Rezension: Samira El Ouassil/Friedemann Karig – Erzählende Affen. Mythen, Lügen, Utopien: Wie Geschichten unser Leben bestimmen. Vom Patriarchat bis zur Klimakrise – Narrative prägen die Welt

Samira El Ouassil/Friedemann Karig – Erzählende Affen. Mythen, Lügen, Utopien: Wie Geschichten unser Leben bestimmen. Vom Patriarchat bis zur Klimakrise – Narrative prägen die Welt

Eine der Sensationen des Sachbuchmarkts der letzten Monate ist „Erzählende Affen“ des Autor*innenenduos Samira El Ouassil und Friedemann Karig. Ich habe so viel Gutes darüber gehört, dass ich mich selbst vergewissern wollte, ob der Hype gerechtfertigt ist und welche Erkenntnisse sich aus dem Band ziehen lassen. Die Grundthese des Buches, dass das, was uns Menschen am meisten von Affen unterscheidet unsere Fähigkeit zum Geschichten erzählen ist und die anderen Kenntnisse und Errungenschaften quasi aus dieser Fertigkeit fließen, ist eine, die gerade von Antropolog*innen ebenfalls immer wieder genannt wird. Die Fähigkeit zur Kommunikation und vor allem der Schaffung von Gemeinschaften dürfte weit relevanter gewesen sein als das Aufheben des ersten Feuersteins. Diese zugegeben starke These, die bei den Vertretern der Gattung „Homo Faber“ sicherlich zu einigen Abwehrreaktionen gegen den Parvenü „Homo Narrans“ führen dürfte, wird im Verlauf des Buches einerseits entwickelt und andererseits in ihren Konsequenzen durchdekliniert.

El Ouassil und Karig strukturieren das Buch dabei anhand der so genannten „Heldenreise“ durch. Das Konzept des Literaturwissenschaftlers Joseph Campbells ist zwar bereits ziemlich in die Jahre gekommen und hat mittlerweile im englischsprachigen Raum nach einer wahren Blüte in den späten 2000er und frühen 2010er Jahren bereits wieder den Status erreicht, dass lauter revisionistische Bestrebungen seine Bedeutung und Anwendbarkeit relativieren; im deutschsprachigen Raum hat es leider, auch wegen der deutsche Hochnäsigkeit gegenüber „populären“ Stoffen, über die wir im Podcast auch geklagt hatten, leider immer noch Neuheitswert.

Aber zur Sache. Die Heldenreise ist ein Konzept, das vorgibt, eine übergeordnete narrative Theorie zu sein, nach der die Protagonisten (eigentlich fast immer männlich) der klassischen Sagen aller Kulturen eine sehr ähnliche, generische „Reise“ in ihrer Entwicklung durchmachen, eben die „Heldenreise“. Es gibt verschiedene Ausprägungen dieser Theorie, die sich im Detailgrad unterscheiden. El Ouassil und Karig nutzten eine aus 12 Stationen bestehende.

Die erste Station ist die „Gewohnte Welt“, beschreibt also den Ursprung. El Ouassil und Karik nutzten sie als Metapher für den Themenkomplex „Fremdbild – Selbstbild“. Jede Person hat ein Selbstbild von sich (ich etwa als furchtbar eloquenter, sympathischer Lehrer), während alle anderen, die mich kennen, ein Fremdbild von mir haben (furchtbar aufgeblasener Dampfplauderer). Wir erzählen uns stets selbst eine Geschichte – eine Geschichte von uns selbst. „Jeder ist der Held seiner eigenen Geschichte“ ist eine weitere der Erkenntnisse aus diesem Ansatz der narrativen Interpretation, und nirgendwo wird sie so deutlich wie darin, dass selbst Hitler überzeugt war, der Gute zu sein. Niemand glaubt, dass er oder sie aus Bösartigkeit handelt – man legt sich immer ein passendes Narrativ zurecht.

Wird dieses Narrativ in Frage gestellt, finden Abwehrreaktionen statt. Diesen begegnen wir permanent, die sind für unsere Selbstkonzeptionen entscheidend. Der Grund dafür, wie wir im „Ruf zum Abenteuer“ erfahren, ist eben die eingangs geäußerte These vom „Homo Narrans“. Menschen erzählen Geschichten und schaffen dadurch Gemeinschaft, aber vor allem erwerben sie jene Fähigkeiten, die ihnen erlauben werden, zur beherrschenden Spezies des Planeten zu werden. Leider kommt dieses Kapitel nicht ohne die mittlerweile schon beinahe üblichen Spekulationen über den Alltag der neolithischen Menschen aus, die gerne als Fakt präsentiert werden. Man sollte annehmen, dass bald 40 Jahre nach „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ dieser Quatsch langsam mal gut sein könnte.

Zur Erzählung allerdings braucht man Sprache. Während der klassische Held sich der „Verweigerung des Rufs“ einhergibt und erst einmal die Herausforderung ablehnt, um bei dem zu bleiben, was er kennt, befassen sich El Ouassil und Karig mit der Macht der Sprache selbst. In diesem Kapitel erklären sie, warum Sprache eine solche Gewalt über uns ausübt, vor allem über die Assoziationen von Begriffen. Wir verbinden konkrete Begriffe mit dem, was Sprache erlaubt, was dann eine Art „Begegnung mit dem Mentor“ erlaubt – Geschichten, die aus einem einzigen Wort bestehen. Man denke nur an „Wiedervereinigung“, das für uns Deutsche nicht nur ein, sondern verschiedene Narrative beinhaltet: Vom Untergang des Kommunismus und der Bestätigung der Überlegenheit des „Westens“ zum Beginn eines langen Abstiegs, nur um zwei der populärsten zu nennen.

Mit diesen Ein-Wort-Narrativen verbunden sind Konzepte und Prämissen, die selten ausgesprochen sind, aber immer dem Ganzen zugrundeliegen. Machen wir uns nicht klar, dass diese Prämissen existieren, so werden wir einander auch nicht verstehen. Wir kommunizieren in einem Wettstreit der Narrative, und wenn wir nicht ehrlich genug sind, das einzugestehen (mein Favorit ist ja die völlig irrige Vorstellung von „Objektivität“), dann verstehen wir einander auch nicht. Das schlägt dann auch den Bogen zu den oben angesprochenen Identitätsfragen, die mit diesen Narrativen verbunden sind.

Hat der Held diese initialien Hindernisse hinter sich gebracht, steht das „Überschreiten der Schwelle“ an. Die große weite Welt, die sich nun vor uns erstreckt, ist unübersichtlich, neu und, zumindest aus der eigenen Perspektive, chaotisch. Es braucht also Narrative, mit denen wir Unterschiede erklären oder Unsicherheiten einordnen können. Ohne diese würde unser Gehirn vermutlich einfach abschalten. Irgendwann kommen wir über den Stand hinaus, dass unsere Eltern Halbgötter ohne Fehl sind und müssen diese entwickeln, und je älter wir werden, desto detaillierter werden unsere Narrative, mit denen wir die Welt erklären – die dann wiederum in Konkurrenz zueinander treten, weil niemals alle Menschen dieselbe Erklärung für dieselben Phänomene haben. Wer da die Religion um die Ecke lugen sieht liegt nicht falsch, aber das müssen wir noch ein Kapitel aufschieben.

Zuerst nämlich besteht der Held eine „Bewährungsprobe“ – und die Kraft von Sprache und Narrativ ebenfalls. In diesem Kapitel sprechen El Ouassil und Karig von der Macht einzelner Worte, die durch die Bedeutung, die wir ihnen geben, selbst Realität zu schaffen in der Lage sind. Ein Beispiel dafür ist etwa Ehe oder Taufe. Physikalisch ändert sich durch die Aussprache der entsprechenden Worte überhaupt nichts, aber wir messen ihnen ungeheure Bedeutung bei, die lebensverändern ist. Solche Prozesse haben wir, mehr oder weniger bedeutend, in unserem Leben permanent. Sprache bestimmt die Welt.

Im Ursprung von Narrativen, quasi beim „Vordringen in die tiefste Höhle“, stoßen wir dann auf die Religion als Urerzählung. Um die Welt zu erklären und die Macht der Worte und Rituale zu legitimieren, erzählten die Menschen sich religiöse Geschichten von Geistern und Gottheiten, die das Schicksal der Welt bestimmten – und damit auch unseres. Oft genug stehen wir Menschen als wichtigste Schöpfung jener Wesen dann im Mittelpunkt, was natürlich unserem Selbstbewusstsein sehr zugute kommt. El Ouassil und Karig geben in diesem Artikel zahlreiche Beispiele für solche religiösen Narrative, aber die Grundthese sollte außer Frage stehen: kein Narrativ war so langfristig erfolgreich wie das religiöse.

Den Preis für das zerstörerischste Narrativ dagegen, das sich selbst in einem „Entscheidungskampf“ imaginierte, war sicherlich das faschistische. Die bewusst anti-religiöse (und, wenn wir ehrlich sind, so ziemlich anti-Alles) Erzählung führte zu den verheerendsten Kriegen und Völkermorden, die die Menschheit je gesehen hat. El Ouassil und Karig untersuchen das recht ausführlich und sauber; was mir auffiel, ist aber die kuriose Leerstelle des Kommunismus. Auch hier handelt es sich um ein im 20. Jahrhundert extrem erfolgreiches Narrativ mit verheerender Wirkung, aber weder er noch sein netter Cousin Sozialismus werden diskutiert, was mir angesichts der Bedeutung und im Falle des Sozialismus (im internationaleren Sinne gefasst, der auch sozialdemokratische Ideen einbezieht) auch des Erfolgs beider Ideen merkwürdig erscheint.

Ich habe eingangs bereits festgestellt, dass der Held in diesen Narrativen praktisch durch die Bank männlich gedacht ist. Diese Leerstelle untersuchen El Ouassil und Karig in einem eigenen Kapitel zur „Belohnung und Ergreifen des Schwerts“. In einer erschreckenden Vielzahl von Narrativen gibt es praktisch keine Frauen, ein Phänomen, das sich bis in die Gegenwart zieht (der Bechdel-Test hat nicht umsonst traurige Berühmtheit erlangt). An dieser Stelle der Lektüre sollte die Bedeutung der Narrative für die Bildung der Realität hinreichend bekannt sein, so dass klar ist, warum diese Leerstelle bedeutsam ist. Die Autor*innen betrachten auch, wie Narrative Heteronormativität decken und reproduzieren. Wenig überraschend schreiben sie diesen Prägungen der Bedeutung von Narrativen zu, der ich mich problemlos anschließen kann.

Nach Bestehen seiner Abenteuer tritt der Held den „Rückweg“ an. Für die Autor*innen ist das die Synthese ihrer Erkenntnisse, was die Narrative zum Klimawandel betrifft. Die größte Herausforderung unserer Zeit ist narrativ notorisch schwer zu fassen, und die Gegner des Fortschritts sind sehr erfolgreich darin, ihre eigenen 1-Wort-Geschichten zu etablieren. Bereits spätestens seit den 1970er Jahren war den großen fossilen Energiefirmen, allen voran Exxon, die Gefährlichkeit des Klimawandels bewusst. In klassisch kapitalistischer Manier sahen sie darin vor allem eine Gefahr für sich selbst und begannen eine große Offensive der Gegenpropaganda. Sie unterdrückten Erkenntnisse, relativierten, untergruben die Autorität der Forschenden, sähten Zweifel und nutzten ganz prosaisch Lügen. Dazu etablierten sie erfolgreiche eigene Geschichten, etwa wenn sie das Konzept des CO2-Fußabdrucks pushten (für das BP einen Online-Rechner entwickelte), die die Verantwortung dem Individuum zuschoben und damit sehr erfolgreich jeden Wandel blockierten.

Die Erzählbarkeit des Klimawandels ist generell furchtbar problematisch. Das Konzept ist komplex, die Zeiträume lang, die Verantwortung des Individuums diffus. Die besten Aussichten sahen die Autor*innen in der #FridaysForFuture-Bewegung, die mit der Galionsfigur Greta Thunberg ein gerade maßgeschneidert ideales Aushängeschild besaß. Ich hielt bereits 2019 die symbolische Aufladung der FFF-Bewegung und Thunbergs für übertrieben (man denke nur an das Geschwätz von einer „Generation Thunberg“ und was des Unfugs nicht noch mehr war), und seit dem stetigen Abrutschen der Bewegung erscheint mir dieser Zweifel berechtigter denn je.

Im letzten Kapitel, für das ich die letzten Stationen der Heldenreise „Erneuerung/Verwandlung“ zusammenfassen möchte, wird ein Ausblick in zukünftige, progressive Geschichten gegeben. Wenig überraschend ist, dass sich die Autor*innen im progressiven Lager verorten und deswegen ein Interesse daran haben, dass es solche gibt. Sie fordern neue, bessere Ein-Wort-Geschichten und die Schaffung von neuen Utopien anstatt dem vorherrschenden Konservatismus. Dahinter kann ich mich durchaus stellen, allerdings bleibt das Kapitel (notwendig?) unspezifisch und diffus.

Sind die Lorbeeren für das Buch gerechtfertigt? Insgesamt denke ich ja, aber ich will über einige Schwächen nicht hinweggehen. Bereits angesprochen habe ich die teilweise veralteten Kenntnisse, etwa was Joseph Campell angeht, und das Einschleichen von narrativem Unfug über Urzeitmenschen (was gleich wieder, wenngleich unfreiwillig, die These von der Macht der Narrative bestätigt). Leider findet sich auch klassisch linker Unfug wie etwa das Narrativ vom homo oeconomicus, das dargestellt wird, als ob signifikante Bedeutung im Denken vieler Menschen mit ihm verknüpft sei. Aber das sind eher einzelne Ausrutscher. Als jemand, der bereits seit vielen Jahren auf die Bedeutung der Narrative pocht, tragen El Ouassil und Karig natürlich Eulen nach Athen. Aber ich habe die Lektüre genossen, und für Interessierte dürften sehr, sehr viele Kenntnisse zu gewinnen sein.

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  • Thorsten Haupts 23. Mai 2022, 08:58

    Sprache bestimmt die Welt.

    Das ist nicht mal die Hälfte der Wahrheit. Ingenieure, auf deren Arbeit der Grossteil unserer alltäglichen Umwelt beruht, kommunizieren mit Prozesschaubildern und Datenblättern. Wissen Soziologen oder Kulturwissenschaftler natürlich nicht.

    . Wenig überraschend ist, dass sich die Autor*innen im progressiven Lager verorten …

    Was das Schweigen über Kommunismus und Sozialismus hinreichend erklärt. Ist Absicht.

    … für Interessierte dürften sehr, sehr viele Kenntnisse zu gewinnen sein.

    Kann nicht für andere sprechen. Die Besprechung sagt sehr deutlich – für mich nicht.

    … wie Narrative Heteronormativität decken und reproduzieren

    Jou. Wenn echte (hier biologische) Realität auf „Narrative“ trifft. Irgendwas zwischen 80 und 90% der Menschheit waren immer und sind bis heute hetero (sonst wären wir lange ausgestorben). Also ist Heteronormativität, was sich naturwüchsig herausbildet, sofern das nicht durch massive und kontinuierliche, bewusste Anstrengungen unterdrückt wird.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • CitizenK 23. Mai 2022, 11:40

      “Ingenieure” lösen Probleme (oder auch nicht), die nicht nur ihrer völlig losgelösten Intuition Intuition entspringen. Klimawandel oder Marsbesiedelung?

    • sol1 23. Mai 2022, 12:50

      „Irgendwas zwischen 80 und 90% der Menschheit waren immer und sind bis heute hetero (sonst wären wir lange ausgestorben).“

      Seit wann sind denn Nicht-Heterosexuelle unfruchtbar?

      • Stefan Sasse 23. Mai 2022, 13:46

        Soweit ich weiß wird Homosexualität auf ungefähr 5% der Menschen taxiert, mag mich aber irren.

        • Stefan Pietsch 23. Mai 2022, 15:50

          Korrekt, es sind eher 3-5 Prozent. Lobbyverbände zählen noch diejenigen dazu, die sich als bisexuell empfinden, fast immer definieren diese sich aber im Bereich der Heterosexuellen ein. Transpersonen liegen bei so 0,7%. Die LGBTQ-Community macht also so 4-5 Prozent der Bevölkerung aus.

          • Stefan Sasse 23. Mai 2022, 16:19

            Hätte mich auch gewundert, wenn das mehr wären. Das wären ja gigantische Zahlen. – Aber selbst 5% sind viel. Das ist gleich groß wie die FDP-Stammwählendenschaft 😛

      • Thorsten Haupts 23. Mai 2022, 15:08

        Ich ging von 5 bis 15% Schwulen/Lesben aus (plus 5% trans, a-sexuell, bisexuell etc.). Die kopulieren definitionsgemäss nicht mit dem anderen Geschlecht, zeugen dem folgend also auch keine Kinder.

        Schätzungen dazu (hübsche und ziemlich uneindeutige Sammlung) hier:
        https://en.wikipedia.org/wiki/Demographics_of_sexual_orientation

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 23. Mai 2022, 16:18

          15% scheint genaus aus dem Grund ziemlich hoch gegriffen. Aber ich bin echt kein Experte.

          • sol1 23. Mai 2022, 18:08

            Die Zahl ist ja auch ohne Belang, denn die interessanteren Datejn findet man weiter unten im Text:

            /// In addition, shifts can occur in reports of the prevalence of homosexuality. For example, the Hamburg Institute for Sexual Research conducted a survey over the sexual behavior of young people in 1970 and repeated it in 1990. Whereas in 1970 18% of the boys ages 16 and 17 reported to have had at least one same-sex sexual experience, the number had dropped to 2% by 1990.[113][114]

            Data from the General Social Survey shows that the percentage of Americans reporting predominantly same-sex partners remained stable between 1989 and 2014. In contrast, the percentage who reported ever having a same-sex partner increased.[115] By contrast, the National Survey of Family Growth has found an increase in the share of men and women who self-report a bisexual orientation in their 2011–2013 study compared to previous surveys.[116] Likewise, in the Second Australian Study of Health and Relationships, whose data was collected in 2012 and 2013, researchers noticed significant growth in the share of women who report bisexual orientation and attraction, and the share of men who report exclusive homosexual attraction, compared to the results of the First Australian Study of Health and Relationships, executed in 2001.[22] ///

            • Stefan Sasse 23. Mai 2022, 18:20

              Wir brauchen die Worte und Konzepte, um sie ausdrücken zu können, exakt. Das haben wir ja auch bei der Genderthematik ständig. Erst, wenn wir die Begriffe haben, können wir das Thema überhaupt diskutieren.

            • Stefan Pietsch 23. Mai 2022, 18:34

              Das heißt ja nicht, dass sie homosexuell sind. Und allein darum geht es.

              • sol1 23. Mai 2022, 19:06

                „Und allein darum geht es.“

                ???

                Mir ging es einzig um das alberne Narrativ „sonst wären wir lange ausgestorben“.

                • Thorsten Haupts 24. Mai 2022, 13:04

                  Wären wir, wenn eine Mehrheit homosexuell (anstatt z.B. bisexuell) ausgerichtet wäre. Kommt deshalb unter Säugetieren logischerweise auch nicht vor. Andernfalls würden wir uns (solange noch nicht ausgestorben) auch über Homonormativität unterhalten, was gleichzeitig aufzeigt, wie unsinnig das theoretische Konstrukt „Heteronormativität“ ist.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

        • sol1 23. Mai 2022, 18:04

          „…definitionsgemäss…“

          Ich habe dir eine Falle gestellt, und du bist reingetappt.

          Die „Definition“ ist in diesem Fall ein Narrativ, das wir uns erzählen, um uns das Phänomen der sexuellen Attraktion zu erklären – aber ein unzulängliches. Schauen wir nämlich ins Tierreich zu unseren nächsten Verwandten, dann stoßen wir auf dieses Verhalten:

          /// Die Interaktionen zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern sind friedlicher als bei anderen Primaten und beinhalten häufig Sexualverhalten. Dies dürfte der Reduktion von Spannungen dienen und wird unabhängig von Alter, Geschlecht oder Rangstufe ausgeübt.[4] Auch das Gewähren sexueller Kontakte im Gegenzug zur Nahrungsabgabe ist verbreitet. Bonobos praktizieren eine Vielfalt von Sexualkontakten, die Tiere kopulieren täglich mit verschiedenen Partnern. Dieser Geschlechtsverkehr erfolgt in unterschiedlichsten Stellungen, anders als beim Gemeinen Schimpansen in einem Drittel der Fälle mit zugewandten Gesichtern.[5] Andere Formen beinhalten gelegentlichen Oralverkehr, das Streicheln der Genitalien und Zungenküsse. Weibchen praktizieren häufig das gegenseitige Aneinanderreiben der Genitalregionen[6] (Genito-Genital-Rubbing, kurz GG-Rubbing). Dieses Verhalten dürfte der Versöhnung und der Regulierung von Spannungen dienen und auch die hierarchische Rangstufe anzeigen, da es häufiger von rangniederen Weibchen begonnen wird. Auch die Männchen praktizieren manchmal Pseudokopulationen, sie führen – gegenüber an Baumästen hängend – „Fechtkämpfe“ mit ihren Penissen durch oder reiben ihren Hodensack am Gesäß eines anderen Tieres. ///

          https://de.wikipedia.org/wiki/Bonobo

          Aber müßte „hetero (sonst wären wir lange ausgestorben)“ nicht auch für die Bonobos gelten?

          Der entscheidende Unterschied zwischen uns und unseren haarigen Vettern ist, daß wir uns *Geschichten über unser Sexualverhalten* erzählen. Um das zu verdeutlichen, brauchen wir nur einen Blick in einen der bekanntesten Texte der Geistesgeschichte zu werfen – Platons „Symposion“. Insbesondere Aristophanes‘ Mythos von den Kugelmenschen ist das Urmuster jener Liebeserzählungen, in denen es um die Suche nach „der einen“ bzw. „dem einen“ geht.

          • Thorsten Haupts 24. Mai 2022, 08:32

            Aha. Na, die Falle hat in etwa dieselbe Qualität wie die Behauptung, Rauchen wie Saufen seien unschädlich, mit einer Referenz auf Churchill, der damit ja 90 geworden ist.

            Weiss nicht so genau, inwieweit das Penisfechten von Männchen genau einer (!) Affenart von hunderten mein Argument widerlegt.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • sol1 24. Mai 2022, 12:16

              „…das Penisfechten von Männchen genau einer (!) Affenart von hunderten ..“

              Das ist natürlich nicht die einzige Affenart, bei der homosexuelles Verhalten vorkommt:

              https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_mammals_displaying_homosexual_behavior

              Aber schön zu sehen, wie du mein Argument komplett ignorierst und stattdessen substanzlose Behauptungen vorträgst. Zu Platons Dialog scheinst du ja nichts zu sagen zu haben.

              • Stefan Sasse 24. Mai 2022, 12:36

                Homosexualität wird ja gerade bei mehr und mehr Tieren entdeckt. Da ist die Forschung ja noch ganz am Anfang.

                • sol1 24. Mai 2022, 22:05

                  Und daß das so lange übersehen wurde, ist eben ein schlagender beweis für die Wirkmacht heteronormativer Narrative.

                  Um so absurder die Behauptung von Thorsten Haupts:

                  „Also ist Heteronormativität, was sich naturwüchsig herausbildet, sofern das nicht durch massive und kontinuierliche, bewusste Anstrengungen unterdrückt wird.“

                  • Thorsten Haupts 25. Mai 2022, 16:17

                    Und daß das so lange übersehen wurde, ist eben ein schlagender beweis …

                    … für andere Forschungsschwerpunkte
                    … für die Irrelevanz dieser Erkenntnis in den Naturwissenschaften
                    … für die Schwerpunkte wie Leerstellen der Tierforschung

                    uuuuuund natürlich für einschlägige Ideologen für „Heteronormativität“.

                    Lachende Grüsse,
                    Thorsten Haupts

                    • sol1 25. Mai 2022, 22:38

                      Dein Posting ist letztendlich nur ein Beleg für deine Lese- und Denkfaulheit.

                      /// Bruce Bagemihl writes that the presence of same-sex sexual behavior was not officially observed on a large scale until the 1990s due to possible observer bias caused by social attitudes towards LGBT people, which made homosexuality in animals a taboo subject.[3][4] He devotes three chapters, „Two Hundred Years at Looking at Homosexual Wildlife“, „Explaining (Away) Animal Homosexuality“, and „Not For Breeding Only“ in his 1999 book Biological Exuberance to the „documentation of systematic prejudices“ where he notes „the present ignorance of biology lies precisely in its single-minded attempt to find reproductive (or other) „explanations“ for homosexuality, transgender, and non-procreative and alternative heterosexualities.[5] Petter Bøckman, academic adviser for the Against Nature? exhibit, stated „[M]any researchers have described homosexuality as something altogether different from sex. They must realise that animals can have sex with who they will, when they will and without consideration to a researcher’s ethical principles“. Homosexual behavior is found amongst social birds and mammals, particularly the sea mammals and the primates.[4] ///

                    • Thorsten Haupts 26. Mai 2022, 09:57

                      Ah. Jetzt sind wir bei „ich habe aber gelesen“. Die Buch- statt der yotube-Academie. Guuutes Argument.

              • Thorsten Haupts 24. Mai 2022, 12:54

                Ah, shifting goalposts.

                Ausgangspunkt war:
                „Irgendwas zwischen 80 und 90% der Menschheit waren immer und sind bis heute hetero (sonst wären wir lange ausgestorben).“

                Habe bisher weder etwas gelesen noch gehört, was diese Aussage widerlegen würde. Statt dessen Belehrungen über die seit 20 Jahren bekannte Tatsache, dass auch Tiere homosexuell sein können (ach was?) und über das Sexualleben der Bonobos (nochmal ach was?).

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • sol1 24. Mai 2022, 21:58

                  „…sonst wären wir lange ausgestorben…“

                  Das hast *du* ja völlig beleglos hier in den Raum gestellt.

                  Die Menschheit würde allerdings munter fortbestehen, wenn sich 90 % von ihr als LGBTQ definieren würde, denn diese Selbstdefinition ist nichts anderes als ein Narrativ, das einem etwaigen Fortpflanzungswunsch nicht im Wege steht – schließlich haben sich ja auch im antiken Griechenland jene Männer fortgepflanzt, deren Liebesideale Männer waren.

                  • Thorsten Haupts 25. Mai 2022, 13:13

                    Die Menschheit würde allerdings munter fortbestehen, wenn sich 90 % von ihr als LGBTQ definieren würde

                    Erstmal ist das tatsächlich eine völlig beleglose Behauptung und zweitens wird meine Behauptung durch die biologische Realität gestützt – alle Säugetierarten sind weit überwiegend heterosexuell. Und Menschen sind Säugetiere.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 23. Mai 2022, 13:44

      Ich denke nicht, dass das Absicht ist. Ich meine, das Buch hat schon so 700 Seiten, und ich sehe schon, dass die Struktur mit den 12 Kapiteln nicht machbar gewesen wäre. Ich würde mir daher ein Follow-up dazu wünschen. Dazu ist Kommunismus auch ein eher historisches Phänomen, während der Faschismus gerade fröhliche Urständ feiert.

      • Thorsten Haupts 23. Mai 2022, 15:09

        Ich denke nicht, dass das Absicht ist.

        Aha :-).

  • sol1 23. Mai 2022, 12:48

    Ouassil, nicht „Quassil“.

    Klingt ansonsten sehr vielversprechend.

    • Stefan Sasse 23. Mai 2022, 13:46

      Peinlich! Hab’s korrigiert.

      Auf jeden Fall.

    • cimourdain 23. Mai 2022, 15:24

      Hast du recht. Ich hatte bisher auch die falsche Schreibweise im Kopf. Sogar Amazon verwendet diese für das eigene Buchangebot.

  • cimourdain 23. Mai 2022, 13:17

    Vorbemerkung 1: Hat Campbells Heldenreise nicht mehr Stationen als 12? Mir spukt 20 im Kopf herum, aber das muss nicht stimmen.

    Vorbemerkung 2: Geht das Buch eigentlich auf dem Begriff „Mem“ ein? Vieles was du beschreibst, lässt sich daraus sehr einfach erklären.

    Vorbemerkung 3: Auch wenn deine Beschreibung des Faschismus als Anti-alles Ideologie super ist, gibt es zu viele Schnittstellen mit konservativ-kirchlicher Elite ( z.B. bei Franquismus oder Ustascha), als dass man den Begriff ‚Klerikalfaschismus‘ ignorieren kann. Und auch z.B. der moderne russische Hypernationalismus ist mit der religiösen Elite eng verzahnt. [Der Islamismus ist noch mal eine ganz andere Baustelle]

    Hauptbemerkung 1: Was eine Lücke ist, ist dass das Verhältnis zur materiellen Macht scheinbar nur schwach thematisiert wird. Immer schon standen narrativ-produzierende Gruppen (Poeten, Priester, Journalisten) in Abhängigkeit von den materiell-weltlich Mächtigen und haben dafür affirmative Narrative propagiert. Und umgekehrt haben andere eine Gegenelite mit konfrontativen Narrativen gestützt. Dieser Zwiespalt geht mir gegenüber dem konservativ-progressiv Zeitgeist unter.

    Hauptbemerkung 2: Als Zukunftsaussicht stellen die Autoren nur eine Prävalenz ‚guter‘ progressiver statt der alten konservativen Narrative in Aussicht? Das klingt sehr nach dem bösen Spruch: „Revolutionäre wollen gar nicht Freiheit, sondern vor allem selbst die Peitsche schwingen.“ Hier mein Gegenentwurf:
    a) Aufbrechen der Ein-Wort-Narrativkomplexe. Am Beispiel eines der letzten Vermischten: Man kann sehr gut glauben, dass Bill Gates versucht die Politik WHO zu kontrollieren und trotzdem Impfungen für sinnvoll halten.
    b) Abwägen von Narrativ und Gegenentwurf. Suche nach Synthesen.
    [Ist das womöglich der Grund, warum der Sozialismus nicht behandelt wurde: el Quassil und Karig interessieren sich nicht für Materialismus (siehe H1) und nicht für Dialektik. Dann fehlt natürlich der Hebel für das kommunistische Weltbild]
    c) Das Bewusstsein, dass unterschiedliche ‚Wahrheiten‘ nur Teilaspekte/Sichtweisen derselben Wirklichkeit sind. Denk an das Gleichnis vom Elefanten und den Blinden.

    Nachbemerkung: Wenn die Sentenz „Am Anfang jeden ‚Narrativs‘ steht ein ‚Narr‘.“ nicht im Buch vorkommt, ist es sowieso zu oberflächlich.

    • Stefan Sasse 23. Mai 2022, 13:51

      V1: Wie gesagt, gibt zig unterschiedliche Versionen. Campbell und seine Nachfolger*innen haben ja immer an dem Modell rumgeschraubt.
      V2: Kann sein, weiß ich nicht mehr. Sorry.
      V3: Franco und Konsorten würde ich nicht unter Faschismus fassen. Beziehe mich auf Holland/Sandbrook hier: https://podcasts.apple.com/bm/podcast/17-fascism/id1537788786?i=1000506443804

      H1: Das ist durchaus korrekt. Der ewige Richtungsstreit innerhalb der Linken.
      H2: Wenn die These stimmt, dass wir erzählende Affen sind, gibt es immer Narrative. Der Wunsch, diese zum Guten einzusetzen (was immer im Auge des Betrachtenden liegt) ist folgerichtig.
      a) Leicht gesagt, nur wie?
      b) Auch hier: daran hat praktisch niemand Interesse. (Und: möglich.)
      c) Das kommt völlig raus; erschien mir nur selbstverständlich.

      Nachbemerkung: Ho. Ho. Ho.

      • cimourdain 23. Mai 2022, 22:50

        V3: No true Scotsman ? Mussolini mit den Lateranverträgen lässt du hoffentlich gelten.

        H2a) Sokratische Methode: Immer wieder hinterfragen, wie der andere auf seine Schlussfolgerung kommt, wie du selbst auf deine Schlussfolgerungen kommst. Trugschlüsse und Demagogie aufdecken. Nicht auf Bestätigungsfehler reinfallen. Und so weiter..

        Nachbemerkung: „HoHoHo“ ist ein gutes Stichwort, „Hogfather“ von Terry Pratchett [und noch mehr „Science of Discworld II“] ist eine gute Einführung zum Thema.

        • Stefan Sasse 24. Mai 2022, 12:33

          V3: Ist immer die Gefahr, aber wenn du auf der anderen Seite zu viel unter „faschistisch“ packst, verliert der Begriff Sinnschärfe. No good option.

          H2a: Klar, aber wie kriegst du das breitenwirksam hin? Wir machen das ja nicht mal selbst konsistent.

        • Thorsten Haupts 24. Mai 2022, 12:57

          H2a) Sokratische Methode: Immer wieder hinterfragen …

          Das ist in etwa so praxistauglich wie der berühmte Habermas´sche „herrschaftsfreie Diskurs“. Gesellschaftlich nicht umsetzbar und daher eine gedankliche Trockenübung.

          • Stefan Sasse 24. Mai 2022, 14:45

            Ist auch mein Gefühl.

          • CitizenK 24. Mai 2022, 20:59

            Einspruch. Regulative Idee oder Ideal, an dem man sich ausrichtet, dem man so weit wie möglich nahekommen will. Trockenübungen können nützlich sein.

            • Thorsten Haupts 25. Mai 2022, 22:02

              Ideale so hoch aufzuhängen, dass 99% der Menschen immer unter ihnen durchlaufen werden, ist für mich ein No. 1 Grund für moralische wie politische Verdrossenheit.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

  • Ariane 23. Mai 2022, 15:25

    Spannend, die beiden haben auch einen gemeinsamen Podcast und Samiras Beiträge bei SpOn oder Krautreporter lese ich auch immer gern (auch wenns mir manchmal etwas zu philosophisch gerät, habs doch mehr mit so populärem Zeugs^^)

    Rein von deiner Rezension liest es sich so, als sei die Analyse besser als die Zukunftsprognose. Dass es im Bereich Klimawandel als auch bei linken/progressiven Themen (@Thorsten bitte nicht Sozialismus/Kommunismus mit Progressivität gleichstellen, da kommen mir ja die Tränen 😉 )bei Narrativen, Wording, insgesamt der ganzen Kommunikation fehlt, haben wir hier ja auch schon oft beklagt.

    Obwohl das auch leicht gesagt ist, beim Thema Klimawandel muss man ja deutlich Unbequemeres verkünden als „alles Humbug“ oder „Deus ex Machina, also Ingenieure werden uns alle mit der Supererfindung retten“. Aber der formale Erzählstil auf progressiver Seite steht dem halt auch entgegen. Das ist wie unser ständiger Vergleich mit 300 Seiten SPD-Programm, wovon 200 auf theoretische Gegenfinanzierungen fallen.

    • Stefan Sasse 23. Mai 2022, 16:19

      Jepp, das klingt treffend.

    • Thorsten Haupts 24. Mai 2022, 13:01

      (@Thorsten bitte nicht Sozialismus/Kommunismus mit Progressivität gleichstellen, da kommen mir ja die Tränen )

      Die meisten bekannteren progressiven Aktivisten haben eine expressis verbis ausgedrückte Affinität zu sozialistischen, in jedem Fall aber antikapitalistischen, Ideen. Hier wie in den USA.

      Macht ja Sinn – wie anders als mit roher Gewalt bekäme man WokoHaram flächendeckend in die Köpfe und das Verhalten von Menschen.

      Und flüchtend ab,
      Thorsten Haupts

      • Dennis 25. Mai 2022, 08:58

        Es ist immer wieder vorteilhaft, dass sich Polit-Begriffe beliebig interpretieren lassen.

        Progressus heißt Fortschritt. Eigentlich sehr einfach.

        Franz Josef Strauß hat die Dinge mal so gesehen:

        „Konservativ sein heißt, an der Spitze des echten Fortschritts zu stehen“

        Natürlich sind wir da wieder beim Thema Narrativ. Dabei handelt es sich um ein Festival der Beliebigkeit, welche hier durch das Adjektiv „echt“ noch erhöht wird.

  • Dennis 23. Mai 2022, 19:40

    Gibt’s da draußen eigentlich irgendwas, was kein Narrativ ist ? Ist so was Komisches wie nachprüfbare Objektivität überhaupt noch salonfähig?

    Das, was man „Neuzeit“ oder gar „Aufklärung“ nennt, ist ja mal damit angetreten, den spekulativen Narrativzirkus vermittels Empirie zu entkräften. Scheint post-modern wieder im Rückwärtsgang zu sein^.

    Aber gut, zwecks Sinnstiftung werden Erzählungen auch weiterhin gebraucht, weil die Empirie keine zweckhaften Fragen vom Typ „was SOLLTE eigentlich so sein / was sollte irgendwie verschwinden / was ist besser und schöner / wie hätte ich’s denn überhaupt so am liebsten?“ klärt. Da gilt es dann, sich was Nettes auszusuchen, was aber an Grenzen stößt, wie zum Beispiel die oben erwähnte „Heteronormativität“. Da gibt’s nichts zum Aussuchen, egal was die Geschichten (z.B. in der Bibel oder sonstwo) erzählen. Indes kann man die als nicht mehr „zeitgemäß“ empfundenen Erzählungen ja umerzählen. Dafür hat man ja Theolog:innen, beispielsweise.

    Aber gibt es Tatsachen erst durch Erzählungen oder schon vorher und auch nachher? Erzählungen können erlöschen, indes die Tatsachen eher weniger^.

    Man sollte es also mit den Erzählungen und den damit avisierten „Lebensentwürfen“ mal nicht so übertreiben^. Die Natur, von der wir ein Teil sind, interessiert sich nicht für unsere Narrative.

    • Thorsten Haupts 25. Mai 2022, 13:11

      … wie nachprüfbare Objektivität …

      Für viele heutige Soziologen und Leute aus verwandten Bereichen wie Kulturwissenschaften eher nicht. Die sind (im weitesten Sinne) Poststrukturalisten und in einem Fehlschluss aus der Analyse politischer Beziehungen werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse (soziale und politische Wirklichkeit ist – auch – ein soziales Konstrukt) auf alle Wissenschaften übertragen.

      Dementsprechend gibt es auch keine objektiven physischen, chemischen oder biologischen Erkenntnisse mehr. Was im Falle dieser intersubjektiv wie interkulturell übertragbaren Beobachtungen, die ausnahmslos alle – anders als soziale Wirklichkeit – dem Popperschen Falsifikationsprinzip unterworfen sind, überhaupt keinen Sinn macht und zur beobachtbaren zunehmenden Wissenschaftsfeindlichkeit des angeblich „aufgeklärten“ Westens nicht unerheblich beiträgt. WokoHaram ist genauso wissenschafts- und erkenntnisfeindlich, wie der heutige Rechtspopulismus oder Rechtsradikalismus, nur auf anderen Feldern.

      Natürlich ist eine solide Betonmauer kein „sprachliches Konstrukt“ und keine wie auch immer geartete Neuinterpretation dieser Mauer wird jemals dazu führen, dass ich mich nicht verletze, wenn ich da mit Schwung gegenlaufe :-). Diese Basisrealität im täglichen veröffentlichten Diskurs ebenso anzugreifen, wie in den höheren Bildungsanstalten, ist mein Hauptgrund dafür, dass ich die Wokis für die heute und aktuell gefährlichste Bedrohung der Grundlagen westlicher Zivilisation halte. Sie haben – anders als die Rechtsradikalen – die Macht und die Mittel, das Wissenschaftssystem von innen, in den Institutionen, auszuhöhlen.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

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