Der Weg zum effizienten Klimaschutz

2020 einigten sich Bund und Länder auf den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland. Bis zum Jahr 2038 soll Kohle in Deutschland nicht mehr als Primärenergieträger verwendet werden, alle Kohlemeiler sind daher abzuschalten. Obwohl der Kompromiss auch mit den Stimmen der von den Grünen mitregierten Länder getragen wurde und auch die Umweltverbände bei der Entscheidung involviert waren, wird die Vereinbarung im Wahlkampf wieder zur Disposition gestellt. Zufrieden sind Klimaschützer halt nie. Im Gegenzug fordert die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, aktuell arg ins Hintertreffen geraten, Solarpanel auf jeden Neubau und den massiven Ausbau von Windkraftanlagen, notfalls vor jeder Haustüre. Was man halt so für Phantasien hegt. Die Grünen sind halt Experten darin, wie der Staat möglichst viel Geld ausgibt und wenig Klimaschutz dafür bekommt. Ihre erste Regierungsbeteiligung vor über 20 Jahren war diesbezüglich der klassische Rohrkrepierer und belastet das Portemonnaie jeden Bürgers mit weit mehr als der versprochenen Kugel Eis.

Lesezeit: 6 Minuten

Es gehört quasi zur deutschen Staatsraison. Was wirken soll, muss auch teuer sein. Taucht irgendwo ein Problem auf, gilt es nur möglichst viele Milliarden Euro Steuergeld gepaart mit Kreditaufnahme bereit zu stellen und das Problem ist gelöst. Tatenlos ist bei diesem Politikansatz, wer sich den Ausgabebeschlüssen verweigert, tatkräftig, wer es in sein Programm schreibt. Und immer mehr Bürger wundern sich, warum der Staat mit seinem Service mit hoher Drehzahl im Leerlauf dahinrennt. Es mag eigentlich ungerecht erscheinen, warum in dieser Artikelserie immer die grüne Partei angeklagt wird, aber sie hat es sich im Räderwerk der deutschen Politik gemütlich gemacht. Niemand versteht dabei die Mechanik des politischen Leerlaufs so gut wie die selbsternannte Klimaschutzpartei. Leider versteht sie von den Marktmechanismen um so weniger.

Maximal teuer, maximal ineffizient, total intransparent: die bisherige Energiepolitik

Die Weiche, warum Deutschlands Klimaschutzpolitik 20 Jahre besonders erfolglos blieb – zumindest gemessen an den eigenen Ansprüchen – trägt den Namen Jürgen Trittin. Mit dem Eiskugel-Versprechen wies der damalige grüne Umweltminister die Kritik von Ökonomen und der konservativ-liberalen Opposition zurück, die von ihm konzipierte Energiewende verursache unkalkulierbar hohe Kosten. Die Idee, eine mit Subventionen, Zuschüssen und Preisgarantien gezüchtete Industrie könne preisgünstige Produkte und Dienstleistungen anbieten, ist für Ökonomen tatsächlich abenteuerlich. Ein Bereich, der von sich aus nicht kostentragend wirtschaften kann, wird durch Unterstützungszahlungen nicht leistungsfähiger, sondern träge.

Doch das Konzept prägt bis heute die deutsche Energiepolitik. Die Kosten der Energiewende bleiben dabei intransparent, Buchführung über Verauslagungen und Belastungen werden im Bundesumweltministerium nicht geführt. Eine Politik, die Unternehmen und Bürgern immer neue Transparenzregeln und Berichtspflichten aufbürdet, zeigt sich unwillig, regelmäßig über die Kosten eines der umfangreichsten Projekte dieser Zeit zu informieren. 2018 brachte der Bundesrechnungshof etwas Licht ins Dunkel des Subventionsdschungels und fällte dabei ein vernichtendes Urteil über die Energiepolitik.

Trotz des erheblichen Einsatzes von Personal und Finanzmitteln erreicht Deutschland die Ziele bei der Umsetzung der Energiewende bisher überwiegend nicht.

Dann führten die Bundesprüfer weiter aus:

Das BMWi steuert die Energiewende auch mit diversen Förderprogrammen. Es führte Förderprogramme fort, obwohl sie kaum nachgefragt waren.

Es gibt derzeit 26 Gesetze und 33 Verordnungen, die mit teils hohem Detaillierungsgrad Erzeugung, Speicherung, Übertragung, Verteilung und Ver brauch von Energie regeln. Die mit Blick auf die Umsetzung der Energiewende notwendigen Änderungen dieser Normen sind zeitaufwendig. Dies erschwert eine flexible Anpassung von Steuerungsmaßnahmen an die dynamische Entwicklung, die die Energiewende mit sich bringt.

Daher befürwortet der Bundesrechnungshof einen weitgehenden Verzicht auf kleinteilige Regelungen in Gesetzen und Verordnungen. Stattdessen sollte für die Energiewende ein Rechtsrahmen gesetzt werden. Ergänzend käme als nicht „planwirtschaftliches“ Instrument eine allgemeine CO2-Bepreisung in Betracht. Weil die Produktion von erneuerbarer Energie dadurch attraktiver wäre, könnte das BMWi seine Förderung nutzen, um ergänzende Anreize gezielt zu setzen.

Im weiteren kalkulierte der Bundesrechnungshof die laufenden Kosten der Energiewende mit 35 Milliarden Euro pro Jahr. Den mit 24 Milliarden Euro größten Posten bildet dabei die EEG-Umlage, die die Stromverbraucher zahlen und die an die Erzeuger von Windkraft, Solar und Biomasse fließt. Umgelegt auf die 46 Millionen Stromkunden in Deutschland sind das Trittins berühmte Eiskugeln, die allerdings jährlich über 520 Euro ausmachen. Nur ist das eben nicht die ganze Rechnung, was auch der BRH zuerkennt.

Strompreisentlastungen wie Systemkosten sind in der Rechnung nicht enthalten. So kommen Umweltökonomen und die Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM) in Studien zu Gesamtkosten der Energiewende von knapp 400 Milliarden Euro. Danach bemisst sich der Gesamtumfang der EEG-Umlage der vergangenen 20 Jahre auf 264 Milliarden Euro, wozu sich weiter Systemkosten inklusive Subventionen von rund 100 Milliarden Euro addieren. Dafür tragen die Erneuerbaren Energieträger knapp 15% zum deutschen Primärenergieverbrauch bei.

Nach den Berechnungen der INSM ist bis zum Jahr 2025 mit Gesamtkosten von 520 Milliarden Euro zu rechnen. Legen wir diesen Wert zu Grunde, dann würde das Modell der Grünen, allein mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien über Subventionen und Preisanreize den Primärenergiebedarf zu decken, bis zum Jahr 2045 die unvorstellbare Summe von 3,5 Billionen Euro kosten. Jährlich müssten also für dieses Projekt 176 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Zum Vergleich: Die Corona-Pandemie wird den Staat nach aktuellen Schätzungen 650 Milliarden Euro gekostet haben. Es gibt einige Wege, eine Volkswirtschaft zu ruinieren. Die Grünen kennen die effektivsten.

Selbst unter der wirklichkeitsfernen Annahme, dass jedes Gramm CO2-Vermeidung bisher der Energiewende zuzurechnen sei, sind die Kosten gigantisch. 3.154 Euro pro Tonne CO2 kostet nach der bisherigen Methode der Weg zur Klimaneutralität. Die Forderungen von Fridays for Future (FfF) mit einem Preis von über 180 Euro muten dagegen armselig an.

Der Kohleausstieg: Doppelt bezahlt

An der Fleischtheke würde man jetzt fragen: geht’s ein bisschen günstiger? Die günstigste Methode wäre die politisch nicht durchsetzbare Laufzeitverlängerung der verbliebenen 6 Atomkraftreaktoren, die sogar noch einen Ertrag brächte. Selbst Kohlendioxid mit CCS-Technologie aus der Atmosphäre zu nehmen, wäre mit 500 Euro Tonnenpreis wesentlich günstiger. Wer nach diesen Zahlen und Kostenberechnungen noch Lust verspürt, am 26. September die Grünen zu wählen, weiß nun was er tut.

Aber die ökonomischen Kapriolen sind damit noch nicht zu Ende. Der anfangs erwähnte Kohleausstieg lässt Kosten von 100 Milliarden Euro an Kompensationsleistungen erwarten. Die Grünen wollen den Ausstiegsbeschluss noch verschärfen und visieren dafür das Jahr 2030 an. Günstiger wird das keineswegs, die Kosten hierfür dürften sich mehr als verdoppeln und für Ausgleich im Stromnetz ist damit auch nicht gesorgt.

Die Frage, die sich jeder rational denkende Mensch stellt, bevor er Geld für eine Sache ausgibt, lautet: Ist das notwendig? Die unsinnigste Ausgabe ist jene, wo man etwas auch bekommen hätte, ohne dafür zusätzlich zu zahlen. Sie kennen das vielleicht aus Ihrer Schulzeit, 5 DM für eine 2 und besser. Haben Sie je bessere Noten geschrieben, weil die Eltern mit dem Geld gewedelt haben?

Ein System, dafür aber gut: das EU ETS

Die Primärenergieträger Steinkohle und Braunkohle werden hauptsächlich für die Stromerzeugung eingesetzt. Der Strommarkt wird seit 2005 durch das European Union Emissions Trading System, kurz EU ETS, geregelt. Für jede Tonne CO2, die der Anlagenbetreiber in Deutschland emittiert, muss er der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) ein Zertifikat melden, das dann entwertet wird. Da EU ETS europaweit organisiert ist, gibt es keinen nationalen Markt. Zertifikate, die in Deutschland nicht benötigt werden, werden in Frankreich, Italien oder Polen verbraucht.

Beim Anfahren des Systems 2005 konnte der europäische Energiesektor rund 2,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Diese Menge wurde bis 2020 jährlich um 1,75% abgesenkt und belief sich im vergangenen Jahr nur noch auf 1,8 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen. Ab 2021 sinkt die Menge mit einem Faktor von 2,2% und wird wegen dem Ausscheiden von UK nur noch knapp 1,6 Milliarden Tonnen betragen.

Historical Emissions EU Quelle: EU Kommission

In 2020 fielen die Emissionen auf 1,3 Milliarden Tonnen im Vergleich zum Vorjahr, ein Rückgang um 13,3%. Das Reduktionsziel wurde damit weit übertroffen. Vor allem aber, es wird unter einem solchen Regime nicht mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen als vereinbart. Das Instrument erweist sich damit in der Praxis als absolut zielgenau und effektiv. Die Politik muss nicht nachjustieren, um verpasste Zielmarken nachträglich zu erfüllen.

Aufgrund der Reduktionsverschärfung hat sich der Preis des European Emission Allowances binnen Jahresfrist von 25 auf über 50 Euro verdoppelt. Das ist aber weiterhin nur ein Bruchteil der Kosten, welche die grüne Strategie verursacht. Wenn Deutschland schnell aus der Kohleverstromung aussteigt, bleiben größere Mengen von Zertifikaten („Allowances“) ungenutzt. Diese werden aber nicht aus dem Handel genommen, sondern können von anderen gekauft werden. Die Folgen: der Preis sinkt, die Kohleverstromung in Osteuropa wird günstiger. Anders gewendet: Durch den schnell steigenden CO2-Preis im EU ETS wird die Verbrennung von Kohle ohnehin wirtschaftlich unattraktiver, der Anreiz, die Meiler frühzeitig abzuschalten, steigt. Das Ausstiegsziel wird auch ohne politischen Ausstiegsbeschluss erreicht. Nur legt der Staat den Energieerzeugern noch einige Milliarden Euro obendrauf. Und die Grünen wollen die sinnlose Verfeuerung von Steuergeld noch toppen.

Der internationale Siegeszug von Cap & Trade

Grüne und Klimaschutzaktivisten irren. Die Höhe der CO2-Bepreisung ist eben kein Indikator für Erfolge bei der Rettung des Klimas, sondern das Gegenteil. Erst wenn zu einem niedrigen Preis kein Emittent mehr Zertifikate kaufen will, ist die Klimaneutralität nah.

Cap & Trade findet trotz seiner unbestreitbaren Erfolge viele Kritiker. Die Kritik entzündet sich aber meist an dem Unverständnis für das System. Wer die Kausalkette im Kopf hat, nur ein hoher Preis für Emissionen führe zu mehr Klimaschutz, kann nicht verstehen, wenn die umgekehrte Entwicklung zum Ziel führen soll. Doch bei Verschmutzungsrechten ist nicht der Preis das ausschlaggebende Kriterium, sondern die erlaubte Menge und die periodische Verringerung.

Die Behauptung, die auch hier im Blog oft erhoben wird, stimmt eben nicht. Im Gegensatz zu allen anderen Instrumenten wie Subventionen, Preisgarantien und Grenzwerten hat der Zertifikatehandel seine Wirksamkeit längst bewiesen. Während man im Straßenverkehr trotz stetig verschärfter Normen ebenso wenig vorrankommt wie beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, sinken im EU ETS die Emissionen kontinuierlich und schnell.

2005 war die EU Innovator bei der Einführung des Handelssystems für Kohlendioxid. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls hatte sich die Gemeinschaft verpflichtet, wirksam an der globalen Vermeidung von Emissionen durch Zertifikate zu arbeiten. Inzwischen gibt es weltweit mehr als 20 solcher Plattformen und es werden immer mehr. Das einzige Instrument, auf das sich die Weltgemeinschaft bei der Bekämpfung des Klimawandels einigen kann, ist danach die marktwirtschaftliche Lösung.

Im September haben die Deutschen also die Wahl, ob sie bei der Bekämpfung des Klimawandels weiterhin auf die extrem teuren Strategien der Zentralplaner setzen zu wollen oder ob der Wettlauf mit der Zeit mit dem effizientesten Mittel gewonnen werden soll, das uns zur Verfügung steht: dem Markt.

 

Im nächsten Teil lesen Sie, warum Deutschland Energieimporteur bleiben muss und warum der Weg zur Elektromobilität nicht alternativlos ist.

{ 73 comments… add one }
  • Juri Nello 7. August 2021, 20:21

    Und ich dachte schon, es käme mal was Neues. Dabei ist der Herr nur mit dem Geschäftsmodell unzufrieden. Keine Sorge! In Deutschland dürften sich nur knapp 240 Schneeballsysteme dem anschließen. Da wird auch eins für die Hiesigen dabei sein. 2100 meldet sich dann bloß die Natur zurück und vermeldet, dass sie kein Geschäftsmodell ist und sagt:“Tschüss Deutschland!“ Erstaunlich, dass die Natur das schafft, was zwei verdient verlorenen Weltkriegen missglückt ist.

  • Thorsten Haupts 8. August 2021, 18:15

    Bin ja ganz der Auffassung des Autoren.

    Nur präsentiert Stefan Pietsch eine Mogelpackung – die notwendige CO2 Reduktion hängt eben mitnichten überwiegend oder alleine an der Energieerzeugung (wo der Zertifikatehandel funktioniert), sondern ebenso, an Produktion, Verkehr und Gebäuden. Wo es bisher keinen Zertifikatehandel gibt und dieser auch deutlich höhere Hürden hätte.

    Kurz – der Beitrag gibt nicht her, was die Überschrift verspricht. Mit diesem Clickbaiting ist Stefan Pietsch allerdings in guter Gesellschaft aller deutschen „Qualitäts“medien :-).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Pietsch 8. August 2021, 21:14

      Sie natürlich Recht, dass nicht nur die Energieerzeugung zu berücksichtigen ist. Aber erstens habe ich deswegen an Stellen des Artikels auf den Primärenergiebedarf Bezug genommen und damit sind auch Öl, Gas und andere Energieträger gemeint. Zweitens habe ich das Konzept bereits vor zwei Jahren in einem Artikel ausgeführt und wie die Perspektive sein sollte. Und nein, die Hürden sind in anderen Bereichen nicht höher. EU ETS müsste nur auf sämtliche Primärenergieträger ausgeweitet werden. Und drittens sieht das Konzept der FDP genau dies vor.

      Clickbait war nicht beabsichtigt, diesmal tat ich mich etwas schwer, einen Titel zu finden. Ist nicht immer so. 🙂

    • Kning4711 8. August 2021, 21:15

      Allein die Stromerzeugung verursacht was 45 % der CO2 Emissionen – nimmt man noch den Verkehr dazu ist man schon bei fast 60 % und wenn dann noch die Heizung der privaten Hauhalte dazukommt schon fast 75 % (Quelle Bundesumweltamt) – es ist daher schon erheblich und sollte im Fokus der Maßnahmen stehen.

  • CitizenK 8. August 2021, 19:17

    Die Funktionsweise des Emissionshandels ist mir noch zu wenig bekannt.
    Wer bestimmt die Zusammensetzung des Gremiums, das Mengen und Preise festsetzt?
    Wer kontrolliert, ob die Meldungen korrekt sind?
    Gibt es Sanktionen?
    Kann das System kurzfristig ausgeweitet werden auf Verkehr (Straße, Schiene, Luft, Wasser, See) und Gebäude?

    • Stefan Pietsch 8. August 2021, 21:07

      Es gibt kein Gremium. Es gibt auch niemanden, der die Preise festsetzt. Die Klimaziele der EU werden mathematisch in die notwendigen Minderungsmengen übersetzt. Deswegen sinken die verfügbaren Zertifikate ab 2021 schneller. Die Zertifikate werden bei der Einführung in Auktionen versteigert. Der Sinn jeden Marktes ist (siehe vorherigen Artikel), dass das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage den Marktpreis festlegen. Sinkt die Nachfrage (nach CO2-Zertifikaten), sinkt der Preis. Deswegen ist bei reduziertem (!) Zertifikateangebot ein niedriger Marktpreis Zeichen, dass große Fortschritte beim Klimaschutz erzielt werden.

      Die Mengen werden punktgenau von den Behörden kontrolliert. Das ist so. Und die Sanktionen sind so heftig, dass in einzelnen Fällen inzwischen die Staaten eingreifen. Wenn Sie das jetzt als Argument gegen den Emissionshandel sehen: das Problem staatlichen Interventionismus existiert bei Steuerungen über Subventionen und Preisgarantien (wer am lautesten schreit, bekommt am meisten) umso mehr. Die Zertifikate müssen einmal im Jahr (ich glaube Februar) bei der zuständigen Behörde hinterlegt werden.

      Eine Ausweitung auf alle Sektoren ist problemlos möglich. Untersuchungen haben ergeben, dass die Primärenergieträger nur von weniger als 100 Unternehmen in die Märkte verteilt werden. Diese müssten Zertifikate erwerben. Damit sind dann alle Sektoren abgedeckt – auch Gebäude. Denn wenn Sie eine Ölheizung haben, Ihr Gebäude aber exzellent isoliert ist, brauchen Sie weniger Öl mithin ist die verbrauchte Menge mit weniger Zertifikatekosten belastet. Der Endverbraucher braucht kein Zertifikat erwerben, kann dies aber kaufen. So haben sich Umweltorganisationen darauf verlegt, Spendengelder dafür einzusetzen Zertifikate am Kapitalmarkt zu kaufen und sie ungenutzt entwerten zu lassen. Damit sinkt natürlich die verfügbare Menge für jene, die die Berechtigungen zur Produktion benötigen. Einfacher kann man nicht für den Klimaschutz arbeiten.

      • CitizenK 8. August 2021, 21:23

        Danke.

      • Marc 9. August 2021, 00:30

        Deswegen ist bei reduziertem (!) Zertifikateangebot ein niedriger Marktpreis Zeichen, dass große Fortschritte beim Klimaschutz erzielt werden.

        Aber es werden trotz Fortschritte zuerst der Preis steigen, da die Reduzierungen weitaus größer sein werden als die Einsparungen. Die Aussicht auf sinkende Preise sind utopisch.
        ZUdem wird verschiegen, dass die Fortschritte Investitionen erfordern, die durch höhere Produktpreise erzielt werden müssen.
        Ob Zertifikate letztendlich effektiv sind, kann man erst sagen, wenn es ein exaktes Prognosemodell gibt. Mich interessiert das! Wo finde ich es und wie werden die Parameter bestimmt?

        • Stefan Pietsch 9. August 2021, 00:52

          Das kommt darauf an. Der Spotpreis für eine Allowance steigt deutlich, seit die EU das Tempo der Reduzierungen verschärft hat. Da die Anpassung langsamer läuft (Substitutionen), steigt logischerweise der Preis. Am Ende muss er aber sinken, sonst stehen wir 2045 vor der Situation, nicht alles klimaneutral bewerkstelligen zu können. Dann wäre der Preis tatsächlich exorbitant hoch, da der Staat zur Not noch Erlaubnisse versteigern würde.

          Es ging aber um etwas ganz anderes, nämlich die Behauptung von Klimaaktivisten, nur (!) bei einem sehr hohen Preis würden wir Fortschritte machen.

          Es gibt günstige und teure Investitionen. Und wer soll die Investitionen schultern? Seit Jahrgedenken fällt das Gros von Investitionen bei Unternehmen an. Das sollten wir auch nicht ändern. Wir können gar nicht die vielen Irrtümer bezahlen, die unterlaufen.

          Auch das Smartphone verlangte nicht irre teure Investitionen der Anbieter, nur Erfindergeist und Schnelligkeit. Binnen weniger Jahre waren die Dinger so günstig, dass sie bei einem Fehler weggeworfen werden können. Die Investitionen in Batterien und Wasserstoffantriebe sind immens – die in synthetische Kraftstoffe vergleichsweise niedrig. Dazu demnächst mehr.

          Sie müssen nur dem Link folgen. Für Sie gab es sogar ein ganz großes Bild im Artikel. Haben Sie das nicht gesehen? Die Parameter legt die EU-Kommission fest, die auch die CO2-Ziele für die Gemeinschaftsmitglieder international verhandelt und festlegt.

          • Marc 9. August 2021, 10:56

            Es ging aber um etwas ganz anderes, nämlich die Behauptung von Klimaaktivisten, nur (!) bei einem sehr hohen Preis würden wir Fortschritte machen.

            Die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft dauert Jahre, eher Jahrzehnte. Unter diesen Rahmenbedingungen ist das nur angemessen, da der theoretische Fall einer schnelleren Umstellung wie gesagt utopisch ist.

            Für Sie gab es sogar ein ganz großes Bild im Artikel. Haben Sie das nicht gesehen?

            Zum einen sprach ich von Prognose, nicht historischer Entwicklung, und zum anderen vom notwendigen Investitionsumfang. Die EEG deckt Investitions- und Betriebskosten ab, während Zertifikate Strafzahlungen sind. Diese Kosten wie sie es gemacht haben gleichberechtig gegenüber zu stellen, ist eine Milchmädchenrechnung. Zur Bestimmung der Effektivität wird noch der Investitionsbedarf unter dem Zertifikatenhandel benötigt. Wo finde ich diese?

            • Stefan Pietsch 9. August 2021, 11:32

              Das ist alles nicht Ihr Problem. Darüber können Sie als Laie ohnehin nur Annahmen treffen, die mit über 90%iger Wahrscheinlichkeit falsch sind. Das liegt in der Natur der Sache, nicht an Ihrem Intellekt. An Ihrem Intellekt liegt es höchstens, wenn Sie Ihre Fähigkeiten überschätzen.

              2020 traten insgesamt rund 130 Unternehmen an, einen Impfstoff gegen Covid-19 zu finden. Sie investierten dabei erhebliche Summen, die von Investoren aufgebraucht wurden. In Deutschland beteiligte sich der Staat übrigens auch und setzte dabei 0,4 Milliarden Euro allein bei einem einzigen Unternehmen in den Sand. Dieser Verlust wird durch Steuerzahlungen aufgebracht werden müssen. Einen Impfstoff hat die Gesellschaft durch dieses Investment nicht bekommen.

              Jedenfalls sind von den 130 Unternehmen gerade 4 durchgekommen. Die übrigen 126 werden damit leben müssen, kein Geld zu verdienen. So ist das in einer Marktwirtschaft und es lässt sich nicht vermeiden. Im Gegenzug bekommen wir in rasant kurzer Zeit einen tollen Impfstoff, von dessen Wirksamkeit man vor 2 Jahren nur träumen konnte. Und das noch zu einem verhältnismäßig niedrigen Preis. Auch das ist Marktwirtschaft.

              Zurück zu unserem Thema. Der Staat hat in zwanzig Jahren gezeigt, dass er mit Subventionen, Preisgarantien und Verordnungen es nicht hinbekommt, den CO2-Ausstoß nur innerhalb eines vereinbarten Zielkorridors zu senken. Die typische Reaktion ist, dann müssen wir halt die Politik ändern. Natürlich. Wahlen sind ja unerheblich. Die Annahme, gerade wenn der Klimaschutz aufgrund der hohen Ausgaben für Subventionen und Preisgarantien besonders teuer würde, würden sich die Mehrheiten nicht ändern, ist abenteuerlich. Dazu fehlt jeder Ansatz, die nationale Strategie in eine globale Strategie einzubetten. Dieses zentrale Problem wird glattgebügelt mit „Deutschland wird Vorbild“. Ist klar. So wie in der Vergangenheit.

              Die Prognose steht auch im Artikel. Und die Verlinkung:
              The legislative framework of the EU ETS for phase 4 was revised in 2018 to ensure emissions reductions in support of the EU’s 2030 emissions reduction target (of -40% relative to 1990 level) and as part of the EU’s contribution to the Paris Agreement.

              This revision focused on:

              – Strengthening the EU ETS as an investment driver by increasing the pace of annual cap reduction to 2.2% as of 2021, and reinforcing the Market Stability Reserve (the mechanism established by the EU to reduce the surplus of emission allowances in the carbon market and to improve the EU ETS’s resilience to future shocks);

              – Continuing the free allocation of allowances as a safeguard for the international competitiveness of industrial sectors at risk of carbon leakage, while ensuring that the rules for determining free allocation are focused and reflect technological progress;

              – Helping industry and the power sector meet the innovation and investment challenges of the low-carbon transition via dedicated funding mechanisms – the Innovation Fund and Modernisation Fund.

              Und weiter:
              Delivering emissions reductions
              The EU ETS has proven to be an effective tool in driving emissions reductions cost-effectively. Installations covered by the ETS reduced emissions by about 35% between 2005 and 2019.

              The introduction of the Market Stability Reserve in 2019 has resulted in higher and more robust carbon prices, which helped to ensure a year on year total emissions reduction of 9% in 2019, with a 14.9% reduction in electricity and heat production and a 1.9% reduction in industry.

              Under the European Green Deal, the Commission presented in September 2020 an impact-assessed plan to increase the EU’s net greenhouse gas emissions reductions target to at least 55% by 2030. By July 2021, the Commission will present legislative proposals to implement the new target, including revising and possibly expanding the scope of the EU ETS.

              Ihre Behauptungen dagegen sind sämtlich falsch:
              Die EEG deckt Investitions- und Betriebskosten ab (..).

              Die EEG deckt gar nichts ab, sie ist eine Prämie. Ob damit die Investitionskosten und Betriebskosten gedeckt werden (oder sogar weit überdeckt oder unterdeckt), wird nirgends belegt. Es ist schlicht ein Pauschalbetrag, den die Stromnutzer zahlen müssen. Wenn die Kosten tatsächlich so hoch sind, dann können wir uns den Klimaschutz nicht leisten. Denn dann sind wir alle pleite. Ist übrigens auch im Artikel ausgeführt.

              (..) während Zertifikate Strafzahlungen sind.

              Sie sind Erlaubnisse zur Schädigung der Umwelt und des Klimas. Allein im Rahmen des Auktionsverfahrens und dem Handel wird entschieden, ob dies niedrig oder hoch ausfällt. Das müsste Ihnen doch gefallen: Unternehmen und Bürger müssen sich überlegen, ob sie sich die Umweltschädigung leisten können.

              Zur Bestimmung der Effektivität wird noch der Investitionsbedarf unter dem Zertifikatenhandel benötigt.

              Sie machen hier keinen Business Case. Damit sind Sie und die Politik überfordert. Die Politik muss einzig die Ziele vorgegeben, einen Rahmen setzen („Handel“) und überwachen, dass sich alle an die Regeln halten. Ob es notwendig ist, Filteranlagen einzubauen, in CCS zu investieren, Wasserstoff oder Elektro als Antriebsformen zu nutzen, ist nicht Sache der Politik noch des Bürgers. Die Gesellschaft bekommt, was sie will: Klimaneutralität. Für alles andere gilt: It’s not your business.

  • Thorsten Haupts 8. August 2021, 23:29

    Eine Ausweitung auf alle Sektoren ist problemlos möglich

    Theoretisch schon, praktisch … Das ginge bei Verkehr nur über Zertifikate für Treibstoff und diese Zertifikate müssten enorme Preise haben, um wirksam zu sein – was das kurzfristig umgesetzt politisch für Auswirkungen hätte, möchte ich mir grad nicht ausmalen.

    Selbst im Energiesektor stösst der Handel an Grenzen seiner an sich vernünftigen Steuerungsfunktion – nämlich die praktisch mögliche Geschwindigkeit einer Anpassung bei gegebenen Rahmenbedingungen. Wir hatten das Planungs- und Genehmigungsrecht neulich ja schon, packen Sie die fehlenden Netzspeicher für Strom (Kobolde gibt es nicht) oder die Logistikengpässe bei Hochsee-Windparks (fehlende Spezialschiffe) dazu und Sie haben eine ziemlich massive Ausbaugrenze für erneuerbare Energien. Erfahrenes Personal für grosse Anlagenbau- und Infrastrukturprojekte ist übrigens heute schon eine knappe Resource.

    Mein Fazit: Der Zertifikatehandekl alleine wird´s nicht lösen.

    Dabei habe ich biher nicht einmal das folgenschwerste politische Argument erwähnt: Solange wir in der EU bleiben wollen, müssen wir den Zertifikatehandel entweder europäisch machen oder die deutsche Industrie schlicht abschreiben.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Pietsch 9. August 2021, 00:15

      Sie argumentieren, als müsste jeder der 48 Millionen Stromkunden Zertifikate kaufen, bevor er sich den Strom aus der Steckdose zapfen darf. So ist es nicht. Die Belegpflicht knüpft an der Erzeugung an. Es gibt aber nur eine überschaubare Zahl an Steinkohle-, Braunkohle- und Gaskraftwerken. Sehr überschaubar. Genauso ist es beim Benzin. Nicht der Endkunde muss beim Bezahlen an der Tanke den Erlaubnisschein vorlegen (und entwerten), sondern viel früher. Ich habe im Netz schnell eine anschauliche Beschreibung gefunden, wie das Rohöl irgendwann in Ihren Tank kommt. Sie sind klug genug, die Kette sich gedanklich vorzustellen und die Stellen zu finden, wo das Nadelöhr zur Kontrolle ist. Es gibt mehrere. Wie gesagt, Untersuchungen haben gezeigt, dass die gesamte (!) Primärenergie durch die Erfassung von weniger als 100 Unternehmen erfolgen und in den Handel einbezogen werden kann. Das hört sich sehr überschaubar an.

      Wir brauchen hoffentlich nicht darüber zu diskutieren, dass aus Benzin an der Tankstelle eine genau berechenbare Menge CO2 entsteht, oder? Gut. Auf dem Weg ist übrigens auch sichergestellt, dass andere, neue Energieträger ohne Kohlenstoff eben nicht belegt werden. Die Freiheit der Technik und des Wettbewerbs ist damit gewährleistet, anders als bei einer Steuer, wo sie für jedes Produkt den Steuersatz festlegen müssen. Das ist Bürokratie.

      Was bitte wollen Sie anpassen?! Ein Kohlekraftwerk verarbeitet nur Kohle. Nicht Gas, nicht Atomteilchen, Häschen. Nur Kohle. Die Berechnung anhand des Kohlenstoffgehalts, soviel weiß ich noch aus dem Chemieunterricht ist da denkbar einfach. Kohlenstoff – Sauerstoff. Ergibt CO2. Und was wir mit der Notwendigkeit oder nicht nicht von Erneuerbaren Energien machen, das kommt wie am Ende des Artikels zugesagt, nächste Woche.

      Für Ökonomen ist dafür klar: Eine Maßnahme für genau ein Ziel. Ansonsten müssen Sie wieder die Maßnahmen zueinander abstimmen. Wie wollen Sie das tun? Es ist doch klar das wir irgendwann im Laufe des Jahres 2050, 2045 oder sonst klimaneutral sein müssen. Wie wollen Sie das erreichen, wenn Sie sagen, okay, jetzt fördere ich noch Stromer (was mache ich mit Wasserstoff, synthetischen Kraftstoffen und was der Menschheit sonst noch einfällt)? Die stellen dann Anträge. Die werden geprüft, wieviel Förderung sie beanspruchen können. Für die Häuser denken wir uns etwas ganz Rafiniertes aus, Kraft-Wärme-Kopplung, Isolierung und was sonst noch möglich ist. Das Fördern wir, geben Rabatte, überlegen uns, wie wir das Ganze auch wieder zurückführen. Dabei können Sie es viel einfacher: jeder Liter Öl, der in der Haus gepumpt wird, ist zuvor mit einem Erlaubniszertifikat durchgeschleust worden. Thema erledigt. 2045 gibt es keine Zertifikate mehr. Dann bleibt die Wohnung kalt. Aber mit Sicherheit nicht, denn 10 Jahre vorher wissen die Menschen bereits, dass es dazu kommen wird, also braucht es Lösungen. Und das werden welche sein, an die wir heute noch nicht denken.

      Vor 20 Jahren gab es noch kein Smartphone und das Internet stand noch ziemlich am Anfang. Dass Menschen bald wieder zum Mond fliegen würden, galt als unsinnig. Tesla war bestenfalls ein Konstrukt und die Automobilindustrie ging davon aus, dass der Verbrennungsmotor mindestens noch bis Mitte des Jahrhunderts laufen würde. Amazon war gerade in den Wirren des Zusammenbruchs der New Economy, die wirtschaftliche Nutzung von Drohnen nicht denkbar. Also gehen Sie mal davon aus, dass es in 25 Jahren etwas ziemlich Originelles geben wird.

      Ja! Sie haben es erfasst! Noch besser weltweit! Übrigens waren wir dazu mit Kyoto mal auf einem guten Weg. Und wenn überall solche Cap & Trade-Systeme entstehen, ist es doch klüger, diese irgendwann zu einem Regime zusammenzuzurren als wenn jeder seine eigene Subventionitis betreibt. Damit kommen wir nämlich ganz sicher nicht ans Ziel. Deutschland hat dafür ja das beste Beispiel abgeliefert.

    • Stefan Sasse 9. August 2021, 20:36

      Mir ist immer noch völlig unklar, wie das durchgesetzt werden soll.

      • Stefan Pietsch 9. August 2021, 21:15

        Jetzt möchte ich endlich mal wissen, wie Du Dir eine Abstimmung von Klimaschutzmaßnahmen nur mit den USA vorstellst? Dann reden wir von China und Indien. Ich vermute, Du hast nicht den Funken einer Idee.

        • Stefan Sasse 9. August 2021, 21:35

          Hab ich auch nicht, das war eine Frage aus Interesse.

          • Stefan Pietsch 9. August 2021, 21:51

            Die schlechte Nachricht ist: Unter Jo Biden verfolgen die USA eine konträr zu Europa laufende Klimaschutzpolitik. Das hat weitreichende Konsequenzen, europäische Unternehmen werden dabei im Wettbewerb mit US-amerikanischen Konkurrenten massiv benachteiligt. D.h., Abstimmung ist dringend notwendig und die Kanzlerkandidaten haben keine Ahnung. Und von der Leyen ist ohnehin nur Bittstellerin.

            Andererseits: Die Amerikaner sind vertraut mit Cap & Trade. Sie sind dessen Erfinder in praktischer Politik. Mitte der Neunzigerjahre führten die USA das Acid Rain Program zur Steuerung von Schwefeldioxid ein.

            Zu den freiwilligen Systemen, die in den USA existieren, hatte ich bereits Wikipedia verlinkt:
            Im Rahmen der nordamerikanischen Wester Climate Initiative (WCI) verknüpften 2014 der US-Bundesstaat Kalifornien und die kanadischen Provinz Quebec ihre Emissionshandelssysteme. Die kanadische Provinz Ontario kam 2018 hinzu.

            In den USA und Kanada gibt es zudem mehrere freiwillige Handelssysteme auf Firmen- oder Anlagenbasis. Die Chicago Climate Exchange (CCX) ist ein seit 2003 funktionierendes freiwilliges Handelssystem aus den USA, bei dem sich 350 meist große Firmen, Universitäten und Verbände verpflichtet haben, ihre gemeinsamen Treibhausemissionen um 6 % zu senken. Gesenkt wird oft durch große kompensatorische Aufforstungsprojekte in den USA und Brasilien. Ein anderes Handelssystem, der Voluntary Market, verliert mit zunehmender Entwicklung des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) des Kyoto-Protokolls an Bedeutung.

            Mit anderen Worten: die USA lieben das System, es kommt ihrer Mentalität entgegen. Biden versucht dagegen unter dem Druck seiner marktkritischen Demokraten einen sehr europäischen Ansatz.

            Das ist also eine viel bessere Gesprächsgrundlage und Verhandlungsbasis, als wenn nichts existieren würde oder man sich jahrelang über die Höhe von Subventionen und Zölle streitet. Das ist dann eine Never ending story. Um da die Klimaschutzaktivisten zu zitieren: Die Zeit haben wir nicht.

            • CitizenK 9. August 2021, 22:11

              Interessant. Hatte bisher nur eine sehr vage Vorstellung davon. Geht das nur mir so?

              Was hat sich daran unter Trump geändert?
              Eine Kompensation mit Brasilien ist wohl seit Bolsanaro Geschichte?

              Zum Text-Verständnis: Wenn Biden „einen sehr europäischen Ansatz“ versucht, wieso verfolgt er dann eine „konträr zu Europa verlaufende Klimaschutzpolitik“?

              • Stefan Pietsch 9. August 2021, 22:43

                Umweltpolitik fällt in den USA in die Kompetenz der Bundesstaaten. Deswegen hatte der Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen zwar für viel internationales Tamtam gesorgt, aber wer sich mit den Vereinigten Staaten auskennt, wusste, dass das effektiv wenig bedeutete – zumal die Kündigung erst Ende 2020 wirksam wurde. Natürlich, eine nationale Kraftanstrengung unterblieb. Aber man muss wissen, jeder einzelne Bundesstaat kann sich Maßnahmen aus Washington verweigern.

                Es ist auch mein Eindruck, dass wir in Deutschland trotz Interesse an Umwelt- und Klimaschutzpolitik wenig über die Instrumente wissen. Sicher habe ich Vorteile, meine Diplomarbeit habe ich über Umwelt- und Klimapolitik geschrieben (sic! Als BWLer!) und in den Nullerjahren habe ich einige Zeit für ein Unternehmen unter dem Kyoto-Regime gearbeitet. Das Erschreckende: auch grüne Spitzenpolitiker wissen anscheinend nur relativ wenig.

                Franzosen, Italiener und Deutsche im Grunde auch stehen der Marktwirtschaft traditionell skeptisch gegenüber und befürworten staatliche Lenkung. Frankreich betreibt seit ewigen Zeiten eine ausgeprägte Industriepolitik, was in Deutschland immer abgelehnt wurde. Zwar wurde die EU gegründet, um freien Handel zu ermöglichen. Wettbewerb und offene Märkte waren daher immer Kennzeichen der EU-Politik. Andererseits wurde Europa lange von Frankreich dominiert, gerade in der Brüsseler Bürokratie. In dieser Gemengelage verpflichtete sich die EU, für Europa ein reines Marktinstrument für die Steuerung von CO2-Emissionen einzuführen. Das lag nicht zwingend auf der Hand.

                Eigentlich ist das nämlich angelsächsisch. Europa hat sich sehr auf Nordamerika zubewegt. Von daher überrascht mich Bidens Ansatz kolossal und lässt sich nur mit der Demokratischen Partei erklären. Vergessen wir nicht: mit dem Climate Stewardship Acts des Republikaners John McCain und des Demokraten Joseph Lieberman legten 2008 zwei einflussreiche Senatoren einen ernsthaften Versuch vor, die amerikanische Klimaschutzpolitik ebenfalls in ein Cap & Trade-System zu überführen.

                Da sind sich Europäer und Amerikaner also denkbar nahe. Wenn es also eine Chance gibt, innerhalb weniger Jahre zu einer gemeinsamen Steuerung und Verminderung von CO2 zu kommen, dann über diesen Ansatz. Auch China bewegt sich in die Richtung, soweit man das überhaupt bewerten kann.

                • Stefan Sasse 10. August 2021, 13:43

                  „Die USA“ sind sowieso immer eine problematische Kategorie. Bei vielen Themen sind Kalifornien und Alabama (pars pro toto) effektiv unterschiedliche Planeten. Ob man über Klimaschutz, Waffenrecht, Drogenpolitik, Rassismus etc. spricht.

            • Stefan Sasse 10. August 2021, 13:41

              Das ist ja vor allem ein handelspolitisches Problem, oder? Klimatechnisch kann uns ja egal sein, wie ein Land seine Emissionen reduziert. Oder verstehe ich da was falsch?

              • Stefan Pietsch 10. August 2021, 14:06

                Wenn in einem Land für das Emitieren von Schadstoffen in die Atmosphäre Unternehmen zahlen müssen, werden sie investieren, um Emissionen zu vermeiden.

                Erhalten sie in einem anderen Land für dieses Vermeiden von Emissionen Zuschüsse, werden sie sich dort niederlassen. Stehen sie in Wettbewerb mit einem Land, das Zuschüsse gewährt, wird ein sehr umweltfreundliches Unternehmen gegenüber seinen umweltschädlicheren Konkurrenten benachteiligt.

                Da zwischen den USA und der EU enge und umfangreiche Handelsbeziehungen bestehen, würden die Bestrebungen europäischer Unternehmen klimaneutral zu werden, leiden. Die Folge wären steigende Arbeitslosigkeit und Produktionsverlagerungen. Das ist nicht trivial, sondern ein großes Thema. Wir können uns in diesen beiden Regionen nicht unterschiedliche Systeme leisten.

                Das europäische Emissionsproblem würde dann durch Auswanderung und Insolvenzen gelöst. Das wäre sicher nicht im Sinne des Erfinders.

                • Stefan Sasse 10. August 2021, 17:07

                  Verstehe. Ich fürchte nur dass wir da in das übliche Problem des Scheiterns multilateraler Ansätze laufen 🙁 Paris war ja auch gerade deswegen erfolgreich, weil es die Reduktionswege nicht vorschrieb, sondern nur das Ziel. Hast du eine Idee, wie man diese Koordinierung erreichen könnte?

                  • Stefan Pietsch 10. August 2021, 18:51

                    Das sehe ich nicht zwingend. Wie gesagt, das Eine ist ein gemeinsames transatlantisches Vorgehen. Das andere Technologietransfer in Schwellen- und Entwicklungsländer. Alle brauchen einen wirtschaftlichen Benefit und politischen Druck.

      • Thorsten Haupts 9. August 2021, 22:22

        Na ja, das gilt auch für alle anderen Klimaschutzmassnahmen. Sofern Deutschland alleine vorprescht, hat es auch alleine den Schaden – und das ohne erkennbaren Nutzen. Das Dilemma wird in der deutschen Debatte auch immer höflich umgangen …

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 10. August 2021, 13:42

          Ich wäre vorsichtig beim erkennbaren Nutzen; eine Weltmarktführerschaft in entsprechenden Technologien wäre ja schon gut.

          • Thorsten Haupts 10. August 2021, 13:59

            Vielleicht und abhängig von der Fallhöhe der Technologie. Nur dann ganmz sicher nicht mehr, wenn man dafür die Wettbewerbsfähigkeit aller anderen Technologien aufs Spiel setzte. Und genau das wäre die vorhersehbare Folge eines Alleinganges.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 9. August 2021, 00:54

    Sie tragen die ganze Zeit Eulen nach Athen. Ich komme da schon mit, bei dem Zertifikatehandel und wie der funktioniert :-).

    Meine Einwände waren praktischer Natur – und die werden durch Verweise auf das Funktionieren der Verschiebung marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen für Innovationen nicht aufgehoben.

    Der letzte Absatz formuliert eine Bedingung für funktionierenden Zertifikatehandel – nur, wenn man erst Europa und dann die Welt mitnehmen muss, landet man bei „irgendwann in 25 Jahren“. Das wäre vor 30 Jahren eine haltbare Position gewesen, heute ist es eher ein (starker) Anreiz zum Nichtstun – die Wirkung ist nahezu dieselbe (politische Funktionsbedingungen in Demokratien bedingen einen Zielhorizont von 4 bis 5 Jahren).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Pietsch 9. August 2021, 01:22

      Ein kluger Kommentator hat zuletzt behauptet, wir hätten keine Zeit mehr. Ich weiß gerad‘ nicht, wer das war, aber es trifft sich mit Ihrer Position. Wenn ich unter enormen Zeitdruck bin, um ein qualitativ hochwertiges Ergebnis abzuliefern, probiere ich nicht lange herum. Ich konzentriere mich auf das, was mir in der Vergangenheit schnell zielgenaue Resultate geliefert hat.

      Es gibt ein weltweites Instrument, das so erprobt ist, dass es die Erfüllung der Pariser Ziele garantiert. Kein einziges. Mit einer Ausnahme: der Zertifikatehandel. Schon früh in den Achtzigerjahren in den USA erprobt, im Kyotoprotokoll vereinbart, global eingeführt (sic!), gibt es in Pakistan, China, Indonesien, Nicaragua staatliche Behörden wie Unternehmer, die mit dem Instrument vertraut sind.

      Jeder, der jetzt sagt, wir müssen wahnsinnig subventionieren, wir müssen staatlich forschen, wir müssen die bisher nicht funktionierenden Erneuerbaren massiv (siehe Artikel) ausbauen, macht die gesamte Welt zu einem Testlabor. Tests haben es so an sich, dass sie häufig daneben gehen, ein eingeschlagener Weg sich als nicht praktikabel und nicht zielgerichtet erweist. Bei der Subventionierung, den Preisgarantien und den Normvorschriften (Automobilindustrie) haben wir es 20 Jahre schwarz auf weiß bekommen, dass es nicht funktioniert. Der Bundesrechnungshof hat gesagt, ihr macht viel zu viel und vor allem unnütz. Ich hasse nichts mehr in meinem Leben, als etwas unnütz zu tun. Wenn wir in 10 oder 20 Jahren darstehen und zu dem Schluss kommen, mit dem Ausbau der Erneuerbaren hakt es immer noch und die Leute fahren immer noch viel zu viel Benziner, werde ich wahnsinnig. In 20 Jahren bin ich ziemlich alt. Und irgendjemanden würde ich in der Situation umbringen. Garantiert.

      Also vertrauen wir auf das, was wir erprobt haben. Was funktioniert hat. Das ist genug. Ja, wir werden daran arbeiten müssen, die großen Blöcke zusammenzubinden. Das ist eine wahnsinnige Aufgabe, keine Frage. Aber, garantiert, ist das mit weltweit bereits eingeführten Zertifikatehandeln wesentlich leichter als zu Agreements zu kommen, wie viel wer wo was subventionieren darf. Und selbst wenn es nicht gelingt, haben wir immer noch (die; Plural) europäischen Systeme, das amerikanische und andere Insellösungen. Auch das ist jetzt schon mehr als was wir über Subventionitis (die noch dazu unwirksam ist) erreichen können.

      Lassen Sie es sich auf der Zunge zergehen: die bisherige Politik ohne Zertifikatehandel hat selbst unter theoretischen Annahmen über 3.500 Euro pro vermiedene Tonne CO2 gekostet. Im Zertifikatehandel kostet dieser Fortschritt lediglich 50€ (aktuell). Ich brauche da nicht zu überlegen, wem ich das Schicksal der Welt anvertrauen würde.

  • Lemmy Caution 9. August 2021, 07:53

    Die übliche Milchmädchenrechnung.
    Subventionierung von Windenergie ermöglichte erst, das sich Unternehmen wie Nordex und Enercon auf dem Weltmarkt etablieren konnten. Ausserdem gibt es viele reine Projekt-Entwickler ohne eigene Herstellung, die v.a. auch international sehr aktiv sind.
    Insgesamt kann die Windenergie als Lehrbuchbeispiel für das infancy industry argument angesehen werden. Auch die sehr kompetitive dänische Windenergie (Vestas) entstand nicht durch irgendwelche künstlichen Sekundärmärkte sondern durch gute alte staatliche Subventionen.
    https://www.deutschland.de/de/topic/umwelt/windkraft-ist-in-daenemark-ein-erfolgsmodell . Weitere technologischen Durchbrüche gelangen den Chinesen in der Solartechnologie. Mir kann keiner erzählen, dass die Voksrepublik die dafür nötigen ökonomischen Rahmenbedingungen mit Zertifikate-Handel und nicht mit Subventionen erreichte.
    Der Zertifikate-Handel kann nur deshalb halbwegs funktionieren, weil über staatliche Subventionen die technologischen Alternativen in der Stromerzeugung erst geschaffen wurden. Beides, d.h. die Subventionen und die Regeln für den Zertifikate-Handel, muss sowieso ständig angepasst werden.

    • CitizenK 9. August 2021, 08:23

      Danach wollte ich auch gerade fragen. Die Photovoltaik (PV) bleibt ja ganz außen vor. Dabei kann sie durchaus einen Beitrag leisten, auch wenn Stefan P („in unserem sonnenarmen Land“) das nicht wahrhaben will.

      Mein Nachbar (Physiker) hat so ein Ding auf dem Dach und die Erzeugung reicht für seinen Haushalt und für sein E-Auto – und das bei einem nach Norden geneigten Dach. Das mal 1 Million hätte durchaus einen Effekt – all die Gewerbegebäude und Parkflächen noch gar nicht mitgerechnet.

      • Stefan Pietsch 9. August 2021, 09:08

        Was ist dagegen zu sagen? Nichts, außer, dass er, wenn es rentabel und sinnvoll ist, nicht einer EEG-Umlage bedarf. Und bedenken Sie: 2045 darf ohnehin kein Strom mit Kohlenstoff mehr erzeugt werden, auf dem Weg dahin wird die Energie aus Kohle und Gas wegen EU ETS immer teurer. Dem Nachbar dann noch ordentlich Geld zu überweisen, weil er sich Solarpanel aufs Dach legt, wäre zweimal zu bezahlen.

      • Lemmy Caution 9. August 2021, 17:55

        Solarpanele wurden in der Bundesrepublik zeitweise sehr stark subventioniert. Ob solche Kleinanlagen wirklich effizient sind, würde ich in Frage stellen. Schließlich gibt es sowas wie economies of scale. In Chile wird in der Atacama Wüste aktuell ein Solarkraftwerk gebaut, das 238.000 Haushalte 24 Stunden mit Strom versorgen kann…

    • Stefan Pietsch 9. August 2021, 09:04

      Merken Sie wirklich nicht, was für ein unsympathisches Bild Sie von uns allen zeichnen? Wir sind nur fähig, Unternehmen und erst recht eine Industrie aufzubauen, wenn wir eine starke lenkende Hand des Staates haben. Ist das Ihre Beobachtung und warum sind ausgerechnet Staaten ohne starke Industriepolitik wie die USA oder Israel so exzellent im Aufbau neuer Strukturen?

      Könnte es sein, dass Sie die Milchmädchenrechnung aufstellen? Zahle einen Euro und Du bekommst einen Euro Industrieaufbau. Eine halbe Billionen Euro werden wir allein bis 2025 in den bisherigen Aufbau der erneuerbaren Primärenergieträger investiert haben, das sind zweidrittel der gesamten Steuereinnahmen eines Jahres. Und davon macht die EEG-Umlage, die wir angeblich benötigen, damit Menschen Solar auf ihr Dach legen und eine drehende Spargel aufbauen, über 80% der Kosten aus. Die bekommen aber nicht nur diese Umlage, die bekommen noch einen Marktpreis für ihren erzeugten Strom.

      Wie wollen Sie ein so riesiges, internationale Vernetzung benötigendes Projekt wie den Weg zur Klimaneutralität steuern, wenn Sie, wie Sie sagen, permanent nachjustieren müssen? Das können Sie in einem kleinen Labor, doch schon in einem demokratischen Land brauchen Sie dafür politisch schwere und oft heikle Abstimmungsprozesse. Für jede Anpassung müssen Sie Mehrheiten organisieren. Und dann wollen Sie das noch mit der EU mit 27 Mitgliedsländern, wo teilweise Einstimmigkeitsprinzip erforderlich ist. Und wenn das geschafft ist, benötigen Sie Einigkeit in der UNO. Da gebe ich Ihnen Brief und Siegel drauf, das ist der Weg, das Projekt total fehlzusteuern.

      Was ist denn Ihre Erfahrung in großen Unternehmen mit Projektsteuerung? Der Eigentümer / Top-Management greift täglich / monatlich / permanent in die kleinen Zahlen ein, um das Projekt zum Erfolg zu bringen? Mit Sicherheit nicht. Auf höchster Ebene werden Globalzahlen festgelegt, die bestehen bleiben. Für die Durchführung sind das mittlere und untere Management verantwortlich. Da justiert nicht ständig die obere Instanz nach. Da würde ja der Hund in der Pfanne verrückt. Wenn der Beschluss lautet, im Konzern wird der Personalstand um 20% reduziert, dann braucht niemand mit dem CEO zu diskutieren, ob es nicht auch 19% tun. Und die Kriterien (Wirtschaftlichkeit) sind für alle bindend.

      Ich habe hier irgendwann festgelegt, dass ich nicht über die Industriepolitik einer Diktatur spreche. Das können Sie nicht vergleichen. Deutschland hat übrigens auch versucht, eine Solarindustrie aufzubauen. Es endete mit der Insolvenz aller Marktunternehmen und dem Abgreifen der Subventionen durch chinesische Billiganbieter. Das ist wohl kaum ein Ausweis für den Erfolg unserer Industriepolitik. Frankreich macht auch Industriepolitik in großem Maßstab. Dafür sind die französischen Unternehmen kaum noch wettbewerbsfähig.

      Es wird ständig behauptet, wir hätten keine Zeit mehr. Aber wir wollen ständig neue Wege erkunden. Dabei sind es immer die alten, erfolglosen.

      • Lemmy Caution 9. August 2021, 16:35

        Sehr viel Strohmann in den Argumenten.

        SP: Wir sind nur fähig, Unternehmen und erst recht eine Industrie aufzubauen, wenn wir eine starke lenkende Hand des Staates haben.

        AJ: Wo habe ich das gesagt? Ich hab lediglich aufgrund von nachprüfbaren empirischen Befunden konstatiert, dass für den Aufbau der regenerativen Energien staatliche Subventionen offensichtlich eine positive Rolle spielten. Wenn das nicht in ihr Weltbild passt… Don’t shoot the messenger.

        SP: Könnte es sein, dass Sie die Milchmädchenrechnung aufstellen? Zahle einen Euro und Du bekommst einen Euro Industrieaufbau.
        AJ: Wo habe ich DAS jemals behauptet? Ich habe lediglich gesagt, DASS im Bereich erneuerbare Energien offenbar die Anschubfinanzierung durch den Staat mithalfen, eine kompetitive Industrie aufzubauen. Im übrigen setzt Ostasien als dynamischste Region stark auf Industriepolitik. Ich schließe daraus aber nicht, dass Industriepolitik immer erfolgreich ist. Argentinien ist ein fantastisches Beispiel für eine Art ökonomische Dauerkatastrophe, wohl auch auf Grund von hyperaktiver Industriepolitik.

        SP: Wie wollen Sie ein so riesiges, internationale Vernetzung benötigendes Projekt wie den Weg zur Klimaneutralität steuern, wenn Sie, wie Sie sagen, permanent nachjustieren müssen?
        AJ: try google „emmissionen handel nachjustierung“

        SP: Was ist denn Ihre Erfahrung in großen Unternehmen mit Projektsteuerung?
        AJ: In meinem Projekten sieht das in aller Regel so aus, das wir management-induzierte Globalvorgaben wegen irgendwelchen falsch verstandenen Hypes oft erfolgreich abteilungsübergreifend ausbremsen. Der technologische Fortschritt gelangt in aller Regel über U-Boot-Projekte in die Unternehmens-ITs zumindest dieses Landes.
        Aber ich arbeite ja an der Automatisierung von Geschäftsprozessen, d.h. ein irgendwie auch relativ reifes Umfeld, auch wenn die Plattformen einen wirklich kurzen Lebenszyklus haben. Der Aufbau einer Industrie mit hohen Investitionen in physische Fabriken und so Zeug ist ein ganz anderer Markt mit Marktkräften, die sich von denen auf „meinem“ Markt unterschieden.

        Vieles ist halt schlicht und einfach kontextabhängig, auch wenn Leute, die gerne die Antworten auf alle Fragen haben, genau das nicht mögen.

        • Stefan Pietsch 9. August 2021, 17:37

          Ich bekomme von den nach Eigenansicht vehementesten Klimaschützern die zentralen Aussagen nicht zusammen.

          (1) Der Klimawandel ist ein globales Problem. Nur wenn alle mitmachen, können wir die Krise meistern.
          (2) Jedes Land, jeder einzelne muss sich anstrengen.
          (3) Wir haben keine Zeit.

          Das lässt sich leicht aufschreiben (und fordern), ist in sich aber vollkommen widersprüchlich. Ein globales Problem lässt sich nur global lösen. Wenn es darauf ankommt, dass jeder mitmacht, dann ist die Vetomacht des Einzelnen maximal groß. Das sehen wir in der Europäischen Union. Und wenn wir Deutschen mit gerade einem Anteil von 1,7% am weltweiten CO2-Ausstoß uns aus dem Kreis der Emittenten verabschieden, haben wir auch kein Mitspracherecht mehr. Das ist wie bei der Gruppe der Bankräuber. Einer ist bereits zur Polizei und hat sich gestellt. Die anderen verhandeln miteinander, ob sie sich ehrlich machen sollen. Der bereits Geständige hat keinen Einfluss mehr auf seine Ex-Komplizen. Wenn wir keine Zeit haben, warum setzen wir auf all das, was uns in der Vergangenheit misslungen ist?

          Können Sie das plausibilisieren?

          Sie haben hoffentlich den Artikel gelesen:
          Die Bedingungen in dem Land mit gut 7.000 Kilometern Küste sind ideal.

          Deutschland ist nicht Dänemark, dazu genügt ein Blick auf die Karte. Weiter sagen uns Studien, dass Deutschland weit windärmer als Dänemark ist. Wenn Dänemark mit einiger Kraftanstrengung seine Energieversorgung mit Windkraft wird decken können, warum sollte das ein Beleg sein, dass es in Deutschland genauso möglich ist? Wir können z.B. gar nicht so viele Offshore-Windparks bauen. Und während der Versorgungsweg in Dänemark von dem auf See erzeugten Wind zum Land denkbar kurz ist, liegen zwischen Nordsee und Münchner Land 900 km.

          Zu den für das ganze Land positiven Nebeneffekten gehört die mit hohen Exporteinnahmen verbundene Spitzenposition der dänischen Hersteller von Windkraftanlagen. Diese werden allerdings von der Konkurrenz aus China immer stärker bedrängt. Auch kann in Dänemark selbst zusätzliche Kapazität praktisch nur noch auf See gebaut werden.

          Das wirft mehrere Fragen auf: Warum schließt Deutschland nicht einfach mit Dänemark einen Vertrag über den Import von EE-Strom? Ist das auf Subvention aufgebaute Geschäftsmodell ohne diese nicht tragfähig?

          Die Konkurrenz von Nordex heißt Vestas und existiert seit dem 19. Jahrhundert. Auf dem deutschen Markt ist das Unternehmen seit 1986 tätig. Das Unternehmen ist mit 6-8 Prozent EBIT-Marge hoch profitabel, Nordex dagegen seit längerem defizitär. Nur mal so auf die Schnelle, dass Subventionen eben nicht ein erfolgreiches Unternehmen bauen. Damit hat sich eines Ihrer zentralen Argumente pulverisiert. Sorry. 😉

          Auch das zweite Argument funktioniert da nicht. Die wirklich erfolgreichen Unternehmen bilden sich auch ohne Subventionen. Nochmal, und das weiß ich aus Innenansichten wie als Prüfer: Subventionen schaffen unternehmensintern Abhängigkeiten. Sie werden zu Selbstverständlichkeiten, statt an Kostenstrukturen und Effizienzen zu arbeiten. Ein einmal subventionsabhängiges Unternehmen zu entwöhnen ist ähnlich schwer wie einen Drogenabhängigen von der Nadel wegzubekommen. Gelingt oft nicht.

          emmissionen handel nachjustierung. Die Googelei war nicht sonderlich erfolgreich. Ich vermute, Sie spielen darauf an, dass einzelne Industrien und Unternehmen Erleichterungen bei der Politik durchdrücken wollen. Ach nee, mal was Neues? Dort, wo die Politik Rahmen setzt, ist sie immer auch dem Druck der Marktteilnehmer ausgesetzt. Nur, Sie glauben nicht ernsthaft, dass das bei Subventionen, Preisgarantien und Richtwerten anders ist? Googeln Sie mal Nordex Subventionen. 🙂 Durch den Zertifikatehandel wird der Politik der Druck ein ganzes Stück genommen. Das Pariser Klimaabkommen wurde von der EU gezeichnet und von allen Mitgliedsländern ratifiziert. Damit hat die Kommission Autonomie bei der Setzung der Reduktionsraten. Keine nationale Regierung kann darauf Einfluss nehmen. Und um dem EU ETS zu entkommen, müsste ein Mitgliedsland schon aus der EU austreten, so wie Großbritannien. Nun behaupten Sie hoffentlich nicht, dass die Berliner Regierung ähnlich frei agieren könnte.

          Es bleibt aber der Punkt: Nachjustierungen sind der sichere Weg, das Projekt zum Entgleisen zu bringen. Ich sehe auch von Ihnen keine Strategie, einen klaren Pfad mit Subventionen hinzubekommen. Denn es gibt ihn nicht.

          • Lemmy Caution 9. August 2021, 19:24

            wegen mir können wir beim Du bleiben.
            SP
            (1) Der Klimawandel ist ein globales Problem. Nur wenn alle mitmachen, können wir die Krise meistern.
            (2) Jedes Land, jeder einzelne muss sich anstrengen.
            (3) Wir haben keine Zeit.

            AJ Du machst jetzt ein neues Fass auf. Du weißt doch, dass ich bezüglich – sagen wir – kompetitivem Diskussionsstil durch die Schule von einigen durchgeknallten hardcore Linken gegangen bin.

            SP Dänemark
            AJ Dänemark hat mit Vestas einen kompetitiven Anbieter für Windenergie, wir ebenfalls. Beide Länder haben durch Subentionen den Aufbau der Windenergie erfolgreich gefördert. Nordex ist zeitweise defizitär, aber weit davon entfernt ein hoffnungsloser Penny-Stock zu sein. Wenn sie mittelfristig nicht profitabel werden, soll das Unternehmen vom Markt verschwinden. Die dann noch zu unterstützen wäre Industriepolitik a lo argentino. In dem Kontext bin ich auf der Seite der Neoliberalen. Javier Milei gestern abend in Buenos Aires. Wird unsere FDP so nie hinbekommen und es ist gut so, aber schon irgendwie einzigartig der Typ:
            https://twitter.com/PopulismUpdates/status/1424444180667854852 (Spanisch mit englischer Übersetzung)

            Vor allem schafft die Windenergie viele Arbeitsplätze bei Projekt-Entwicklern, die auch sehr stark im Ausland aktiv sind. Mein Cousin wird sein ganzes Arbeitsleben in der Branche verbringen und arbeitet mit mitte 50 und 3 Kindern inzwischen nur noch freiwillig. Pekuniär hat er ausgesorgt. Solche Arbeitsplätze sind es wert geschaffen zu werden.

            SP Die wirklich erfolgreichen Unternehmen bilden sich auch ohne Subventionen.
            AJ Vestas hat eine Menge an Subventionen erhalten (siehe Link in vorherigen Posting). Ich hab einen großen Teil meiner Anlagen in Ostasien ETF und bin aus stark DJI übergewichteten World msci raus. Wegen der guten Zukunftsaussichten auch dank einer offenbar funktionierenden staatlichen Industriepolitik.
            Auch in Deutschland gibt es nicht gerade wenige Innovationen, die von stark staatlich unterstützten Institutionen entwickelt werden, z.B. mp3 vom Fraunhofer Institut.

            • Stefan Pietsch 9. August 2021, 19:56

              Klar, da komme ich durcheinander, hatte ich Dich gesiezt? Ich seh’s.

              Das steht bei mir über allem. Was ist mein globales Ziel? Mit welcher Maßnahme will ich mein Ziel erreichen? Danach geht’s top-down, aber das ist in weiten Teilen eben schon nicht mehr Teil der Politik. Wenn ich aber oben Widersprüche habe, kann es unten nichts werden.

              Gerade heute auf WELT veröffentlicht, leider hinter einer Paywall. Der Artikel nimmt im wesentlichen auf eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft Bezug:
              Deshalb überrascht es, wenn das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer neuen, noch unveröffentlichten Studie zu dem Ergebnis kommt: „Trotz großer Hoffnungen war die Exportperformance von deutschen Gütern zur Erzeugung erneuerbarer Energien bislang enttäuschend.“

              Alles nicht gut für Deine Argumentation.

              Doch die IW-Studie weckt Zweifel an der pauschalen Gültigkeit dieser vermeintlichen Gewissheiten. Zwar zeigen sich die Forscher etwa beim deutschen Maschinenbau auch eher optimistisch. Doch im wichtigen Bereich der Ökostrom-Technologie made in Germany müssten die Erfolgschancen auf dem Weltmarkt aus Sicht der Wissenschaftler kritisch hinterfragt werden: „Die handelsökonomischen Voraussetzungen für eine längerfristig wettbewerbsfähige Produktion von wichtigen Gütern zur Erzeugung erneuerbarer Energien erscheinen am Standort Deutschland in der Breite nicht ausreichend gegeben.“ (..)

              Nicht überall sehen sie Vorteile für eine langfristige Produktion in Deutschland. Sinnvoll sei dies nur dann, wenn die Technologien nicht zu leicht standardisierbar oder kopierbar und auch die Transportkosten nicht zu hoch seien. Gerade bei Gütern zur Erzeugung erneuerbarer Energien seien diese Voraussetzungen meist nicht ausreichend gegeben. Zudem müsse bedacht werden, dass China mit niedrigen Produktionskosten und industriepolitischen Subventionen auch massiv auf diesen Bereich setze. (..)

              Deshalb empfehlen die Wissenschaftler bei klimapolitisch motivierten Förderprogrammen zu berücksichtigen, in welchen Bereichen Deutschland auch dauerhaft komparative Vorteile hat. „Anderenfalls besteht die Gefahr, dass mit hohen Subventionen neue Kapazitäten aufgebaut werden, die bei einer Förderkürzung wieder in sich zusammenbrechen“, heißt es mit Verweis auf die Erfahrungen mit der deutschen Solarförderung zu Beginn der Energiewende: „Deutsche Steuergelder fließen dann am Ende in den Aufbau von Wissen und Produktion im Ausland.“

              Ich hätte es nicht besser sagen können. Das ist eben auch meine langjährige Berufserfahrung, weshalb ich für mich gesagt habe, ich arbeite grundsätzlich nicht für subventionsabhängige Unternehmen. Ich war einmal in die Sarnierung eines solch geschädigten Unternehmens involviert, das hat mir gereicht.

              Auch in Deutschland gibt es nicht gerade wenige Innovationen, die von stark staatlich unterstützten Institutionen entwickelt werden, z.B. mp3 vom Fraunhofer Institut.

              Der Haken an der Geschichte: diese Technologien (Flachbildschirme, Handys) mit mittlerem Anspruchsniveau wander(te)n schnell nach Asien, um sie dort billiger zu produzieren. Das hat eben nichts Dauerhaftes.

              • Lemmy Caution 10. August 2021, 00:47

                SP: Das steht bei mir über allem. Was ist mein globales Ziel? Mit welcher Maßnahme will ich mein Ziel erreichen? Danach geht’s top-down, aber das ist in weiten Teilen eben schon nicht mehr Teil der Politik. Wenn ich aber oben Widersprüche habe, kann es unten nichts werden.

                LC: Diese top down Denke zeigt sich in meinem Berufsaltag problematisch. Strategische IT Entscheidungen, die von sogenannten Architekten und ihren Beratern beschlossen werden, erweisen sich oft nach ersten Prüfungen als kontraproduktiv, weil sie entscheidende Details, die im Internet umfassend dokumentiert sind, außer Acht lassen. Meine Erklärung dafür ist absolut zynisch: Der Text wirkt dann für technologisch weniger erfahrene Entscheidungsträger stringenter. Letztlich halte ich das für ein Kahnemann-Phänomen (Thinking, fast and slow). Dabei kann es sich aber um ein besonders in meiner Branche virulentes Phänomen handeln. Vielleicht liegts aber auch an meinem aktuellen Kunden. 4 Jahre ist eh zu lang. Auch weil ich jeden Tag das Gefühl habe, das mittlere Management zu gelernter Hilflosigkeit zu erziehen.

                Bezüglich der Industriepolitik bin ich ja dafür, dass man den Geldhahn sofort abdrehen muss, sobald eine Etablierung auf dem Weltmarkt unwahrscheinlich wird. Kenn mich damit nicht aus, aber vielleicht liegt hier genau die Stärke der ostasiatischen Industriepolitik.
                Auf der anderen Seite können wir auch nicht einfach jedes Feld den Chinesen überlassen. Zumindest wurde die deutsche Solartechnologie dann ja auch schnell abgewickelt, was ich wie gesagt absolut begrüsse.
                Nochmals: Als early adopters in regenerativen Energien haben wir zumindest eine hohe Dichte an Projekt-Entwicklungs-Unternehmen geschaffen, also letztlich eine stete Quelle an Dienstleitungsexporten.
                Wir haben noch vielleicht aktuell defizitären Windkraft-Anlagen-Hersteller. Entweder die schaffen es wieder in die Gewinnzone oder sie konnten sich halt gegen ebenfalls industriepolitisch subventionierte dänische und chinesische Wettbewerber nicht durchsetzen. Sowas passiert. Mein Cousin meinte einmal, dass die deutschen Produkte effektiver, aber komplexer und teurer wären. Vielleicht wieder so ein Ding wie mit den Panzern in WK II in Vergleich zu den russischen. Zumindest haben diese Unternehmen die technologische Entwicklung ein Stück nach vorne getragen. Werd mal meinen Cousin um ein Statement bitten.

                Mp3 hat nichts mit Flachbildschirmen und Handys zu tun. Das ist ein komplexes Verfahren zur Kompression von Audio-Daten.

                • Stefan Pietsch 10. August 2021, 11:01

                  Top-Down ist verkürzt dargestellt. Vieles beginnt mit Botton-up, so werden Budgetprozesse und Investitionen angestoßen. Dann aber geht es hierarisch zu. Bevor Entscheidungen getroffen werden, findet ein Evaluierungsprozess statt. Besonders professionell läuft das bei Private Equity (PE), weshalb ich in diesem Umfeld vorzugsweise arbeite.

                  Deine Erfahrung kann ich trotzdem nachvollziehen, sie ist bei bei IT-Projekten häufig. Die meisten (Top-) Manager können die Qualität und die Eignung von IT-Systemen nicht einschätzen, das Wissen über Bites & Bytes bei den 50jährigen Plus ist überschaubar. Ich bin da eine Ausnahme, was für mich ein enormes Marktasset darstellt. 🙂 Allerdings ist das Know-how in den unteren Altersgruppen, wenn es nicht gerade um Internet und Smartphone geht, auch nicht besonders ausgeprägt. Die Deutschen mögen halt Mathematik und Informationstechnologie nicht so sehr.

                  Dennoch: jedes Projekt benötigt Stringenz, permanente Anpassungen sind tödlich. Sie sind Ausweis, dass das Projekt von Anfang an nicht richtig aufgesetzt und durchdacht wurde. In der Demokratie funktioniert so etwas schon dreimal nicht, siehe Corona-Pandemie. Nach einem Jahr reicht’s den Leuten.

                  Bezüglich der Industriepolitik bin ich ja dafür, dass man den Geldhahn sofort abdrehen muss, sobald eine Etablierung auf dem Weltmarkt unwahrscheinlich wird.

                  Gute Absicht. Das Gegenteil ist in der Realität zu beobachten. In dem Moment, wo eine Industrie / Unternehmen aufgebaut wurde, bestehen gewaltige Interessen, die weit besser organisiert sind als die ökonomisch-rechtlichen Prinzipien. Schau‘ Dir die Corona-Rettungspolitik an. Fußballclubs durften schnell ihren Geschäftsbetrieb wieder aufnehmen, kleine Händler und Kulturbetriebe nicht. Alt-Unternehmen wie die TUI und die Lufthansa erhielten Milliardenbeträge, obwohl sie ein längst überholtes Geschäftsmodell praktizieren und sich der Markt anders entwickelt hat.

                  Auf der anderen Seite können wir auch nicht einfach jedes Feld den Chinesen überlassen.

                  Das ist keine Frage politischer Opportunität. Es ist auch nicht relevant, wer als erstes einen Markt / Produkt aufgetan hat. Semester Schumpeter: dann kommen schnell die Kopierer. Wenn das Produkt von niederem und mittlerem technologischen Anspruchsniveau ist, wird es entsprechend schnell nachgeamht und von Billiganbietern zu niedrigeren Preisen angeboten werden können. Als hochentwickelte Industrienation gerade auf solche Technologien zu setzen, ist eine wirtschaftspolitische Torheit. Nein, unser Asset ist der absolute Hochtechnologiebereich, SAP und BioNTech. Das ist wenig und es zeigt wie schlecht unsere Wirtschaftspolitik tatsächlich ist.

                  Mp3 hat nichts mit Flachbildschirmen und Handys zu tun.

                  Sag‘ mal, hältst Du mich für so blöd? 😉 Es ging um Technologien mittlerem Levels, die in Deutschland entwickelt, aber schnell kopiert wurden. Q.e.d.

                  • Thorsten Haupts 10. August 2021, 11:51

                    Nein, unser Asset ist der absolute Hochtechnologiebereich, SAP und BioNTech. Das ist wenig …

                    Sehr kenntnisreich ist das nicht, zeigen auch die gewählten Beispiele. SAP ist von Hochtechnologie weit entfernt (im Kern nichts anderes als eine ERP-Datenbank-Bude). Selsbtverständlich haben wir einen ganzen Haufen von Hochtechnolgie-Firmen, im weitgehend mittelständischen Maschinen- und Anlagenbau oder in der Werkstofftechnologie. Und weitere Branchen, die sich meiner Kenntnis entziehen (ich kenne meine Grenzen …).

                    Für einen ersten Einstieg;
                    https://www.gtai.de/resource/blob/63824/b43c3f08a45892076323cf4c40f3b4a7/economic-overview-germany-market-productivity-innovation-en-data.pdf

                    Und ich bin persönlich ziemlich glücklich darüber, dass sich die Wirtschaftspolitik in Deutschland (z.B. im Vergleich zu Frankreich) aus den Unternehmen weitgehend raushält, sonst stünden wir mit hoher Wahrscheinlihkeit schlechter da.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 10. August 2021, 12:06

                      SAP ist nach wie vor das mit Abstand Beste auf dem Markt. Oracle, JDEdwards, schon gar nicht DATEV und all die anderen ERP-Systeme können in Nutzerfreundlichkeit und Umfang nicht mithalten. Und das sage ich aus der Perspektive von jemanden, der schon mit allen namhaften Systemen gearbeitet hat. SAP lässt sich dann eben doch nicht so leicht kopieren. Zur weiteren Kenntnis: Ich konstruiere selbst Datenbanken auf kleinem Niveau. Na ja, nicht völlig klein. Aktuell baue ich ein Buchhaltungsprogramm zur Verwaltung von Wertpapieren. Gibt es so nicht kostenlos im Netz und dann kann ich es gleich auf meine Bedürfnisse ausrichten.

                      Was internationale Investoren seit Jahren an der deutschen Gründerszene beklagen, ist die geringe Quantität im Hochtechnologiebereich. Dazu haben wir zu wenige nationale Investoren, die Start-ups unterstützen. Fraglos haben wir solche Firmen, aber eben gemessen an der Einwohnerzahl und dem BIP sehr wenige. Schauen Sie mal nach Israel, in Tel Aviv schießen die jeden Tag wie Pilze aus dem Boden, wachsen rasend schnell und können dann von großen internationalen Konzernen gekauft werden. Die Start-up-Industrie in dieser weltoffenen Stadt ist phantastisch. Also, etwas Ahnung billige ich mir schon zu. 😉

                      Man kann für Vergleiche den Standard auch sehr niedrig hängen.

                    • Thorsten Haupts 10. August 2021, 13:30

                      Nö, Sie machen nur den ziemlich typischen Fehler aller IT-affinen Leute, IT/TK für den einzig relevanten Bereich von Hochtechnologie zu halten. Und daraus ihre Schlussfolgerungen abzuleiten. Sie kennen eben Ihre Grenzen nicht – aber das ist für Vorstandsmanager praktisch eine Funktionsbedingung, von daher …

                      Amüsierter Gruss,
                      Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 9. August 2021, 13:57

    Insgesamt kann die Windenergie als Lehrbuchbeispiel für das infancy industry argument angesehen werden.

    Unter der Nebenbedingung, dass Kohle und Öl ihre niedrigen Gestehungskosten halten konnten, stimmt das sogar. Unter einem Zertifikatehandel, der CO2 Ausstoss deutlich früher und energischer verknappt hätte, hätte sich das marktwirtschaftlich von selbst entwickelt (schlicht wegen des Drucks, es zu entwickeln. Oder was völlig anderes, jedenfalls CO2 arm).

    Dazu kommen ja noch die vielen Versäumnisse dieser Windenergieentwicklung: Zur Zeit liegen mehr als ein Dutzend Projekte auf Eis – Hauptgrund fehlende Logistik (Spezialschiffe auf Jahre ausgebucht). An die notwendigen Energiespeicher. die wir wegen der irrsinnig hohen Schwankungen von Solar- und Windstrom brauchen, sind wir noch nicht einmal rangegangen. Und alle grossen Energieprojekte haben einen Zeithorizont von 10+ Jahren, Hauptgrund deutsches Planungs- und genehmigungsrecht. Für diese drei Hauptprobleme gibt es z.B. bei den GRÜNEN exakt 0 Anzeichen, dass man das überhaupt erkannt hat, geschweige denn, angehen will.

    Ich habe übrigens keine Einwände gegen eine zeitlich klar begrenzte Anschubfinanzierung neuer Techniken, weil das auch einen Anreiz dafür schafft, zu einem vorbestimmten Zeitpunkt auf eigenen Beinen stehen zu müssen. Das EEG ist das Gegenteil davon und eine ökonomisch völlig untaugliche Lösung.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • FS 9. August 2021, 20:09

    Nur mal so ein paar kritische, teilweise rhetorische, Nachfragen:
    – Welche Regierung war 2003 in Deutschland an der Macht, als das EU-ETS auf EU-Ebene beschlossen und durch den Ministerrat abgesegnet wurde? Wer war damals Umweltminister?
    – Welche Partei ist in den letzten 16 Jahren in Deutschland in Regierungsverantwortung gewesen, in denen sie problematische Aspekte des EEG aus dem Gesetz nehmen konnte? Und welche Partei ist nebenbei in den letzten 16 Jahren nicht mehr in Regierungsverantwortung auf Bundesebene gewesen? Welchen Bundesminister für Wirtschaft und Energie spricht der Bundesrechnungshof da eigentlich an?
    – Wie häufig wurde das EEG in den letzten 16 Jahren novelliert? Kann man unter dieser Maßgabe wirklich noch davon sprechen, dass die Verantwortung für diese Politik bei einem Umweltminister von vor fast 20 Jahren liegt?
    – Wurden bzw. werden wirklich ALLE Zertifikate des EU-ETS versteigert (kleiner hint: im Dashboard einfach mal einen Reiter weiter schauen, und dann unter ETS information noch Punkt 1.3 anmarkern)? Wie würde man denn ökonomisch eine kostenfreie Weitergabe eines Nutzungsrechts, das bei bestimmtem Verhalten in einen geldwerten Vorteil übertragen werden kann, nennen? Kann so ein Verhalten seitens der EU wirklich effizient sein?
    – Welche Bundesregierung hat 1999 eine sogenannte Ökosteuer eingeführt, die wie der Zertifikatehandel Emissionen senken soll, in dem sie den Preis der Emissionsgüter erhöht? Sind die Wirtschaftssektoren, die nicht unter das ETS fallen, von der Ökosteuer betroffen? Wann wurden die Steuersätze dieser Steuer dass letzte Mal erhöht? Wer war da an der Regierung? Und wer Umweltminister?

    • Stefan Pietsch 9. August 2021, 21:06

      Ich finde die Fragen an keiner Stelle kritisch. Das ist das, was am meisten fehlt. Sie sind einzig parteipolitisch, wo es nicht um Parteipolitik geht. Mehr weiter unten.

      – EU ETS folgte zwingend aus Kyoto, das noch von der Kohl-Regierung ratifiziert mitverhandelt und ratifiziert wurde. Rot-Grün kam allein administrativer Charakter zu, wie immer, wenn internationale Maßnahmen ausverhandelt sind. Genauso könnten Sie übrigens fragen, wer damals in Frankreich, Italien oder Spanien die Regierung führte. Auf der anderen Seite habe ich Kyoto nie der schwarz-gelben Kohl-Regierung zugerechnet. Lassen wir also den Blödsinn.

      – EU ETS wird sehr autonom von der EU-Kommission administriert entsprechend der Europäischen Verträge. Einzelne Mitgliedsländer haben praktisch keine Möglichkeit, Änderungen bei der Kommission zu erwirken, jedenfalls nicht auf dem verfassungsrechtlichen Wege.

      – Wie in der Artikelserie ausgeführt, sind die Deutschen Marktinstrumenten eher ablehnend gegenüber eingestellt. Die Grüne Partei – so auch geschrieben – prononziert da die Einstellungen der Gesellschaft, sonst könnte sie nicht im internationalen Vergleich so hohe Zustimmungswerte erreichen. EU ETS war keine Erfindung Deutschlands, Umweltminister Klaus Töpfer befürwortete Anfang der Neunzigerjahre eher eine Kohlenstoffsteuer. Entscheidungen dieser Art haben eine sehr lange Tragweite. Man kann nicht einfach mal eine EEG-Umlage einführen, Preisgarantien für ein Jahrzehnt erteilen und behaupten, eine Nachfolgeregierung hätte das ja schnell ändern können. Das war unter Trittin eine Grundsatzentscheidung. Umweltminister Gabriel hat die Preisgarantien zurückgenommen, gleichzeitig damit aber auch den Anreiz zum Ausbau der Erneuerbaren, was ihm dann von den Grünen zum Vorwurf gemacht wurde. Aber tatsächlich hätte der ursprüngliche Ansatz das Land ruiniert. So hat man heute halt die schlechteste aller Welten: hohe Zahlungen, geringe Kapazitäten.

      – Es ist für die Funktionsweise des Zertifikatehandels völlig nachrangig, ob die Verschmutzungsrechte versteigert, verkauft, verschenkt oder verlost werden. Das Entscheidende ist die Erzeugung von Knappheit. Alles andere ist nur für politische Scheindebatten von Interesse.

      Deutschland hat 2020 ein weiteres Cap & Trade für Mineralöl eingeführt mit einem festgesetzten Preis. Das zeigt, dass die Deutschen das System nicht verstanden haben. Der Preis ist mit 25 Euro festgesetzt, mit jährlicher Anhebung. Zum Vergleich: die europäische Allowance liegt bei einem Marktpreis von 50 Euro. Warum kostet die Tonne CO2 im Energiesektor marktgerecht 50 Euro und beim Benzin nur die Hälfte? Versteht kein Mensch.

      – Die 1999 eingeführte Ökosteuer war aus umweltpolitischer Sicht der größte Unsinn. Ohne jede Lenkungswirkung sollte sie nur Aufkommen generieren. Da war die Anfang des Jahrtausends erfolgte Preissteigerungen auf den Ölmärkten weit effektiver. Also, das ist sicher nicht eine Steuer, die sich Umweltpolitiker als Erfolg ans Revers heften sollten. Denn es war ein totaler Rohrkrepierer mit sämtlichen Fehlern, die Umweltökonomen auflisten können (genau die Fehler hatte ich vier Jahre zuvor in meiner Diplomarbeit beschrieben). 🙂

      • FS 10. August 2021, 15:05

        „Sie sind einzig parteipolitisch, wo es nicht um Parteipolitik geht.“
        Sagt der, der gerade eine mehrteilige Hasstirade über die Grünen schreibt. Jüngst mal in den Spiegel geschaut?

        „EU ETS folgte zwingend aus Kyoto […]“
        Vollkommener Unfug. Die EU hat sich zwar im Rahmen des Kyoto-Protokolls auf eine Senkung der Emissionen in einem gemeinsamen EU-Rahmen festgelegt, daraus folgt aber mitnichten eine Festlegung auf das ETS. Die EU hätte auch mit Steuern oder auch Command & Control-Ansätzen versuchen können, ihre Ziele zu erreichen. Oder auch mit den Einzelstaaten deren Ziele festlegen können, und die Umsetzung dann einfach denen überlassen können. Dass es nach Kyoto einen längeren Prozess der Entscheidungsfindung auf EU-Ebene gegeben hat, ist bester Beleg dafür, dass die Umsetzung nicht nur einen „administrativen Charakter“ hatte. Wie Sie hier nachlesen können: https://climatepolicyinfohub.eu/european-climate-policy-history-and-state-play
        Abschnitt 2.1.: „Except for voluntary agreements with car producers on emissions reductions in 1998 and the Landfill Directive 1999/31/EC to reduce methane in 1999, there was not much concrete progress regarding European climate PAMs in the late 1990s, in the direct aftermath of Kyoto. However, as a result of having to define a strategy to meet the targets, the Community entered a more dynamic phase in climate policy making at the beginning of the new millennium. In the year 2000, the European Climate Change Programme (ECCP) was launched which examined an extensive range of policy sectors and instruments with potential for reducing GHG emissions and developed common and coordinated strategies to fulfil the Kyoto targets. It led to the introduction of the European Emissions Trading Scheme (ETS), […].“
        Und von mir aus können Sie Kyoto gerne auch der schwarz-gelben Regierung zurechnen.

        „EU ETS wird sehr autonom von der EU-Kommission administriert entsprechend der Europäischen Verträge“
        Was hat das mit welcher meiner Fragen zu tun? Abgesehen davon: Das mag heute so sein, ist aber für die Anfangsphasen des EU-ETS (bis zum Beginn der sogenannten Phase 3 in 2013) nicht so gewesen, da die Kommissionen vorher mit den Einzelstaaten jeweils sogenannte National Allocation Plans ausgehandelt hat. Wie Sie sich vielleicht erinnern litt das EU ETS gerade in dieser Anfangsphase mehrmals unter einem Überangebot an Zertifikaten, so dass der Preis viel zu niedrig für eine Anreizwirkung. Auch der ETS galt für viele Beobachter damals als ein „Rohrkrepierer“.

        „Wie in der Artikelserie ausgeführt, sind die Deutschen Marktinstrumenten eher ablehnend gegenüber eingestellt. Die Grüne Partei – so auch geschrieben – prononziert [sic!] da die Einstellungen der Gesellschaft, sonst könnte sie nicht im internationalen Vergleich so hohe Zustimmungswerte erreichen.“
        Haben Sie für den ersten Satz, abgesehen von Ihrem persönlichen Eindruck, eigentlich mal irgendwann in der Serie irgendeinen Beleg angeführt? Und der Schnellschuss, dass die Grünen das auch so machen müssen, weil Sie sonst nicht so hohe Zustimmungswerte erreichen würden wirkt etwas albern, wo Sie den Grünen jüngst noch vorgehalten haben, dass sie in Sachsen-Anhalt komplett ihre eigenen Zustimmungswerte durch übertriebene Forderungen ruiniert hätten. Andersherum hat die CDU natürlich ihre Ergebnisse auf Bundesebene in den letzten 16 Jahren natürlich stringent durch das populistische Wettern gegen die Marktwirtschaft eingefahren? Abgesehen davon frage ich mich auch, wie Sie als jemand, der häufig als Hauptargument gegen eine Sache (Gendern, Migration, etc.) anführt, dass irgendeine „Mehrheit“ der Deutschen das nicht will (inkl. Verweis auf Allensbach-Umfrage), eigentlich für Marktinstrumente argumentieren wollen?

        „EU ETS war keine Erfindung Deutschlands, Umweltminister Klaus Töpfer befürwortete Anfang der Neunzigerjahre eher eine Kohlenstoffsteuer.“
        Ok, zugestanden, dass ich Jürgen Trittin auch nicht für den Erfinder des EU ETS halte. Worauf ich mit meinen Fragen ursprünglich hinauswollte: Trittin hat während seiner Amtszeit das EU-ETS mit verabschiedet, die Ökosteuer mit ausgearbeitet und das EEG umgesetzt. Die ersten beiden gelten Umweltökonomen als Marktinstrumente in ziemlich reiner Form, und selbst das EEG besteht hauptsächlich aus Subventionen, die Umweltökonomen im weitesten Sinne auch als Marktinstrumente ansehen, auch wenn sie immer vor perversen Anreizwirkungen von Subventionen warnen. Wie kommen Sie vor diesem Hintergrund dazu, Trittin (oder den Grünen) zu unterstellen, dass sie ein Problem mit Marktinstrumenten hätten?

        „Entscheidungen dieser Art haben eine sehr lange Tragweite. Man kann nicht einfach mal eine EEG-Umlage einführen, Preisgarantien für ein Jahrzehnt erteilen und behaupten, eine Nachfolgeregierung hätte das ja schnell ändern können. Das war unter Trittin eine Grundsatzentscheidung. Umweltminister Gabriel hat die Preisgarantien zurückgenommen […]“
        Doch, kann man behaupten, denn wie Sie selbst schreiben, hat Gabriel das gemacht, so dass es mit der Langfristigkeit der Preisgarantien offensichtlich nicht weit her war. Sehen Sie selber, oder? Nebenbei: Die Preisgarantien aus dem EEG von 2000 waren m.W. auch nicht nur für ein Jahrzehnt angesetzt, sondern für zwei. Und problemlos hätte jede Regierung, die 2005 an die Macht kam, und der das Ganze ordnungspolitisch nicht in den Kram passte, die Förderung für noch nicht gebaute Anlagen beenden können, dann wäre nur für die bereits gebauten oder im Bau befindlichen Anlagen die Preisgarantie wirksam. Man hat ja auch einen Atomausstieg rückgängig machen können. Soviel zu irgendwelchen „Grundsatzentscheidungen“.

        „Aber tatsächlich hätte der ursprüngliche Ansatz das Land ruiniert. So hat man heute halt die schlechteste aller Welten: hohe Zahlungen, geringe Kapazitäten.“
        Wenn ich mir die Entwicklung der EEG-Umlage so anschaue, so nahm diese NACH der Reform des EEG-Mechanismus durch die Ausgleichsmechanismusverordnung plötzlich einen ganz anderen Verlauf als vorher. https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgleichsmechanismusverordnung
        Ja, und da kann man sich ja irgendwie fragen, ob das nun Schuld des EEG von Jürgen Trittin oder der Grünen gewesen ist, oder der Reformen, die einer seiner Nachfolger durchgeführt hat. Fun-Fact am Rande (Zitat des Wikipedia-Artikels): „Befürworter waren vor allem die liberalen Wirtschaftspolitiker der FDP sowie die großen Elektrizitätsversorgungsunternehmen mit ihren Lobbyorganisationen wie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.“
        Also die, die sich echt mit dem Markt auskennen.

        „Es ist für die Funktionsweise des Zertifikatehandels völlig nachrangig, ob die Verschmutzungsrechte versteigert, verkauft, verschenkt oder verlost werden. Das Entscheidende ist die Erzeugung von Knappheit. Alles andere ist nur für politische Scheindebatten von Interesse.“
        Der erste Satz ist m.E. richtig, nur hatte ich auch nichts anderes behauptet. Der zweite und der dritte Satz zeigen, dass Sie von basaler Wohlfahrts- und Umweltökonomik keine Ahnung haben. Denn über die Erzeugung von Knappheit hinaus erzeugt die Art der Verteilung der Zertifikate Einkommen – entweder bei denen, die die Zertifikate frei erhalten oder beim Staat, der sie versteigert. Im ersteren Fall erhalten die Empfänger der Zertifikate letzten Endes beim Verkauf am Markt für Nichtstun (keine Emission) ein Einkommen. Der Ökonom spricht bei solchen Einkommen ohne eigene Leistung von einer Rente und es gibt eigentlich kaum etwas, wogegen liberale Ökonomen seit der Klassik allergischer sind, als solche Renten. Warum? Nun, sie sind halt leistungslose Einkommen, und wenn man dieses reduzieren kann und demgegenüber Einkommen schafft, die auch einer echten Leistung bzw. einem echten Nutzen gegenüberstehen, dann hat man einen Zustand erreicht in dem gesellschaftlich mehr Wert geschaffen wird, der also EFFIZIENTER ist. Die Umweltökonomie hat sich in einer Flut von Literatur zur sogenannten Doppelten Dividende damit beschäftigt, wie die Steuereinnahmen einer Ökosteuer effizienzsteigernd eingesetzt werden kann. Die exakt gleichen Argumente lassen sich anführen für eine Versteigerung der Zertifikate und Nutzung der Einnahmen zur Senkung von effizienzmindernden anderen Steuern oder der Bereitstellung von effizienzsteigernden öffentlichen Gütern. Über welche Dimensionen wir hier im Rahmen des EU ETS reden, die da verbraten werden, können Sie bei den Treehuggern mit dem süßen Panda nachlesen:
        https://www.wwf.de/2021/juni/verschenkte-milliarden
        Und damit hier nicht der Eindruck der Parteilichkeit aufkommt: Das sogenannte Energiegeld der Grünen, also eine direkte Umverteilung der Gelder aus ETS oder Steuern, ist aus einer wohlfahrtsökonomischen Sichtweise genauso abzulehnen, da solche Transfers keine effizienzsteigernden positiven Anreize entfalten, die bspw. eine Senkung von Steuern oder Abgabesätzen mit sich brächten. So viel zu „politischen Scheindebatten“.

        „Die 1999 eingeführte Ökosteuer war aus umweltpolitischer Sicht der größte Unsinn. Ohne jede Lenkungswirkung sollte sie nur Aufkommen generieren. Da war die Anfang des Jahrtausends erfolgte Preissteigerungen auf den Ölmärkten weit effektiver […]“
        Ok. Die Steuer hat also eine geringe Lenkungswirkung gehabt. Hatte der ETS wie oben angeführt lange Zeit auch. Wenn eine Steuer keine Lenkungswirkung entfaltet, dann liegt das meistens daran, dass sie zu niedrige Sätze hat. Höhere Sätze würden wahrscheinlich auch ein höheres Aufkommen bereitstellen, auch wenn ich in Ihrer Behauptung, dass die Ökosteuer nur Aufkommen erzielen sollte, mal wieder nichts weiter als eine unbelegte Unterstellung sehen kann. Nun gibt es natürlich keine Steuer, die kein Aufkommen erzeugt, wie man das eventuell effizienzsteigernd einsetzen kann, hatte ich ja bereits oben skizziert – die Verwendung der Einnahmen zur Senkung der Rentenbeiträge durch rot-grün geht zumindest in diese Richtung. Die Idee bei der Ökosteuer war ja auch, dass man die Steuer über mehrere Jahre sukzessiv ansteigen lässt. Da Sie die ursprüngliche Intention meiner Frage nicht so ganz verstanden zu haben scheinen: Die Regierung unter Angela Merkel hat es innerhalb der letzten 16 Jahre offensichtlich nicht geschafft, die Sektoren, die nicht dem ETS unterliegen, in dieses einzubinden. Hätte sie dann nicht als second-best-Lösung einfach die bereits bestehende Ökosteuer nehmen können, deren Sätze sukzessive erhöhen und harmonisieren können? Dass das nicht geschehen ist, sagt halt auch einiges über die Regierung Merkel aus. Andere Steuern, wie die Tabaksteuer, wurden in der gleichen Zeit mehrfach sukzessive erhöht, mit einer klaren Lenkungswirkung und annähernd gleichbleibenden Einnahmen.

        „Denn es war ein totaler Rohrkrepierer mit sämtlichen Fehlern, die Umweltökonomen auflisten können (genau die Fehler hatte ich vier Jahre zuvor in meiner Diplomarbeit beschrieben).“
        Prinzipiell wäre es nett, wenn Sie Argumente, von denen Sie meinen, Sie zu haben, auch wirklich hinschreiben würden, und nicht so im Ungefähren lassen. Alles andere ist Obskurantismus.

        • Stefan Pietsch 10. August 2021, 19:51

          Ich bemühe mich ja immer, jedem Kommentator zu antworten. Bei Ihnen muss ich aufgrund der schieren Länge schlicht kürzen, ich bitte um Nachsicht.

          Die Artikelserie geht nicht speziell gegen die Grünen, sondern erläutert Klimaschutzpolitik aus umweltökonomischer Sicht. Das ist das Angebot. Die Grünen, das schrieb ich ja auch, stehen exemplarisch für die deutsche Mehrheitshaltung und die Ablehnung des Marktes. Und ja, ich weiß sehr wohl, dass Marktinstrumente vom Staat eingesetzt, in Deutschland keine große Popularität genießen. Da bin ich absolut geerdet. Aber die Bewertung von Instrumenten nach umweltökonomischen Gesichtspunkten, also nach der Frage der Effizienz, richtet sich nicht nach Mehrheitsmeinungen.

          Das Bundesumweltamt erklärt:
          Um die gesetzten Minderungsziele möglichst kosteneffizient zu erreichen, bietet das Kyoto-Protokoll neben der Minderung im eigenen Land auch die Möglichkeit, ihre Verpflichtung im Ausland durch „Flexible Mechanismen“ (Emissionshandel, Clean Development Mechanism – CDM, Joint Implementation – JI) zu erfüllen. Der Gedanke hinter diesen Instrumenten ist, dass die Emissionsminderung dort stattfinden soll, wo sie am kostengünstigsten zu realisieren ist. Denn es ist entscheidend, dass die Emissionen gemindert werden, nicht wo dies geschieht. Die beiden projektbasierten Mechanismen (CDM, JI) sind dabei so konstruiert, dass Annex B Staaten Emissionsminderungsmaßnahmen im Ausland durchführen. Die dabei erzielten Emissionsgutschriften können anschließend in einem bestimmten Umfang zur eigenen Zielerfüllung oder im Europäischen Emissionshandelssystem eingesetzt werden.

          Angesichts der Anfang der Neunzigerjahre in Brüssel erarbeiteten Positionen (davon verstehe ich etwas, damals habe ich einige Male zu dem Thema Beamte befragt), war der Weg zum Zertifikatehandel zwingend.

          Die erste Phase war als Projekt gedacht und so angelegt. Das Überangebot war gewollt und hat die Akzeptanz in den betroffenen Branchen erhöht. Stellen Sie sich vor, das hätte man nicht gemacht, die Fluchtversuche wären weit umfangreicher gewesen. Und so baut man eben ein Projekt auf.

          Trittin hat während seiner Amtszeit das EU-ETS mit verabschiedet, die Ökosteuer mit ausgearbeitet und das EEG umgesetzt.

          Das ist nicht richtig formuliert. Trittin war nicht gerade ein großer Fan des Zertifikatehandels. In seinem ersten Fazit nach knapp zwei Jahren im Amt fand er zu der bevorstehenden Einführung des Systems vor allem kritische Worte, lobte dagegen die ergriffenen dirigistischen Maßnahmen:
          „Mit diesem Klimaschutzprogramm sorgen wir auch dafür, dass Deutschland international seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz behält.“ Die Bundesregierung setzt sich intensiv dafür ein, dass auf der 6. Vertragsstaatenkonferenz im November in Den Haag ein wirkungsvolles internationales Abkommen für den Klimaschutz zustande kommt. Trittin: „Die Industriestaaten müssen mindestens 50 Prozent der Emissionsminderungen von CO2 tatsächlich im eigenen Land erbringen und dürfen sich nicht durch Emissionshandel völlig von der Klimaschutzverpflichtung freikaufen können. Hier haben wir schon erreicht, dass die EU mit einer Stimme spricht.“

          Die Ökosteuer war lange ein Konzept der ökologischen Steuerreform, die in den Achtzigerjahren in der Finanzwissenschaft entwickelt wurde. Sie war Teil der Koalitionsverhandlungen 1998, da hatte Trittin nichts ausgearbeitet. Die EEG-Umlage dagegen hat Trittin tatsächlich federführend entwickelt, daher ist das Konzept mit all seinen Wirkungen und Nachteilen ihm zuzurechnen – über seine Amtszeit hinaus.

          Doch, kann man behaupten, denn wie Sie selbst schreiben, hat Gabriel das gemacht, so dass es mit der Langfristigkeit der Preisgarantien offensichtlich nicht weit her war.

          Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Deutschland ist ein Rechtsstaat. Einmal gegebene Zusagen lassen sich nicht einfach zurücknehmen. Ich such’s jetzt nicht raus, aber die EEG-Umlage wurde ursprünglich für 10 oder 12 Jahre in der Höhe garantiert. Gabriel hat diese in der Höhe geändert, was aber logischerweise nur für neue Anlagen galt, nicht die bereits unter Rot-Grün ans Netz gegangenen.

          Die Preisgarantien aus dem EEG von 2000 waren m.W. auch nicht nur für ein Jahrzehnt angesetzt, sondern für zwei.

          Nein.

          Umweltökonomen sehen zwei Instrumente als marktnah: Cap & Trade und Umweltsteuern. Preisgarantien sind das Gegenteil von Markt. Das ist Planwirtschaft. Das Wesen von Markt ist ja gerade, dass sich der Preis frei entwickeln kann.

          Nochmal: Deutschland hat fast 264 Milliarden Euro allein an EEG-Umlage bisher gezahlt. Dafür decken die Primärenergieträger nicht einmal 15% des hiesigen Energiebedarfs. Die Kosten jeder Tonne Minderung durch diese Preisgarantien liegen im höheren Tausenderbereich. Das nennt man gemeinhin teuer.

          Denn über die Erzeugung von Knappheit hinaus erzeugt die Art der Verteilung der Zertifikate Einkommen – entweder bei denen, die die Zertifikate frei erhalten oder beim Staat, der sie versteigert. Im ersteren Fall erhalten die Empfänger der Zertifikate letzten Endes beim Verkauf am Markt für Nichtstun (keine Emission) ein Einkommen.

          Wie kommen Sie denn darauf? Selbst wenn die Zuteilung kostenlos erfolgt, so erfolgt sie doch auf Basis der bisherigen Emissionen. Das Unternehmen braucht sie nun, damit es weiter produzieren kann. Hat es zwischenzeitlich umweltschonende Maßnahmen ergriffen, kann es seine Rechte verkaufen. Da fällt aber die Rendite auf sein umweltfreundliches Tun an und ist eben nicht leistungslos.

          Die Umweltökonomie hat sich in einer Flut von Literatur zur sogenannten Doppelten Dividende damit beschäftigt, wie die Steuereinnahmen einer Ökosteuer effizienzsteigernd eingesetzt werden kann. Die exakt gleichen Argumente lassen sich anführen für eine Versteigerung der Zertifikate und Nutzung der Einnahmen zur Senkung von effizienzmindernden anderen Steuern oder der Bereitstellung von effizienzsteigernden öffentlichen Gütern.

          Das ist zutreffend und wurde von mir in einer früheren Artikelserie vor zwei Jahren verarbeitet. Der Haken an der Geschichte: Eine Steuer ist nicht mengengenau. Die Steuer kann nur indirekt die zukünftige Menge an CO2-Emissionen beeinflussen, ihre Höhe ist von Annahmen abhängig, die falsch sein können, aber auf jeden Fall nicht zielgenau sind. Das liegt daran, weil eine Umweltsteuer nur externe Effekte dem Verschmutzer zurechnen will, aber die Verschmutzung, mithin den CO2-Ausstoß nicht verhindern will.

          Das ist bei Cap & Trade anders, was die Absicht, „Cap“, bereits im Namen trägt. Der Zertifikatehandel ist ein Mengensteuerungsinstrument, der Preis bildet sich daraus, was an Menge erlaubt ist und was an Alternativen existiert.

          Bereits bei den Koalitionsverhandlungen war den Parteien klar, dass die Steuer eben keine Lenkungswirkung entfalten würde. Dazu war sie zu gering bemessen. Es sei denn, dort saßen nur Dilettanten. Jeder Ökonom weiß, dass die Preiselastizität, also die Reaktionsfähigkeit der Verbraucher auf Preisänderungen, beim Benzinpreis sehr starr ist. Der Preis muss sehr stark angehoben werden, um eine Verhaltensänderung, mithin weniger Verbrauch, zu erreichen. 3 Cent pro Jahr über einen Zeitraum von 4 Jahren war da geradezu lächerlich. Das wurde sofort vom Markt aufgefressen, weil das Preisschwankungen sind, die am Tag in größerem Umfange vorkommen.

          Sie rennen bei mir offene Türen ein, das EU ETS auf sämtliche Sektoren auszuweiten. Ich stand übrigens auch immer in Opposition zu Angela Merkel und ihrer Inszenierung von Umweltpolitik. Und ich halte es für Stuss, parallel zum ETS auf nationaler Ebene ein Zertifikatesystem mit Preisgarantie einzuführen, wie es die Bundesregierung 2020 getan hat. Da stehen wir im selben Lager. Aber meine grundsätzlichen Einwände gegen Subventionen (ineffektiv und teuer) und gegen eine CO2-Steuer (nicht mengengenau) bleiben.

          Ich kann gerne mal Passagen meiner Diplomarbeit veröffentlichen, wo ich die Don’ts niedergeschrieben habe – Jahre vor der Ökosteuer. Hier würde es den Rahmen sprengen.

          • Stefan Pietsch 10. August 2021, 19:52

            Meine Bemühungen waren umsonst. 🙂

          • FS 16. August 2021, 09:18

            Da es mir auch relativ schwer fällt, immer diese ellenlangen Kommentare zu schreiben, werde ich es mit diesem Kommentar hier erst Mal bewenden lassen.
            Zu den Grünen und der deutschen Mehrheitsmeinung haben Sie also offensichtlich wirklich nur ihre eigene Meinung als Beleg. Auch gut.
            Zu Kyoto: Die flexiblen Mechanismen finden alle auf der Ebene zwischen Staaten statt, nicht auf der Ebene der Privatwirtschaft in den Staaten (bzw. der EU, da diese sich ja als Einheit festgelegt hat), daher haben diese Instrumente auch keinen Einfluss darauf, wie die Staaten (bzw. die EU) ihre Ziele zunächst intern erreichen. Erst wenn die Ziele der Staaten (oder der EU) nicht erreicht werden können sich diese wiederum auf staatlicher Ebene daran machen, ihre Emissionsziele per Handel über die flexiblen Mechanismen auszugleichen. Es sind zwei separate Ebenen. Wenn Sie noch weitere Belege brauchen, recherchieren Sie doch einmal, ob wirklich jeder Nicht-EU-Staat der bei Kyoto Commitments festgelegt hat, auch ein ETS eingeführt hat. Oder fragen Sie sich einfach, wie der folgende Beitrag überhaupt geschrieben werden konnte:
            https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0301421510003460
            Darüber hinaus wäre es schön, wenn Sie neben persönlicher anekdotischer Evidenz auch irgend etwas anderes vorbringen könnten, dass etwas zwingend war. Sie könnten so zunächst einmal darauf kommen, dass es allgemein kein sonderlich guter historischer Stil ist, Dinge durch schwammige historische Notwendigkeiten zu erklären. Viel erhellender ist hier, Ross und Reiter zu nennen, nämlich, dass die EU Kommission bereits Anfang der 90er Jahre – also noch vor Kyoto – einen Vorschlag zur Einführung einer Ökosteuer auf europäischer Ebene gemacht hatte, dieser aber von den Regierungen einiger EU-Staaten abgelehnt wurde, und dass hier das UK unter der Regierung Major besonders hervorgetreten ist. Das wirft wiederum Schlaglichter erstens darauf, welche Rolle marktferne Ideologien bei der Ablehnung von Marktinstrumenten wirklich spielen, denn dem Nachfolger von Margaret Thatcher ideologisch Marktferne unterstellen zu wollen – Viel Erfolg. Zweitens wirft es auch ein Licht darauf, was die rot-grüne Bundesregierung ggü. dem ETS auch hätte machen können, nämlich mauern und das Projekt damit verzögern und möglicherweise kippen. Und das hat sie offensichtlich nicht gemacht. Soviel zu zwingenden historischen Notwendigkeiten.
            Zum EU-ETS: Ich sprach von „bis zum Beginn der sogenannten Phase 3 in 2013“. Das ist etwas länger gewesen, als die Testphase (das war nämlich Phase 1). Lesen Sie doch einfach nochmal zu insb. der Entwicklung der Preise in Phase 2 den englischen Wikipedia-Artikel
            https://en.wikipedia.org/wiki/European_Union_Emissions_Trading_System
            Zu Trittin: Selbst wenn Trittin kein großer Fan des Emissionshandels ist, wofür ihr Zitat auch nur einen sehr schwachen Beleg liefert, hat er ihn mit verabschiedet, und halt nicht, wie oben anhand der Major-Regierung deutlich gemacht, verhindert. Und ob er bei der Ökosteuer irgendwelche bereits vorhandenen Konzepte umgesetzt hat, oder beim EEG federführend war oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Gesetzesformulierung ist kein Prosawettbewerb oder eine Dissertation, wo es auf Originalität und Eigenständigkeit ankommt und in der Regel schreiben Minister nicht die Gesetze, die in ihrem Haus formuliert werden, sondern deren Mitarbeiter. Trittin war für die Ausarbeitung und Umsetzung dieser Reformen in der Regierung politisch mit verantwortlich und hat diese abgesegnet, das ist es was ein Minister macht, und worum es geht. Was wiederum zurück zu meinem Punkt bringt: Wenn Trittin ein marktfeindlicher Ideologe ist oder war, warum hat er (und die restliche rot-grüne Regierung) dann diese Reformen umgesetzt? Dafür bleiben nur zwei mögliche Erklärungen, die beide entgegen Ihrer ganzen Argumentation laufen: Entweder er ist gar kein marktfeindlicher Ideologe, vielleicht ist ihm dieser Aspekt auch einfach ziemlich egal und er ist bisweilen einfach ein Opportunist. Oder Ideologie spielt bei der Gestaltung von Politik einfach nicht die Rolle, die Sie ihr zumessen.
            Zum EEG: Wie Sie auf der Wikipedia-Seite des EEG sehen können, war der Anteil Erneuerbarer Energien am deutschen Strommix selbst im Jahre 2005 noch ziemlich bescheiden. Wenn man zu dem Zeitpunkt (oder auch wenige Jahre danach) jeden weiteren Ausbau abgebrochen hätte, wäre man mit den bestehenden Anlagen und der zu der Zeit sehr niedrigen EEG-Umlage von unter einem Cent (s. den bereits zitierten Wikipedia-Artikel zur Ausgleichsmechanismusverordnung) sowie der im Gesetz bereits festgelegten Degression (sowie der allgemeinen Inflation) nie zu den Kostenentwicklungen gekommen, die die EEG-Umlage genommen hat. Und für den sonderbaren Knick in der Entwicklung der EEG-Umlage ab 2009 haben Sie ja offensichtlich weiterhin keine Erklärung. Und Sie können natürlich auch keine haben, da Sie selbst aus offensichtlich ideologischen Gründen eine Untersuchung der Verantwortlichkeiten der Nachfolgeregierungen für die Konsequenzen der erfolgten mehrfachen Neufassungen und Novellierungen des EEG gar nicht erst in de Blick nehmen wollen. Und nebenbei: EEG von 2000, §9, Abs.1, Satz 1:
            „Die Mindestvergütungen nach §§ 4 bis 8 sind für neu in Betrieb genommene Anlagen jeweils für die Dauer von 20 Jahren ohne Berücksichtigung des Inbetriebnahmejahres zu zahlen, soweit es sich nicht um Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft handelt“
            https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/sites/default/files/2021-05/5-EEG_2000_BGBl-I-305.pdf
            Zum Grandfathering: Sie schrieben: „Selbst wenn die Zuteilung kostenlos erfolgt, so erfolgt sie doch auf Basis der bisherigen Emissionen.“ Das muss nicht so sein, die Verteilung kann an ganz anderen Kriterien erfolgen, so können sie auch eine Pro-Kopf-Verteilung nehmen. In diesem Fall bekäme jeder ein bestimmtes Kontingent an Zertifikaten geschenkt, könnte diese am Markt an die Emittenten verkaufen, und bekäme ein Einkommen, das im wesentlichen äquivalent sein dürfte zu einer Zuweisung der Steuereinnahmen per Pro-Kopf-Transfer. In beiden Fällen erhalten alle ein leistungsloses Einkommen, das jeweils gemindert wird um den Betrag, den sie selbst für Emissionen direkt oder indirekt ausgeben müssen. Im Gegensatz zu der Verteilung schafft eine Auktion von Beginn einen Marktpreis der Opportunitätskosten darstellt, die ökonomische Rente abschöpft und dem Staat zuweist. Zum Konzept der ökonomischen Rente und ihrer Besteuerung siehe
            https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/joes.12340
            insb. Abschnitt 2.2.1.
            Der Punkt ist nun, diese Einkommen nicht einfach zu verteilen, sondern effizienzsteigernd zu verwenden, also bspw. die Belastung leistungsabhängiger Einkommen zu mindern. Funktioniert natürlich nur, wenn sie auch davon ausgehen können, dass effizienzmindernde Belastungen vorhanden sind. Siehe dazu bspw.:
            https://web.stanford.edu/~goulder/Papers/Published%20Papers/Cost-Effectiveness%20of%20Alt%20Envir%20Pol%20Instr%20in%20Second-Best%20Setting.pdf
            In dem von Ihnen zitierten eigenen Artikel steht ehrlich gesagt ziemlich wenig und auch wenig systematisches zu einer effizienzsteigernden Verwendung des Steueraufkommens und ich sehe da nichts zu einer möglichen Nutzung von versteigerten Zertifikaten. Im Gegenteil habe ich da eher wiederum den Eindruck, dass Ihnen die Frage von Versteigerung und Verteilung ziemlich egal ist.
            Zu Mengeninstrument ggü. Preisinstrument: Ja, ein Emissionshandelssystem ist ein Mengeninstrument und eine Steuer ein Preisinstrument. Wieso glauben Sie, dass sei einseitig ein Vorteil für die Zertifikate? Kleiner Hinweis: Es gibt nicht nur die sozialen Kosten der Emission, sondern auch die Kosten, die durch die Vermeidung von Emissionen entstehen.
            Wie Ihnen anscheinend entgangen ist, wurde diese Frage bereits vor 47 Jahren in einem der wahrscheinlich meistzitierten Artikel der Umweltökonomie behandelt, der eine eigene Literatur zum Vergleich von Preis- und Mengeninstrumenten unter Unsicherheit losgetreten hat. Um die basale Erkenntnis des Artikels zusammenzufassen, den Sie hier nachlesen können:
            https://scholar.harvard.edu/files/weitzman/files/prices_vs_quantities.pdf
            Ein Mengeninstrument ist i.A. dann besser als ein Preisinstrument, wenn die Steigung der marginalen sozialen Kostenkurve höher ist als die der marginalen Vermeidungskostenkurve – et vice versa.
            Ende der 90er bzw. zu Beginn der 2000er Jahre wurde das Modell auch auf den Klimawandel und CO2-Emissionen ausgeweitet (leicht andere Modellierung, da die Schäden hier vom Bestand an CO2 und nicht den Emissionen einer Periode abhängen), und als ich mich das letzte Mal vor über 10 Jahren mit dieser Frage beschäftigt habe, hätte ich Ihnen aus dem Stand gesagt, dass so gut wie alle diese Modelle sagen, dass im Falle des Klimawandels Steuern Zertifikaten in dieser Frage überlegen sind:
            https://www.accc.gv.at/pdf/pizer.pdf
            https://are.berkeley.edu/~karp/TaxesQuantHoel%20REE.pdf
            https://www.belfercenter.org/sites/default/files/legacy/files/newell_pizer.pdf
            https://ideas.repec.org/a/kap/enreec/v32y2005i2p273-300.html
            Heute sind diese Resultate anscheinend nicht mehr ganz so eindeutig
            https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3338660
            wobei bei der Literatur auch generell etwas schwierig ist, alle die verschiedenen Erweiterungen, die entwickelt wurden um teilweise divergente Fragestellungen zu behandeln (Rolle von Steuern, Innovation, Compliance) in eine allgemeingültige Synthese zu überführen.
            Was aber aus dieser Literatur klar hervorgeht: Ein Mengeninstrument ist eben nicht per se besser als ein Preisinstrument.

  • cimourdain 9. August 2021, 22:35

    Ein sehr bedenkenswerter Artikel, ein sehr bedenkenswertes Thema. Deshab ein paar ‚Bedenken‘ von mir:

    a) Wie sie schreiben, ist Zertifikatehandel eine efersüchtige Maßnahme, durch die alle anderen Maßnahmen entwertet oder sogar kontraproduktiv werden. Nun denken Menschen in der Regel so, dass SIe Probleme her durch Hinzufügen neuerElemente (Regeln) zu lösen versuchen als durch Wegnehmen. Für Politiker gilt das doppelt, für Politiker in Krisenzeiten dreifach (siehe Corona).

    b) Im Kyoto-Protokoll wurde genau der umgekehrte Weg gegangen, das Einsparen von CO2 als Wertpapier (CER) zu verbriefen. Wie wirken beide Mechanismen zusammen? Meinem Gefühl nach kommt es genau dadurch zu dem, was als ‚Ablasshandel‘ in Verruf geraten ist.

    c) Die Verbrennung fossiler Brennstoffe lässt sich bei dem Verfahren gut bestimmen und ‚an der Quelle‘ kontrollieren. Sehr viel schwerer ist es bei der Freisetzung von CO2 durch Mineralverarbeitung (Glas, Keramik, Zementherstellung(!) ). Und endgültig außen vor bleiben die anderen Treibhausgase wie Methan (Viehhaltung, Fracking) oder Lachgas.

    d) Ebenfalls komplett unberücksichtigt ist der in Biosphäre und Böden gebundene Kohlenstoff, der (über Zwischenschritte) beim Verlust dieser in die Atmosphäre gelangt, wenn Wälder und Feuchtgebiete verloren gehen.

    e) Um einen solchen Mechanismus auf internationaler Ebene zu etablieren, braucht es einen verbindlichen Verteilungsmechanismus, der nicht von Konferenz zu Konferenz jeweils neu ausgehandelt wird, sondern nach einem Voraus klar festgesetzten Schlüssel (z.B. im Verhältnis der Bevölkerung) läuft.

    Sicher alles nicht unlösbar, aber doch Dinge, die mitberücksichtigt werden müssten.

    • Stefan Pietsch 10. August 2021, 00:11

      Sehr interessante Replik.

      a) Richtig. Aus ökonomischer Sicht, wenn es um Effizienz und Wirksamkeit geht, ist das jedoch grundfalsch, wie auch der Bundesrechnungshof urteilt.

      b) Kyoto sah die Selbstverpflichtung der Industrieländer zur Reduktion der CO2-Emissionen durch ein Zertifikatesystem vor. Faktisch schaffte aber nur die EU ein Regelsystem. Emissionseinsparungen konnten in begrenztem Umfange durch Kompensationen in Schwellenländern zertifiziert werden. Im Grunde ein vernünftiger Ansatz, an dem Staaten wie China, Indien, Pakistan, Nicaragua und Brasilien großes Interesse hatten.

      Die Win-Win-Situation liegt auf der Hand: Statt dass in Karachi ein Kohlekraftwerk gebaut wird, baut eine deutsche Ingenieursdienstleistungsfirma, z.B. Lurgi in Frankfurt, ein Wasserkraftwerk bzw. unterstützt durch technologisches Know-how. Pakistan erhält zu einem günstigen Marktpreis ein modernes Kraftwerk, partizipiert von westlicher Technologie, verhält sich umweltbewusst, die Ingenieurs-Gesellschaft erhält Auslastung und in der Branche wichtig zuverlässige Zahlungspläne und es entstehen von der UN ausgegebene Zertifikate, welche aufgrund der Menge die Preise an europäischen Börsen niedrig halten. CO2 wird dort eingespart, wo es am günstigsten zu erreichen ist. Das ist kein Ablasshandel, sondern das, was Umweltökonomen überall auf der Welt als eben effizient ansehen.

      Kyoto scheiterte, weil insbesondere die USA diese Aufgabenteilung aufkündigten. Die Schwellenländer hatten und haben aber kein Interesse an Selbstverpflichtungen, sondern Technologietransfer und westlichen Ingenieursdienstleistungen. Das hat der indische Premier ja gerade noch einmal herausgestrichen. Paris war dahingehend ein Kompromiss, bleibt aber in der konkreten Wirksamkeit hinter den Vereinbarungen von Kyoto zurück. Deswegen habe ich das neue Klimaabkommen immer als Rückschritt gesehen. 2008 arbeitete ich für ein Unternehmen, dass weltweit solche Zertifikate schaffte und im Handel aktiv war. Man ging damals zweifellos davon aus, dass Kyoto leicht in ein Folgeabkommen münden würde (die Vereinbarungen liefen schließlich aus) – falsch gedacht.

      c) Da bin ich mit meinen keineswegs guten Chemiekenntnissen völlig überfordert. Die Zementbranche wird meines Wissens nach von wenigen Unternehmen beherrscht, das Monitoring sollte da keine Schwierigkeiten bereiten.

      d) Ein Fall für die Schaffung von Zertifikaten, nicht für die Belegung mit einer Nachweispflicht.

      e) Internationale Abkommen sind sehr schwierig, wie gezeigt. Sie sind aber zwingend notwendig ebenso ein abgestimmtes Handeln. Das kann nur gelingen, wenn es ein Minimum Einigkeit über das Instrument gibt, das dann nationaler Einflussnahme entzogen ist. Dafür bietet sich die UN an, die bereits das Kyoto-Protokoll nach meiner Einschätzung gut administriert hat – für ihre Verhältnisse. Subventionen führen zu einem Wettlauf der Staaten, zu Zollschranken und Handelsbeschränkungen. Und ich denke, es wird ein Stück des Mechanismus von Kyoto wieder installiert werden, in dem z.B. Brasilien handelbare Zertifikate für seinen Regenwald erhält oder CERs in Schwellenländern geschaffen werden können.

      Wir müssen global denken und uns von der Kleinstaaterei und dem nationalen Klein-klein lösen.

      • Thorsten Haupts 10. August 2021, 13:56

        Wir müssen global denken und uns von der Kleinstaaterei und dem nationalen Klein-klein lösen.

        Das müssen „wir“ sogar ganz sicher tun, die Frage ist nur, ob „wir“ weltweit über das „global“ das gleiche Verständnis haben. Und das ist die Hauptschwäche Ihres ansonsten überzeugenden Plädoyers für den Zertifikatehandel – macht man das nicht europäisch oder global, macht man schlicht gar nichts.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Pietsch 10. August 2021, 14:08

          Genau deswegen argumentiere ich so vehement für internationale Kooperation. Bekommen wir das nämlich nicht hin, werden wir das Ziel Klimaneutralität 2050 meilenweit verfehlen. Als Weltgemeinschaft, nicht als Deutschland. Dafür kann man sich dann auch kein Ei kaufen.

          • Thorsten Haupts 10. August 2021, 15:51

            Ja, aber Sie werden Leute damit nicht überzeugen könne, die sagen, dass man zumindest einen Teil über andere Massnahmen auch national tun kann, wenn sich die internationale Kooperation verzögert. An der Stelle dann zu Recht.

            Und mir ist bisher vermutlich nur entgangen, mit welchem Enthusiasmus sich andere wichtige Staaten (China, USA, Riussland, Brasilien, Indie) in den Klimaschutz stürzen :-).

            Politisch und mit wirklich nur ein wenig Zynismus kann man die Aufforderung zu schnell international ausgestalteten Zertifikat-Handelssystemen sehr leicht mit einer Aufforderung zum Nichtstun verwechseln.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Pietsch 10. August 2021, 18:58

              Damit ist das globale Ziel aber nicht erreichbar. Deswegen schrieb ich im zweiten Teil: ohne strenge Zielsteuerung gibt es keinen Erfolg. Mit Insellösungen steuert man am Gesamtziel immer vorbei.

              Sie haben da eine bunte Mischung. In den USA ist das Interesse und vor allem das Engagement in Klimapolitik sehr groß. Die USA reduzierten in diesem Jahrtausend ihre Emissionen so stark wie kein anderes Land. China hat gerade den weltweit größten Emissionshandel gestartet. Wussten Sie nicht, oder? Brasilien und Indien warten ab, sie erwarten erhebliche Kompensationen und Technologietransfer.

              Es ist eben nicht so, wie Sie schreiben: der Zertifikatehandel zwingt jeden, absolut jeden zum Handeln. Wer nicht agiert, fliegt über kurz oder lang aus seinem Markt. Dagegen ist der Ansatz der Grünen absolut schonend, weshalb Umweltökonomen und die Liberalen ohnehin meinen, die FDP habe das härteste Klimaschutzprogramm.

              • CitizenK 12. August 2021, 11:45

                „Wer nicht agiert, fliegt über kurz oder lang aus seinem Markt.“

                Wie muss ich mir das am Beispiel Brasilien konkret vorstellen? Was passiert, wenn Bolsonaro weitermacht wie bisher (weil der das Ganze für einen Schwindel hält) und einfach keine Zertifikate kauft oder ersteigert?

                • Stefan Pietsch 12. August 2021, 12:41

                  Ich verstehe Ihren Punkt nicht. Bolsonaros Amtszeit endet im März nächsten Jahres. Er kann ein einziges Mal wiedergewählt werden, d.h. bis 2026. Seine Chancen dafür stehen jedoch nicht zum besten. Aber auch ein Präsident Luna wird sich nicht in Form einer irgendwie gearteten Verpflichtung international beteiligen. Vor dem Zeitfenster 2026 / 2030 – ich hatte das bereits in Bezug auf ein transatlantisches Abkommen skizziert, ist ein globales System ohnehin völlige Illusion.

                  Brasilien besitzt mit dem Regenwald die Lunge der Welt. Nicht ganz zu Unrecht erwarten die Brasilianer bei weltweiten Klimaabkommen Kompensationen für die Schonung der natürlichen Ressourcen. Anders ausgedrückt, bei der Ausdehnung des Zertifikatesystems müssten Brasilien Zertifikate gutgeschrieben werden. Das würde auch für Anreize sorgen, den Regenwald rund um das Amazonasgebiet weiterhin abzufackeln um es landwirtschaftlich zu nutzen. Wenn wir Klimaschutz und Schonung unserer natürlichen Ressourcen erreichen wollen, werden wir einige Länder entschädigen müssen.

                  • Sebastian 12. August 2021, 15:40

                    Ich verstehe leider nicht, ob Sie das wirklich so meinen, wie Sie es schreiben: Warum sollte die fortschreitende Zerstörung einer wichtigen CO2-Senke und „Lunge der Welt“ durch weitere Anreize zusätzlich gefördert werden?

                    • Stefan Pietsch 12. August 2021, 16:17

                      Im Gegenteil: Brasilien bekommt für den Regenwald Zertifikate zugeteilt, sagen wir im Wert von 10 Milliarden US-$ pro Jahr. Die bestehen den industriell zugeteilten. Nun kann die brasilianische Regierung diese zusätzlich an Unternehmen verteilen. Systemtechnisch macht das Sinn, schließlich leistet der Regenwald enormes für die Filterung und Aufspaltung von CO2 (Photosynthese).

                      Brasilien kann diese aber mit fortschreitender Technologisierung seiner Wirtschaft selbst verkaufen und das Geld, an den internationalen Kapitalmärkten erzielt, in den Staatshaushalt nehmen.

                    • Sebastian 12. August 2021, 17:11

                      @Stefan Pietsch 12. August 2021, 16:17

                      Kann leider nicht direkt ‚reply‘ machen’…
                      „Die bestehen den industriell zugeteilten.“
                      ???

                    • Stefan Pietsch 12. August 2021, 17:20

                      Wie auch immer man die Zuteilung in einem globalen System macht – aus politischen Gründen werden zumindest in der Einführungsphase Zeritifikate auf nationaler, möglicherweise auch branchenbezogen zugeteilt werden. So wie das auch in der EU gemacht wurde. Interessant ist ja nicht, wie es am Anfang eingeführt wird, sondern dass in späteren Phasen bis zum Jahr 2050 hin die gesamten Verschmutzungsrechte auf Null gesetzt werden bzw. nur noch so viele Zertifikate im Umlauf sind, wie CO2 aus der Atmosphäre genommen wird. Sei es durch CCS oder natürliche Quellen wie Regenwälder.

                      Das Pariser Klimaabkommen besagt, dass nach dem Jahr 2050 die Menschheit klimaneutral wirtschaften will. Das bedeutet nicht, dass kein CO2 mehr emittiert wird, sondern dass nur so viel emittiert wird, wie andererseits aus der Atmosphäre entnommen wird. Das ist die globale Vereinbarung.

                      Ich persönlich bin der Ansicht, dass nach 2050 auch ein positiver Saldo möglich sein sollte. Aber da lebe ich wahrscheinlich nicht mehr. Das ist nicht mehr meine Debatte.

                  • Stefan Sasse 12. August 2021, 18:14

                    Wäre ja super.

                    • Stefan Pietsch 12. August 2021, 19:19

                      Ich halte das für den Weg. In diesem Fall den einzigen, wenn man mit einiger Sicherheit das Ziel Klimaneutralität im Jahr 2050 wirklich erreichen will. Ich wüsste keine andere Methode / Strategie, die ansonsten zielorientiert wäre.

                    • Stefan Sasse 13. August 2021, 10:04

                      Ich hab ja nichts gegen die Methode, ich sehe sie nur nicht als das allein selig machende.

                    • Stefan Pietsch 13. August 2021, 10:53

                      Der Key Point ist: Ein globales Problem muss global durch globale Lösungen angegangen werden, nicht durch lokale. Und da kenne ich keinen anderen Ansatz, schon gar nicht einen, der bisher seine Praktikabilität bewiesen hätte.

                  • Stefan Pietsch 12. August 2021, 19:06

                    Ich sehe den Fehler: Korrekt muss es natürlich heißen, Anreize setzen, den Regenwald nicht weiter abzufackeln. Sorry

          • Stefan Sasse 10. August 2021, 17:07

            Genau, aber wie?

            • Stefan Pietsch 10. August 2021, 18:49

              Das habe ich ja schon skizziert. Die EU ist für 12% der Emissionen verantwortlich, die USA für 15%, zusammen 27%. Sie sind neben China die wichtigsten Wirtschaftsblöcke, Technologieführer, Inhaber der meisten Patente weltweit. Nehmen wir noch Japan dazu, das Follower ist, dann haben wir hier den dominanten Player. Wir müssen uns nur einigen. Ich denke die Biden-Administration ist auf dem falschen Pfad, zumal sie nicht damit rechnen kann, dass ein Republikanischer Präsident das Konzept ähnlich weiterverfolgen würde.

              Noch ist die Klimapolitik in den USA im Fluß, die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Der Ansatz Bidens ist anders als Cap & Trade in diesem Block nicht mehrheitsfähig. Es steht nicht zu erwarten, dass die Europäer EU ETS wieder aufgeben, schließlich würde das ein nicht enden wollende Geschichte an Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten nach sich ziehen. Bidens Politik kostet enorm viel Steuergeld und auch Du weißt, wie die Amerikaner zu Big Gouvernment stehen. Ein Angebot an die demokratische Administration könnte sein, ein umfangreiches, transatlantisches System zu schaffen, in das ETS aufgeht.

              Gelingt es in den nächsten 5-10 Jahren, so etwas aufzubauen – und das ist weit weniger kompliziert als ein Handelsabkommen – dann besteht die Chance, auch China und Indien reinzubekommen. Damit kann sich aber kein UN-Land von Bedeutung dem Zertifikatehandel entziehen, weil diese Blöcke die Weltpolitik und Weltwirtschaft beherrschen.

              Der Schlüssel sind die USA und EU. Ohne Verständigung und ohne gemeinsame, abgestimmte Klimapolitik wird es keine koordinierte globale Klimapolitik geben.

              • Thorsten Haupts 11. August 2021, 00:47

                Ich bin ziemlich sicher, dass man genügend relevante Teilnehmer für ein neues Abkommen mit dem Ziel weiterer CO2 Reduktion bekommen kann.

                Packt man auf dieses Abkommen allerdings auch noch eine festgeschriebene Methode zur Zielerreichung (Zertifikatehandel) zusätzlich, bin ich weit weniger optimistisch. Weshalb ich von dem Ansatz unter praktisch politischen Gesichtspunkten (leider) nicht viel halte.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Pietsch 11. August 2021, 11:07

                  Ein weiteres Abkommen mit dem Ziel weiterer Reduktionen? Wie soll das ausssehen?

                  Die Staaten einigten sich auf

                  – ein langfristiges Ziel, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen;

                  – das Ziel, den Anstieg auf 1,5°C zu begrenzen, da dies die Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würde;

                  – die Notwendigkeit, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen zu erreichen, wobei den Entwicklungsländern hierfür mehr Zeit eingeräumt wird;

                  – dahingehende Anstrengungen, danach rasche Emissionssenkungen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen Emissionen und Abbau herzustellen.

                  Nach 2050 will die Welt also klimaneutral sein. Jetzt kann man noch vereinbaren, dass die Erdtemperatur nur um 0,8°C ansteigen darf, aber das ist eine physikalische, keine politische Frage. Das einige, wo die Weltgemeinschaft wirklich dran drehen kann, ist das Jahr der Klimaneutralität. Es gibt aber keine Ansätze dazu, zumal die Zeit bis 2050 angesichts des enormen globalen Wirtschaftswachstums ohnehin für viele Staaten ambitiös erscheint.

                  Zertifikatehandel und Subventionen gehen nicht zusammen. Das führt zu einem Wettlauf von Handelsbeschränkungen und Zöllen. Man kann auch nicht davon ausgehen, dass die Demokraten nun bis 2050 durchregieren. Die Biden-Politik ist in der amerikanischen Gesellschaft nicht verankert und sie wird es auch in vier Jahren nicht sein. Wahrscheinlich ist folglich, dass ein republikanischer Präsident die Maßnahmen zurückdrehen wird. Hüh und Hott.

                  Im internationalen Handel geht es immer um zwei gegenläufige Bestrebungen: gleiche Regeln über nationale Grenzen hinweg und Förderung der heimischen Wirtschaft. So ist die WTO entstanden und so einigte man sich auf Kyoto. Paris ist ein Fragment, dass nur Einigkeit über Ziele vorgibt. Der nächste logische Schritt wäre, dass man sich auf einheitliche Regeln einigt. Aber derzeit passen selbst Europa und die USA nicht zusammen.

                  Europa ist konsequent und hat aus Kyoto ETS beibehalten. Auch China hat auf Kyoto aufgebaut. Auch die USA wollten in den Nullerjahren in die gleiche Richtung marschieren. Indien wartet ab. Ihre Vorstellung führt dazu, dass das Klimaziel völlig verfehlt wird. Aus einem Ziel muss / müssen zielgerichtete Maßnahmen abgeleitet werden. Fehlt diese Maßnahmen – Zweck – Beziehung, gehen die Anstrengungen fehl. Das ist das, was wir außerhalb Cap & Trade 30 Jahre erlebt haben. Die Energieerzeugung ist nicht auf Klimaneutralität, sondern Autonomie gerichtet. Die immer strengeren Grenzwerte für Verbrennungsmotoren waren wirr. Alles blieb Stückwerk.

                  So können wir weitermachen. Dann werden die Ergebnisse in 30 Jahren genauso ausfallen wie sie in den letzten 30 Jahren ausgefallen sind.

              • Stefan Sasse 11. August 2021, 21:37

                Jupp, macht sinn, danke.

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