Warum die CO2-Steuer (allein) uns nicht retten wird

Angesichts der massiv voranschreitenden Klimakrise befinden sich in den meisten westlichen Ländern die Klimakrisenleugnenden immer weiter auf dem Rückzug. Mit Ausnahme der USA gibt es kaum mehr eine Nation, in der ein wesentlicher Teil des politischen Spektrums aktive Leugnung betreibt – in Deutschland etwa stellt sich die AfD damit ins Abseits. Seit den 1980er Jahren haben praktisch alle Parteien den Kampf gegen die Klimakrise offiziell in ihre Programme aufgenommen, aber erst die Welle an Protesten seit 2019 hat erneute Bewegung in die politische Debatte gebracht und es erforderlich gemacht, konkrete Politiken zu entwickeln. Diese bewegen sich meist entlang ideologischer Präferenzen. So fordert die LINKE schuldenfinanzierte Investitionen des Staates in den Klimaschutz, operieren die Grünen vor allem mit dem regulatorischen Werkzeugkasten, und so fordern vor allem FDP und CDU die Einführung marktwirtschaftlicher Elemente. Unter diesen sticht besonders die CO2-Steuer hervor, von der sich eine Heilwirkung versprochen wird. Ich halte das für eine Illusion und will im Folgenden meine Gründe dafür darlegen.

Das Prinzip der CO2-Steuer ist simpel, und genau in dieser Simplizität liegt ihre große Attraktivität. Die Idee ist, das Emittieren von CO2, das bisher in einem Musterbeispiel der „Tragik der Allmende“ praktisch kostenfrei ist, mit einem Preis zu belegen, so dass die üblichen Mechanismen der Marktwirtschaft – nennen wir es gerne mit Smith die unsichtbare Hand des Marktes – ihre wundersame Wirkung vollbringen und das Emittieren von CO2 wirtschaftlich unattraktiv machen. Ein wichtiges Werkzeug dafür ist der Handel mit CO2-Zertifikaten, die das Emittieren überhaupt erst erlauben und deren Menge vom Staat festgelegt wird. Wer wenig emittiert, kann Zertifikate verkaufen, wer viel emittiert, muss sie zusätzlich erwerben. Noch beliebter als der bereits existierende Zertifikatshandel aber ist die CO2-Steuer, die das Emittieren grundsätzlich verteuern würde.

Man kann sich das folgendermaßen vorstellen: wenn die Volkswirtschaft auf ein Excel-Spreadsheet projiziert würde (das dann wohl komplizierteste Spreadsheet, das je erstellt wurde, aber bleiben wir im Bild), dann hat eine Veränderung des Preises von CO2 Folgewirkungen entlang der kompletten Wertschöpfungskette, beeinflusst also das gesamte Spreadsheet. Die Kosten von CO2-intensiven Produkten steigen, während die Kosten von klimaverträglichen Produkten weitgehend gleich bleiben. Entsprechend werden Konstument*innen zu günstigeren Produkten wechseln und Unternehmen entsprechend durch den Markt gezwungen, ihre Preise zu senken – was sie nach Lage der Dinge tun werden, indem sie die Emissionen reduzieren. Um diesen Prozess zu forcieren, gehen die meisten CO2-Steuer-Konzepte von einem linear steigenden Preis aus.

Dieses Konzept ist simpel, bestechend, funktioniert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genauso wie oben beschrieben und wäre das vermutlich beste Mittel, um die Klimakrise zu bekämpfen. Es ist gleichzeitig auch ein Hirngespinst, das nicht umsetzbar ist.

Wie geht das zusammen?

Die CO2-Steuer ist, soweit ich als Amateur das überblicken kann, ökonomisch unangreifbar. Ihre Logik ist bestechend, ihre Funktionsweise kaum in Frage gestellt. Die größte Kritik, die ich von technischer Seite her kenne, ist das gleiche Problem, das JEDE klimapolitische Maßnahme hat, nämlich dass ein globales Regime besser wäre als eine nationale oder auch europaweite Lösung. Aber diese Feststellung ist ungefähr so hilfreich wie die, dass Weltfrieden und ewiger Sommer schon auch irgendwie schön wären. Und der Planet der Liebe wird die Erde sein – ist halt nicht. Weder bei der CO2-Steuer noch bei sonstwas.

Nein, meine Probleme sind politischer Natur. Denn so bestechend die CO2-Steuer in ihrer theoretischen Funktionsweise auch ist, ich glaube nicht, dass sie in der Praxis jemals wird umgesetzt werden können. Dafür gibt es mehrere Gründe. Ich will mich zuerst mit diesen beschäftigen, bevor ich darüber spreche, was das in meinen Augen für die CO2-Steuer bedeutet.

Die Einführung einer CO2-Steuer wird, so sie irgendwie funktional gestaltet ist (was leider nicht bei allen diskutierten Varianten der Fall ist, aber mittlerweile zumindest bei allen, die irgendwie ernsthaft in der Debatte sind), wird zu einer ungeheuren Verwerfung des Preisgefüges führen. An dieser Stelle mögen bewanderte Lesende mit den Schultern zucken und darauf verweisen, dass das offensichtlich ist. Eine CO2-Steuer, die nicht zu massiven Veränderungen im Preisgefüge führt, ist nutzlos.

Das ist klar, aber wie bei jeder Steuer ist schwer vorherzusagen, wo die Preisänderungen exakt passieren werden. Das wissen auch die betroffenen Unternehmen nicht, weil die Preisverschiebungen in unserem metaphorischen Excel-Spreadsheet durch die gesamten Lieferketten hoch und runter vibrieren werden, als würde man eine ganze Wagenladung Steine in einen Teich werfen. Diese Verschiebungen werden Gewinner*innen und Verlierer*innen kennen, teilweise vorher absehbar, teilweise nicht. So oder so aber werden sie, selbst wenn man am Ende ungefähr so dasteht wie am Anfang, eine massive Veränderung darstellen. Und Veränderungen werden bekämpft, immer. Das ist menschliche Natur.

Normalerweise sind es eigentlich gerade Konservative und Liberale, die die menschliche Natur gegen ähnlich ausgreifende linke Pläne ins Feld führen, was es natürlich umso ironischer macht, dass dieses Mal so ein linksgrün versiffter Gutmensch wie ich mahnend die Stimme hebe. Aber mir scheint diese Konsequenz deutlich zu wenig diskutiert zu werden. Zwar wird pflichtschuldig immer irgendeine Art sozialer Ausgleich gefordert, für den es auch sehr gute Konzepte gibt. Nur scheinen mir alle Beteiligten, von den Grünen bis zur FDP, völlig zu unterschätzen, dass man den Leuten zwar SAGEN kann, dass sie dank eines komplizierten Ausgleichesmechanismus und einer jährlichen Zahlung aus einem Fond oder irgendwelchen Subventionen an anderer Stelle am Ende auf null rauskommen oder gar besser stehen; aber ob die Leute das dann FÜHLEN und GLAUBEN, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Als Beispiel sehe man sich nur mal den Affordable Care Act (Obamacare) an. Rein auf der policy-Ebene gesehen war das eine völlig solide Reform, die den Eigenheiten des amerikanischen Gesundheitswesens Rechnung trug und der überwältigenden Zahl der Menschen entweder nicht schadete oder half. Allein, angefühlt hat es sich nicht so.

Und das führt uns zum nächsten großen Problem: Egal, wie ausgefeilt das Kompensationsmodell sein wird, die CO2-Steuer wird sich anfühlen wie eine zusätzliche und enorm disruptive Belastung. Genau die Teile, die am meisten helfen – beim etwa ACA das „individual mandate„, also die Versicherungspflicht – werden den meisten Widerstand hervorrufen. Das ist keine reine Annahme von mir. Die Maßnahmen, die am meisten zur CO2-Reduktion beitragen, sind bei der Bevölkerung die unbeliebtesten, wie eine Studie kürzlich herausgearbeitet hat. Das betrifft vor allem solche, die das Auto Fahren verteuern.

Und damit sind wir beim Kern. Wo emittieren wir im Alltag das meiste CO2? Beim Auto Fahren und beim Heizen. Es sind nicht die Steaks auf dem Grill und nicht das Lagerfeuer im Schrebergarten. (Dass der Löwenanteil der Emissionen ohnehin in der Industrie anfällt und nicht im Individualkonsum sei hierfür erst einmal ignoriert.) Welche Kosten sind bereits jetzt sehr hoch, und welche Verteuerung ruft verlässlich und über alle Parteigrenzen hinweg energischen Widerstand hervor? Richtig, Energie und Treibstoff.

Man sieht bereits jetzt, wo das Ding praktisch nicht eingeführt und das Niveau der Preisdisruption noch ziemlich niedrig ist, welche Konsequenzen das politisch hat. So fordert Markus Söder eine Mehrwertsteuerermäßigung auf fossile Energieträger und Kraftstoffe (ein Plan, den auch die FDP hegt), was etwa bei Claus Hecking zu Recht harsch kritisiert wird. Söder bereitet sich damit bereits auf die Oppositionstätigkeit der Union vor, die gegebenenfalls jede Teuerung der ungeliebten CO2-Steuer zuschreiben und die Regierung damit angreifen wird. Und Teuerungen wird es genug geben, das liegt in der Natur der Sache, denn wenn CO2-Emissionen sich nicht verteuern, macht ja die ganze Steuer keinen Sinn. Die Disruption ist nicht ein Nebeneffekt, eine unvermeidbare Nebenwirkung; sie ist der Kern. Und sie ist politisch toxisch.

Dabei ist das Absurde, dass trotz hochgejazzter Unterschiede die Pläne der Parteien extrem ähnlich sind. Das CO2-Besteuerungskonzept von Grünen und Union, FDP und SPD unterscheidet sich wie Vanille und Straciatella. Eine CO2-Steuer ist simpel und wirksam. Sie hat weder Freunde noch Feinde. Ihre Funktionsweise ist in der Theorie jeglichem politischen Hickhack enthoben, weil sie eine Änderung der Variable im Spreadsheet ist. Keine Regulierung, keine ideologisch verbrämte Steuerung; sie ist die kalte, rationale Hand des Marktes bei der Arbeit.

Darin entspring sie demselben Mindset wie etwa die Schuldenbremse. Es ist nicht verwunderlich, dass gerade Ökonom*innen die CO2-Steuer als hauptsächliches oder gar einziges Instrument des Kampfes gegen den Klimawandel empfehlen, halten sie sich doch für neutrale Arbiter, Vermittelnde zwischen der Wissenschaft und der Gesellschaft. Das ist natürlich eine trügerische Selbst-Illusion, aber sie ist mächtig in der Zunft.

Dass die CO2-Steuer weder Freund noch Feind hat, mag sie als objektiv und über dem Parteienstreit schwebend erscheinen lassen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es ist praktisch die Garantie ihrer Wirkungslosigkeit. Den Status Quo zu verändern ist eine aufreibende, anstrengende, großes Engagement und Investment erfordernde Sache. Den Status Quo zu erhalten ist in den meisten Fällen leicht und gefällig.

Es ist viel leichter, den Status Quo niedriger Benzinpreise zu erhalten, als sich zu überlegen, wie man für die steigenden Kosten einen vernünftigen Ausgleich schaffen will. Deswegen hintertreibt die CDU/CSU bereits jetzt ein Instrument, das de facto noch nicht einmal richtig eingeführt ist. Die CO2-Steuer soll CO2-Emissionen verteuern, damit der Mechanismus von Angebot und Nachfrage seine Wirkung tun und CO2-Emissionen aus dem Markt verdrängen kann. Durch staatliche Subventionen den Preis stabil zu halte ist das Prinzip „rechte Tasche, linke Tasche“ und wird die gewünschte Verhaltensänderung bei Herstellern und Konsumenten nicht erreichen. Das dürfte Söder klar sein, der Mann ist ja intelligent. Aber die politischen Dynamiken sind zu stark, der leichte Gewinn auf Kosten der Gegner viel zu verlockend.

Und das wird immer der Fall sein. Die CO2-Steuer wird nie so funktionieren, wie sie das in der Theorie unseres metaphorischen Excel-Spreadsheets tut, genauso wenig wie der Maastricht-Vertrag und die Schuldenbremse oder das Zurückzahlen der in der Rezession angehäuften Staatsschulden im Boom nach keynesianischem Muster je taten. All diese von Ökonom*innen entworfenen Regeln mögen in der Theorie hervorragend funktionieren. An der Praxis zerschellen sie krachend.

Elektorale Gewinne im Wahlkampf werden Parteien dazu bewegen, Stimmung gegen die eigentlich erwünschten Verteuerungen CO2-intensiver Branchen und Produkte und die damit einhergehenden Preissteigerungen zu machen. Unternehmen werden versuchen, sich den notwendigen Veränderungen und Innovationen zu verweigern und stattdessen Lobbyismus betreiben, um staatlichen Schutz und/oder Subventionen zu erhalten. Bürger*innen werden ihre gewählten Repräsentant*innen nachdrücklich auffordern, sie vor den wirtschaftlichen Verwerfungen negativer Art zu schützen. Die Medien werden Horrorstories von steigenden Preisen und zerstörten Existenzen erzählen.

Niemand wird das aus Böswilligkeit tun. Sie werden es tun, weil es ebenso in der menschlichen Natur wie in der Natur der Institutionen, Prozesse und Dynamiken liegt, innerhalb derer wir uns alle bewegen. Das Konzept der CO2-Steuer aber missachtet diese Institutionen, Prozesse, Dynamiken, missachtet die Natur des Menschen. Es glaubt, Kraft der reinen ökonomischen Lehre diese Hindernisse beiseite wischen zu können. Das ist eine Hybris, die scheitern muss.

Bedeutet das alles nun, dass die CO2-Steuer nutzlos ist? Keineswegs. Ich bin sehr für die Einführung dieses Instruments. Denn erneut: die ökonomische Logik dahinter ist einleuchtend. Ich bin nur skeptisch über den Wirkungsgrad, den sie als Instrument entfalten kann, bin skeptisch gegenüber den Heilsversprechen des allein selig machenden Instruments.

Stattdessen bin ich ein gläubiger Jünger des Ansatzes, den die Amerikaner in unnachahmlicher Schnoddrigkeit als „everything and the kitchen sink“ bezeichnen. Letzten Endes müssen wir in meinen Augen so viel wie möglich machen. „Scheiße an die Wand werfen und sehen, was kleben bleibt“ wäre eine andere, prosaische Wendung desselben Prinzips. Ist das ineffizient? Sicherlich, in einem gewissen Ausmaß. Manche Maßnahmen werden sich konterkarieren, gar gegenseitig aufheben; manches wird nicht funktionieren und sich als Irrweg erweisen. Der Preismechanismus ist effizient, aber nicht zwingend effektiv: mit diesem Argument fordert Cedric Durand im New Left Review „ökonomische Planung“. Ich weiß nicht, wie sehr ich mich hinter die Rückkehr der Planwirtschaft stellen will, und bin da sehr skeptisch. Aber auch hier gilt: wir müssen es versuchen.

Das Problem der Klimakrise ist zu wichtig, um auf eine einzige Lösung zu vertrauen, die zwar in der Theorie hervorragend funktioniert, aber in der Praxis schlicht noch nicht getestet wurde. Vielleicht funktioniert die CO2-Steuer ja auch genau so, wie ihre Apologeten sich das erhoffen. Das wäre natürlich super. Aber ich bin skeptisch, und wir können leider nicht eine solche Steuer einführen und zehn Jahre schauen, ob es funktioniert. Dafür ist die Lage mittlerweile viel zu ernst. Wir können nicht, um ein letztes amerikanisches Idiom zu gebrauchen, „all eggs in one basket“ packen, denn die Stöße kommen immer näher, und es werden Eier zu Bruch gehen. Wir müssen darauf hoffen, dass genügend übrig bleiben werden, um die Herausforderung zu meistern. Wir werden keinen zweiten Versuch bekommen.

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  • Thorsten Haupts 9. November 2021, 11:30

    Ich bin im Grundsatz derselben Auffassung wie dieser Blogartikel – wissenschaftliche Politikberatung ist oft genug völlig blind für die politischen (!) Rahmenbedingungen (Anreize und Sanktionen), in denen Politiker handeln oder eben nicht handeln. Nicht nur in der Ökonomie (Pandemie anyone?).

    Im konkreten Fall allerdings … Vereinfachen wir die gesamte Klimadebatte mal auf ihren Kern – ich will in X Jahren den CO2 Ausstoss auf den Wert Y senken.

    Dann gibt es im wesentlichen 3 Instrumente, die ich einsetzen kann: gesetzliche Verbote, gesetzliche Anreize (Subventionen) und gesetzliche Steuern und Gebühren (CO2 Steuer oder Emissionshandel – gleiche Wirkung). Soweit, so gut. Der Artikel schliesst eine radikale CO2 Preisgestaltung aus politischen Gründen aus, vermeidet es aber vorhersehbar, die Alternativen zu diskutieren.

    Die sind aber politisch mindestens (!) ebenso brisant wie der CO2 Preis: Völlig egal, wie ich den Mix von notwendigen Verboten und Anreizen gestalte, wenn er wirksam genug werden soll, um das Ziel zu erreichen, wird er dieselben Verwerfungen und Widerstände nach sich ziehen, wie der CO2 Preis. In der politischen Praxis sogar eher mehr, weil man gegen alle Massnahmen einzeln vorgehen und sie diskreditieren kann. Mit anderen Worten – ich muss viele Kämpfe statt des einen führen.

    Leuchtet mir nicht ein, sorry. Wenn der CO2 Preis politisch unmöglich ist, dann ist es auch der notwendige Mix alternativer, aber gleich wirksamer Massnahmen – da gibt´s keine Fee, die den Zauberstab hebt und per abrakadabra die notwendige Radikalität der alternativen Massnahmen aufhebt.

    Im Kern ist es ganz einfach: Entweder man hat die notwendigen Mehrheiten für eine radikal andere Politik. Dann ist die CO2 Steuer oder der Emissionshandel das unter wirklich allen Aspekten beste Instrument, mit grossem Abstand. Oder man hat diese Mehrheiten nicht, dann gibt es auch keine Mehrheiten für die Vielzahl der radikalen und bisher nie erlebten Markteingriffe, die alternativ notwendig wären.

    Deshalb zieht das Argument „politisch nicht durchsetzbar“ hier schlicht nicht. Es spricht auch nicht für die Klarheit der Gedanken, dass der Artikel über die Alternativen sprachlich wie theoretisch hinwegnuschelt – da war der Wunsch der Vater des Gedankens.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 9. November 2021, 14:20

      Ich verstehe was du meinst und finde es eine spannende Perspektive, kann aber nicht zustimmen. Du hast natürlich damit Recht, dass die Leute gegen jede Maßnahme mobilmachen werden. Aber das wird auf unterschiedlichen Ebenenen passieren, mal erfolgreich sein, mal nicht. Wenn ich alles über dasselbe Instrument handle – den Preis – und das scheitert, stehe ich mit Nichts da. Wenn ich aber, sagen wir, den Preis als ein Instrument nehme, die Neuzulassung von Verbrennern ab 2030 verbieten will und dazu eine Awareness-Kampagne starte, ist nicht schlimm, wenn eines davon scheitert, oder wenn Verzerrungen entstehen, weil die Masse einen Druck macht, der eine eigene kommunikative Kraft hat. Denn ein Aspekt, den ich im Artikel gar nicht genannt habe (grievous oversight!) ist ja, dass die CO2-Steuer als alleinige Maßnahme die Botschaft aussendet, dass sie ausreichend ist. Das macht sie ja politisch so attraktiv: sieh her, du musst nichts ändern, der CO2-Preis macht alles automatisch. Maßnahmenbündel kommunizieren unabhängig von ihrer Effizienz eine dringende Notwendigkeit.

      • Erwin Gabriel 9. November 2021, 14:58

        @ Stefan Sasse 9. November 2021, 14:20

        Du hast natürlich damit Recht, dass die Leute gegen jede Maßnahme mobilmachen werden. Aber das wird auf unterschiedlichen Ebenenen passieren, mal erfolgreich sein, mal nicht. Wenn ich alles über dasselbe Instrument handle – den Preis – und das scheitert, stehe ich mit Nichts da.

        Wenn man über einzelne Maßnahmen geht, wird man aus grundsätzlichen Erwägungen nur die Hälfte schaffen (sieht man ja jetzt an der Diskussion zum Tempolimit).

        Das würde bedeuten, dass man die Klimaziele weit verfehlt, ergo steht man dann auch mit nichts da, nur ein bisschen später.

        Derzeit gibt es ein großes Moment für einen großen Wurf – das sollte man nutzen.

        • Stefan Sasse 9. November 2021, 16:55

          Ernsthafte Frage: Mal angenommen, wir führen den großen Wurf so ein (was ich ja befürworten würde); würde es schaden, zusätzlich Verbrenner ab 2030 zu verbieten?

          • derwaechter 9. November 2021, 17:09

            Der Luftqualität nicht.

          • Stefan Pietsch 9. November 2021, 17:31

            Nein, würde es nicht. So wie es einer Vierzehnjährigen nicht schadet, um acht ins Bett zu gehen. Allein übrigens.

            • Stefan Sasse 9. November 2021, 18:34

              Häh?

              • Stefan Pietsch 9. November 2021, 18:40

                Es gibt in dieser Welt vieles, was im Hinblick auf ein Ziel nicht schadet, aber auch nicht wirklich nutzt. Üblicherweise wird es dann von Praktikern der Welt gelassen.

                Globoli schaden übrigens auch nicht.

                • Stefan Sasse 9. November 2021, 18:50

                  Heute singt für Sie…das Niveau.

                  • Stefan Pietsch 9. November 2021, 18:57

                    Deutschlehrer! 🙂

                  • Erwin Gabriel 10. November 2021, 14:21

                    @ Stefan Sasse 9. November 2021, 18:50

                    Heute singt für Sie…das Niveau.

                    Sooo lustig 🙂 🙂 Rofl

      • Thorsten Haupts 9. November 2021, 16:38

        Meine langjährige politische Beobachtung wie meine begrenzte politische Praxiserfahrung sagt mir, dass EINE konzentrierte Kraftanstrengung immer und ausnahmslos schneller und leichter zum Erfolg führt, als viele scheinbar kleinere Kraftanstrengungen. Klotzen, nicht kleckern (TM Guderian).

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 9. November 2021, 16:56

          Ich verstehe was du meinst. Ich lass das mal sacken.

        • cimourdain 10. November 2021, 17:23

          Ein Panzerkommandeur als Autorität i.S. Klimaschutz… wem der SUV noch zu umweltfreundlich ist 😉 .

    • Erwin Gabriel 9. November 2021, 14:54

      @ Thorsten Haupts

      Völlig egal, wie ich den Mix von notwendigen Verboten und Anreizen gestalte, wenn er wirksam genug werden soll, um das Ziel zu erreichen, wird er dieselben Verwerfungen und Widerstände nach sich ziehen, wie der CO2 Preis. In der politischen Praxis sogar eher mehr, weil man gegen alle Massnahmen einzeln vorgehen und sie diskreditieren kann. Mit anderen Worten – ich muss viele Kämpfe statt des einen führen.

      Überzeugender Punkt.

      • Stefan Sasse 9. November 2021, 16:54

        Aus den genannten Gründen finde ich ihn zwar sehr bedenkenswert, aber ich sehe meine gegenteilige Analyse als praktisch genauso stichhaltig. Weird, irgendwie. Weil beides Sinn macht…

  • Stefan Pietsch 9. November 2021, 12:02

    Meine Probleme mit solchen Argumentationen beginnen mit der völligen Ungenauigkeit. Sind Flugzeug, Auto und Fahrrad das Gleiche? Im Prinzip ja, sie sind Mittel der Fortbewegung. Aber sonst haben sie nichts gemeinsam.

    Eine Umweltsteuer will nur Auswirkungen auf andere (sogenannte externe Effekte) im Preis abbilden. An der Umweltverschmutzung ändert sich damit nichts automatisch. Wer es sich leisten kann, bläst weiterhin Umweltgifte in die Landschaft. Das ist der Ansatz, den inzwischen auch die Grünen verfolgen, man kann sich freikaufen, eine Art Ablasshandel, was zu den neumodischen quasi-religiösen Einrichtungen passt.

    Ein Zertifikatehandel funktioniert anders und nach allem Ermessen höchst effektiv, zumindest auf das vorgegebene Ziel. Anders als die preisinduzierte CO2-Steuer setzt Cap & Trade an der Menge an. Noch so viele Gebete können nichts daran ändern, dass nach Verbrauch einer definierten Menge Schluss mit Abgasen ist.

    Heute präferieren selbst Ökonomen die Steuer aus einem nachvollziehbaren Grund: global sei es weit einfacher, auf nationaler Ebene Steuern einzuführen als ein Handelssystem. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, aber wie gesagt: es ist sehr zielungenau. Da alle gleichzeitig reklamieren, wir hätten keine Zeit und müssten schleunigst auf Null Emissionen kommen, kann das kein kluger Weg sein. Auch 10 Milliarden Tonnen Kohlendioxid sind am Ende weit vorbei am Ziel.

    Und das ist das Problem mit allen anderen Maßnahmen, wo Du leichthin sagst: so viel wie möglich. Subventionen haben sich in der Vergangenheit als große Fehlsteuerungsinstrumente und Maßnahmen der Verschwendung erwiesen. Geht es dümmer? Jedes System kann nur dann gut funktionieren, wenn es, einmal implementiert, von ad hoc-Eingriffen weitgehendst freigehalten wird. Die Umlagesysteme in deutschen Sozialrecht sind nicht deswegen schlecht, weil sie Umlagesysteme sind. Sie sind schlecht und liefern miserable Ergebnisse, weil in jeder Legislaturperiode mehrmals von der Politik ins Räderwerk eingegriffen wird.

    Wir haben knapp 30 Jahre Erfahrung mit der Bekämpfung von schädlichen Klimaemissionen. Im automobilen Bereich haben wir es mit umfangreichen Regularien versucht, das Ergebnis ist, wie nicht nur die Grünen feststellen, weniger als Null. Wir hätten uns die ganzen Abgasdiskussionen von Jahrzehnten schenken können und ständen wahrscheinlich auch dort, wo wir heute stehen. Der Markt ist stärker, noch so strenge Auflagen haben den Boom von SUVs ebensowenig verhindert wie die kontinuierliche Senkung von Flottenverbräuchen.

    In der Energiepolitik haben wir es mit finanziellen Zulagen und Verboten probiert. Es war ein Riesenfeuerwerk. Keine Emissionsreduzierung, die es nicht auch ohne Subventionen gegeben hätte, die höchsten Energiepreise, mäßiger Anteil erneuerbarer Energien, einen Kohlestromanteil, der zeitweise mit dem Polens konkurrieren kann und als Beilage ein veritables ethisches Problem.

    Einzig der Emissionshandel funktioniert und liefert sowohl messbare als auch vorzeigbare Ergebnisse entlang von Zielvorgaben. Erfolgreiche Umweltpolitik beginnt beim Ehrlichmachen. Davon sind wir in Deutschland aus ideologischen Gründen meilenweit entfernt.

    • Stefan Sasse 9. November 2021, 14:24

      Aber es ist nach einer festdefinierten Menge nicht Schluss mit Abgasen. Es ist doch naivste Illusion zu glauben, ein Land würde seine Industrie zwingen, im November den Betrieb einzustellen, weil die Zerfitikate aufgebraucht wurden. Das ist ja gerade meine Kritik. In der Theorie super, nur in der Praxis wird die Politik einknicken und den speziellen Interessen der Verschmutzer nachgeben. Ein Zertifikat ist nur Papier, eine rauchender Schornstein sehr real.

      Du hast natürlich Recht, was schlecht gemachte Politik und ständige Modifikationen ohne Sinn und Verstand angeht. Aber ich habe schon 2013, bei Gründung dieses Blogs, den Einstand mit einer Serie von Artikeln mit der Forderung nach regelmäßigen Reviews und Kosten-Nutzen-Rechnungen gestellt. Das ist bisher nicht passiert, aber es ändert nichts dran, dass man das braucht.

      Wie gesagt, gerne Emissionshandel machen. Aber eben nicht ausschließlich.
      Und ehrlich machen darfst du dich da bei der Gelegenheit gerne auch gleich.

      • derwaechter 9. November 2021, 15:51

        „Aber es ist nach einer festdefinierten Menge nicht Schluss mit Abgasen“

        Doch. Genau das passiert doch beim Europäischen Emissionhandel.

        „Ein Zertifikat ist nur Papier“
        Ein Gesetz oder eine Subvention ist auch nur Papier und kann geändert werden. Das ist doch kein Argument.
        Dass die Gesamtmenge zu hoch angesetzt war, ist eine politische (fehl)Entscheidung. Die wäre aber bei anderen Mitteln nicht anders.

        Und natürlich würden im November nicht plötzlich die Fabriken ausgehen. Die Betreiber besorgen sich ja vorher Zertifikate und da die Obergrenze schon lange feststeht können sie das auch weit im Vorraus planen.

        • Stefan Sasse 9. November 2021, 16:55

          Dein Wort in Gottes Ohr.

        • Juri Nello 9. November 2021, 17:49

          Bullshit! Es steht schon seit über 2 Jahren fest, dass die Zertifikate einfach nachgedruckt werden. Einfach mal etwas recherchieren.

          „Denn wenn jeder Teilnehmer am Emissionshandel einen geringeren Preis zahlt als zur Emissionsminderung notwendig ist, dann kann die Lücke nur dadurch kompensiert werden, dass Zertifikate über das Cap hinaus „nachgedruckt“ und in den Markt gegeben werden. Damit würde dieses Emissionshandelssystem letztendlich wie eine CO2-Steuer wirken – das Mengenziel wäre Makulatur, der Höchstpreis würde den Marktpreis setzen.“

          Verbrenner verbieten: Lachhaft! Halb Osteuropa baut hier die Supermärkte, den Wohnraum, schabt das Fleisch auf Ihren Teller, Filipinos fahren die osteuropäischen Trucks der Logistiker quer durch Europa, damit Sie in Hintertupfingen auch morgen noch Sushi billig haben und die Pflege @home der oberen Mittelschicht wird auch von Osteuropa aus bestritten, genau, wie die Reinigung aller Etablissements.

          Da wird gar nichts passieren! Nada! Da werden ein paar lustige Fonds aufgelegt, viel Knete wechselt den Besitzer, noch mehr Arme werden hungern und die Regierung, die zum Stichtag im Amt ist wird alles auf die Vorgänger schieben und verlautbaren lassen, dass sie selbst das Bestmöglichste getan hat, aber das Ziel leider nicht erreichbar war.

          Und 2025 wird spätestens klar, dass leider noch ein paar Jahre länger am Kohleabbau festgehalten werden muss, da sonst eider zu wenig der „bedeutenden“ Leute verdienen.

          Passend dazu explodiert die Menge der Heuschrecken (P. E.), die sich nicht nur jede 2. IT-Klitsche einverleiben, sondern auch den kommunalen Wohnungsbau und natürlich das Bauland.

          Ob man im Himmel noch stolz drauf sein kann, wenn die eigene Nachzucht auf der Erde verbrennt?

          Genießen Sie den Klimawandel!

      • Stefan Pietsch 9. November 2021, 18:04

        Ehrlich gesagt, ich habe die Nase voll von Theoriegeschwubbel. Wir haben Erfahrungen, argumentiere doch zur Abwechslung mit der Empirie.

        Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, auf die Menge der gehandelten CO2-Zertifikate einzuwirken. Keine. Der ETS wird von Behörden verwaltet, auf die die nationalen Politiken keinen Einfluss haben. Die Vorsteherin wird alle 5 Jahre von den Regierungschefs bestimmt, kann aber dann nicht abgesetzt werden.

        Es gab und gibt Versuche des Betrugs und der Umgehung. Die gibt es in jedem System. Sie sind kein Argument dagegen. In der einen Form wurden gefälschte Zertifikate in Umlauf gebracht. Aber wir schaffen auch nicht das Geld ab, weil Noten gefälscht werden. Dann gab es den Fall von British Steel. Das Unternehmen wäre in starke finanzielle Schwierigkeiten geraten, hätte es Anfang 2020 die Zertifikate nachweisen müssen. Die britische Regierung nutzte den BREXIT, um dem traditionsreichen Unternehmen mit dem Tag des Austritts aus der EU unter die Arme zu greifen. Auch die rumänische Regierung hat 2020 einem großen Unternehmen unter die Arme gegriffen.

        Nur: die Menge an Zertifikaten wurde durch die vertragswidrigen Maßnahmen nicht erhöht. Es war Wettbewerbsverzehrung, aber berührt nicht die Funktionsweise des ETS.

        Sämtliche Argumente, die Du gegen Cap & Trade ins Feld führst, gelten für alle anderen Maßnahmen weit mehr. Da verwendest Du sie aber nicht. Es scheint Dich auch nicht zu interessieren, dass sowohl Subventionen als auch Regulierungen maximal erfolglos waren. Dann steigern wir halt unsere Bemühungen, so schreibst Du.

        Ich frage mich da immer: will man das Ziel erreichen oder einfach seine Ideologie pflegen? Bei den Umweltaktivisten wird es zumindest klar.

        Du sagst, wir müssten alle Anstrengungen unternehmen. So sagst Du:
        Letzten Endes müssen wir in meinen Augen so viel wie möglich machen.

        Nein. Wir haben alle nur ein Leben. Und unser Leben besteht nicht allein daraus, das Weltklima zu retten oder was wir dafür halten. Die Welt hat so viele unendliche Probleme und Deutschland ist ein kleines Rädchen. Nochmal: 1,7% der weltweiten Emissionen, 700 Millionen Tonnen, Tendenz fallend. Weltweit: Tendenz steigend. Wo ist das Problem? Finde es.

        Dieser Staat wird auch ohne zusätzliche Ausgaben in 20 Jahren so hoch verschuldet sein wie Italien heute. Wir sagen, Italien sei ein Problem. Offensichtlich haben wir in 20 Jahren auch ein Problem und das heißt nicht einfach Klima. Du willst die Welt retten, aber in der Wahl der Mittel bist Du wählerisch. Du behauptest, wir müssten alles tun. Nur das, was praktisch alle entwickelten Länder tun, ist für Dich nicht akzeptabel: die Atomkraft. Stell‘ Dir vor, jeder würde so ausschließend vorgehen. Wieso meinst Du, damit die Welt retten zu können?

  • Jens Happel 9. November 2021, 19:19

    Ich stimme weitestgehend. Zu was wir ganz dringend brauchen sind vernünftige Planungen.

    Die Planvorgaben der letzten Bundesregierung waren total unrealistisch. Lange Zeit wurde von Energiesparen geträumt und Effizienzgewinnen die völlig unrealistisch sind. Deswegen konnten ganz bequem die Ausbaupläne für Windräder und Solar nach unten geschraubt werden, so dass ein Abstand zu Siedlungen von 1.5km kein Problem darstellt.

    Bei diesen Planungen wurden auch die Energiespeicher klein gerechnet.

    Ich will hier nicht die Planwirtschaft einführen, aber klarere Zielvorgaben brauchen wir auf jeden Fall.

    Ich kenne keinen seriösen Plan, wie die Netze, Energieerzeugung und Speicher aussehen sollen und mit welchen Kosten man rechnen muss.

    Größere Bauvorhaben dauern in Deutschland schon in der Planungsphase ewig, die Genehemigung und Bauphase ist dann auch nicht wirklich schnell.

    So ein Konzept halte ich für wichtiger als die Finanzierungsfrage. Für ein Konzept wie immer es auch aussehen mag braucht man breite Zustimmung, da es von vielen Regierungen bis 2050 umgesetzt werden muss. Da hier alles nach dem St. Florians Prinzip geht, darf man diese Aufgabe nicht unterschätzen.

    Gruß Jens

  • Thorsten Haupts 9. November 2021, 20:29

    Ich kenne keinen seriösen Plan, wie die Netze, Energieerzeugung und Speicher aussehen sollen und mit welchen Kosten man rechnen muss.

    Den könnten Sie von Fachleuten – grob abgeschätzt und mit ausreichenden Reserven – innerhalb weniger Tage haben. Mit einem beliebigen Datum als Ziel. Überhaupt kein Problem.

    Was Sie nicht haben können, ist irgendein physikalisch realisierbarer Plan, wie man die CO2 Emissionen der Energiewirtschaft (alleine der) innerhalb der nächsten 20 Jahre auf 0 zurückfährt. Zumindest keinen, der ohne Kernkraft auskommt (und vermutlich auch keinen mit).

    Denn dieser Plan wird zum einen an physisch nicht schnell und beliebig vermehrbaren Resourcen scheitern – Planungskapazitäten, Projektmannschaften, Baukapazitäten. Und zum anderen an der ebenso nicht schnell auflösbaren föderalen Ordnung Deutschlands. DAS sind mit dem politischen Willen die determinierenden Bedingungen, alles andere ist im Vergleich dazu kinderleicht.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Erwin Gabriel 11. November 2021, 07:33

      @ Thorsten Haupts 9. November 2021, 20:29

      Den könnten Sie von Fachleuten – grob abgeschätzt und mit ausreichenden Reserven – innerhalb weniger Tage haben. Mit einem beliebigen Datum als Ziel. Überhaupt kein Problem.

      Ich denke zwar, dass dass schon ein, zwei Wochen dauern wird, aber ja – da blickt der Techniker auf die Uhr, und nicht in den 100-jährigen Kalender.

      Was Sie nicht haben können, ist irgendein physikalisch realisierbarer Plan, wie man die CO2 Emissionen der Energiewirtschaft (alleine der) innerhalb der nächsten 20 Jahre auf 0 zurückfährt. Zumindest keinen, der ohne Kernkraft auskommt (und vermutlich auch keinen mit).

      Zustimmung. Die Energiewende ist in weiten Bereichen eine Wende nach hinten, die sich nicht an technischen Fragen wie „Wie kommen wir am besten und schnellsten ans Ziel?“ orientiert, sondern an der Befindlichkeit der Wähler*innen der jeweiligen Protagonist*innen.

      Meine Erfahrungen aus der Bauindustrie sind, dass Dinge dann schiefgehen, wenn ein Politiker entweder mit aufs Foto will (Flughafen berlin-Brandenburg, Stuttgart 21, Hamburger Elbphilharmonie), oder wenn sich alle drücken (Atom-Endlager). Solange Politiker solche Entscheidungen treffen müssen und in erster Linie ihre Wiederwahl im Kopf haben, werden „schnell“ und „gut“ nie aufeinander gehen.

      Denn dieser Plan wird zum einen an physisch nicht schnell und beliebig vermehrbaren Resourcen scheitern – Planungskapazitäten, Projektmannschaften, Baukapazitäten. Und zum anderen an der ebenso nicht schnell auflösbaren föderalen Ordnung Deutschlands. DAS sind mit dem politischen Willen die determinierenden Bedingungen, alles andere ist im Vergleich dazu kinderleicht.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Stefan Sasse 11. November 2021, 08:09

        Meine Erfahrungen aus der Bauindustrie sind, dass Dinge dann schiefgehen, wenn ein Politiker entweder mit aufs Foto will (Flughafen berlin-Brandenburg, Stuttgart 21, Hamburger Elbphilharmonie), oder wenn sich alle drücken (Atom-Endlager).

        Wunderschöne Analogie!

      • CitizenK 11. November 2021, 08:24

        „…und in erster Linie ihre Wiederwahl im Kopf haben“

        Nach allen gängigen Demokratietheorien (Ausnahme: Schumpeter) ist es die Aufgabe der Volks-Vertreter, den Volkswillen in politische Entscheidungen umzusetzen. Der Vorwurf geht also an die Wähler?

        • Stefan Sasse 11. November 2021, 10:38

          Ja, ohne Wiederwahl kannst halt echt wenig machen.

          • Erwin Gabriel 11. November 2021, 23:22

            @ Stefan Sasse 11. November 2021, 10:38

            Ja, ohne Wiederwahl kannst halt echt wenig machen.

            Was ist besser für uns: Jemand, der es versucht, wird eventuell nicht wiedergewählt? Jemand, der das falsche tut, gewinnt jede Wahl und macht endlos weiter?

            • Stefan Sasse 12. November 2021, 07:10

              Kommt drauf an was die Person macht. Aber generell gilt einfach, dass du ohne Macht nichts erreichen kannst.

        • Erwin Gabriel 11. November 2021, 23:21

          @ CitizenK 11. November 2021, 08:24

          Nach allen gängigen Demokratietheorien (Ausnahme: Schumpeter) ist es die Aufgabe der Volks-Vertreter, den Volkswillen in politische Entscheidungen umzusetzen.

          Da geht es schon mal los – den gibt es nicht. Hypothetischer Fall: Wenn die eine Hälfte der Bevölkerung offene Grenzen und unbegrenzte Zuwanderung will, während die andere Hälfte danach strebt, alle Menschen mit Migrationshintergrund loswerden – wie sieht in solch einem Fall der Wille des Volkes aus?

          Oder nimm Corona: 80 Prozent für die Maskenpflicht, 20 Prozent dagegen. Reicht hier die einfache Mehrheit, um die Minderheit zu 100 Prozent zu dominieren?

          Demokratie ist (meiner Einschätzung nach) nicht denkbar ohne ein übergeordnetes Ziel wie Gesellschafts- oder Gemeinwohl.

          Der Vorwurf geht also an die Wähler?

          Natürlich müsste dem Wähler klar sein, dass er nicht im Schlaraffenland lebt, wo die Ausbildung beliebig lange dauern darf, wo man immer weniger und immer kürzer arbeiten will, und auf mehr bzw. mindestens stabile Renten hofft, wo man die Umwelt retten kann ohne Abstriche am Lebensstandard etc.

          Aber es liegt schon auch an der Führung, ob sie der Bevölkerung wahrheitsgemäß erzählt, welche Konsequenzen welche Entscheidungen haben, oder ob sie wie unsere Kanzlerin so tut, als ginge alles ohne Schmerzen, Einschnitte etc.

        • Thorsten Haupts 12. November 2021, 12:50

          Wohin bitte soll er in Demokratien sonst gehen? Wenn ich Demokratie habe, gibt es keine aristokratische 0,1% Schicht mehr, an die ich meine Vorwürfe addressieren kann. Lustigerweise tun´s die Leut wie die Medien aber trotzdem – was meine These stützt, dass der Feudalismus die „natürliche“ menschliche Ordnung am besten abbildet :-). Sie unterstützt nämlich die für Fortschritt wahrscheinlich wichtigste menschliche Eigenschaft, die Bequemlichkeit.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

  • Nicolai Hähnle 10. November 2021, 11:52

    Ich würde an manchen Stellen schon Böswilligkeit unterstellen. Ansonsten kannst du irgendwann alles damit entschuldigen, dass die Leute halt ihren Trieben folgen.

    Das ist m.E. unabhängig von der Frage, wie man mit diesem Verhalten umgeht und ob bzw. wie man es unterbinden kann.

    • Stefan Sasse 10. November 2021, 12:57

      Worauf beziehst du dich?

      • Nicolai Hähnle 11. November 2021, 09:38

        Auf die Stelle, wo du schreibst: „Niemand wird das aus Böswilligkeit tun.“ 🙂

        • Stefan Sasse 11. November 2021, 10:38

          Naja, niemand sagt „ich will das Klima zerstören, in dem ich lebe“. Jeder und jede ist der Überzeugung, gute Gründe zu haben.

          • Nicolai Hähnle 12. November 2021, 10:04

            Klar. Auch der Klischee-Bösewicht bei James Bond meint, gute Gründe zu haben. Trotzdem nennen wir ihn i.A. Bösewicht. Die Frage ist also eher, wo genau du die Grenze ziehst. Da kann man natürlich unterschiedlicher Ansicht sein.

        • Erwin Gabriel 11. November 2021, 23:27

          @ Nicolai Hähnle 11. November 2021, 09:38

          Ich würde an manchen Stellen schon Böswilligkeit unterstellen.

          Auf die Stelle, wo du schreibst: „Niemand wird das aus Böswilligkeit tun.“

          Ich ahne Deinen Punkt. Etwas „im Wissen um die schlechten Folgen billigend in Kauf zunehmen“ kann schon recht dicht bei „die bösen Folgen bewusst anstreben“ liegen.

          Ich bin da aber, denke ich, eher bei Stefan Sasse.

  • cimourdain 10. November 2021, 17:21

    Einen Schönheitsfehler hat eine Kitchen-sink Mischung aus verschiedenen Maßnahmen. Politisch durchsetzbar wird vielleicht die Hälfte der Maßnahmen sein. Und hier differenziert es sich nach der Reaktion der betroffenen sozialen Klassen, wie realisierbar die Maßnahmen sind (Warnhinweise: grobe Pauschalisierung, galliger Zynismus):
    – Unterschicht: kein Problem. Die sind so weit resigniert, dass sie sich nicht mal an der Wahlurne wehren.
    – Mittelschicht: Schwierig. Die ist sowieso schon gereizt, höhere Energiepreise können sie bis an den Rand des Aufstands (gilets jaunes) bringen. Maßvolle Salamitaktik
    – Oberschicht: Ist für einen überproportionalen Anteil der CO2-Emissionen verantwortlich, wird aber Möglichkeiten finden, Verteuerungen zu umgehen (z.B. durch steuerliche Gestaltung) und Subventionen zu nutzen, vor allem wenn es reichlich Raum für Schlupflöcher (s.u.) geben wird.
    – Wirtschaft und Industrie: Wird dafür sorgen, dass die Verbände auch weiterhin die Gesetze der Regierung ‚vorschreiben‘ können, damit diese sie dann der Legislative zum Abnicken vorlegt
    – Medien: Werden jeden, der auf die soziale Schieflage die aus den oberen Punkten resultiert, hinweist, als Klimawandelleugner geißeln.

    • Stefan Sasse 10. November 2021, 18:07

      Ich meine: klar, aber das trifft ja effektiv auf alles zu. Veränderung muss Widerstände überwinden.

    • Erwin Gabriel 11. November 2021, 07:46

      @ cimourdain 10. November 2021, 17:21

      (Warnhinweise: grobe Pauschalisierung, galliger Zynismus):

      🙂 ich schließe mich an

      – Mittelschicht: Schwierig. Die ist sowieso schon gereizt, höhere Energiepreise können sie bis an den Rand des Aufstands (gilets jaunes) bringen.

      Zum einen findet hier die größte Belastung statt. Die finanziell Schwachen erhalten Ausgleichszahlungen, Stützungsgelder etc. – die Mittelklasse eher nicht. Hier schlagen die Veränderungen direkt auf den Wohlstand (Auto, Urlaub, Energie) durch.

      – Oberschicht: Ist für einen überproportionalen Anteil der CO2-Emissionen verantwortlich, wird aber Möglichkeiten finden, Verteuerungen zu umgehen (z.B. durch steuerliche Gestaltung) und Subventionen zu nutzen, vor allem wenn es reichlich Raum für Schlupflöcher (s.u.) geben wird.

      Zweischneidiges Schwert; selbst wenn die Oberschicht pro Nase mehr CO2 raushaut als die Mittelschicht, gibt es von denen nicht so viele (China vs. Deutschland; unsere Fußabdrücke mögen größer sein, aber dort gibt es so viel mehr Füße).

      Desweiteren sind diese Leute die Treiber von Technik. Weiter unten fährt man Verbrenner Dacia, Ford, Opel, VW etc. Die in die Zukunft gerichtete Technik kommt von Tesla (oder nimm den neuen BMW iX mit ordentlicher Reichweite, ab 78.000 Euro aufwärts) und findet zuerst in teuren Produkten statt).

      Die zahlen auch relativ problemlos höhere Energiepreise, ohne dass sie ihren Standard nennenswert einschränken müssen.

      • Stefan Sasse 11. November 2021, 08:12

        Mittelschicht: nicht korrekt. Die meisten Leistungen der Umverteilung gehen ja an die Mittel-, nicht an die Unterschicht. Die Umverteilungsmaschinerie verteilt ja weitgehend innerhalb der Mittelschicht um und lässt Unter- und Oberschicht weitgehend unangetastet. Das ist ja eine häufige Kritik gerade aus eher liberalen und konservativen Kreisen, die durchaus ihre Richtigkeit hat.

        Oberschicht: Stimmt natürlich, aber „zweischneidig“ ist das Schwert nicht. Ob es viele sind oder nicht, sie blasen deutlich mehr CO2 raus. Aber du hast völlig Recht, dass sie auch Trendsetter sein können. Allein, der Tesla gleicht die Yacht nicht aus.

        • Erwin Gabriel 11. November 2021, 23:32

          @ Stefan Sasse 11. November 2021, 08:12

          Mittelschicht: nicht korrekt. Die meisten Leistungen der Umverteilung gehen ja an die Mittel-, nicht an die Unterschicht. Die Umverteilungsmaschinerie verteilt ja weitgehend innerhalb der Mittelschicht um und lässt Unter- und Oberschicht weitgehend unangetastet. Das ist ja eine häufige Kritik gerade aus eher liberalen und konservativen Kreisen, die durchaus ihre Richtigkeit hat.

          Grundsätzlich keine Einwände. Die Leute, die unter der Brücke schlafen, sind so oder so raus, ebenso Familien wie die Albrechts, die Pietschs, die Klattens etc.

          Bewege ich mich in der unteren Mittelfeld, kann es mich aus der Bahn werfen. Bin ich ganz oben, bin ich aus dem Schneider. Durch die anstehenden Veränderungen wird die Mittelschicht ausdünnen. Das war gemeint.

          • Stefan Pietsch 12. November 2021, 00:40

            Die Leute, die unter der Brücke schlafen, sind so oder so raus, ebenso Familien wie die Albrechts, die Pietschs, die Klattens etc.

            Wäre schön. 🙂

          • Stefan Sasse 12. November 2021, 07:10

            Ja, das ist möglich.

      • cimourdain 11. November 2021, 22:33

        Die Frage, ob ‚Masse oder Klasse‘ für mehr Emissionen verantwortlich zeichnet, hat Oxfam vor ein paar Wochen in einer Studie so klar wie deprimierend beantwortet:
        https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2021-11-05-klima-fussabdruck-superreichen-30-mal-hoeher-pariser-abkommen

        • Erwin Gabriel 11. November 2021, 23:34

          @ cimourdain 11. November 2021, 22:33

          Die Frage, ob ‚Masse oder Klasse‘ für mehr Emissionen verantwortlich zeichnet, hat Oxfam vor ein paar Wochen in einer Studie so klar wie deprimierend beantwortet: …

          Habe ich nicht bestritten, im Gegenteil. Es gibt halt nur so wenig von denen …

        • Stefan Pietsch 12. November 2021, 00:42

          Was ist Oxfam? Eine Lobbyorganisation.

          Ist die INSM auch in Ordnung?

          • Stefan Sasse 12. November 2021, 07:12

            Ich antworte dir mal was du sagen würdest, wenn du was von der INSM zitiert hast: kommt drauf an, ob’s richtig ist? ^^

            • Stefan Pietsch 12. November 2021, 10:32

              Ich bin nun seit 15 Jahren in dem Job des Kommentierens in Blogs. Eine Grundregel, die ich schnell gelernt habe, besagt:

              Zitiere – never ever – von Seiten, die nur unter dem Verdacht des Lobbyismus stehen.

              Der Shitstorm, den man dann erntet, ist gewaltig. Ich halte mich seit 15 Jahren an diese Regel, was nicht heißt, dass meine Kontrahenten den gleichen Edelmut aufbringen. Folglich haue ich ihnen um die Ohren, was mir blühen würde.

              Auch die INSM verfasst wissenschaftliche Studien. Und dennoch. Ich mag nicht von Linken verprügelt werden, aber ich bin durchaus bereit mit gleicher Münze zu zahlen. 🙂

              Oxfam tritt für eine gerechte Welt ohne Armut ein. Das ist ein politisches Ziel, kein wissenschaftliches. Sollte es so etwas irgendwann mal geben, wäre Oxfam überflüssig. Niemand will überflüssig sein. Deswegen ist es für solche Organisationen zwingend, dass die Welt und der von ihnen kritisierte Aspekt – hier Reichtum einiger – schlimmer wird und sich krass darstellt. Das werfe ich Oxfam nicht vor. Ich werfe es jedem vor, der nicht Oxfam ist.

  • Stefan Sasse 11. November 2021, 11:55

    Eventuell interessant, vor allem für Thorsten Haupts: ich hab meine Bekannten im political consulting angeschrieben, was ihre Position zu unserer Debatte ist. Eine Antwort:

    Being the poll driven monster I am, I would look at what works and what doesn’t work in terms of public opinion and go from there. This means:
    – carrots>sticks
    – Subsidies>tax
    – jobs>”green jobs”
    – no “green new deal” language
    – “nature”, “conservation”, “energy”, “preservation”, “clean air”, “clean water”>”climate”
    – “good/better environment”>”climate crisis”
    – de-partisanise
    – de-escalate
    – objective: make environment a consistent number 3 or number 4 issues in all countries for next fifty years in order to run a Cold War-style mass, sustained effort of action on bipartisan basis. Beware ‘crisis fatigue’ or positions that lead to Culture War
    – Learn from successful environmental messaging in Poland, Australia, Brazil and US (among others) where Pop John Paul II and Pope Francis/biblical quotation and messaging inspiration has been most effective tool at shifting public opinion in lower income, lower education groups + Right wing voters
    – Consider wider potential applications of religion and religiosity to the cause. Organised religion could be great ally in this (see Pope Francis’s encyclical on ‘Our Common Home’ for messaging textbook)
    Oh – and for God’s sake stop (publicly) bashing China and stop saying ‘it’s too late!’: that RUINS popular support for any action and breaks public will/desire to act

    Eine weitere:

    I think that there is not a clear solution toward solving our collective problem.

    Two things are clear: existing policies do not tax externalities (so the public bears the costs of cleaning up) and second, many governments subsidize polluters (even before considering externalities).

    Instead of a new tax, my current thinking is to stop government subsidies (including direct payments and tax expenditures) for highly polluting industries.

  • Thorsten Haupts 12. November 2021, 12:38

    Ich stelle meine (nicht druckfähigen) Urteile zu Beratern mal hinten an …

    Dann ist die erste Antwort eine Frage des Marketings und die zweite schlicht sachlich völlig unzureichend – das kann bestenfalls ein erster Schritt sein! Und bei der ersten habe ich ein echtes Problem mit carrots>sticks – nach meiner Lebens-, Politik- und Projekterfahrung ist eine klare Regel (=Gesetz) eine ausserordentlich effiziente Lösung.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

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