Bohrleute 26: Schwarze Elfen und schwule Superhelden

Von Miles Morales zu Kamala Khan, von Corlys Velaryon zu Arondir, von Rey zu Finn zu Rose Tico, von Elsa zu America: immer mehr Charaktere in den großen popkulturellen Werken sind Frauen, Bipoc oder LGTBQ+-Menschen. Diese erhöhte Repräsentation führt immer wieder zu scharfen Kontroversen – und eine solche haben wir auch heute. Jonas Lübkert, der den Newsletter „Fan Theory of Everything“ betreibt und sich vor allem auf die Repräsentation von Queerness in der Popkultur spezialisiert hat, diskutiert mit Stefan über diese Entwicklung, ihre Ursachen und darüber, ob das eigentlich eine gute Sache ist.

Show Notes:
Begriffsklärung „Nerdstream“
Popculture Detective
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{ 7 comments… add one }
  • cimourdain 19. Juli 2022, 11:31

    Sehr interessante Diskussion, aber ich habe da ein paar andere Sichtweisen beizutragen:
    1. Unterscheidet ihr nicht, wann es sich um direkte ‚ursprüngliche‘ Repräsentation handelt (Musterbeispiel: Black Panther) und wo um übernommene (erwähnter Miles Morales).
    2. Kommen wir dann zu der Grundfrage, was eine Figur essentiell ausmacht. Wir hatten vor einiger Zeit hier im Forum die Frage verneint, ob James Bond anders als als heterosexueller Mann vorstellbar ist. Genauso ist z.B. Superman in meinen Augen nicht ohne seine ländlich amerikanische ‚weisse‘ Erziehung denkbar. Während zum Beispiel Spiderman im Kern ein urbaner Mittelklasse-Teenager aus New York ist. Da spielt die Hautfarbe eine untergeordnete Rolle. Aber das ist alles rein subjektiv für jeden.
    3. Interessant ist die Frage tatsächlich bei Tolkien, ob sich aus seiner Fanfiction zu nordischen und angelsächsischen Mythen der Himmelsrichtung-Rassismus Norden,Westen hell / gut – Süden, Osten dunkel/böse herausnehmen lässt. Ich meine ja, hätte aber tatsächlich Nutzung der geographischen Orte Harad oder Rhun bevorzugt.
    4. Leider nehmt ihr bei der Repräsentation da eine inkonsequente Position ein. Während die ‚falsche‘ Repräsentation einer Minderheit durch Vertreter der Mehrheit bemängelnswert ist, ist es lächerlich, wenn sich die ‚anderen‘ darüber aufregen, wenn ‚ihre Figuren falsch repräsentiert werden. Hier wäre die konsequentere Position ‚Mythen sind für alle da‘ glaubwürdiger.
    5. Generell ist die Frage „Wem gehören die Figuren?“ berechtigt, nicht im juristischen, sondern im kulturellen Sinne. Ihr habt das Thema ‚Nerds haben gewonnen‘ angesprochen. Die Kehrseite dieses Sieges war, das ‚ihre‘ Figuren und ‚Ihre‘ Geschichten der Allgemeinheit zugänglich wurden.
    6. …und von Konzernen beansprucht. Nicht ohne Grund sind der überwiegende Teil der von euch besprochenen Figuren Teil des Disney-Imperiums.
    7. Und die Konzerne nutzen dann die Repräsentation von Minderheiten zur gegenseitigen PR. Wir werben FÜR euch indem wir MIT euch Werbung machen.
    8. Erst dieses Herausstellen von Minderheiten ins Rampenlicht führt zu den Anfeindungen. Beispiel Star wars: Es gab damals keine Anfeindungen gegen Billy Dee Williams oder James Earl Jones (von Carrie Fisher ganz zu schweigen). Erst in den Disney-Sequels wurde Geschlecht oder Hautfarbe im Marketing thematisiert und der Backlash ging dagegen.
    9. Das ist natürlich deshalb relevant, wenn die Repräsentanz als Ersatz für narrative Ideenlosigkeit in der Zeit von Remakes und Sequels genutzt wird. Typisch sind die „Machen wir eine bewährte Geschichte mit rein weiblicher Besetzung“ Filme (‚Ghostbusters‘ 2016).
    Resterampe (soweit kommt es schon, aber mir sind da einige in meinen Augen ‚unterrepräsentierte‘ Medien und Themen aufgefallen):
    a) Die Gruppe ‚Personen mit Behinderung‘ war gefühlt früher stärker im Mainstream vertreten (Beispiel: Daredevil)
    b) Der X-Men Franchise wird von euch etwas stiefmütterlich behandelt. Dort geht es im Kern und erzählerisch zentral darum, was es bedeutet, einer Minderheit anzugehören.
    c) Das Thema Armut ist zwar nicht im Blockbuster-Mainstream, aber doch im Feuilleton-Mainstream angekommen: Mir fallen ‚Joker‘ und ‚Parasite‘ ein. Interessanterweise ist in beiden Filmen die ’Unsichtbarkeit‘ der Armen ein wichtiges Element.

    • Stefan Sasse 19. Juli 2022, 17:30

      1) True. Guter Punkt.
      2) Ja, das ist durchaus korrekt. Dieses „All-American“ gehört zu Superman (weswegen ich ja sage dass blaue Haut eher nicht so passen würde).
      3) Ja, genau. Deswegen sag ich ja, ich kann das intellektuell nachvollziehen.
      4) Wie meinen?
      5) Absolut! Ich bin der Überzeugung, dass alle alles selbst interpretieren können dürfen sollen.
      7) Yes! Sag ich ja, die machen das, weil es sich lohnt, nicht aus Herzensgüte.
      8) Stimmt natürlich, aber weder Jones noch Fischer nehmen halt jemandem „was weg“ weil sie in traditionellen Rollen bleiben.
      9) Vollkommen korrekt.
      a) Mag sein, aber diese Repräsentation ist nicht ohne Probleme.
      b) Stimmt.
      c) Parasite sofort, Joker…naja.

  • cimourdain 20. Juli 2022, 10:37

    4) Wenn ihr die Verteilungskonflikte mal weglasst (Da geht es einfach um Lobby, das ist schlichtweg eine andere Kategorie), bleibt die Frage, wer was darstellen ‚darf‘ (dürfen im Sinne von ‚Kann es machen, ohne dass irgendwer einen Shitstorm auslöst‘). Hier gibt es zwei konsequente Positionen: Entweder ihr trennt: Minderheitenrollen für Minderheiten, Mehrheitenrollen für Mehrheiten. Oder ihr sagt (in meinen Augen richtigerweise), dass Minderheiten selbstverständlich Mehrheitenrollen darstellen sollen – dann müssen konsequenterweise auch Mehrheitsvertreter auch Minderheiten spielen dürfen. Aus optischen Gründen ist das eigentlich nur bei queeren Personen relevant, aber dort eben schon. Und ich möchte sogar die These in den Raum stellen, dass das manchmal sogar zu Verbesserung führt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine TG-Schauspieler*in ein TG-Rolle mit so viel (positiven) ham-acting darstellen würde wie Tim Curry in ‚Rocky-Horror-Picture-Show‘

    • Stefan Sasse 20. Juli 2022, 13:38

      So einfach ist ja aber die Trennung nicht. Beispielsweise sind wir uns alle einig, dass wenn wir etwas über das Leben der Schwarzen in der Bronx schauen, logischerweise schwarze Schauspieler*innen diese Rollen ausfüllen, während die Polizei überwiegend weiß ist. Umgekehrt kann ich einen Film wie „American Psycho“ nicht mit nicht-weißen Personen machen; das sind spezifisch „Mehrheitenrollen“. Aber was ist mit James Bond? Das ist ja keine „Mehrheiten“-Rolle. Grundsätzlich wäre die farbenblind. Oder halt Star Wars, Herr der Ringe und Co.

      • derwaechter 20. Juli 2022, 22:22

        Was ist denn mit englischen Schwarzen, die amerikanische schwarze Gangster spielen, oder afrikanische Bürgerrechtler?

        Oder Engländer die Iren spielen?

        (Ja, ich mag the Wire 🙂 )

        Und wenn Heteros keine Schwulen spielen sollen, sollen den Schwule auch keine Heteros spielen? Wenn es um das hineinversetzen geht (so habe ich euch verstanden) müsste das doch in beide Richtungen gelten.

        Es gehört doch essentiell zur Schauspielerei etwas darzustellen, das man nicht ist. Abgesehen von den offensichtlichen Beispielen (es wäre schon eigenartig Til Schweiger als Nelson Mandela zu sehen 🙂 ) finde ich die Diskussion eigenartig.

        • Stefan Sasse 20. Juli 2022, 22:34

          Ja, das meine ich ja. Ich sehe da keine absolute Regeln. Kann ein Eingländer einen Iren spielen? Klar, Pierce Brosnan war ja auch Bond. Sollte ein Engländer Michael Collins spielen? Vielleicht eher nicht.

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