Der Supreme Court stellt Poller an Universitäten auf, um Bidens Erinnerung an den Holocaust in Russland zu schärfen – Vermischtes 31.01.2022

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) America’s long record of judicial despotism

The ruling is one more piece of evidence for a larger truth: America has a de facto judicial tyranny, and it’s unlikely to change. If the current conservative justices retire strategically, as they generally have done, Democrats would have to control the presidency for something like 20 consecutive years — while holding the Senate when there are seats to be filled — to have a fair shot at taking back the court majority. Realistically, absent adding more justices to the court or other extreme measures, we’ll not see a liberal majority again in our lifetimes, and Democratic presidents will find their every move stymied by the conservative bloc. Yet this isn’t the first time of judicial despotism in American history. The Supreme Court has often acted exactly as it is doing today, and that history is worth reviewing now. […] Sure enough, something like three quarters of the history of the Supreme Court is a miserable sequence of rich racists rigging up constitutional arguments for white supremacy and corporate power with arguments ranging in plausibility from the dubious to the completely preposterous. […] When a handful of rich legal clerics have the option to dominate society, they will. History suggests America will always have a de facto judicial tyranny as long as we have the Supreme Court as we know it. (Ryan Cooper, The Week)

Wir können beim Supreme Court eine rapide Verwandlung in ein statuenhaftes Zerrbild beobachten, wie ich das für das Beispiel von MLK letzthin diskutiert habe. Bis vor historisch recht kurzer Zeit war der Supreme Court voll von politischen Ernennungen. Bis in die 1980er Jahre hinein wurden seine Mitglieder und vor allem Vorsitzenden nach ihrer Treue zur Partei ausgewählt, die Mitgliedschaft im Gremium sicherlich kein Ausweis höchstes juristischer Fähigkeiten. Inzwischen wird er behandelt, als fänden sich dort die besten Jurist*innen des Landes, als oberste Stufe eines juristischen Championship-Bracket. Aber alles was damit erreicht wird ist, möglichst radikale und vor allem möglichst junge Menschen in den Gerichtshof zu bringen. Die letzte halbwegs traditionelle Nominierung war Merrick Garland 2016. Der hatte noch überparteiliche Unterstützung (bevor er vom ersten schwarzen Präsidenten nominiert wurde, versteht sich), war in seinen späten Fünfzigern und galt als moderat. Seither werden radikale junge Leute nominiert, und Bidens neue Nominierung für Breyers alte Stelle wird nicht anders sein.

2) We still need to figure out how to make voters angry at Republicans

So which is it? Are Democrats doomed if they don’t pass great legislation? Or does it not really matter because voters mostly vote against a party, not for it? I have never run a campaign, but I’ll take door number two. It’s hard for me to think of any good examples where legislation played a key role in a national election. Reagan’s tax cuts, maybe, though even that’s iffy.² Or possibly Bush’s Medicare prescription bill among elderly voters, though there’s not much evidence for that. I have to remind myself all the time that no matter how oblivious we think most voters are, they are even more oblivious than we think. They simply don’t pay attention to politics and haven’t got the slightest idea of what legislation is pending or whether Joe Manchin is being a dick. Hell, even the stuff they think they know is usually wrong. So from an electoral point of view, nobody should be worrying about the failure of voting rights or BBB. It’s far more important to make swing voters afraid of Republicans. You’d think that would be pretty easy these days, but so far Democrats haven’t found the magic key. A strong economy will keep us in the game, but we still need a killer app against the party of the Big Lie. (Kevin Drum, Jabberwocky)

Die Unfähigkeit der politischen Linken zum Wahlkampf ist dieseits wie jenseits des Atlantiks beachtlich. Vor allem die fehlende Emotionalisierung, die Drum hier hervorhebt, ist auffällig. Ich teile auch Drums Unklarheit darüber, was es sein könnte, das man der Gegenseite wirkungsvoll um den Hals hängen könnte, aber solange eine solche Geschichte nicht existiert, wird man es immer schwer haben. Im Wahlkampf 2021 hat die CDU sich dankenswerterweise selbst darum gekümmert, eine solche Geschichte zu produzieren und durch eine Anti-CDU-Wahl eine Ampel-Mehrheit zu produzieren, aber den Gefallen wird sie den Progressiven sicher nicht nochmal tun. Auch Biden kam jetzt nicht eben ins Amt, weil die Wählenden die Democrats so geil fänden, die Kongresswahlergebnisse sprechen da eine eindeutige Sprache. Es war eine Anti-Trump-Wahl, und es gibt keine Garantie, dass das nochmal funktioniert.

3) Ohne Poller geht gar nichts

Schön ist anders, stimmt schon. Dass immer mehr Poller in Berlin aufgestellt werden, ist nicht durchweg ästhetisch, zum Beispiel am Horstweg in Charlottenburg (mehr hier in unserem Bezirks-Newsletter). Aber eins ist auch klar: Wo kein Poller steht, da steht Blech. Oder es rollt. Autofahrende scheinen in Berlin zu meinen, dass ihnen der öffentliche Raum gehört: Plätze, Rad- und Gehwege, Straßenecken, Überwege, Feuerwehrzufahrten, sogar Baumscheiben und Grünflächen werden befahren und beparkt. […] Diese raumgreifende Aufdringlichkeit ist Folge des jahrzehntelangen Laisser-faire, einer „Berliner Linie“, die für Autoverkehr jedes Verständnis aufbringt und alles andere aus den Augen verliert. So lange Polizei und Politik nicht umsteuern, gibt’s Poller. (Markus Hesselmann, Tagesspiegel)

Ich betone das immer wieder: die Polizei und das ganze darunterliegende Rechts- und Verwaltungssystem habet einen starken Pro-Auto-Bias. Verstöße durch Autos gegen die StVO sind ziemlich milde bestraft und werden kaum kontrolliert. Dazu kommt die ganze mangelhafte Infrastruktur für Fahrradfahrende, ob in Stadt oder auf dem Land. Das Umdenken wird hier nicht mit netten Apellen kommen, sondern nur, indem man die Autofahrenden zwingt, sich an bestehende Regeln zu halten. Und da braucht es dann halt eben auch so was wie Poller. Von verkehrsberuhigten Zonen, Fahrbahneinschränkungen und besserer Infrastruktur für Radfahrende brauchen wir gar nicht anfangen. Deutschland ist da anderen europäischen Ländern ziemlich hinterher.

4) Prüfungskultur an Hochschulen

Ausgangslage ist folgende: Traditionelle Prüfungen an Schulen und insbesondere Gymnasien werden oft damit legitimiert, dass sie eine zentrale Vorbereitung für ein Studium darstellen. Wer erfolgreich studieren will, muss traditionelle Prüfungen absolvieren können – und damit meine ich: alle Mitglieder einer Lerngruppe werden eingeschlossen und müssen isoliert und mit sehr wenigen zugelassenen Hilfsmitteln Aufgaben lösen, die nach einer vorgegebenen Musterlösung bepunktet werden. Diese Prüfungssituation an Hochschulen wird als gegeben und unveränderlich angeschaut, obwohl sie hochproblematisch, eigentlich skandalös ist. […] Diese entkoppeln die Lernkultur in Seminaren, wo kooperativ und poly-perspektivisch gelernt wird, von der Prüfungskultur – was dazu führt, dass die Lernkultur leider und Studierende sich bei Gruppenarbeiten und Präsentationen ausklinken, weil sie wissen, dass solche Methoden für Prüfungssessionen wertlos sind. Prüfungen werden ohne jedes Feedback und oft Wochen nach dem Prüfungstermin zurückgegeben, es wird nicht einmal versucht, die Prüfungen in den Lernprozess zu integrieren. Mehr noch: Wie César Hidalgo kürzlich dargelegt hat, hindern Prüfungen Studierende daran, wesentliche Kompetenzen zu erwerben, sie machen sie abhängig von Vorgaben und Dozierenden und verhindern, dass sie Verantwortung für ihre Entwicklung und für Projekte übernehmen können. Hochschulen müssen ihre Prüfungskultur so schnell wie möglich radikal überdenken. Sie ist überholt und schädlich. Studierende brauchen mehr Feedback und weniger Abhängigkeit. (Philippe Wampfler, Schule Social Media)

Der Zusammenhang zwischen der Prüfungskultur an Hochschulen und der an Schulen, den Wampfler hier aufmacht, ist richtig und konsequent. Ich würde das noch einen Schritt weiterführen: die Fachkultur an den Universitäten beeinflusst wiederum die an den Schulen, weil dort ja die Lehrkräfte ausgebildet werden. Wenn etwa, ganz zufälliges Beispiel, an den Universitäten in Mathematik eine Fachkultur herrscht, die stets auf die mathematische Schulbildung herabsieht und Lehramtsstudierende eher als Unterklasse betrachtet, wenn es im Fach normal ist, mit regelmäßigen, brutalen Prüfungen auszusieben, dann wird sich das auch an die Schulen fortpflanzen. Das sind ja kommunizierende Röhren. Und das ganze geht dann wiederum in alle anderen Bereiche über, weil die meisten Leute aus diesem System ja rausgehen und außerhalb des Bildungssystems Anstellung finden. Auf die Art reproduzieren sich Vorurteile permanent. Und am Ende wundern sich alle, warum die PISA-Werte so schlecht sind.

5) Why Biden’s Losing Fight for Voting Rights Was Still the Best Plan

Democrats are planning to mobilize their voters this way again in November. But when they mobilize their voters against voter suppression in the fall, the voters are going to want to know what Democrats did to block those laws. They can’t very well organize against voter-suppression laws if they haven’t tried to fight those laws in the first place. Devoting a week or so of national debate to Democratic efforts to pass voting-rights bills seems like a necessary part of a countermobilization strategy. […] Now, maybe the Democrats’ plan to stage a big fight over voting rights will backfire. But the grim truth is that Democrats don’t have a clear strategic win. They are fighting against a party that has taken on an increasingly authoritarian cast, and even the “moderate” Republicans have taken a position — that the federal government has no right to erect voting-rights protections — that would have been considered extreme a couple decades ago. Alternative strategies, like backup quarterbacks, always look more attractive when the first option is losing. But sometimes there isn’t a better strategy than fighting like hell and hoping for the best. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Ich denke, Chait beschreibt hier effektiv eine grundsätzlich korrekte Dynamik, über die ich schon in anderem Kontext geschrieben habe: die Verschiebung des Overton-Fensters. Manchmal muss man politische Kämpfe auch deswegen ausfechten, um den Bereich des Vorstellbaren zu verschieben, so dass etwas machbar wird. Ja, die Democrats sind mit ihren voting rights bills gescheitert, aber es hing nur noch an zwei Senator*innen, Manchin und Siema, die bei vielen Punkten ein Hindernis sind. Der ganze Rest der Partei steht geschlossen dahinter, und das war vor kurzer Zeit bei weitem nicht so. Dadurch ist das Thema zudem in der öffentlichen Auseinandersetzung endgültig ein parteiisches: Republicans dagegen, Democrats dafür. Das garantiert natürlich keine Mehrheiten, aber es ermöglicht die Umsetzung, weil es der Frage, ob man es überhaupt machen soll, enthoben ist. Jetzt geht es „nur“ noch um die Machtfrage.

6) The futility of Biden’s 1st year // One year into his presidency, Biden’s accomplishments have been short-changed

It was supposed to be „an FDR-sized presidency.“ In the spring and summer of 2020, after Joe Biden had rolled up the Democratic nomination and polls were predicting a decisive, double-digit victory over incumbent President Donald Trump plus big gains in Congress, the possibility of a real governing majority for Democrats felt tantalizingly real. Instead, the election was closer than anticipated, leaving the new president with almost unworkably narrow majorities in the House and especially the Senate. In the year since his hopeful inauguration, President Biden has been frustrated at almost every turn. […] Progressive hopes for a truly transformative presidential term are dead, but there’s still time enough before the midterms to ensure the Democratic trifecta doesn’t die, too. (David Faris, Washington Monthly)

For four years, the phrase “infrastructure week” was a punchline. A metaphor for the abysmal failure that was supposed to be Donald Trump’s signature legislative achievement. It took Joe Biden less than a year to make good on a transformational piece of legislation that will reshape America’s cities, towns and communities. If Biden achieved little else for the rest of his term, the enactment of the bipartisan Infrastructure Investment and Jobs Act would be enough to cement his record for tangibly improving the lives of Americans. And yet, I can’t help but think that Biden has been short-changed in how his first year has been framed by the mainstream media, which has largely been guided by the playbook of politics-as-usual. (Kurt Bardella, LA Times)

Mich nervt diese Debatte ungeheuer, weil sie so dämlich ist. Es war nicht „supposed to be an FDR sized presidency„. Wie die LA Times oder auch dieser Artikel im Atlantic hinreichend deutlich macht, ist das eine völlige Überreaktion auf die unerwartete Mehrheit im Senat, die die Democrats quasi als verspätetes Weihnachtsgeschenk bekamen. Es gibt keine politische Mehrheit für einen New Deal. FDR segelte mit riesigen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses ins Amt, die er noch ausbaute. Dasselbe gilt übrigens für Lyndon Johnson, den anderen innenpolitischen Säulenheiligen umfassender Reformen. Mit überwältigenden Mehrheiten kann ich halt auch mehr erreichen als mit einer, die auf der Vizepräsidentin als Gleichstandsbrecherin basiert und in der Manchin und Siema die entscheidenden Stimmen sind. Dieses journalistische Genre, erst völlig überzogene Erwartungen aufzubauen und dann genau das Nichteintreffen dieser Erwartungen zu bejammern – erst hoch- und dann runterschreiben – ist so eine Katastrophe. Das kann man gerne den Aktivist*innen der jeweiligen Seite überlassen, die das wahrlich in erschöpfendem Maße betreiben.

7) Kipppunkt erreicht?

Und dann sagt in einer Einstellung eine Frau, die auf einer Demonstration mitmarschiert, etwas ganz Zentrales: „Das hat mit Corona hier schon lange nichts mehr zu tun, schon lange nicht mehr.“ Die „Zeit der Aufklärung“ sei das Jahr 2020 gewesen. 2021 sei des „Jahr des Widerstands“ gewesen. „Und dieses Jahr wird’s kippen“, sagt sie. Die Berichterstattung wird sich möglicherweise schon bald vom Narrativ der Corona-Demonstrationen verabschieden müssen. Der Widerstand gegen die Regeln ist in vielen Fällen das Tor, das ohne große Barrieren den Eintritt in eine Protestbewegung ebnet, in der es vielen längst um etwas Größeres geht als die Impf- oder Maskenpflicht, nämlich um den Kampf gegen ein demokratisches System, das Entscheidungen möglich macht, die den eigenen Überzeugungen widersprechen. Das Verständnis von Demokratie ähnelt hier dem von der DDR-Regierung gepflegten, die ihre Diktatur ja fälschlicherweise auch Demokratie nannte. Immer öfter kommt es zu Gewalt. Und das verändere die Berichterstattung, hat Ole Kracht von Katapult MV beobachtet. Er sagt: „Für mich entsteht da ein Machtvakuum, auf der Straße, bei Veranstaltungen.“ Er wisse, dass Texte nicht mehr so geschrieben werden, wie sie geschrieben werden müssten, weil die Menschen, die schreiben, in Kleinstädten leben und sich vor den Folgen fürchten. „Wenn da jemand weiß, dass du Redakteur bist oder Journalist, und deinen Text liest, ist es nicht schwer, bei dir zu Hause mal vorbeizuschauen.“ Amelia Wischnewski, die Autorin des Beitrags, berichtet, sie stoße immer öfter auf freie Journalistinnen oder Journalisten, die ihre Berichterstattung einstellen. (Ralf Heimann, MDR; Hervorhebungen im Original)

Dass es bei dieser Kritik nicht (nur) um Corona und die Maßnahmen geht, sollte eigentlich unstrittig sein. Das Meme vom „Widerstand“ drückt vielmehr einen allgemeinen Vertrauensverlust aus, sowohl in den Staat als auch in „die Medien“, wer auch immer damit dann konkret gemeint sein sollte (die meisten haben dann ja doch irgendein Lieblingsmedium, dem sie vertrauen; ausschließlich in verschwörungstheoretischen Kreisen und Telegram unterwegs ist ja nur eine kleine Minderheit). Was man dagegen tun kann, ist mir allerdings auch nicht wirklich klar.

Völlig klar ist dagegen, was man gegen die zunehmende Gefährlichkeit der Bewegung, ihre Radikalisierung und das Abgleiten in den Terror machen sollte. Das ist ein polizeiliches Problem. Man muss ja echt nicht warten, bis das Ding von Randale und einzelnen Akten des „Widerstands“ zu echtem Terrorismus gegen die echten und scheinbarenden Vertretenden des „Schweinesystems“ geht; da hat man in der Geschichte der RAF genauso Anhaltspunkte wie bei der Entwicklung von NSU und Co.

8) Historiker Wagner kritisiert Art der Aufarbeitung der NS-Zeit

Eine offensichtliche Abwehrreaktion ist ja die Verdrängung. Fast 29 Prozent der Deutschen sind nach einer Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld aus dem Jahr 2019 der Meinung, ihre Vorfahren seien im Widerstand gewesen und hätten Opfern geholfen. Tatsächlich lag dieser Anteil bei unter einem Prozent. Was ist gegen derartige Verdrängung schmerzhafter Tatsachen zu tun?

Jens-Christian Wagner: Die heutige Erinnerungskultur hat sich viel zu lange darauf beschränkt zu trauern. Auch wenn es richtig ist, um die Opfer zu trauern, fehlt das Nachdenken darüber, warum diese Menschen überhaupt zu Opfern geworden sind. Das wiederum heißt, nachzufragen, warum viele mitgemacht haben, und zwar nur in den wenigsten Fällen auf Befehl. Das Regime hat diesen Menschen nämlich Integrationsangebote gemacht, die bereitwillig angenommen wurden. Das emotionale Angebot, dazuzugehören zum Beispiel, dieses Wechselspiel zwischen „Die“ und „Wir“. Oder Kriminalisierungsdiskurse: Man erzählte, dass KZ-Häftlinge gefährliche Verbrecher seien. Oder Verheißungen der Ungleichheit: Den Deutschen wurde erzählt, es gehe ihnen besser, wenn es anderen, etwa den Juden oder den Zwangsarbeitern, schlechter geht. Das hatte subjektive Aufstiegserfahrungen zur Folge. Die Arbeiter, die vorher in der Hierarchie ganz unten standen, hatten in den Zwangsarbeitern plötzlich jemanden, der noch weiter unten stand. Rassismus, Antisemitismus und autoritäres Denken spielte bei all dem auch eine Rolle.

Mitunter wird die Einrichtung von Gedenkorten sogar bekämpft. Auf dem Bückeberg bei Hameln, wo einst die Reichserntedankfeste stattfanden, ist ein „Dokumentations- und Lernort“ entstanden, der vor Ort auf massiven Widerstand traf. Woran liegt diese Aversion?

Jens-Christian Wagner: Bei der Einrichtung dieses Orts auf dem Bückeberg war ich als Leiter der niedersächsischen Gedenkstättenstiftung beteiligt, und habe in der ganzen Zeit meiner Arbeit für Gedenkstätten noch nie so eine aggressive Anti-Stimmung erlebt. Ich glaube, wenn es am Bückeberg ein KZ gegeben hätte und man hätte dort eine Gedenkstätte für das KZ eingerichtet, hätte es weniger Protest gegeben. Und zwar genau aus dem Grund, dass da die Täterschaft externalisiert werden kann auf die böse SS, die angeblich mit den normalen Menschen nichts zu tun hatte. Das meine ich mit „Trauern ohne Nachdenken“ und ohne die Frage zu stellen, warum es überhaupt zu diesen Verbrechen kam. Denn wenn man sich diese Frage stellt, muss man sich mit der deutschen Gesellschaft auseinandersetzen. Und genau das wird am Bückeberg getan, wo die Massen ihrem Führer freudetaumelnd zugejubelt haben. (Nils Sandrisser, Migazin)

Ich teile sie Sorgen Wagners völlig. Zu guten Teilen dafür mitverantwortlich ist diese auch von ihm erwähnte scheiß Widerstandsgeschichte, über die ich ja auch geschrieben habe. Die Deutschen geben sich permanent der kollektiven Fantasie hin, dass man selbst im Widerstand gewesen wäre, und verklären die Nazis zu Comic-Bösewichten. Das ist eine Falle, in die etwa auch das neueste ZDF-Kammerspiel „Die Wannseekonferenz“ fällt: Anstatt gerade die „Banalität des Bösen“ zu betonen, um das ausgelutschte Arendt-Zitat mal wieder hervorzukramen, finden wir overacting und cartoonhafte Nazi-Bösewichte, mit denen zu identifizieren sich praktisch ausgeschlossen ist. Man wendet sich in wohligem Grusel ab, sicher im Bewusstsein, dass man selbst das niemals könnte und dass es sich auch nicht wiederholen kann. Aber genau das ist der Irrtum dahinter.

9) What can Joe Biden do to help the Black community more?

General safety net programs are aimed not at racial minorities, but at low-income workers. However, the reality is that they help three times more Black families than white families. That’s a real difference. I have long supported class-based rather than race-based affirmative action. This is not because class-based affirmative action is just as good. It isn’t. But it’s close, and it has enormous benefits. First, it’s entirely legal. Second, it has much greater public support. And third, it’s politically superior because it brings together lots of constituencies who can help get things passed. None of this means the end of programs aimed at specific nonwhite groups. Native Americans will continue to have specific issues based on treaty rights. Hispanic groups will watch immigration policies carefully. The Black community will continue to be disproportionately affected by voter suppression laws. And then there’s the biggest racial issue of all: education. As regular readers know, I consider this to be the most potent form of racial discrimination in America today. It’s primarily a local issue, which means Joe Biden has a limited scope to deal with it, but there’s nothing else that comes close to the damage it does. Until we decide to educate Black kids as well as we educate white kids, we will never make more than halting and modest improvements in racial oppression. (Kevin Drum, Jabberwocky)

Ich gebe Drum Recht, was die politische Seite dieser Maßnahmen angeht. Es ist wesentlich leichter, allgemeine Maßnahmen für ärmere Menschen aufzulegen, als spezifisch Programme für die schwarze Minderheit zu erschaffen. Das ist generell etwas, das die politische Linke tun sollte: lieber allgemeine Programme, die auch oder sogar vordringlich der erwünschten diskriminierten Minderheit helfen, als zu zielgesteuerte Partikularpolitik.

Ich würde allerdings hinzufügen, dass Maßnahmen für arme Menschen politisch ebenfalls noch eine große Herausforderung sind. Arme Menschen wählen im Schnitt wesentlich seltener, und die Bereitschaft der Mittelschichten, sozialstaatliche Maßnahmen für diejenigen, die sie eigentlich bräuchten, zu finanzieren, ist eher gering, weswegen ja auch so viel Sozialstaat im Endeffekt ein Programm von der Mittelschicht für die Mittelschicht ist und so wenig dazu leistet, gesellschaftliche Ungleichheit zu reduzieren und Armut zu beseitigen.

10) The fantasy of a Trump-slaying Republican

The only significant thing that has changed since Trump left office is that he’s succeeded in convincing an overwhelming majority of his party’s voters to embrace the Big Lie about the 2020 election. (Recent polls show something like 71 percent of Republicans think the 2020 election was „definitely not“ or „probably not“ legitimate.) This development, though civically appalling and extremely dangerous, will actually help Trump immeasurably in the 2024 primaries. To see why, let’s imagine how the early stages of the contest would unfold. Trump, DeSantis, Pence, and the others are standing together on a debate stage in the fall of 2023. The moderator opens by addressing DeSantis: Donald Trump says the 2020 election was stolen from him and that Joe Biden is an illegitimate president. Do you agree? What exactly is DeSantis supposed to say in response? One option would be to answer truthfully — which is to say, in the negative: No, the election wasn’t stolen, and Biden won fair and square. But this would automatically place DeSantis on the opposite side of that 71 percent of Republicans and open him up to an onslaught of abuse from Trump himself. DeSantis would be labeled a cuck and a weakling who refuses to fight and would let the Democrats get away with murder from Day One of a DeSantis administration. If, instead, DeSantis offered a tepid endorsement of the election fraud conspiracy, voters will be left to wonder why they should favor that second-best alternative over the man who was personally stabbed in the back and craves vengeance for himself and his party. (Ryan Cooper, The Week)

Die Aussichten sind echt extrem düster, was 2022 und 2024 angeht. Die Republicans marschieren immer weiter auf dem Marsch zur autokratischen Partei, die auf Lügen basiert. Dass diese Lügen überhaupt solche Beharrungskraft haben, liegt an der abgeschlossenen Blase des US-Mediensystems. Dank FOX News, OAN und Co werden diese Lügen als Realität in die Wohnzimmer von fast 40% der Amerikaner*innen gepumpt. Ich bin immer mehr der Überzeugung, dass dieses Fehlen eines solchen Mediensystems in Deutschland das Einzige ist, dass uns von demselben Weg abhält. Was wiederum zu der Debatte von letzter Woche zurückführt: egal, wie unzureichend man unser System findet, gegen dieses Geschmeiß muss man es verteidigen, weil das die Konsequenz ist, wenn die ihren Willen kriegen.

11) Deutsche Irrtümer

Ich habe diese Entspannungspolitik hier kurz skizziert, weil sie in letzter Zeit von SPD-Politikern immer wieder als Begründung für die politische Zurückhaltung vorgebracht wird, wenn es um das aktuelle russische Drohszenario gegen die Ukraine geht. Doch diese Entspannungspolitik in den 1970er-Jahren hat nichts mit der Gegenwart zu tun. Gar nichts. Vor fünfzig Jahren ging es darum, in einer Zeit hochgerüsteter Militärbündnisse eine direkte Konfrontation mitten in Europa durch Abrüstung und diplomatische Gespräche zu verhindern und den Menschen im Osten wenigstens die Hoffnung auf Erleichterungen hinter dem „Eisernen Vorhang“ zu geben. Der Begriff „Entspannungspolitik“ wird zur Zeit als Blendwerk eingesetzt, um die distanzierte Haltung Deutschlands als Fortsetzung einer Tradition erfolgreicher und ehrbarer Politik sozialdemokratischer Kanzler wie Willy Brandt und Helmut Schmidt zu erklären. Wirklich: Nichts könnte irrealer sein. Und wenn es darauf angekommen wäre, hätte die Entspannungspolitik damals ein zweites „Prag“, also einen Einmarsch von Staaten des Warschauer Pakts in einen westwärts strebenden Staat Osteuropas, nicht verhindern können. Wieso die SPD also für ein Mittel wirbt, dass in der jetzigen Situation untauglich ist, wird ihr Geheimnis bleiben. […] Womit wir wieder bei den schon erwähnten Großmeistern deutscher Irrtümer sind: der Linken. Nach ihrem Verständnis befindet sich Russland in einem Verteidigungskampf gegen die NATO. Wie diese Behauptung mit den Fakten einer geschwächten NATO zusammenzubringen sind, bleibt auf ewig schleierhaft. Aber die deutschen Linken bleiben trotzdem die treuesten Vasallen Russlands, als hingen in ihren Büros noch immer die Kalender aus dem Jahre 1983, das Magazin Sowjetunion heute läge noch aus und der Verlag Pahl-Rugenstein existierte noch. Dabei ist Russland nun alles andere als die Hoffnung der internationalen Arbeiterklasse. Aber Identitäten sind halt sehr starr. Man legt sie sich ja zu, um sich nicht verändern zu müssen. Und damit kennt sich die Linke sehr gut aus. Vor allem ihr gemeinsamer Antiamerikanismus ist unverbrüchlich, dicht gefolgt von der Abneigung gegen den Westen, seine liberalen Demokratien und den Kapitalismus. (Bernd Rheinberg, Salonkolumnisten)

Ich habe in meinem Artikel zu den Ursprüngen des Anti-Amerikanismus bereits vor mittlerweile zehn Jahren darauf hingewiesen, dass diese Strömung in Deutschland sehr stark verankert ist – übrigens rechts wie links. Im Großteil der bundesrepublikanischen Geschichte war er aber vor allem links relevant, weil die Westbindung als Staatsräson die Rechte disziplinierte; wir sehen aber an der AfD, dass mit dem Wegfall dieser Staatsräson der rechte Anti-Amerikanismus auch fröhliche Urständ feiert. War nie wirklich weg, hat sich nur versteckt.

Aber zurück zu den Linken, die die viel schlimmeren Täter*innen auf diesem Feld sind. Für die Begründung empfehle ich die Lektüre meines alten Artikels, ich will an der Stelle nur kurz Rheinberg unterstützen, der auf die „Entspannungs-“ beziehungsweise „Ostpolitik“ als Leitstern der SPD verweist (die wiederum aktuell das größte außenpolitische Problem darstellt; die LINKE ist ja eh völlig hoffnungslos). Die Nostalgie der SPD für die Ostpolitik entspringt einer völligen Fehlanalyse dessen, aus was diese bestand und wie sie funktionierte (das erfordert glaube ich aber einen eigenen Artikel), und diese Fehlanalyse wird dann auf das heutige Russland angewendet, mit den bekannten Folgen. Echt ein Trauerspiel.

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  • R.A. 31. Januar 2022, 11:12

    2.) „Vor allem die fehlende Emotionalisierung, …, ist auffällig“
    Vielleicht in den USA, da kenne ich mich zu wenig aus.
    Aber bestimmt nicht in Deutschland. Da arbeitet linker Wahlkampf (vor allem bei den Grünen) ganz überwiegend mit Emotionalisiserung.

    3.) „Und da braucht es dann halt eben auch so was wie Poller.“
    Nur selten. In den fahrradfreundlichen Ländern gibt es in der Regel viel weniger Poller und andere häßliche Stadtmöbel als in Deutschland inzwischen üblich.
    Weil die deutsche Verkehrspolitik das Pferd von hinten aufzäumt: Man versucht den Autoverkehr möglichst wegzuquetschen. Man streicht Fahrspuren, verhängt Tempolimits, baut Parkplätze ab und glaubt dadurch das Autofahren so unattraktiv machen zu können, daß die Leute aufs Rad umsteigen.
    Da der Autoverkehr aber immer noch notwendig ist, versaut man den Leuten zwar die Lebensqualität, aber die Autos fahren (und parken) immer noch. Notfalls halt illegal, wenn es legal nicht mehr geht.

    Wenn man sich z. B. Holland anschaut, wurde umgekehrt geplant: Zuerst hat man die Infrastruktur sowohl für den notwendigen Teil des Autoverkehrs als auch für die Radfahrer geschaffen. Und dann läuft Beides ohne große Konflikte.
    Typisch: Ziemlich jede Stadt hat ringsum einen geschlossenen Ring an Umgehungsstraßen (meist vierspurig). Von dort gehen Stichstraßen in die Stadt, in den Stadtvierteln gibt es für Autos nur noch Endverteilung in verkehrsberuhigten Straßen. Mit anderen Worten: Von A nach B innerhalb einer Stadt fährt man ein paar Minuten langsam zur nächsten Stichstraße, dann über den Ring, dann wieder hinein und langsam die letzten Meter.
    Der Autoverkehr läuft also viel besser als in den deutschen Innenstadtstraßen mit ihren vielen Verkehrsbehinderungen.
    Und trotzdem bietet die verkehrsberuhigte Fläche prima Platz für die Radfahrer (die außerdem gut ausgebaute Haupttrassen haben).

    7.) „Das Meme vom „Widerstand“ drückt vielmehr einen allgemeinen Vertrauensverlust aus, sowohl in den Staat als auch in „die Medien““
    Richtig. Und dieser Vertrauensverlust kommt nicht von Telegram irgendwelchen Extremisten, die diese Unzufriedenheit jetzt ausnutzen.
    Sondern diesen Vertrauensverlust haben Politik und Medien über Jahre verursacht.
    Und wenn man sieht, wen die Grünen gerade in ihre Führung gewählt haben: Die haben den Schuß jedenfalls noch nicht gehört.

    8.) „Die Deutschen geben sich permanent der kollektiven Fantasie hin, dass man selbst im Widerstand gewesen wäre“
    DAS wäre nicht das Problem. Sondern im Gegenteil würde ich gerne hoffen, daß die heutigen demokratisch erzogenen Deutschen in so einer Situation Widerstand leisten würden (ich befürchte aber, daß die demokratische Erziehung da nicht viel gebracht hat).
    Problematisch ist nur, daß sie ihre potentielle Widerstandsbereitschaft auf ihre Vorfahren projezieren.

    9.) „die Bereitschaft der Mittelschichten, sozialstaatliche Maßnahmen für diejenigen, die sie eigentlich bräuchten, zu finanzieren, ist eher gering“
    Eigentlich nicht. Schließlich werden für diesen Zweck sehr viele Milliarden aufgewendet.
    Und zwar erfolgreich: Es gibt in Deutschland fast keine Armut mehr und in vielen sozialen Notlagen wird effektiv geholfen.

    Nur: Das wird von den Sozial-Lobbies geleugnet und die Transfers ignoriert (siehe auch „Vertrauensverlust in die Medien“). Fast täglich bekommt man Meldungen serviert als würden die unteren Schichten finanziell ausgebeutet, als gäbe es massenhaft Armut und als würde die Lage immer schlimmer.
    Angesichts dieser offenkundig falschen Propaganda gibt es halt keine Bereitschaft der zahlenden Schichten mehr, noch weitere Milliarden in die Transfers zu stecken.
    Und damit trifft es leider auch einige soziale Maßnahmen, wo tatsächlich noch Handlungsbedarf besteht.

    • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 14:17

      2) Nicht gegen den politischen Gegner, darauf bezog sich das ja. Die Progressiven versuchen natürlich auch zu emotionalisieren, aber anhand der issues (was nicht gut funktioniert).

      3) Korrekt. Die Infrastrukturpolitik ist zum Kotzen. Dass Autofahrende meinen, sie müssten sich nicht an Regeln halten, ist aber trotzdem ein Problem.

      7) Keine Ahnung was bei den Grünen los ist, aber sonst Zustimmung.

      8) Ich halte das für ein Gerücht. Aber ja, unabhängig davon ist auch die Projektion ein Problem.

      9) Da sind wir wieder auf dem Feld der Armutsdefinition…

      • R.A. 31. Januar 2022, 15:23

        2.) Aber in erster Linie gegen den politischen Gegner. Wahlkampf gegen die FDP wird in erster Linie ad personam Lindner (oder früher ad personam Westerwelle) geführt – die issues der Liberalen kennt ja inhaltlich kaum jemand.
        Auch seinerzeit gegen Kohl ging das persönlich. Nur Merkel hatte mit ihrer grünen Teflonschicht wenig Angriffsfläche.

        3.) Regelverstöße von Autofahrern kommen vor, angesichts der großen Zahl ist das auch logisch. Sie werden aber sehr viel mehr verfolgt als die vieler anderer Gruppen (insbesondere der Radfahrer). Ein echtes Problem sind sie eigentlich nicht, in der Regel sind sie maximal ein Ärgernis für irgendeinen Nachbarn.

        8.) Was genau siehst Du als Gerücht? Daß sich viele Deutsche als potentielle Widerständler im Falle einer Diktatur sehen oder daß ich das bezweifele.

        9.) Auch. Aber im wesentlichen ist es falsch, daß die Mittelschicht nicht zahlungsbereit zugunsten von Hilfsbedürftigen wäre.
        Aber sie ist es halt nicht unbegrenzt angesichts immer weiter gefaßter Bedürftigkeitsregeln.

        • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 16:37

          2) Ich hätte keinen Anti-Lindner-Wahlkampf mitbekommen. Man hat auch keinen Anti-Laschet-Wahlkampf gemacht (war auch nicht nötig, das haben die Medien und die CDU besorgt).

          8) Ich glaube nicht, dass die Widerstandsquoten heute höher wären.

      • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 16:49

        @ Stefan Sasse 31. Januar 2022, 14:17

        3) Korrekt. Die Infrastrukturpolitik ist zum Kotzen. Dass Autofahrende meinen, sie müssten sich nicht an Regeln halten, ist aber trotzdem ein Problem.

        Die allermeisten Autofahrer halten sich die allermeiste Zeit an die Regeln; etwa in gleichem Maße wie Fußgänger. Aber so sehr ich mich als Radfahrer über gewisse Rücksichtslosigkeiten von Autofahrern selbst ärgere, so sehe ich doch viel größeres Fehlverhalten, etwa extrem unangepasste Geschwindigkeiten in Fußgängerzonen, Ignorieren von Fahrspuren, bewusste Aggressionen gegenüber Fußgängern und Autofahrern bis hin zu Gewalt deutlich eher bei den Radfahrern.

        9) Da sind wir wieder auf dem Feld der Armutsdefinition …

        🙂

    • CitizenK 31. Januar 2022, 18:25

      Wenn man sich z. B. in Frankreich umschaut, dann sieht man überall Poller, wo früher die Autos parkten. In Paris gilt Tempo 30 (wie in Spaniens Städten auf einspurigen Straßen). Hidalgo wurde nicht trotz, sondern wegen ihres „Kampfes gegen das Auto“ wiedergewählt.

      https://www.deutschlandfunk.de/zukunft-der-mobilitaet-pariser-kampf-gegen-das-auto-100.html

      In Holland hat man geplant, als bei uns noch die „autogerechte Stadt“ das Maß aller Dinge war.

      • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 19:42

        Ja, sehe ich auch so.

      • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 21:15

        @ CitizenK 31. Januar 2022, 18:25

        In Holland hat man geplant, als bei uns noch die „autogerechte Stadt“ das Maß aller Dinge war.

        Das ist wieder so ein Satz, wo ich bereits beim Lesen Kopfweh bekomme.

        Die Niederlande sind platt, keine Hügel, keine Berge. Und sie sind überschaubar klein. Dass dort Fahrräder eine grundsätzlich andere Rolle spielen, und dass ich die Situation dort nicht mit hier vergleichen kann, sollte doch klar sein. Und auch hier – im Hinblick auf die stärkere Gewichtung des Autos in Deutschland – die Frage, wie viele niederländische Autohersteller es gibt, und wie viele Menschen bei denen angestellt sind, und wie viele Steuern über niederländische Autohersteller in den Staatsetat fließen.

        Im Vergleichen von Äpfeln mit Birnen bist Du echt Spitze …!

        • Detlef Schulze 31. Januar 2022, 22:21

          @Erwin Gabriel
          „Die Niederlande sind platt, keine Hügel, keine Berge. Und sie sind überschaubar klein. Dass dort Fahrräder eine grundsätzlich andere Rolle spielen, und dass ich die Situation dort nicht mit hier vergleichen kann, sollte doch klar sein. “

          Die Fahrrad-Infrastruktur ist viel wichtiger als das Terrain, vor allem heute, wo es E-Bikes gibt. Ich wohne in einer sehr Fahrrad-freundlichen Stadt, mit sehr breiten Fahrradwegen und Fahrrad-Strassen. Viele Menschen benutzen hier das Fahrrad, obwohl die halbe Stadt am Berg liegt. Berlin ist im Vergleich dazu flach wie Amsterdam und trotzdem ist dort die Rad-Infrastruktur einer modernen Grossstadt eher unwuerdig (mein Eindruck von vor 2 Jahren).

          • Ariane 31. Januar 2022, 23:49

            Niedersachsen ist auch eher platt und die Fahrradinfrastruktur kaum bis gar nicht vorhanden^^

            • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 11:30

              @ Ariane 31. Januar 2022, 23:49

              Niedersachsen ist auch eher platt und die Fahrradinfrastruktur kaum bis gar nicht vorhanden

              Hast Recht. Der mittlere Westen der Vereinigten Staaten; zentral-Frankreich und in großen Bereichen von Russland oder China ist ebenfalls flach, und da gibt es kein gut ausgebautes Fahrradnetz. Damit ist mein Argument wohl widerlegt ^^

              • Ariane 1. Februar 2022, 15:24

                Interessanterweise ist hier die Boombranche Fahrradtourismus auch sehr hilfreich, auch wenn das jetzt außerhalb von Großstädten ist. Ist mir aber beim Umzug tatsächlich aufgefallen, dass das in SH deutlich besser war und ist.
                Das spielt ja auch zusammen, Angebot schafft Nachfrage und umgedreht.

                Ich denke, man muss auch erstmal den Gedanken zulassen, dass es auch anders geht. Amsterdam und andere Städte waren genauso autozentriert und es gab ja durchaus auch eher ein Plus zb für den Einzelhandel, wenn er in Fußgängerzonen ist.

                • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 18:18

                  @ Ariane 1. Februar 2022, 15:24

                  Das spielt ja auch zusammen, Angebot schafft Nachfrage und umgedreht.

                  Ich denke, man muss auch erstmal den Gedanken zulassen, dass es auch anders geht.

                  zweimal Zustimmung.

                  Amsterdam und andere Städte waren genauso autozentriert …

                  Bin ich auch bei Dir. Ich spreche ja durchaus nicht dagegen, dass sich etwas in diese Richtung auch hier durchsetzt, und schimpfe schon lange, dass es keine modernen Verkehrskonzepte gibt.

                  Aber das muss eben – gerne wie in Amsterdam – gesund erfolgen, muss ein miteinander werden, nicht ein gegeneinander. Und ist nicht nur die Deutsche Politik, sondern sind auch viele Deutsche schlicht gestrickt, und denken in Kategorien „entweder – oder“. Das halte ich für falsch.

                  Ohne Auto geht es derzeit nicht, und das wird noch eine Weile so bleiben. Also müssen die Ideen dahin gehen, dass man das eine ermöglicht, ohne das andere abzuschaffen. Wie bei den Elektro-Autos: Gibt es eine vernünftige Lade-Infrastruktur, werden die E-Autos zwangsläufig kommen und die Verbrennungsmotoren weitgehend ersetzen.

                  Und ich denke, dass auch Corona hilft, dem Fahrrad mehr Gewicht zu verleihen. Viele urlauben nicht mehr automatisch im Ausland, schauen sich hier um, und das E-Bike macht Strecken möglich, die vorher nicht möglich waren.

                  • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 08:25

                    Völlig bei dir. Es verlangt ja auch keiner, Autos zu verbieten.

                • R.A. 1. Februar 2022, 18:35

                  “Amsterdam und andere Städte waren genauso autozentriert“
                  Ich empfehle mit Google Earth mal einen Blick auf Amsterdam zu werfen. Die Stadt hat eine hervorragende Auto-Infrastruktur – insbesondere einen kompletten Ring und diverse Umgehungsstraßen, und zwar als mehrspurige kreuzungsfreie Autobahnen.
                  DAS war die Voraussetzung um in der Stadt radfreundlicher zu werden.

                  Man schaue sich mal zum Vergleich deutsche Städte an. Da ist die Autostruktur viel schlechter ausgebaut – und in völliger Verkennung des holländischen Vorbilds wollen deutsche Verkehrsplaner diese schlechte Infrastruktur sogar noch zurückbauen.

                  • Stefan Pietsch 1. Februar 2022, 20:22

                    Noch besser: einfach hinfahren, anschauen.

                  • Lemmy Caution 2. Februar 2022, 17:49

                    Das ist einfach nicht wahr.
                    Schau Dir mal dieses Video an und weitere von diesem Kanal.
                    https://www.youtube.com/watch?v=F4kmDxcfR48
                    und VORHER das hier:
                    https://www.youtube.com/watch?v=gqqVTNg6tC4

                    • R.A. 3. Februar 2022, 17:52

                      Diese Videos widersprechen nicht meiner Darstellung.
                      Eine autogerechte Stadt bedeutet nicht, daß mehr Autos fahren (und parken). Sondern sie holt die Masse des Autoverkehrs aus den Innenstädten und Wohnvierteln raus.
                      Und natürlich gab es durch den Ausbau der Radinfrastruktur teilweisen Umstieg vom Auto aufs Rad, und dann können am Ende auch Parkplätze entfallen.

                      Der Knackpunkt ist: Die Holländer bauen die Parkplätze ab, NACHDEM sie ihre Verkehrswendeziele erreicht haben.
                      Die Deutschen fangen damit an.

                      Bei „Energiewende“ wie „Verkehrswende“ gibt des denselben Grundfehler. Man kann viel am bestehenden System kritisieren. Man kann versuchen ein besseres System zu entwerfen und dann zu bauen.
                      Aber vernünftigerweise schmeißt man das alte System erst weg, wenn das neue fertig ist und funktioniert (das geht natürlich auch in Teilabschnitten).

                      Straßen/Parkplätze oder Kraftwerke abzubauen BEVOR man mit der Alternative parat ist, dann ist völliger Unfug.

          • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 09:18

            @ Detlef Schulze 31. Januar 2022, 22:21

            Die Fahrrad-Infrastruktur ist viel wichtiger als das Terrain, …

            Das mag durchaus eine Rolle spielen – inzwischen. Aber den Begriff „Holland-Fahrrad“ gab es schon in meiner Jugend. In den 50ern gab es auch hier reichlich Fahrradfahrer. Das waren die, die sich keinen Roller leisten konnten. Dann setzten sich recht schnell die Autos durch, und die Städteplaner folgten den Bedürfnissen der Bevölkerung.
            Das lief in den Niederlanden nicht so ab, und das hat mit den von mir genannten Gründen zu tun.

            … vor allem heute, wo es E-Bikes gibt.

            Da kann ich Dir zustimmen. Das Fahrrad gilt hierzulande nicht mehr als Arme-Leute-Gefährt oder Hochleistungs-Sportgerät, sondern ist inzwischen (gerade als E-Bike) allgemein anerkanntes ‚gesundes‘ Fortbewegungsmittel. Es ist deswegen auch grundsätzlich der richtige Ansatz, Radwege besonders in Städten auszubauen.

            Typisch ‚deutsch‘ ist allerdings, dass jemand, der sich auf ein Fahrrad schwingt, sofort über Autos schimpft und empört reagiert, wenn der Fahrradweg nicht fertig ist, nur um sich als Fußgänger oder Autofahrer wieder über aggressive Radfahrer zu beschweren.

            Das Problem mit der meisten Infrastruktur ist, dass da, wo man etwas hinbauen möchte, meist schon etwas anderes ist. Mit Knopfdruck alles neu machen funktioniert nicht. Damit, einem anderen Verkehrsmittel einfach Fläche wegzunehmen, ist es auch nicht getan. Was fehlt, sind neue und funktionierende Konzepte, und die gibt es (funktionierend!) lokal und bestenfalls regional; jeder Verkehrsminister der letzten Legislaturperioden (zugegeben: alle außer Andreas Scheuer) ist mit einer Vorstellung und Plänen ins Amt gegangen, und entschied sich angesichts der Komplexität schnell dafür, das Feld dem Nachfolger zu überlassen – traurig, aber wahr.

            Und über allem schwebt natürlich die deutsche Autoindustrie. Nicht dass die aktiv gegen den Ausbau von Radwegen vorgeht, aber sie prägt durch ihre enorme Bedeutung für unsere Volkswirtschaft die deutsche Verkehrspolitik.

            • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 12:00

              Klarstellung:
              … jeder Verkehrsminister der letzten Legislaturperioden (zugegeben: alle außer Andreas Scheuer) ist mit einer Vorstellung und Plänen ins Amt gegangen, und entschied sich angesichts der Komplexität schnell dafür, das Feld dem Nachfolger zu überlassen.

              Das soll nicht heißen, dass sich Scheuer an die Arbeit gemacht hat, sondern dass ihn – anders als viele Vorgänger – das Problem nicht die Bohne interessierte.

            • Derwaechter 1. Februar 2022, 14:09

              Das ist so nicht richtig. Topographie spielt natürlich eine Rolle, aber nicht so zentral wie Du behauptest.

              Es gibt total flache deutsche Städte wie z.B. Düsseldorf mit miserabler Fahrradinfrastruktur und genauso flache Städte mit super Infrastruktur wie z.B. Münster.
              Es gibt auch relativ bergige Städte, allen voran Freiburg, mit guter Fahrradinfrastruktur.

              Niederländische Städte wie z.B. Amsterdam waren genauso autodominiert wie viele deutsche Städte. Man hat das dort politisch gewollt geändert.
              https://www.theguardian.com/cities/2015/may/05/amsterdam-bicycle-capital-world-transport-cycling-kindermoord

              • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 17:09

                @ Derwaechter 1. Februar 2022, 14:09

                Topographie spielt natürlich eine Rolle, aber nicht so zentral wie Du behauptest.

                Keine Einwände. Ich habe auch stets dazu gesagt, dass ein wichtiger, bestimmender Faktor für die deutsche Auto-Dominanz die Tatsache ist, dass allein die fünf deutschen Automarken Audi, BMW, Mercedes, Porsche, VW über 550 Mrd. Euro Umsatz machen, und in Deutschland über 800.000 Menschen bei Herstellern und Zulieferern arbeiten, Geld verdienen, Steuern zahlen (ist meiner Meinung nach auch ein wichtigerer Aspekt als ‚Freiheit‘, wenn es ums Tempolimit geht).

                Du hast von Deutschland zu den Niederlanden viele Unterschiede; Fläche, Zahl der Einwohner, Gelände, Struktur (Handel gegen Industrie), Fahrkultur (Tempolimit gegen freie Fahrt), nicht zu vergessen die Mentalität. All das spielt natürlich eine gewisse Rolle.

                Aber dass das Land überschaubar und flach ist, hat schon sehr geholfen.

                Man hat das dort politisch gewollt geändert.

                Ja. Aber da jammere ich schon seit vielen Jahren herum (die beiden Stefans seien meine Zeugen), dass Deutschland (bzw. die deutsche Politik) in vielen Punkten anderen Ländern deutlich hinterherhinkt, und praktisch alles ignoriert, was woanders besser läuft. Verkehr, Impfen, Flüchtlinge, Bildung, Digitalisierung, Wohnkultur, Bauen – was immer es gibt. Mag es alles irgendwo schlechter geben, gibt es aber auch irgendwo besser, und da schaut man bewusst weg.

        • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:04

          Besonders im Zeitalter des eBikes ist daran nichts klar. Und in den platten Niederlanden Fahrrad fahren ist weniger geil als hier im hügeligen Remstal, weil wenn dir der Wind entgegenpfeift, Holla die Waldfee…

          • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 18:08

            @ Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:04

            Besonders im Zeitalter des eBikes ist daran nichts klar.

            Hhmmm.

            Meine Wahrnehmung ist durchaus, dass sich seit der Verbreitung der E-Bikes mehr Menschen aufs Rad schwingen, und nun Ansprüche entwickeln, die sie vorher nicht hatten, und nun erst Beschränkungen wahrnehmen, die sie vorher nicht wahrgenommen haben.

            Reden wir vielleicht aneinander vorbei?

        • CitizenK 1. Februar 2022, 15:39

          In Frankreich gibt es auch Autohersteller. Paris liegt in Frankreich. Ergo: Kein Argument.
          Birnen kann man doch mit Äpfeln vergleichen – und die Unterschiede benennen. Das „Vergleichen“ nicht „Gleichsetzen“ bedeutet, könnte man wissen.

          • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 18:33

            @ CitizenK 1. Februar 2022, 15:39

            Vorab: den leicht patzigen Ton Deiner Antwort nehme ich mal hin; ich war noch im „Was erlauben sich Tim“-Modus und habe angefangen. Sorry dafür, war nicht bös gemeint.

            In Frankreich gibt es auch Autohersteller. Paris liegt in Frankreich. Ergo: Kein Argument.

            Du bist wieder im Schwarzweiß-Modus unterwegs.
            Wenn Du mal gesehen hast (auch das ist nicht das Killing-Argument, ich weiß), wie ein Pariser Autofahrer mit seiner Schlurre einem anderen eine dicke Schramme beibringt und wegfährt, ohne sich umzudrehen, und der Besitzer des geschrammten Wagens, dem man das Nummernschild des Unfallflüchtigen in die Hand drückt, sich bei einem bedankt, bevor er den Zettel ungelesen wegschmeißt, erkennt einen anderen Stellenwert fürs Auto als hier. Ich habe dort auch nie Rücksichtsvolles Fahren, Parken etc. erlebt; geht dort härter zu als hier.

            Aber auch für Dich: Ich will nicht der Auto-Hörigkeit das Wort reden. Ich bin auch überhaupt nicht dagegen, dass man sich um bessere Fahrrad-Infrastruktur bemüht, im Gegenteil. Ich wehre mich nur dagegen, dass man vorhandene Verkehrsstrukturen in Stücke hauen will, ohne zu sagen, wie man die substituieren will, oder dass man gewagte Behauptungen zu Kosten und Finanzierungen aufstellt, ohne sich ansatzweise informiert zu haben, oder dass man nicht über Angebote, sondern Einschränkung und Zwang verändern will, wenn es auch anders geht.

            es grüßt
            E.G.

            • CitizenK 2. Februar 2022, 16:00

              Sorry für den „leicht patzigen Ton“. Ich finde halt, ich mache nicht immer unpassende Vergleiche.

              Wir hatten im Viertel eine Straße, deren Gehwege ständig kreuz und quer zugeparkt waren. Widerrechtlich, wie man weiß. Wir (Bürgerinitiative) wollten den Gehweg zurück. Nicht nur für uns, sondern für Rollies und Rollatoren (Altenheim) und Kinderwagen (Kindergarten).

              Großer Aufstand, ein grüner (!) Stadtrat hat sofort eine Aktion gegen den Wegfall von Parkplätzen gestartet, zusammen mit einem Rechtsanwalt (!) , der voher und danach auf dem Gehweg geparkt hat. Aber wir waren die „Denunzianten“. Inzwischen stehen dort die Autos ordentlich auf der Straße, kaum weniger Parkplätze. In anderen Stadtteilen besteht der ungesetzliche Zustand fort, die Stadtverwaltung traut sich nicht, das durchzusetzen.

              Das ist vermutlich, was Stefan Sasse meint mit Dominanz des Autos: Das Gefühl, mehr Rechte zu haben als andere Verkehrsteilnehmer, auch gegen das Gesetz. Irritierend, dass Rechtsstaats-Apologeten im Blog das verteidigen.

              • Erwin Gabriel 4. Februar 2022, 11:25

                @ CitizenK 2. Februar 2022, 16:00

                Sorry für den „leicht patzigen Ton“. Ich finde halt, ich mache nicht immer unpassende Vergleiche.

                Nicht immer 🙂
                Sorry auch von mir; ich habe aus Deinen Antworten an anderer Stelle gesehen, dass ich Dich einfach missverstanden habe.

                Das ist vermutlich, was Stefan Sasse meint mit Dominanz des Autos: Das Gefühl, mehr Rechte zu haben als andere Verkehrsteilnehmer, auch gegen das Gesetz. Irritierend, dass Rechtsstaats-Apologeten im Blog das verteidigen.

                Ich nehme das auch anders war. Wenn ich falsch parke, kriege ich ein Ticket; wenn ein Radfahrer falsch parkt, der nicht. Wenn ich bei rot über die Kreuzung rausche – unabhängig davon, ob aus versehen, oder weil keiner kommt und alles frei ist–, kriege ich ein Ticket, Radfahrer oder Fußgänger in der Regel nicht, auch dann nicht, wenn die Polizei zuschaut. Stehe ich an einer Ampel-bewehrten Fußgängerüberquerung, die Ampel springt auf grün, und ich fahre los, bin ich zumindest mit Schuld, wenn mir dann ein Fahrardkurier in die Seite rast; ich hätte gucken mussen. Dass der einen Fußgängerüberweg nicht mal bei grün mit vollem Tempo überqueren darf, zählt nicht usw.

                Das mit dem Parken ist sicherlich an vielen Stellen ein Problem, und oft stellen sich Autofahrer dort auch dämlich an. Aber in Sachen ‚Vermeidung von Unfällen‘ (da bekomme ich vermutlich gleich von Stefan Sasse den Einwand vom Anekdotischen an die Backe) sehe ich als Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger viel mehr Verzicht auf Fahr- und Vorrechte, um andere Verkehrsteilnehmer zu schützen, als andersherum.

      • R.A. 1. Februar 2022, 10:34

        „In Holland hat man geplant, als bei uns noch die „autogerechte Stadt“ das Maß aller Dinge war.“
        „Autogerechte Stadt“ war mal ein Schlagwort, aber die wenigsten deutschen Städte haben das umgesetzt.
        Wenn man wirklich autogerechte Städte sehen will, dann muß man nach Holland fahren. Ich habe das oben beschrieben: Das Land ist ein Autofahrertraum an mehrspurigen ampelfreien Umgehungsstraßen und unbehinderter Fahrt in die Städte. Nur ganz am Ende bei der Feinverteilung geht es langsam – das ist aber nur für wenige Minuten und völlig akzeptabel.

        • CitizenK 1. Februar 2022, 15:36

          Meine Rede.

  • Stefan Pietsch 31. Januar 2022, 11:40

    3) Ohne Poller geht gar nichts

    Wann ist jemand deswegen bestraft worden, weil er bei der falschen Farbe über die Ampel gelaufen ist? Bei Autofahrern passiert das jeden Tag einige hundert Mal. Und weil man es irgendwann als nicht praktikabel ansah, Fahrradfahrer zu ahnden, die gegen die Fahrtrichtung fuhren, erteilte man der Einfachheit halber gleich eine Lex Fahrradfahrer.

    Das Umdenken wird hier nicht mit netten Apellen kommen, sondern nur, indem man die Autofahrenden zwingt, sich an bestehende Regeln zu halten. (..) Deutschland ist da anderen europäischen Ländern ziemlich hinterher.

    Woher weißt Du das?! In Sevilla, einer Stadt größer als Frankfurt am Main, gibt es nicht die 30 km/h Verkehrsbeschränkungen wie in der Main-Metropole. Auch in Alicante erhalten Fahrradfahrer keine Vorfahrt. In Rom kommt man noch in die kleinsten Gässchen, vorausgesetzt, man fährt einen Fiat 500. Viele Länder arbeiten nicht mit Schikanen gegen Autofahrer, sondern mit Intelligenz. Der Deutsche, gerade wenn er links eingestellt ist und den Grünen zuneigt, ist in solchen Fragen nicht intelligent.

    Der Punkt ist nicht die Schikane in der Innenstadt. Auch in Valencia, in Kopenhagen und Basel sind Teile der Altstadt für den Autoverkehr gesperrt. Dagegen hat niemand etwas. Es macht auch in Berlin wenig Sinn, um den Gendarmenmarkt fahren zu dürfen. Aber deswegen muss nicht die gesamte Innenstadt zur verkehrsberuhigten Zone erklärt und die einfahrenden Autofahrer mit Knöllchen abgezockt werden.

    Wenn Verkehrsreglementierung notwendig ist, muss dieses über Vignetten erfolgen. Nur fürchten die Linken die Maßnahme, weil sie ärmere Schichten trifft. Aber Preis ist immer noch das bessere Regulierungsinstrument als Poller.

    • Tim 31. Januar 2022, 15:10

      „Wenn Verkehrsreglementierung notwendig ist, muss dieses über Vignetten erfolgen. Nur fürchten die Linken die Maßnahme, weil sie ärmere Schichten trifft. Aber Preis ist immer noch das bessere Regulierungsinstrument als Poller.“

      Es wäre ein erfreulicher Anfang, die gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs ins Autofahren einzupreisen. Aber leider geschieht weitgehend das Gegenteil: Heute gilt es sogar unter Grünen als schick umweltfreundlich, Autoverkehr (in Form von E-Autos und Ladeinfrastruktur) zu fördern. Der Steuerzahler muss weiterhin den ökologischen Groß-Irrsinn „Autobahn“ finanzieren, und die meisten Straßenparkplätze kosten wenig bis gar nichts, so dass man den Eindruck bekommt, Straßen seien vor allem für das Abstellen von Blech gedacht.

      • R.A. 31. Januar 2022, 15:27

        „die gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs“
        Da ist wieder die Legenden von den „externen Kosten“, die der Autoverkehr angeblich verursacht und nicht bezahlt.
        De facto sind das in der Regel keine Kosten und umgekehrt steht eben ein noch viel größerer gesellschaftlicher Nutzen gegenüber. Die „externe“ Gesamtrechnung des Verkehrssystems Auto ist überaus positiv – deswegen hat er sich erfolgreich durchgesetzt.

        „Straßenparkplätze kosten wenig bis gar nichts“
        Ist ja auch richtig, weil die Anwohner den Straßenausbau ja auch finanziert haben.

        • Tim 31. Januar 2022, 15:42

          @ R.A.

          „Da ist wieder die Legenden von den „externen Kosten“, die der Autoverkehr angeblich verursacht und nicht bezahlt.“

          Vor 30 Jahren hätte man diese Meinung noch ernsthaft diskutieren können, heute allerdings nicht mehr. 🙂

          • R.A. 31. Januar 2022, 18:35

            „Vor 30 Jahren hätte man diese Meinung noch ernsthaft diskutieren können, heute allerdings nicht mehr.“
            Das muß dieses Overton-Fenster sein, von dem Stefan gerne redet.
            Wenn irgendwelche Ideologen 30 Jahre lang irgendetwas behauptet haben, kann man einfach die Diskussion verweigern.

          • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 22:10

            @ Tim 31. Januar 2022, 15:42

            Vor 30 Jahren hätte man diese Meinung noch ernsthaft diskutieren können, heute allerdings nicht mehr. 🙂

            Dann sollte es Dir leicht fallen, Deine Behauptung zu belegen

        • cimourdain 1. Februar 2022, 11:15

          Hier hat jemand die ‚Legende‘ von den externen Kosten durchgerechnet und ist auf 141 Mrd. € gekommen:
          https://www.allianz-pro-schiene.de/wp-content/uploads/2019/08/190826-infras-studie-externe-kosten-verkehr.pdf

          • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 16:43

            @ cimourdain 1. Februar 2022, 11:15

            Spannende Studie, danke. Hat mich inspiriert, auch mal ein paar Zahlen zusammenzukratzen.

            Info am Rande: Von den 141 Mrd. Euro entfallen knapp 104 Mrd auf PKWs. Finanziell schlüsseln sich die durch PKW- und LKW-Betrieb entstehenden Einnahmen in etwa wie folgt auf:
            • ca. 20 Mrd. Euro Mehrwertsteuer beim PKW-Neukauf
            • knapp 2 Mrd. Euro Mehrwertsteuer beim LKW-Neukauf (2020 war lausig)
            • über 10 Mrd. Kfz-Steuer (nur PKW, ohne LKW, Motorräder o.ä.)
            • Mineralölsteuer PKW Benzin ca. 20,8 Mrd. Euro
            • Mineralölsteuer PKW Diesel ca. 13,7 Mrd. Euro
            • Mineralölsteuer LKW Diesel ca. 29 Mrd. Euro
            • LKW-Maut 7.6 Mrd. Euro
            Das sind – inkl. diverser anderer Einnahmen (etwa die Steuereinnahmen über Nutzfahrzeuge, die Einnahmen aus Bio-Diesel und anderen Öko-Kraftstoffen etc.) deutlich über 85 Mrd. Euro Einnahmen.

            Von den genannten 141 Mrd. Euro Allgemeinkosten entfallen aber ein Gutteil auf Kostenarten, die bereits anderweitig finanziert sind: Unfälle (ca. 41 % der Allgemeinkosten) sind über diverse Haftpflicht- oder Krankenversicherungen abgedeckt.

            Und bei den ’nachgelagerten Prozessen‘ werden recht willkürlich Werte angenommen, Berechnungsgrundlagen von Jahr zu Jahr verändert angesetzt, mit dem Ergebnis einer Steigerung von 470 % von 2005 auf 2017. Gewisse Unschärfen kann man hier also voraussetzen.

            Es sieht also auf den ersten Blick so aus, dass ich meine Behauptung, dass der Verkehr ein Vielfaches seiner Kosten einspielt, unter der Berücksichtigung ALLER Kostenarten nicht unbedingt aufrecht erhalten kann; aber selbst in dieser Betrachtung ist der Verkehr in etwa kostendeckend.

            Was hier aber nicht drinsteckt, ist der gesellschaftliche Nutzen, der durch PKW- und LKW entsteht – von der Versorgung der Bürger und der Wirtschaft über lebensrettende Einsätze von Feuerwehr, Krankenwagen & Co. taucht hier noch nichts auf. Wenn man nicht nur die direkten Kosten etwa für den Erhalt der Infrastruktur, sondern ALLE der Gemeinschaft entstehenden Kosten annimmt, sollte man auch ALLE für die Gemeinschaft entstehenden Vorteile beziffern.

            Mein Tipp: Ein Mehrfaches der entstehenden Kosten …

          • R.A. 1. Februar 2022, 18:27

            „Hier hat jemand die ‚Legende‘ von den externen Kosten durchgerechnet“
            Vielen Dank für den Link. Diese „Studie“ zeigt recht deutlich, wie die Legende üblicherweise konstruiert wird. Es überrascht auch nicht, daß sie von einer Lobbygruppe mit sehr einseitiger Interessenlage beauftragt wurde – und wunderbarerweise paßt das Ergebnis dann zu dieser Interessenlage.
            Ähnlich könnte man einer Studie glauben, die die Tabakindustrie zum Thema „gesundheitsfördernde Wirkung des Rauchens“ in Auftrag gibt.

            Von den „externen Kosten des Autoverkehrs“ sind etwa die Hälfte wirklich Kosten. Nämlich die Unfallkosten. Die sind aber nicht „extern“, sondern werden im wesentlichen auch vom Autoverkehr über Versicherungen und direkte Schadensübernahme bezahlt.

            Die andere Hälfte sind keine Kosten, sondern vage geschätzte Nachteile oder Schäden.
            Beispiel Verkehrslärm: Der kann lästig sein, aber nur in ganz seltenen Fällen kann man echten Gesundheitsschäden reden, die man finanziell ausgleichen könnte.

            Wobei der Ausgleich der behaupteten Kosten nie zum Konzept der „externe-Kosten“-Fans gehören. Denn wenn man den Autoverkehr mit einer entsprechenden Gebühr belasten und die Geschädigten entschädigen würde, gäbe es ja kein Argument für die „Verkehrswende“ mehr.

            Den wesentlichen Punkt hat aber Ernst Gabriel schon gebracht: Wenn man „externe Kosten“ dazunimmt, dann muß man auch „externen Nutzen“ dazunehmen. Und dann implodiert die ganze Argumentation der Autogegner.

            Was diese Auftragsstudie übrigens so nebenbei bringt sind Zahlen über die Verkehrsleistung. Die sollte man schon mal anschauen. Der Autoverkehr erbringt derzeit über 85% der Verkehrsleistung im Personenverkehr (und das Rad laut Umweltbundesamt 3%).
            Für eine „Verkehrswende“ müßte man also die übrigen Verkehrsträger so massiv ausbauen, wie das bisher in keiner politischen Planung vorkommt.

            • Thorsten Haupts 1. Februar 2022, 21:32

              Hübsche Desinformation.

              Aus der Studie:
              Unter „externen Kostendes Verkehrs“ versteht man diejenigen Kosten, die durch die Mobili-tätsteilnehmendenverursacht, jedoch nicht von ihnen selber getragen werden.

              Mit 41% machen Unfälle angeblich den grössten externen Kostenblock aus. Nur gibt es für genau die eine mandatorische Kfz-Haftpflichtversicherung, die von den Versicherten (=Autofahrern) selbst bezahlt wird, also mitnichten ein Abwälzen auf die Allgemeinheit.

              Und das ist alles, was man über diese „Studie“ wissen muss.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

            • CitizenK 2. Februar 2022, 19:18

              Bei den Hauptverkehrsstraßen ist nicht nur der Lärm schädigend, sondern es sind auch Abgase und Feinstaub, die Atemwegs- und Herz-Kreislaufkrankheiten verursachen.

              https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3565.pdf

      • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 16:36

        Ja 🙁

      • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 17:14

        @ Tim 31. Januar 2022, 15:10

        Es wäre ein erfreulicher Anfang, die gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs ins Autofahren einzupreisen.

        Einnahmen der Kfz-Steuer (2020): 9,53 Mrd. Euro
        Einnahmen aus der Mineralölsteuer (2017): über 41 Mrd. Euro
        Nicht zu vergessen die Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer, die auf jeden Liter Benzin, auf jeden Liter Diesel, oder auch auf die Kaufpreise der Fahrzeuge aufgeschlagen wird. Jetzt legen wir da noch die CO2-Steuer drüber …

        Auf Deine Rechnung bin ich gespannt.

        Und in Schritt zwei schauen wir mal auf die gesellschaftlichen Kosten in anderen Bereichen?

        Heute gilt es sogar unter Grünen als schick umweltfreundlich, Autoverkehr (in Form von E-Autos und Ladeinfrastruktur) zu fördern.

        Nun ja, wenn man den individuellen Autoverkehr nur als grundlegendes Problem ansieht, sind auch E-Fahrzeuge scheiße.

        Der Steuerzahler muss weiterhin den ökologischen Groß-Irrsinn „Autobahn“ finanzieren, …

        Wie kommst Du denn auf dieses schmale Brett? Wenn Autofahren dem Bundeshaushalt Einnahmen von über 60 Mrd. Euro zuführt, und jahrzehntelang für den Ausbau des Fernstraßennetzes (Autobahnen und Bundesstraßen inkl. Brücken) ziemlich genau 5,35 Mrd. Euro ausgegeben wurden (erst seit einer Legislaturperiode wird die doppelte Summe zur Verfügung gestellt, kann aber nicht vollständig abgearbeitet werden) dann ist Deine Aussage, freundlich formuliert, an den haaren herbeigezogen.

        … und die meisten Straßenparkplätze kosten wenig bis gar nichts, …

        Einschränkungen, Verbote, Kosten fast überall. Wo immer Du wohnst, muss es sehr abgeschieden sein. (oder Du hast gar kein Auto …)

        so dass man den Eindruck bekommt, Straßen seien vor allem für das Abstellen von Blech gedacht.

        Wie niedlich …
        Grundsätzlich sind Straßen für Autos da, ja. So wie Fahrradwege für Fahrräder, Fußwege für Fußgänger etc. Und da, wo es nur Straße gibt, nutzen die anderen Verkehrsteilnehmer die auch mit. Und wenn Du nicht möchtest, dass Autos Tag und Nacht durch die Gegend gasen, ist stundenweises Parken für die Umwelt doch gar nicht so schlecht …

        • Thorsten Haupts 31. Januar 2022, 19:51

          Auf Deine Rechnung bin ich gespannt.

          Und das von Ihnen Genannte ist ja noch nicht alles. Der gesamte Wirtschaftszweig „Auto“ generiert Millionen an Arbeistplätzen in Deutschland und viele Milliarden an Steuereinahmen. Auch das kann man evtl. aus einer Rechnung nur dann rauslassen, wenn man alternativ genauso lukrative Wirtschaftszweige unterstellt, genauer, herbeiphantasiert.

          Ja, die Rechnung würde ich auch liebend gerne sehen :-).

          Gruss,
          Thorsten Haupts,
          seit 1986 überzeugter Nicht-Autofahrer

        • Tim 31. Januar 2022, 20:39

          @ Erwin Gabriel

          „Auf Deine Rechnung bin ich gespannt.“

          Mit der Sektsteuer wird nicht die Sekt-Infrastruktur finanziert, Entsprechendes gilt auch für die Kfz-bezogenen Steuern. Muss man leider immer und immer wieder betonen, weil es so oft missverstanden wird.

          „Und in Schritt zwei schauen wir mal auf die gesellschaftlichen Kosten in anderen Bereichen?“

          Sehr gern. Es wäre wünschenswert, dass externe Kosten überall angemessen eingepreist werden. Ich hatte neulich das Beispiel der Grundsteuer angesprochen, mit der man effizient den Flächenverbrauch bekämpfen könnte.

          „Einschränkungen, Verbote, Kosten fast überall. Wo immer Du wohnst, muss es sehr abgeschieden sein. (oder Du hast gar kein Auto …)“

          Ich bin sehr gegen den anordnenden Staat. Nur die externen Kosten müssen fairerweise … aber das hatten wir ja schon.

          „Grundsätzlich sind Straßen für Autos da, ja. So wie Fahrradwege für Fahrräder, Fußwege für Fußgänger etc.“

          Das ist heute sicher noch die Mehrheitsmeinung in Deutschland. Aber Gott sei Dank wendet sich das Blatt, wenn auch nur langsam. Die Menschen erobern sich den öffentlichen Raum Stück für Stück zurück. Und allmählich spricht sich auch herum, dass Straßen auf dem Land die Zersiedelung fördern.

          • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 21:55

            @ Tim 31. Januar 2022, 20:39

            [Auf Deine Rechnung bin ich gespannt.]
            Mit der Sektsteuer wird nicht die Sekt-Infrastruktur finanziert, Entsprechendes gilt auch für die Kfz-bezogenen Steuern.

            Ich muss mich bei Citizen entschuldigen. In Sachen „schräge Vergleiche“ schlägst Du ihn um Längen. Es gibt keine staatliche „Sekt-Infrastruktur“, es gibt nur eine private, von den Herstellern. Und die finanzieren sich selbst, genau so, wie die Hersteller ihre Fahrzeuge ohne Staatsknete selbst bauen. Da zahlt der Kunde für.

            Aber wir sprachen von einer Rechnung. Du hast da einige sehr gewagte Behauptungen aufgestellt, und die hätte ich gerne belegt. Das, was Du bislang rausgehauen hast, ist nur naive Sprücheklopferei (sorry – wenn Du eine nachvollziehbare Rechnung präsentierst, die Deine Behauptung bestätigt, werde ich mich natürlich entschuldigen).

            Nach meinen Informationen, die man über Statista und Ministeriumsseiten abrufen kann, Zahlen die Käufer, Besitzer und Betreiber ein Vielfaches der Summe, die für die Planung, das Bauen, den Betrieb und die Reparatur von Verkehrswegen erforderlich sind.

            Auch sind die Städte seit über 100 Jahren nicht zwanghaft auto-, aber doch verkehrsfreundlich geplant (vor den Autos gab es Kutschen, die auch ihren Platz brauchten. Das Verkehrskonzept aus Städten, die es damals schon gab, richtet sich nach den damaligen Anforderungen. Es wurde nach und nach an moderne Erfordernisse angepasst (soll hießen: die Vorteile von Verkehr sind geblieben, selbst wenn sich das Verkehrsaufkommen erhöht hat).

            Jedenfalls ist es nicht so ohne weiteres möglich, Städte komplett umzubauen und Straßenflächen „den Menschen zurückzugeben“ (wie immer Du diejenigen nennen magst, die in Autos sitzen). Denn unter den Straßen gibt es weitere Infrastruktur, etwa für Nutz- und Brauchwasser, Elektrizität, Gas, Telekommunikation.

            Aber ich bin wieder voreilig. Fangen wir erst mal mit der Rechnung an, wie teuer die Gesellschaft das Autofahren kommt, und wie sehr die Gesellschaft den Autofahrer:innen auf der Tasche liegt.

            Muss man leider immer und immer wieder betonen, weil es so oft missverstanden wird.

            Muss man leider immer wieder überlegen, warum nicht mal die grünen Politiker darauf abheben. Die sind nicht alle von der Autoindustrie gekauft, aber auch die können rechnen.

            [Und in Schritt zwei schauen wir mal auf die gesellschaftlichen Kosten in anderen Bereichen?]
            Sehr gern. Es wäre wünschenswert, dass externe Kosten überall angemessen eingepreist werden. Ich hatte neulich das Beispiel der Grundsteuer angesprochen, mit der man effizient den Flächenverbrauch bekämpfen könnte.

            Ich dachte da zwar eher an das Thema Arbeitslosigkeit (nur zum Provozieren), aber gut.

            Auf der einen Seite sprichst Du von Kosten, und bringst dann das Beispiel von Grundsteuer? Welche Kosten entstehen der Gesellschaft dadurch, dass jemand ein Grundstück besitzt, und die nicht schon durch Gebühren abgegolten sind?

            Ja, man könnte natürlich mit einer Grundsteuer den Flächenverbrauch bekämpfen (übersetzt: „wir setzen die Grundsteuer so hoch, dass sich nur noch Reiche Immobilien leisten können“). Aber das hat nichts mit entstehenden Gemeinkosten, sondern mit Planwirtschaft etc. zu tun. Da geht es dann darum, den Markt zu steuern, nicht darum zu verhindern, dass individuell entstehende Kosten der Gemeinschaft aufgedrängt werden. Da mischt Du schon ein paar Sachen durcheinander, die nichts miteinander zu tun haben.

            Was mir in beiden Beispielen (Verkehr, Immobilien) auffällt: Du tust gerade so, als fahren oder wohnen die Leute aus Spaß.

            Sehr befremdlich …

            Ich bin sehr gegen den anordnenden Staat. Nur die externen Kosten müssen fairerweise … aber das hatten wir ja schon.

            Zu dumm, ich habe leider keine Übersicht über die extremen Kosten. Deswegen hatte ich Dich gebeten, mal eine Rechnung aufzumachen (so etwas mit Zahlen, die dann auch stimmen).

            Hatte ich zwar schon drum gebeten, hast Du aber nicht geliefert. Sei so gut, es würde mir helfen, Deinen Standpunkt zu verstehen. Momentan kann ich das nicht.

            Das ist heute sicher noch die Mehrheitsmeinung in Deutschland. Aber Gott sei Dank wendet sich das Blatt, wenn auch nur langsam.

            Es mag sein, dass es immer mehr Menschen in die Stadt zieht, wo es ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz gibt. Und die Zahl der Menschen, die kein Auto haben und deswegen nicht (verstehen) wollen, dass andere ein Auto für sich für nötig halten, steigt auch.

            Die Menschen erobern sich den öffentlichen Raum Stück für Stück zurück.

            Menschen nennt man auch die, die aufs Auto angewiesen sind, oder in Häusern wohnen.

            Und allmählich spricht sich auch herum, dass Straßen auf dem Land die Zersiedelung fördern.

            Wieder so eine Behauptung nach dem Motto „Glauben ist stärker als Wissen“. Auf dem Land zieht sich die Versorgungs-Infrastruktur mehr und mehr zurück. Die kleinen Läden verschwinden, die Ärzte verschwinden, die Kindergärten verschwinden. Das kann man auch „Zersiedeln“ nennen, wenn man kein richtiges Wort dafür hat.

          • Stefan Pietsch 31. Januar 2022, 22:09

            Mit der Sektsteuer wird nicht die Sekt-Infrastruktur finanziert, Entsprechendes gilt auch für die Kfz-bezogenen Steuern.

            Das ist ja wohl ein Witz. Erst behaupten Sie, der Individualverkehr sei nicht kostendeckend, um dann über die Beiträge der Autofahrer zum Steueraufkommen – aus dem die Infrastruktur bezahlt wird – zu behaupten, das sei nicht relevant. Wie irrelevant das ist, wird sich zeigen, wenn hauptsächlich E-Autos herumfahren und die Mineralölsteuer das Volumen einer Bagatellsteuer annimmt.

        • R.A. 31. Januar 2022, 20:48

          „Mit der Sektsteuer wird nicht die Sekt-Infrastruktur finanziert, Entsprechendes gilt auch für die Kfz-bezogenen Steuern.“
          Jetzt wird es abenteuerlich.
          Die von den Autofahrern bezahlten Steuern werden wegdefiniert, nur weil sie im allgemeinen Steuertopf verschwinden und der Staat sie für andere Aufgaben benutzt.

          Aber umgekehrt werden Autofahrern fiktive Kosten zugerechnet, die als „externe“ dazu erfunden werden und die den angeblich Geschädigten natürlich auch nicht ersetzt werden sollen.

          • Tim 31. Januar 2022, 21:08

            @ R.A.

            „Die von den Autofahrern bezahlten Steuern werden wegdefiniert, nur weil sie im allgemeinen Steuertopf verschwinden und der Staat sie für andere Aufgaben benutzt.“

            Ja, die Idee nennt man „Steuertatbestand“. Lohnsteuern finanzieren keine Löhne, Mehrwertsteuern keinen Mehrwert, Grundsteuern keine Grundstücke, Körperschaftsteuern keine Körperschaften usw. usf.

            • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 22:17

              @ Tim 31. Januar 2022, 21:08

              Ja, die Idee nennt man „Steuertatbestand“. Lohnsteuern finanzieren keine Löhne, Mehrwertsteuern keinen Mehrwert, Grundsteuern keine Grundstücke, Körperschaftsteuern keine Körperschaften usw. usf.

              Also ist es für Dich offenbar OK, dass auf das Kaufen, Betreiben und Benutzen von Autos Steuern erhoben werden, die sang- und klanglos im Staatssäckl verschwinden, so dass man die durchs Autofahren entstehenden Kosten noch mal extra erheben kann?

              So aus der Ferne schließe ich daraus, dass Dein Humor größer ist als Dein Know-how …

  • Stefan Pietsch 31. Januar 2022, 11:49

    4) Prüfungskultur an Hochschulen

    Seit über zwei Jahrzehnten gelangt so viel Ausbildungsmist an die Hochschulen, dass sie noch eine Instanz sind, wo illusionierten Jungspunden die Flausen ausgetrieben werden können. Es ist eine zwingende Notwendigkeit: an irgendeiner Stelle des Ausbildungsbetriebes muss gesiebt werden. Die Schulen sind dazu schon lange nicht mehr fähig. Bei einer Abiturientenquote von nahe 50% und Notendurchschnitten unter 2,0 hat die Schule ihren Anspruch aufgegeben, Qualitätsnachweise zu erstellen.

    7) Kipppunkt erreicht?

    Geht’s auch eine Nummer kleiner als von Terror zu reden? Der Frust ist enorm, weil die Regierung jedes Vertrauen verspielt hat. Wenn Bürger, die sich an alle Empfehlungen gehalten haben, dafür mit dem Entzug von Grundrechten abgestraft werden, wie das der Gesundheitsminister Karl Panik Lauterbach in den letzten Wochen getan hat, braucht sich niemand über den öffentlichen Aufstand zu wundern.

    Deutsche, die sehen, wie im europäischen Ausland Normalität wieder hergestellt wird, verzweifeln an der Frage, warum das hier nicht möglich ist. In Deutschland ist das Virus komischerweise gefährlicher, trägt der Imunstatus von Genesenen weit kürzer. Wer da nicht zu den Waffen greift, würde auch mit abgeschlagenem Kopf weiter herumlaufen.*)

    *) Ironie

  • Tim 31. Januar 2022, 14:29

    Ohne Poller geht gar nichts / Verkehrswende

    „die Polizei und das ganze darunterliegende Rechts- und Verwaltungssystem habet einen starken Pro-Auto-Bias.“

    In der Tat. Und wenn die Verkehrswende weiter mit Einzelmaßnahmen im Schneckentempo vorangeht, brauchen wir hundert Jahre bis zur lebenswerten Stadt. Darum ist die beste Sofortmaßnahme: innerorts maximal Tempo 30 auf wichtigen Durchgangsstraßen, überall sonst Tempo 20. Viele Probleme und Gefahrensituationen könnte man damit entschärfen.

    Damit sind Straßen noch längst nicht sicher oder gar bequem für Radfahrer und Fußgänger. Aber Tempo 20/30 würde allen sofort klar machen, wohin die Reise geht.

    • R.A. 31. Januar 2022, 15:32

      „die Verkehrswende“
      Die gibt es nicht. „Verkehrswende“ ist ein Propagandaschlagwort ohne Konzept und Substanz.
      Es gibt zwar sehr viele teure Einzelmaßnahmen zur Schikanierung von Autofahrern oder zur Subventionierung irgendwelcher isolierten Verkehrseinzelprojekt.
      Aber es gibt keine realistische Planung wie der Verkehr in 20 Jahren laufen sollte.

      „innerorts maximal Tempo 30 auf wichtigen Durchgangsstraßen, überall sonst Tempo 20.“
      Das wäre dann noch so eine isolierte Einzelschikane ohne echten Nutzen aber mit viel Schaden. Hätte mit irgendeiner „Verkehrswende“ auch nichts zu tun.

      • Tim 31. Januar 2022, 15:45

        „„die Verkehrswende“
        Die gibt es nicht.“

        Das ist – für Deutschland betrachtet – leider richtig.

        „„Verkehrswende“ ist ein Propagandaschlagwort ohne Konzept und Substanz.“

        Kommt sehr drauf an, mit wem man spricht. Ich persönlich erhoffe mir 90 % weniger motorisierten Individualverkehr und – in der Stadt – mindestens 50 % weniger Asphaltfläche. Leider haben sich viele Menschen an die Blechkatastrophe gewöhnt.

        • R.A. 31. Januar 2022, 18:34

          Und ich persönlich erhoffe mir das Schlaraffenland, das ewige Leben und märchenhafte Potenz.

          Man kann sich so Sachen wie „90% weniger Autoverkehr“ wünschen. Aber das ist kein Konzept.
          Sondern da braucht es eine klare Beschreibung wie der Personen- und Güter-Verkehr dann abgewickelt werden soll, was das ungefähr kostet und welche Vor- und Nachteile diese Lösung hat.

        • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 22:26

          @ Tim 31. Januar 2022, 15:45

          Ich persönlich erhoffe mir 90 % weniger motorisierten Individualverkehr und – in der Stadt – mindestens 50 % weniger Asphaltfläche. Leider haben sich viele Menschen an die Blechkatastrophe gewöhnt.

          Welche Asphaltflächen willst Du wo entfernen? Krankenwagen, Polizei, Feuerwehr, aber auch die Post-, UPS, – DPD- oder Amazon-Boten müssen überall dahin kommen können, wo Menschen wohnen. Das halte ich bei der Abschaffung von befahrbaren Verkehrswegen für ein größeres Problem als die Gewöhnung.

  • Tim 31. Januar 2022, 14:45

    Mediensystem

    „egal, wie unzureichend man unser System findet, gegen dieses Geschmeiß muss man es verteidigen, weil das die Konsequenz ist, wenn die ihren Willen kriegen.“

    Das ist ein Trugschluss. Ganze Bevölkerungsgruppen nutzen keine öffentlich-rechtlichen Medien mehr. Egal, was wir mit dem öffentlich-rechtlichen System in seiner jetzigen Struktur anfangen oder welche Reförmchen wir wagen – Millionen Bürgern wird es egal sein, weil sie von ihm ohnehin nicht mehr erreicht werden. Das alte Argument – Öffis schaffen gemeinsame Erlebnisse – gilt schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Querdenker & Co. sind einfach raus aus der gesellschaftlichen Debatte und haben längst ihre eigenen Plattformen. Und die jahrzehntelange Reformunfähigkeit (und -unwilligkeit) von ARD & ZDF hat ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen.

    Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum es wertvoll sein sollte, dass derzeitige Rundfunksystem zu verteidigen. Es basiert auf medientheoretischen Annahmen aus den 50er Jahren, hat erhebliche Teile der Bevölkerung für immer verloren und ist beeindruckend ineffizient. Jede Unterstützung für diese Struktur verschiebt die notwendige Radikalkur weiter nach hinten.

    • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 16:36

      Noch immer nutzen es Millionen. Du willst die letztlich im gleichen Niemandsland stranden lassen wie die bereits Verlorenen.

      • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 17:18

        @ Stefan Sasse 31. Januar 2022, 16:36

        Du willst die letztlich im gleichen Niemandsland stranden lassen wie die bereits Verlorenen.

        Warum sind die ‚Verlorenen‘ das, was Du ‚verloren‘ zu nennen beliebst?

        • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 19:40

          Du hast doch gesagt sie werden nicht mehr erreicht?

          • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 22:21

            @ Stefan Sasse 31. Januar 2022, 19:40

            Du hast doch gesagt sie werden nicht mehr erreicht?

            🙂 Ich sagte, sie wurden vergrault. Na ja, läuft ab einem gewissen Punkt auf das Gleiche hinaus …

            Aber warum ist jemand (wie ich, beispielsweise), der sich nicht über die öffentlich-rechtlichen Sender informiert, verloren?

            • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:05

              Bist du nicht?

              • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 18:38

                @ Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:05

                Bist du nicht?

                Sag Du es mir 🙂

                Nimmst Du mich als Verlorenen wahr? Verloren wofür?
                Ich lese mehr ausländische als einheimische Zeitungen, und halte andere Medien – etwa Deinen Blog hier – für ausschlaggebender für meine politische Meinungsbildung als etwa ‚Tagesthemen‘ oder ‚heute‘.

                • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 08:28

                  Das war keine Frage, das war eine verwunderte Aussage. ich sehe dich nicht als verloren an. Ich habe den Begriff der Verlorenen ja auch gar nicht aufgemacht, wenn ich mich richtig entsinne.

                  • Erwin Gabriel 2. Februar 2022, 14:10

                    @ Stefan Sasse 31. Januar 2022, 16:36

                    Also vermutlich ein Missverständnis; ich bezog mich auf das:

                    Du willst die letztlich im gleichen Niemandsland stranden lassen wie die bereits Verlorenen.

                    • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 16:33

                      Um mal von dem Begriff wegzukommen: die ÖR schaffen immer noch einen gemeinsamen Bezugsrahmen, ob du sie schaust oder nicht, weil sie eine Art Nordstern sind. Wenn du das wegtust, driften die anderen Medien wesentlich mehr auseinander.

                    • Erwin Gabriel 5. Februar 2022, 14:04

                      @ Stefan Sasse 2. Februar 2022, 16:33

                      Die ÖR schaffen immer noch einen gemeinsamen Bezugsrahmen, ob du sie schaust oder nicht, weil sie eine Art Nordstern sind. Wenn du das wegtust, driften die anderen Medien wesentlich mehr auseinander.

                      Interessanter Aspekt! Kann ich nachvollziehen und als Argument für die Aufrechterhaltug der ÖR akzeptieren.

                      Ändert natürlich nichts an meiner grundlegenden kritischen Einstellung gegenüber den finanziellen Auswüchsen, aber da haben wir ja keinen grundlegend unterschiedlichen Meinungen.

                    • Stefan Sasse 5. Februar 2022, 19:34

                      Korrekt.

      • Tim 31. Januar 2022, 17:41

        Mir würde genügen, wenn ich dieses System nicht mitfinanzieren muss, sondern meine Gebühren in ein vernünftiges öffentlich-rechtliches Mediensystem gehen. Aber selbst diese Wahlfreiheit wird es ja in der Betondebatte nie geben.

  • Thorsten Haupts 31. Januar 2022, 15:45

    Zu 3) Ich betone das immer wieder: die Polizei und das ganze darunterliegende Rechts- und Verwaltungssystem habet einen starken Pro-Auto-Bias.

    Ich korrigiere das mal leicht: Die ganze deutsche Gesellschaft hat bis heute einen starken Pro-Auto-Bias, der sich dann auch im Rechts- und Verwaltungssystem widerspiegelt.

    Zu 4)

    Schön. Was ist die Alternative? Praxisgerecht, machbar, Standards nicht völlig missachtend, zumindest in Modellversuchen erprobt?

    Zu 8)

    Ja. Ich bekomme bei Sätzen wie „Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz“ inzwischen wahlweise einen Lachkrampf oder einen Wutanfall. Das ist eine faustdicke Lüge, mit der Menschen sich über ihre eigene Fehlbarkeit ebenso hinwegtäuschen, wie über die ihrer Vorfahren. Und das kann teuflisch schnell gehen – ich selber war mal (wenn auch „nur“ für 1 Jahr) wegen meiner Fassungsloigkeit über deutsche Migrationspolitik auf einem abschüssigen Kurs und kann das inzwischen sogar aus eigener Lebenserfahrung nachvollziehen.

    Zu 9)

    Das habe ich lange Zeit ebenso geglaubt. Bin mir nicht mehr so sicher. Einfach deshalb, weil die Eingriffsmöglichkeiten von aussen begrenzt sind. Oder politisch hochgefährlich. Denn es ist nicht Armut das eigentliche Problem, sondern die häufig familiär erworbene Unfähigkeit/Unwilligkeit, sich aus diesem Status herauszuarbeiten. Und ob man dagegen wirksam etwas unternehmen kann, weiss ich wirklich nicht. Ist jedenfalls nicht primär eine Finanzfrage.

    Ich kannte sowohl in meiner Kindheit als auch in meiner Bundeswehrzeit einige typische „Sozialhilfekarrieren“ in der dritten Generation. Leute, die beim Bund das erste Mal Regeln und ihre Durchsetzung, drei Mahlzeiten am Tag, eine warme Dusche täglich und zweitäglichen Unterwäschewechsel erlebten. Deren Anpassung an die Ansprüche der Armee war ausserordentlich mühsam – und in dem Alter eigentlich nur möglich durch die Kombination aus Kasernierung, Kameradschaftsdruck der Stubenkameraden und den gegenüber zivilen Institutionen erheblich besseren Möglichkeiten des Militärs, Anpassung zu erzwingen. Auch wenn viele Linke mir das nie glauben werden – ausgerechnet wir in der Bundeswehr haben einer nicht unerheblichen Anzahl von Leuten geholfen, sich im Leben selbständig zurechtzufinden.

    Leuten aus diesen Armutsfallen herauszuhelfen, muss und kann nur so früh wie möglich im Leben ansetzen. Die Konsequenz daraus wäre eine Ganztages-Kindergartenpflicht ab 3 Jahren, am besten mit einer zwangsweise gemischten Kindergartenbesetzung unabhängig von der lokalen Mischung der Stadtviertel. Es gibt nur leider kein Land auf der Erde, wo das so schwer durchzusetzen wäre, wie in Deutschland – wir haben da gleich zwei historische Negativbeispiele in unserer Geschichte, wo Kindereinrichtungen primär der ideologischen Indoktrination dienten. Entsprechend gross wäre der Widerstand (mich eingeschlossen).

    Zu 10) … egal, wie unzureichend man unser System findet, gegen dieses Geschmeiß muss man es verteidigen

    Mit dem Nebeneffekt, dass man die Lufthoheit über den öffentliche geführten Debatten auf Ewigkeit einfrieren kann. Und man effizient sicherstellt, dass nirgendwo aus gesellschaftlichen Mehrheiten (die z.B. in Genderdebatten „rechts“ sind – und wie!) politische Folgen abgeleitet werden (können). Verstehe ich. Wäre ich an Sasses Stelle auch sehr für.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 16:40

      3) True.

      4) Das ist jetzt für die Kommentare etwas zu viel, aber ich habe letzthin erst ein Buch zum Thema rezensiert.

      8) Exakt.

      9) Ab einem gewissen Niveau ist es keine Finanzfrage, stimme ich dir zu. Auch beim Rest.

      10) Haha.

  • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 16:29

    3) Ohne Poller geht gar nichts

    Aber eins ist auch klar: Wo kein Poller steht, da steht Blech. Oder es rollt. Autofahrende scheinen in Berlin zu meinen, dass ihnen der öffentliche Raum gehört: Plätze, Rad- und Gehwege, Straßenecken, Überwege, Feuerwehrzufahrten, sogar Baumscheiben und Grünflächen werden befahren und beparkt.

    Von der leicht krummen Formulierung einmal abgesehen – Autofahrende fahren; diejenigen, die die beschriebenen Flächen zuparken, müsste man korrekt ‚Parkende‘ (‚Autoparkende?) nennen – ist das mal wieder ein auf typisch linke Art einseitiger Kommentar.

    Wie alle Situationen ist auch diese nicht schwarzweiß. Da hat man nun (aus welchem Grund auch immer – geht keinen etwas an) ein Auto, und meine Wege und Parkmöglichkeiten werden immer weiter eingeschränkt. Es reicht ja nicht, will man sich linken Vorwürfen entziehen, sich nur noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen, weil der Wagen dann immer noch wo auch immer einen Parkplatz belegt; das Auto muss halt weg. Diese Einstellung finde ich schon krass.

    In die gleiche Kategorie müssten dann auch die vielen teilweise gewalttätigen Reaktionen von Radfahrenden und Zufußgehenden eingestuft werden, die sehr häufig in Selbstjustiz bzw. Sachschäden münden.

    7) Kipppunkt erreicht?
    „Das hat mit Corona hier schon lange nichts mehr zu tun, schon lange nicht mehr.“

    Wen das wundert, der hat nicht mitbekommen, wie mit welcher Herablassung, Vorverurteilung und Arroganz seit Jahren Regierung, Mainstream-Medien und linke Bevölkerungsgruppen auf Abweichler der ‚Regierungs-Linie‘ reagieren – nicht erst seit der Flüchtlingskrise. Dort hat es an Demokratieverständnis gemangelt, und zwar nicht zu knapp. Dass sich langsam eine Reaktion, eine Gegenbewegung aufbaut, gefällt mir nicht besonders, aber ich sehe das als zwei Seiten der gleichen Medaille.

    Und falls Du Dich erinnerst: ich habe damals davor gewarnt, alle als Spinner, Nazis und Extremisten abzutun, die nicht der ‚offiziellen‘ Meinung waren. Aber Andersdenkende zu beleidigen und abzuwerten, statt sich in die Diskussion und den Kampf der Argumente zu stürzen, ist ja so viel leichter. Nun weigert sich die Gegenseite, auf Argumente zu hören. Das gefällt mir genauso wenig wie die ursprüngliche Aktion, aber ein Teil von mir kann sich einer klammheimlichen Schadenfreude nicht entziehen.

    10) The fantasy of a Trump-slaying Republican

    Ich bin immer mehr der Überzeugung, dass dieses Fehlen eines solchen Mediensystems in Deutschland das Einzige ist, dass uns von demselben Weg abhält. Was wiederum zu der Debatte von letzter Woche zurückführt: egal, wie unzureichend man unser System findet, gegen dieses Geschmeiß muss man es verteidigen, weil das die Konsequenz ist, wenn die ihren Willen kriegen.

    Warum soll ich ein System unterstützen, dass in so vielen Punkten aus dem Ruder läuft? Keine funktionierende Kontrolle, überbordende Einnahmen, überbordende Ausgaben, aber zu wenig Qualität?

    Sorg dafür, dass die ÖRs bei uns ihre Exzesse an zu hohen Ausgaben und zu geringer Qualität einstellen, und ich fange an, die zu verteidigen. Wenn Du mir sagst, dass ich das jetzt schon machen muss, damit wir kein rechtes Blasen-TV bekommen, halte ich Dir entgegen, dass die begründete Kritik an den Zuständen des ÖR schon seit Jahrzehnten geübt wird, ohne dass man was dagegen tat.

    • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 16:42

      3) Reicht, ihn einseitig zu nennen. Einseitigkeit ist weder rechts noch links. Übrigens ist die Kritik hier nicht links; die klassische Linke ist Autofan.

      7) Als ob die akzeptieren würden, dass andere Meinungen sich durchsetzen. Da wird immer wieder gesagt, das sei ein Problem von „Demokratieverständnis“, aber die sind eine Minderheit und weigern sich auch standhaft, das anzuerkennen.

      10) Erneut, wie begründet die Kritik ist, ist bei der Fragestellung irrelevant. Kritik an der BILD ist auch begründet.

    • Dobkeratops 31. Januar 2022, 18:12

      weil der Wagen dann immer noch wo auch immer einen Parkplatz belegt

      Das ist doch aber auch unbestreitbar ein reales Problem, oder nicht? Der Platz den die Autos beanspruchen, und zwar vor allem dann, wenn sie nicht in Gebrauch sind, ist ja tatsächlich immens und wird immer mehr. Zuerst kamen die großen SUVs, nun haben während Corona sich gleich mehrere unserer Nachbarn große Wohnmobile angeschafft, mit denen sie wie selbstverständlich wahlweise Radwege oder ohnehin schon enge Nebenstraßen zuparken.

      Ich finde, da kann man schon einmal darüber nachdenken, ob hier nicht überproportional viel vom öffentlichen Raum zur Verfügung gestellt wird. Meiner Meinung nach spricht wenig dagegen, es mit dem japanischen Modell auszuprobieren: Ein Auto darf nur erwerben, wer einen adäquaten Stellplatz nachweisen kann, oder er muss auf ein Superkompaktmodell ausweichen. Für Pendler aus den Außenbezirken, die aufs Fahrzeug angewiesen sind, sollte das bei uns kein Problem sein, aber der eine oder andere Metropolenbewohner käme vielleicht ins Überlegen.

      • Tim 31. Januar 2022, 20:44

        @ Dobkeratops

        „Ein Auto darf nur erwerben, wer einen adäquaten Stellplatz nachweisen kann“

        In den USA stellen immer mehr Städte diesen Ansatz in Frage. Auf den ersten Blick scheint er clever zu sein. Aber er führt dazu, dass die Stadtplaner einen starken Anreiz haben, die Stadt autofreundlich zu planen, weil dann eben viele Bewohner ein Auto besitzen können. D.h. langfristig löst man damit das Problem der Blechlawine nicht.

      • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 18:51

        @ Dobkeratops 31. Januar 2022, 18:12

        Das ist doch aber auch unbestreitbar ein reales Problem, oder nicht?

        Ja, definitiv.

        Der Platz den die Autos beanspruchen, und zwar vor allem dann, wenn sie nicht in Gebrauch sind, ist ja tatsächlich immens und wird immer mehr.

        Bin bei Dir. Aber man kann nicht die Abschaffung der Autos erzwingen, ohne zu sagen, wie das substituiert werden soll. Wie ich an anderer Stelle schrieb, pennt unsere Regierung seit Jahren, und die wenigen Lösungen, die funktionieren, sind lokal.

        Ich finde, da kann man schon einmal darüber nachdenken, ob hier nicht überproportional viel vom öffentlichen Raum zur Verfügung gestellt wird.

        Ansichtssache: Wer als Berufspendler auf den Wagen angewiesen ist und abends keinen Parkplatz vor der eigenen Hütte findet, ist zurecht genauso genervt wie der Radfahrer, der seinen Radweg zugeparkt sieht. Es gibt nicht nur ein Anforderungsprofil, und kann deshalb nicht nur eine Lösung geben.

    • R.A. 31. Januar 2022, 18:41

      „Ein Auto darf nur erwerben, wer einen adäquaten Stellplatz nachweisen kann“
      Über so einen Ansatz kann man ja reden.
      Aber dann muß man natürlich auch entsprechende Stellplätze zur Verfügung stellen (z. B. als Quartiersgarage).
      Was halt nicht geht (jedenfalls nicht wenn man an Fairneß und einer konstruktiven Verkehrspolitik interessiert ist) daß man den Leuten den Straßenparkplatz wegnimmt, per Baurecht die privaten Stellplätze verbietet und dann sagt: „Ätsch, jetzt darfst Du kein Auto mehr besitzen“.

      Außerdem ist das nur die halbe Miete. Wenn jeder nur vor der eigenen Tür parken darf und sonst nirgends, dann kann Autofahren nicht mehr funktionieren (das ist der logische Irrsinn vieler „Anwohnerparken“-Ideen).
      Man braucht also auch Parkplätze für Besucher, Handwerker, Lieferanten.

      • Dobkeratops 31. Januar 2022, 21:14

        Handwerker und Lieferanten sind keine Dauerparker und deshalb kaum problematisch. Der Anteil der Besucher unter den Parkenden dürfte außerdem insgesamt recht überschaubar sein.

        Dauerparkplätze werden hauptsächlich an drei Orten benötigt: 1. Vor der eigenen Haustür. 2. Beim Arbeitsplatz. 3. In der Nähe von Einkaufs- bzw. Freizeitmöglichkeiten.
        In allen drei Fällen sehe ich keinen zwingenden Grund, warum die Abstellflächen unbedingt öffentlich bereitgestellt werden müssen statt privat.

        • Ariane 31. Januar 2022, 23:58

          Interessanter Ansatz, obwohl ich das auch eher für unpraktikabel halte. Ähnlich wie Stefan denke ich, es würde schon viel helfen, das Autovorrecht aufzuheben bzw zumindest in Großstädten umzukehren. Es gab – ich glaube zu München – ja mal so eine irre Untersuchung, dass die Preise den ÖPNV um 200% oder noch mehr gestiegen sind, während Parken gleich blieb.

          Und ich hätte – auch als Autofahrerin – nichts dagegen, wenn mit City-Maut und hohen Parkgebühren die Autos dann kostenlose Busse querfinanzieren. Und nen Poller^^

          • R.A. 1. Februar 2022, 10:41

            „das Autovorrecht aufzuheben“
            Es gibt kein Autovorrecht. Sondern es gibt weitgehend getrennte Verkehrssysteme mit unterschiedlichen Vorrechtsregeln bei Kreuzungen.
            Daß die Autoinfrastruktur größer ist liegt schlicht daran, daß sie den weitaus größten Teil der Verkehrsleistung erbringt.

            Das macht die „Verkehrswende“ so schwierig. Es gibt bisher keine realistischen Konzepte und Berechnungen, wie die übrigen Verkehrsträger diese enorme Menge an Tonnen- und Personenkilometern erbringen könnten.

            „eine irre Untersuchung, dass die Preise den ÖPNV um 200% oder noch mehr gestiegen sind, während Parken gleich blieb.“
            Klingt sehr nach einer irren Untersuchung. Und jedenfalls einer völlig irrelevanten Ausschnittsbetrachtung.
            Parken ist beständig teurer geworden, und die übrigen Kostenkomponenten des Autofahrens noch mehr.

            „kostenlose Busse“
            „Kostenlos“ gibt es nicht. Und Freibier sorgt in erster Linie für Verschwendung.
            Die üblichen Monatstickets (verschärft in Form von Semestertickets oder Jobtickets) sind ein heftiges Problem: Einerseits zu unattraktiv für den Wenignutzer, andererseits führen sie zu massiv unnötigen zusätzlichen Fahrten.

            Auch hier lohnt der Blick nach Holland: Da gibt es Dauertickets mit einem sehr niedrigen Monatspreis, und dann wird jede Fahrt kilometergenau abgerechnet.
            Gibt einen sehr attraktiven ÖV.

            • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 11:36

              @ R.A. 1. Februar 2022, 10:41

              Allgemeine Zustimmung

              Auch hier lohnt der Blick nach Holland: Da gibt es Dauertickets mit einem sehr niedrigen Monatspreis, und dann wird jede Fahrt kilometergenau abgerechnet.
              Gibt einen sehr attraktiven ÖV.

              Wie schon öfter erwähnt, haben es deutsche Regierungen nicht so mit dem Lernen von anderen.

              • R.A. 1. Februar 2022, 15:36

                „Wie schon öfter erwähnt, haben es deutsche Regierungen nicht so mit dem Lernen von anderen.“
                Das Schlimme ist: Wenn sie glauben zu lernen, dann nur mit völlig selektiver Wahrnehmung.

                Das holländische Modell wird bei deutschen Verkehrspolitikern (des linken Lagers) ganz groß verehrt. Die sind ganz begeistert wie schön da die Radler in den Wohnvierteln vorankommen können.
                Aber sie blenden konsequent die Voraussetzungen aus: Die holländischen Städte sind erst einmal „autogerecht“ ausgebaut worden, sprich der Autoverkehr ist auf gut ausgestattete Umgehungsstraßen umgelenkt worden. Das hat dann innerorts Platz für Radler geschaffen.
                Aber Umgehungsstraßen sind für deutsche Verkehrsplaner ein absolutes No-Go. Die werden nach Möglichkeit bekämpft, obwohl die Versorgung damit in Deutschland völlig kläglich ist verglichen mit vielen Vergleichsstaaten, insbesondere auch verglichen mit Holland.

              • CitizenK 1. Februar 2022, 16:30

                Zustimmung. Aber warum ist das so? Teutonische Überheblichkeit?

                • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 18:57

                  @ R.A. 1. Februar 2022, 15:36

                  Ebenfalls Zustimmung.

                  @ CitizenK 1. Februar 2022, 16:30

                  Aber warum ist das so? Teutonische Überheblichkeit?

                  Ich denke JA. ‚Am deutschen Wesen …‘ ist weit verbreitet, etwa bei der Energiepolitik. Hab noch nie erlebt, dass ein maßgeblicher deutscher Politiker sagt: „Hey, was in (hier kannst Due in Land Deiner Wahl einsetzen) gemacht wurde, klappt gut, das probieren wir auch einmal.“

                  Mir scheint, man sucht bewußt immer einen eigenen Weg, der dann aber langsamer, unzuverlässiger, teurer und bürokratisierter ist.

            • Ariane 1. Februar 2022, 15:30

              Ich meine doch keine Vorfahrtsregeln, sondern dann Infrastruktur immer vom Auto her gedacht wird und danach ausgerichtet ist. Was auch nicht heißt, dass alle Autos wegmüssen, sondern sich nur die Prioritäten verschieben.

              Ich wäre zb auch für ein Stadt-Tempolimit von 30 mit ausgewählten Strecken für 50. Also umgekehrt zu jetzt.

              „kostenlose Busse“
              „Kostenlos“ gibt es nicht. Und Freibier sorgt in erster Linie für Verschwendung.

              Nein, da bin ich radikal. Damit könnte man auch gleich die ganze verrückte Preisinfrastruktur abschaffen, vermutlich sogar günstiger als Billigtickets.
              Und ich wüsste auch nicht, wie man „Busfahren“ verschwenden könnte, meinst die fahren dann einfach aus Spaß in der Gegend herum? Das sehe ich jetzt nicht als Problem.

              • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 18:09

                Es wäre ja gewünscht dass so viel wie möglich auf Auto verzichtet und stattdessen Bus genutzt wird…

                • Stefan Pietsch 1. Februar 2022, 19:05

                  Wann bist Du zuletzt Bus gefahren? Das Auto ist 100mal bequemer. Und das aus einer Reihe von Gründen. Bus!

                  • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 08:28

                    Klar ist es das. Busse sind scheiße. Aber das ist ja auch eine Entscheidung.

                    • Stefan Pietsch 2. Februar 2022, 11:25

                      Wieso ist das „auch eine Entscheidung“? Es ist natürlich und wirtschaftlich, sich für das bessere Produkt- und Serviceangebot zu entscheiden. Gleichzeitig ist es unmöglich, bei so gegensätzlichen Angeboten wie Busse versus PKW die Vorteile so anzupassen, dass sie sich substituieren. Dies zu versuchen ist ein Sisyphos-Unterfangen ohne Aussicht auf Erfolg. Man kann auch sagen, wer es politisch versuchen will, will öffentliche Mittel verschleudern und die Menschen quälen.

                    • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 12:45

                      Dass die ÖPVN-Infrastruktur zuungunsten der Pkw-Infrastruktur nicht besonders entwickelt wurde ist eine Entscheidung. Dass Bequemlichkeit in Bussen keine Priorität hat ist eine Entscheidung.

                    • Stefan Pietsch 2. Februar 2022, 16:47

                      Das kann man mit Blick auf die westlichen Großstädte mit Sicherheit nicht behaupten. Denn in diesen wurden erst die Voraussetzungen für den öffentlichen Verkehr geschaffen und dann für Individualverkehr. Städte wie London, New York, Berlin, München, Paris, Kopenhagen, Valencia haben anders als Riga, Prag oder auch Rom ein ganz hervorragendes Netz an U-Bahnen. Das wir wissen, dass Tiefbau ein Vielfaches teurer ist als auf der Erde zu bauen, kann man kaum behaupten, der Individualverkehr habe in den Investitionen Vorrang besessen.

                      Es gibt aber dennoch gute Gründe, selbst in München mit seinen elendigen Staus nicht auf das Auto zu verzichten.

                      Ich empfehle auch mal einen Ausflug in die USA. Reiseziel sollte dabei nicht New York, Chicago oder San Francisco sein, sondern Wyoming, Arizona, Utah oder Colorado. Und dort einfach mal die Städte betrachten. Wer da auf die Idee kommt, öffentlichen Nah- oder auch in Teilen Fernverkehr sinnvoll und wirtschaftlich betreiben zu können, hat mit Sicherheit einen Nobelpreis verdient.

            • CitizenK 1. Februar 2022, 17:16

              „Gibt einen sehr attraktiven ÖV.“

              Intercity-Verbindungen mindestens alle 30 Minuten. Funktionierender Takt. Extrem pünktlich. In vielen Holland-Urlauben eine einzige Verspätung erlebt – 5 Minuten.

              Und das bei einer Staats-Bahn! Deren deutsche Tochter Abellio in BW allerdings Verluste machte und vom deutschen Staat aufgefangen werden musste, damit der Betrieb weiter ging.

            • CitizenK 1. Februar 2022, 18:45

              „Es gibt kein Autovorrecht.“

              In welchem gesellschaftlichem Bereich wird gesetzwidriges Handeln sonst noch ignoriert? Von offiziellen Stellen. Von Behörden, die Recht und Gesetz verpflichtet sind bzw. wären?

              Ich rede vom Gehwegparken.

              • Thorsten Haupts 1. Februar 2022, 21:21

                In welchem gesellschaftlichem Bereich wird gesetzwidriges Handeln sonst noch ignoriert?

                Sie meinen die Frage nicht ernst, oder? Nee, völlig unmöglich, wenn man auch nur ein paar Erwachsenenjahre hat und in seinem Alltag die Augen offenhält.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

          • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:06

            Exakt.

          • R.A. 1. Februar 2022, 15:51

            „Infrastruktur immer vom Auto her gedacht wird“
            Nicht immer. Aber natürlich öfters als für andere Verkehrsarten.
            Weil eben das Auto den Löwenanteil der Verkehrsleistung erbringt.
            Wenn man jetzt den Fokus auf andere Verkehrssystem legt, dann freuen die sich natürlich über Vorteile. Sind aber deswegen noch lange nicht in der Lage die Verkehrsleistung des Autoverkehrs zu übernehmen.
            Am Ende haben wir dann ein deutlich schlechteres Gesamtsystem.

            „Und ich wüsste auch nicht, wie man „Busfahren“ verschwenden könnte, meinst die fahren dann einfach aus Spaß in der Gegend herum?“
            Aber ja doch. Das ist ein nachgewiesener und heftiger Effekt.
            Im Rhein-Main-Gebiet gibt es massiven Freizeitverkehr von Studenten, die zu Parties in irgendwelche anderen Städte fahren. Weils ja „kostenlos“ ist.
            In Darmstadt mußte eine komplette Straßenbahnlinie neu gebaut werden, nur um Studenten zu einem außen liegenden Campus zu bringen. Früher sind die alle mit dem Rad dahin gefahren, aber seit Einführung des „kostenlosen“ Semestertickets haben sie die Busse gestürmt und die Leute aus den Vierteln am Weg kamen nicht mehr rein.

            „Kostenlos“ führt immer zu einer Steigerung der Nachfrage. Also zu mehr Verkehr.

        • R.A. 1. Februar 2022, 10:30

          Handwerker, Lieferanten und Besucher sind nicht die Mehrheit der Parkenden, aber ein sehr wichtiger Bereich. Der aber von der aktuellen Verkehrsplanung oft ignoriert wird.
          Da sind wir dann beim angeblichen Pro-Auto-Bias, den Stefan angesprochen hat. Den gibt es nämlich beim normalen Autofahrer nicht – da wird sehr heftig kontrolliert und abkassiert.
          Aber wenn der Installateur oder der Behinderten-Fahrdienst im Halteverbot steht, weil die städtischen Verkehrsplaner die legalen Parkplätze der „Verkehrswende“ geopfert haben – da drückt die Polizei mal ein Auge zu.

          „In allen drei Fällen sehe ich keinen zwingenden Grund, warum die Abstellflächen unbedingt öffentlich bereitgestellt werden müssen“
          Im Prinzip Zustimmung. Aber: Es muß natürlich dann auch möglich sein, die privat bereit zu stellen. Was baurechtlich in besonders „fortschrittlichen“ Kommunen verhindert wird.

          Und dann ist es natürlich so, daß in vielen Fällen die „öffentlichen“ Parkplätze eigentlich schon privat bereitgestellt werden.
          Im üblichen Neubaugebiet müssen die Anlieger per Umlegung Grundstücksfläche hergeben und dann werden öffentliche Parkplätze eingerichtet. Die per Anliegerbeitrag von den Leuten bezahlt werden.
          In unserer Straße gibt es 14 Häuser, die haben alle ihren privaten Stellplatz auf ihrem Grundstück fürs eigene Auto. Und dann gibt es acht öffentliche Parkplätze, die von uns Anliegern komplett bezahlt wurden. Und die reichen gerade mal so für Handwerker und Besucher.

          Die Grünen haben jetzt gefordert, daß für diese „öffentlichen“ Parkplätze sehr heftige Parkgebühren eingeführt werden sollen. Was bei den Anliefern für sehr heftigen Ärger sorgt.

    • Thorsten Haupts 1. Februar 2022, 22:17

      Erneut, wie begründet die Kritik ist, ist bei der Fragestellung irrelevant. Kritik an der BILD ist auch begründet.

      Die BILD zahlen Leser freiwillig, den ÖRR unter Zwang mit Gefängnisstrafendrohung. Deshalb ist die BILD in einer solchen Diskussion völlig irrelevant.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 08:29

        Darum ging es mir nicht. Mir ging es um ein potenzielles Verbot der BILD.

        • Erwin Gabriel 2. Februar 2022, 14:14

          @ Stefan Sasse 2. Februar 2022, 08:29

          Mir ging es um ein potenzielles Verbot der BILD.

          Den ÖR will doch niemand verbieten. Es geht nur um die Zwangsfinanzierung (wobei die dann auch weitestgehend für Programm-Müll und Selbstversorgung eingesetzt wird).

          • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 16:35

            Es gibt durchaus stärker werdende Rufe zur Abschaffung, mittlerweile aus CDU-Landesverbänden. Da hat eine deutliche Radikalisierung stattgefunden. Und die Abschaffung der Gebühr ist die Abschaffung der ÖR, das ist doch wohl klar.

            • Thorsten Haupts 2. Februar 2022, 19:50

              Und die Abschaffung der Gebühr ist die Abschaffung der ÖR …

              Ah. So schlecht, dass ihn niemand zahlen will. Auch mal ein klares Eingeständnis :-). Beifall dafür.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Stefan Sasse 3. Februar 2022, 08:36

                Qualität ist das eine Problem. Ich würde niemals ein Abo für so Kacke wie ARD und ZDF Hauptprogramm abschließen. Auf der anderen Seite hast du die Programme vom DLF, SWR und Konsorten, die hohe Qualität produzieren, die am freien Markt nicht machbar wäre, weil einfach zu wenig Leute es kaufen würden. Ich weíß nicht mal selbst ob ich es tun würde. Daher ja auch meine Forderung: streicht das ganze überflüssige Fett weg und konzentriert euch auf die Nischenprogramme, weil für die gibt es keine private Alternative, während dumme Talkshows, Reruns von alten Filmen und Serien und Bundesliga auch bei den Privaten zu haben ist.

    • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 17:16

      By the way, hättest du die Kritik mit den Parkenden auch gemacht, wenn ich Autofahrer geschrieben hätte…? 😉

  • Detlef Schulze 31. Januar 2022, 17:32

    zu 8)
    =====
    Eine offensichtliche Abwehrreaktion ist ja die Verdrängung. Fast 29 Prozent der Deutschen sind nach einer Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld aus dem Jahr 2019 der Meinung, ihre Vorfahren seien im Widerstand gewesen und hätten Opfern geholfen.
    ======

    Hier wird ein sehr grosser Unterschied zwischen Selbstwahrnehmung und Realitaet suggeriert, der vielleicht bei naeherer Betrachtung gar nicht so gross ist. Zum einen waechst die Anzahl der „Vorfahren“ mit der Zeit schnell an. Die Vorfahren der Befragten waren ja eher Urgrosseltern, als Grosseltern, und davon hat ja jeder 8 Stueck. D.h. wenn 1% im Widerstand waren, koennen deren Nachfahren gerne 5-8% der Bevoelkerung ausmachen (Milchmaedchen, ich weiss). Zum anderen ist ja auch nicht klar definiert, was „Widerstand“ und „Opfern helfen“ konkret bedeutet. War es schon Hilfe wenn man versteckte Juden nicht verraten hat? War es bereits Hilfe, wenn ein Professor seinem juedischen Doktoranten ein ueberschwaengliches Empfehlungsschreiben fuer eine Anstellung in den USA schreibt? Ich glaube wenn man die Messlatte fuer „Widerstand“ und „Hilfe“ weit genug nach unten verschiebt, erreicht man die 29% schon.

    Aber der Herr Wagner hat natuerlich vollkommen recht damit, dass eine simple Gute-Boese Betrachtung der Realitaet nicht gerecht wird. Der Holocaust wurde erst dadurch moeglich, weil zu viele Menschen zu wenig Widerstand geleistet haben (aus durchaus nachvollziehbaren Gruenden). Ich glaube, dass wurde nach dem Krieg vielen Menschen auch bewusst, und so erinnern sich dann auch viele Leute, die still gehalten haben, gerne daran, dass sie trotz Boykott-Aufrufen trotzdem gelegentlich beim juedischen Baecker ihr Brot gekauft haben. Ich glaube aber, dass diese Art der verzerrten Erinnerung weniger auf die heutigen Generationen zutrifft. Zu meinen Urgrosseltern habe ich keine emotionale Bindung. Ich kenne nicht ihre Namen und falls sie Schuld auf sich genommen haben, tangiert mich das nicht. Wahrscheinlich geht es vielen Menschen meiner Generation so.

  • Erwin Gabriel 31. Januar 2022, 17:32

    @ Stefan Sasse 31. Januar 2022, 16:42

    3)Reicht, ihn einseitig zu nennen.

    Auch wahr

    Übrigens ist die Kritik hier nicht links; die klassische Linke ist Autofan.

    Aus welcher Ecke würdest Du die pauschale Auto-Kritik denn verorten, wenn nicht aus der linken Ecke …?

    7) Als ob die akzeptieren würden, dass andere Meinungen sich durchsetzen.

    2015 war eine große Mehrheit gegen den unbegrenzten und unkontrollierten Flüchtlingszuzug. Hat in Berlin auch keinen interessiert, da gab es auch ein großes Demokratieverständnis-Defizit bei unserer Kanzlerin.

    … aber die sind eine Minderheit und weigern sich auch standhaft, das anzuerkennen.

    Ja und? Wann hat je jemand seine Meinung geändert, weil sie nicht mehrheitsfähig war? Ich ändere meine Meinung bestenfalls, wenn ich ein gutes Argument höre. Das mehr Leute anderer Meinung sind als diejenigen, deren Meinung ich teile oder die meine Meinung teilen, juckt mich genauso wenig wie Dich. Außerdem bedeutet „Demokratie“ nicht, dass sich eine Mehrheit (wie groß oder klein auch immer) grundsätzlich über die Wünsche der kleineren Gruppe hinwegsetzen können.

    Alles, was an ‚undemokratischem Verhalten‘ jetzt von den Protestlern kommt, haben Regierung und Medien über Jahre vorgemacht.

    10) Erneut, wie begründet die Kritik ist, ist bei der Fragestellung irrelevant. Kritik an der BILD ist auch begründet.

    Ja, und? Niemand zwingt die ÖRs zur Geldverschwendung und zu einem (in weiten teilen) Scheißprogramm.

    Und niemand zwingt mich, die BILD zu bezahlen.

    • Stefan Sasse 31. Januar 2022, 19:41

      3) Das ist eher die alternative Szene, Ökos, wie auch immer. Aber bei klassischen Sozen wirst das wenig finden, oder bei der LINKEn. Das ist eher grün.

      • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 09:32

        Stefan Sasse 31. Januar 2022, 19:41

        3) Das ist eher die alternative Szene, Ökos, wie auch immer. Die sind links

        … ist eher grün.
        die sind auch links 🙂

        Aber ich kann Deiner Ausführung folgen …
        Die konservativen Linken sind nicht dabei, nur die progressiven

        • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 11:23

          Dann beschwer dich nie wieder, wenn FDP, AfD und CDU alle als rechts klassifiziert werden…

      • R.A. 1. Februar 2022, 10:32

        „Aber bei klassischen Sozen wirst das wenig finden“
        Völlig richtig.
        Aber dafür findet man die klassischen Sozis fast nicht mehr. Die deutliche Mehrheit der Entscheider in der SPD (also die hauptberufliche Funktionärsschicht, die die Parteitage dominiert) denkt in Verkehrsfragen grüner als die Grünen.

        • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:13

          Das wäre mir neu.

          • R.A. 1. Februar 2022, 15:37

            Lies‘ mal ein bißchen in SPD-Wahlprogrammen, insbesondere kommunalen …

      • cimourdain 1. Februar 2022, 11:24

        Wahlprogramm die LINKE 2021 „DIE LINKE setzt sich für weitgehend autofreie Innenstädte ein und will den Kommunen hierfür erheblich mehr Spielraum einräumen.“ und vieles mehr in dieser Richtung:
        https://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogrammdebatte-2021/wahlprogrammentwurf-2021-erster-entwurf/gerechte-mobilitaet-oekologisch-und-bezahlbar-fuer-alle-mit-guten-arbeitsplaetzen/

  • Detlef Schulze 31. Januar 2022, 18:11

    zu 9)
    „Ich gebe Drum Recht, was die politische Seite dieser Maßnahmen angeht. Es ist wesentlich leichter, allgemeine Maßnahmen für ärmere Menschen aufzulegen, als spezifisch Programme für die schwarze Minderheit zu erschaffen. “

    Absolut richtig! Die Unterstuetzung von Minderheiten ist zwar in Anbetracht der US-Geschichte verstaendlich, sie ist aber 1. rassistsich und 2. ungerecht. Solche Massnahmen sind rassistisch, weil man natuerlich entscheiden muss, wer jetzt „schwarz“ ist. Wieviel „schwarze“ Gene muss man denn haben, um finanzielle Unterstuetzung fuers Studium zu erhalten? Ungerecht sind diese Massnahmen, weil es mittlerweile viele Einwanderer aus Afrika gibt. Viele von denen stammen aus wohlhabenden Oberschichten-Familien, die ihre Kinder zum Studium in die USA geschickt haben. Betrachtet man Nachfahren dieser Einwanderer gesondert, befinden sie sich an der Spitze, was Ausbildung und soziooekonomischen Status angeht. Diese Menschen haben aber ebenfalls ein Anrecht auf finanzielle Unterstuetzung fuer ihr Studium, auf Grund ihrer Hautfarbe. „Weissen“ aus der Unterschicht wird diese Unterstuetzung verwaehrt.

  • Ariane 31. Januar 2022, 23:39

    3) Ohne Poller geht nichts

    Also man mag mir ja mein mangelndes ästhetisches Empfinden nachsehen, aber ich sehe eigentlich auch kein großes Problem mit Pollern. Sie sind effektiv, was will man mehr? Und hübschen Stadtverkehr findet man ja eigentlich eh nicht, selbst wenn da nur Radfahrende rumgurken und immer noch besser als wie hier in Achim einfach auf engen Straßen ne Fahrradspur hinzupinseln, die einfach mitten auf der Straße wieder endet und das dann Verkehrswende zu nennen.^^ Im Übrigen meine ich, dass es auch Untersuchungen gab, dass die Pollerlösung (logisch eigentlich) am sichersten sei. Also her mit den Pollern!

    5) Biden’s losing fight

    Es erscheint mir eh nicht ganz klar, warum man nur Sachen ausfechten sollte, deren Sieg bzw Ausgang klar ist. Gerade in der Politik, wo es ja auch viel um Symbolkraft geht und um Haltung. Auch, um diese erstmal zu finden, damit sie symbolträchtig werden kann. Wenn man diese Kämpfe nicht annimmt (und vielleicht verliert), dann werden sie nicht geführt.

    Anderes Thema, aber ich würde hier zb auch den Ausschluss von Sarrazin aus der SPD nennen (auch die Versuche mit Lafo/Wagenknecht und Palmer). Das Ergebnis ist da ja eigentlich nebensächlich, aber die Haltungsfrage umso wichtiger. Sieht man ja bei der Union, sonst fällt einem das auf die Füße und plötzlich hat man nen CDUler als Präsidentenkandidat und fragt sich, wie das nur passieren konnte.

    8) Aufarbeitung der NS-Zeit

    Sehr gutes Interview, das mit Hameln hab ich gar nicht mitbekommen. Ist halt irgendwo anders in Niedersachsen.^^ So Zeugs wie die „Wannseekonferenz“ finde ich eh immer blöd, aus den von dir genannten Gründen, aber auch, weil es den Eindruck nährt, dass ein paar wenige Nazis das ganze Unheil quasi allein angerichtet haben. Da bräuchte es eben nicht nur mehr Tätergeschichten, sondern auch mehr Breite.

    Ich war letztes Jahr in Düsseldorf im Museum, da gab es so Tafeln mit Fotos und erst, wenn man sie umgeklappt hat, konnte man sehen, ob es sich um Opfer oder Täter handelt, das fand ich richtig gut. Und übrigens immer wieder der Schock wie easy-peasy die ganzen TäterInnen bis zur Rente in ihrem angestammten Job weitergearbeitet haben, da ist mir vor allem eine Kinder- und Jugendpsychologin in Erinnerung geblieben.
    Parallel zur Frage, ob es problematisch ist, wenn die Zeitzeugen wegsterben, könnte man da übrigens auch die Frage stellen, ob es nicht auch wohltuend ist, schließlich sterben die ganzen Altnazis ja auch weg. Übrigens auch und gerade für die Täter-Aufarbeitung, weil der emotionale Abstand größer ist, wenn es um (unbekannte) Urgroßeltern geht statt um die eigenen Eltern.

    11) Deutsche Irrtümer

    Schöner Artikel. Ist das eigentlich ein deutscher oder internationaler Irrweg, dass nur jemand aggressiv und/oder spinnert genug sein muss, damit alle Hobbypsychologen vereint um Verständnis und Empathie bitten? Können wir uns das nicht für Leute aufheben, die nicht die Welt brennen sehen wollen?

    Die Nostalgie der SPD für die Ostpolitik entspringt einer völligen Fehlanalyse dessen, aus was diese bestand und wie sie funktionierte

    Das ist zwar zweifellos richtig und ich würde einen Artikel dazu auch begrüßen. Allerdings halte ich das in diesem Kontext eher für nebensächlich. Entspannungspolitik (gerade bei den so friedliebenden (sorry Ukraine!) Deutschen) ist eher ein Feigenblatt und klingt halt besser als Antiamerikanismus. Ich halte die verdruckste deutsche Haltung da generell eher für ein recht unbestimmtes gefühliges Element, das irgendwie verzweifelt versucht wird, mit Argumenten zu unterfüttern.

    Genauso fatal (wenn nicht schlimmer) ist die Idee, man dürfe sich nicht festlegen aus einer historischen Verantwortung zu Russland. Als hätten wir den anderen osteuropäischen Staaten gegenüber nicht eine ebensogroße Verantwortung, vor allem nicht in eine altkoloniale Attitüde zu verfallen, die wie einst Polen auf die Idee kommt, einen Teil eines souveränen Landes den Russen halt zu „schenken“. Ceterum censeo: Wenn es um deutsche Kolonialgeschichte geht, müssten wir wirklich dringend mit Osteuropa anfangen, das ist eine viel größere Leerstelle als Namibia und ein einziges Trauerspiel.

    • Erwin Gabriel 1. Februar 2022, 11:56

      @ Ariane 31. Januar 2022, 23:39

      8) Aufarbeitung der NS-Zeit

      So Zeugs wie die „Wannseekonferenz“ finde ich eh immer blöd, aus den von dir genannten Gründen, aber auch, weil es den Eindruck nährt, dass ein paar wenige Nazis das ganze Unheil quasi allein angerichtet haben.

      Hhmmm …

      Egal, wie viele nachher mitgemacht oder weggeschaut haben – hätte es die Beschlüsse der Wannsee-Konferenz nicht gegeben, wären die Mitläufer auch nicht mitgelaufen.

      Da bräuchte es eben nicht nur mehr Tätergeschichten, sondern auch mehr Breite.

      Da, glaube ich, kann ich folgen. Spannend finde ich stets die Wege, die in so krasses Verhalten führen; meiner laienhaften Einschätzung nach wird kaum einer von heute auf morgen zum Mörder, sondern geht seinen Weg in einem fördernden Milieu mit kleinen Schritten.

      Siehe auch Ku-Klux-Clan in den USA: Die sind nicht alle als „Nigger-Hasser“ auf die Welt gekommen, sondern wurden in einem Milieu geprägt, und prägten später selbst. Hier ist, finde ich, die individuelle Betrachtung nicht immer zielführend.

      Ich war letztes Jahr in Düsseldorf im Museum, da gab es so Tafeln mit Fotos und erst, wenn man sie umgeklappt hat, konnte man sehen, ob es sich um Opfer oder Täter handelt, das fand ich richtig gut.

      Klingt spannend. Welches Museum?

      Und übrigens immer wieder der Schock wie easy-peasy die ganzen TäterInnen bis zur Rente in ihrem angestammten Job weitergearbeitet haben, da ist mir vor allem eine Kinder- und Jugendpsychologin in Erinnerung geblieben.

      Wie gesagt, entstehen meiner Meinung nach solche Situationen nur aus der individuellen Person heraus, sondern das Milieu spielt eine große Rolle. Auch dann, wenn es darum geht, extreme Taten „zu verstehen“; das wasr ja letztendlich das gleiche Milieu wie vorher.

      11) Deutsche Irrtümer

      Entspannungspolitik (gerade bei den so friedliebenden (sorry Ukraine!) Deutschen) ist eher ein Feigenblatt und klingt halt besser als Antiamerikanismus. Ich halte die verdruckste deutsche Haltung da generell eher für ein recht unbestimmtes gefühliges Element, das irgendwie verzweifelt versucht wird, mit Argumenten zu unterfüttern.

      Volle Zustimmung !!!

      Ceterum censeo: Wenn es um deutsche Kolonialgeschichte geht, müssten wir wirklich dringend mit Osteuropa anfangen, das ist eine viel größere Leerstelle als Namibia und ein einziges Trauerspiel.

      Auch hier: Volle Zustimmung. Aus meiner Wahrnehmung werden die Wiedergutmachungsversuche für ehemalige Sünden in Afrika mit dem gleichen Gefühl intellektueller Überlegenheit betrieben, mit dem man damals diese Länder beherrscht hat.

      Mit europäischen Ländern wie Polen ist man eher auf Augenhöhe, und ich vermute, dass man sich da vielleicht deshalb schwerer tut.

      • Ariane 1. Februar 2022, 15:43

        Egal, wie viele nachher mitgemacht oder weggeschaut haben – hätte es die Beschlüsse der Wannsee-Konferenz nicht gegeben, wären die Mitläufer auch nicht mitgelaufen

        Und ohne breite Zustimmung oder Akzeptanz der Bevölkerung wäre es nicht bis zur Wannseekonferenz gekommen^^

        Die ist eh ein schlechtes Beispiel, weil sie irgendwie den Schlusspunkt unter die Judenvernichtung setzt und sie zu einem reinen Verwaltungsakt macht. Die Kipp-Punkte liegen ja viel früher.

        Wie gesagt, entstehen meiner Meinung nach solche Situationen nur aus der individuellen Person heraus, sondern das Milieu spielt eine große Rolle. Auch dann, wenn es darum geht, extreme Taten „zu verstehen“;

        Gewöhnung bzw Eskalationsspiralen würde ich auch noch dazunehmen, wie du auch sagst, passiert das ja nicht plötzlich, sondern ist eine Entwicklungsgeschichte.

        Klingt spannend. Welches Museum?
        Das war die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, kann ich wirklich empfehlen.

        Mit europäischen Ländern wie Polen ist man eher auf Augenhöhe, und ich vermute, dass man sich da vielleicht deshalb schwerer tut.

        Es ist schon eine merkliche Leerstelle. Ich denke, dass zusätzlich auch der emotionale Abstand dazukommt. Namibia ist weit weg und ewig lange her und zusätzlich partizipieren wir noch von den Aufarbeitungen der Briten/Franzosen mit.

        Osteuropa liegt zeitlich und örtlich viel näher und hat übrigens für die jetzige Politik auch viel mehr Bedeutung. Zusätzlich geht es in den ganzen Naziverbrechen unter, aber es bedürfte ganz dringend eine gesonderte Betrachtung.

    • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:06

      5) Korrekt.

      8) Ich hab aus geschichtswissenschaftlicher sicht mit dem Wegfall der Zeitzeug*innen kein Problem, eher im Gegenteil.

      11) Ja.

  • cimourdain 1. Februar 2022, 10:06

    1) Etwas ähnliches hatten wir bei uns auch. Dort wurde beim Antritt von Stephan Harbarth. Da wurde von konservativen Kommentatoren auch immer wieder dessen juristische Qualifikation betont, aber der springende Punkt, seine Befangenheit, ‚vergessen‘.

    2) Das Problem auf linker Seite ist nicht Emotionalisierung. Das Problem ist Mobilisierung, in den USA, wo aktive Wählerregistrierung nötig ist, noch mehr als hier. Und da spielt der ‚urlinke‘ Anspruch hinein, Dinge besser zu machen. Wenn dieser selbst unter relativ günstigen Umständen nicht erfüllt werden kann (siehe Fundstücke 5 und 6), ist das Vertrauen futsch.

    3) Hierzu eine Beobachtung als Stadt-Radfahrer: 90% der auf Rad- und Fußwegen abgestellten Autos sind Handwerker, Lieferanten, Postzusteller, Möbeltransport u.ä. Deren Problem ist, dass fast alle legalen Parkplätze von Anwohnern und Beschäftigten dauerbelegt sind. Poller würden dann dazu führen, dass diese dann in zweiter Reihe oder Feuerwehreinfahrten stehen.

    4) EIn Aspekt, warum akademische Mathematiker auf die Schulmathematik herabsehen ist, dass letztere auch auf Gymnasien nur Mathematik behandelt, die bis spätestens im frühen 19.Jahrhundert entstanden ist (kleine Ausnahme Stochastik). Ich glaube, kein anderes Fach (nicht einmal Religionslehre) ist so weit zurück.

    7) Ich habe mir mal die Demonstration angesehen. Es erstaunt mich vielmehr, wie wenig Zusammenstöße es gibt. Da bin ich von linken Demos mehr Ärger gewohnt. Es erinnert (laut einem Zeitzeugen) eher an die Studentenbewegung der 60er vor dem Kipppunkt 1968. Die Taktik, Demonstrationen, die nicht genehmigt wurden, zu ‚Spaziergängen‘ umzudeklarieren, stammt vom SDS 1966. Und da sehe ich die große Gefahr: Wenn es ein Märtyrerereignis a la Benno Ohnesorg gibt, dann kann das ganze kippen. (Oder wenn der VS agente provocateur einsetzt)

    8) Filmtip: Über die Wannseekonferenz gibt es auch ein US-Filmdrama von 2001 mit besseren Schauspielern (Stanley Tucci, Kenneth Branagh, Colin Firth)
    Kleiner Boshaftigkeit am Rande: Ist dir aufgefallen, dass du direkt hintereinander ( Fund 7 und 8 ) zweimal das Thema ‚Deutsche und Widerstandsmythen‘ gegenläufig betrachtest?

    9) „Das ist generell etwas, das die politische Linke tun sollte: lieber allgemeine Programme, die auch oder sogar vordringlich der erwünschten diskriminierten Minderheit helfen, als zu zielgesteuerte Partikularpolitik.“ Good stuff, ich werde dich daran erinnern.

    11) Zum Thema Antiamerikanismus: Es wäre sehr einfach, mit Matthäus 7,3-5, auf den grassierenden Anti-Russismus hinzuweisen (Auch in deinem Artikel vom 28. Januar un den Kommentaren dazu.) Aber darum geht es mir nicht. Viel interessanter ist in meinen Augen der Punkt, wo Kritik zu einem verhärteten Vorurteil gerinnt, das es einem unmöglich macht, die ‚anderen‘ differenziert zu sehen (Am Rande hatten wir diese Frage in der Diskussion über deinen Kommentar zur Twitter-Diskussion über das Brockschmidt-Buch).

    • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:13

      2) Emotionalisierung führt zu Mobilisierung. Das ist doch gerade der Punkt. Das ist ja wie sagen nicht der Hunger ist das Problem, sondern das Nichtvorhandensein von Essen.

      3) Die Zahl der Fahrzeuge ist schlicht viel zu hoch.

      4) Ja, hab ich auch schon gehört.

      7) Interessant, danke!

      8) Danke! Und inwiefern?

      9) Bitte!

      11) Ja. Aber zumindest meine Sicht auf die Dinge ist immer explizit auf die Republicans, nicht auf „die Amerikaner“. Und das ist soweit ich das sehe bei Brockschmidt auch so, weswegen mich das so irritiert.

      • cimourdain 2. Februar 2022, 00:37

        2) Hattest du mal eine/n Vorgesetzte/n, der mit Begeisterung neue Projekte angefangen hat, aber diese dann auf halbem Weg aufgegeben oder in den Sand gesetzt hat? Dann weisst du, wie schnell Emotionalisierung in Frustration und damit Demobilisierung umschlagen kann.

        3) Jein: Die von mir genannten Berufs- Fahrzeuge werden von ihren Nutzern benötigt – und zwar genau dort. Das Problem ist der individualisierte motorisierte Personenverkehr mit dem eigenen Auto, der sehr viel Platz beansprucht.

        8) Die Coronademonstranten haben den romantisierten Widerstandskitsch so weit internalisiert, dass sie sich darauf berufen. Und die schweigende Mehrheit hat den gleichen Kitsch so weit internalisiert, dass sie sich einbilden, dass sie sich wehren würden, wenn es eine Diktatur gäbe, obwohl sie nicht einmal bei der niedrigen Risikoschwelle unserer Demokratie gegen Ungerechtigkeiten auf die Straße gehen. Selbstbetrug ist beides.

        11) Und deswegen werfe ich bei dir eine gewisse pro (US-)amerikanische Befangenheit vor. An vielen US-Fehlentwicklungen wirken auch Demokraten mit (wenn auch meist in geringerem Ausmass). Diese betrachtest du nur als Republikaner-Problem ( z.B. Gerrymandering oder das Gefängniswesen) oder ignorierst sie vollständig ( Vorfolgung von Whistleblowern, Verweigerung multilateraler Zusammenarbeit). In wirklichkeit sind es in meinen Augen Symptome, die auf grundlegende Probleme, die die US-Gesellschaft mit sich und dem Rest der Welt hat, hindeuten.

        • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 08:31

          2) Klar. Ich hab das Gefühl, wir haben da eh nur einen semantischen Dissens.

          3) Der ÖPVN ist für viele Pendler*innen keine sinnvolle Alternative, das ist das Thema.

          8) Jepp.

          11) Klaro! Aber um die Fehlentwicklungen ging es in der Diskussion ja nicht. Die Außenpolitik ist effektiv bipartisan clusterfuck, und die Problematik im Finanzsystem genauso.

    • schejtan 1. Februar 2022, 15:54

      4) Ich wuerd sagen, dass ist gar nicht so sehr das Problem. Sondern eher: An der Schule lernt man rechnen, an der Uni Mathematik.

      • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 18:10

        Auch korrekt.

      • cimourdain 2. Februar 2022, 08:59

        Bekanntes Bonmot.
        Nur lernt man an der Schule auch euklidische Geometrie, ein echtes axiomatisches System. (Und den großen 70er Jahre Aufreger „neue Mathematik“ könnte ein sehr wohlwollender Betrachter als Einstieg in die ZFC sehen)
        Umgekehrt wären angehende Ingenieure ganz froh, an der Uni auch mehr Rechnen als Mathematik zu lernen 🙂

        • schejtan 2. Februar 2022, 11:57

          Meine eigenen Erfahrungen im Zeitraffer:

          Als Mathe LK Einserschueler in der ersten Mathe fuer Physiker Vorlesung: „Was zum Teufel erzaehlt der mir da?“

          Im zweiten Semester: „So langsam gewoehnt man sich dran.“

          In dritten Semester erste theoretische Physik Vorlesung: „Ah, hier lernen wir also wozu das ganze gut ist.“

          Im vierten Semester: „Okay, mittlerweile hat man das mathematische Denken schon einigermassen verinnerlicht. Aber warum lernen wir jetzt noch die Theorie hinter Volumen- und Flaechenintegralen, die wir in TP schon laengst routinemaessing loesen?“

          Jetzt ein paar Jahre nach der Promotion: „Ah, mein altes Mathebuch“ *aufschlag* *zuschlag* *wegsperr*

    • Ariane 1. Februar 2022, 15:55

      7) Ich habe mir mal die Demonstration angesehen. Es erstaunt mich vielmehr, wie wenig Zusammenstöße es gibt. Da bin ich von linken Demos mehr Ärger gewohnt.

      Spannend. Obwohl das Milieu ja eigentlich ganz anders ist, eher gutbürgerliche mittelalte Männer oder Frauen statt Studierende^^

      Was ich beobachte, ist eher, dass der Krawalltourismus sich in den letzten 10-20 Jahren eher von links nach rechts verlagert hat. Siehe zb die Maikrawalle, die coronabedingt jetzt zwei Jahre ausgefallen sind und vorher auch stark am Abflauen waren. Das letzte linke Ding, an das ich mich erinnere war irgendwas bei der IAA dieser Autoausstellung in München. Die wurden zwar wie Schwerverbrecher behandelt, haben aber glaub ich nur ne Straße blockiert, was ich jetzt nicht als gewalttätige Ausschreitung werten würde^^

      Rechts laufen da schon eher Dinge aus dem Ruder, ich denke da an dieses HoGeSa-Ding in Köln und ähnliches. Die Polizeiketten werden ja auch nicht von den Frührentnern durchbrochen, sondern vom schwarzen Block des III. Wegs.

      Und – ich spekuliere mal ein wenig herum – ich glaube so Krawalltouristen riechen das, wo am meisten los ist und das hat auch mit der Überemotionalisierung auf der rechten Seite zu tun und dem Mangel daran bei der linken. (ist halt die Kehrseite, Emotionen können außer Kontrolle geraten).
      Und selbst ohne große Ausschreitungen haben diese Querdenker-Ereignisse ja oft eine wahnsinnige Aggressivität, ich glaub in Wien haben die irgendwelche maskentragenden Kinder angeschrien, da muss man echt schon ganz schön durch sein dafür. Und das zieht nun mal auch Leute an, denen irgendeine Maske oder Impfpflicht eigentlich total egal sind, was das Ganze dann zusätzlich anheizt und zur Eskalation beiträgt.

      • cimourdain 2. Februar 2022, 09:33

        Einige richtige Punkte:

        – Es gibt rechts auch einen ’schwarzen Block‘, der sich an Demos anhängt um Ärger zu machen. Und die kriegen dann die gesamte Aufmerksamkeit (Wie auch schon vorher das Original).

        -Durch die eskalierten Debatten der letzten zwei Jahren sind die Coronagegner extrem dünnhäutig und fühlen sich durch Nichtigkeiten provoziert. Deshalb fürchte ich so sehr ein ‚Kippereignis‘, das sie militarisiert.

        – Die IAA-Proteste in der Stadt waren sehr friedlich. Gewalt ging von der Polizei aus. Die ‚Straßenblockade‘ , die du erwähnst, war allerdings das Lahmlegen einer der Zubringerautobahnen einer Millionenstadt – schon ein bisschen größer. Und war da nicht ein paar Wochen vorher die bescheuerte Aktion von dem Greenpeace-Aktivisten, der im Fußballstadion abgestürzt ist?

  • Stefan Pietsch 1. Februar 2022, 12:39

    @cimourdain

    So, ich habe mir die Studie mal angesehen, aus ökonomischer Sicht und nicht nur die Zusammenfassung gelesen. Der Verfasser zeigt die Intension, die sich in den Details der Studie zeigt.

    Insgesamt kommen die Autoren auf externe Kosten des Verkehrs von 149 Milliarden Euro, von denen sie knapp 95% des Individualverkehr zuschlagen. Zur Grundlage der externen Kosten werden dabei Angaben des Umweltbundesamtes gemacht (Stichwort: Selbstreferenzierung). Die Kosten sind dabei in vier Bereiche unterteilt:

    – Klima (18%)
    – Luftschadstoffe (6%)
    – Unfälle (41%)
    – Lärm (5%)
    – Natur & Landschaft (9%)
    – Nachgelagerte Prozesse (21%)

    So ist bei der Studie erstaunlich, dass bei Unfällen PKWs hauptverantwortlich für teure und schwere Unfälle seien. Grundlage hierfür sind die Daten von destatis. Allerdings weiß jeder Autofahrer, dass die richtig schweren Unfälle und umfangreichen Staus durch die Kollision mit LKWs zustandekommen. Auch wenn die Kosten nach Verursacher zugerechnet werden, ist das an diesem Punkt doch sehr problematisch: Wenn z.B. ein PKW auf das Stauende auffährt und hierbei mit einem LKW zusammenstößt, sind die Personen- und Sachschäden weit gravierender als wenn zwei Kleinwagen kollidieren.

    Die Durchschnittskosten im Personenverkehr (Seite 6) werden zwar zwischen PKW und Bussen unterschieden, nicht jedoch weiter nach PKW und LKW aufgedröselt.

    Lustig wird es beim Klimateil. Für den Individualverkehr wird ein fiktiver Satz des Umweltbundesamtes verwandt wird statt den Vermeidungssatz im Emissionshandel. Dazu werden indirekte Kosten von rund 100% des direkten Kosten gerechnet für Entsorgung etc. Solche indirekten Kosten fallen beim Schienenverkehr seltsamerweise nicht an, obwohl die Produktion, Vertrieb und Erhalt der Züge und Schienen enorm aufwendig ist.

    Die hohen Kosten durch den Energiemix, in dem die Bahn ihre Züge vor allem mit Kohlekraft betreibt, sind nur rudimentär in den „vor- und nachgelagerten Prozessen“ reflektiert. Hier kommt zum Tragen, dass der Individualverkehr immer noch den Gr0ßteil des Verkehrs ausmacht. Gesamtkosten lägen weit höher bei einer höheren Frequentierung. Die Studie zeigt darüberhinaus, dass bei den Kosten pro km hier der Individualverkehr nicht sonderlich schlechter abschneidet.

    Problematisch ist die Zurechnung des Landschaftsverbrauchs. Straßen und Brücken existieren nunmal, sie werden nicht jährlich weggenommen. Diese Einmalkosten dem Verkehrsträger permanent zurechnen, ist da höchst fragwürdig.

    Keine Berücksichtigung finden dann noch zu hohen Zuschüsse für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr und die volkswirtschaftlichen Kosten in Form geringerer Beschäftigung, erhöhter Preise, Zugausfälle etc. durch die Monopolstrukturen in diesem Bereich. Auch das sind externe Kosten, für die die Allgemeinheit geradesteht.

    Insgesamt können die Studienautoren zufrieden sein. Sie haben die Kosten des Individualverkehrs so hoch wie möglich angesetzt und die Kosten von Bahnen so niedrig wie möglich.

  • Lemmy Caution 1. Februar 2022, 12:46

    zu 3) Wie soll die fahradfreundlichere Verkehrspolitik konkret aussehen?
    Möglichkeiten wären

    a) 100 Euro Strafe für Parken auf dem Radweg.
    – Oft machen das Lieferanten, die wirklich keinen anderen Parkplatz finden. Als Radfahrer find ich das übrigens persönlich oft nicht sooo problematisch, weil es auch nicht sooo oft vorkommt, zumindest wo ich fahre.
    – Radfahrer halten sich auch nicht immer an Verkehrsregeln. Insbesondere in Berlin find ich das oft echt krass.

    b) Rennradfahrer nutzen v.a. am Wochenende oft Landstraßen, obwohl es einen guten Radweg nebenan gibt. Die sind auf der Straße schneller, wegen dem besseren Asphalt und übrigens auch dem Sog der vorbeirauschenden Autos.

    c) wer schon mal Mountain-Bike Tracks in Mittelgebirgen nutzt, der weiss, dass der Ärger von älteren Wanderern gegenüber insbesondere jungen Mountain-Bikern nachvollziehbar ist. Manche Wanderer sind übertrieben schreckhaft, aber manche Mountainbiker nehmen in ihrem jugendlichen Leichtsinn Gefährdungen in Kauf.

    d) in den Niederlanden sind die an dem Punkt, an dem sie Städte noch fahrradfreundlicher machen, indem sie die bewußt autounfreundlicher machen.
    Ich wäre übrigens dafür… Wir haben sowas in Deutschland teilweise aus touristischen Gründen (z.B. Innenstadt von Nürnberg). Radfahren ist da schon sehr angenehm, wenn man weiss, mit welchen Routen man Fußgängerrudeln aus dem Weg geht.

    e) Vor allem auf Landstraßen finde ich viele Autofahrer in Deutschland und fast allen Nachbarländern in 99,9% der Fällen sehr rücksichtsvoll. Ausnahme ist Polen. Positiv überrascht haben mich Tschechien und Italien.

    f) Mit einem guten Navigationskonzept fährt man inzwischen zu 98% auf sicheren Wegen. Garmin + ((Netz für Radler der Bundesländer oder Naviki oder Komoot) und NICHT google maps). Das setzt allerdings eine gewisse Toleranz gegenüber mässig krassen Mountainbike-Tracks in Mittelgebirgen auf dem Tourenfahrrad voraus.

    • Lemmy Caution 1. Februar 2022, 12:50

      a) ist selber Gedanke wie cimourdain. Hier kommentieren Praktiker.

    • Lemmy Caution 1. Februar 2022, 12:57

      Manche Radfahrer brauchen überhaupt keine Wege. Ein Lehmpfad, eine Wiese, felsige Wanderwege reichen völlig aus, um in vielleicht 13 Tagen 1000 km durch Tschechien zu radeln.
      Nicht ernstgemeint, ich könnte das so nicht, aber schaut mal rein: https://www.youtube.com/watch?v=YjVjXD-6hkQ

      • Lemmy Caution 1. Februar 2022, 13:42

        Korrektur: 1800 km

    • Stefan Sasse 1. Februar 2022, 14:15

      Auch Fahrradfahrende können Arschlöcher sein, völlig klar. Aber Autos sind halt um mehrere Faktoren gefährlicher, das ist das Thema. Und wegen der miesen Infrastruktur gibt es zum auf der Straße fahren häufig keine Alternative. Das ist zumindest mein Problem hier in der Gegend.

    • R.A. 1. Februar 2022, 15:44

      a) Ja – wenn man dann aber auch legale Abstellmöglichkeiten vorsieht. Insbesondere für Handwerker und Lieferanten.

      b) und c) Da geht es ums Radfahren als Hobby. Auch schön, aber politisch nicht förderungswürdiger als viele andere Hobbys.

      Das Fahrrad als echtes Verkehrssystem hat einen ganz anderen Knackpunkt: Die Leidensbereitschaft bei schlechtem Wetter.
      Die positiven Beispiele wie NL oder Skandinavien leben wesentlich von der dort verankerten protestantischen Leidensethik. Sprich: Fürs Seelenheil bzw. die Umwelt nehmen die Leute auch Unanehmlichkeiten in Kauf.

      Wenn sie das nicht tun (wie in den meisten Teilen Deutschlands), dann wird Radfahren zum Schönwetterphänomen. Und bei schlechtem Wetter wird dann erwartet, daß der ÖV bereit steht.
      Was aber bedeutet, daß das Radfahren bei schönem Wetter verkehrspolitisch überhaupt nichts bringt – weil ja parallel der leere Bus fährt. Man muß also einen ausgebauten ÖV hinstellen, der nur teilweise genutzt wird. Und parallel ein Radnetz, daß auch nur teilweise genutzt wird.
      Ökologisch und ökonomisch ist das ziemlicher Quark.

      Ich gehe davon aus, daß so etwas wie eine „Verkehrswende“ in Deutschland nur über einen gut ausgebauten und intelligent flexiblen ÖV laufen kann. Radfahren wird keine zuverlässige Komponente eines leistungsfähigen Verkehrssystems sein.

      • Lemmy Caution 1. Februar 2022, 19:56

        Protestantische Leidensethik. So ein Quatsch. Es macht Spaß. Normaler Regen wird eher bei größeren Strecken von > 40 km ein Problem, weil man auch mit guter Ausrüstung (ganz wichtig: gute Überschuhe) wg. schwitzen von innen naß wird. Starkregen ist meist eher kurz und Regenradar liefert da die nötigen Infos.
        In Kopenhagen regnet es viel mehr und deren Fahrraddichte fand ich wirklich beeindruckend.

        • R.A. 2. Februar 2022, 10:47

          „Es macht Spaß.“
          Eine interessante Einzelmeinung.
          Der Blick auf deutsche Radwege bei Regen oder Kälte zeigt, daß Du da nicht typisch bist. Die Masse der in Deutschland mit dem Rad zurückgelegten Wege sind Schönwetterhobby und im Sinne eines Verkehrssystems Blindleistung. Weil die ÖV-Kapazität trotzdem parallel betrieben werden muß – weil die Leute bei schlechtem Wetter umsteigen.

          „In Kopenhagen regnet es viel mehr“
          Eben. Protestantische Leidensethik.
          Wenn Du es schaffst die Deutschen so umzuerziehen, daß sie auch bei schlechtem Wetter nur das Rad nehmen – dann kann der Radverkehr einen echten Beitrag leisten.
          Aber es wäre da schon eine riesige Entwicklung (und sehr unwahrscheinlich) wenn aus den 3% 6-7% Anteil würden. „Verkehrswende“ wäre das aber noch lange nicht. Würde man am Autoverkehr nur marginal merken.

          • Stefan Sasse 2. Februar 2022, 12:44

            ÖPVN ist klar die Antwort darauf, da führt kein Weg dran vorbei.

  • Lemmy Caution 1. Februar 2022, 13:13

    zu 6) hier eine Biden-Kritik aus The Atlantic. Sehr lang, recht anstrengend, aber für mich ungemein informativ und faszinierend. https://nymag.com/intelligencer/2022/01/was-larry-summers-right-all-along.html

  • Lemmy Caution 1. Februar 2022, 13:40

    7) Ich mag eigentlich nicht solche Rundum-Abqualifizierungen, aber diesen Leuten fehlen vielleicht einfach die Analyse-Werkzeuge und sie bestärken sich dann gegenseitig in ihrem Irrsinn, z.T. auch dank der „sozialen“ Medien. Die Mischung „Befreit von Autoritäten und einer hinreichenden Autonomie, um Nachrichten sinnvoll zu analysieren“ ist halt explosiv. Mag arrogant sein, aber ich mache mir da echt Sorgen.

    Wir stehen vor einem Internationalen Problem. Der Unsinn, den ich aus Chile über whatsapp und twitter Diskussionen wahrnehme, wird immer bekloppter.
    Aus meiner Sicht argumentiere/korrigiere ich differenziert v.a. auf drei Ebenen: Ökonomisches System im weitesten Sinne, Chilenische Geschichte und unsaubere Argumentation des Diskussionspartners.

    Aus Chile kommt dann als Antwort auf meine Argumentationen die zwei Totschläger: von rechts: „Chile ist nicht Deutschland“ und von linke „Chile ist nicht Deutschland“ und/oder „Du siehst das aus einer zu ökonomischen Perspektive“.

  • cimourdain 2. Februar 2022, 09:09

    @R.A., Thorsten Haupts, Stefan Pietsch, Erwin Gabriel
    Ihr habr recht, die von mir verlinkte Studie ist schwach. Ich hatte sie nur überflogen, weil es mir um drei Dinge ging:
    – Es gibt externalisierte Kosten des Autoverkehrs
    – Diese lassen sich in finanzielle Kosten umrechnen
    – Diese Kosten übersteigen die Kfz Steuern. DIeser letzte Punkt ist möglicherweise nicht korrekt.
    Hat jemand eine bessere Berechnung, die insbesondere Nutzfahrzeuge nicht mit hineinrechnet?

    • R.A. 2. Februar 2022, 11:04

      „– Es gibt externalisierte Kosten des Autoverkehrs“
      Nicht wirklich.
      Wo es echte Kosten sind (wie bei den Unfällen), sind sie nicht extern. Sondern werden im wesentlichen schon bezahlt (vom Autoverkehr). Es ist schon krass unseriös die in die „Studien“ mit aufzunehmen – aber ansonsten würden die halt optisch sehr schwächlich wirken.

      Der Rest sind Schäden oder Nachteile, die nicht wirklich als Kosten entstehen.
      Beispiel Lärm: Nur in seltenen Fällen gibt es da wirklich Gesundheitsschäden, die auf Kosten der Krankenkassen therapiert werden.
      Das sind dann wirklich externe Kosten des Autoverkehrs. Aber völlig marginal.
      Ansonsten kann man z. B. berechnen, wieviel mehr Miete Vermieter erzielen könnten, wenn Wohnungen an Hauptverkehrsstraßen keinen Straßenlärm hätten. Aber diesen fiktiven Kosten stehen in gleicher Höhe Mietvorteile der Mieter gegenüber.
      Oder man gesteht Straßenanliegern Schmerzensgeld zu, wie Touristen wenn neben dem Hotel Baustellenlärm den Urlaub beeinträchtigt.

      Aber dann müßte man auch den ÖV-Nutzern Schmerzensgeld für diverse Unannehmlichkeiten zugestehen (insbesondere Zeitverlust).

      „– Diese Kosten übersteigen die Kfz Steuern.“
      Die sind gar nicht der wesentliche Punkt (obwohl es natürlich nicht sein kann, daß die in der „Studie“ weggelassen werden).

      Wesentlich ist, daß „externen Kosten“ auch „externer Nutzen“ gegenübersteht. Und eine Rechnung nur sinnvoll wäre, wenn man beide Seiten einrechnet.
      Und dann würde die Argumentation völlig implodieren – dieser externe Nutzen ist um Größenordnungen höher als die in der „Studie“ aufgeführten Aspekte.

      Letztlich sind diese ganzen Berechnungen pseudowissenschaftlicher Quark. Da werden Argumente vorgetäuscht, weil man sich mit den eigentlichen Problemen nicht beschäftigen will.

      Denn es ist ja unbestritten, daß der Autoverkehr sehr viele Nachteile hat. Es wäre ganz toll ihn durch ein Verkehrssystem zu ersetzen, daß weniger Nachteile hat.
      Nur muß es eben auch ähnliche Vorteile bringen (also ähnlichen „externen Nutzen“ haben). Und das bedeutet vor allem, daß es eine analoge Verkehrsleistung erbringen muß.

      Und da gibt es bisher nicht einmal den Ansatz einer Idee. Im Nahverkehr kann man noch viel machen, da bin ich ziemlich optimistisch daß mittelfristig der größte Teil des Autoverkehrs ersetzt werden kann (was aber eben kein Grund sein kann, ihn kurzfristig zu beseitigen bevor die mittelfristig Ersatzlösung verfügbar ist).

      Aber beim Fernverkehr gibt es wenig Lösungsansätze. Selbst wenn man das Schienennetz der Bahn verdoppelt, würde diese nur einen überschaubaren Teil des Autoverkehrs ersetzen können.
      Und Schienenneubauten in dieser gigantischen Größenordnung sind in Deutschland schlicht nicht denkbar.

    • Stefan Pietsch 2. Februar 2022, 11:21

      Erst mal – danke für die Klarstellung, es hat große Klasse, so freimütig die Dinge einzuräumen.

      Ich habe jetzt keine Studie zur Hand, die nicht vom Bundesumweltamt kommt. Ich bin da allerdings nur mäßig interessiert, weil der Erkenntnisgewinn doch gering ist. Es ist doch unbestreitbar:

      – die Kosten des Individualverkehrs sind generell höher als bei Gemeinschaftsbeförderungen. Das gilt für alles, das individuell gemacht wird.
      – Die Schadstoffemissionen von PKW und LKW bleiben so lange wesentlich höher als die von Bahnen und Bussen, so lange der Verbrennungsmotor die bevorzugte Antriebstechnologie ist.
      – Der Straßenverkehr beansprucht enormen Flächen und Landschaftsveränderungen.
      – Mobilität verursacht klimaschädliche Gase, die durch öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie durch die Nutzung von Fahrrädern reduziert werden können.
      – Die Leerkosten von öffentlichen Verkehrsmitteln sind vergleichsweise hoch und sie werden es schon aus Bequemlichkeitsgründen bleiben.

      Ich mag über solche allgemein bekannten Fakten nicht streiten. So albern es ist, die Umweltschädlichkeit des Automobils zu bestreiten, so befremdend ist es, wie manche aus den Vorteilen des gemeinschaftlichen Beförderung eine Ideologie machen.

      Individuelle Mobilität wird in individuellen, freiheitlichen Gesellschaften immer einen dominierenden Raum einnehmen. Die Gründe sind jenseits der Kostenbetrachtung vielfältig.

  • Lemmy Caution 2. Februar 2022, 17:56

    Hier die Situation in den Niederlanden:
    https://www.youtube.com/watch?v=gqqVTNg6tC4
    https://www.youtube.com/watch?v=d8RRE2rDw4k (der ganze Kanal)

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