparationsforderungen gegen Deutschland als finanzielle Wiedergutmachung geboren. Wie Polen heute forderte Athen damals weit mehr als das BIP eines Jahres, individuelle Entschädigungen wurden in beiden Fällen abgelehnt.
Ich war auch einige Male in Israel und habe für israelische Unternehmen gearbeitet. Vor 20 Jahren fasste mein Kollege auf der anderen Seite, gleiche Generation wie ich, das Verhältnis so zusammen: Juden haben keinen Groll gegen die heute lebenden Deutschen, denn die haben mit den Naziverbrechen nichts zu tun. Wir wollen nur nicht, dass es vergessen wird.
Anders ist naturgemäß das Treffen mit sehr alten Juden, die nach dem Krieg ausgewandert sind. Wenn sie von damals erzählen, hatte ich immer einen ziemlichen Kloß im Hals und bin bis heute peinlich berührt.
Kaum ein Verbrechen der Menschheitsgeschichte wurde so detailliert aufgearbeitet, wird so umfangreich gedacht wie dem 2. Weltkrieg und dem Holocaust. Die finanziellen Wiedergutmachungsleistungen Deutschlands wie die territoriale „Bestrafung“ sind dann doch immens gewesen. Doch aus dem generierten schlechten Gewissen der Nation versuchen andere Länder, immer wieder finanzielle Vorteile für sich zu ziehen.
Das ist ungefähr das, was wir nicht unter „Aufarbeitung“ verstehen sollten. Ich vor allem verstehe das nicht darunter.
Ich sehe keinen Zwang, denen das unter die Nase zu reiben, aber dem heimischen Diskurs über Russland hätte es sicher geholfen und vielleicht verhindert, diesen gigantischen strategischen Fehler zu begehen.
@ Stefan Sasse 19. Oktober 2022, 12:44
Ich sehe keinen Zwang, denen das unter die Nase zu reiben, aber dem heimischen Diskurs über Russland hätte es sicher geholfen und vielleicht verhindert, diesen gigantischen strategischen Fehler zu begehen.
Ich weiß nicht recht, ob Du an dieser Stelle zu naiv oder zu idealistisch bist. Aber der andere Stefan hat die Deutsche Seele meiner Einschätzung nach besser durchschaut. Belehrsamkeit ist hierzulande wichtiger als Gelehrsamkeit.
Und tatsächlich hätten auch wir von einer besseren Aufarbeitung unserer eigenen kolonialen Vergangenheit profitiert …
Das bezweifle ich. Mit guten Gründen. Nur ein Beispiel – es ist mittlerweile wissenschaftlich ziemlich gesichert, dass sogenannte „Anti-Bias“-Trainings, in denen die Teilnehmer mit ihren teils unbewussten Vorurteilen konfrontiert werden, im besten Falle keinen, wahrscheinlich aber den zur Intention der Trainings entgegengesetzten Effekt haben (die Vorurteile verstärken sich).
Bin kein Psychologe, also – keine Ahnung, warum. Aber wenn es so ist, dann hat „Aufarbeitung“ sehr wahrscheinlich gar nicht die Wirkung, die man sich davon verspricht (ja, die Illusion hatte ich früher auch, bin aber aufgrund eigener Beobachtungen davon weg).
Gruss,
Thorsten Haupts
Aber das sind doch zwei völlig unterschiedliche Themen.
Inwiefern?
Beim Anti-Bias-Training geht es um unterbewusste Biases, die als schlecht identifiziert werden und aktive Arbeit an der eigenen Psyche erfordern, mitsamt Reflexion und allem. Bei der Aufarbeitung des Kolonialismus geht es darum, dass Leute überhaupt davon hören (etwa bei der Forderung, das in die Bildungspläne zu integrieren). Die jeweilige Schwelle ist krass unterschiedlich.
Bei der Aufarbeitung des Kolonialismus geht es darum, dass Leute überhaupt davon hören …
Aha. War bei mir im gymnasialen Geschichtsunterricht bereits in den siebzigern so (davon gehört, weil im Geschichtsbuch aufgeführt). Ist damit dann ja erledigt?
1) Context matters.
2) Inzwischen ist es nicht mehr drin.
Das habe ich auch schon gehört, aber bisher unter ‚die einen sagen so, die anderen anders abgehakt‘. Haben Sie dazu eine vernünftige Metastudie ? Täte mich echt interessieren.
https://hbr.org/2016/07/why-diversity-programs-fail
https://www.scientificamerican.com/article/the-problem-with-implicit-bias-training/
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/944431/20-12-14_UBT_BIT_report.pdf
Danke
zu 4) Russland wurde wenige Jahrzehnte nach der Befreiung vom Joch der Goldenen Horde zu einer kolonialen Macht.
https://www.youtube.com/watch?v=CMpkBOTCgCM
(Die ganze Serie halte ich für sehr informativ)
… bis heute: https://twitter.com/bayraktar_1love/status/1581754331057262592
Dafür lese ich am Tag 2 bis 3 Beispiele.
auch das hier: https://twitter.com/nomnomcookieez/status/1365616572094685188
sowieso interessante Beiträge von der Frau, die auch zu Recht gegen NAFO auskeilt.
zu spät, zu kurz gekommen wie die Chinesen. Oder die Deutschen 1914 bis 1945. Wir waren blind.
Auch vieles, was ich von meinen „special friends“ von der starken chilenischen „Europäer lassen sich von den Amerikanern einspannen und sowieso können wir uns keine Meinung bilden, weil eh alles Manipulation“ Fraktion entspringt letztlich daher.
2) Nicht auf Höhe der Zeit
Man kann sagen, Bernd Ulrich ist nur noch unverschämt und diskreditiert sich als Journalist.
Ihr wohlhabenden FDP-Wähler seid es, die den Staat fett machen, so ist die Lage.
Grün-Wähler sind auch wohlhabend, aber die sind natürlich klug. Man kann auch sagen, Leute auf dem Land (in den Vororten von wohlhabenden Ballungszentren leben mehrheitlich FDP-Wähler) dumm, Städter klug. Was für eine Anmaßung. Es wird eine Weile dauern, bis ich von diesem Selbstgerechten etwas lesen werde.
Wo auf der Welt hat sich eine Degrowth-Politik als wünschenswert gezeigt? Selbst im wohlhabenden Italien, in Japan sorgt permanentes Nullwachstum für große Probleme, vor allem soziale. Wenn selbst reiche Staaten sich Nullwachstum nicht leisten können, wer kann es überhaupt?
5) Elon Musk will nicht mehr für Ukraine-Internet zahlen: Ging Melnyk am Ende zu weit?
Wer hätte Starlink erfinden und entwickeln sollen, wenn nicht ein extrem unternehmerisch gesinnter Mensch? Die Alternative zu Milliardären bedeutet keine großen Innovationen.
8) Wieviel Reichtum ist genug?
Ich glaube nicht, dass Bill Gates Microsoft erfunden hat, um mal der reichste Mensch der Welt zu werden. Oder Jeff Bezos Amazon. Oder Elon Musk Paypal. Das ist eine vor Unwissenheit strotzende Annahme.
Ist Reichtum zugeteilt, wie der Autor suggeriert? Warum schaffen es dann so viele Menschen praktisch aus dem Nichts zu großen Vermögen? Es ist die alte Geschichte der Linken, die sie seit Robin Hoods Zeiten erzählen: Die Reichen klauen sich das Geld zusammen.
10) Ohne jeden moralischen Kompass
Liz Truss wurde nicht von den Parteifunktionären, sondern den Parteimitgliedern gewählt. So wie übrigens auch Corbyn. Politiker diesen Schlages gibt es immer wieder, sie gibt es in Deutschland, in Frankreich, in Spanien und in Italien ohnehin. In Italien und Griechenland wurden Politiker geliebt, die mit ihren amorösen Abenteuern protzten und sich der Lächerlichkeit preisgaben. Also, wo ist die Kritik?
2) Ich sag’s ja, ich halte davon überhaupt nichts.
5) Erneut: Musk lebt von staatlichen Erfindungen und Subventionen, wie die ganze Silicon Valley Crowd. Das Internet war eine staatliche Erfindung. DAs heißt nicht, dass ich keine Unternehmen will oder so; ohne die wäre das Internet heute noch ein obskures Protokoll auf einigen Uniservern. Mein Punkt ist ein anderer: du kannst strategisch entscheidende Infrastruktur nicht in den Händen von Individuen lassen.
8) Würde ich auch nicht behaupten! Das ist ja letztlich genau mein Punkt: das Geld per se treibt die nicht an. Deswegen sind diese Ideen auch so wirklichkeitsfremd. Aber weder Bezos noch Gates würden sich ihr Vermögen beschränken lassen, weil sie es nicht brauchen. Natürlich brauchen sie es nicht. Aber es ist ein Marker ihres Erfolgs, ein Benchmark, an dem sie sehen können, wie gut sie auf dem von ihnen gewählten Feld sind. Das ist wie für mich Rückmeldungen von SuS und deren Abschneiden im Abi. Könnte mir egal sein, ist aber ein Benchmark.
10) Meine Kritik ist an Leuten, die genau das nicht verstehen.
5) Paypal war eine Erfindung staatlicher Stellen? Ich weiß nicht, ob das Internet überhaupt jemanden gehört. Es wird jedenfalls nicht an der Börse gehandelt.
Welche staatlichen Stellen kamen eigentlich auf die Idee mit Suchmaschinen? Und mit Messengerdiensten? Und mit Social Media? Erfindungen werden überall gemacht, der Geist ist nicht an einen Ort gefesselt. Der Punkt bei Erfindungen ist auch nicht, sie zu machen, sondern sie den Menschen nutzbar zu machen. Es ist ja auch viel Unsinn erfunden worden, wer kann trennen zwischen nützlich und unnütz? Genau das machen Unternehmer und sie setzen ihre Jetons. Nur meist verlieren sie und wenn sie gewinnen, heißt es: aber eigentlich kam die Idee von staatlichen Stellen. Du siehst immer nur den Erfolg, Du siehst nicht das viel öftere Scheitern.
du kannst strategisch entscheidende Infrastruktur nicht in den Händen von Individuen lassen.
Wir haben Schnittmengen. Das ist aber schon alles. Der Staat kann Straßen und Schienen bauen. Suchmaschinen erfinden und aufbauen kann er nicht. Das machen Unternehmer. Allerdings wollen die dann auch den Ertrag.
Gerade die Geschichte des Internets hat gezeigt: Was eine sinnvolle und notwendige Infrastruktur ist, weiß man erst wenn sie steht. Und das ist das Problem für Deine Vorstellung.
8) Teams wie der FC Bayern werden dafür gelobt, es nicht bei einem 3:0 bewenden zu lassen. Der Wesenszug ist Ehrgeiz, zu zeigen, dass man der Beste ist. Bezos hat im Rahmen seiner Scheidung die Hälfte seines Vermögens verloren. Seine Ex verschenkt einen wesentlichen Teil, Jeff dagegen wird weiter angetrieben. Für die Prosperität der Volkswirtschaft ist Jeff „wertvoller“. Ansonsten kann ich über die Antriebe von Milliardären wenig sagen, ich kenne keinen einzigen persönlich.
zu 5) For the record: Wir haben bei sowas wie „dem Internet“ ein System von Spezifikationen für technische Lösungen auf unterschiedlichen Ebenen. Die darauf basierenden technischen Lösungen interagieren miteinander. Der klassische Referenzrahmen für Netzwerke bildet das OSI-Schichtenmodell. https://de.wikipedia.org/wiki/OSI-Modell#Die_sieben_Schichten
Auf der technischen Seite stehst Du in der Regel vor einem Stapel an Spezifikationen.
Sobald es wirklich infrastrukturelle Neuerungen gibt, sind die Unternehmen in der Regel bestrebt dafür Standard-Komitees ins Leben zu rufen, an denen dann verschiedene Unternehmen und sonstige Interessierte Leute reinschicken. Damit wird dann die Abhängigkeit von Nutzern von einem Anbieter gemindert. Es soll ja kompetitive Lösungen geben, zwischen denen die Nutzer wechseln können.
10) Es ist komplizierter: Die Stichwahl Truss-Sunak fand als Urwahl unter allen Parteimitgliedern statt, aber davor fand die Auswahl der Stichwahlkandidaten unter den Abgeordneten statt (im mehrstufigen ruoff-Verfahren)
https://www.theguardian.com/politics/ng-interactive/2022/sep/05/tory-leadership-election-full-results-liz-truss-rishi-sunak
Ich weiß. Und danach hatten die Parteimitglieder die Wahl zwischen einem kompetenten und einem nicht kompetenten Bewerber.
1) Darf ich dir folgendes Brett/Kartenspiel zum Thema empfehlen, damit du weißt, warum ich denjenigen tief misstrauen, die mit dem Instrumentarium eines Spiels an Konflikte herangehen:
https://boardgamegeek.com/boardgame/713/nuclear-war
2) Von den konkreten Ideen abgesehen, ist das ein verheerend illiberales Menschenbild. Ein ‚liberaler‘ Bürger hält sich an die Gesetze und handelt vernünftig, weil es vernünftig ist. Aber aus zuvorkommenden Gehorsam heraus einem vagen Regierungswunsch nachzukommen, damit diese nicht autoritär agiert ist mal so richtig untertanenmäßig.
4) So sehr ich grundsätzlich jedes kritische Sich-Befassen mit dem Imperialismus begrüße, so klar ist es, dass hier die Geschichte instrumentalisiert werden soll. Fücks redet ja sonst gerne dem gegenwärtigen Imperialismus das Wort, wenn er von westlicher Staaten ausgeht (den es gibt, siehe die jüngsten Auslassungen von Borrell). Btw: Welches Ministerium hat wohl diesen Artikel bezahlt?
5) Mal von dem Kindergarten Musk/Melnyk (dessen Pöbeleien wahrhaftig ‚wenig hilfreich‘ sind und keinerlei Beachtung verdienen sollten) abgesehen, lässt sich der Widerspruch in deinem Link durch die Infos aus diesem Artikel klären:
https://www.heise.de/news/Starlink-fuer-die-Ukraine-EU-prueft-Uebernahme-der-laufenden-Kosten-7311340.html
Zum Thema „Wer bezahlt den Krieg ?“ und lend-and-lease hier noch ein Artikel:
https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/ukraine-braucht-dringend-geld-li.271538
7) Das Problem ist doch nicht gesellschaftliches Unrechtsbewusstsein, davon gibt es beim Thema Sex mit Minderjährigen genug, das Problem ist das individuelle Unrechtsbewusstsein. Zum konkreten Beispiel: Wie du am Beispiel ‚Faust‘ dargestellt hast, findet sich gerade bei erfolgreichen Schriftstellern gar nicht so selten eine gewisse Neigung zur Hebephilie [hier ist die begriffliche Abgrenzung sinnvoll], die in ihren Augen(!!) einvernehmlich geschieht. Das liegt in meinen Augen auch darin, dass diese vor lauter Narzissmus nicht verstehen wollen, dass Minderjährige zu leicht beeinflussbar sind, um ‚informed consent‘ zu geben.
9) Fukuyama berücksichtigt vielleicht Menschen, die emigrieren können, aber nicht Rohstoffe. Um letzteren die dringend benötigte Freiheit zu verschaffen, bieten sich analog zu (F4) zwei alternative Gesellschaftsmodelle an:
i) Die prowestliche Autokratie, die Militärbasen und internationale Firmen zulässt
ii) Der anarchische ‚failed state‘, der die Rohstoffbefreiung nicht verhindern kann:
https://www.t-online.de/finanzen/boerse/ticker/us-truppen-kontrollieren-oelfelder-in-syrien-und-rauben-energieressourcen/0DA99E00D54EF047/
10) „ Aber wenn die Partei darin versagt, die Attraktivität für die breite Bevölkerung im Auge zu behalten, dann kommt so etwas dabei heraus.“ Was ist denn ‚so etwas‘ ? Die conservatives stellen immer noch die Regierung und haben gute Chancen weiterhin gewählt zu werden, egal wen die Partei aufstellt.
o) Es ist bemerkenswert, wie sich die Kernthese eines Buchs durch die Reaktion auf selbiges bestätigen lässt. Vielleicht ist doch was dran…
r) Ich wohne in direkter Nähe zu einer Kirche und nenne deren Glocke schon seit Jahren mehr oder weniger liebevoll den ‚Bronze-Muezzin‘
1) Warum sehe ich das damit? ^^
2) Das sehe ich auch nicht so. Es ginge ja nicht um einen arbiträren Regierungswunsch. Einfach nur „nein“ zu sagen, weil etwas von der Regierung kommt, ist infantil. Ich kann ja durchaus mündig entscheiden, dass ein Aufruf Sinn macht und ihm folgen.
4) Keines. Fücks hat einen Thinktank.
7) Sehr guter Punkt mit Faust, Und danke für den Fachbegriff. Das mit Faust betone ich im Deutschunterricht immer. 🙂
9) Häh?
10) Eine Ablehnungsquote von 78%.
r) 😀 😀 😀
2) Das ist es aber nich, was Ulrich sagt, er sagt: „Macht es freiwillig, sonst wird es euch befohlen. Und das ist vorauseilender Gehorsam.“
4) … der von diversen Ministerien finanziert wird, um die ‚richtige‘ Position zu expertisen:
https://www.youtube.com/watch?v=iZ-iEEfBGt0
9) Das übliche: Es geht nicht um Ideologie, da sind wir flexibel, es geht um geostrategische und wirtschaftliche Interessen, für die Länder auf die eine oder andere Art kaputt gemacht werden.
10) Trotz derer die Konservativen bei der nächsten Wahl wieder ihre sicheren Wahlkreise einfahren werden. Mehrheitswahl…
10) Einfach ein blödes Wahlsystem, ja.
… warum ich denjenigen tief misstrauen, die mit dem Instrumentarium eines Spiels an Konflikte herangehen …
Tun Sie das. Sie sollten nur wissen, dass Sie damit auf der Stufe von Leuten gelandet sind, die Ingenieuren misstrauen, weil sie mit in Mathematik übersetzter Physik/Chemie an statische Probleme herangehen. War-Gaming ist ein seit vielen Jahren militärisch bewährtes Instrument, um die geplante eigene Vorgehensweise zu checken, bevor sie auf dem Schlachtfeld tödlich wird.
Kleines historisches Schmankerl – vor der Seeschlacht bei Midway (das pazifische Gegenstück zu Stalingrad) hat die japanische Flottenführung die Seeschlacht durchgespielt. Das Ergebnis war eine Niederlage mit dem Verlust von 2 Flottenträgern, also wurde das Ergebnis dieses Kriegsspiels beiseitegewischt. Real wurden es dann sogar 4 Flottenträger …
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich meine, die Japaner schätzten ihre Chancen mit best-case-Szenario für Pearl Harbor auf 1:2. Die hatten eine…etwas ausgeprägtere Risikobereitschaft.
Mir geht es nicht darum, dass es funktioniert. Weiter unten hat Stefan ja wieder mal einen Link zur Theorie der (mathematischen) Matrixspiele geschrieben. MIr geht es darum, dass diese Spiele zu einer berechnenden Denkweise verführen: Der Feind hat 10 Figuren verloren, ich nur 9, also habe ich gewonnen – obwohl die 9 Figuren 9.000 Menschenleben bedeuten.
Mir geht es nicht darum, dass es funktioniert.
…
obwohl die 9 Figuren 9.000 Menschenleben bedeuten.
Ehrenwert aber praktisch völlig irrelevant. Krieg ist blutig, solche Kriegs“spiele“ sollen nur sicherstellen, dass mehr davon auf der anderen als auf der eigenen Seite vergossen wird.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich denke das ist ein Missverständnis dessen, was a) Spieltheorie ist und b) Wargames leisten.
Nein, beides sind Abstraktionen.
Beide haben vordefinierte Siegbedingungen.
In der ersten Phase war auch die Spieltheorie auf die berechenbaren von-Neumann-Gleichgewichte des Nullsummenspiels beschränkt. (Übrigens ist das eine Verbindung zu Thorsten Haupts Beispiel Midway: Das war von Neumanns Entree bei der Army, dass er aufgrund einer eingeschätzten Strategiematrix die Route der japanischen Flotte vorausgesagt hatte)
@ cimo 7)
Nur nebenbei: Nach deutscher Rechtslage besteht „Einwilligungsfähigkeit“, also anders ausgedrückt „Geschäftsfähigkeit“ sexuelle Angelegenheiten betreffend, ab Lebensalter 14. Zwar gibt es diverse Einschränkungen rund um das Thema „Abhängigkeit“ (Schule, Beruf und so), wenn Letzteres nicht angenommen werden kann, spricht insoweit nichts gegen Hebephilie mit beliebigem Alter der/des Alten, oder sagen wir mal Älteren. 14 mit 13 ist allerdings grundsätzlich verboten, egal wie gering die Differenz ist. Die Einwilligung (ab 14) als unmöglich zu betrachten, ist moralisch möglich, wenngleich etwas schräg, aber widerspricht jedenfalls der Rechtslage.
Zitat:
„Das Problem ist doch nicht gesellschaftliches Unrechtsbewusstsein, davon gibt es beim Thema Sex mit Minderjährigen genug“
Gesundes Volksempfinden könnte man auch sagen. Ich empfehle zwischen Recht (zwingend gültig) und Moral (beliebig) zu unterscheiden.
Und lediglich „Philia“ ist eigentlich immer erlaubt^, also so ne Art Tod-in-Venedig-Sache, zum Beispiel, ob mit oder ohne Tod. Wie gut, dass das Büchelchen schon über 100 Jahre alt ist; hat damals kein sonderliches Aufsehen erregt. Heute wäre ein größeres Affentheater von Sittenwächter:innen garantiert.
‚Rechtslage‘: korrekt, es gibt noch mit 16 ein drittes Schutzalter, wo ‚Ausnutzung der Unerfahrenheit‘ strafbar sein kann. Nich sehr relevant, weil schwammig.
‚Volksempfinden‘ sehr unterschiedlich. Ich persönlich habe schon bei Paaren, wo ein* 20 ist, und d* ander* 20 Jahre älter, ein komisches Gefühl, aber das ist eher der Frage nach dem Bestand der Beziehung geschuldet.
‚Moral‘ Trenne als drittes noch Ethik (hoffentlich vorhanden). Und da ist imho die Idee ‚informed consent‘ hilfreich. Alle machen freiwillig mit und sind sich im klaren darüber, worauf sie sich einlassen.
‚Philia‘ von ‚Eros‘ und ‚Agape‘ zu trennen ist etwas für Gräzisten. Mit der Aussage „Lehrer sollten von Paedo-Philia motiviert sein.“ hast du beim o.g. Volksempfinden ganz schlechte Karten.
Tod in Venedig: Kenne ich nur den Film (schöne Bilder aber sehr langatmig). Thomas Mann ist gar nicht das meine.
zu 4) Imperialismus ist leider ein emotional sehr aufgehitztes Thema voll von schrillen Diskursen. Fücks ist da vergleichsweise extrem sachlich.
Hab gestern auf dem spanischen anti-imperialen youtube Kanal von Pablo Iglesias gelernt, dass das Regime Ayatollah Khomenis von den USA, Frankreich und Deutschland installiert wurde. So wie das dort dargestellt wurde, ist das einfach nur lächerlich.
Borrells Garten/Urwald Vergleich halte ich für ein wenig zuspitzend. Grundsätzlich ablehnen kann ich das nicht. In der Kritik bestimmter Zustände benutzen nicht wenige linksliberale Analysten Chiles recht häufig den Begriff „países serios“ (ernstzunehmenden Länder). Beispiel für Kontext:
„In ernsthaften Ländern wäre die Boric-Regierung angesichts der Machtverhältnisse im Parlament nach dem grandios verlorenen Verfassungsreferendum zurückgetreten.“
Konkret argumentierte der polemische, aber allgemein geschätzte Mirko Macari sinngemäss gestern so auf twitter. Ich hab eine Theorie, dass es uns in den Meeren des Südens nicht beliebter macht, wenn wir da des öfteren als Leuchtfeuer der Vernunft in die Debatte eingebracht werden. In bestimmten Kontexten find ich es aber auch nicht abwegig.
Gut…diese Verschwörungstheoriker*innen hast du ja immer. Aber für den breiten Diskurs wie auch den akademischen sind die ja nicht repräsentativ.
Pablo Iglesias kommt aus Academia. https://de.wikipedia.org/wiki/Pablo_Iglesias_Turri%C3%B3n#Akademische_Laufbahn
Der aus meiner Sicht manchmal noch schlimmere Juan Carlos Monedero ist Professor an der Complutense in Madrid.
Spontan fallen mir noch diese 2 Spezis ein:
https://en.wikipedia.org/wiki/George_Ciccariello-Maher -> der hats dann wohl irgendwann wirklich zu weit getrieben.
Und aus Deutschland: https://www.azzellini.net/biographie/biographie
Ich weiß schon, ich sag nur, für den Diskurs insgesamt sind sie nicht repräsentativ. Wir haben ja auch einen Stefan Homburg, der steht ja nicht für die ganze WiWi.
„países serios“: Das haben wir umgekehrt auch, wenn Deutschland andere Länder (hier hatten wir vor kurzem Italien) nicht ernstnimmt. Oder dass – wenn es opportun erscheint- gefordert wird, die viel ‚bessere‘ (lies mir besser passende) Politik anderer Länder (Schweden/Österreich/Israel) direkt zu übernehmen, ohne an strukturelle Unterschiede zu denken.
Zumindest klingt die Aussage „In einem ernstzunehmenden Land wäre ein Bundeskanzler, der bis zu den Ohren in einem Steuerbetrugs-Skandal steckt, nicht zu halten“ plausibler als „Der Präsident soll wegen dem Scheitern eines komplett ausgeuferten Projekts, das er von seinem Vorgänger geerbt hat, zurücktreten.“
2)
Die FDP muss erkennen: Wer weniger Staat will, muss weniger Auto fahren
Ach so ein Quatsch. Ich bin ja eh schon keine Freundin der Degrowth-Politik, aber für die FDP macht das noch weniger Sinn. Und so sehr ich auch oft über die Glorifizierung des Autos in Deutschland lache oder mich ärgere: aber in jedem Problem das Tempolimit als die Lösung aller Probleme zu sehen, scheint mir ähnlich irrational.
Das löst die Energiekrise nun mal genausowenig wie das AKW Emsland.
7) Uff
Würde hier auch Cimo widersprechen und eher Stefan zuneigen, das Problem ist nicht das „individuelle (fehlende) Unrechtsbewusstsein“, sondern die Gesellschaft drumrum. Die Leute wissen, dass sie damit durchkommen. Wenn man sich die Fälle näher ansieht, landet man immer bei „alle wussten, dass da was nicht in Ordnung ist“.
Obwohl ich nicht glaube, dass es was mit „Regellosigkeit als Tugend“ wie in der Odenwaldschule bzw dem alternativen Milieu zusammenhängt, wir haben das Phänomen auch bei Kirchen oder Sportvereinen, die sehr weit von Anarchie entfernt sind.
Zitat von Cimo:
Das liegt in meinen Augen auch darin, dass diese vor lauter Narzissmus nicht verstehen wollen, dass Minderjährige zu leicht beeinflussbar sind, um ‚informed consent‘ zu geben.
Wenn wir das Problem nur bei lupenreinen Narzissten hätten, wäre es nicht so groß. Und es liegt nicht nur an der leichten Beeinflussbarkeit von Minderjährigen. Wird ja auch im Artikel deutlich, dass die Betroffenen selbst gar nicht genau merken, was und warum schief läuft. Das hat auch viel mit Grenzen wahrnehmen, setzen und einhalten zu tun. Das ist zum Einen eine Erziehungsfrage, zum Anderen eine gesellschaftliche.
3) Exakt.
7) Ja genau!
7) Das ist genau die Gefahr, dass du in der Kategorie ‚die Leute‘ denkst. Es ist typisch, dass Anne Rabe auf Singoras Bericht über eine langjährige Beziehung mit ihren ‚Ferienlagererlebnissen‘ (soll nicht herabwertend gemeint sein) eingeht. Da ist zwar eine wichtige Gemeinsamkeit darin zu sehen, dass den Betroffenen erst langsam aufging, dass sie benutzt wurden. Aber es gibt in meinen Augen Unterschiede.
Darum habe ich die Motivation des Älteren erwähnt, die in meinen Augen unterschiedlich gelagert ist: In deinem Schule/Kirche/Verein Beispiel und Rabes ‚Ferienlager‘ ist es wohl vor allem „Wir begehren das, was wir täglich sehen“ (Hannibal Lecter, Moralphilosoph) , aber bei dem Schriftsteller spielt es – denke ich – eine Rolle, daß er sich in seiner Eitelkeit (der Begriff ist besser als das Krankheitsbild Narzissmus, da hast du recht) durch die Bewunderung eines jungen Mädchens bestätigt sieht.
Und was die Akzeptanz in der Gesellschaft angeht, da frag dich am besten selbst (Die Gesellschaft, das sind wir): Wie würdest du reagieren, wenn ein guter Bekannter, Mann mittleren Alters, mit einer 15-jährigen Partnerin ankommt?
Ich jedenfalls hätte einen Bekannten weniger.
4)
Zitat:
„Was die Möglichkeit eines Regimewechsels angeht: ich denke Fücks hat vor allem Recht damit, dass dieser sich im Zweifel plötzlich vollzieht – und vermutlich für alle Beteiligten überraschend.“
Wie kann das Überraschende überraschend sein, wenn man die Überraschung erwartet ?
Wie dem auch sei, Politische Vorstellungen à la Fücks (ausgeprägter mäßig-grüner Linksliberalismus) sind nicht mehrheitsfähig, in Deutschland ja auch nicht^. Man mag das bedauern, nutzt aber nix. Für seine frühere politische Heimat beim KBW gilt das ja übrigens auch.
9)
Zitat:
„die liberale Demokratie ist und bleibt das bestmögliche System, es gibt keine Alternative.“
Alles Ansichtssache. Und Alternativen gibt es immer. „Es gibt keine Alternativen“ (O-Ton Merkel^^) heißt aus der Politsprech übersetzt: Es gibt sie, aber mir gefallen die nicht.
Ganz schlechte Nachricht für die liberale Demokratie: Funzt nur, wenn eine deutliche Mehrheit vollgefressen ist, sich vor größeren Risiken die sozio-ökonomische Lage betreffend geschützt wähnt und einigermaßen zuversichtlich in die Zukunft guckt. Das war weiland die „Wirtschaftswunder“ – Situation. Es handelte sich NICHT darum, dass das Volk das Grundgesetz und die dahinter stehenden Ideen sorgfältig studiert und abgenickt hätte^. Für die Politik gibt es die politische Klasse. Massenpartizipation von Hinz und Kunz in politics ist eine absurde Idee. Gab es noch nie, es sei denn, erzwungen.
Zitat:
„Der Faschismus ist seit 1945 diskreditiert“
Ähm…..ob sich das wohl überall rumgesprochen hat? Ferner gibt’s auch noch andere häßliche Sachen, jenseits von Faschismus und Kommunismus. Diktaturen aller Art gab es schon immer und dass Diktaturen bzw. Diktatoren draußen im Lande unbeliebt sein müssen, ist offensichtlich falsch.
Putins Reich z.B. funzt so, das Privatismus einschl. private Bereicherung „unten“ erlaubt und erwünscht ist, insofern die Leute sich nicht unerwünschterweise für Politik interessieren. Anders als bei den Faschisten oder Kommunisten müssen die Leut nicht permanent beim Staat antreten und Hurra schreien. Maul halten genügt. Es gibt keine Massenorganisationen mit Zwangscharakter, im Gegenteil. Das ist der deutliche Unterschied zu Fasch. und Kom. Diese altmodischen Sachen sind also gar nicht notwendig für eine moderne Diktatur. Mit der jüngsten Kriegs-Mobilisierung hat Putin sein System allerdings durchbrochen. Die Wehrpflicht (auf dem Papier) gab’s bisher nur für Dumme oder für tatsächlich Interessierte. Ferner könnte der relative Wohlstand wieder auf Jelzin-Niveau abrutschen; Da gibt’s also Risiken.
10)
Tja, Urwahlen durch das Parteivolk führen häufig zu komischen Ergebnissen. Deswegen hat die SPD das bei der Kanzlerkandidatur Scholzens ja auch vermieden^, obwohl die „Basis“ offiziell permanent abgefeiert wird.
Die Linkspartei wiederum sollte eigentlich schleunigst Wagenknecht prominent anbieten um draußen wieder auf die Erfolgsschiene zu kommen. Ist innerparteilich aber anscheinend „umstritten“ ^.
x)
Eigentlich doch ne gute Nachricht. So soll’s ja sein.
y)
Tja, Volkspartei war gestern. Gegen die Ost-CDU müssen mittlerweile ja schon Grünens die Adenauersche Westpolitik verteidigen^. Es kommt halt alles ins Rutschen heutzutage.
4) Mehrheitsfähig im Sinne von 51%+ sicher nicht, aber das ist in Deutschland gar nichts. Innerhalb von Koalitionen ist das völlig problemlos mehrheitsfähig.
9) Aktuell gibt es keine. Und Alternative ist hier gemeint als: attraktives Angebot. Dass es genug illiberale Staaten gibt ist klar, aber die posen trotzdem als Demokratien – eben weil es keine Alternative gibt.
10) Wagenknecht kandidiert glaube ich bald für die AfD.
„Wagenknecht kandidiert glaube ich bald für die AfD.“
Die BILD (und wahrscheinlich auch die Popcorn-Industrie) fiebert schon der Gründung der Wagenknecht-Partei entgegen:
https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/wagenknecht-experte-sagt-voraus-wagenknecht-partei-wuerde-afd-halbieren-81656850.bild.html
Noch besser. Drei Protestparteien mit 4,8% sind die besten Protestparteien.
4) Es ist sowieso bizarr, wie viele der Militär-positiven grünen Ultrarealos aus der KBW-Schule kommen (Bütikofer, Sager, Kretschmann). Meine irrste Verschwörungstheorie hierzu: Es handelt sich dabei um posadistische Schläfer, die auf diesem Weg eine durch dem Atomkrieg hervorgerufene Weltrevolution erzielen wollen.
Militär-positiven grünen Ultrarealos
Die existieren nicht. Da existieren nur einige niemals ernsthafte Bequemlichkeitspazifisten, die sich rhetorische „Armchair“general-Attitüden jetzt leisten können, weil es für sie selbst und nach Abschaffung der Wehrpflicht auch für ihre Kinder und Enkel bedeutungslos ist.
Hauptsache auf die Grünen eingedroschen, nicht? ^^
Äh…genau.
5)
Ich werde dieses mal nicht Milliardärinnen googeln und hier auflisten wen man da so findet und was denen bereits jetzt an wichtigen Dingen gehört. Das könntest Du sicherlich selbst tun; wenn Du wolltest.
Zweifelsohne sind sie in der Minderheit (so ungefähr 10% aller Milliardäre sind glaube ich Frauen), aber seit wann ist das ein Grund nicht zu gendern?
War unklar formuliert: mir ging es nicht Milliardär*innen allgemein (die gendere ich ja), sondern um diese Digitale-Infrastruktur-Crowd. Also Bezos, Gates, Musk und Konsorten. Da gibt es IMHO keine Frauen bislang.
Du schriebst allerdings nicht von digitaler Infrastruktur sondern lebenswichtiger Infrastruktur.
Im Bereich Medien, Medizin oder Bergbau (alles durchaus wichtige Bereiche) gibt es m.W. z.B. Milliardärinnen.
Und mit Sandberg und MacKenzie Scott fallen mir auch immerhin zwei ein, die aus der digitalen Sparte kommen.
Ok, point taken. Ich hatte diese narzistischen Weltänderer vor Augen.
Es gibt diese Formulierungen bei denen man nahezu sicher sein kann, dass die Behauptung nicht haltbar sein wird. Typisch deutsch, alte weiße Männer, usw. Bewusst nicht gegendert gehört da auch zu 🙂
Ich sag’s dir mal wieder im umgekehrten Fall, aber ja, da hast du Recht. Es ist aber natürlich auch weitgehend sinnlos, an rhetorische Stilmittel 100% Faktentreue als Maßstab anzulegen.
Ich las das nicht als Stilmittel sondern als tatsächliche Aussage.
Mea culpa.
zu p) mal die Sicht der Autorin https://www.rnd.de/familie/30-jahre-conni-autorin-liane-schneider-im-interview-zum-kinderbuch-klassiker-42DYHN3PBRD7VBCBKOGPRCXGLI.html
Ich finde ihre entspannte Sichtweise deutlich angenehmer.
Zu 5) … dystopische Vollkatastrophe, dass lebenswichtige Infrastruktur in den Händen von Milliardären sein könnte …
??? Diese Infrastruktur ist nur in diesem Krieg und nur für die Ukraine lebenswichtig und ohne einen bestimmten Milliardär würde sie überhaupt nicht existieren!
Zu 7)
Ich erinnere nicht ohne Schadenfreude daran, was sich die damals in Deutschland gegen Kindesmissbrauch aufstehenden Leute (diesmal überwiegend aus den Reihen der Schwarzen) aus „liberalen“ Kreisen öffentlich anhören durften – verklemmt und spiessig waren noch die höflichsten Vorwürfe derjenigen, die fanden, dass Jungsärsche und Mädchenöffnungen von Kindern „fair game“ für alternde Perverse sein sollten und das gesetzlich verankern wollten. Ein breites Komplettversagen der kompletten linken und linksliberalen Szene, das – natürlich – niemals „aufgearbeitet“ wurde. War halt der Zeitgeist …
Zu 8)
Danke für den Artikel. Er bestätigt mich erneut darin, Linksradikalen ebenso zu misstrauen, wie Rechtsradikalen – die autoritären Grundtendenzen sind auf beiden Seiten völlig unübersehbar.
Zu 10)
Johnson wäre ohne Corbyn nie Premier geworden und hätte niemals die Wahlen gewonnen. Mit anderen Worten – das Urteil der Labour-Partei zu dieser Zeit war noch schlechter, als dass der Tories. Shit happens und Schwarmintelligenz ist eine urban legend.
Zu e)
Bullshit. Für das eine Fahrzeug existiert eine unabweisbare gesellschaftliche Notwendigkeit, das andere ist ein reiner Freizeitspass.
Zu h)
Schön. Nur müssen die Anlagen erst einmal geplant & gebaut werden und zweitens muss das inzwischen ernsthaft netzbedrohende Problem der Schwankungen und der Grundlast gelöst werden (reden´s halt mal mit Netzbetreibern) – für beides existiert derzeit nicht eine einzige praktizierte/praktikable Lösung. Weltweit.
Zu j)
Wenn jemand mal wieder verzweifelt einen Grund für die nächste „unerklärliche“ Wahlniederlage der Demokraten sucht, sollte er sich das hier merken:In the past five years, white liberals have moved so far to the left on questions of race and racism that they are now, on these issues, to the left of even the typical black voter.
Zu v)
Autoritäre Zuckungen? Crypto-Mining verbraucht Energie und zahlt dafür Marktpreise, womit das Problem ziemlich eindeutig eben nicht „Crypto“ ist. Und ganz nebenbei beunruhigt mich die schleichende Abschaffung von Bargeld in allen westlichen Staaten um eine Zehnerpotenz mehr – in Zukunft wird bei einem schnellen Umschlagen eines Rechts- in einen Unrechtsstaat nicht einmal mehr eine schnelle Flucht mit dem eigenen Barvermögen möglich sein. Und das trifft ausschliesslich Otto Normalverbraucher, weder Multimillionäre noch das organisierte Verbrechen werden davon wirklich beeinträchtigt.
Zu x)
Yup, die Quittung für das Totalversagen der Landesregierung in der Flutkatastrophe. Dafür sind die Umfragen sogar noch gut …
Gruss,
Thorsten Haupts
7) Es wurde eben aufgearbeitet. In den letzten Jahren. Du schießt dir mit dem Beispiel selbst in den Fuß. Nach deiner bisherigen Meinung hätten sie es nicht aufarbeiten dürfen.
j) Ich muss dafür überhaupt nicht auf esoterischen Feldern rumgraben. Die Inflation und schlechte Wirtschaftseinschätzung reichen völlig. It’s the economy, stupid.
v) Selbstverständluch ist das ein Problem von Crypto. Nur dass da Marktprozesse wirken veredelt es ja nicht. Das ist ja genau der Punkt: diese Prozesse produzieren massiv schlechte outcomes.
x) Jupp.
@ Thorsten Haupts 19. Oktober 2022, 14:56
weitgehende Zustimmung zu den wie immer knapp und erfrischend formulierten Inhalten.
es grüßt
E.G.
Zu 7) Es wurde eben aufgearbeitet.
Ah. Dann bin ich überall für Aufarbeitung, wenn drei Nebensätze zum Thema „Ach, das war damals normal und ist einfach scheisse gelaufen“ als Aufarbeitung durchgehen. Sorry für das Missverständnis, das müsse schon a weng mehr beinhalten.
Jetzt plötzlich doch? Gerade gab es noch a) keinerlei Veranlassung und es war b) total kontraproduktiv. Also was denn nun?
Schrieb ich doch? Aber ich wiederhol´s gerne noch mal: Dann bin ich überall für Aufarbeitung, wenn drei Nebensätze zum Thema „Ach, das war damals normal und ist einfach scheisse gelaufen“ als Aufarbeitung durchgehen. Was daran hast Du nicht verstanden?
Es waren doch mehr als drei Sätze: https://de.wikipedia.org/wiki/P%C3%A4dophilie-Debatte_(B%C3%BCndnis_90/Die_Gr%C3%BCnen)
7)
Nutz ja nichts. Es gibt halt Leute, bei denen Sinneswandel generell nicht anzuerkennen ist. Linke sind da immer verdächtig und kommen aus keinem Verdacht jemals raus^. Bei den zahlreichen alten Nazis in CDU und FDP (einer von dieser Sorte wurde immerhin Bundeskanzler) war das weiland was anderes. Die hatten sich angeblich von ihren Irrtümern gelöst. Das ist selbstverständlich anzuerkennen. Beliebt war die These: Man habe die Lieder nur mitgesungen ohne wirklich dran geglaubt zu haben und war heimlich in Opposition. Damit waren die alten Nazis bei CDU und FDP ausreichend gewaschen. So was giltet natürlich nicht im Hinblick auf irgendwas mit (mindestens früher) links. Da giltet was anderes.
Das gibt’s in zahlreichen Varianten. Die DDR-Blockparteien beispielsweise und deren Funktionäre waren für FDP/CDU akzeptabel, sozusagen aufarbeitungswürdig, die SED nicht, obwohl kein nennenswerter Unterschied bestand.
So geht’s halt immer mit der Aufarbeitung. Die ist dann und nur dann gelungen, wenn man aktuell bei der „richtigen“ Konfession ist – aus deren Sicht. Aus anderer Sicht bleibt man immer verdächtig.
Konklusio: Ich sehe die Aufarbeiterei eher kritisch. Am Ende des Tages ein Kampfbegriff.
Ich gehöre natürlich zu den aufgearbeiteten Guten. Eigentlich: Ein altes Möbelstück oder sonstiges altes Zeugs mit häßlichen Schadstellen so herrichten, dass es einigermaßen wie neu aussieht, obwohl nicht neu^. Mehr isses nicht.
Natürlich spielt die jeweilige Parteilichkeit eine Rolle. Aber ich sehe es nicht gar so zynisch. Die CDU und FDP haben ja mittlerweile all den NS-Kram aufgearbeitet; das Problem bestand ja eher, als die ganzen „Aktiven“ noch die Parteigeschicke bestimmten. Ich denke, den gleichen Mechanismus haben wir bei den Grünen gesehen: als die Täter von damals noch an der Macht waren, gab es auch keine Aufarbeitung. Die erfolgte erst mit einer neuen Generation. Oder schau dir mal die SPD jetzt mit Lars Kingbeil und den Russland-Irttümern an. Das wird vermutlich auch bei der DDR-Vergangenheit so sein. Da erwarte ich in diesem Jahrzehnt auch das Abräumen einiger alter Zöpfe, einfach, weil die Akteure weg sind.
Zu v)
Warum ist das ein Problem von Crypto? Energie wird zu Marktpreisen bereitgestellt, Cryptounternehmen kaufen diese Energie, fertig. Dir gefällt Crypto an sich nicht, nur ist das in einem Rechtsstaat völlig irrelevant. Die Lösung für dieses Problem ist einfach – Crypto verbieten und dieses Verbot gerichtsfest machen, schon erledigt. Wenn Crypto verboten werden sollte (möglich, aber unwahrscheinlich), dann übrigens nicht wegen dem Energieverbrauch der Erzeugung von Crypto“geld“.
Das Ding ist weitgehend dazu da, kriminelle Geschäfte zu finanzieren und destruktive Spekulation zu betreiben. Dazu der enorme Energieverbrauch.
Alles gut. Nur völlig irrelevant, solange die legal sind. Das sind sie zur Zeit, also ist auch ihr Energieverbrauch legal. Case closed.
Ich hab noch einen Truism für dich: was die machen ist legal, solange es legal ist. Mein Punkt ist ja gerade: macht es illegal.
… starke Sensibilität gegenüber Antisemitismus …
Ich poste (Vorsicht, lang) hier nochmal einen Beitrag den ich vor einem halben Jahr woanders schrieb:
„Weiss nicht mal, ob die Motivsuche was nützen würde. Antisemitismus ist tief in alle Schichten europäischer, mündlicher wie schriftlicher, Überlieferung eingebettet. Von dem gierigen jüdischen, krummnasigen Kaufmann in Karl Mays (de facto) Kinderbüchern über das Klischee des jüdischen, vaterlandslosen Gesellen (George Soros) bis hin zu dem Neidhass auf wegen Antisemitismus bekannte, erfolgreiche Bankbesitzerfamilien (Rothschild). In fast alle gängigen Weltverschwörungstheorien (Illuminaten et al) sind Juden in tragenden Rollen eingewebt, mal ablehnend, mals bewundernd, aber immer herausgehoben. Die Verbindung von Jude und Geld sitzt fest in den Hinterköpfen vieler Menschen.
Die Aufzählung ist notwendigerweise sehr unvollständig. Aber ich kam mit dem Zählen antisemitischer Klischees auch da, wo ich sie nicht vermutet hätte, in meinem Leben nicht mehr nach. Und auch ich hatte nicht immer den notwendigen Mut oder die notwendige Bereitschaft zum eventuellen Abbruch einer Verbindung, um immer entschieden hineinzugrätschen. Aber selbst wenn ich den gehabt hätte – es hätte nicht gereicht. Der Antisemistismus wird auch innerhalb Europas über so viele Kanäle und Kanälchen, über Bücher, Filme, Erzählungen, Mythen, Anekdoten, Kindergeschichten oder Propagandaschriften weitergetragen, dass ich mittlerweile glaube, dass an eine Ausrottung nicht zu denken ist.
„Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz“ war und bleibt eine eklige Lüge oder (schlimmer) frömmelnder Selbstbetrug. Sie ist durch Zuwanderung nur ein bisschen grösser geworden, mehr nicht. “
Gruss,
Thorsten Haupts