Bohrleute 31: Blick in die niedersächsische Glaskugel
byStefan Sasseon11. Oktober 2022
Niedersachsen hat gewählt, und das Resultat ist…grob, was alle erwartet haben. Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt reicht es für Rot-Grün, die AfD wurde stärker, die CDU verlor, die FDP flog aus dem Landtag. Die Hot Takes fliegen tief und eng beieinander. Im Effekt stellen alle fest, dass das Wahlergebnis belegt, was sie schon immer gewusst haben: Merz ist zu links, Merz ist zu rechts, die FDP zu links, die FDP zu neoliberal, die SPD zu langweilig, die SPD kompetent und staatsmännisch, und so weiter. Wir versuchen, durch die parteiischen Takes zu schneiden und möglichst unabhängig von unseren eigenen Präferenzen zu urteilen. Gelingt uns das? Lasst es uns wissen.
Auf Spoonie ist auch außerhalb von Reisen Verlass. Der hat gestern schon reingehört und hatte einige Korrekturen. Das mit dem Wendland ist etwas falsch, die Grünen haben das Direktmandat in der Stadt geholt. Das Umland ging an die CDU (wenn ich mich recht erinnere, gibts da auch sehr viele Rübenbauern^^)
Und der erste Tweet von dem Pioneer-Typ ist Quatsch. Das letzte Mal rot-grün war vor fünf Jahren Niedersachsen und da ist die Koalition dann wegen einer grünen Abgeordneten geplatzt, https://twitter.com/a_spoonman/status/1579600103236546560
Mahlzeit 🙂 Also die Formulierung in dem Tweet von Repinski ist schon richtig: Die rot-grüne Mehrheit kam 2013 zustande, 2017 war sie (kurz vor der Bundestagswahl) wegen der Überläuferin futsch. Die vorgezogene Neuwahl fand dann kurz NACH der Bundestagswahl statt.
Noch ein paar Gedanken von einem gebürtigen Niedersachsen, der seit langem in NRW lebt: Ich bin ausgerechnet zu der Zeit aufgewachsen, als Ernst Albrecht von der CDU (Ursula von der Leyens Vater*) in Niedersachsen der „ewige Ministerpräsident“ war, und mein Heimatlandkreis, der heute Heidekreis heißt, war damals rabenschwarz. Deshalb habe ich Niedersachsen in meiner Jugend auch als sehr konservativ wahrgenommen. Aber: Als Albrecht 1976 ins Amt kam, war er in Nds. der erste CDU-Ministerpräsident überhaupt. Ich hab das noch nicht bewusst mitbekommen, aber es muss ein echter Krimi gewesen sein: Der SPD-Amtsinhaber Kubel trat aus Altersgründen mitten in der Wahlperiode zurück, und Finanzminister Kasimier sollte ihn beerben. SPD/FDP hatten theoretisch eine Stimme Mehrheit, aber es gab mehrere Abweichler, also scheiterte Kasimier in den ersten beide Wahlgängen. Für den dritten Wahlgang schickte die SPD drei Wochen später Bundesbauminister Karl Ravens (aus Achim) ins Rennen. Er unterlag gegen Albrecht, der dann zuerst eine Minderheitsregierung und später eine Koalition mit der FDP bildete. Die Abweichler sollen laut Wikipedia Gegner der umfangreichen Kreisreform gewesen sein, die ja in den 70ern in vielen Bundesländern für Streit sorgte.
Diese Episode ist ein Beispiel dafür, dass es in Niedersachsen zwischen SPD und CDU oft sehr knapp zuging. Vor der Wahl 1986 schloss Newcomer Gerhard Schröder eine rot-grüne Koalition nicht aus, und fast hätte er Erfolg gehabt. CDU und FDP gewannen hauchdünn mit 78:77 Abgeordneten. Vier Jahre später war Schröder dann am Ziel, Rot-Grün regierte mit 79:76 Stimmen.
Die ländlichen Gebiete sind natürlich CDU-Hochburgen, vor allem in der Region zwischen Osnabrück und Oldenburg. Der katholisch geprägte Bundestagswahlkreis ist bekannt dafür, dass CDU-Kandidaten da jahrzehntelang Ergebnisse zwischen 60 und 70% geholt haben. Die Merz-Stellvertreterin Sylvia Breher brachte es letztes Jahr „nur“ noch auf 49%. Andererseits ist der dicht besiedelte Süden von Niedersachsen (Hannover – Hildesheim – Salzgitter – Braunschweig – Wolfsburg – Göttingen) immer eine Herzkammer der SPD gewesen. Das erkennt man ganz gut an den Wahlkreiskarten der Bundestagswahlen: 2013 und 2017 waren das Ruhrgebiet, Nordhessen und Südniedersachsen die einzigen größeren Gebiete mit SPD-Direktmandaten. Und in den letzten Jahrzehnten wird die SPD auch maßgeblich von Männern aus Niedersachsen geprägt: Schröder, Steinmeier, Gabriel, Struck, Oppermann, Heil und Klingbeil.
Nach dem Erdrutschsieg im Saarland hatten einige in der SPD wohl schon auf goldene Zeiten gehofft, aber mit dem Debakel in NRW und S-H ist diese Blase ganz schnell geplatzt. Dabei wären die Voraussetzungen in NRW eigentlich ideal gewesen, weil Laschet mit seinem Rücktritt als MP ewig gewartet hat und dann auch noch darauf bestanden hat, seinen Nachfolger selbst auszusuchen. Dadurch blieb Hendrik Wüst wenig Zeit, sich als Amtsinhaber zu profilieren. Die SPD hätte gut vorbereitet in den Wahlkampf gehen können, aber die Partei und Kutschaty haben es verbockt.
Wenn nun auch noch Niedersachsen den Bach runtergegangen wäre, dann wäre das Desaster perfekt gewesen. Insofern kann sich die SPD wirklich bei Stephan Weil bedanken, dass er wahltechnisch noch für einen versöhnlichen Jahresabschluss gesorgt hat. Wobei ich, aus der Ferne betrachtet, seine Beliebtheit nicht so richtig verstehe. Selbst für niedersächsische Verhältnisse wirkt er ja extrem spröde. Mal sehen, ob er frühzeitig Platz für einen Nachfolger macht. Weil ist Jahrgang ’58, am Ende der Wahlperiode ist er (fast) 69. Ich vermute mal, dass Olaf Lies dann noch mal Ansprüche anmelden wird, nachdem er 2013 in einer Mitgliederbefragung knapp gegen Weil unterlegen war.
Dass die SPD insgesamt mit sich zufrieden ist, sehe ich nicht so. Ich bin zwar nicht wirklich gut vernetzt, aber ich glaube, an der Basis gärt es trotz des Erfolgs bei der Bundestagswahl ordentlich, weil viele das Gefühl haben, von der FDP immer wieder vorgeführt zu werden. Man stellt zwar den Kanzler, aber der tut entweder nichts, oder er ist nicht in der Lage, das, was er tut, sinnvoll zu kommunizieren. Unterm Strich ist hat die Partei jetzt auch nicht mehr Handlungsspielraum als in der GroKo – was dann auch von den Umfragewerten widergespiegelt wird.
Übrigens: Stefans Abgesang auf Zweierkoalitionen im Podcast verstehe ich nicht so ganz – jedenfalls nicht, wenn es um die alten Bundesländer geht. In NRW und Niedersachsen gibt es jetzt komfortable Mehrheiten für Schwarz-Grün bzw. Rot-Grün, in S-H hat Schwarz-Grün sogar eine Zweidrittelmehrheit, und im Saarland regiert die SPD allein. Nur in zwei von zehn westdeutschen Bundesländern gibt es Dreier-Koalitionen: in Bremen und in Rheinland-Pfalz. Wobei in Bremen vielleicht nächstes Jahr wieder eine Zweierkoalition möglich wäre. Umgekehrt könnte in Hessen eine Dreier-Konstellation nötig werden. Und im Bund? Da gibt es in den allermeisten Umfragen eine Mehrheit für Schwarz-Grün.
Der katholisch geprägte Bundestagswahlkreis CLOPPENBURG-VECHTA ist bekannt dafür, dass CDU-Kandidaten da jahrzehntelang Ergebnisse zwischen 60 und 70% geholt haben.
Mein Abgesang bezog sich weitgehend auf den Bund. Da sehe ich das künftig nicht mehr. Ich hab das aber wesentlich zu umfassend formuliert.
Was die SPD angeht: die Basis der FDP hat exakt dasselbe Gefühl, aber in die gegenteilige Richtung. Eine meckernde Basis ist glaube ich völlig normal. Ich würde mir im Willy-Brandt-Haus Sorgen machen, wenn da Ruhe ist 😀
spoonman11. Oktober 2022, 16:59
Ja, dass es der FDP-Basis genauso geht, denke ich auch. Ich hab auch bis heute nicht verstanden, warum Lindner die FDP in diese Koalition geführt hat, ohne einen ernsthaften und öffentlich dokumentierten Versuch zu machen, die Grünen nach Jamaika zu locken. Nur weil Jamaika 2017 gescheitert war? Oder wegen Laschet? Der hatte ja frühzeitig gesagt, dass es an ihm nicht liegen soll. FDP und Grüne hätten also quasi die einmalige Chance gehabt, den CDU-Kanzler selbst zu küren. 🙂
Dass SPD und Grüne die Ampel wollten, ist ja nachvollziehbar. Aber für die Lindner-FDP ergab das eigentlich von vornherein wenig Sinn. Und auch weniger Sinn als Jamaika für die Grünen. Eigentlich war schon vor Putins Krieg klar, dass die „Fortschrittskoalition“ nur eine Worthülse ist, und dass man (aus SPD-Sicht) der FDP keinen Meter über den Weg trauen kann. Umgekehrt mag das genauso gelten. Insofern ist Lindners Bestandsaufnahme durchaus richtig: Die Gewinne der Grünen wiegen die Verluste von SPD und FDP nicht auf.
Ich hoffe, dass ich mich irre, aber ich befürchte, dass die Union gar nicht viel tun muss, um die nächste Wahl deutlich zu gewinnen (und dann mit den Grünen oder der SPD eine Mehrheit zu haben). Ein zweites Mal wird der Scholzomat mit seiner Nullkommunikation im Wahlkampf nicht durchkommen. Und Merz ist rhetorisch ein ganz anderes Kaliber als Laschet. Wenn man das weiterdenkt, hätte die SPD nur dann eine Siegchance, wenn sie den Kanzlerkandidaten auswechselt. Was aber auch wieder extrem riskant wäre. Für mich würde es dann logischerweise auf Klingbeil hinauslaufen. Allerdings bin ich da voreingenommen, weil der aus meinem Heimatkreis kommt. 🙂 Bei den Grünen fürchte ich, dass sich sowohl Habeck als auch Baerbock in ihren Ministerämtern so sehr verschleißen werden, dass sie für die Kanzlerkandidatur nicht mehr genug Strahlkraft haben. Und die FDP? Keine Ahnung. Wenn sie aus dem Bundestag fliegt, soll’s mir recht sein. Das erleichtert auch die Regierungsbildung. Ich denke aber, dass sie dann 4 Jahre später wieder da wäre – wie 2017. Viele Medien lieben die FDP so sehr, dass sie trotz APO-Status nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden würde.
Weil Laschet keine Option war. Die SPD hat die Wahl gewonnen. Die stärkste Partei stellt den Bundeskanzler beziehungsweise beginnt die Verhandlungen. Es wäre nicht vermittelbar gewesen, warum die Grünen auf Laschet setzen sollten. Ihre Präferenz für die Ampel war klar. Wäre die CDU ein Prozent stärker oder die SPD ein Prozent schwächer gewesen, Laschet wäre heute Kanzler der ersten Jamaika-Koalition. Aber es kam anders.
Ich halte das für keine Worthülse. Die jeweilige Basis ist ständig unzufrieden, aber die Ampel hat bereits viel geleistet. Ich finde, das ist hier eine völlig überzogene Kritik.
Ich halte Merz für völlig überschätzt. Und solange die Ampel als Ampel in den Wahlkampf geht, also die Koalition fortsetzt, solange sie weiter eine Mehrheit hat, wird die CDU auch bei 30% keinen Koalitionswechsel hinbekommen. NIEMALS wechselt die SPD ihren Kanzlerkandidaten. Das wäre politischer Selbstmord. Ich gehe davon aus, dass die Grünen entweder Habeck oder (wahrscheinlicher) Baerbock erneut aufstellen werden, für den unwahrscheinlichen Fall, stärker als die SPD zu werden. Aber das wäre ein interner Kanzlerwechsel, nie dagewesen in der bundesdeutschen Geschichte. Ich halte das für ein ziemliches Außenseiterszenario. Die FDP wird eher nicht aus dem Bundestag fliegen. Wie ich im Podcast sage: ich sehe die aktuellen Probleme als temporär.
spoonman12. Oktober 2022, 17:12
Hm. Außer der Erhöhung des Mindestlohns und eher mittelgutem Krisenmanagement fällt mir eigentlich nichts ein, was die Ampel schon geleistet hat. Und dass alle drei Parteien vor der nächsten Wahl erklären, die Koalition am liebsten fortsetzen zu wollen, halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich.
Und klar, Laschet war keine ernsthafte Option. Aber wie gesagt, er hatte sich ja nach der Niederlage schon sehr frühzeitig selbst aus dem Spiel genommen. Ich hatte damit gerechnet, dass Lindner erst mal nur zum Schein in Richtung Ampel verhandelt, um die Grünen dann doch noch irgendwie in Richtung Jamaika zu ködern – unter welchem Kanzler auch immer. Aber da hab ich Lindners Cleverness offenbar überschätzt. Oder die Grünen haben sich intern von vornherein auf die Ampel festgelegt.
CitizenK12. Oktober 2022, 19:55
Das BaföG-Reförmchen, immerhin. Und das „Bürgergeld“ ist immerhin ein bisschen besser als Hartz4.
Ne ganze Menge Kram den wir mit der CDU nicht hätten. Und ich sehe auch viele der Krisenentscheidungen als potenziell besser als die einer CDU-geführten Regierung, aber das können wir natürlich nicht sicher sagen.
SPD und Grüne werden zu fast 100% erklären, das fortsetzen zu wollen. Damit bleiben der FDP nur zwei Optionen: entweder dasselbe zu tun oder aber die Oppositionsrolle zu riskieren. Die können natürlich sagen – und das wäre auch die Wahrheit – dass sie Jamaika bevorzugen. Aber Jamaika wird nur eine Option sein, wenn die Ampel keine rechnerische Mehrheit hat. Behält sie die, wird dieselbe Dynamik wie 2021 gelten.
Laschet war eine sehr ernsthafte Option. Der war ein Prozent von der Kanzlerschaft entfernt. Das sollte man nicht aus der Retrospektive kleinreden.
spoonman13. Oktober 2022, 13:06
Was ich meine, ist Laschets Aussage in der bizarren Pressekonferenz vom 7.10.21, also nach den ersten Sondierungen, aber vor den Ampel-Koalitionsverhandlungen. Da hat er seinen Rücktritt vom Parteivorsitz angedeutet, aber nur so halb. Spannend fand ich damals diese Formulierung:
„Es geht nicht um die Person Armin Laschet. Es geht um das Projekt für das Land. Und deshalb: Wenn man zu anderen Lösungen kommen will, ist dies möglich. Das große Projekt Jamaika wird nicht am Personal scheitern. Wird nicht an einzelnen Personen scheitern.“
Das wirkte natürlich alles sehr verzweifelt, aber es war ein roter Teppich, der im Falle von geplatzten Ampel-Verhandlungen für FDP und Grüne eine komfortable Fallback-Option gewesen wäre.
Hm, ich verzweifle ja auch ein bisschen an der „Lahmarschigkeit“ der Ampel. Die Gasrechnungsbremse hätte viel früher kommen müssen und die Gasumlage war eine seltendämliche Aktion, genauso, dass man sich darum gestritten hat. Dann die Frage der Verlängerung der AKWs und allgemein die Kommunikation.
Aber andererseits hat man auch vieles richtig gemacht, zB die Erhöhung des Mindestlohns jetzt, kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Also ich würde den Kanzler da nicht unterschätzen, auch weil das Beispiel Habeck zeigt, wie schnell der Beliebtheitsstatus sinken kann.
Und was Merz angeht finde ich einen anderen Punkt viel interessanter: Trotz aller Kritik, trotz vergleichsweise schlechter Umfragewerte für die SPD kann die Union nicht wirklich punkten. Ich verstehe langsam, warum die CDU ihn so lange nicht an die Spitze gelassen hat. Er hat es weder geschafft, der Union einen neuen Anstrich zu geben und sei es auch nur für die Fassade. Was ist vom BPT der CDU geblieben, außer der Diskussion um die Frauenquote? Und dann hat er schon ein Talent dazu, sich selber ins Knie zu schießen. Die Aussage zu den Ukraine-Flüchtlingen und die anschließende Nicht-Entschuldigung bspw. hat doch vor allem seine Unterstützer bis hin zur BILD massiv verunsichert, ohne am rechten Rand was zu gewinnen.
Ich denke also nicht, dass der Sieg der Union beim nächsten Mal schon sicher ist, dazu ist die politische Lage viel zu volatil und es kann noch soviel passieren. Eher würde ich darauf wetten, dass Merz es verstolpert.
Erstmal danke an Spoonie für den ausführlichen Kontext! Auch wenn ich das Video nie wieder aus dem Kopf bekomme^^
Wobei ich, aus der Ferne betrachtet, seine Beliebtheit nicht so richtig verstehe. Selbst für niedersächsische Verhältnisse wirkt er ja extrem spröde.
Die Leute mögen halt Politiker wie Weil, bei denen man zwischendurch durchaus vergessen kann, dass es ihn überhaupt gibt. Nehme mich da gar nicht so aus, wenn ich mal was von ihm höre, klingt das alles gut und schön und hauptsächlich sehr egal. 🙂
Weiß auch nicht, wie repräsentativ ich bin, bin kein großer Föderalist und Landespolitik schon gar nicht, da finde ich Bund und Kreis sehr viel lebensnaher.
Das mit Dreier-Koalitionen gilt für mich auch mehr im Bund, da hat man ja auch mehr Parteien im Parlament, die kommen da nicht mehr an die Zahlen. In den Ländern mag das anders sein, weil die oft vernischen. Denkt nur mal an den Osten, das sind völlig andere Konstellationen als im Bund.
Den Ausblick auf die nächste Bundestagswahl finde ich schwierig, weil wir in drei Jahren sicherlich ganz andere Themen und Problematiken haben werden als heute. Merz sehe ich wie Stefan auch deutlich überschätzt und Hias hat ja auch recht. Er hat was von einer „loose cannon“ und so ein „Sozialtourismuskram“ in einem Bundestagswahlkampf fällt mehr ins Gewicht. Diese „ich finds geil, ein Arschloch zu sein“-Attitüte ist nicht zwingend gut für die Beliebtheitswerte.
spoonman12. Oktober 2022, 16:51
Ja, der Ausblick auf die nächste Bundestagswahl ist natürlich hochspekulativ, aber der Podcast hieß ja auch „Blick in die niedersächsische Glaskugel“. 😀 Und man kann nur hoffen, dass bis dahin nicht noch alle möglichen neuen Probleme dazukommen, denn die Energie- und Wirtschaftskrise fängt gerade erst an. Selbst wenn wir ohne Gasmangellage über den Winter kommen – im März werden die Speicher ziemlich leer sein, und diesmal müssen sie dann komplett ohne russisches Gas zu horrenden Preisen wieder aufgefüllt werden. Und die meisten Leute, die mit Gas heizen (insbesondere in Mietwohnungen) haben gar keine Chance, mal eben auf andere Energieträger umzustellen. Selbst wenn die Ampel sich immer weitgehend einig wäre und zeitnah die richtigen Schritte einleiten würde, kann ich mir im Moment nicht vorstellen, dass sie uns so gut durch die Krise bringt, dass im Herbst 2025 keine Wechselstimmung herrscht.
Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.
Hias12. Oktober 2022, 23:07
Hm, ja, nach diesem Winter wird es sehr interessant. Die Füllung der Gasspeicher für den Winter 2023/24 könnte problematisch werden. Wobei die Nachfrage nach Gas natürlich von vielen Faktoren abhängt, über die Industrie ja auch zB von der Wirtschaftslage, der Umrüstung von gs auf Öl bzw. erneuerbare Energien in den Werken, etc.
Mich irritiert hier aber immer noch die Lahmarschigkeit der Bundesländer, wo man mE immer noch zu langsam damit ist, die eigenen Gebäude energetisch zu sanieren, bzw. Alternativen zu fördern, wie Geothermie oder Biogas.
Ich wäre mit den Prognosen wirklich vorsichtig, weil das alles aktuell so wahnsinnig im Fluss ist.
Hias11. Oktober 2022, 22:39
Interessante Punkte, nur bei zwei muss ich definitiv widersprechen.
Erstens: die SPD ist nicht bei sich, die Selbstbeschäftigung findet mMn nur nicht mehr in den Medien statt, weil andere interessanter mit sich ringen. Die Partei ist meiner Wahrnehmung nach ziemlich gespalten, was den Kurs gegenüber Russland angeht, da es doch einige gibt, die da auf dem alten Ostpolitik-Kurs Brandts unterwegs sind, bzw. die aus einer pazifistischen Grundeinstellung heraus mit dem neuen Kurs mit sich kämpfen. Zu letzteren gehören zB mit Stegner und Mützenich durchaus auch Parteiprominenz. Allerdings, da habt ihr Recht, leiden die Genossen, ähnlich wie die grüne Basis da momentan vergleichsweise still. Ich würde es allerdings nicht ruhen in sich nennen, sondern eher ein bisschen resigniertes Einverständnis in die aktuelle Situation
Zweitens: auch für die FDP gäbe es DIE Chance zur Profilierung in dieser Krise und zwar zum Thema Entbürokratisierung und zwar konkret am Beispiel der LNG-Terminals, die ja (für deutsche Verhältnisse) mit einem Affenzahn in Norddeutschland entstehen. Dies als Beispiel nehmen und für Infrastrukturprojekte und Investitionen von Firmen fordern. Damit könnten sie an ihren Wahlkampf anknüpfen, es wäre ein zukunftsgewandtes Thema, sie könnten bei ihrer Klientel massiv punkten und allgemein auch bei der Bevölkerung. Hier verstehe ich nach wie vor nicht, warum sie diese Chance liegen lassen, genausowenig, wie ich verstehe, warum dieser Schwenk von zupackend/zukunftsorientiert hin zu verhindern/abwehrend nach Beginn der Regierungsaufnahme kam. Die Koalitionsgespräche liefen ja noch unter der Überschrift Fortschrittskoalition, aber danach hat sich die FDP ja der bedingungslosen Verteidigung der schwarzen Null verschrieben und selbst ihre Erfolge setzt sie nicht unter diese Überschrift.
Zudem denke ich, dass der Kardinalfehler die Bremse bei der Gasrechnungsbremse war. Die Verzigfachung der Energiekosten schmerzt ja neben Geringverdiener vor allem Handwerker und KMUs (kleine und mittlere Unternehmen), also eigentlich klassische FDP-Klientel. Und da glaube ich nicht, dass der Bäckermeister bei einer Verzehnfachung der künftigen Gas- und Stromrechnung die Einhaltung der Schuldenbremse als oberstes Ziel sieht. Klar, es sind immer mehrere Faktoren warum die FDP so verliert momentan, aber wenn ich einen Hauptfaktor wählen sollte, wäre er das.
Und, könnt ihr mir bitte mal erklären, warum die gesamte niedersächsische Landespolitik an diesem seltendämlichen Alpha-E genannten Kompromiss festhält und nicht die Neubaustrecke an der Autobahn präferiert?
Und, könnt ihr mir bitte mal erklären, warum die gesamte niedersächsische Landespolitik an diesem seltendämlichen Alpha-E genannten Kompromiss festhält und nicht die Neubaustrecke an der Autobahn präferiert?
Äh.. was fürn Ding? Muss zugeben, noch nie davon gehört zu haben. Stefan hat deutlich übertrieben, als er mich zur Expertin für Niedersachsen ausrief^^
Ich würde es allerdings nicht ruhen in sich nennen, sondern eher ein bisschen resigniertes Einverständnis in die aktuelle Situation
Ja eben! Erinnere mich bitte nicht an Mützenich, ich hasse diesen Kerl!
Die SPD hat da etliche Baustellen, gerade was Russland und die Verteidigungspolitik angeht, aber es beeinträchtigt die Regierungsarbeit nicht.
FDP:
Nach diesem verrückten Move, dass Lindner das AKW-Gesetz blockiert, weil er das AKW Emsland unbedingt behalten will, wollte ich Stefan erst um einen nachträglichen Podcast bitten, bei dem ich nur über die FDP schimpfe. Was ist das für ein Blödsinn?
Ich denke auch, dass die FDP sich da gerade verrennt. Hast ja absolut recht, dass es einiges gäbe, das die FDP total positiv verkaufen könnte. Kleine Selbständige unterstützen ist ja eigentlich deren Kernpolitk!
Mit diesem Gebremse und wir müssen in der Regierung hauptsächlich rot-grün im Zaum halten, zerstören sie ja auch ihr modernes Macher-Image.
Ich kann diese Unzufriedenheit ja durchaus verstehen, haben Stefan und ich im Podcast ja auch betont, dass sie da Pech haben. Aber der Umgang damit und ihre Schwierigkeiten sind auch selbst verursacht, das könnte man auch anders regeln.
Du bist die Expertin für Niedersachsen im Podcast. Da hab ich nicht übertrieben 😀
Exakt der Punkt mit Mützenich.
Das mit den Selbstständigen finde ich auch viel relevanter.
Hias12. Oktober 2022, 23:50
Ja eben! Erinnere mich bitte nicht an Mützenich, ich hasse diesen Kerl!
Die SPD hat da etliche Baustellen, gerade was Russland und die Verteidigungspolitik angeht, aber es beeinträchtigt die Regierungsarbeit nicht.
Hm, ich würde nicht sagen, dass es die Regierungsarbeit nicht behindert. Insbesondere bei der Verteidigungspolitik schlägt man schon seltsame Volten, das sah man ja beim Thema Drohnenbewaffnung. Und auch das Thema Ausrüstung Bundeswehr ginge wahrscheinlich deutlich einfacher zu lösen ohne die SPD.
Klar. Aber das sind normale politische Präferenzen und Aushandlungsprozesse. Auch die Grünen und die FDP dürfen jeweils ihre eigenen Blockaden mitgebracht haben. Ich will den SPD-Bullshit absolut nicht verteidigen, aber die Partei hat die Zeitenwende, verglichen mit der Katastrophe „Drohnenbewaffnung“ unter Merkel, praktisch geräuschlos mitgetragen. Das ginge wesentlich schlimmer. Hier wird von Leuten ja echt eine 180°-Wende erwartet. Und das ging echt ziemlich smooth.
1) Stimmt sicher, aber ich habe das Gefühl, dass das nicht wirklich ein „Ampel-Thema“ ist. Die Außenpolitik der Bundesrepublik ist so ein bisschen ihr eigenes Ding und verläuft ja vielmehr entlang der Achse „Etablierte Parteien <-> Protestparteien“ als „Regierung <-> Opposition“.
2) Naja, das beißt sich die Maus selbst in den Schwanz. Die FDP kann keine massiven Infrastrukturprojekte fordern, auch nicht für LNG, weil sie vehement alle staatlichen Investitionsprojekte ablehnt und sich auf den privaten Sektor verlässt, der per Definition schlauer ist als die Regierung. Durch die Haltung hat sich die FDP jede Chance genommen, da irgendwas zu fordern. Schau dir mal Stefan Pietsch an, der glaube ich der prototypischste FDP-Vertreter hier ist: ich kann mir nicht vorstellen, dass er diese Vision, die du entwirfst, attraktiv fände. Das klingt für mich eher nach was, das die Grünen fordern.
3) Ist die Gasumlage nicht praktisch ausschließlich mit Habeck assoziiert? Ich habe noch nie gehört, dass da jemand die FDP für verantwortlich macht. Mag mich aber täuschen.
4) Alpha-E?
spoonman12. Oktober 2022, 16:22
Alpha-E ist offenbar die neueste Inkarnation bzw. Ersatzlösung für die Y-Trasse (Bahnstrecke zwischen Hamburg, Bremen und Hannover), die seit Jahrzehnten wegen Geldmangel und Bürgerprotesten nicht gebaut wird. Mehr weiß ich darüber aber auch nicht.
kurze Aufklärung: Alpha-E ist der Kompromiss, der durch Bürgerbeteiligung entstanden ist und sollte endlich den Ausbau der nicht ganz unwichtigen Strecken zwischen Bremen/Hamburg und Hannover bringen. Er hatte nur den Fehler, dass er schon bei der Beschlussfassung erkennbar nicht die notwendige Kapazität schaffen würde (sah größtenteils einen drei- stellenweisen viergleisigen Ausbau der Bestandsstrecke vor).
Seit einigen Jahren versucht man, auch wegen des Deutschlandtaktes, Alternativlösungen zu finden. Aktuell spitzt sich der Streit gerade zu, da die Bahn eine Neubaustrecke hauptsächlich entlang der A7 präferiert, die die notwendige Kapazitäten schafft.
Das Besondere an diesem Projekt ist, wie massiv die Politik hier auf der Bremse steht und zwar quer durch fast alle Parteien und bis hoch zur Bundespolitik, obwohl alle Fachleute eindeutig sagen, dass Alpha-E nicht reichen wird.
Warum wird denn gebremst? Also was ist die Kritik?
Hias13. Oktober 2022, 11:00
Das Problem ist, dass man mit Bürgerbeteiligung einen Kompromiss erreicht hat, der allerdings aus betrieblicher Sicht der Bahn nicht ausreicht um den zukünftigen Verkehr aufzunehmen. Da wurden fachliche Einwände damals ziemlich ignoriert. Aber die niedersächsische Landespolitik verweist eben darauf, dass man ja die Bürger beteiligt hat und dementsprechend diesen Kompromiss auch umsetzen muss, um die Bürger vor Ort mitzunehmen und man will keine Neubaustrecke (an der A7!), da diese die Landschaft zerstören, zusätzlichen Lärm und die Heide bedrohen würde.
spoonman13. Oktober 2022, 13:31
Danke für die Erläuterung! Wären denn bei einer Neubaustrecke entlang der A7 (und Richtung Bremen an der A27?) zusätzliche Haltepunkte zwischen Hannover und Hamburg geplant, und wenn ja, wo?
Ich bin in Walsrode aufgewachsen, und während der ersten Diskussion über die Y-Trasse war mal ein Haltepunkt in der Nähe des Autobahndreiecks im Gespräch. Damals hab ich das zwar nicht als sehr realistisch angesehen, aber ich glaube, wenn es wirklich dazu käme, wäre das für die Region eine große Chance. Bislang gibt es dort ja nur die eingleisige, nicht elektrifizierte Heidebahn-Strecke. Mit Limburg und Montabaur gibt es ja schon Beispiele für solche ICE-Bahnhöfe in der Provinz. Und die haben anscheinend beide die Wirtschaft in der dortigen Region angekurbelt.
Hias14. Oktober 2022, 16:25
Meines Wissens nach noch nicht, aber da lässt die Bahn sehr gerne mit sich reden. Sie muss eh Betriebsbahnhöfe mWn bauen, da kann man da auch gleich Personenbahnhöfe draus machen. Aber dazu muss die niedersächsische Politik konstruktiv verhandeln.
Und ja, das wäre ein riesiger Gewinn für die Städte dort, wenn da schneller Nahverkehr nach HH und H gehen würde. Ein gutes Beispiel dafür ist der München-Nürnberg-Express und auch bei der neuen Bahnstrecke Ulm-Stuttgart hat man da einen neuen Regionalbahnhof gebaut.
um die Bürger vor Ort mitzunehmen und man will keine Neubaustrecke (an der A7!), da diese die Landschaft zerstören, zusätzlichen Lärm und die Heide bedrohen würde.
Dazu, bzw der Y-Trasse hab ich auch noch eine schöne Anekdote: Ich bin früher alle paar Wochen mal durchs Wendtland, also da beim Atommüll gefahren. Und es ist wirklich die absolute Einöde, die Autobahn ist 2 Stunden entfernt und die Dörfer haben schon nur noch Namen wie Kleinkleckersdorf I und Kleinkleckersdorf II.
Und überall große Plakate und Autobahnaufkleber, dass man auf keinen Fall eine Bahnlinie haben will! Man möchte unbedingt völlige Einöde bleiben. (aber ohne Atommüll!)
Alpha E ist hier kein Thema, als Logistikstandort sind wir aber eh ganz gut angebunden und hier laufen die A1 und A27. Aber Stefan und ich haben ja oft genug drüber geschimpft, ich hasse diese Bürgerbeteiligungen, bzw sind das heutzutage ja mehr „alles verhindern“-Beteiligungen. Wir hatten hier jahrelang Gezerre um den Amazon-Logistikstandort und jetzt um die Erschließung eines neuen Industriegebiets. Weiß gar nicht warum. Geld und Arbeitsplätze sind scheiße, vermutlich.
Hat aber schon mal zu der schönen Überschrift in der Lokalzeitung geführt: „Protest gegen Krieg, Rechtsradikalismus und Achim-West“
Wohl alles gleich schlimm 😉
zu 2:
Ich glaube Du hast den Punkt verfehlt. HIAS schrieb, dass er sich wünschen würde, dass die FDP sich dafür einsetzt, dass bürokratische Hürden abgeräumt werden, die privaten Firmen / Investoren im Weg stehen, um sich beim Thema Energiewende / Klimaschutz einbringen zu können.
In Summe sehe ich, dass die FDP aus dem Digitalisierungsthema noch viel zu wenig herausholt. Das liegt aber in meinen Augen weniger daran, dass man es nicht möchte, sondern schlicht und ergreifend daran, dass das Thema Digitalisierung vorantreiben bedeutet, sehr viele Hüte zusammenzubringen. Hier einfach mal ein Bild zum Thema verantwortliche Stellen beim Thema „Cybersicherheit“ – das gibt Ahnung was für eine Herkulesaufgabe das Thema ist und wie sehr uns der Föderalismus hier bremst.
In meinen Augen fehlt der FDP aktuell einfach ein Gewinnerthema – die Ressorts Finanzen und Verkehr sind nicht als Produzent guter Nachrichten bekannt. Marco Buschmann wird immer wieder vom Corona-Sog erfasst und Frau Stark-Watzinger findet eigentlich gar nicht statt.
Ich bin völlig bei dir, dass das Themen wären, bei denen ich mir mehr FDP wünschen würde. Ich bezweifle allerdings, dass das ihre elektorale Position ändern würde.
Hias12. Oktober 2022, 23:39
Doch, bei den Themen Entbürokratisierung und Digitalisierung sehe ich schon, dass sie damit massiv punkten könnte und ihre elektorale Position verbessern könnte. Ich sehe nur das Thema Digitalisierung als das deutlich schwerere und komplexere Thema an, wo man nicht so schnell vorankommt.
Beim Thema Entbürokratisierung sehe ich die Chance für die FDP weniger dabei, dass sie staatliche Projekte vorantreibt, sondern Investition erleichtert, indem sie die Krise nutzt. Zum Beispiel vereinfachte Baugenehmigungsverfahren und Abschreibungsregeln, damit die Unternehmen schnell in neue Anlagen, Gebäude, etc. investieren können um Gas und Strom zu sparen. Oder höhere Schwellenwerte für europaweite Ausschreibungen, damit neue Investitionen schneller getätigt werden können. Und natürlich der Klassiker: Kommission, die Formulare abschafft. Da finden sich sicher ne ganze Reihe von nervigen Formularen und Prozesse, die man da schnelle öffentlichkeitswirksam eindampfen kann.
Ich denke damit könnte sie zum einen die Erzählung aus dem Wahlkampf fortführen (Anpacker-Image), das Thema kommt bei ihrem Klientel gut an und wenn sie es sonst noch schaffen, die Schuldenbremse einigermaßen zu halten und die eine oder andere Steuererleichterung durchzusetzen, dann würde die FDP sehr wohl profitieren. Sie müsste halt jetzt diese Krise nutzen, dann könnte sie da auch einige durchaus radikale Schritte erreichen.
Das Ding ist halt: die Schuldenbremse ist nicht zu halten. Spätestens die Gaskrise hat das völlig illusorisch gemacht.
Das Problem mit Entbürokratisierung und Digitalisierung ist, wie du das verkaufst. Das ist ja eine Unmenge von wahnsinnig technischem Kleinkram. Ab sofort kannst du Termine auf dem Bürgeramt digital machen! Wähl FDP! Ab sofort braucht der Bauantrag für Balkone nur noch eine Genehmigung A37 statt A38! Wähl FDP! Damit macht es sich super schwer Wahlkampf. Ich seh den Tätigkeitsbedarf, ich würde mir das auch wünschen, es wäre das Richtige – aber als Ausweg aus der Umfragekrise sehe ich das nicht, vor allem solange Themen wie Ukrainekrieg und Klimakrise die Nachrichten dominieren.
CitizenK13. Oktober 2022, 12:00
So gut wie niemand außerhalb der FDP sieht die Ursache für die Wahldebakel in der Wahrnehmung als „linke Partei“. Ist die Parteiführung so abgeschottet?
spoonman13. Oktober 2022, 15:09
Die FDP ist halt nominell Teil einer Mitte-Links-Koalition. Noch 4 Tage vor der Bundestagswahl fand Lindner, dass Laschet der bessere Kanzler wäre. Nur 38% der FDP-Wähler fanden eine Ampelkoalition gut, 51% lehnten sie ab. Dass diese 51% sich abwenden, ist eigentlich folgerichtig.
Ich würde schon sagen dass das 15-20% der deutschen Bevölkerung so sehen, mindestens.
Hias14. Oktober 2022, 16:20
Naja, man verkauft auch nicht die technischen Details sondern berechnet die Einsparungen und verkauft diese. So wie die Schuldenuhr: so und so viele Vorschriften zurückgenommen und damit soviel Geld den Unternehmen eingespart. Und dazu die eine oder andere plakative Maßnahme.
Die technischen Details verkaufen, das machen doch nur Amateure und die SPD 😉
True 😀 Mein Bauchgefühl bleibt, dass das nicht zieht, aber ich bin auch nicht die Zielgruppe.
CitizenK14. Oktober 2022, 08:57
FDP eine „Protestpartei“, ein erheblicher Teil ihrer Wähler „Protestler“? Das passt aber gar nicht zum Selbstbild der Partei – bürgerlich-vernünftig-verantwortungsbewusst.
Wenn – lt. Wählerwanderung in NS – die meisten Abgänge nach rechtsaußen gegen, dann danke ich an Thüringen.
Trumps Ankündigungen, die EU, China und Mexiko (unter anderem) mit Zöllen belegen zu wollen, hat viel Aufregung ausgelöst. Gleichzeitig kommt... Lesen →
Auf Spoonie ist auch außerhalb von Reisen Verlass. Der hat gestern schon reingehört und hatte einige Korrekturen. Das mit dem Wendland ist etwas falsch, die Grünen haben das Direktmandat in der Stadt geholt. Das Umland ging an die CDU (wenn ich mich recht erinnere, gibts da auch sehr viele Rübenbauern^^)
Und der erste Tweet von dem Pioneer-Typ ist Quatsch. Das letzte Mal rot-grün war vor fünf Jahren Niedersachsen und da ist die Koalition dann wegen einer grünen Abgeordneten geplatzt,
https://twitter.com/a_spoonman/status/1579600103236546560
Damn. KANN MAN NIEMAND MEHR TRAUEN? 😀
Mahlzeit 🙂 Also die Formulierung in dem Tweet von Repinski ist schon richtig: Die rot-grüne Mehrheit kam 2013 zustande, 2017 war sie (kurz vor der Bundestagswahl) wegen der Überläuferin futsch. Die vorgezogene Neuwahl fand dann kurz NACH der Bundestagswahl statt.
Noch ein paar Gedanken von einem gebürtigen Niedersachsen, der seit langem in NRW lebt: Ich bin ausgerechnet zu der Zeit aufgewachsen, als Ernst Albrecht von der CDU (Ursula von der Leyens Vater*) in Niedersachsen der „ewige Ministerpräsident“ war, und mein Heimatlandkreis, der heute Heidekreis heißt, war damals rabenschwarz. Deshalb habe ich Niedersachsen in meiner Jugend auch als sehr konservativ wahrgenommen. Aber: Als Albrecht 1976 ins Amt kam, war er in Nds. der erste CDU-Ministerpräsident überhaupt. Ich hab das noch nicht bewusst mitbekommen, aber es muss ein echter Krimi gewesen sein: Der SPD-Amtsinhaber Kubel trat aus Altersgründen mitten in der Wahlperiode zurück, und Finanzminister Kasimier sollte ihn beerben. SPD/FDP hatten theoretisch eine Stimme Mehrheit, aber es gab mehrere Abweichler, also scheiterte Kasimier in den ersten beide Wahlgängen. Für den dritten Wahlgang schickte die SPD drei Wochen später Bundesbauminister Karl Ravens (aus Achim) ins Rennen. Er unterlag gegen Albrecht, der dann zuerst eine Minderheitsregierung und später eine Koalition mit der FDP bildete. Die Abweichler sollen laut Wikipedia Gegner der umfangreichen Kreisreform gewesen sein, die ja in den 70ern in vielen Bundesländern für Streit sorgte.
Diese Episode ist ein Beispiel dafür, dass es in Niedersachsen zwischen SPD und CDU oft sehr knapp zuging. Vor der Wahl 1986 schloss Newcomer Gerhard Schröder eine rot-grüne Koalition nicht aus, und fast hätte er Erfolg gehabt. CDU und FDP gewannen hauchdünn mit 78:77 Abgeordneten. Vier Jahre später war Schröder dann am Ziel, Rot-Grün regierte mit 79:76 Stimmen.
Die ländlichen Gebiete sind natürlich CDU-Hochburgen, vor allem in der Region zwischen Osnabrück und Oldenburg. Der katholisch geprägte Bundestagswahlkreis ist bekannt dafür, dass CDU-Kandidaten da jahrzehntelang Ergebnisse zwischen 60 und 70% geholt haben. Die Merz-Stellvertreterin Sylvia Breher brachte es letztes Jahr „nur“ noch auf 49%. Andererseits ist der dicht besiedelte Süden von Niedersachsen (Hannover – Hildesheim – Salzgitter – Braunschweig – Wolfsburg – Göttingen) immer eine Herzkammer der SPD gewesen. Das erkennt man ganz gut an den Wahlkreiskarten der Bundestagswahlen: 2013 und 2017 waren das Ruhrgebiet, Nordhessen und Südniedersachsen die einzigen größeren Gebiete mit SPD-Direktmandaten. Und in den letzten Jahrzehnten wird die SPD auch maßgeblich von Männern aus Niedersachsen geprägt: Schröder, Steinmeier, Gabriel, Struck, Oppermann, Heil und Klingbeil.
Nach dem Erdrutschsieg im Saarland hatten einige in der SPD wohl schon auf goldene Zeiten gehofft, aber mit dem Debakel in NRW und S-H ist diese Blase ganz schnell geplatzt. Dabei wären die Voraussetzungen in NRW eigentlich ideal gewesen, weil Laschet mit seinem Rücktritt als MP ewig gewartet hat und dann auch noch darauf bestanden hat, seinen Nachfolger selbst auszusuchen. Dadurch blieb Hendrik Wüst wenig Zeit, sich als Amtsinhaber zu profilieren. Die SPD hätte gut vorbereitet in den Wahlkampf gehen können, aber die Partei und Kutschaty haben es verbockt.
Wenn nun auch noch Niedersachsen den Bach runtergegangen wäre, dann wäre das Desaster perfekt gewesen. Insofern kann sich die SPD wirklich bei Stephan Weil bedanken, dass er wahltechnisch noch für einen versöhnlichen Jahresabschluss gesorgt hat. Wobei ich, aus der Ferne betrachtet, seine Beliebtheit nicht so richtig verstehe. Selbst für niedersächsische Verhältnisse wirkt er ja extrem spröde. Mal sehen, ob er frühzeitig Platz für einen Nachfolger macht. Weil ist Jahrgang ’58, am Ende der Wahlperiode ist er (fast) 69. Ich vermute mal, dass Olaf Lies dann noch mal Ansprüche anmelden wird, nachdem er 2013 in einer Mitgliederbefragung knapp gegen Weil unterlegen war.
Dass die SPD insgesamt mit sich zufrieden ist, sehe ich nicht so. Ich bin zwar nicht wirklich gut vernetzt, aber ich glaube, an der Basis gärt es trotz des Erfolgs bei der Bundestagswahl ordentlich, weil viele das Gefühl haben, von der FDP immer wieder vorgeführt zu werden. Man stellt zwar den Kanzler, aber der tut entweder nichts, oder er ist nicht in der Lage, das, was er tut, sinnvoll zu kommunizieren. Unterm Strich ist hat die Partei jetzt auch nicht mehr Handlungsspielraum als in der GroKo – was dann auch von den Umfragewerten widergespiegelt wird.
Übrigens: Stefans Abgesang auf Zweierkoalitionen im Podcast verstehe ich nicht so ganz – jedenfalls nicht, wenn es um die alten Bundesländer geht. In NRW und Niedersachsen gibt es jetzt komfortable Mehrheiten für Schwarz-Grün bzw. Rot-Grün, in S-H hat Schwarz-Grün sogar eine Zweidrittelmehrheit, und im Saarland regiert die SPD allein. Nur in zwei von zehn westdeutschen Bundesländern gibt es Dreier-Koalitionen: in Bremen und in Rheinland-Pfalz. Wobei in Bremen vielleicht nächstes Jahr wieder eine Zweierkoalition möglich wäre. Umgekehrt könnte in Hessen eine Dreier-Konstellation nötig werden. Und im Bund? Da gibt es in den allermeisten Umfragen eine Mehrheit für Schwarz-Grün.
*) Ernst Albrecht wurde auch „der Lächler“ genannt. Er war pietistisch-evangelikal orientiert und ließ seine Familie auch schon mal im Regionalfernsehen singen. Wer diesen Auftritt einmal gesehen hat, wird ihn nie vergessen 🙂
https://www.youtube.com/watch?v=8F6tPVS47LM
https://www.heise.de/tp/features/Ursula-von-der-Leyen-und-die-religioesen-Fanatiker-3386321.html
Ergänzung:
Der katholisch geprägte Bundestagswahlkreis CLOPPENBURG-VECHTA ist bekannt dafür, dass CDU-Kandidaten da jahrzehntelang Ergebnisse zwischen 60 und 70% geholt haben.
Vielen Dank für den ausführlichen Kontext!
Mein Abgesang bezog sich weitgehend auf den Bund. Da sehe ich das künftig nicht mehr. Ich hab das aber wesentlich zu umfassend formuliert.
Was die SPD angeht: die Basis der FDP hat exakt dasselbe Gefühl, aber in die gegenteilige Richtung. Eine meckernde Basis ist glaube ich völlig normal. Ich würde mir im Willy-Brandt-Haus Sorgen machen, wenn da Ruhe ist 😀
Ja, dass es der FDP-Basis genauso geht, denke ich auch. Ich hab auch bis heute nicht verstanden, warum Lindner die FDP in diese Koalition geführt hat, ohne einen ernsthaften und öffentlich dokumentierten Versuch zu machen, die Grünen nach Jamaika zu locken. Nur weil Jamaika 2017 gescheitert war? Oder wegen Laschet? Der hatte ja frühzeitig gesagt, dass es an ihm nicht liegen soll. FDP und Grüne hätten also quasi die einmalige Chance gehabt, den CDU-Kanzler selbst zu küren. 🙂
Dass SPD und Grüne die Ampel wollten, ist ja nachvollziehbar. Aber für die Lindner-FDP ergab das eigentlich von vornherein wenig Sinn. Und auch weniger Sinn als Jamaika für die Grünen. Eigentlich war schon vor Putins Krieg klar, dass die „Fortschrittskoalition“ nur eine Worthülse ist, und dass man (aus SPD-Sicht) der FDP keinen Meter über den Weg trauen kann. Umgekehrt mag das genauso gelten. Insofern ist Lindners Bestandsaufnahme durchaus richtig: Die Gewinne der Grünen wiegen die Verluste von SPD und FDP nicht auf.
Ich hoffe, dass ich mich irre, aber ich befürchte, dass die Union gar nicht viel tun muss, um die nächste Wahl deutlich zu gewinnen (und dann mit den Grünen oder der SPD eine Mehrheit zu haben). Ein zweites Mal wird der Scholzomat mit seiner Nullkommunikation im Wahlkampf nicht durchkommen. Und Merz ist rhetorisch ein ganz anderes Kaliber als Laschet. Wenn man das weiterdenkt, hätte die SPD nur dann eine Siegchance, wenn sie den Kanzlerkandidaten auswechselt. Was aber auch wieder extrem riskant wäre. Für mich würde es dann logischerweise auf Klingbeil hinauslaufen. Allerdings bin ich da voreingenommen, weil der aus meinem Heimatkreis kommt. 🙂 Bei den Grünen fürchte ich, dass sich sowohl Habeck als auch Baerbock in ihren Ministerämtern so sehr verschleißen werden, dass sie für die Kanzlerkandidatur nicht mehr genug Strahlkraft haben. Und die FDP? Keine Ahnung. Wenn sie aus dem Bundestag fliegt, soll’s mir recht sein. Das erleichtert auch die Regierungsbildung. Ich denke aber, dass sie dann 4 Jahre später wieder da wäre – wie 2017. Viele Medien lieben die FDP so sehr, dass sie trotz APO-Status nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden würde.
Weil Laschet keine Option war. Die SPD hat die Wahl gewonnen. Die stärkste Partei stellt den Bundeskanzler beziehungsweise beginnt die Verhandlungen. Es wäre nicht vermittelbar gewesen, warum die Grünen auf Laschet setzen sollten. Ihre Präferenz für die Ampel war klar. Wäre die CDU ein Prozent stärker oder die SPD ein Prozent schwächer gewesen, Laschet wäre heute Kanzler der ersten Jamaika-Koalition. Aber es kam anders.
Ich halte das für keine Worthülse. Die jeweilige Basis ist ständig unzufrieden, aber die Ampel hat bereits viel geleistet. Ich finde, das ist hier eine völlig überzogene Kritik.
Ich halte Merz für völlig überschätzt. Und solange die Ampel als Ampel in den Wahlkampf geht, also die Koalition fortsetzt, solange sie weiter eine Mehrheit hat, wird die CDU auch bei 30% keinen Koalitionswechsel hinbekommen. NIEMALS wechselt die SPD ihren Kanzlerkandidaten. Das wäre politischer Selbstmord. Ich gehe davon aus, dass die Grünen entweder Habeck oder (wahrscheinlicher) Baerbock erneut aufstellen werden, für den unwahrscheinlichen Fall, stärker als die SPD zu werden. Aber das wäre ein interner Kanzlerwechsel, nie dagewesen in der bundesdeutschen Geschichte. Ich halte das für ein ziemliches Außenseiterszenario. Die FDP wird eher nicht aus dem Bundestag fliegen. Wie ich im Podcast sage: ich sehe die aktuellen Probleme als temporär.
Hm. Außer der Erhöhung des Mindestlohns und eher mittelgutem Krisenmanagement fällt mir eigentlich nichts ein, was die Ampel schon geleistet hat. Und dass alle drei Parteien vor der nächsten Wahl erklären, die Koalition am liebsten fortsetzen zu wollen, halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich.
Und klar, Laschet war keine ernsthafte Option. Aber wie gesagt, er hatte sich ja nach der Niederlage schon sehr frühzeitig selbst aus dem Spiel genommen. Ich hatte damit gerechnet, dass Lindner erst mal nur zum Schein in Richtung Ampel verhandelt, um die Grünen dann doch noch irgendwie in Richtung Jamaika zu ködern – unter welchem Kanzler auch immer. Aber da hab ich Lindners Cleverness offenbar überschätzt. Oder die Grünen haben sich intern von vornherein auf die Ampel festgelegt.
Das BaföG-Reförmchen, immerhin. Und das „Bürgergeld“ ist immerhin ein bisschen besser als Hartz4.
Ne ganze Menge Kram den wir mit der CDU nicht hätten. Und ich sehe auch viele der Krisenentscheidungen als potenziell besser als die einer CDU-geführten Regierung, aber das können wir natürlich nicht sicher sagen.
SPD und Grüne werden zu fast 100% erklären, das fortsetzen zu wollen. Damit bleiben der FDP nur zwei Optionen: entweder dasselbe zu tun oder aber die Oppositionsrolle zu riskieren. Die können natürlich sagen – und das wäre auch die Wahrheit – dass sie Jamaika bevorzugen. Aber Jamaika wird nur eine Option sein, wenn die Ampel keine rechnerische Mehrheit hat. Behält sie die, wird dieselbe Dynamik wie 2021 gelten.
Laschet war eine sehr ernsthafte Option. Der war ein Prozent von der Kanzlerschaft entfernt. Das sollte man nicht aus der Retrospektive kleinreden.
Was ich meine, ist Laschets Aussage in der bizarren Pressekonferenz vom 7.10.21, also nach den ersten Sondierungen, aber vor den Ampel-Koalitionsverhandlungen. Da hat er seinen Rücktritt vom Parteivorsitz angedeutet, aber nur so halb. Spannend fand ich damals diese Formulierung:
„Es geht nicht um die Person Armin Laschet. Es geht um das Projekt für das Land. Und deshalb: Wenn man zu anderen Lösungen kommen will, ist dies möglich. Das große Projekt Jamaika wird nicht am Personal scheitern. Wird nicht an einzelnen Personen scheitern.“
https://web.de/magazine/politik/wahlen/bundestagswahl/armin-laschet-kuendigt-rueckzug-uebergang-parteispitze-moderieren-36240926
Das wirkte natürlich alles sehr verzweifelt, aber es war ein roter Teppich, der im Falle von geplatzten Ampel-Verhandlungen für FDP und Grüne eine komfortable Fallback-Option gewesen wäre.
Klar, aber da war das Ergebnis ja bekannt!
Hm, ich verzweifle ja auch ein bisschen an der „Lahmarschigkeit“ der Ampel. Die Gasrechnungsbremse hätte viel früher kommen müssen und die Gasumlage war eine seltendämliche Aktion, genauso, dass man sich darum gestritten hat. Dann die Frage der Verlängerung der AKWs und allgemein die Kommunikation.
Aber andererseits hat man auch vieles richtig gemacht, zB die Erhöhung des Mindestlohns jetzt, kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Also ich würde den Kanzler da nicht unterschätzen, auch weil das Beispiel Habeck zeigt, wie schnell der Beliebtheitsstatus sinken kann.
Und was Merz angeht finde ich einen anderen Punkt viel interessanter: Trotz aller Kritik, trotz vergleichsweise schlechter Umfragewerte für die SPD kann die Union nicht wirklich punkten. Ich verstehe langsam, warum die CDU ihn so lange nicht an die Spitze gelassen hat. Er hat es weder geschafft, der Union einen neuen Anstrich zu geben und sei es auch nur für die Fassade. Was ist vom BPT der CDU geblieben, außer der Diskussion um die Frauenquote? Und dann hat er schon ein Talent dazu, sich selber ins Knie zu schießen. Die Aussage zu den Ukraine-Flüchtlingen und die anschließende Nicht-Entschuldigung bspw. hat doch vor allem seine Unterstützer bis hin zur BILD massiv verunsichert, ohne am rechten Rand was zu gewinnen.
Ich denke also nicht, dass der Sieg der Union beim nächsten Mal schon sicher ist, dazu ist die politische Lage viel zu volatil und es kann noch soviel passieren. Eher würde ich darauf wetten, dass Merz es verstolpert.
Ja, die Skepsis teile ich.
Erstmal danke an Spoonie für den ausführlichen Kontext! Auch wenn ich das Video nie wieder aus dem Kopf bekomme^^
Wobei ich, aus der Ferne betrachtet, seine Beliebtheit nicht so richtig verstehe. Selbst für niedersächsische Verhältnisse wirkt er ja extrem spröde.
Die Leute mögen halt Politiker wie Weil, bei denen man zwischendurch durchaus vergessen kann, dass es ihn überhaupt gibt. Nehme mich da gar nicht so aus, wenn ich mal was von ihm höre, klingt das alles gut und schön und hauptsächlich sehr egal. 🙂
Weiß auch nicht, wie repräsentativ ich bin, bin kein großer Föderalist und Landespolitik schon gar nicht, da finde ich Bund und Kreis sehr viel lebensnaher.
Das mit Dreier-Koalitionen gilt für mich auch mehr im Bund, da hat man ja auch mehr Parteien im Parlament, die kommen da nicht mehr an die Zahlen. In den Ländern mag das anders sein, weil die oft vernischen. Denkt nur mal an den Osten, das sind völlig andere Konstellationen als im Bund.
Den Ausblick auf die nächste Bundestagswahl finde ich schwierig, weil wir in drei Jahren sicherlich ganz andere Themen und Problematiken haben werden als heute. Merz sehe ich wie Stefan auch deutlich überschätzt und Hias hat ja auch recht. Er hat was von einer „loose cannon“ und so ein „Sozialtourismuskram“ in einem Bundestagswahlkampf fällt mehr ins Gewicht. Diese „ich finds geil, ein Arschloch zu sein“-Attitüte ist nicht zwingend gut für die Beliebtheitswerte.
Ja, der Ausblick auf die nächste Bundestagswahl ist natürlich hochspekulativ, aber der Podcast hieß ja auch „Blick in die niedersächsische Glaskugel“. 😀 Und man kann nur hoffen, dass bis dahin nicht noch alle möglichen neuen Probleme dazukommen, denn die Energie- und Wirtschaftskrise fängt gerade erst an. Selbst wenn wir ohne Gasmangellage über den Winter kommen – im März werden die Speicher ziemlich leer sein, und diesmal müssen sie dann komplett ohne russisches Gas zu horrenden Preisen wieder aufgefüllt werden. Und die meisten Leute, die mit Gas heizen (insbesondere in Mietwohnungen) haben gar keine Chance, mal eben auf andere Energieträger umzustellen. Selbst wenn die Ampel sich immer weitgehend einig wäre und zeitnah die richtigen Schritte einleiten würde, kann ich mir im Moment nicht vorstellen, dass sie uns so gut durch die Krise bringt, dass im Herbst 2025 keine Wechselstimmung herrscht.
Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.
Hm, ja, nach diesem Winter wird es sehr interessant. Die Füllung der Gasspeicher für den Winter 2023/24 könnte problematisch werden. Wobei die Nachfrage nach Gas natürlich von vielen Faktoren abhängt, über die Industrie ja auch zB von der Wirtschaftslage, der Umrüstung von gs auf Öl bzw. erneuerbare Energien in den Werken, etc.
Mich irritiert hier aber immer noch die Lahmarschigkeit der Bundesländer, wo man mE immer noch zu langsam damit ist, die eigenen Gebäude energetisch zu sanieren, bzw. Alternativen zu fördern, wie Geothermie oder Biogas.
Ich wäre mit den Prognosen wirklich vorsichtig, weil das alles aktuell so wahnsinnig im Fluss ist.
Interessante Punkte, nur bei zwei muss ich definitiv widersprechen.
Erstens: die SPD ist nicht bei sich, die Selbstbeschäftigung findet mMn nur nicht mehr in den Medien statt, weil andere interessanter mit sich ringen. Die Partei ist meiner Wahrnehmung nach ziemlich gespalten, was den Kurs gegenüber Russland angeht, da es doch einige gibt, die da auf dem alten Ostpolitik-Kurs Brandts unterwegs sind, bzw. die aus einer pazifistischen Grundeinstellung heraus mit dem neuen Kurs mit sich kämpfen. Zu letzteren gehören zB mit Stegner und Mützenich durchaus auch Parteiprominenz. Allerdings, da habt ihr Recht, leiden die Genossen, ähnlich wie die grüne Basis da momentan vergleichsweise still. Ich würde es allerdings nicht ruhen in sich nennen, sondern eher ein bisschen resigniertes Einverständnis in die aktuelle Situation
Zweitens: auch für die FDP gäbe es DIE Chance zur Profilierung in dieser Krise und zwar zum Thema Entbürokratisierung und zwar konkret am Beispiel der LNG-Terminals, die ja (für deutsche Verhältnisse) mit einem Affenzahn in Norddeutschland entstehen. Dies als Beispiel nehmen und für Infrastrukturprojekte und Investitionen von Firmen fordern. Damit könnten sie an ihren Wahlkampf anknüpfen, es wäre ein zukunftsgewandtes Thema, sie könnten bei ihrer Klientel massiv punkten und allgemein auch bei der Bevölkerung. Hier verstehe ich nach wie vor nicht, warum sie diese Chance liegen lassen, genausowenig, wie ich verstehe, warum dieser Schwenk von zupackend/zukunftsorientiert hin zu verhindern/abwehrend nach Beginn der Regierungsaufnahme kam. Die Koalitionsgespräche liefen ja noch unter der Überschrift Fortschrittskoalition, aber danach hat sich die FDP ja der bedingungslosen Verteidigung der schwarzen Null verschrieben und selbst ihre Erfolge setzt sie nicht unter diese Überschrift.
Zudem denke ich, dass der Kardinalfehler die Bremse bei der Gasrechnungsbremse war. Die Verzigfachung der Energiekosten schmerzt ja neben Geringverdiener vor allem Handwerker und KMUs (kleine und mittlere Unternehmen), also eigentlich klassische FDP-Klientel. Und da glaube ich nicht, dass der Bäckermeister bei einer Verzehnfachung der künftigen Gas- und Stromrechnung die Einhaltung der Schuldenbremse als oberstes Ziel sieht. Klar, es sind immer mehrere Faktoren warum die FDP so verliert momentan, aber wenn ich einen Hauptfaktor wählen sollte, wäre er das.
Und, könnt ihr mir bitte mal erklären, warum die gesamte niedersächsische Landespolitik an diesem seltendämlichen Alpha-E genannten Kompromiss festhält und nicht die Neubaustrecke an der Autobahn präferiert?
Danke fürs Hören erstmal!
Und, könnt ihr mir bitte mal erklären, warum die gesamte niedersächsische Landespolitik an diesem seltendämlichen Alpha-E genannten Kompromiss festhält und nicht die Neubaustrecke an der Autobahn präferiert?
Äh.. was fürn Ding? Muss zugeben, noch nie davon gehört zu haben. Stefan hat deutlich übertrieben, als er mich zur Expertin für Niedersachsen ausrief^^
Ich würde es allerdings nicht ruhen in sich nennen, sondern eher ein bisschen resigniertes Einverständnis in die aktuelle Situation
Ja eben! Erinnere mich bitte nicht an Mützenich, ich hasse diesen Kerl!
Die SPD hat da etliche Baustellen, gerade was Russland und die Verteidigungspolitik angeht, aber es beeinträchtigt die Regierungsarbeit nicht.
FDP:
Nach diesem verrückten Move, dass Lindner das AKW-Gesetz blockiert, weil er das AKW Emsland unbedingt behalten will, wollte ich Stefan erst um einen nachträglichen Podcast bitten, bei dem ich nur über die FDP schimpfe. Was ist das für ein Blödsinn?
Ich denke auch, dass die FDP sich da gerade verrennt. Hast ja absolut recht, dass es einiges gäbe, das die FDP total positiv verkaufen könnte. Kleine Selbständige unterstützen ist ja eigentlich deren Kernpolitk!
Mit diesem Gebremse und wir müssen in der Regierung hauptsächlich rot-grün im Zaum halten, zerstören sie ja auch ihr modernes Macher-Image.
Ich kann diese Unzufriedenheit ja durchaus verstehen, haben Stefan und ich im Podcast ja auch betont, dass sie da Pech haben. Aber der Umgang damit und ihre Schwierigkeiten sind auch selbst verursacht, das könnte man auch anders regeln.
Du bist die Expertin für Niedersachsen im Podcast. Da hab ich nicht übertrieben 😀
Exakt der Punkt mit Mützenich.
Das mit den Selbstständigen finde ich auch viel relevanter.
Ja eben! Erinnere mich bitte nicht an Mützenich, ich hasse diesen Kerl!
Die SPD hat da etliche Baustellen, gerade was Russland und die Verteidigungspolitik angeht, aber es beeinträchtigt die Regierungsarbeit nicht.
Hm, ich würde nicht sagen, dass es die Regierungsarbeit nicht behindert. Insbesondere bei der Verteidigungspolitik schlägt man schon seltsame Volten, das sah man ja beim Thema Drohnenbewaffnung. Und auch das Thema Ausrüstung Bundeswehr ginge wahrscheinlich deutlich einfacher zu lösen ohne die SPD.
Klar. Aber das sind normale politische Präferenzen und Aushandlungsprozesse. Auch die Grünen und die FDP dürfen jeweils ihre eigenen Blockaden mitgebracht haben. Ich will den SPD-Bullshit absolut nicht verteidigen, aber die Partei hat die Zeitenwende, verglichen mit der Katastrophe „Drohnenbewaffnung“ unter Merkel, praktisch geräuschlos mitgetragen. Das ginge wesentlich schlimmer. Hier wird von Leuten ja echt eine 180°-Wende erwartet. Und das ging echt ziemlich smooth.
1) Stimmt sicher, aber ich habe das Gefühl, dass das nicht wirklich ein „Ampel-Thema“ ist. Die Außenpolitik der Bundesrepublik ist so ein bisschen ihr eigenes Ding und verläuft ja vielmehr entlang der Achse „Etablierte Parteien <-> Protestparteien“ als „Regierung <-> Opposition“.
2) Naja, das beißt sich die Maus selbst in den Schwanz. Die FDP kann keine massiven Infrastrukturprojekte fordern, auch nicht für LNG, weil sie vehement alle staatlichen Investitionsprojekte ablehnt und sich auf den privaten Sektor verlässt, der per Definition schlauer ist als die Regierung. Durch die Haltung hat sich die FDP jede Chance genommen, da irgendwas zu fordern. Schau dir mal Stefan Pietsch an, der glaube ich der prototypischste FDP-Vertreter hier ist: ich kann mir nicht vorstellen, dass er diese Vision, die du entwirfst, attraktiv fände. Das klingt für mich eher nach was, das die Grünen fordern.
3) Ist die Gasumlage nicht praktisch ausschließlich mit Habeck assoziiert? Ich habe noch nie gehört, dass da jemand die FDP für verantwortlich macht. Mag mich aber täuschen.
4) Alpha-E?
Alpha-E ist offenbar die neueste Inkarnation bzw. Ersatzlösung für die Y-Trasse (Bahnstrecke zwischen Hamburg, Bremen und Hannover), die seit Jahrzehnten wegen Geldmangel und Bürgerprotesten nicht gebaut wird. Mehr weiß ich darüber aber auch nicht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Y-Trasse_Hamburg/Bremen%E2%80%93Hannover
https://www.hamburg-bremen-hannover.de/optimiertes-alpha-e-plus.html
kurze Aufklärung: Alpha-E ist der Kompromiss, der durch Bürgerbeteiligung entstanden ist und sollte endlich den Ausbau der nicht ganz unwichtigen Strecken zwischen Bremen/Hamburg und Hannover bringen. Er hatte nur den Fehler, dass er schon bei der Beschlussfassung erkennbar nicht die notwendige Kapazität schaffen würde (sah größtenteils einen drei- stellenweisen viergleisigen Ausbau der Bestandsstrecke vor).
Seit einigen Jahren versucht man, auch wegen des Deutschlandtaktes, Alternativlösungen zu finden. Aktuell spitzt sich der Streit gerade zu, da die Bahn eine Neubaustrecke hauptsächlich entlang der A7 präferiert, die die notwendige Kapazitäten schafft.
Das Besondere an diesem Projekt ist, wie massiv die Politik hier auf der Bremse steht und zwar quer durch fast alle Parteien und bis hoch zur Bundespolitik, obwohl alle Fachleute eindeutig sagen, dass Alpha-E nicht reichen wird.
Warum wird denn gebremst? Also was ist die Kritik?
Das Problem ist, dass man mit Bürgerbeteiligung einen Kompromiss erreicht hat, der allerdings aus betrieblicher Sicht der Bahn nicht ausreicht um den zukünftigen Verkehr aufzunehmen. Da wurden fachliche Einwände damals ziemlich ignoriert. Aber die niedersächsische Landespolitik verweist eben darauf, dass man ja die Bürger beteiligt hat und dementsprechend diesen Kompromiss auch umsetzen muss, um die Bürger vor Ort mitzunehmen und man will keine Neubaustrecke (an der A7!), da diese die Landschaft zerstören, zusätzlichen Lärm und die Heide bedrohen würde.
Danke für die Erläuterung! Wären denn bei einer Neubaustrecke entlang der A7 (und Richtung Bremen an der A27?) zusätzliche Haltepunkte zwischen Hannover und Hamburg geplant, und wenn ja, wo?
Ich bin in Walsrode aufgewachsen, und während der ersten Diskussion über die Y-Trasse war mal ein Haltepunkt in der Nähe des Autobahndreiecks im Gespräch. Damals hab ich das zwar nicht als sehr realistisch angesehen, aber ich glaube, wenn es wirklich dazu käme, wäre das für die Region eine große Chance. Bislang gibt es dort ja nur die eingleisige, nicht elektrifizierte Heidebahn-Strecke. Mit Limburg und Montabaur gibt es ja schon Beispiele für solche ICE-Bahnhöfe in der Provinz. Und die haben anscheinend beide die Wirtschaft in der dortigen Region angekurbelt.
Meines Wissens nach noch nicht, aber da lässt die Bahn sehr gerne mit sich reden. Sie muss eh Betriebsbahnhöfe mWn bauen, da kann man da auch gleich Personenbahnhöfe draus machen. Aber dazu muss die niedersächsische Politik konstruktiv verhandeln.
Und ja, das wäre ein riesiger Gewinn für die Städte dort, wenn da schneller Nahverkehr nach HH und H gehen würde. Ein gutes Beispiel dafür ist der München-Nürnberg-Express und auch bei der neuen Bahnstrecke Ulm-Stuttgart hat man da einen neuen Regionalbahnhof gebaut.
Danke!
um die Bürger vor Ort mitzunehmen und man will keine Neubaustrecke (an der A7!), da diese die Landschaft zerstören, zusätzlichen Lärm und die Heide bedrohen würde.
Dazu, bzw der Y-Trasse hab ich auch noch eine schöne Anekdote: Ich bin früher alle paar Wochen mal durchs Wendtland, also da beim Atommüll gefahren. Und es ist wirklich die absolute Einöde, die Autobahn ist 2 Stunden entfernt und die Dörfer haben schon nur noch Namen wie Kleinkleckersdorf I und Kleinkleckersdorf II.
Und überall große Plakate und Autobahnaufkleber, dass man auf keinen Fall eine Bahnlinie haben will! Man möchte unbedingt völlige Einöde bleiben. (aber ohne Atommüll!)
Alpha E ist hier kein Thema, als Logistikstandort sind wir aber eh ganz gut angebunden und hier laufen die A1 und A27. Aber Stefan und ich haben ja oft genug drüber geschimpft, ich hasse diese Bürgerbeteiligungen, bzw sind das heutzutage ja mehr „alles verhindern“-Beteiligungen. Wir hatten hier jahrelang Gezerre um den Amazon-Logistikstandort und jetzt um die Erschließung eines neuen Industriegebiets. Weiß gar nicht warum. Geld und Arbeitsplätze sind scheiße, vermutlich.
Hat aber schon mal zu der schönen Überschrift in der Lokalzeitung geführt: „Protest gegen Krieg, Rechtsradikalismus und Achim-West“
Wohl alles gleich schlimm 😉
Irre.
Nein, Deutschland :-).
zu 2:
Ich glaube Du hast den Punkt verfehlt. HIAS schrieb, dass er sich wünschen würde, dass die FDP sich dafür einsetzt, dass bürokratische Hürden abgeräumt werden, die privaten Firmen / Investoren im Weg stehen, um sich beim Thema Energiewende / Klimaschutz einbringen zu können.
In Summe sehe ich, dass die FDP aus dem Digitalisierungsthema noch viel zu wenig herausholt. Das liegt aber in meinen Augen weniger daran, dass man es nicht möchte, sondern schlicht und ergreifend daran, dass das Thema Digitalisierung vorantreiben bedeutet, sehr viele Hüte zusammenzubringen. Hier einfach mal ein Bild zum Thema verantwortliche Stellen beim Thema „Cybersicherheit“ – das gibt Ahnung was für eine Herkulesaufgabe das Thema ist und wie sehr uns der Föderalismus hier bremst.
In meinen Augen fehlt der FDP aktuell einfach ein Gewinnerthema – die Ressorts Finanzen und Verkehr sind nicht als Produzent guter Nachrichten bekannt. Marco Buschmann wird immer wieder vom Corona-Sog erfasst und Frau Stark-Watzinger findet eigentlich gar nicht statt.
Ich bin völlig bei dir, dass das Themen wären, bei denen ich mir mehr FDP wünschen würde. Ich bezweifle allerdings, dass das ihre elektorale Position ändern würde.
Doch, bei den Themen Entbürokratisierung und Digitalisierung sehe ich schon, dass sie damit massiv punkten könnte und ihre elektorale Position verbessern könnte. Ich sehe nur das Thema Digitalisierung als das deutlich schwerere und komplexere Thema an, wo man nicht so schnell vorankommt.
Beim Thema Entbürokratisierung sehe ich die Chance für die FDP weniger dabei, dass sie staatliche Projekte vorantreibt, sondern Investition erleichtert, indem sie die Krise nutzt. Zum Beispiel vereinfachte Baugenehmigungsverfahren und Abschreibungsregeln, damit die Unternehmen schnell in neue Anlagen, Gebäude, etc. investieren können um Gas und Strom zu sparen. Oder höhere Schwellenwerte für europaweite Ausschreibungen, damit neue Investitionen schneller getätigt werden können. Und natürlich der Klassiker: Kommission, die Formulare abschafft. Da finden sich sicher ne ganze Reihe von nervigen Formularen und Prozesse, die man da schnelle öffentlichkeitswirksam eindampfen kann.
Ich denke damit könnte sie zum einen die Erzählung aus dem Wahlkampf fortführen (Anpacker-Image), das Thema kommt bei ihrem Klientel gut an und wenn sie es sonst noch schaffen, die Schuldenbremse einigermaßen zu halten und die eine oder andere Steuererleichterung durchzusetzen, dann würde die FDP sehr wohl profitieren. Sie müsste halt jetzt diese Krise nutzen, dann könnte sie da auch einige durchaus radikale Schritte erreichen.
Das Ding ist halt: die Schuldenbremse ist nicht zu halten. Spätestens die Gaskrise hat das völlig illusorisch gemacht.
Das Problem mit Entbürokratisierung und Digitalisierung ist, wie du das verkaufst. Das ist ja eine Unmenge von wahnsinnig technischem Kleinkram. Ab sofort kannst du Termine auf dem Bürgeramt digital machen! Wähl FDP! Ab sofort braucht der Bauantrag für Balkone nur noch eine Genehmigung A37 statt A38! Wähl FDP! Damit macht es sich super schwer Wahlkampf. Ich seh den Tätigkeitsbedarf, ich würde mir das auch wünschen, es wäre das Richtige – aber als Ausweg aus der Umfragekrise sehe ich das nicht, vor allem solange Themen wie Ukrainekrieg und Klimakrise die Nachrichten dominieren.
So gut wie niemand außerhalb der FDP sieht die Ursache für die Wahldebakel in der Wahrnehmung als „linke Partei“. Ist die Parteiführung so abgeschottet?
Die FDP ist halt nominell Teil einer Mitte-Links-Koalition. Noch 4 Tage vor der Bundestagswahl fand Lindner, dass Laschet der bessere Kanzler wäre. Nur 38% der FDP-Wähler fanden eine Ampelkoalition gut, 51% lehnten sie ab. Dass diese 51% sich abwenden, ist eigentlich folgerichtig.
https://www.merkur.de/politik/bundestagswahl-umfrage-koalition-ampel-jamaika-gruene-fdp-baerbock-lindner-spd-cdu-90999008.html
https://m.facebook.com/ZDFheute/videos/lindner-h%C3%A4lt-laschet-f%C3%BCr-besseren-kanzler/400634521707975/
In Niedersachsen kommt noch dazu, dass die FDP allen Umfragen zufolge nicht für die Regierungsbildung gebraucht wurde.
„Dass diese 51% sich abwenden..,“
Ja. Aber warum gehen so viele zur AfD?
Weil das aktuell die Protestpartei ist?
Ich würde schon sagen dass das 15-20% der deutschen Bevölkerung so sehen, mindestens.
Naja, man verkauft auch nicht die technischen Details sondern berechnet die Einsparungen und verkauft diese. So wie die Schuldenuhr: so und so viele Vorschriften zurückgenommen und damit soviel Geld den Unternehmen eingespart. Und dazu die eine oder andere plakative Maßnahme.
Die technischen Details verkaufen, das machen doch nur Amateure und die SPD 😉
True 😀 Mein Bauchgefühl bleibt, dass das nicht zieht, aber ich bin auch nicht die Zielgruppe.
FDP eine „Protestpartei“, ein erheblicher Teil ihrer Wähler „Protestler“? Das passt aber gar nicht zum Selbstbild der Partei – bürgerlich-vernünftig-verantwortungsbewusst.
Wenn – lt. Wählerwanderung in NS – die meisten Abgänge nach rechtsaußen gegen, dann danke ich an Thüringen.
Nun…ich finde es schwierig, diese Einordnung nicht zu treffen.