Now, the Supreme Court has no obligation to follow the popular will. It is charged with safeguarding the Constitution. But it is hard for any disinterested observer to have any faith in what the right-wing justices are doing. They are not acting very conservatively in overturning an abortion ruling (Roe v. Wade) that is 49 years old and a New York state gun-control statute that is 109 years old. In both cases, the justices rely on dubious readings of legal history that have been challenged by many scholars to overturn what had been settled law. Conservatives can plausibly argue that liberal justices invented a constitutional right to abortion, but how is that different from what conservative justices have done in inventing an individual right to carry guns that is also nowhere to be found in the Constitution? The Supreme Court did not recognize an individual right to bear arms until 2008 — 217 years after the Second Amendment was enacted expressly to protect “well-regulated” state militia. The Second Amendment hasn’t changed over the centuries, but the composition of the court has. The majority conveniently favors state’s rights on abortion but not on guns. It is obvious that the conservative justices (who are presumably antiabortion rights and pro-gun rights) are simply enacting their personal preferences, just as liberal justices (who are presumably pro-choice and pro-gun control) do. (Max Boot, Washington Post)

Eine ähnliche Kritik ist auch von Adam Serwer im Atlantic zu lesen. Generell scheint sich das Bild des SCOTUS bei vielen Moderaten durch die Entscheidung grundlegend gewandelt zu haben. Wie verbreitet und nachhaltig das tatsächlich ist, wird sich zeigen, aber das offensichtliche Belogen-werden von den Konservativen (man denke nur an Kavanaughs unzählige Versicherungen während seiner Anhörungen, er werde keinesfalls Roe v Wade overturnen) hat glaube ich schon was kaputt gemacht.

Ansonsten ist das hier ziemlich deckungsgleich mit meinem eigenen Argument: der „Originalismus“ ist nichts als miese Geschichtswissenschaft, eine Soße, die über die eigenen Vorlieben gekippt wird, um zu verschleiern, dass man halt höchstrichterlich durchsetzt, wovon man immer schon überzeugt war. Wenn es nach dem Willen der Founders ginge, würden Leute wie Scalia oder Alito ohnehin nicht im SCOTUS sitzen; für die Gründergeneration waren Katholiken in Machtpositionen generell unvorstellbar – von Schwarzen, Juden oder Latinos einmal ganz abgesehen. Allein das sollte eigentlich ausreichen, um diese Argumente völlig zu diskreditieren.

Offensichtlich hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Bedenkt man, dass die Founder ursprünglich ein Verfallsdatum von 15-30 Jahren diskutierten, um nachfolgende Generationen nicht zu binden und dann als praktikablere Variante die Möglichkeit der Verfassungsänderung erfanden, sieht man einmal mehr, wie ahistorisch diese ganze Idee ist. Da ist mir die Ehrlichkeit der Progressiven wesentlich lieber. Die sagen wenigstens offen, dass sie die Auslegung in ihrem Sinne ändern wollen.