Deswegen haben wir Alexander Clarkson, einen Dozenten der German and European Studies am King’s College in London, eingeladen, mit uns über die EU, Grenzregime und Sicherheitspolitik zu sprechen.
Wir debattieren die Verlagerung von Kompetenzen an die EU, warum Frontex so paramilitärisch aufgestellt ist, welche europäischen Staaten eigentlich den größten Einfluss ausüben, Russland, die Ukraine und EU-Battlegroups und schlagen am Ende den ganz großen Bogen bis nach China und Taiwan.
Shownotes:
- Alex‘ Homepage
- Alex‘ Twitter
- Alex‘ Artikel im New Statesman
- Alex‘ Gastauftritt bei World Review
- Sunday Times Artikel
- Tobias Schneider bei GPPi
Interessante Diskussion. Die Abwesenheit aussenpolitischer Fragestellungen in den Diskussionen ist in der Tat erstaunlich. Bei der Flüchtlingsthematik wundert es mich nicht im geringsten. Die Medien bekamen für die Dominanz des Themas (das damals am abklingen war) harsche Kritik. In der CDU wissen Laschet und Söder, dass sie dieses Thema besser nicht zu stark pushen, weil die Wähler ohnehin das Antiflüchtlingsoriginal AfD wählen. Es ist gut, dass im letzten Triell der Schwerpunkt auf Klima und sozialen Fragen und nicht Flüchtlinge war.
Ich bin mir aber nicht sicher, wie man die sicherheits- und europapolitischen Themen sinnvoll bearbeiten kann. Sollen Kanzlerkandidaten im Ernst die nukleare Bewaffnungsfrage diskutieren (da bestehen tatsächliche Unterschiede). So nach dem Motto: Laschet: Wir müssen amerikanische Bomber kaufen um weiterhin nukleare Waffen transportieren zu können. Journalist: gegen wen? Scholz: aber nur als Zweitschlag und und nur wenn wir gleichzeitig Abrüstungsverhandlungen führen. Journalist: warum Geld ausgeben, wenn sie die Dinger wieder verschrotten wollen? Laschet: Nein, wir dürfen den Erstschlag, auch wenn wir ih nie führen wollen, nicht offen ausschliessen. Darauf beruht unsere Abschreckung. Also ich weiss nicht.
Man kann natürlich Fragen über Europa stellen, aber realistischer Weise wird das eine langweilige Viertelstunde, weill alle drei Kandidaten, insbesondere Laschet, das blaue vom Himmel herunter schwadronieren, was sie alles in europäischer Abstimmung machen wollen. Inhaltlich ist da kein Erkenntnisgewinn zu erwarten, was auch an der parteiübergreifenden europapolitischen Strategielosigkeit aller Parteien liegt.
Das nächste Problem: die Frage nach nuklearer Teilhabe ist weitgehend Symbolpolitik.
Bei der EU haben wir es ja im Podcast selbst gesagt: da wird sehr viel schwadroniert, aber wenig gemacht, weswegen das ja auch andere, aktivere Akteure übernehmen.
Wow, was fur ein Podcast. Unglaublich toll. Wie ofenfrischer Butterkuchen. Muss immer wieder uber alle die Informationen nachdenken, die Ihr besprochen habt. Soviel dazugelernt – Frontex background/ Verantwortungsverschiebung der Capitals nach Brussel/ DTL, Merkel Aussenpolitik background/ DTL Wahlen jetzt/ UKR, RU und DTL Ostpolitk/ ITA, FRA Beziehung, EU Einfluss und Entscheidungsfahigkeit v DTL/ AUKUS. Empfehle ich Jedem. Vielen Dank!
Danke, so ging es mir auch. Selten so viel beim Podcasten gelernt!
Spannend. Sagenhaft, diese Fülle, der Blick hinter die Kulissen. Danke.
Ich greife mal einen Punkt heraus: EU. Habe ich das richtig verstanden: Ihr haltet den Weg zu „ever closer union“ für unumkehrbar? Das würde einen Politik-(Regierungs-) wechsel in Ungarn (nicht in Sicht) und in Polen (sehr unwahrscheinlich) bedeuten. Wenn nicht, driften die ab – wohin wohl? Hat jemand dafür einen Plan?
„Unumkehrbar“ ist nichts, aber unumkehrbar ohne einen Bruch der Union. Ich halte es nicht für realistisch, dass die Union hinter ihren aktuellen Integrationsstand zurückfällt, und wir sehen über die letzten Jahre, Orban hin oder her, ja weitere Integration. Keine planmäßige, keine sonderlich organisierte, aber das ist ja gerade unser Punkt: Die politische Schwerkraft zieht ständig auf weitere Integration. Es erfordert aktiven Widerstand der nationalen Regierungen, diese abzuwehren, und da der natürliche Zustand jedes politischen Systems die Stasis ist, ist recht absehbar, in welche Richtung die Reise geht.
Sehr großartig, vielen Dank! Generell auch wirklich toll, mal Leute aus GB dazuhaben (oder sonstwo), auch im Sinne einer „gesamteuropäischen Öffentlichkeit“. Und gerade bei den Themen natürlich, da gehts mir ähnlich wie Stefan, eigentlich bin ich immer nicht unglücklich, wenn das hier eine kleinere Rolle spielt, weil das meist auf so einem unterirdischen Niveau geführt wird.
Es ist ja auch so eine Paradoxie, dass man in Deutschland eigentlich mit nichts zu tun haben will, aber wenn, dann muss es bitte nach dem eigenen Kopf gehen. Das wurde ja an einigen Punkten angesprochen und ich sehe es auch so, irgendwann kommt es dann zu Akutkrisen und dann ist man wieder ganz entsetzt, dass man weder Plan noch Einflussmöglichkeiten hat (und was dann zwangsläufig dazu führt, dass man alles doof findet und einen Aufstieg für Extremlösungen wie „Dexit“ bedeutet)
Und ich glaube, das ist vielleicht auch der Vorteil der Grünen, die so quasi als einzige Partei nicht so einen Wust an Historie (gerade was Ost-West angeht) herumschleppen, dem sie quasi aus Nostalgie Rechnung tragen müssen. Die konnten da durchaus unbefleckter anfangen, während gerade die linken Parteien (und die AfD) ihren Ballast nie loswerden. Für CDU und FDP gilt das teils auch, aber da gabs nie so extreme Brüche.
Jein. Ich meine, die Grünen haben den ganzen 80er-Jahre Protestballast dabeigehabt, die haben den nur weitgehend abgeworfen. Weit mehr als die SPD, komischerweise, obwohl er bei den Grünen Gründungsbestandteil war. Keine Ahnung, warum das so ist…
Wow, sehr interessante Ansicht. Insbesondere die Innenansicht zur Ukraine fand ich interessant, das hatte ich auch nicht aufm Schirm.
Außerdem finde ich es allgemein nicht gerade beruhigend, dass da viel an sehr wenigen, sehr mächtigen Individuen hängt wie Putin und Selenskyi oder eben Xi Jinping und Biden.
Lustigerweise hätte ich auf die gleiche Ministeriumsverteilung getippt (plus noch ein Bildungsministerium für die FDP, das um Innovation und Digitalisierung aufgebohrt wird). Ich sehe es auch so, dass dies Deutschland sowohl auf EU- als auch außenpolitisch allgemein sehr bewegungsunfähig machen würde. Interessanterweise könnte das ja (auch weil Frankreich wohl durch die Wahl nächstes Jahr eher innenpolitisch orientiert sein wird), Italien zum wichtigsten Akteur innerhalb der EU für die nächste Zeit machen.
Gibt es eigentlich auf EU-Ebene einflussreiche außenpolitische Think-Tanks?
Was genau meint Alexander mit der Institutionalisierung der deutschen Außenpolitik? So eine Art außenpolitischen Sicherheitsrat? Oder eher verstärkte Einbindung von ThinkTanks zum Aufbau von außenpolitischen Strategien?
Und wie kann man eigentlich die Krimkrise auflösen? Wenn ich das richtig verstanden habe, dann bleibt da jetzt nur abzuwarten, bis ein Russland nach Putin schwach genug ist, dass es auf Druck die abtrünnigen Gebiete freigibt.
Bildungsministerium unter FDP kann ich mir gut vorstellen, aber das könnten auch die Grünen haben wollen. Fände beides völlig okay. Mal gespannt, wo da die Prioritäten in der Koalitionsbildung liegen.
Council on Foreign Relations würde mir spontan einfallen.
Die Institutionalisierung betrifft z.B. den Nationalen Sicherheitsrat, ja. Den sehe ich aber allenfalls mit Laschet kommen, und selbst da unsicher. Soweit ich das im Überblick habe, haben die anderen Parteien kein Interesse daran.
Die Krimkrise wird so gelöst wie bisher auch. De facto Anerkennung des neuen Status Quo, aber keine offizielle Anerkennung. Und sonst macht man da nichts. Russland wird diese Gebiete nicht freigeben.