Breitbart cancelt Klimakrisemaßnahmen um Merkels SMV-Mitgliedschaft zu beenden – Vermischtes 23.09.2021

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) The Economic Mistake Democrats Are Finally Confronting

For now, though, it’s Democrats who are starting to take supply-side concerns seriously. But before we get to that, I want to widen the definition of “supply,” a dull word within which lurks thrilling possibilities. Supply-side progressivism shouldn’t just fix the problems of the present, it should hasten the advances of the future. […] Too often, though, progressives let their argument drop there. They need to take the obvious next step: We should combine price controls with new policies to encourage drug development. That could include everything from more funding of basic research to huge prizes for discovering drugs that treat particular conditions to more public funding for drug trials. […] In a blog post, Jared Bernstein, a member of President Biden’s Council of Economic Advisers, and Ernie Tedeschi, a senior policy economist for the council, framed the Biden agenda as “an antidote for inflationary pressure” because much of it expands the long-term supply of the economy. “The transportation, rail, public transit, and port investments will reduce efficiency-killing frictions that keep people and goods from getting to markets as quickly as they should,” they wrote. “The child and elder care investments will boost the labor supply of caretakers. The educational investments in pre-K and community college will eventually show up as higher productivity as a result of a better-educated work force.” (Ezra Klein, New York Times)

Am linken Rand ist gerade sehr viel Bewegung in der ökonomischen Debatte zu erkennen. Ob Stephanie Keltons MMT oder die hier propagierte Hinwendung zu „progressive supply side economics„, für mich wirkt das alles sehr wie der Aufstieg der Neoliberalen in den frühen 1970er Jahren. Noch ist der Konsens ein anderer, und er wird es auch noch eine Weile bleiben, aber die unzweifelhaft bestehenden ökonomischen Probleme verlangen nach einer neuen Antwort, und eine solche kommt, egal was man von ihr hält, nur aus einer Richtung. Eine solche Einseitigkeit in Problemlösungsstrategien gab es auch beim vorherigen Paradigmenwechsel in den 1930er/1940er Jahren.

2) Das überwachte Klassenzimmer

Ein Familienbild, das seinen Weg auch in den neuen nationalen Lehrplan gefunden hat. Dieser hat noch andere Lernziele. Ziele, über die László Miklósi nur den Kopf schütteln kann. In seinem Büro der Vereinigung der Geschichtslehrer hat er ein Exemplar des neuen Lehrplans auf dem Tisch liegen. Miklósi ist seit 25 Jahren Vorsitzender der Vereinigung der ungarischen Geschichtslehrer. Die Bestrebungen der konservativen Regierung, ihre Version der ungarischen Geschichte und der ungarischen Identität auch in den Schulen zum Maßstab zu machen, haben ihn und seine Stellvertreterin Ildikó Repárszky zu bekannten Akteuren im Land gemacht. Sie fühlen sich zunehmend bedrängt und sehen in den neuen Lehrplänen, Schulbüchern und Gesetzen den Versuch, ihnen eine Ideologie aufzuzwingen. […] Das war lange vorbereitet. Schon kurz nach ihrem Wahlsieg 2010 beginnt die rechtskonservative Fidesz-Regierung mit der Zentralisierung des Bildungssystems. Reformen sind tatsächlich dringend notwendig, die Lehrer sind unterbezahlt, Lehrpläne veraltet und überladen mit lexikalischem Wissen. Die Regierung nutzt die Reformen vor allem, um ihren Einfluss auszubauen. Dem neu gegründeten staatlichen Klebelsberg-Institut wird zunächst die Verwaltung der Schulen übertragen, erst Jahre später werden wieder kleinere Regional-Behörden geschaffen. Die Autonomie der Schulen wird drastisch eingeschränkt, der freie Markt für Lehrbücher abgeschafft. Jetzt verteilt die Regierung die Schulbücher. […] Eine neue Gruppe unter Führung des staatlichen Klebelsberg-Instituts veröffentlicht im Januar 2020 eine weitere Fassung des nationalen Lehrplans. Er ruft Empörung hervor. Imre Kertész, einziger ungarischer Nobelpreisträger für Literatur, kommt nicht vor. In seinem berühmten Roman eines Schicksallosen beschreibt er seine Gefangenschaft im Konzentrationslager Auschwitz. Statt Kertész werden Antisemiten wie Albert Wass und der Nationalsozialist József Nyírő in den Kanon gehoben. „Die literarischen Werke haben eine wertevermittelnde Funktion“, heißt es im Lehrplan. „Sie vermitteln normative Werte, die den Wertekanon der Mehrheit der Gesellschaft spiegeln.“ (Sugárka Sielaff, ZEIT)

Die ungarische „Bildungspolitik“ ist der feuchte Traum der AfD und Leuten wie Maaßen. Das ist genau das, was die auch für Deutschland wollen. Auch die Begeisterung der amerikanischen Rechten für Ungarn, die sich mit Lobhudeleien auf Orban geradezu überschlagen, kommt daher. In den amerikanischen Südstaaten ist diese Art von „Bildungspolitik“ ja traditionsreich; dort werden aktuell wieder massive Anstrengungen unternommen, um eine genehme Version der Geschichte vorzugeben und die Lehrkräfte zu ihrer Umsetzung zu zwingen. Beispiele für diese real existierende Cancel Culture gibt es leider zur Genüge.

Der österreichische Kanzler Kurz indessen fordert „mehr Fairness“ für Polen und Ungarn, was nach Lage der Dinge nur heißen kann, die Autokraten gewähren zu lassen. Kurz selbst unternimmt für Österreich ähnliche identitätspolitische Programme bereits seit seiner Zeit in Koalition mit der ÖVP und hat auch in der türkis-grünen Koalition nicht damit aufgehört. Mit liberalen Werten, wie sie die EU eigentlich verteidigen sollte, hat das alles wenig zu tun. Die Aussichten, dass etwas dagegen getan wird, sind, wie ich in Fundstück 5 weiter asuführe, eher gering.

3) Nolte: Howard Stern Proves Democrats Want Unvaccinated Trump Voters Dead

Because leftists like Stern and CNNLOL and Joe Biden and Nancy Pelosi and Anthony Fauci are deliberately looking to manipulate Trump supporters into not getting vaccinated. Nothing else makes sense to me. In a country where elections are decided on razor-thin margins, does it not benefit one side if their opponents simply drop dead? If I wanted to use reverse psychology to convince people not to get a life-saving vaccination, I would do exactly what Stern and the left are doing… I would bully and taunt and mock and ridicule you for not getting vaccinated, knowing the human response would be, Hey, fuck you, I’m never getting vaccinated! […] No one wants to cave to a piece of shit like that, or a scumbag like Fauci, or any of the scumbags at CNNLOL, so we don’t. And what’s the result? They’re all vaccinated, and we’re not! And when you look at the numbers, the only numbers that matter, which is who’s dying, it’s overwhelmingly the unvaccinated who are dying, and they have just manipulated millions of their political enemies into the unvaccinated camp. (John Nolte, Breitbart)

Ich liebe diesen Artikel. Selten sagen Leute so offen, wie unendlich bescheuert sie sind. An dieser Stelle nur noch zwei Anmerkungen: Noltes Twitter-Handle ist @makesfunofothers. Nur um seine Empörung darüber, dass ein willkürlich herausgegriffener C-Promi, den er mit „den Democrats“ gleichsetzt, über Impfgegner*innen spottet, ins Verhältnis zu setzen. Diese Art beknackten Aktivismus ist auf der amerikanischen Rechten auch kein Einzelfall. Der Frontrunner des Ohio-Wahlkampfs indes erklärt, dass es kaum Zufall sein kann, dass „Pandemic“ ein „dem“ im Namen hat. Da weiß man echt nicht mehr weiter.

4) Why Tax Reform Is So Hard

First, any policy change creates winners and losers. Politicians must worry if those policy losers become lost voters. Even if a policy provides net benefits, and even if the polling is favorable, voters who get the short end will have long memories. They may become loud opponents, driven by a single issue. And if you are a representative from a swing district, a small fraction of newly angered single-issue voters could mean losing office. […] Messing with the long-standing status quo can make people nervous. […] Democrats are reasonably and honorably taking a big gamble on the Build Back Better bill. Knowing that their impossibly thin congressional majority may soon disappear, they are crafting what is possibly the biggest single piece of legislation in history, hoping to solidify progressive reforms that Republicans will find hard to undo, even if they take congressional control. But since moderates are insisting that any such bill be “paid for,” enacting new revenue streams has become a legislative necessity. Figuring out which ones? That’s not so easy. (Bill Scher, Washington Monthly)

Die Obsession mit dem „to pay for“ irgendwelche Programme ist der Mühlstein am Hals der Democrats. Er war es während der zwei Amtszeiten Obamas und er ist jetzt in der Amtszeit Bidens. Die Republicans haben keine solchen Skrupel. Ob die Steuergeschenke Bushs oder Trumps, „paid for“ war da gar nichts. Aber sie waren extrem populär und zudem in ihrer Funktion – den Staat seines Handlungsspielraums berauben und massiv von unten nach oben verteilen – sehr effektiv. Solange die Democrats nicht endlich diese selbstauferlegten Fesseln ablegen, werden sie nie effektiv sein können.

5) The stain on Merkel’s legacy

Could Merkel have acted differently, drawing hard red lines for Hungary and Poland? No question. But can Europe expect a radically different, critical approach toward the EU’s wannabe autocrats from whoever succeeds her in Berlin? Not necessarily. Merkel’s strategic choices were not hers alone; they are deeply rooted in the fundamental traditions of German politics and diplomacy. […] Below the surface are two strategic drivers that have shaped Berlin’s approach to the growing autocratization in its Central European neighborhood. First, is the German elites’ traditional inability to define the country’s national interest in anything other than economic terms since the reunification. In this mindset, geo-economic considerations trump everything else, a trend that has also been well reflected in Germany’s approach to Russia and China. Second, German political and foreign policy culture is extremely consent and dialogue oriented. Speaking with, and not about, the Central European autocrats has been a mantra of German diplomacy for a decade now. However, this foreign policy tradition is practically powerless against counterparts who fake dialogue, like the Hungarian government, or are not ready to move even one step further than simply maintaining channels of communication, like Poland. (Daniel Hegedüs, Politico)

Ich bin unsicher, wie viel aktiven Einfluss irgendein deutsches Regierungsoberhaupt auf die innere Politik Ungarns oder Polens hat. Wie Hegedüs durchaus richtig feststellt ist Merkels Politik eine überparteiliche; Alternativen gibt es eigentlich nicht (sieht man einmal von der Haltung der AfD ab, die wie alle Rechtsextremisten eine engere Bindung an die Autokraten wünscht). Aber Hegedüs übersieht in meinen Augen in seiner Kritik an Merkels Nichtstun gegenüber den osteuropäischen Autokraten ihre  entscheidende Verantwortung in deren Aufstieg.

Denn die Bedingungen, die die Wahlsiege Orbans und in geringerem Ausmaß Kaczinskys möglich gemacht haben, sind eine direkte Folge ihrer ideologischen Politik in der weltweiten Finanzkrise, wie ich in meinem Artikel zur „verdrängten Dekade“ gezeigt habe. DAS ist der „stain on the legacy„, auch wenn Merkel und viele Anhänger*innen der CDU und FDP das vermutlich anders sehen dürften. Und auch hier ist nicht zu erwarten, dass ein hypothetischer rot-grüner Kanzler Steinmeier 2010/2011 grundsätzlich andere Entscheidungen getroffen hätte…

6) Abschaffung der Stabsstelle Umweltkriminalität: Landesregierung räumt Versäumnisse ein

Im Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zur umstrittenen Abschaffung der Stabsstelle Umweltkriminalität hat der zuständige Staatssekretär Heinrich Bottermann (CDU) nun eingeräumt, eine konkretere Prüfung der Umstände im Vorfeld sei wünschenswert gewesen. […] Die Auflösung der Einheit unmittelbar nach Regierungsübernahme im Sommer 2017 ist eine der umstrittensten Entscheidungen der schwarz-gelben Landesregierung. Erst nachträglich hatte das Land bei Wirtschaftsprüfern ein vertrauliches Gutachten in Auftrag gegeben. […] Jahrelang gab es im NRW-Umweltministerium eine Stabsstelle zur Bekämpfung von Umweltkriminalität. Die unterstützte zum Beispiel Ermittlungen im PCB-Skandal um das Dortmunder Entsorgungsunternehmen Envio und bekämpfte illegalen Tierhandel und Mülldeponien. Umso mehr war die Opposition im Landtag verwundert, als die Stabsstelle 2017 von der neuen, CDU-geführten Landesregierung aufgelöst wurde. Die Landesregierung und die damalige Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU) hatte stets argumentiert, die Stabsstelle sei in den Jahren vor 2017 ineffizient und von Personalquerelen im Ministerium gelähmt gewesen. Schulze Föcking begründete die Schließung der Stabsstelle am Montag erneut mit Personalmangel. Die Grünen-Fraktion zog eine kritische Bilanz der Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss. Der grüne Landtagsabgeordnete Norwich Rüße vermutet „eine planlose und rein politisch motivierte Auflösung der ehemaligen Stabsstelle.“ (WDR)

Ich habe gar keine großen Zweifel, dass die Behörde gelähmt und wenig funktionsfähig war. Nur, man muss schon extrem naiv sein um anzunehmen, dass Laschet und Lindner ihre Effizienz verbessern wollten. Offensichtlich ging es darum, die entsprechenden Kapazitäten ersatzlos abzubauen, denn einen Plan gab es jenseits der Auflösung ja gerade nicht. Für mich ist das ein ähnliches Beispiel wie bei der Ablehnung des Grünen-Antrags zur Rettung der Ortskräfte: nicht die Auflösung ist das Problem, sondern dass man danach nichts gemacht hat. Das zeigt, dass es kein Interesse seitens Laschets oder Lindners gibt, das Problem Umweltkriminalität anzugehen, ja, dass man den Straftäter*innen sogar helfend unter die Arme greift. Das ist nichts Neues. Man erinnere sich an das grüne Außenministerium in den 2000er Jahren in der Visa-Affäre oder an Roland Kochs Sabotage der Steuerprüfer in Hessen. Man lässt gerne mal Fünfe grade sein, wenn es den eigenen Interessen dient.

7) Die Demokratie der Zukunft

Dass sich Bürger an Budgetentscheidungen beteiligen dürfen, gibt es laut dem Guardian in 1500 Städten weltweit, von Brasilien bis Frankreich. Das funktioniert so gut, weil Bürger oft am besten wissen, was vor Ort gebraucht wird. Aber Boston ist die einzige Stadt auf der Welt, die vor fünf Jahren ein solches Programm allein für Jugendliche ab zwölf Jahren aufgestellt hat und diese seitdem über den Haushalt mitentscheiden lässt.  […] Was alle überrascht hat: Nur hin und wieder schlägt mal ein Jugendlicher vor, für das ganze Geld Pizza liefern zu lassen. Stattdessen haben sich die jungen Menschen bislang unter anderem für behindertengerechte Spielplätze eingesetzt, für eine Graffitiwand, kostenloses Wifi, neue Gehwege im Park, Jobberatung für Jugendliche, mehr Recycling-Container in der ganzen Stadt und vor allem für Maßnahmen gegen den Klimawandel. »In der letzten Runde hatten wir allein drei ernsthafte Vorschläge für Solarenergie«, sagt Georges. »Es ist absolut erstaunlich, wo Schüler Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren.« Sie hält das Programm für einen großen Erfolg: »Die Studierenden lernen, wie in einer Stadt Entscheidungen getroffen werden, was alles dazu gehört, und wie sie Gehör finden können. Die meisten wissen das nicht, zum Beispiel: So entsteht ein Park, oder so wird über die Vergabe von Schulmitteln entschieden.« Noch wichtiger aber sei, dass die Schülerinnen und Schüler merkten, dass sie in der Demokratie eine Stimme hätten – und wie sie sich einbringen könnten. (Michaela Haas, Süddeutsche Zeitung)

„Demokratie der Zukunft“ ist mir etwas hoch gegriffen, aber das Programm scheint mir sehr nachahmenswert zu sein. Wie jede Initiative, die demokratische Mitbestimmung in Bereichen verankert, in denen sie sonst nicht zu finden sind – ob die SMV an Schulen, die Astas an Unis, Betriebsräte in Unternehmen, etc. – braucht es davon mehr, denn eine demokratische Gesellschaft erfordert ständiges Einüben und Ausüben von Demokratie. Und die Entscheidung über Geld war schon immer das Königsrecht des Parlaments, deswegen macht der Fokus von Boston darauf, Jugendlichen Budgethoheit zu geben, absolut Sinn.

Mich überrascht auch nicht, dass nur vernünftige Vorschläge dabei herauskommen und nicht Blödsinn gemacht wird. Das ist gleichzeitig auch Indikator für das Problem dieser Maßnahmen und mein Zögern beim „Demokratie der Zukunft“. Denn natürlich nehmen nur sehr engagierte Leute an diesen Maßnahmen teil, und logischerweise kommen von denen auch keine Quatschvorschläge. Das ist im Bundestag im Großen und Ganzen ja ähnlich: auch dafür lassen sich nur engagierte Leute aufstellen, die tatsächlich verantwortlich Politik machen wollen (mit Ausnahmen, klar, aber die gibt es immer). Das ist kein Argument gegen die Maßnahme, nur ein Warnung, das nicht zu sehr zu verallgemeinern. Auch in Boston werden die meisten Jugendlichen weiterhin politisch desinteressiert sind. Panacea ist das nicht.

8) Klimaschutz können wir uns tatsächlich leisten

Man müsste also von den Kosten des Klimaschutzes a) den Nutzen desselben und b) die Einsparungen durch die Vermeidung von Klimaschäden abziehen. Das ist eine sehr komplizierte und teilweise auch spekulative Angelegenheit, weil Entwicklungen in der Zukunft vorweggenommen und in heutigen Geldeinheiten ausgedrückt werden müssen. Die meisten vorliegenden Untersuchungen aber zeigen: Es ist billiger, das Klima zu schützen, als es nicht zu schützen. […] Es wäre aber falsch, aus diesem Grund unter Inkaufnahme hoher gesamtwirtschaftlicher Kosten an der Kohle festzuhalten. Nötig sind vielmehr Umschulungsmaßnahmen, Ausgleichszahlungen, Teilhabemöglichkeiten. Die Lösung von Verteilungsproblemen ist Aufgabe der Verteilungspolitik, nicht der Klimapolitik. Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen, den Einsatz moderner Erntemaschinen zu verbieten, nur damit es in der Landwirtschaft wieder mehr Jobs gibt. Der Schutz des Klimas mag an technischen, politischen oder gesellschaftlichen Gründen scheitern – finanziell betrachtet ist er ein Selbstläufer. Es gibt einen schönen Satz des britischen Ökonomen John Maynard Keynes, der den Sachverhalt auf den Punkt bringt: „Anything we can actually do, we can afford“ – alles, was wir in der Lage sind zu tun, können wir uns auch leisten. (Mark Schieritz, ZEIT)

Schieritz scheint seinen Tooze gut studiert zu haben. Es ist gut, die entsprechende Argumentation auch auf Deutsch zu lesen, in der Hoffnung, dass sie sich durchsetzt. Schieritz formuliert hier wesentlich konziser und besser als ich im letzten Vermischten, warum keinen Klimaschutz zu betreiben sehr wahrscheinlich teurer ist als ihn zu machen. Es ist höchste Zeit, dass wir auf die Diskussion kommen, WIE wir Klimaschutz am besten betreiben, nicht OB. Zu oft wird das Argument, Klimaschutz gefährde Arbeitsplätze, in der Debatte immer noch ernstgenommen.

9) Merkel hinterlässt einen sicherheitspolitischen Torso

So die wohlwollende Betrachtung. Die Politikwissenschaftler Bastian Giegerich und Maximilian Terhalle, tätig am International Institute for Strategic Studies und am Londoner King‘s College, bilanzieren die Auslandseinsätze in einem aktuellen Beitrag der Zeitschrift „Sirius“ kritischer: „In der Regel einigte man sich darauf, das Mindeste zu tun, was nötig war (und ist), um die internationale Reputation zu wahren.“ Merkel habe es in ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft versäumt, ein sicherheitspolitisches Konzept auszuarbeiten, „das auf Basis einer nüchternen Analyse der Herausforderungen eine schlüssige strategische Vision erkennen lässt“. Die gebe es zu zentralen Fragen bis heute nicht, weder im aufziehenden Großmächtekonflikt zwischen den USA und China noch bezüglich Russland. Weiter hinterlasse Merkel eine Bundeswehr, die bei nahezu allen relevanten Indikatoren an Einsatzbereitschaft verloren habe: bei Waffensystemen, Personal, Beschaffungswesen und Verteidigungsausgaben. „Der Einschätzung von Experten zufolge hat die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, gemessen im Kontext der Kernaufgabe der Bündnisverteidigung, einen historischen Tiefststand erreicht“, schreiben Giegerich und Terhalle. Es habe die politische Bereitschaft gefehlt, die als notwendig erkannten Ausgaben auch zu tätigen. (Thorsten Jungholt, Welt)

Diese Kritik lässt sich kaum widerlegen. Außenpolitisch ist Deutschland in keiner sonderlich guten Verfassung, um es milde auszudrücken. Solche außenpolitischen Nachrufe auf Merkel gibt es gerade zuhauf; Yascha Mounk etwa schreibt im Atlantic „Why the world won’t miss Angela Merkel“. Frank Spring, mit dem ich bereits zwei Podcasts gemacht habe, schrieb mir in beißendem Sarkasmus: „I for one will miss being told about my country’s, and the international community’s, various responsibilities to humanitarianism and democratic conduct by someone more than capable of taking action on same but who simply elects not to for reasons that are not altogether clear.“ Eine ähnliche Stimmung dürfte es vielerorts geben.

Um das deutlich zu machen: das Problem ist nicht der normenbasierte Anspruch deutscher Außenpolitik. Das Problem ist das Fehlen einer Strategie einerseits, das Fehlen von Kapazitäten andererseits, und zum Dritten der absolute Unwillen, irgendetwas zu tun, um diese Normen durchzusetzen. Stattdessen bleibt immer das Schwingen des Zauberstabs von Verhandlungen. Das ist zu wenig.

10) Democrats May Be on the Verge of Climate Disaster

I’m starting to become concerned about President Joe Biden’s ability to pass a climate bill. They’re speaking sotto voce, but still: In the past few days, Democrats on the party’s left and right flanks have started to hint that, well, in some circumstances, given some contingencies, they might prefer no bill to a negotiated compromise with the rival flank. […] I feel for these groups, to be honest. They may be trying to even the stakes, which remain tilted in the centrists’ favor. As the Michigan State University political-science professor Matt Grossmann recently observed, Manchin and Sinema would prefer no deal to what progressives want, while progressives would prefer Manchin and Sinema’s version to no deal. But if this sort of brinkmanship renders legislation unpalatable, then lawmakers won’t swallow it. And the U.S. will go at least another decade without a climate law. Democrats are haunted by 2009. That year, President Obama came to office promising to reform America’s health-care system and finally get serious about reversing climate change. He managed to do the first. His failure to accomplish the second has spawned a decade of appraisals. (Robinson Meyer, The Atlantic)

Diese Aussicht ist allzu realistisch. Die Mehrheit der Democrats im Kongress ist hauchdünn, und mindestens zwei Senator*innen – Sinema und Manchin – liegen im Bett der fossilen Energie-Industrie. Gleichzeitig kommt starker Druck durch Aktivist*innen auf den linken Flügel der Partei, radikalere Versionen der geplanten Gesetze zu schreiben. Zwischen diesen Fliehkräften könnte die Partei leicht zerrieben werden, wie es bereits Obama (mit seiner wesentlich komfortableren Mehrheit) passiert ist. Und dann ist die nächsten sechs, acht Jahre kein Klimagesetz mehr möglich, weil die Rechtsradikalen alles blockieren werden.

11) Americans Have No Idea What the Supply Chain Really Is

If you get frustrated by your lack of choices at the grocery store or see a little warning about shipping delays at the top of a website and are told that “the supply chain” is at fault, it’s easy to imagine those problems as empty warehouses or idle factories or backed-up container ships or depleted fleets of semitrucks—problems concerning industrial machinery incongruous to the scale of human life and fundamentally disconnected from how you live yours. That’s why the results of these kinds of disruptions can feel so random. But this understanding of the problem is also a little too convenient for consumer-facing companies, which often go to great lengths to ensure that no one in the general public thinks too hard about what any of this means, or why it happens. They want shopping to be fun, to be a relief, to be something that feels as though it solves problems, instead of being a problem itself. Both at home and abroad, labor is the ghost in the machine. The supply chain is really just people, running sewing machines or loading pallets or picking tomatoes or driving trucks. Sometimes, it’s people in the workforce bubbles of foreign factories, eating and sleeping where they work, so companies can keep manufacturing sneakers through a Delta outbreak. The pandemic has tied the supply chain in knots because it represents an existential threat to the lives of the humans who toil in it. The fact that Americans now can safely go on vacation does not mean that people half a world away can safely make new bathing suits for them. The normalcy sought by consumers was created by all of this hidden work, and that normalcy has always been threatened by dangerous working conditions. No one can expect things to go smoothly until everyone is protected. (Amanda Mull, The Atlantic)

Das war eine der Lektionen aus Toozes neuem Buch „Shutdown“ (wird in der Bücherliste September besprochen werden). Der Shutdown und damit die Unterbrechung der Lieferketten war keine Folge staatlicher Politik, sondern eine Folge von Individualentscheidungen, die sich zu diesem Ergebnis aufsummierten – Entscheidungen der Arbeitnehmenden auf der einen Seite, nicht mehr zur Arbeit zu kommen, und Entscheidungen der Arbeitgebenden auf der anderen Seite, den jeweiligen Betrieb zu schließen. Das ist ein menschlicher Faktor der Lieferkette.

Der andere menschliche Faktor, der gerne vergessen wird, sind die miesen Bedingungen, die am unteren Ende der Lieferkette oftmals herrschen. Mit den neuen Lieferkettengesetzen rückt dieser Faktor glücklicherweise erstmals mehr ins Bewusstsein. Dazu kommt, dass viele Lieferketten auf der reibungslosen Kooperation von Staaten beruhen, deren Verhältnis zu uns bestenfalls fragwürdig ist. Da ist gerade viel Druck im System.

{ 51 comments… add one }
  • R.A. 23. September 2021, 11:02

    1.) Das ist so wirr, daß man es nur noch mühsam unter „ökonomische Diskussion“ einordnen kann.
    Zuerst wird über eine verantwortungslose Schuldenpolitik Inflation erzeugt und dann will man als Antidot Preiskontrollen. Ist zwar noch jedes Mal gescheitert, aber Lernresistenz ist halt Grundvoraussetzung um an so extrem linke Modelle glauben zu können.

    7.) Grundsätzlich interessant – aber den Kindern/Jugendlichen wird halt eine völlig falsche Vorstellung von Politik vermittelt. Da wird ihnen ein Sack Geld hingestellt und sie können dann darüber abstimmen, wer die Knete kriegen soll. Das macht natürlich Spaß.
    Aber das eigentliche Problem wird natürlich ausgeblendet: Erst einmal muß jemand diesen Sack Geld erwirtschaften und dann muß man ihm den wegnehmen. Da wird Politik dann schon viel schwieriger.

    8.) „warum keinen Klimaschutz zu betreiben sehr wahrscheinlich teurer ist als ihn zu machen.“
    Da sollte man in der Tat mal seriös nachrechnen.
    Ein Problem ist dabei, daß die meisten üblichen „Studien“ zu den Folgen des Klimawandels nicht sehr zuverlässig bis direkt Lobby-geleitet sind.
    Und das andere und wesentliche Problem ist, daß wir es gar nicht in der Hand haben, ob wir durch „Klimaschutz“ den Klimawandeln verhindern können.
    Einerseits sind die derzeit vorliegenden Konzepte nicht zu Ende gedacht und beruhen auf viele Wunschannahmen. Keiner weiß ob Deutschland bis zum Jahr X wirklich „klimaneutral“ schaffen kann.
    Und andererseits ist es mehr als fraglich, ob der Rest der Welt folgen wird. Er wird es auf jeden Fall nicht in dem Zeitrahmen tun, den die Klima-Lobbies als absolut notwendig bezeichnen.

    Am Ende droht uns deswegen ein Szenario, in dem wir exzessiv für „Klimaschutz“ bezahlt haben und trotzdem alle negativen Folgen des Klimawandels abbekommen.

    9.) Volle Zustimmung

    • Stefan Sasse 23. September 2021, 11:59

      7) Genau das ist falsch.

      8) Wir sind weit von irgendwas „exzessivem“ beim Klimaschutz weg.

      • CitizenK 23. September 2021, 18:07

        Weit weg, sicher. Trotzdem bin ich (sehr) skeptisch, ob viele Leute die Rechnung (Nichtstun ist teuerer) nachvollziehen werden, wenn Autofahren und Wohnen (Heizung) spürbar teurer wird.

        Und wenn China zwar keine KKWs im Ausland mehr finanzieren will, im Inland aber erst ab 2030 überhaupt Emissionen reduziert, dann haben die Skeptiker ein Argument.

        • Sebastian 24. September 2021, 09:44

          Mehr davon wäre wohl immer noch nicht ausreichend als Erklärung?

      • R.A. 25. September 2021, 12:10

        „Wir sind weit von irgendwas „exzessivem“ beim Klimaschutz weg.“
        Derzeit dürften die Klimaschutz-Kosten in Deutschland etwa in der Höhe des Verteidigungshaushalts liegen (aus politischen Gründen werden die nicht erfaßt …). Für fast keinen Effekt – das könnte man schon exzessiv nennen.

        Die Rede war aber nicht von den heutigen Ausgaben, sondern von denen, die nach Forderung der „Klimaschützer“ noch kommen sollen.
        Aus politischen Gründen werden die natürlich erst recht nicht berechnet – aber auch in den eher milden Varianten wird man an die heutigen Ausgaben noch locker eine Null dranhängen müssen. Da wären wir dann bei einem ganz erheblichen Anteil unserer jährlichen Wirtschaftsleistung – für kein anderes politisches Thema würde so viel Geld ausgegeben. Da paßt „exzessiv“ dann auf jeden Fall.

        • Stefan Sasse 25. September 2021, 13:41

          „Exzessiv“ ist halt pejorativ. Es schwingt immer ein „viel zu viel“ mit.

          • R.A. 26. September 2021, 10:27

            „Es schwingt immer ein „viel zu viel“ mit.“
            Das paßt ja hier auch.
            Ich beschreibe ja ein (leider sehr wahrscheinliches) Szenario, in dem wir jählich massiv Geld ausgeben (im dreistelligen Milliardenbereich) und trotzdem die volle „Klimakatastrophe“ abbekommen.

  • Thorsten Haupts 23. September 2021, 14:58

    Zu 2)

    … dort werden aktuell wieder massive Anstrengungen unternommen, um eine genehme Version der Geschichte vorzugeben …

    Hätte es dem Augenschein nach nicht gegeben, wenn die Progressiven nicht beschlossen hätten, einen Kulturkrieg gegen Weisse (sowie nichtweisse Juden und Asiaten) zu entfesseln und deren Kindern beizubringen, sie seien a) historisch seit Adam und Eva an allem schuld, was in der Welt „falsch“ lief und b) sie müssten sich dafür schämen, weiss zu sein bzw. dafür, dass ihre Eltern erfolgreich waren. Der Gegenschlag ist folgrichtig, weil dieser neue Rassismus eine Schande ist, selbst dort, wo er über das Ziel hinausschiesst. Und nur, damit das klar ist – der Versuch, eine antiweisse Vulgär-Version von CRT an amerikanischen Schulen zu verankern (in den amerikanischen Unis ist das längst abgeschlossen), begann weit VOR den berichteten Vorfällen oder der texanischen Gesetzgebung.

    Zu 3)
    ROFLMAO. Ich dachte eigentlich, ich hätte alles denkbare Bizarre auf der amerikanischen Rechten gesehen, als ich vor Jahren Milo Y folgte.

    Zu 5) und 9)
    Auch wenn ich Merkel für eine der schlechtesten deutschen Regierungschefs ever halte – in der Aussen- und Sicherheitspolitik folgt sie deutschen Nachkriegstraditionen über alle Parteien hinweg (Ausnahmen links- und rechtsaussen), die zudem breite Zustimmung in der Bevölkerung finden. Thoughts and Prayers ist alles, was wir tun wollen, das wird sich nicht ändern (oder nur nach einem wirklich gewaltigen Schock).

    Zu 10)
    Problem jeder Partei, deren Parlamentsmehrheit von einem wirklich radikalen Flügel abhängt. Schaun wir mal, ob die Dems damit besser klarkommen, als die Republikaner.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Marc 23. September 2021, 15:32

      Hätte es dem Augenschein nach nicht gegeben, wenn die Progressiven nicht beschlossen hätten, einen Kulturkrieg gegen Weisse (sowie nichtweisse Juden und Asiaten) zu entfesseln und deren Kindern beizubringen, sie seien a) historisch seit Adam und Eva an allem schuld, was in der Welt „falsch“ lief und b) sie müssten sich dafür schämen, weiss zu sein bzw. dafür, dass ihre Eltern erfolgreich waren.

      Na klar, wenn marginalisierte Menschen Rechte einfordern, ist das ein Krieg und die Privilegierten sind die armen Opfer. Aber warum müssen Opfer wie sie immer so erbärmlich jammern? Akzeptieren sie doch ehrenhaft ihre Niederlage. Opfer wie sie werden jeden Krieg verlieren, das war immer schon so.

      • derwaechter 23. September 2021, 16:18

        Autsch. Das ist wirklich eine dumme Antwort, auf eine schon nicht 100% schlauen Kommentar.

        „Hätte es dem Augenschein nach nicht gegeben, wenn die Progressiven nicht beschlossen hätten, einen Kulturkrieg gegen Weisse (sowie nichtweisse Juden und Asiaten) zu entfesseln “

        Das ist Blödsinn. Die von Stefan beschriebenen Versuche u.a. den Geschichtsunterricht zu beeinflussen „erodieren die Basis westlicher Gesellschaften“ (sie kennen das Zitat 🙂 ) . Diese als eine Arte Notwehr gegen die bösen Linken zu framen ist haltlos. Die machen das schon aus eigenem Antrieb, hier konkret dem Wunsch einer reinen, patriotischen Geschichtserzählung.

        „wenn marginalisierte Menschen Rechte einfordern“
        Hier liegt vielleicht ein ernsthaftes Missverständnis vor. Nicht alle Forderungen sind automatisch gut, nur weil sie aus dem (ehrlich gemeinten) Motiv entstehen etwas Gutes zu erreichen.
        Viele der Forderungen und Taten aus der woken Ecke sind wahrlich nicht mit liberalen, demokratischen oder wissenschaftlichen Standards vereinbar.

        Der Rest des Kommentares ist peinlich.

      • Thorsten Haupts 23. September 2021, 18:17

        Na klar, wenn marginalisierte Menschen Rechte einfordern, ist das ein Krieg und die Privilegierten sind die armen Opfer.

        ???? Was hat das mit meinem Beitrag zu tun? Führen Sie gerne Debatten um Dinge, die nie gesagt wurden?

        Gruss,
        Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 23. September 2021, 19:13

      2) Zweifellos gibt es ein paar Radikalinskis, die so was von sich geben, aber repräsentativ ist das sicher nicht.

      3) Der Laden ist ein endloser Quell von Bullshit.

      5)9) Korrekt.

      10) Wäre meine Vermutung.

      • Thorsten Haupts 23. September 2021, 21:51

        Zu 3)
        Ja, aber Milo war wenigstens noch aggressiv, egoman, gemein, hinterhältig, bösartig und witzig. Ich beklage das sinkende Niveau an Unterhaltung!

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 23. September 2021, 21:53

          Ich nicht. Ich kann mich nicht unterhalten fühlen, während narzisstische Arschlöcher Hass verbreiten.

          • Thorsten Haupts 23. September 2021, 22:57

            Ja, das hatte ich vermutet. Sie hatten es aber wahrscheinlich an westdeutschen Hochschulen auch nie persönlich mit den Basisgruppen zu tun :-). Milos wundervoll effektiven Stil von Bösartigkeit kannte ich bis dahin nur von links.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

        • bevanite 23. September 2021, 22:51

          Was ist aus dem eigentlich geworden? Ist der bei der Alt-Right noch eine Galionsfigur oder hat ihn der Pädo-Verdacht dort endgültig disqualifiziert?

          • Thorsten Haupts 23. September 2021, 22:53

            Yup. Hart raus und aus dem Spotlight. Danach – keine Ahnung.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 24. September 2021, 09:17

              Der wurde schlichtweg langweilig glaube ich.

              • Olaf Kröger 26. September 2021, 14:11

                Er ist inzwischen „Milo Yiannopoulos, reformed sodomite“. D. h. er ist nach eigenen Angaben nicht mehr schwul und macht Reklame für Konversionstherapie.

                • Stefan Sasse 26. September 2021, 20:07

                  Ich kann dir gar nicht sagen wie mir Milo am Arsch vorbeigeht 😀

  • Lemmy Caution 23. September 2021, 16:58

    zu 1) „progressive supply side economics“. Nettes Marketingkonstrukt, find ich. In der vielgeschmähten Endphase der Merkel-Kanzlerschaft wurde übrigens erfolgreich dahin gearbeitet, dass trotz schwarzer Null der Investitionsanteil der Öffentlichen Ausgaben stark zugenommen hat. Keine Zeit, um Zahlen zu finden, aber zumindest dieses Zitat aus einer DIW Studie.

    „Die Bundeshaushalte 2018-2020 weisen stetig steigende Investitionen auf Rekordniveau auf.“
    https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.808559.de/diwkompakt_2020-158.pdf

    Länder wie die USA und Deutschland haben die bei solchen öffentlichen Investitionen immer drohende Korruption vergleichsweise gut im Griff.

    • Stefan Sasse 23. September 2021, 19:15

      Die Schwarze Null ist Geschichte.

      • Stefan Pietsch 23. September 2021, 20:28

        … steht nur im Grundgesetz und kann nur mit 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat ausgehebelt werden. Weißt Du mehr als andere?

        Note: Mit Schwarzer Null ist die Schuldenbremse gemeint, was nicht ganz identisch ist. Die Feinheiten lasse ich jedoch an dieser Stelle.

        • Stefan Sasse 23. September 2021, 20:31

          Das ist nur eine Frage persönlicher Handlungsautonomie.

          • Stefan Pietsch 23. September 2021, 20:39

            Das ist eine Frage der Verfassung. Oder sollen sich zukünftige Regierungen nicht mehr an die Verfassung halten?

            • Stefan Sasse 23. September 2021, 21:52

              Je nachdem, ob sie sie für sinnvoll erachten, denke ich. Hängt von den persönlichen Autonomientscheidungen der Regierung ab.

              • Stefan Pietsch 23. September 2021, 21:53

                Verfassungsbrecher an die Macht! Halte ich auch mal für eine Forderung.

            • Thorsten Haupts 23. September 2021, 21:54

              Tut die jetzige genau betrachtet auch nicht. Die in „Sondervermögen“ versteckten Schulden sind astronomisch, werden nur im Bundeshaushalt nicht ausgewiesen.

              Und wenn eine neue Regierung an der Verfassungsregelung vorbei Schulden machen möchten, wird sie dafür einen legalen Weg finden. Es gibt keine wasserdichten rechtlichen Regeln im Finanzbereich, eine Folge des deutschen Rechtspositivismus.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

      • Lemmy Caution 24. September 2021, 10:46

        Ich stimm ja zu, dass die neoliberalen „Gewissheiten“ in vielen Punkten sturmreif sind. Das bedeutet aber nicht, dass Staaten nun unbegrenzt Geld aus dem Hut zaubern könnten.
        Meine Wahrheit liegt da irgendwie in der Mitte, d.h. v.a. dass bei der Einnahme-Seite des Staates durch stärkere Besteuerungen von Erbschaften, Kapitalerträgen, sehr hohen Einkommen, Amazon & friends halt noch eine Menge geht. Bezüglich der Notenpresse bin ich sehr pessimistisch. Ein stärkeres Gewicht des Staates bei den Investitionen erscheint mir plausibel und einen Versuch wert, zumindest in Nordamerika und Westeuropa.

        • Stefan Sasse 24. September 2021, 13:52

          Es behauptet auch niemand, dass Staaten unbegrenzt Geld aus dem Hut zaubern können….

          • Thorsten Haupts 24. September 2021, 15:33

            Doch, klar. Da gibt´s so ne neue irre „Ökonomen“-Richtung :-).

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 24. September 2021, 15:42

              Ich hab dir schon mal gesagt, dass es wenig Sinn macht, ein Zerrbild zu diskutieren. Auseinandersetzen musst du dich mit dem Argument schon.

              • Thorsten Haupts 24. September 2021, 15:58

                Das Zerrbild wäre zu belegen. Zeugen für meine Interpretation sind eine ganze Reihe renommierter Ökonomen …

                Gruss,
                Thorsten Haupts

          • Dennis 24. September 2021, 18:44

            @ Stefan Sasse.

            Doch, doch, das behaupten die MMTler durchaus; gleichzeitig allerdings – was gerne überhört wird – dass es völlig verrückt ist, von dieser Fähigkeit besinnungslos, also ohne Rücksicht auf die Verdauungsfähigkeiten der Realwirtschaft, Gebrauch zu machen. Welche Restriktion gibt es, die Bilanzen der geldemittierenden Adressen beliebig zu verlängern? Keine. Inwieweit das ’ne gute Idee ist, ist eine ganz andere Frage.

            • Stefan Sasse 24. September 2021, 19:24

              Ich bin hauptsächlich von Stephanie Kelton beeinflusst bei dem Thema und sie sagt klar und dezidiert, dass das nicht der Fall ist.

              • Dennis 24. September 2021, 21:11

                Ich hab das Buch auch gelesen, aber anders^^.

                Jetzt bleibt nur noch eine Zitatenschlacht 🙁 ,aber jede(r) Interessierte kann das Ding ja für lumpige zwo neunundneunzig (kindle/e-book) nachlesen.

                • Stefan Sasse 25. September 2021, 11:17

                  Ist das nächste auf meiner To-Do-Liste, sobald ich Haardts Mammutwerk durch habe…

          • R.A. 25. September 2021, 12:13

            „Es behauptet auch niemand, dass Staaten unbegrenzt Geld aus dem Hut zaubern können….“
            Explizit nicht. Aber de facto ist das die Vorstellung. Weil bei jedem Einzelthema die Schuldenfinanzierung als problemlos angesehen wird und es keine Idee für eine Obergrenze der Verschuldung gibt.

            Das ist wie bei der Einwanderung: Explizit fordern die meisten Linken nicht, daß beliebig viele Leute frei nach Deutschland einwandern sollen. Aber de facto wird bei jedem Einzelfall die Einwanderung befürwortet, ohne Begrenzung oder gar Abschiebung.

            • Stefan Sasse 25. September 2021, 13:42

              Siehst du, das ist das, was ich jüngst mit dem fehlenden Vertrauen meinte. Denn explizit fordert natürlich auch die FDP nicht Umverteilung von unten nach oben, aber in jedem Einzelfall passiert dann genau das.

  • Johnson 23. September 2021, 21:58

    @3: Another attempt at the famous Jedi mind trick by Padawan Stefi Fan Sassobi (remember, it only works on the weak minded though): Pull an outlandish article written by an obvious total nutjob that reflects maybe 0.01% of the public/published opinion from a less than reputable publication, and parade it around crowing: “See, I told you ALL those guys from the other side of the political spectrum are completely off the deep end!”. He already did that a while ago with another similarly absurd article by some religious extremist hack regarding the undocumented graves of aboriginal children (not mass graves; there is a difference) discovered in Canada. We all can go dumpster diving in the outer reaches of the political spectrum to find crazy, appalling or plainly disgusting stuff to prove the point the other side is demented – how about we limit this though to the more commonly accepted mainstream stuff instead of pulling cheap sleights of hand?

    • Stefan Sasse 24. September 2021, 09:15

      I do not claim that ALL of them are that nutty. It’s just incredible that ANYONE makes this argument.

      • Johnson 25. September 2021, 23:22

        Sure, sure [wink]. Which is why you a) dug out this obscure post from Breitbart of all publications, and b) called it „not an isolated case“. This J. Nolte is an average nobody ranting in a publication that no one would consider unbiased, not even the people that actually read it regularly. But it’s still useful for you to advance the notion that the other side consists of lunatics…and maybe also to bask in the warm glow of knowing (and of course stating publicly) „I am so much better than them“.

  • Lemmy Caution 24. September 2021, 10:58

    3) Eigentlich motiviert er ja die Trumpisten, sich impfen zu lassen.
    Wenn unsere Querdenker nun den Verdacht bekommen, dass sie von den „Mainstream Medien“ nur in die Impfverweigerung gedrängt wurden und sich aus Protest gegen diesen perfiden Euthanisie-Plan nun massenhaft impfen lassen, wäre mir das sehr recht.

    • Stefan Sasse 24. September 2021, 13:53

      Man kann nur noch die Arme in die Luft werfen und verwirrt gucken.

  • bevanite 24. September 2021, 18:35

    zu 2)
    Ich verfolge die Politik in Ungarn nun schon seit 20 Jahren und bin trotzdem immer wieder erneut verwundert, wie es ausgerechnet dort soweit kommen konnte. In den Neunzigern hatte Ungarn im Gegensatz zu anderen postkommunistischen Staaten keine sonderlich starke rechtsextreme Partei (wie etwa Tschechien oder Rumänien), keine neo-autoritären Tendenzen (wie Serbien, Kroatien, Ukraine oder die Slowakei) und kein wirtschaftliches Schocktherapie-Chaos (wie Polen oder Russland). Es gab gelegentliche Spannungen mit den Nachbarländern bezüglich Minderheitenpolitik, es gab auch Homophobie und Rassismus (vor allem gegenüber Roma), aber im Großen und Ganzen war das Land auf einem soliden Weg und galt unter den 2004er-EU-Beitrittskandidaten als Musterstaat. Zu der Zeit gab es auch die Vision von Budapest als Tor zwischen West- und Osteuropa. Heute hat Orbán sein Land stattdessen zu einem Außenposten Putins (sowohl innen- als auch außenpolitisch) innerhalb der EU verwandelt. Ist es das Resultat einer politischen Polarisierung, die in Ungarn wesentlich extremer war als in anderen Ländern und die quer durch die Familien ging?

    Es gibt einen sehr ambitionierten Plan aller Oppositionsparteien, sich bei den Wahlen im nächsten Jahr gegen Fidesz zu vereinen (ungefähr so wie die gegenwärtige Koalitionsregierung in Israel), aber da Jobbik in Bezug auf das „Pädophilie-Gesetz“ stramm auf der Linie von Fidesz ist, bleibt abzuwarten, ob das wirklich realistisch ist. Ich sehe Ungarn jedenfalls auf einem gefährlicheren Pfad als Polen (wo es immer schon eine starke Protestkultur gab und wo man aus historischen Gründen nicht unbedingt Russland als role model sieht).

    • Stefan Sasse 24. September 2021, 19:24

      Stimme dir zu. Um die Frage zu beantworten zu versuchen: ein wichtiger Punkt war die Finanzkrise. Sie erlaubte es Fidesz, mit dem Thema der Rettung der Renten zu gewinnen, ohne den Kulturkampf zu führen. Das kam später.

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