Totgesagte leben länger

Nun also im dritten Anlauf. Friedrich Merz ist CDU-Vorsitzender. Hat die Union nun endlich das Licht gesehen und die einzige Person gewählt, die sie noch vom Schicksal der SPD bewahren kann? Oder hat sie einfach nur das Ende der Fahnenstange erreicht und jeder Widerstand ist so weit zermürbt, dass Merz als einziger übrig blieb? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Genauso schwer ist es, eine vernünftige Prognose darüber abzugeben, ob Merz nun der Heilsbringer der CDU wird, ob er die Partei vollends in die Bedeutungslosigkeit führt oder ob sich insgesamt wenig ändern wird. Ich möchte die Gelegenheit seiner Wahl nutzen, um einige dieser Fragen zu diskutieren – eine Beantwortung wird wohl noch Jahre brauchen.

Merz ist die Durchsetzung gegen gleich zwei Konkurrenten gelungen: Norbert Röttgen, der sich als Modernisierer inszenierte und mit Themen wie Außenpolitik und Klimawandel zu punkten versuchte (wobei ich mir bei seinen beiden Kandidaturen immer im Unklaren bin, ob das nicht eher ausführliche Bewerbungsportfolios für ein Ministeramt waren) und Helge Braun, Kanzleramtsminister unter Angela Merkel, dessen Kandidatur gegen Merz derart unplausibel und dessen Rolle als Merkels rechte Hand ihn so singulär ungeeignet für die Kandidatur machen, dass man sich fragen muss, was in seinem Kopf vorging. Kurz: kein CDU-Schwergewicht wagte sich gegen Merz heran. Seine 60% im ersten Wahlgang sind folgerichtig; die Mehrheit der Partei steht, ob aus Überzeugung oder Verzweiflung, hinter ihm.

Damit ist ein parteiinterner Machtkampf vorläufig entschieden. Nachdem sowohl Merkels bevorzugte Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer als auch der „Merkelismus mit rheinischem Antlitz“ gescheitert sind, darf es nun doch Merz mit seiner Anti-Establishment-Plattform versuchen. Er übernimmt, um eine ausgelutschte Journalist*innenphrase zu verwenden, den Vorsitz über eine zerrissene Partei. Denn der tiefe Graben, der sich durch die Spitzenwahlkämpfe 2018 und 2020 zog, ist vielleicht verdeckt, aber nicht geschlossen. Genauso, wie bei der SPD der Sieg eines Peer Steinbrück oder Franz-Walter Steinmeier die parteiinternen Richtungskämpfen nur kurz unterdrückte schwelt der Konflikt zwischen „Merkelianern“ und der „Restauratoren“ (in Ermangelung besserer Worte) fort. Wo die Merkelianer den Kurs der Öffnung der Partei weit ins sozialdemokratische und liberale Milieu hinein als alternativlos sehen, betrachten die Restauratoren gerade diese Öffnung ob der Verwischung des „konservativen Profils“ der Partei als die Ursünde. Mit einer endgültigen Entscheidung dieses Streits ist genauso wenig zu rechnen wie bei der Auflösung des Konflikts zwischen den Teilen der SPD, die die Agenda2010 für die Ursünde und denjenigen, die sie für ein notwendiges Übel hielten.

Soviel zu den Hintergründen der Wahl. Damit kommen wir zu Auswirkungen.

Das Kalkül der Merz-Befürworter*innen ist, dass dieser enttäuschte Wählendengruppen wieder zurück in die Arme der Union bringt. Woher würden diese kommen? Sicherlich nicht von SPD und Grünen. Für diese ist, wie ich weiter unten noch aufzeigen werde, Merz eine hervorragende Feindfigur. Es ist vorstellbar, eine Angela Merkel zu wählen, wenn man sonst das Herz auf der linken Brustseite schlagen hat, nicht aber einen Merz. Wäre es anders, wäre das ganze Rational für seine Wahl beim Teufel. Die LINKE scheidet ohnehin aus. Bleiben AfD und FDP.

In den vergangenen Jahren kaprizierte sich die Debatte stets auf die AfD. Deren Wählende galten zumindest zu einem guten Teil als „Fleisch vom Fleisch“ der CDU, eine Argumentation, wie sie aus den Wählendenwanderungen sowohl von der SPD zu den Grünen in den 1980er Jahren als auch zur LINKEn in den 2000er Jahren bekannt vorkommt. Allein, je weiter man sich von der hysterischen Stimmung des 2017er Wahlkampfs entfernte, desto deutlicher wurde, dass die AfD und ihre Wählendenschaft wesentlich weniger bürgerlich ist, als man sich das gerne vorgestellt hat. Sicher, man kann dort einige Wählenden abzuwerben versuchen. Aber wir reden von zwei Prozent, vielleicht drei. Von was wir sicherlich nicht reden ist, die AfD unter die 5%-Hürde zu drücken. Auch wenn es noch fast niemand offen sagt, hat die Republik weitgehend ihren Frieden damit gemacht, dass zehn Prozent der Wählenden die Demokratie ablehnen und verachten und nun eine Repräsentation im Parlament haben.

Das Ziel der Übernahmeversuche kann daher nur die FDP sein, und das macht auch absolut Sinn. Die Wählendenschaft der beiden bürgerlichen Parteien war schon immer ein System kommunzierender Röhren, mit einem fluiden Anteil, der frei zwischen beiden hin- und herwechseln konnte, gerne aus taktischen Überlegungen (wie etwa 2009, als die FDP als Gegengewicht zur CDU ihr bestes Ergebnis aller Zeiten einfuhr). Dadurch, dass die FDP jetzt in einer Ampel-Koalition ist und dadurch zwangsläufig nach links rutscht (wie viel, bleibt abzuwarten, aber auch mit Kosmetik lässt sich Wahlkampf machen), ist sie ein hervorragendes Ziel für eine gleichzeitig nach rechts rutschende (dito) CDU. Weder Merz noch der Rest der Union macht aus dieser Strategie ein Geheimnis; man wirbt offen und aggressiv um FDP-Wählende und attackiert vor allem die Liberalen, wo im Wahlkampf noch die Grünen der Gegner Nummer 1 gewesen waren.

So weit, so offensichtlich. Die Basis der CDU liebt Merz; man hofft, dass seine Strahlwirkung weit in die FDP reichen und vielleicht auch die Außenschicht der AfD penetrieren möge. Auf diese Art hätte man ein Wählendenpotenzial von rund 30%, fast gleichauf mit der SPD (die zwar in der Theorie auf fast 50% kommt, aber dieses Potenzial kaum realisieren können wird – das wäre aber ein eigener Artikel). Merz ist zudem ein polarisierender Politiker, der von der Basis geliebt und von den Funktionär*innen…nicht geliebt wird. Aber, wie Frank Lübberding zu Recht festgestellt hat:


Allein, dasselbe trifft auch Kevin Kühnert zu. Die Jusos mussten auch einen Vorsitzenden wählenden, der sie überzeugt; die SPD braucht einen Generalsekretär und stellvertretenden Parteivorsitzenden, der die SPD-Mitglieder überzeugt. Dass die Basis einer Partei überzeugt ist, schützt selbige Partei aber nicht vor einem Backlash. Warum diese völlig offensichtliche Dynamik zwar jederzeit breit bei linken Kandidat*innen diskutiert wird, aber scheinbar für CDU-Vorsitzende nicht zu gelten hat, erschließt sich mir sehr viel weniger. Dass die CDU-Basis Friedrich Merz mag, war noch nie die Frage. Die Frage war, ob er Wahlen gewinnen kann.

Warum sollte er das nicht können? Weil „Parteibasis“ auch nur ein Synonym für Stammwählende ist. Diese Leute wählen die Partei eh schon. Nur, mit den Stimmen der Basis allein hat noch keiner die Wahl gewonnen. Es braucht die Stimmen mindestens einer von zwei Gruppen: erstens diejenigen, die sich umstimmen lassen, und zweitens diejenigen, die sich mobilisieren lassen. Die SPD gewann diese Wahl vor allem in Gruppe 1. Die AfD dagegen gewann etwa 2017 vor allem in Gruppe 2. Wahre Tausendsassas des Wahlkampfs schaffen es, beide Gruppen an die Wahlurne zu bewegen (man denke Konrad Adenauer 1957, Willy Brandt 1972, Obama 2008, etc.). Ich bin etwas skeptisch, dass Merz in diese illustre Reihe gehört.

Und wie das Beispiel mit Kevin Kühnert klargemacht haben sollte, hat jede*r Politiker*in auch eine Reaktion auf die Gegenseite. Merkel war vor allem erfolgreich, weil sie diese Gegenreaktion bis zum Nullpunkt neutralisiert hat – Stichwort „asymmetrische Demobilisierung“. Niemand war unglücklich mit Merkel (bis 2015 zumindest), sie war so erträglich, dass man sich nicht zu schlecht fühlen musste, wenn man als Soze der Wahl dieses Mal fernblieb und den Sonntag lieber vor dem Fernseher verbrachte. Unter einem Merz ist das wenig vorstellbar. Die große Gefahr für eine Merz-CDU ist daher, dass die Gewinne, die man durch sein schärferes konservatives Profil einfährt, auf der anderen Seite durch Gewinne bei SPD, Grünen und LINKEn relativiert werden, die gegen den Gottseibeiuns mobilisieren können. Und es ist nicht so, als wäre es allzu schwierig, Merz im Wahlkampf als herzlosen, abgehobenen konservativen Knochen hinzustellen. Der Mann liefert genug Vorlagen dafür.

Allein, wenn 2021 etwas gezeigt hat, dann, dass die genauen Prozentzahlen irrelevant sind. Scholz‘ Wahlkampf war bei praktisch gleichen Prozenten wie Peer Steinbrücks krachender Niederlage 2013 ein triumphaler Sieg. Die Grünen erreichten das beste Ergebnis ihrer Geschichte und erlitten gleichzeitig eine ihrer größten Niederlagen. Es ist alles eine Frage der Perspektive und, vor allem, der Machtoptionen. Denn die Geschichte der Wahlen seit 2005 zeigt zum Beispiel, dass man zwar gerne die Anteile von SPD, Grünen und LINKEn zusammenrechnen kann, dies aber auf die realen Koalitionsoptionen wenig Einfluss hat. Das Ziel Merz‘ ist nicht, 45% der Stimmen zu gewinnen.

Stattdessen hat die CDU genau zwei Ziele, die sie 2025 erfüllen muss. Sie muss die stärkste Partei werden, um das Kanzleramt beanspruchen zu können, und sie muss die Ampelkoalition unter 51% halten. Verfehlt sie eines dieser beiden Ziele, scheitert sie. Das mag jetzt erst einmal wenig spannend wirken, aber in diesem Dualismus verbirgt sich ein gewaltiger Sprengstoff. Merkel nämlich musste bei all ihren Wahlen nur das erste Ziel erfüllen: stärkste Partei sein. Gegen Merkel waren keine Koalitionen möglich. Sie wählte ihre Koalitionspartner nach Lage am Wahltag und war dabei die Konstante.

Wenn aber die Ampel 2025 gemeinsam für eine Wiederwahl antritt – und aktuell gibt es wenig Grund, daran zu zweifeln – hat die CDU keinen Koalitionspartner. Der steht nur dann zur Verfügung, wenn es für die Ampel nicht reicht. Die CDU kann 40% haben, solange die Ampel zusammen auf 51% kommt, kann Scholz sich trotzdem erneut zum Kanzler wählen lassen. Das ist nichts Neues: die CDU kennt diese Dynamik von den Wahlen 1969, 1976, 1980 und 2002. In all diesen Fällen war sie stärker als die SPD, aber was half es ihr? Ohne Koalitionspartner waren das nur so viele Hinterbänkler*innen zusätzlich.

Die CDU muss also der FDP Stimmen nehmen – weil diese das beste Ziel sowohl für eigene Stärke als auch die Schwächung der Ampel ist – aber gleichzeitig eine Machtoption offenhalten, die nach Lage der Dinge nur Schwarz-Rot oder Jamaika sein kann. Ist sie aber zu erfolgreich gegen die FDP – sagen wir, weil sie sie unter die 5%-Hürde drückt, um ein bewusst krasses Beispiel zu nehmen – schafft sie unter Umständen genau jene gefürchtete Linkskoalition, vor der sie gebetsmühlenartig warnt, weil kaum vorstellbar ist, dass aus dem Kanzleramt heraus eine Juniorpartnerschaft unter Merz einer Kanzlerschaft mit der LINKEn vorgezogen wird (wobei man nie die politische Dummheit der LINKEn unterschätzen sollte). Merz steht ein schwieriger Eiertanz bevor.

Das alles ist soweit eine Analyse der Lage und der grundlegenden Dynamiken. Vier Jahre sind eine lange Zeit, in der sich vieles ändern kann. Wir haben im Wahlkampf 2021 gesehen, dass in der Politik auch zwei Monate eine Ewigkeit sein können. Für nichts gibt es eine Garantie. Merz könnte die CDU zurück an die 40% führen, bei der nächsten Wahl mit 15% als drittstärkste Partei hinter SPD und Grünen liegen oder einfach das Ergebnis von 2021 reproduzieren. Nichts ist in Stein gemeißelt. Letztlich fliegen alle blind.

Ich wage daher nur eine äußerst rudimentäre Prognose. Merz wird die CDU in den Umfragen wieder an die 30% heranführen. Was auch immer man über ihn sagen mag, er ist nicht Armin Laschet, und das Ergebnis von 2021 beinhaltete so viele Anti-CDU-Proteststimmen, die ich für nicht permanent halte, dass ein gewisses Zurückspringen fast unausweichlich scheint. Die Ampel wird irgendwelche Krisen und Skandale haben.

Wesentlich schwerer einzuschätzen ist die Stabilität der Koalition. Wenn Lindner irgendwann erklärt, dass er das „Projekt“ 2025 beendet sieht, werden alle Karten neu gemischt. Wie bereits in den Koalitionsverhandlungen hat er das stärkste Blatt, und er weiß es. Im Gegensatz zu den Vorsitzenden einer großen Klimaschutzpartei, die ich nennen könnte, ist Lindner ein gewiefter Vorsitzender und Stratege. Ich gehe davon aus, er wird sich die Optionen offenhalten und sehen, was bis 2025 passiert.

So oder so, Politik wird in Deutschland spannend bleiben. Ich bin gespannt, wann wir den ersten Artikel lesen werden, der nostalgisch von der Langeweile und öden, berechenbar-biederen Merkelzeit schwärmt. Meine Wette ist: noch 2022.

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  • Ariane 20. Dezember 2021, 12:11

    Immerhin viel Gagpotenzial für die nächsten Jahre^^

    Obwohl er diesmal wirklich keine starke Konkurrenz hatte und das Basis-Votum noch zusätzlich geholfen hat, vielleicht ist es auch tatsächlich besser für die Union, es jetzt mit ihm zu probieren, als weiteres Genöhle, dass es mit Merz bestimmt besser laufen würde.
    Obwohl ich denke, dass es für Merz tatsächlich ein Glücksfall sein könnte, keine Merkel mehr und erstmal auch nicht soviel innerparteiliche Konkurrenz, weil die sich auch erst finden muss. Dazu vier Jahre lang Opposition, also wenig Konkretes. Scheint mir zumindest einfacher als hätte er neben Merkel führen müssen oder sich gleich als Kanzlerkandidat beweisen müssen (bzw erstmal mit Söder drum kämpfen).

    Ansonsten schwer vorherzusehen, gerade weil man ja auch nicht weiß, wie die Stimmung der Bevölkerung sich entwickelt und wie es in der FDP weitergeht. Dass sie sich wirklich dauerhaft fest an die Ampel bindet, glaube ich allerdings auch nicht unbedingt.

    Ich wage auf jeden Fall mal die spektakuläre Prognose, dass Merz nicht der große Heilsbringer wird und morgen die konservative Revolution startet. Auch Röttgen wäre für die FDP vielleicht irgendwie der passendere Partner, meine FDP-Timeline war jedenfalls komplett pro-Röttgen. Merz wirkt da einfach zu unmodern für, dann können sie ihr ganzes neues Framing ja direkt wieder ins Klo kippen.

    Und außerdem bleib ich dabei, jemand der – absichtsvoll – so unsympathisch rüberkommt, hat meiner Meinung nach in Deutschland keine Chance gewählt zu werden.

    • Erwin Gabriel 20. Dezember 2021, 15:03

      @ Ariane 20. Dezember 2021, 12:11

      Immerhin viel Gagpotenzial für die nächsten Jahre^^

      Was für eine seriöse, fundierte Einschätzung. Hab ich von Dir auch nicht anders erwartet.

      … vielleicht ist es auch tatsächlich besser für die Union, es jetzt mit ihm zu probieren, als weiteres Genöhle, dass es mit Merz bestimmt besser laufen würde.

      Vorab: Eine Jammer-Linke, die sich über rechtes Genöhle echauffiert … merkste was?

      Aber nun zum Thema: Genau wie die SPD hat auch die CDU unter Merkel ihren kern, ihr Herz verloren. Ob Friedrich Merz der richtige ist, um in vier Jahren gegen Markus Söder, Olaf Scholz oder Robert Habeck anzutreten, sei dahingestellt. Jetzt geht es erst einmal darum, der Partei wieder eine politische Kontur zu geben – wenn Du so möchtest, als Ausgangspunkt für die weitere programmatische Entwicklung. Und anders als Frau Merkel steht Friedrich Merz für bestimmte konservative Werte, denen sich die CDU erst weider bewusst werden muss. Also traue ich ihm diese Aufgabe erst einmal zu.

      Bei der SPD haben sie füsich für diese Aufgabe Kevin Kühnert ausgeguckt. Ich mag weder ihn noch seine Politik, aber er ist (wie Friedrich Merz) eine gute Wahl, um der Partei mehr Kontur zu verschaffen.

      Was ich außerdem an der Wahl von Friedrich Merz sehr gut finde, ist, dass er polarisiert, ohne extrem zu sein. Eine Entscheidgung zwischen einer Olaf-Scholz-SPD und einer Angela-Merkel-CDU ist viel schwieriger als die Wahl zwischen einer merz-CDU und einer Kühnert-SPD. das wird, so hoffe, ich, gute Auswirkungen auf die politische Diskussion, unsere Demokratie und die Wahlbeteiligung haben.

      Ich wage auf jeden Fall mal die spektakuläre Prognose, dass Merz nicht der große Heilsbringer wird und morgen die konservative Revolution startet.

      Das vorherzusagen ist genauso einfach wie die Vorhersage, dass Kevin Kühnert keine sozialistische Revolution anzetteln wird (eher noch etwas einfacher).

      Auch Röttgen wäre für die FDP vielleicht irgendwie der passendere Partner, meine FDP-Timeline war jedenfalls komplett pro-Röttgen.

      War ich auch 🙂

      Merz wirkt da einfach zu unmodern für, dann können sie ihr ganzes neues Framing ja direkt wieder ins Klo kippen.

      Die Hälfte der Bevölkerung ist über 50 Jahre alt, die meisten sind von der Globalisierung überfordert, viele befürchten eine weiter Flüchtlingskrise, wissen nicht, wie es um ihre finanzielle Sicherheit in Sachen Rente bestimmt ist, haben Angst vor Klima, Corona & Co. Auf die wirkt Friedrich merz nicht „unmodern“. Er mag hier sogar der Richtige sein, um etwas von dem Vertrauen wieder aufzubauen, dass in den letzten Merkel-Jahren so fürchterlich erodiert ist.

      Zur FDP: Die liegen wirtschaftspolitisch eher mit merz auf Wellenläge, und der (Alters-)Unterschied zwischen Lindner und Merz lässt sich von deren Seite gut vermarkten.

      Und außerdem bleib ich dabei, jemand der – absichtsvoll – so unsympathisch rüberkommt, hat meiner Meinung nach in Deutschland keine Chance gewählt zu werden.

      Er kommt bei Dir unsympatisch rüber, nicht bei mir. Und er ist auch nciht absichtsvoll unsysmpatisch. Es sei Dir gerne gegeben, dass Du ihn nicht magst, aber das sollte sich nicht in derart unbelegbaren, absoluten Statements äußern.

      • Ariane 20. Dezember 2021, 16:05

        Vorab: Eine Jammer-Linke, die sich über rechtes Genöhle echauffiert … merkste was?

        Hab ich dir was getan, oder was gehst du mich so an? Ich dachte, du legst soviel Wert auf einen höflichen Umgang. Dann halte dich bitte auch selbst daran.

        Im Übrigen meine ich Jammer-Linke nicht rechts a la CDU, sondern den rechten Teil der CDU, der sich ebenfalls zum Anti-Establishement-Kurs zählt und eben diesem Establishement bisher die Schuld dafür gab, dass es Merz es im dritten Anlauf schaffte.

        Das kann übrigens gut oder schlecht sein. Durchaus möglich, dass Merz die CDU damit tatsächlich befriedet und sie zumindest geschlossener auftreten. Es gab aus dem Merzlager aber auch recht auftrumpfende Meldungen und das könnte natürlich bei der anderen Hälfte für Verbitterung sorgen und dann hat man das Gemurkse der letzten Jahre – nur andersrum.

        Auf die wirkt Friedrich merz nicht „unmodern“. Er mag hier sogar der Richtige sein, um etwas von dem Vertrauen wieder aufzubauen, dass in den letzten Merkel-Jahren so fürchterlich erodiert ist.

        Zur FDP: Die liegen wirtschaftspolitisch eher mit merz auf Wellenläge, und der (Alters-)Unterschied zwischen Lindner und Merz lässt sich von deren Seite gut vermarkten.

        Ja alles richtig, nur rede ich nicht von CDU-Wählenden oder der Bevölkerung an sich, sondern von Leuten, die eher der FDP zuneigen und die hat sich ja nun unbedingt mühsam ein neues Image als moderne (Aufteiger-)Partei zugelegt, was während der Ampelzeit vermutlich eher noch stärker wird.

        Ein zu offensichtliches Flirten mit Merz wäre schon eher ein Rückfall in die alte Zeit der Steuersenkungs-Partei, denn außer Autofahren hätte man Schwierigkeiten, Gemeinsamkeiten zu finden.

        Klar würden die zur Not auch mit Merz, ich glaube es aber nicht wirklich. Auf der einen Seite hat man sich ja gerade ein neues Image aufgebaut, wozu das wieder wegwerfen?

        Und man kann ja gerne ein anderes Wort als Sympathie suchen, aber genau das war übrigens der Grund für Lindners Kurswechsel der FDP und es ist auch eines der Probleme von Merz. (mal abgesehen, dass ich bei einem Mittelschichtler mit zwei Privatjets, der sich gleichzeitig zum Anti-Establishement zählt – schon einen Knoten im Hirn bekomme).
        Das findet ja sicherlich auch Sympathien irgendwo, aber nur schwerlich in der breiten Masse. Und die hatte Merkel eben.

        Die Millionen, die jetzt was anderes gewählt haben, haben das doch nicht getan, weil Scholz so ein toller Typ ist oder die Grünen so einen geilen Wahlkampf gemacht haben. Das sind eben genau die freien Radikale, die man braucht, um eine Regierung zu stellen. Die Leute, die das geringste Übel wählen. Darin war Merkel gut und Scholz ist da ebenfalls hervorragend, das kann ein Merz aber nicht. Der muss es anders machen (das konnte ja nicht mal Laschet und der hat sich drum bemüht)

        • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 17:07

          Die FDP hat ihr Image verbreitert. Sie hat nicht etwas weggeschmissen. Du vergisst, dass die Liberalen zu Beginn des Wahlkampfs im Spätfrühjahr sehr wohl noch für Steuersenkungen eingetreten sind.

          Wir werden sowieso mit einiger Wahrscheinlichkeit in dieser Legislaturperiode eine Steuersenkungsdebatte bekommen. Zum einen droht das Bundesverfassungsgericht im kommenden Jahr den Soli als Reichensteuer zu verwerfen. Das gibt 11 Milliarden Euro Steuerentlastung für die oberen 10% und das von einer Mitte-Links-Regierung. Zum anderen wird die Inflation – Fachleute gehen von Steigerungen von 5-6 Prozent im Jahr aus – die Löhne treiben. Das der Tarif relativ starr ist, werden noch mehr Steuerzahler mit dreifach höherer Geschwindigkeit in die oberen Tarifgruppen getrieben. Und das, obwohl die Steuerlast ohnehin schon auf Rekordhoch ist. Die Inflation arbeitet mit, dass die Bundesregierung vor 2025 eine Reform des Einkommensteuertarifs durchführen muss.

          Und da sitzt die FDP an zentraler Stelle. SPD und Grüne sind darauf denkbar schlecht vorbereitet, denken sie doch seit zwei Jahrzehnten in Steuererhöhungen. Die Idee, Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen von den oberen Einkommen bezahlen zu lassen, blockiert die FDP. Und dabei wird es bleiben. Man wird also über Steuersenkungen für alle verhandeln müssen. Kaum zu erwarten, dass das als Erfolg der linken Parteien ausgelegt wird.

          Sollten sie sich querstellen, wäre Friedrich Merz der ideale Partner.

          • Ariane 20. Dezember 2021, 17:23

            Nein, sie haben es nicht weggeworfen. Sie haben aber sehr darauf geachtet, ihr Image als Steuersenkungspartei loszuwerden. Mit Erfolg.

            Und so wenig andere Überschneidungen gibt es mit der Merz-CDU eben nicht, da wären sie direkt wieder im alten Muster und da es gerade Lindner war, der diesen Imagewechsel vollzogen hat, glaube ich nicht, dass er da wieder hin will, das würde auch ziemlich unglaubwürdig wirken. V.a. wenn ne Steuersenkung dann auch noch direkt der Aufhänger für einen Lagerwechsel wäre.

            Dass es Debatten dazu geben wird – klar. Kann mir aber auch gut vorstellen, dass das andersherum mit mehr Investitionen geregelt wird als direkt über die Steuern, Lindner hat sich ja schon findig und pragmatisch gezeigt und damit können sich alle ohne großen Konflikt anfreunden.

            • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 17:47

              Auch nicht. Wer FDP wählt, erwartet, dass sich die Partei für niedrigere Steuern und eine moderate Belastung verwendet. Nur war im Sommer absehbar, dass 2021/2022 nicht die Zeit für Steuersenkungen ist. Die Liberalen hätten sich unglaubwürdig gemacht, zumal sie für so eine Politik keinen Partner gehabt hätten.

              Nur, was Linke nicht verstehen: Unser Steuersystem ist so angelegt, dass in regelmäßigen Abständen Reformen, vulgo Steuersenkungen zwingend erforderlich sind. Denn gegen unendlich landen sonst alle im Spitzensteuersatz. Spätestens dann ist die Charade offensichtlich. Die Möglichkeiten von Abschreibungserleichterungen kaschieren kurzfristig. Sie wirken schon gar nicht auf die individuelle Einkommensbelastung – von der Putzfrau bis zum Manager.

              Der Druck im Kessel nimmt von Jahr zu Jahr zu. Seit 2014 fordern selbst Gewerkschaften von Zeit zu Zeit Erleichterungen. Wenn jetzt die Inflation dazukommt – bisher hatten wir Preissteigerungen im nicht wahrnehmbaren Bereich (wenn Mieten und Anlagegüter ausgeblendet wurden) – dann wird es sehr schnell merklich.

              Wer heute ein Jahreseinkommen von 40.000 Euro hat, erhält 2025 bei einer Inflation von 6% real nur noch 31.700 Euro, zahlt aber den Steuersatz für ein Einkommen von 40.000 Euro. Statt einem Steuersatz von 18% zahlt er 3% mehr. Macht es das transparent?

        • Erwin Gabriel 20. Dezember 2021, 23:07

          @ Ariane 20. Dezember 2021, 16:05

          Hab ich dir was getan, oder was gehst du mich so an?

          Hast Recht, sorry dafür.

          … nur rede ich nicht von CDU-Wählenden oder der Bevölkerung an sich, sondern von Leuten, die eher der FDP zuneigen …
          Ein zu offensichtliches Flirten mit Merz wäre schon eher ein Rückfall in die alte Zeit der Steuersenkungs-Partei …

          Ich verstehe den Punkt. Aber ein zu offensichtliches Flirten mit der SPD geht wg. deren Sozialstaat-Hörigkeit (wird Kevin Kühnert schon drauf achten) auch nicht.

          Was mir an Merz und an Kühnert gefällt, ist, dass beide polarisieren (Kühnert, denke ich, noch stärker als Merz). Man hat wieder eine Wahl, man hat zwei unterschiedliche Ansätze, und wem die nicht passen, hat mit der FDP und den Grünen wählbare Alternativen.

          Die Unterschiede zwischen CDU und FDP sind ansonsten nicht gerade klein. Wirtschaftlich steht die Union für große (Aktien-)Unternehmen, die FDP für Selbstständige und (Familien-)Unternehmen. Bei Themen wie Bildung, Digitalisierung Corona oder auch bei der Staatsgläubigkeit liegen SPD und CDU dichter beieinander als bei der FDP. Bei der eher etwas zögerlichere Umweltpolitik (die FDP glaubt an die Wirkmacht des freien Marktes, und die Union tut zumindest so, um die großen Unternehmen zu schonen) sowie beim Festhalten an der schwarzen Null treffen sich die beiden noch am Ehesten.

          Man kann als FDP durchaus mit der Union zusammenarbeiten und sich trotzdem gegen sie positionieren. Ich vermute, dass Du bei Union und FDP genauso wenig drinsteckst, wie ich bei der SPD oder den Grünen.

          Und die hatte Merkel eben.

          Ja. Und jetzt ist sie weg. Und in vier Jahren stehen wir garantiert an einer Stelle, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können. Leiden wir dann noch unter Corona? Hat Russland einen Krieg angefangen? Tritt Ungarn aus der EU aus? Hat es bis dahin zwei weitere Flüchtlingswellen gegeben? Wurden noch ein paar Dörfer in NRW weggespült, während Mecklenburg-Vorpommern austrocknet? Haben irgendwelche Nazis noch ein paar Attentate verübt? Gab es eionen großen Umwelt- oder Bestechungsskandal? Scheidet Deutschland bei der Europameisterschaft in der Vorrunde aus, oder gewinnen die den Titel? All so etwas kann den Wahlausgang beeinflussen. Jetzt darüber zu spekulieren, wer dann wen wählen könnte, halte ich für sehr gewagt.

          Aber für den Moment scheint Friedrich Merz nicht nur die beste Wahl für die Partei zu sein, sondern auch fürs Land und für unsere Demokratie.

          • Ariane 21. Dezember 2021, 08:23

            Hast Recht, sorry dafür.

            Kein Ding 🙂

            Jetzt darüber zu spekulieren, wer dann wen wählen könnte, halte ich für sehr gewagt.

            Klar, obwohl das für uns Kommentatoren natürlich arg langweilig sind, was sollen wir denn vier Jahre lang sonst machen?^^

            Allerdings ging es mir eher um eine andere Überlegung: in den USA zb hat man es ja eher so gemacht, dass die Reps nicht in die Mitte gerückt sind, sondern die Wahlsiege durch eine Massenmobilisierung der eigenen Wählerschaft bekommen hat. Das Merkel-Gegenteil sozusagen.

            Und ich glaube nicht, dass das in Deutschland funktioniert, da muss man über die Basis hinaus strahlen. Ich glaube zb auch nicht, dass ein Kühnert als Kanzlerkandidat funktionieren würde, der ist da als Generalsekretär schon perfekt besetzt.
            Auch weil Polarisierung für uns Nerds zwar spannend sind, die meisten Deutschen es aber lieber langweilig haben und den Part hat jetzt erstmal Scholz übernommen.

            • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 08:37

              Wieso sollte Kevin Kühnert nicht dereinst Kanzlerkandidat werden? Der Mann ist gerade 32, in der Politik praktisch ein Kind. Seine Enteignungsphantasien hat er mit 30 abgelegt. Er ist bei den meisten unbekannt.

              • Ariane 21. Dezember 2021, 09:06

                Klar, Linnemann überall bekannt und geliebt, aber Kühnert ist der Welt bisher unbekannt 😛

                Und natürlich könnte er irgendwann mal Kanzlerkandidat werden, der Mann ist ja noch jung. Aber aktuell stand das ja eh nicht zur Debatte und es hätte meiner Meinung nach eben aufgrund seiner Polarisierungs-Fähigkeit auch nicht gut funktioniert. Hab auch nichts dagegen, dass die CDU erstmal testet, wie es so läuft, die muss ja nicht alles der SPD nachmachen^^

                • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 09:27

                  Es ist ja bezeichnend, dass jemand wie Kevin Kühnert bei Nerds wie Dir und Stefan bekannter ist als Linnemann und Brinkhaus, die die deutlich einflussreicheren Positionen bekleiden.

                  Das Unbekannte bezog sich auf Kühnerts Werte in der breiten Öffentlichkeit, dort wo Image gemacht wird. Wir entscheiden keine Wahlen. Der neue SPD-Generalsekretär hat genügend Raum, sein öffentliches Bild zu formen. Und da Kühnert Karriere machen will, wird er das klug angehen.

                  • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 10:50

                    Kühnert ist einer der bekanntesten Politiker Deutschlands. Linnemann und Brinkhaus…eher nicht.

                    • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 11:22

                      Nein, ist er nicht. Er ist für Polit-Addicts wie uns sehr bekannt. Die meisten in Deutschland kennen Kühnert nicht. Woher auch?

                      Im Wahlkampf war Brinkhaus öfter im Fernsehen als Kühnert. Linnemann arbeitet nicht wie sein Freund Jens Spahn an seiner Bekanntheit, sondern an seinem Image und Netzwerk in der Partei.

                      Wer die zukünftige Führungsriege unserer Parteien kennen will, muss sich in der Reihe umtun.

                    • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 14:27

                      Kühnert war Gegenstand einer BILD-Kampagne, hatte ne Doku über sich und produziert permanent Schlagzeilen. Von politischen Gegnern wurde er als Gottseibeiuns benutzt. Der ist nach Scholz und Lauterbach sicherlich der bekannteste SPD-Politiker. Brinkmann mag in Interview talking points abgesondert haben, so what?

                      Nur mal ein Beispiel: https://www.welt.de/politik/deutschland/article193002689/Forsa-Umfrage-Nach-der-Kuehnert-Debatte-steht-die-SPD-nur-noch-bei-15-Prozent.html

                      Wann hatten wir denn die „Brinkhaus-Debatte“?

                    • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 14:43

                      Merz hat dauernd Kampagnen gegen sich. Das ist Teil des Geschäfts. Du selbst hast ja auch schon einen Mitte-20jährigen zum Punching Ball aufgebaut und keinen Welpenschutz gegeben.

                      Weiter: die meisten haben von Kühnerts Negativ-Image bisher nichts mitbekommen, weil er nicht in der ersten Reihe steht und die Debatten doch eher für Polit-Junkies waren.

                    • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 15:47

                      Ich weiß, deswegen ist Merz auch bekannt und die anderen beiden nicht.

                    • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 14:45

                      Ich denke Klingbeil, Heil, Dreyer, Giffey sind einer breiten Öffentlichkeit weit geläufiger.

                    • Ariane 21. Dezember 2021, 16:16

                      Klingbeil???? Den kennt doch nun wirklich kein Schwein.

                      Werde über Weihnachten mal den Test machen. Mach ich bei meiner Ma immer mit Fußballern, wen sie zumindest irgendwie vom Sehen kennt, kann man getrost als weltberühmt bezeichnen. (hint: Thomas Müller!)

                    • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 18:10

                      Find‘ ich Gut! Aber nicht schummeln! 🙂

                      Wer ist Thomas Müller?

                    • Stefan Sasse 22. Dezember 2021, 11:02

                      Nicht die geringste Ahnung.

                    • Stefan Pietsch 22. Dezember 2021, 11:27

                      Thomas Müller ist ein aktueller Nationalspieler im Trikot des FC Bayern, der einstmals wegen seines mit einer Legende verbundenen Nachnamens für einen Toptorjäger gehalten wurde. In der Nationalmannschaft trug er lange die legendenbehaftete Nummer 13.

                      Vor allem aber sollte er einem breiteren Publikum ob seines Witzes und kommunikativen Art bekannt sein. Was allerdings wirklich nicht bei jenen funktioniert, die zum Fußball eine weltenlänge Abstand halten. 🙂

                  • cimourdain 22. Dezember 2021, 17:17

                    Welcher Thomas Müller ? Außerhalb der Fußball-Filterblase gibt es ein paar mehr, vom Judoka bis zum Bildhauer:
                    https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_M%C3%BCller_(Begriffskl%C3%A4rung)

                • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 10:49

                  Über Kühnert als Kanzlerkandidat zu spekulieren ist ungefähr so sinnvoll wie das nächste Fußball-Ass in der Grundschule prognostizieren zu wollen.

                  • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 11:27

                    Ich spekuliere nicht. Kevin Kühnert ist sehr ehrgeizig. Das festzustellen, ist keine große Kunst. Kühnert ist sehr intelligent, eloquent und strategisch denkend. Es gehört nicht viel politische Klugheit dazu anzunehmen, dass für so jemanden der SPD-Parteivorsitz nicht das originäre Ziel eines solchen Politikers ist.

                    Bei Kühnert ist ein deutlicher Anpassungsprozess zu beobachten. Gab er noch 2018 ein großes Interview, wo er die Verstaatlichung deutscher Vorzeigeunternehmen und ganzer Industriezweige forderte, stellte er sich beim Berliner Referendum gegen die Enteignungspläne der Linken.

    • Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 15:47

      Es bleibt spannend, so viel ist sicher.

  • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 12:50

    Friedrich Merz hat genau eine Funktion und ein Ziel: den freien Fall der Union zu stoppen. Was 2025 ist, ist völlig irrelevant und das aus einer Reihe von Gründen.

    Im ersten Halbjahr 2022 finden drei wichtige Wahlen statt, in der CDU-Ministerpräsidenten ihre Ämter verteidigen müssen. Und dabei handelt es sich um die neue Generation. Mehrere Wahlniederlagen würden nicht nur der Ampel ein leichteres Regieren im Bundestag bescheren, die Union wäre gleichzeitig wichtiger Köpfe beraubt. Tobias Hans (Saarland), Wüst (NRW) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) wären in ihrer Karriere beschädigt, noch bevor diese richtig Fahrt aufgenommen hätte.

    Die Union muss in der Opposition sichtbar bleiben, wo sich die Scheinwerfer vor allem auf die Regierungsparteien richten. Allein der Finanzminister wird öfter im Fernsehen zu sehen sein als der CDU-Generalsekretär, vom CSU-Vorsitzenden ganz zu schweigen. In der Union hat kaum jemand Oppositionserfahrung, fast alle konservativen Abgeordneten kamen mit der Kanzlerschaft Merkels ins Parlament. Das gilt auch für den derzeitigen Fraktionsvorsitzenden. Doch Opposition funktioniert ganz anders als Regierung, gerade unter den erschwerten Bedingungen einer lautstarken AfD.

    Die letzten zwei Bundeskanzler standen allesamt an der Spitze der Popularitätspyramide. Auch Olaf Scholz ist auf dem Weg dahin. Wenn er nicht allzu viele Fehler macht – wonach es nicht aussieht – wird er 2025 im Zenit seiner Popularität stehen. Einen Herausforderer da zu finden wird nicht leicht. Die Deutschen sind stolz auf ihre Kanzler. Sie wählen sie ungern ab.

    2025 wird Friedrich Merz das 70. Lebensjahr vollenden. Es wird wahrscheinlich nicht die Zeit für so alte Kanzler sein. In den USA ist der Generationenwechsel überfällig, in den großen europäischen Demokratien ist er bereits umgesetzt. In Frankreich, Spanien, Großbritannien, den Niederlanden, Griechenland regiert die agile Generation der Vierzig- bis Mitte Fünfzigjährigen und führt auch die wichtigen Oppositionsparteien an. Ein deutscher Regierungschef im Rentenalter wirkt da wie ein Fossil.

    Der Sieg Merz‘ war überwältigend. Bei hoher Wahlbeteiligung der CDU-Mitglieder erreichte der Sauerländer fast eine Zweidrittelmehrheit. Das zeigt vor allem zweierlei:

    1. Die Parteiführung konnte zuletzt die Pluralität und Mehrheit in der Partei nicht abbilden. Für die Merkelianer, für die Bouffiers, Laschets, Kramp-Karrenbauers, Altmaiers ist es Zeit für den Ruhestand, wenn sie sich nicht bereits zurückgezogen haben.

    2. Der Merkeliantismus hat abgewirtschaftet. Nur Helmut Kohl war länger CDU-Vorsitzender als Angela Merkel. Dafür hat sie ihre Partei arg lieblos behandelt. Mehr noch, sie hat sämtliche langfristigen strategischen Ziele, die die Konservativen hatten, verfehlt. In Europa hat ihre Form des Konservatismus keine Zukunft. In Frankreich, in Spanien, in Großbritannien, in den Niederlanden werden Konservative mit ganz anderen Ansätzen populär. Parteipolitisch war Merkel ein Irrtum der Geschichte.

    Die neue Ampel-Regierung steht von Beginn an stark unter Druck und es geht in den meisten Themenfeldern um den Kern des Liberalismus. Impfpflicht, Lockdown-Beschränkungen, Staatsfinanzen, Reform der europäischen Schuldenregeln – die FDP wird massiv gegen ihre Koalitionspartner halten müssen, um selbst politisch zu überleben.

    Andererseits weiß Scholz: seine Kanzlerschaft hängt nicht an den Grünen, sie hängt an der FDP. Sie ist der Eckstein für seine Wiederwahl 2025, weil es in Deutschland keine linke Mehrheit gibt. Er wird den Liberalen also einiges an Spiel lassen müssen, will er nicht als gescheiterter Kanzler in die Geschichte eingehen.

    • Erwin Gabriel 20. Dezember 2021, 15:05

      @ Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 12:50

      Passt – Zustimmung!

    • Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 15:48

      Die Deutschen sind stolz auf ihre Kanzler. Sie wählen sie ungern ab.

      Schröder hätte 2002 beinahe die Wahl verloren. Ohne Oderflut und Irakkrieg hätte er das. Kiesinger verlor. Erhardt war unbeliebt. Das sind drei von acht vergangenen Kanzlern.

      Die Bedeutung der FDP habe ich ja hinreichend analysiert.

      • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 16:16

        Ich weiß nicht, ob Du tatsächlich weißt, warum Schröder etwas überraschend im Sommer 2002 knapp stand.

        Die ersten vier Jahre Rot-Grün waren sehr wechselhaft gewesen. Nach dem Machtgewinn 1998 kam es gegen Ende des Jahres zu einem Absturz in den Umfragen. Der Finanzminister Oskar Lafontaine hatte daran gravierenden Anteil, der das Steuerrecht mit neuen bürokratischen Regeln überfrachtete. In Vertretung der alten Kohl-Regierung hatte man im November 1998 eine Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht kassiert, als es um den Haushaltsfreibetrag von Alleinerziehenden ging. Lafontaine beschloss danach, diesen Steuervorteil für Ledige abzuschaffen.

        So ging es weiter. Anfang des neuen Jahrtausends quälte man für Freiberufler und andere Selbständige mit einem Bürokratiemonster aus dem Hause Riester zur Eindämmung der Scheinselbständigkeit und Debatten um Zwangsversicherungen. Bis 2001 wirkte die Regierungspolitik sehr erratisch. Der Popularitätsgewinn durch die Steuerreform und die Spendenaffäre der CDU war schnell wieder aufgebraucht.

        Im Sommer 2001 erfand Schröder die neue Imagekapagne der „Politik der ruhigen Hand“. Damit sollte die bisherige Regierungsarbeit kontrastriert werden. Pech: Erst kam die New Economy Industrie in eine existenzielle Krise. Zahlreiche Unternehmensneugründungen, die den Aufschwung seit 1998 getragen hatten, kollabierten. Die Arbeitslosigkeit wuchs wieder. Dann stürzten in New York die Zwillingstürme ein, was der Wirtschaft in Deutschland den Rest gab. Eine veritable Wirtschaftskrise zog auf, die erst 2006 endete.

        Schröders Slogan von der „Politik der ruhigen Hand“ wurde gegen ihn gewendet. Die Zeiten verlangten schnelles Reagieren statt Langsamkeit. Dazu kam der Ärger über versäumte und versprochene Sozialreformen. Die Deutschen fürchteten eine weitere Verfestigung der Sockelarbeitslosigkeit. Schröders Abwahl, Im Sommer 2001 völlig unwahrscheinlich, erschien plötzlich real.

        Nur wer diesen Verlauf kennt, versteht, warum die Union im Spätsommer mit dem eigentlich unpopulären bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber plötzlich eine Chance auf den Machtwechsel hatte. Die Summe an erratischer Politik, unpassender Imagekampagnen und unglücklicher Umstände setzte Schröder zu. Mit der Kampagne gegen den Irakkrieg (der erst im März 2003 begann) oder als tatkräftiger Hochwasserbekämpfer initiierte der Niedersachse sich zum X-ten mal neu.

        • Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 18:18

          1) Ja, weiß ich.
          2) Ich sehe die Relevanz nicht. Es ging darum, dass Kanzler*innen, einmal im Amt, hohe Popularitätswerte haben und schwer angreifbar sind. Ich habe dir aufgezeigt, dass das in 405 der Fälle nicht so war, weswegen die von dir aufgestellte Regel zumindest sehr stark differenziert werden muss.

          • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 18:39

            2) Schröder hatte 2002 nach meinem Empfinden etwas Pech. Seit 2001 war das eben etwas dumm gelaufen, sonst hätte Stoiber niemals eine Chance gehabt.

            Dass Kanzler populär sein müssen, ist eher eine neuere Erscheinung, seit dem sich die Parteibindungen deutlich gelockert haben. Noch in den Achtziger- und Neunzigerjahren konnten die Sozialdemokraten noch so populäre Kandidaten präsentieren, bei Wahlen ergab das weit geringere Ausschläge als heute.

            Du blickst auf eine Zeit, die in dieser Beziehung keiner von uns mehr bewerten kann. Noch in den Achtzigerjahren machte der Kandidat kaum was aus, die (kleinen) Parteien bestimmten, wesentlich die FDP.

            Oder: 1987 gewann Uwe Barschel knapp die Wahl in Schleswig-Holstein, obwohl er gegenüber Björn Engholm der eindeutig unbeliebtere Kandidat war. Zwischen CDU und FDP einerseits und SPD und Grünen andererseits bestand in Patt. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) stand zu Barschel, so lange die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht bewiesen wurden.

            • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 06:19

              Mein Punkt ist ja auch der: eine Regel lässt sich aus alledem nicht ableiten. Das muss alles für sich analysiert werden. Und eine normative Bewertung schon gar nicht.

              • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 08:27

                Nicht Regel, sondern eine andere Entwicklung. Einmal ist Zufall, zweimal eine Reihe, dreimal ein Muster.

                • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 10:48

                  Wir haben ja aber eben keine Reihe!

                  • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 11:29

                    Schröder (1), Merkel (2), Scholz (3). Das ist nicht nur eine Reihe, sondern ein Muster.

      • derwaechter 20. Dezember 2021, 17:02

        Außerdem wurde Kohl abgewählt.

      • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 17:19

        Ich rede übrigens von der Neuzeit. Auch Kohl hatte nie hohe Zustimmungswerte. Damals funktionierte die Parteienlandschaft aber noch anders. Laschet hat es nach der alten Methode versucht. Das Ergebnis ist bekannt.

        Schröder und Merkel waren (fast) über ihre gesamte Zeit die beliebtesten Politiker. Nun steigt Scholz in die Sphären mit präsidialen Zustimmungswerten auf.

        • Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 18:22

          Ich finde leider keine Beliebtheitswerte für Kohl, deswegen kann ich das nicht verifizieren.

          • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 18:29

            Believe me – ich habe seit den Achtzigerjahren das Ranking im SPIEGEL verfolgt. Kohls Werte gingen nie über die Mitte hinaus, meist leicht im unteren Bereich.

          • Lemmy Caution 20. Dezember 2021, 20:56

            Kohl war zunächst dank seiner bräsigen Art und einiger Skandale (Bitburg, Kiesling) zunächst in weiten Kreisen sehr unbeliebt. In Sachen Führungskompetenz galt er als deutlichen Rückschritt gegenüber Helmut Schmidt, der ja auch von Unions-Wählern sehr respektiert wurde. Die fanden halt, dass er in der falschen Partei war, was nach 1981 so falsch nicht war.
            Als beliebte Macher der Kohl-Regierung galten Genscher und lange Zeit auch Graf Lamsdorf. Der Pfälzer selbst bekam dann nach dem Durchschreiten der wirtschaftlichen Rezession 1984 zunächst langsam mehr Zustimmung und dann mit der Wiedervereinigung rasant.

      • Erwin Gabriel 20. Dezember 2021, 23:16

        @ Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 15:48

        Kiesinger verlor.

        Bundestagswahl-Ergebnis 1965 (Erhardt/Kiesinger) / 1969 (Brandt)
        Union: 47,6 % / 46,1 %
        SPD: 39,3 % / 42,7 %
        FDP: 9,5 % / 5,8 %

        Kiesinger verlor weder die Wahl, noch wurde er „abgewählt“.
        Er verlor den Koalitionspartner, wofür er noch am wenigsten konnte.

        • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 06:22

          Schmidt verlor auch den Koalitionspartner. Und Kiesinger war jetzt nie der überbeliebte Kanzler.

        • Dennis 22. Dezember 2021, 13:06

          Die Frage ist natürlich:

          Was heißt eigentlich „Wahl verlieren“ und „Wahl gewinnen“ (vielleicht gibt’s ja noch was dazwischen^) sowie „abgewählt werden“ nu ganz genau? Da müsste es exakte Kriterien geben; gibt’s aber wohl nicht. Die einen sagen so, die anderen so 🙁 , je nachdem wie’s „politisch“ so passt.

          Runter von 47,6 auf 46,1 ist eigentlich schon ein VERLUST, oder? Polit-Philosophen müssten dann klären, ob das auch die höhere Begriffsebene „Wahl verloren“ erfüllt, die einigen sich aber nicht.

          Und dafür, dass Kiesinger die FDP an die SPD verlor, konnte er schon was. Über Kiesingers Lieblingsbaby, die Wahlrechtsreform, war man/frau bei den Liberalen verständlicherweise wenig begeistert. Die stand bei den Unionisten expressis verbis aber auch noch im Wahlprogramm ’69 nachdem in der Groko zuvor an der SPD – nach Kiesingers Meinung nur „zunächst“ – gescheitert.

          • Stefan Sasse 22. Dezember 2021, 17:55

            „Gewinnen“ ist: wenn du vorher Kanzler gestellt hast, stellst ihn danach auch noch. Alles andere ist verlieren. Da hat Müntefering schon recht: Opposition ist Mist, egal wie groß.

  • Erwin Gabriel 20. Dezember 2021, 15:29

    @ Stefan Sasse on 20. Dezember 2021

    Nun also im dritten Anlauf. Friedrich Merz ist CDU-Vorsitzender. Hat die Union … einfach nur das Ende der Fahnenstange erreicht und jeder Widerstand ist so weit zermürbt, dass Merz als einziger übrig blieb?

    Es ist die erste „freie“ Wahl gewesen, wo weder Merkel noch sonstwer in Gremien gekungelt und geschoben hat. 🙂

    Genauso schwer ist es, eine vernünftige Prognose darüber abzugeben, ob Merz nun der Heilsbringer der CDU wird, ob er die Partei vollends in die Bedeutungslosigkeit führt oder ob sich insgesamt wenig ändern wird.

    Du hast es ja nicht so mit Fußball, aber oft ist erstaunlich, welches Leben in eine abgerissene Looser-Mannschaft kommen kann, wenn man den Trainer wechselt. Merz großer Vorteil ist, dass man im Großen und Ganzen weiß, wo er steht. Man kann sich hinter ihm sammeln, man kann mit ihm streiten – beides war unter Angela Merkel nur sehr eingeschränkt möglich.

    Kurz: kein CDU-Schwergewicht wagte sich gegen Merz heran.

    Es gibt keine Schwergewichte mehr in der CDU

    Die Mehrheit der Partei steht, ob aus Überzeugung oder Verzweiflung, hinter ihm.

    Ja

    Das Kalkül der Merz-Befürworter*innen ist, dass dieser enttäuschte Wählendengruppen wieder zurück in die Arme der Union bringt. Woher würden diese kommen? Sicherlich nicht von SPD und Grünen.

    Erst mal geht es um die eine oder andere Landtagswahl, und da wird er eher hilfreich als schädlich sein.

    Für diese ist, wie ich weiter unten noch aufzeigen werde, Merz eine hervorragende Feindfigur.

    Ja – besonders für alle, die auch Norbert Röttgen, Helge Braun oder Annegret Kramp-Karrenbauer nicht gewählt hätten, weil sie ihre Kreuzchen etwas weiter links setzen. 🙂

    Merz ist zudem ein polarisierender Politiker, der von der Basis geliebt und von den Funktionär*innen…nicht geliebt wird.

    Die Funktionär*innen sind Sonnenblumen – sie folgen dem Licht. Sie folgten Merkel, die Merz nicht mochte. Nun ist sie endlich weg. Wenn sich die CDU fängt, mögen ihn auch die Funktionär*innen wieder.

    Merkel war vor allem erfolgreich, weil sie diese Gegenreaktion bis zum Nullpunkt neutralisiert hat – Stichwort „asymmetrische Demobilisierung“.

    Auch die eigene Partei. Und der Preis, den wir für diese Politik zahlen müssen, ist bei weitem noch nicht abzusehen.

    Niemand war unglücklich mit Merkel (bis 2015 zumindest), sie war so erträglich, dass man sich nicht zu schlecht fühlen musste, wenn man als Soze der Wahl dieses Mal fernblieb und den Sonntag lieber vor dem Fernseher verbrachte.

    Liebe Frau Merkel, vielen Dank für die AfD.

    Die große Gefahr für eine Merz-CDU ist daher, dass die Gewinne, die man durch sein schärferes konservatives Profil einfährt, auf der anderen Seite durch Gewinne bei SPD, Grünen und LINKEn relativiert werden, die gegen den Gottseibeiuns mobilisieren können.

    Gut für die Demokratie und Wahlbeteiligung; auch Kevin Kühnert wird beide Seiten an die urne treiben.

    Ich wage daher nur eine äußerst rudimentäre Prognose. Merz wird die CDU in den Umfragen wieder an die 30% heranführen.

    Merh wird erstmal nicht erwartet, und der Rest Deiner Prognosen ist Stochern im Nebel. Ist lange hin bis 2025, und ich vermute mal, dass dann die Grünen den Kanzler stellen (ist auch geraten, ich weiß …).

    • Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 15:52

      Jo.

    • Ariane 20. Dezember 2021, 16:39

      Kurz: kein CDU-Schwergewicht wagte sich gegen Merz heran.

      Es gibt keine Schwergewichte mehr in der CDU

      Richtig, ist übrigens etwas, das mir im Artikel eventuell etwas zu kurz kommt. Brinkhaus könnte man vielleicht noch nennen, obwohl das auch wieder so einer ist, den normal politikuninteressierte Menschen vermutlich gar nicht kennen (so wie Linnemann – Seitenblick zu Pietsch^^).

      Ich denke, das wird Merz gerade am Anfang helfen. Nur: die Frage ist halt, ob das auch so bleibt, würde mich nicht wundern, wenn sich da Ministerpräsidenten wie Wüst oder Günther (von Söder gar nicht zu reden) schon selbst als künftige Schwergewichte sehen. Ich höre mir ja schon seit einigen Jahren an, dass Günther der kommende Kanzler ist^^

      • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 17:15

        Mit Merkel und Scholz sind nun zweimal hintereinander Bundespolitiker zum Bundeskanzler aufgestiegen. Die frühere Karriere wie bei Kohl und Schröder als Ministerpräsident zum bundesweiten Regierungschef zu werden, funktioniert so nicht mehr.

        Carsten Linnemann ist in der Union gut bekannt. Er steht im Team Merz, wird jetzt zu einem der Vize aufsteigen und damit die Chance zur bundesweiten Profilierung erhalten. Sein Freund und Konkurrent Jens Spahn ist dagegen für einige Jahre verbrannt. In der Kategorie der Vierzigjährigen ist Linnemann inzwischen in der Pole Position.

        Übrigens: selbst ein Leichtgewicht wie Baerbock konnte innerhalb von Monaten republikweit bekannt gemacht werden.

        Günther wird vorerst nichts. Wenn er die Wahl im nächsten Jahr verliert, droht im das Schicksal von David McAlister. Der galt auch mal als die Zukunft der CDU – bis er eine Wahl verlor und seitdem in Brüssel in Vergessenheit geraten ist.

        • Ariane 20. Dezember 2021, 17:48

          Merkel und Scholz waren aber MinisterInnen, bzw würde ich Merkel eh als Sonderfall aufgrund des damaligen CDU-Meltdowns sehen.

          Und ich kenne Linnemann ja auch, aber wir sind auch Nerds. Und gerade in der Oppositionszeit ist es natürlich schwer, auch bundesweite Bekanntheit zu erlangen, das ist für Ministerpräsidenten schon leichter. Und Amthor ist ja sogar noch jünger, war der nicht beim letzten (vorletzten?) sogar ein Tandem mit Merz? Dazu kommt, dass die Merz natürlich nahe stehen und ihm eigentlich zu ähnlich sind.

          Leute wie Wüst, Günther oder Söder sowieso hätten natürlich noch eher die Gelegenheit als Gegengewicht wahrgenommen zu werden, wird halt auch die Frage, wie integrierend Merz da sein wird.

          So schlecht siehts für Günther auch gar nicht aus, der ist auch bei nicht-CDU-Wählenden beliebt und Jamaika hat in den Umfragen auch ne satte Mehrheit.
          https://dawum.de/Schleswig-Holstein/

          Ein Traum für mittige Wählende übrigens, sowohl AfD als auch Linke unter 5%. Vielleicht muss man gar nicht nach rechts rücken dafür.
          Obwohl das stoische Naturell der Nordlichter ja sowas wie eine natürliche Abwehr gegen aufgeregte Ränder ist 😉

          • Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 18:59

            Ja klar. Auf Bundesebene erlangt Bekanntheit, wer in der Regierung ist. Steinbrück wurde zum Herausforderer von Merkel, Schäuble wurde immer wieder als Ersatzkanzler gehandelt, Scholz schaffte es sogar als Finanzminister zum Kanzler aufzusteigen. Vielleicht sehen wir ja in acht Jahren Christian Lindner im Kanzleramt? 😉

            Die Ministerpräsidenten haben nicht mehr das Gewicht wie noch in den Neunzigerjahren. Früher konnte ich alle 16 aufzählen und kannte die Herausforderer. Doch heute muss ich bei Bremen, Brandenburg zucken, die Oppositionsführer kenne ich nicht.

            Die Wahl hat eindeutig gezeigt, wie die Basis der CDU tickt. Das hätte ich in der Klarheit nicht erwartet. Da haben viele in den letzten Jahren daneben gelegen, was die hohe Frustration erklärt. Merz ist offensichtlich weit mehr Mitte der Partei als es Laschet und AKK je waren.

            Wie ich gelesen habe, ist man sich aber unter den Jamaika-Parteien inzwischen überdrüssig. Das gemeinsame Regieren soll nicht einfach gewesen sein, zumal schnell die beiden Freunde Kubicki und Habeck sich in die Bundespolitik verabschiedet haben.

        • Erwin Gabriel 20. Dezember 2021, 23:24

          @ Stefan Pietsch 20. Dezember 2021, 17:15

          Carsten Linnemann ist in der Union gut bekannt.

          Mag alles stimmen, aber ich bin da bei Ariane: ihn kennt trotzdem außerhalb der CDU keine Sau (gilt ähnlich für Brinkhaus).
          Wen man aus der CDU über den Tellerrand hinaus kennt, sind Norbert Röttgen, Jens Spahn, Peter Altmaier, Armin Laschet, und vielleicht wegen seiner Skandale noch Philip Amthor (inzwischen außer Julia Klöckner und Annegret Kramp-Karrenbauer keine namhafte Frau dabei, und die sind auch nicht (mehr) erste Liga.

          Von all denen ist nur Norbert Röttgen vorzeigbar, aber das ist auch ein Kandidat, auf den man nur dann kommt, wenn man den anderen nicht will. Mag in ein paar Jahren anders aussehen …

          • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 06:23

            ICH kenn Linnemann und Brinkhaus nicht, und ich bin echt ein Nachrichtenjunkie. Ich hab keine Ahnung, wer die sind.

            • Ariane 21. Dezember 2021, 08:09

              Als Blogbetreiber mit Pietsch als Kompagnon ist das aber schon ein Verbrechen, den Linnemann nicht zu kennen.^^

              • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 08:30

                Da hast Du recht. Den Oppositionsführer im Deutschen Bundestag darf man kennen, den (bisherigen) Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung auch. Dafür kann ja Amthor wegfallen. 🙂

                • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 10:49

                  Nur dass Amthor halt in den Medien vorkommt und der andere nicht.

                  • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 11:28

                    Sind für mich als politisch Interessierten vor allem die Talkshowgäste relevant oder die Strippenzieher?

                    • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 14:29

                      Reden wir jetzt von relevant oder bekannt? Ich rede von bekannt.

                    • Stefan Pietsch 21. Dezember 2021, 14:40

                      Wir reden davon, wen man kennen sollte.

                    • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 15:47

                      Dann sprachen wir über unterschiedliche Dinge.

            • CitizenK 21. Dezember 2021, 19:13

              Wirklich? Immerhin hat Brinkhaus eine „Revolution“ in Deutschland gefordert. Ein CDUler, in leitender Position, eine REVOLUTION! Ein Steuerberater, der eine „Revolution“ will.
              Er wäre sicher enttäuscht, dass du das nicht mitgekriegt hast.

      • Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 18:19

        Da weiß ich einfach zu wenig. Ich bin kein Experte für Personalpolitik.

        • Erwin Gabriel 20. Dezember 2021, 23:26

          @ Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 18:19

          Da weiß ich einfach zu wenig. Ich bin kein Experte für Personalpolitik.

          Wen wundert’s. Aus der SPD gibt es Scholz, Kühnert und Klingbeil, und CDU oder FDP stehen nicht besser da.

  • Lemmy Caution 20. Dezember 2021, 15:31

    Für die Union war der Niedergang der letzten Monate schnell und überraschend. Vielleicht stellt die Merz-Wahl mehr so eine Art Festklammern an Gewissheiten aus alten, übersichtleren Zeiten dar.
    AFD Wähler wird man so kaum zurückgewinnen. Die sind Anti-System und überhaupt nicht liberal, nicht mal neo-liberal.
    Vielleicht sehe ich Merz auch zu eindimensional. Möglicherweise besitzt er die Fähigkeit, die Partei zusammenzuhalten, bis sich eine neue Richtung unter jungen Führungskräften mit neuen Ideen herauskristalisiert.
    Wahlen werden in repräsentativen Demokratien fast immer in der Mitte gewonnen. In Chile erlitten gestern nacht die Konservativen unter einem Rechtsaußen eine überraschend deutliche Niederlage: 44% zu 56%, v.a. auch dank seiner wähler-mobilisierenden Wirkung für die Gegenseite.

    • Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 15:53

      Ich glaube nicht daran, dass AfD-Wählende in großer Zahl zu gewinnen sind. Aus den im Artikel genannten Gründen.

    • Ariane 20. Dezember 2021, 16:27

      Ich denke, Stefan hat mit dem SPD-Vergleich schon recht. Es ist IMO schon eine Art Vergangenheitsbewältigung, da passt ein Anti-Merkel schon. Vielleicht sogar konsequenter als die SPD, die sich sehr lange in einem sowohl-als-auch-Kuddelmuddel verfangen hat.

      Gerade rund um Merz gab es ja durchaus generell eine irgendwie-rechts-populistische Bewegung, die versucht ohne den AfD-Gestank auszukommen. So wie die JU oder eben dieses neue Kampagnending. Wie heißt das noch? The Republic? Die immer so wirken wie auf schlimmen Drogen? Wollte das eigentlich verlinken, habs mit dem Namen aber nicht gefunden.

      Ich glaube aber, das sind eher Träumereien auf der rechten CDU-Seite, Merz selbst hat schon lange nicht mehr von AfD-Wählenden geredet und er kann es sich eigentlich auch gar nicht leisten, da nun den rechtspopulistischen Heilsbringer zu sein. Gemeinsam mit der CSU auch noch, wenn er und die CDU Wahlen gewinnen wollen, können sie nicht so stark nach rechts rücken.

      • Stefan Sasse 20. Dezember 2021, 18:19

        The Republic, ja. Und ich stimme dir zu.

      • Lemmy Caution 20. Dezember 2021, 20:28

        Hab den Eindruck, dass sich die ideologischen Grundlinien aktuell immer mehr verwischen. Vielleicht verwechsel ich da auch meine eigene Entwicklung der letzten 10 Jahre mit dem Zeitgeist 😉 . Merkel war da vielleicht schon auf der Höhe der Zeit, wobei die natürlich schon sehr sozialdemokratisch war.
        Es gab in meinem Leben eine Zeit, in der ich den Neoliberalismus der 90er fast vollständig als Wahrheit übernommen hatte. Es gibt ja viele Ex-Kommunisten, die dann ihr restliches Leben damit verbringen, den Kommunismus zu verdammen. Wolfgang Leonhard ist dafür ein gutes deutsches Beispiel, aber das hast Du in vielen Ländern. Ich erkenne heute den Neoliberalismus der 90er als in vielen Aspekten lebensfeindlich und messianisch (falsche Heilsversprechen). Ex-Neoliberaler ist nicht so arg wie Ex-Kommunist, aber ein bisschen gehts in die Richtung.
        Mit der Bankenkrise 2008ff, Pickety und v.a. der Entwicklung der chilenischen Gesellschaft seit 2011 ist für mich der Neoliberalismus der 90er erledigte Geschichte wie Rheinisches Modell, Real Existierender Kommunismus, Dependencia Theorie oder der Merkantilismus unter Ludwig XIV.
        Ich glaube nicht, dass in der CDU ernsthaft auf einen mindset 1999 reseted werden kann.
        Es gibt in meiner kleinen Welt des ökonomischen Denkens keine letzte Wahrheit. Alles fließt immer und was 2005 eine funktionsfähige Richtschnur lieferte kann das heute eben möglicherweise genau nicht mehr liefern. Die Grundstruktur ähnelt eher der Welt in Tarkowskis Film Stalker, falls ihr den kennt. Der ist total weird, aber ich mag den sehr.

        • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 06:21

          Ich glaube auch nicht, dass das geht. Die Frage ist, wie sehr sie es versuchen.

  • Dennis 20. Dezember 2021, 20:02

    Zitat Stefan Sasse:
    „Oder hat sie einfach nur das Ende der Fahnenstange erreicht und jeder Widerstand ist so weit zermürbt, dass Merz als einziger übrig blieb? “

    Die da unten in der CDU hätten doch nie etwas anderes gewählt als das, was sie jetzt so gewählt haben. Dass der Abgang der Merkel-Wähler der CDU sozusagen den Rest gegeben hat, interessiert da offenbar wenig. Wieso geht’s angesichts der „Befreiung“ von Merkel eigentlich bei den Wahlen und auch weiterhin bei den Umfragen bergab und nicht bergauf? Ein Mysterium. Aber gut, bei den anderen hat sich für die Frage „wie wirken eigentlich Esken/NWB draußen im Lande?“ bei den so Abstimmenden seinerzeit ja auch keine Sau interessiert.

    Das Witzige ist ja, dass die viel besungene Basis eine Entscheidung zu Gunsten eines Vorsitzenden getroffen hat, der die Einbeziehung der kleinen Leute da unten in eine solche Entscheidung eigentlich ablehnt und nur weil die Not so ungewöhnlich groß ist, das ausnahmsweise mal zugelassen hat. Gleichwohl hat die Basis den Mann, der diese für beschränkt und für nicht zurechnungsfähig hält, gewählt. Autoritärer Charakter, nennt man/frau das, soviel ich weiß. Man/frau liebt denjenigen, der einen verachtet.

    https://www.zdf.de/nachrichten/politik/merz-cdu-vorsitz-mitgliederentscheid-100.html

    Aber vermutlich hat der Merz sogar Recht. Strategisch sinnvolle Entscheidungen sind von der Basis in der Tag nicht zu erwarten, sieht man/frau ja seit langem bei der SPD. Einen Kanzlerkandidaten Scholz hätte es nie gegeben, wenn das nicht die Großkopferten unter sich ausgemacht hätten. Weiß jemand, warum in Sachen Klingbeil als Co-Vorsitzender die „einfachen“ Mitglieder:innen – anders als mit großem Bohei bei seinem Vorgänger – nicht gefragt wurden? Anscheinend liebt es die Basis auch bei den Genossen, geschurigelt zu werden.

    Zitat:
    „Das Ziel der Übernahmeversuche kann daher nur die FDP sein“

    Ja, sieht so aus. Das mit der AfD-Teilübernahme („die Hälfte“) hat Merz ja schon coram publico – unlängst in einer Talkschau – für erledigt erklärt.

    Zitat:
    „ist Lindner ein gewiefter Vorsitzender und Stratege. “

    Das wird schwierig. In Sachen Infektionsschutzgesetz wurde die FDP zwar mit ein paar Häppchen versorgt, in der Haushalts-Umwidmungs-Sache ist er indes als Bettvorleger gelandet. Das wird wohl so ambivalent weitergehen mit Scholzens gönnerhaft so bezeichneten neuen „Freunden“. Quatsch-Entscheidungen wie die Sitzordnung im Bundestag kosten nix, aber ob das das FDP-Publikum auf Dauer ausreichend beeindruckt, glaub ich angesichts der zu erwartenden Sirenengesänge aus der CDU eher weniger; die pekuniären Klientel-Interessen des FDP-Publikums (alles andere zählt da nicht viel) sind bei Merz nu mal viel besser aufgehoben, der im Übrigen Kreide fressen und ’n bissle aufgehübscht „modern“ rüberkommen wird. Immer dran denken: Die Frau Merkel hat auch mal so angefangen wie der Herr Merz.

    In diesem verwirrenden Hin und Her könnte Lindner zerquetscht werden. Die Frage ist dann, ob die FDP von den wenigen urbanen Lifestyle-Schnöseln leben kann, wenn sich die älteren Herrschaften zum Merz abgemeldet haben.

    Zitat:
    „Nichts ist in Stein gemeißelt. Letztlich fliegen alle blind.“

    Okay, stimmt schon. Aber so ganz ohne Prognosen ist die Welt einfach zu langweilig 🙁 .Erforderlichenfalls kann man/frau die dann veralteten Prognosen ja zu gegebener Zeit ja wieder vergessen 🙂

    Uns ach ja: Von der CSU war in deinem Aufsatz rein garnicht die Rede. Deren gefühlt jahrhundertealte FDP-Feindschaft (Kubicki wird von Söder aktuell unter rechtsaußen abgebucht und er empfiehlt ihm die berüchtigten Corona-Demos) nebst Merz-Distanz macht alles noch viiiiiiel komplizierter.

    • Stefan Sasse 21. Dezember 2021, 06:21

      Ja, aber mit der CSU kenn ich mich noch weniger aus als mit der CDU, da will ich gar keine Aussagen zu machen.

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