Iranische Regelbrecher scheitern vor dem Europäischen Gerichtshof mit einer Anklage gegen Andreas Scheuer – Vermischtes 29.06.2021

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Trumps Fehler rächen sich erst jetzt

Doch im Angesicht der Armut und dem Leid der Bevölkerung verweisen die iranischen Hardliner vor allem auf die USA als Verantwortlichen. Diese Strategie zeigte in den vergangenen Jahren immer größeren Erfolg, was vor allem mit Donald Trump zusammenhängt. Der ehemalige US-Präsident begegnete der iranischen Führung vor allem mit Härte. Er inszenierte groß den US-Austritt aus dem Atomabkommen mit dem Iran, feierte sich für die Tötung des Generals Qassem Soleimani. Der iranische Militärstratege war der Kopf hinter vielen Anschlägen und Angriffen, die den Westen aus dem Nahen und Mittleren Osten drängen sollten. Im Iran aber war er sehr beliebt, nach seiner Tötung durch eine US-Drohne im Irak kamen in Teheran Hunderttausende zu einem Trauermarsch zu seinen Ehren. Unter Trump wurden nicht nur die Sanktionen gegen den Iran verschärft, sondern die USA begannen einen Wirtschaftskrieg, um die Diktatur vom internationalen Wirtschafts- und Finanzsystem abzuschneiden. Darunter leidet vor allem die iranische Bevölkerung und es war nicht schwer für das Regime, ihr westliches Feindbild zu propagieren. (Patrick Dieckmann, T-Online)

Ich bin ein Gegner der Trump’schen Iranpolitik. Ich halte das Kündigen der entsprechenden Abmachungen des Atomdeals für fatal, weil es die Glaubwürdigkeit der USA massiv beschädigte (anders als angeblich fehlende Härte und/oder Länge von Militärschlägen, die die amerikanischen Falken immer mit Verweis auf die „Glaubwürdigkeit“ einfordern). Aber was mir in diesem Artikel fehlt ist der blick auf die Handlungsfähigkeit (agency) des Iran selbst. Es wird suggeriert, als habe der Iran überhaupt keine eigene Gestaltungsmacht und reagiere quasi nach Naturgesetzen oder rein emotional. Die Verhängung von Sanktionen hat das Regime in Teheran genauso zu einem Teil unter seiner Kontrolle wie der Autokrat im Kreml die gegen Russland. Die Sanktionen sind ja keine Konstante, sie existieren wegen spezifischen Verhaltens und sind daran gekoppelt. Das Problem von Trumps Politik war ja gerade, diesen kausalen Zusammenhang aufzulösen und die Sanktionen einfach „just because“ zu verhängen (wie auch gegen Kuba, nebenbei bemerkt).

Aber man muss sich eben klar machen, dass das Regime in Teheran eine bewusste Entscheidung trifft, wenn es die Bevölkerung unter Sanktionen leiden lässt, wenn es die doch beschränkten Ressourcen Irans in den Aufbau militärischer Kapazitäten und die Unterstützung von Terrororganisationen steckt, wenn es versucht, Nuklearwaffen in die Hände zu bekommen. Und natürlich auch, wenn es entsprechend eskaliert. Klar was Soleimani beliebt im Iran, aber der Kerl wurde ja nicht auf der Promenade von Teheran getötet, sondern bei der Durchführung von Terroraktionen in einer anderen Nation. Das sollte man nicht unter den Teppich kehren.

2) Scheiternder Dialog der Gerichte: Wie die europäische Rechtsgemeinschaft zu erodieren droht

Was aber lässt sich dagegen tun? Für die Freunde des Verfassungspluralismus gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: noch mehr miteinander zu reden. Der Madrider Europarechtsprofessor Daniel Sarmiento etwa forderte zuletzt auf seinem Blog, der EuGH müsse künftig etwas mehr „Empathie“ zeigen, um durch „bedachte und wohlüberlegte Urteile“ die nationalen Gerichte besser zu „überzeugen“. Vielleicht aber müssen wir uns auch zugestehen, dass dieses Modell einfach nicht dauerhaft funktionieren kann. Es stimmt schon, die Idee eines offenen Verbunds, in dem eine Gruppe verantwortungsvoller Gerichte partnerschaftlich und ohne Hierarchien einen gemeinsamen europäischen Verfassungsdiskurs entwickelt, hat etwas Sympathisches an sich. Aber letztlich ist sie auch eine Schönwetter-Konstruktion, die wenig Schutz bietet, wenn die Winde des Zeitgeists wieder in Richtung Nationalsouveränismus wehen. Die Vorbehalte des deutschen Bundesverfassungsgerichts mögen in den 1970er Jahren sinnvoll gewesen sein, solange es noch keinen wirksamen europäischen Grundrechteschutz gab. Heute dienen sie immer mehr allein dem eigenen institutionellen Machterhalt und bedrohen den Zusammenhalt in der EU.  Sobald wir europäischen Bürger das nächste Mal die Gelegenheit haben, durch einen Konvent die europäische Verfassungsordnung zu gestalten, sollten wir deshalb für Klarheit sorgen: Europarecht bricht nationales Recht, ohne Wenn und Aber. Wenn die europäische Rechtsgemeinschaft eine Zukunft haben soll, dann können wir sie nicht mit 28 nationalen Vorbehalten versehen. Zum Schutz der Werte, die uns wichtig sind – Menschenwürde, Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit –, ist der EuGH kein bisschen schlechter geeignet als die nationalen Verfassungsgerichte. Wir sollten ihm deshalb als letztentscheidender Instanz unser Vertrauen schenken. (Manuel Müller, Europäischer Föderalist)

Müllers Artikel legt anschaulich dar, wie die Gefährdung des europäischen Rechtsstaats nicht nur von Ungarn und Polen, sondern auch von Deutschland ausgeht – vor allem von Karlsruhe und seinem Allmachtsanspruch. Das ist hier in der Bundesrepublik Gesetz – die Rechtsprechung des BVerfG für das Grundgesetz ist endgültig. Aber dasselbe gilt natürlich erstmal für die obersten Gerichtshöfe von Warschau und Budapest auch, die wir aus guten Gründen für ihre Urteile kritisieren. Müller thematisiert im obigen Absatz gut das grundlegende Dilemma: eine Parallelexistenz oberster Gerichte, die beide letztgültige Instanz sein wollen, kann auf  Dauer nicht funktionieren, und wir sind langsam an dem Punkt, wo das Beharren Karlsruhes auf seiner durchaus eigenwilligen (obgleich in sich stimmigen) Auslegung des Grundgesetzes unbeabsichtigt den Bruch der EU nach sich ziehen könnte.

Ich wüsste aber nicht, wie sich dieser Konflikt auflösen lässt, und das ist das Deprimierende. Es ist schließlich völlig unrealistisch, dass der große Kompromiss, der das Problem für alle 27 EU-Staaten löst und dann durch Plebiszite in den Mitgliedsstaaten angenommen wird, auch nur auf europäischer Ebene diskutiert wird, geschweige denn, dass so eine Anstrengung ernsthaft unternommen und dann zum Erfolg führen würde. Viel eher wird sich der aktuelle Zustand weiterschleppen, und beide Seiten werden darauf hoffen, dass die jeweils andere in den entscheidenden Punkten nachgibt. Aber das kann nicht ewig so weitergehen gehen. Das aktuell laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland wegen des letzten BVerfG-Urteils ist letztlich nur ein Symptom dieser Krise.

3) Freundschaft muss Maxime werden

Wer Russland den Kampf ansagt, ist selbstverständlich nicht an Entspannung oder gar einem »Gemeinsamen Haus Europa« interessiert. Es werden im Gegenteil propagandistisch neue Feindbilder geschürt, um einen Waffengang gegen Russland vorzubereiten. Sicher, noch ist es nicht so weit. In der Diskussionsendung »Kontrovers« im Deutschlandfunk sprach der Grüne Manuel Sarrazin davon, ein Krieg gegen Russland sei »unrealistisch«. Einen Angriff auf Russland als unrealistisch zu bezeichnen, zeugt sicher nicht von überzeugter Kriegsgegnerschaft. Zugleich wird die Präsenz deutscher Truppen im Rahmen der Nato an der russischen Westgrenze im Baltikum verstetigt und mit »Defender 2021« die schnelle Verlegung nach Osten geübt. Auch US-Atombomber sind am Manöver beteiligt. Säbelrasseln, Konfrontationsgeschrei und Kriegsgeheul prägen die deutsche Öffentlichkeit zunehmend. Jeder, der widerspricht, wird als Kreml-Marionette abgestempelt. Das darf getrost als Teil einer moralischen Mobilmachung und Kriegsvorbereitung gewertet werden. […] Weit weist man den Vorwurf des Russland-Hasses von sich, aber doppelte Standards beim Umgang etwa mit den Massenmördern der USA, ihren Präsidenten Barack Obama, Donald Trump oder Joe Biden, die Tausende Menschen per Tötungsbefehl in den vergangenen Jahren weltweit ermorden ließen, fallen ins Auge. […] Es kann nur eine Lehre aus dieser furchtbaren Barbarei geben: Freundschaft mit Russland und den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken muss Maxime deutscher Politik werden. (Sevim Dagdalen, Neues Deutschland)

Wenn ich solche Artikel von einflussreichen Politiker*innen bei der LINKEn lese, kann ich über die Vorstellung, die Grünen und die SPD würden im Bund R2G angehen, nur lachen. Eine Partei mit dieser Position kann in der Bundesrepublik nicht in Regierungsverantwortung kommen, das ist quasi ausgeschlossen. Wie wollen Grüne und SPD eine Koalition mit jemand eingehen und deutsche Außenpolitik betreiben, der der Überzeugung ist, dass die Grünen (!) einen Krieg gegen Russland in Betracht ziehen würden (!!) und dass dieser durch die aktuelle Bundesregierung im Verbund mit den USA aktiv vorbereitet (!!!) werde? Wie will man jemand die entscheidende Stimmgewalt über die deutsche Außenpolitik geben, der „Freundschaft“ mit Russland fordert und die letzten amerikanischen Präsidenten als „Massenmörder“ verunglimpft? Dagdalens Position ist in der LINKEn keine Außenseiterposition, die steht damit im Mainstream der Partei. Nein, Teile der Basis der Parteien mögen von R2G träumen. Aber niemand auf der Funktionärsebene wird bereit sein, dieses Risiko einzugehen, solange das die Plattform der LINKEn ist.

4) „Der Fernsehrat lässt sich von der Politik keine Kandidaten reinmauscheln“ (Interview mit Tina Hassel)

Sie wissen, dass das mit der Parteiferne in Rundfunkgremien von draußen oft anders gesehen wird.
Aber es ist so. Die lassen sich im Fernsehrat doch nicht von schwarzen oder roten Staatskanzleien Kandidaten reinmauscheln. Ich führe da vorher auch keine Gespräche mit den Beteiligten, um bereits etwas anzubieten. Und noch mal, ich hätte es wirklich seltsam gefunden, wenn es überhaupt keinen Gegenkandidaten, keine Gegenkandidatin gegeben hätte. […]

Eine Sache, die Ihnen immer wieder nachgetragen wird: 2018  hatten Sie sich parteiisch pro Grüne geäußert. Begleitend zu ihrer Berichterstattung hatten Sie über die „frische grüne Doppelspitze“ getwittert und die damit verbundene  „Aufbruchsstimmung“ gelobt.
Dass ein Tweet aus 2018 immer noch hoch gebracht wird, zeigt doch, dass danach anscheinend nicht viel zu finden ist. Auf so einem Parteitag ist eine besondere Atmosphäre, da lässt man sich mal hinreißen. Ich breche mir aber überhaupt keinen Zacken aus der Krone, wenn ich sage, ich würde diesen Tweet ganz bestimmt nicht noch mal so absetzen. Ich habe danach eine ganz klare Twitter-Etikette fürs ganze Hauptstadtstudio eingeführt.

Wissen Sie, wieviel Follower Sie haben?
Irgendwas über 50 000.

Darunter Kevin Kühnert.
Und viele viele andere. Herr Maaßen folgt mir auch. Sie suchen sich ihre Follower ja nicht aus. (Markus Ehrenberg, Tagesspiegel)

Das ist also der große Skandal der Tina Hassel? Ein Tweet aus dem Jahr 2018? Und dazu der erbärmliche Versuch, ihr Kevin Kühnert anzuhängen. Die Argumente der „die ÖR sind alle grün gefärbt“-Crowd sind so offensichtlich in bad faith, das ist ja kaum zu ertragen. Das Einzige, was die Geschichte mit diesem Tweet zeigt, ist der professionelle Standard der ÖR: kam einmal im Überschwang vor, war ein Fehler, wir haben es seither korrigiert. Die Springerpresse fährt in der Zwischenzeit eine Kampagne nach der anderen, aber das stört natürlich niemand.

5) 80:1 für die Autoindustrie

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung setzte Scheuer in seinem Terminkalender jedenfalls klare Prioritäten. Seit Amtsantritt im März 2018 durfte die Autoindustrie bei 80 Treffen direkt beim Minister vorsprechen. Umweltverbände konnten davon nur träumen. Die größten Organisationen BUND, Nabu, Greenpeace, WWF und Deutsche Umwelthilfe kamen zusammen nur auf ein einziges Gespräch. […] Das passe zum Kampf des Ministers gegen härtere Klimaschutzvorgaben für die Autoindustrie. Das Ministerium hält dagegen. […] Doch auch Umweltgruppen sind empört. „Wir haben den Minister mehrfach um Gespräche gebeten, bekamen aber keine Reaktion“, sagt Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim BUND. Es sei bedauerlich, dass der Verkehrsminister Gespräche in einer entscheidenden Phase für den Klimaschutz und den Umbau des Mobilitätssektors so einseitig führe. An Gespräche mit Scheuer bei der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität kann sich beim BUND niemand erinnern. Scheuer habe sich äußerst rargemacht, sagt Hilgenberg. „In der Arbeitsgruppe Klimaschutz im Verkehr war der Minister kein einziges Mal anwesend.“ (Markus Balser, Süddeutsche Zeitung)

Es gibt niemand im Kabinett Merkel IV der auch nur annähernd so inkompetent und schädlich ist wie Andreas Scheuer. Der Mann ist quasi das lebende Gegenargument zu Proporzregeln, der Beweis, dass mit der Größe des Versagens die eigene Immunität wächst. Über die letzten vier Jahre hat der Mann Milliarden verschleudert, und wenn es gerecht zugehen würde in der Welt wäre er Mittelpunkt riesiger Skandale gewesen und längst zum Rücktritt gezwungen. Aber Minister*innen treten in Deutschland ja irgendwie nur zurück, wenn sie ihre Doktorarbeiten plagiieren.

Neben all den Fuckups, die Scheuer als Verkehrsminister bisher zu verantworten hat, ist seine generelle Ausrichtung eine Katastrophe. Die Fixierung auf Autos und das aktive Behindern anderer Verkehrsmittel, vor allem der Bahn, sind geradezu pathologisch. Glücklicherweise wurden die meisten aktuellen Bahn-Projekte noch vor seiner Ägide angestoßen und laufen einfach nebenher weiter (Stichwort Deutschland-Takt). Am schlimmsten aber ist, dass der Kerl gute Chancen hat, in der Regierung Laschet auch wieder vertreten zu sein. Das allerdings würde gut ins Bild passen.

6) There’s a Primal Reason for Our Collective Culture War Madness

The flip side of this is that all of us, both those at the top and those at the bottom, feel continual stress if the hierarchy is constantly changing and we’re unsure of our status and how we’re expected to act. This has been the case for the past 50 years, and over time it has driven both liberals and conservatives into a sort of stress-driven madness. This is why it often seems like things are getting worse even though they’re actually getting better. That’s what continual stress does. None of this means we should stop our efforts to gain racial, ethnic, gender, and sexual equality. We need to do it regardless of the cost. Still, we don’t have a bunch of separate „culture war issues“ that one side or the other locks onto now and again. It’s all one thing and it’s been a 50-year war so far. And in a country like ours, which is even more dedicated to hierarchies than most of our peers, 50 years of this stuff is enough to drive us all into low-grade hysteria. This is a generational issue, and it won’t fully go away until (a) we get close to equality and (b) the last generation that’s been scarred by hierarchy changes finally dies off. At best, that’s probably 20 years for the former and 30 or 40 for the latter. In other words, hierarchy-induced madness will continue to consume us for another half century or so. This was all well understood and discussed routinely a few decades ago. Today it isn’t, either because it feels like 2+2=4 or because we’ve collectively decided to pretend that other forces are at work. And other forces are at work! Still, at the very deepest level, it’s our primate minds that have driven us into a fever of resentment and constant tension. And it ain’t over yet. (Kevin Drum, Jabberwocky)

In diese Richtung habe ich ja konsistent ebenfalls argumentiert. Das Hinterfragen bestehender Hierarchien und Privilegien hat schon immer zu Konflikten geführt. Das war Mitte des letzten Jahrhunderts der Fall, als „hinter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“ ausgelüftet wurde, und das ist heuer der Fall, wo die Vorrangstellung bestimmter Gruppen herausgefordert wird. Dieser Prozess wird noch eine Weile dauern, da bin ich ganz bei Drum. Er wird mit einem neuen Status Quo enden. Und im Rückblick wird der Widerstand gegen den Wandel genauso verquert aussehen wie aus heutiger Perspektive der Widerstand gegen den gesellschaftlichen Wandel der 1960er Jahre.

7) Die Würfel fallen weiter

Die politischen Angriffe auf Die Grünen und ihre Kandidatin wiederum waren absolut vorhersehbar und sind auch frei jeglicher Originalität. Umso beschämender, dass die Kampagne genau hierfür keine überzeugenden Abwehrmechanismen erarbeitet (und getestet) hatte. Und auch, dass man die Kandidatin offenbar nicht davor bewahren konnte, sich selbst immer neue Stolperfallen zu stellen. Die Wucht, mit der Baerbock in den Umfragen nach unten stürzte und im Juni im ZDF sogar auf dem letzten Platz hinter Wagenknecht, Lindner, Spahn notiert, spricht Bände. Sie war zwar nie ein wirkliches Zugpferd, aber jetzt wird sie zur Belastung. Im Lager der Grünen hofft man jetzt auf den Wetterbericht. Aber diese Kandidatur ist am Ende – und kann nur noch durch ein Wunder gerettet werden. […] Die Union ist der eigentliche Bremsklotz Deutschlands auf dem Weg in die Zukunft. Herrschte wirklich Wechselwille im Land, dann müsste man als erstes die Union in die Opposition schicken. Die Union bremst auf allen wichtigen Politikfeldern und wirkt auf Bundesebene auch noch mit einer Ministerriege, die jede Pannenstatistik anführt. Von Scheuer zu Spahn, von Seehofer zu Kramp-Karrenbauer, von Klöckner zu Karliczek und Altmaier. Die bekommen alle durch die Bank weg nichts auf die Reihe, bremsen aber, wo sie können, alle zwingend notwendigen Transformationsprozesse in Wirtschaft, Sozialem, Umwelt, Bildung, Tierschutz … you name it, they failed it. Aber die Union ist trotz sinkender Anteile der unbestrittene Marktführer auf dem bundesdeutschen Parteienmarkt. Sie lebt von einer alles in allem doch recht treuen und dadurch am Ende auch stabilen Wählerklientel. Die Union muss sich sehr, sehr anstrengen, um in Deutschland eine Bundestagswahl zu verlieren – und die anderen müssen sich sehr, sehr anstrengen, um sie zu gewinnen. […] Der einzige, der Laschet noch gefährlich werden kann, ist Olaf Scholz. Ja, jener Olaf Scholz, den alle schon wieder einmal fröhlich ab- oder in Grund- und Boden geschrieben haben. Seinem Standing in der Bevölkerung hat das nicht wirklich geschadet. Er bleibt weiter im oberen Drittel der Beliebtheitsskalen und führt bei einigen Instituten auch in der Kanzlerfrage. Nicht weltbewegend weit, aber immerhin. Scholz hat kein Kompetenzproblem, das hat dafür seine Partei. Die Werte bezüglich der Zukunftskompetenz der SPD sind durch die Bank weg niederschmetternd. (Frank Stauss)

Ich bin sehr skeptisch gegenüber der Idee eines Kanzler Scholz. Klar, das kann sich noch als eine Art Ninja-Kandidatur herausstellen, aber das wäre mehr als merkwürdig. Anders als Baerbock und Laschet ist Scholz als Kanzlerkandidat nie ernsthaft durchleuchtet worden, was natürlich ein Vorteil für ihn ist, es aber demokratie-legitimatorisch nicht ganz unproblematisch.

Ich bin aber völlig bei Stauss, wo es um den „Marktführer am Parteienmarkt“ geht. Die CDU ist Regierungspartei by default; sie regiert immer, wenn sie nicht aktiv davon abgehalten wird. Und da die Grünen offensichtlich nicht darauf brennen, sie abzulösen – siehe der völlig unterirdische Wahlkampf – sieht es derzeit gut aus für Laschet. Wie übrigens yours truly bereits im Frühjahr prophezeit hat.

8) Wer Rassismus nicht bei sich erkennt, kann ihn nicht aufklären

Die Minimalqualifikation, um rechtsextreme Umtriebe in der Polizei aufzuklären, ist nicht, kein Rechtsextremist zu sein. Sie ist, das Thema ernst zu nehmen und zu verstehen. Zu wissen, dass rechte Gewalt nicht erst bei einer geladenen Waffe anfängt oder einem Hakenkreuz an der Hauswand oder einem Stein im Schaufenster. Rassistische Haltungen unter Polizistinnen und Polizisten haben für die Betroffenen schwerwiegendere Konsequenzen, was sich etwa beim Beispiel von Racial Profiling zeigt, wenn Personen aufgrund ihres Aussehens in Personenkontrollen geraten oder in bestimmte Milieus eingeordnet werden, nur weil sie den falschen Nachnamen haben. Die meisten Menschen haben rassistisches Denken verinnerlicht, das lässt sich so einfach nicht ablegen. Es gibt Debatten über Begriffe wie den der Rasse im Grundgesetz. Es wäre zu wünschen, wir wären weiter. Doch nicht alle sind in diesem Prozess gleich schnell. So ist das eben mit Lernprozessen. Aber der Begriff, den der Polizeipräsident verwendet hat, über den müssen wir seit Jahrzehnten nicht mehr diskutieren, weil er indiskutabel ist. Es geht nicht um sprachliche Spitzfindigkeiten wie den Unterschied zwischen „sich entschuldigen“ und „um Entschuldigung bitten“. Wie soll jemand, der das bis heute nicht verinnerlicht hat, das Problem bei anderen erkennen? Laut einer Mitteilung des Innenministeriums seien die allermeisten Nachrichten in diesen Chatgruppen nicht strafrechtlich relevant gewesen. Das ist aber nur ein Teil der Aufarbeitung. Was ist mit denen, die vielleicht keine verfassungsfeindlichen Symbole, antisemitischen Witzchen oder diskriminierenden Beleidigungen enthalten, aber dennoch eine problematische Haltung erkennen lassen? Werden solche Nachrichten überhaupt als solche identifiziert, oder muss man befürchten, dass Rassismus da einfach übersehen wird? (Christian Vooren, ZEIT)

Die Ausrede mit den Einzelfällen zieht inzwischen einfach nicht mehr. Es gibt ein Haltungsproblem in der Truppe, um von der Leyen zu zitieren. Das Problem ist vermutlich nicht einmal, dass der Großteil der Polizist*innen rechte Einstellungen hegte, das Problem ist der mangelnde Widerspruch aus den eigenen Reihen bei denen, die ihn haben. Was dahinter steckt – Wahrnehmung als Humor, Einschüchterung, falsch verstandender Korpsgeist, Angst um die Karriere, von allem ein bisschen – ist nicht völlig klar. Aber solange es implizit als normal oder zumindest akzeptabel verstanden wird, rassistische und rechtsradikale Äußerungen zu tätigen, wird dieses Problem nicht verschwinden.

9) The World According to Germany: Reassessing 1989

But the events of 1989 did little to strengthen public belief in the usefulness of deterrence and defense. They rather reinforced the belief in the imperative and indeed inevitability of further integration. Having been burnt by the use of raw power, Germany longed instead for a world that would move on from what Australian thinker Hedley Bull famously called “the anarchical society” of international relations. Instead, the community of nations should be governed as much by rules and international law as possible. From the community of law enshrined in the European Union and the Council of Europe to its support for the United Nations or innumerable trade agreements and international conventions, Germany pushed for codification of rules and for multilateral solutions. Militarily weak, instinctively pacifist after two world wars, Germany was more dependent and invested in a rules-based international order where its soft power carried substantial weight. Perhaps the most striking example of the ambition and optimism that the world would indeed move toward a “Weltinnenpolitik”—an international system with highly constrained exercise of the use of force and a legitimate authority to arbitrate—was the establishment of the International Criminal Court 20 years ago. Looking back, even more than 1989, 1998 may mark the furthest advance of international law and the low-water mark for the arrogance of power in the international system. The assumption was that the trend would continue: transnational challenges such as climate change so obviously required transnational solutions that an ever more integrated policy approach seemed almost inevitable. Almost. When talking about Europe in the early 1990’s, it was commonplace across the political and bureaucratic spectrum to use the phrase “the irreversible process of European integration”— again confounding normative preferences and analytical truth. There simply seemed to be no difference between the two in those halcyon days. Europe was the global avant-garde—and Germany, having thoroughly digested its historical and geographical lessons—thought of itself as the avant-garde within the European Union. The Economic and Monetary Union of the EU and the introduction of the Euro were only logical if you believed in this linear reading of the future. (Thomas Bagger, Atlantikbrücke)

Ich empfehle den länglichen Essay zu seiner Gänze, ich habe hier nur einen kleinen Ausschnitt zitiert, wel ich den Gedanken zur „rules based order“ spannend finde. Diese deutsche Obsession sehen wir ja auch sehr gut in der Eurokrise, um nur ein Beispiel zu nennen, wo zwar der ganze Laden zusammenbrechen kann, aber Hauptsache die Regeln wurden eingehalten. Das Problem der deutschen Haltung läuft in zwei Richtungen.

Einerseits ist es durchaus möglich, dass die Regeln einfach schlecht gestaltet und nicht in der Lage sind, mit der jeweiligen Herausforderung umzugehen. Die Maastricht-Regeln und die Schuldenbremse sind solche Regeln. Andererseits aber hat Deutschland kein Konzept dafür, mit Regelbrüchen umzugehen. Das gilt innerhalb der EU, wenn wir etwa auf das Verhalten Polens oder Ungarns schauen, und das gilt für die Außenpolitik weltweit, wenn etwa China oder Russland gegen das internationale Regelwerk verstoßen.

10) Mit der Union durchs Elfenland

Was aber ist der Grund dafür, dass die Union zu einer so traumseligen Partei geworden ist? Das hängt mit ihrer größten Illusion zusammen. Und die heißt Normalität, mit Blick auf das Gemüt ihres Kanzlerkandidaten könnte man auch sagen, es liegt am rheinischen Normalismus. Zwar spricht die Union mittlerweile auch von einem Epochenwechsel und von Entfesselung, meint dabei aber immer mit: Alle Veränderung wird passieren, ohne dass du, der Wähler, sich ändern muss. Und das kann man eben nur noch behaupten, wenn weite Teile der Wirklichkeit ausgeblendet werden, wie etwa Klimakrisen, Chinesen oder der Bundeshaushalt. Wohlmeinende Traumdeuter weisen darauf hin, dass auch Angela Merkel stets ohne allzu konkrete Wahlprogramme ausgekommen sei und nach den Wahlen dann doch erfolgreich Politik gemacht habe. Doch auch da wird zu viel hineingeträumt, schließlich ist die Methode Merkel schon lange an ihr Ende gekommen. Die Krisen, auf die sie das Land nicht vorbereitet hatte, fingen an, sogar Merkel zu überfordern. Kein Programm ist also kein Erfolgsrezept mehr, die Probleme sind so groß geworden, dass man sich für ihre Lösung bei den Wählerinnen denn doch ein bisschen Legitimation holen muss – sonst gibt es ein böses Erwachen. Aber sind die Wählerinnen und Wähler tatsächlich so gestimmt, wollen sie von Veränderung nichts wissen, beharren sie auf einer Normalität, die es nicht mehr geben kann? Schwer zu sagen, wie da die Mehrheiten liegen. Fest steht jedenfalls, dass die Union realitätsflüchtige Stimmungen nirgendwo konterkariert, sondern sie bestätigt, sie träumt den Leuten was vor. (Bernd Ulrich, ZEIT)

Die Existenz der CDU als natürliche Regierungspartei, die wir in Fundstück 7 besprochen haben, findet hier ihr merkwürdiges Zerrbild. Denn die CDU hat praktisch keine Ideen, wie den Herausforderungen der Zukunft begegnet werden sollte. Ich glaube ehrlich gesagt, dass darin kein Widerspruch dazu liegt, dass eine Pluralität der Deutschen ihr die Zustimmung gibt, sondern sogar ein Grundbaustein ihrer Attraktivität. Anders als FDP oder Grüne etwa muss man sich von der CDU nicht bedroht fühlen. Sie wird den Status Quo nicht erschüttern. Dagegen wollen FDP und Grüne den Status Quo definitiv erschüttern (wie übrigens unter anderen, eher nach hinten gerichteten Vorzeichen die LINKE und AfD). Die CDU verkauft die irrige Hoffnung, man könne genauso weiter machen wie bisher, niemand müsse sich ändern oder Opfer bringen.

11) Der Weg ist das Ziel. Deutsche Erinnerungspolitik und ihre Widersprüche

Dies war bereits in den 1980er Jahren keine auf die Bundesrepublik reduzierte Debatte. Als besonders bedrohlich erschien den höheren Beamten der Ministerialbürokratie, auch vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs, die erfolgreiche Einbettung der Holocaust-Erinnerung in das amerikanische Selbstverständnis, wie es beispielsweise das seit 1978 geplante und 1993 eröffnete United States Holocaust Memorial Museum in Washington zeigte. (West-)deutsche Beamte und Diplomaten stellten sich vehement gegen dieses Museum, das sie als Reduzierung der deutschen Geschichte auf das „Dritte Reich“ und den Holocaust auffassten – und glaubten, darin eine Bedrohung für das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland sowie die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu erkennen. In diesem und ähnlichen Kontexten sahen sich die Bundesrepublik und ihre Repräsentanten als Opfer der international wachsenden Konfrontation mit dem Holocaust. Und es war nicht unüblich, dass man in Regierungs- oder Diplomatenkreisen, durchaus auch unter Verwendung antisemitischer Klischees, amerikanischen Jüdinnen und Juden unterstellte, sie würden den Holocaust zu Lasten der Bundesrepublik instrumentalisieren, um sich politische oder finanzielle Vorteile zu verschaffen. Deutsche Versuche, direkt in das amerikanische Holocaust-Gedenken oder die Debatten über den Holocaust in den USA einzugreifen, waren allerdings zum Scheitern verurteilt. Stattdessen mussten deutsche Regierungsvertreter lernen, dass es hier gar nicht um Deutschland ging, sondern um die Anerkennung einer Leidensgeschichte in einem Zusammenhang, in welchem die Befindlichkeiten und Interessen deutscher Diplomaten oder Politiker, aber auch die deutsche Vergangenheitsbewältigung insgesamt, schlicht irrelevant waren. Diese Erfahrungen trugen entscheidend dazu bei, dass sich die deutsche Erinnerungspolitik weiterentwickelte. (Jacob Eder, Geschichte der Gegenwart)

Ich finde die Geschichte der deutschen Verganhenheitsbewältigung immer wieder spannend, weil wir gerne die Fiktion pflegen, die Deutschen hätten sich schon immer auf dem Stand ungefähr der 2000er Jahre mit dem Holocaust auseinandergesetzt. Aber diese Entwicklung ist vergleichsweise neu, und ich wage die These, dass sie letztlich den Tod der betroffenen Generation erfordert hat (wie das beim historischen Gedächtnis immer der Fall ist; wenn die Betroffenen verstorben sind, lässt es sich wesentlich freier diskutieren, gerät aus dem Bereich der Erinnerung in den Bereich der Geschichte).

Der Vorwurf, die Juden und Jüdinnen würden über die Vergangenheitsbewältigungspolitik gezielt eine politische Agenda verfolgen, die losgelöst davon betrachtet werden kann, ist so alt wie die Bundesrepublik selbst. Da fließen dann auch ständig sachfremde ideologische Elemente ein, von konservativem Anti-Amerikanismus (wie im Kohl-Beispiel oben) bis hin zu reflexhafter Israel-Feindlichkeit bei den Linken (wie sie periodisch in die öffentliche Debatte fließt). Oft liegen die Wurzeln dieser Ressentiments im Kalten Krieg oder davor und haben wenig mit heutigen Problemen und Debatten zu tun.

{ 128 comments… add one }
  • Kning4711 29. Juni 2021, 11:39

    zu 2

    Das von Dir angesprochene Dilemma könnte man wohl nur dann auflösen, wenn die entsprechenden Passagen im Grundgesetz geändert würden. Defacto würde sich dann aber deutsches Regierungshandeln komplett eines Nicht-Deutschen obersten Gerichtes unterwerfen. Defacto wäre dann unsere Gewaltenteilung supranational verschränkt. Ich bin mir unsicher, ob das überhaupt möglich ist, weil das gefühlt so klingt, dass wir grundsätzliche judikative Prinzipien unseres Landes aus den Angeln heben würden. Müssten dann nicht auch exekutive und legislative Gewalt vermehrt nach Brüssel delegiert werden?

    • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:27

      @ Kning4711 29. Juni 2021, 11:39

      zu 2) Scheiternder Dialog der Gerichte: Wie die europäische Rechtsgemeinschaft zu erodieren droht

      Defacto würde sich dann aber deutsches Regierungshandeln komplett eines Nicht-Deutschen obersten Gerichtes unterwerfen.

      Ich wäre da kein Freund von.

      Ich bin mir unsicher, ob das überhaupt möglich ist, weil das gefühlt so klingt, dass wir grundsätzliche judikative Prinzipien unseres Landes aus den Angeln heben würden. Müssten dann nicht auch exekutive und legislative Gewalt vermehrt nach Brüssel delegiert werden?

      Ich denke, dass dieser Gedankem folgerichtig ist: Will man die gemeinsamen Staaten von Europa, wäre das der Weg. Dann müssten aber alle Länder, die da mitmachen wollten, ihre Rechtssprechung angleichen, BEVOR das passiert. Will man dagegen ein Europa der Vaterländer, wäre das der vollkommen falsche Weg.

      Im Moment ist die EU ein Verbund, wo man sich übel darum zankt, wer wieviel Geld bekommten darf, wer wieviel Geld bezahlen muss – von wegen Wertegemeinschaft.

      • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:25

        Halte die Reihenfolge nicht für zwingend. Die USA gab es auch dreißig Jahre vor der gemeinsamen Rechtsprechung.

        • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 15:51

          @ Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:25

          Halte die Reihenfolge nicht für zwingend. Die USA gab es auch dreißig Jahre vor der gemeinsamen Rechtsprechung.

          Weder war das Recht derart komplex, noch hätte sich ein Staat vom anderen reinreden lassen.

          Hier sehe ich neben den fehlenden gemeinsamen Werten mehrere Probleme:

          • Die EU wird, selbst wenn es hierzulande eine Mehrheit für diese Idee gäbe, auf absehbare Zeit keine Vereinigten Staaten bilden können.
          • Anders als in den USA, wo die Situation in den jungen 13 Gründungsstaaten vergleichbar war, hat Europa eine deutlich komplexere Geschichte.
          • Anders als in den USA, wo das Bestreben war, möglichst wenig Staat, möglichst wenig Obrigkeit zu haben und möglichst hohe Selbstständigkeit bei den Staaten zu belassen, ist der Anspruch der EU unverkennbar, ALLES in die regelwütigen Finger zu nehmen.
          • Und anders als in den USA versucht die EU auch Dinge zu regeln, die von der Anlage her in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich geregelt ist.
          • Anders als in den USA, wo es zur Gründung praktisch nicht um Geld ging, geht es in Europa nur ums Geld. Ansätze, über gemeinsame Schulden und gemeinsame Sozialhilfe noch mehr Umverteilung zu schaffen, führt zu einem überbordenden Bürokratie-Moloch mit einem immensen Bedarf an Geld, dass in den Behörden verschwindet. Ein Vorstellung, bei der mir übel wird.
          • In Deutschland gibt es bestimmte Regeln und Linien, die durch das Grundgesetz vorgegeben sind. Es gab viele Versuche, dass durch die Hintertür aufzuweichen, und irgendwann hat das BVfG das unterbunden. Hier wird nicht mit offenen Karten gespielt, sondern getrickst, und die Ansagen des BVfG kommen nun schon sehr deutlich. Da ist keine Willkür bei.

          Man muss sehen, dass in Deutschland nicht nur die Sozialausgaben vergleichsweise hoch sind, sondern auch die Besteuerung. Wiewohl die erhöhten Auszahlungen gerne akzeptiert würden, wäre die Abgabenlast in einigen Ländern nicht zu stemmen. Also kracht’s.

          • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:35

            Ich meine, klar, 2021 und 1787 sind nur bedingt vergleichbar. Ich wollte nur aufzeigen, dass die Reihenfolge kein Automatismus sein muss. Mir fiele außer den USA ohnehin nichts ein, das mit der EU vergleichbar wäre, weswegen Analogien und „Regeln“ eh schwierig zu finden sind…

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:16

      Selbstverständlich. Aber das GG setzt nicht zwingend voraus, dass das nicht geht. Das ist die Interpretation aus Karlsruhe; viele andere EU-Länder haben mit der Suprematie des EUGH kein Problem.

  • Stefan Pietsch 29. Juni 2021, 11:42

    2) Scheiternder Dialog der Gerichte: Wie die europäische Rechtsgemeinschaft zu erodieren droht

    Im Prinzip mag ich zwar zustimmen. Aber die Luxemburger Richter haben selbst die Hand an die Akzeptanz ihrer Rechtsprechung gelegt, wenn sie Urteile fällen, die ziemlich eindeutig Vertragslagen und Willen der Vertragsparteien widersprechen, ja diesen Willen umdeuten. Genau das darf die dritte Gewalt in einem Rechtsstaat nämlich nicht.

    Augenfällig ist dies eben bei der Geldpolitik, in der die Europäische Zentralbank längst agiert wie die Notenbanken in Frankreich und Italien sich früher verhalten haben und nicht wie es das Ideal der Deutschen Bundesbank vorschreibt, die bei der Abfassung der Maastricht-Verträge Pate gestanden hat. Es gilt auch für das Asylrecht, das Luxemburg zum liberalsten der Welt umformuliert hat.

    3) Freundschaft muss Maxime werden

    Warum sagen Baerbock und Scholz dann nicht das angeblich Offensichtliche?

    5) 80:1 für die Autoindustrie

    Ach, Giffey ist wegen ihrer missratenen Doktorarbeit zurückgetreten? Das glaubst Du?

    Und nein, der Andi wird der neuen Bundesregierung nicht angehören, seine politische Karriere gilt in Berlin vorerst als beendet. Woher Du Deine anders lautenden Informationen hast, wüsste ich gern.

    7) Die Würfel fallen weiter

    Wie kommst Du darauf, Scholz wäre nicht durchleuchtet worden? Der Mann steht seit zwei Jahrzehnten im Licht der Öffentlichkeit, war SPD-General, Bürgermeister von Hamburg, Arbeitsminister, jetzt Finanzminister, hat um den SPD-Vorsitz gekämpft. Mit Olaf Scholz können über 90 Prozent der Deutschen etwas anfangen, Annalena Baerbock war 60 Prozent der Deutschen im April noch völlig unbekannt.

    Ich halte Scholz bemerkenswerter Weise für eine Option. Im linken Lager findet ein Austausch statt, gleichzeitig verlieren die Grünen einen wesentlichen Teil der in Umfragen von der Union „gewonnenen“ Stimmen. Nach den Erfahrungen heißen Umfragewerte von 19 Prozent für die Grünen, dass sie derzeit leicht bei 16, 17 Prozent landen kann. Das ist der Bereich, in dem die SPD zuverlässig taxiert wird.

    Und berücksichtigen wir: die Grünen bekamen 2017 gerade 9%. Eine Verdopplung wäre schon eine demokratische Überraschung. Solche Werte sind keineswegs stabil. Die SPD erzielte 2013 über 25% und zuletzt knapp 21%. Allein auf 17% zu fallen, wäre streng betrachtet ein Desaster.

    Voraussetzung, dass die Grünen am Wahlabend tatsächlich vor der SPD landen, ist eine überzeugende Strategie und ein überstrahlendes Image. Genau das hat erheblich gelitten. 2010 sagte der kluge CDU-Kopf Norbert Röttgen über den FDP-Vorsitzenden, dieser habe irreparabel sein Image ruiniert. Er behielt Recht, obwohl Westerwelle das für Popularität stehende Außenministerium inne hatte.

    Westerwelles Fehler, die zu dem nachhaltigen Imageschaden führten: Frisch im Regierungsamt wies er internationale Journalisten darauf hin, es würde in Deutschland Deutsch gesprochen. Und er sprach in Bezug auf die hiesigen Sozialleistungen von „spätrömischer Dekadenz“.

    Image ist etwas Sensibles. Es lässt sich leicht beschädigen, zumal wenn man zuvor keins hatte. Wird es dann mit negativen Assoziationen aufgeladen, ist das schwer zu korrigieren.

    9) The World According to Germany: Reassessing 1989

    Natürlich geht es nur um Regelbrüche, die in Deinen Bias passen. Die EZB hat vor 12 Jahren ihre Geldpolitik fundamental geändert. Die Erfolge lassen jedoch weiter auf sich warten. Deutschlands Finanzpolitik wie der Nordländer generell hat sich an Maastricht orientiert – und erntet. Der Süden erklärt sich für disfunktional, was weniger mit den Regeln als den nationalen Strukturen zu tun hat.

    Eine Gemeinschaft braucht Regeln, wie Mitglieder rausgeschmissen werden können, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Dass die EU darauf verzichtet hat, stellt sich heute als Sollbruchstelle der Gemeinschaft heraus.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:19

      2) „Ziemlich eindeutig“ ist es halt eben nicht, das ist ja gerade das Problem.

      3) Weil ihre Basis das nicht hören will natürlich.

      5) Was meinst du mit Giffey? Ich hatte irgendwo gelesen dass er bleiben soll, aber ich mag mich täuschen.

      7) Ich meine, Scholz ist natürlich der Kandidat, wenn die SPD vor den Grünen landet; ich seh das nur aktuell nicht. Mag natürlich so kommen. Mal ein witziges Szenario: was passiert, wenn am Wahlabend FDP die stärkste Kraft der dreien ist? Würde Lindner Ansprüche anmelden?

      9) Klar, wie bei dir halt auch 😀 Aber ich denke es ist kaum von der Hand zu weisen, dass Deutschland regelbasierte Ordnungen liebt und viel Gewicht darauf legt.

      • Stefan Pietsch 29. Juni 2021, 16:39

        2) Es war eindeutig. Zwei Beispiele:

        Die Verträge enthalten explizit eine No-Bail-Out-Klausel, um vertraglich unmissverständlich die gegenseitige Haftung auszuschließen. Luxemburg definierte dies in Folge der Eurokrise um zu einer Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand.

        Die EZB wurde in ihrer Unabhängigkeit und ihrer Limitierung eng an der Satzung der Bundesbank ausgerichtet. Darüber waren sich alle Parteien einig. Keine Staatsfinanzierung. Notenbanken, die Staatfinanzierung betreiben (wie früher die Banque de France) sind in ihrer Politik nicht unabhängig. Dass die Frankfurter Währungshüter keine Staatsfinanzierung betreiben dürfen, ist völlig unstrittig. Jens Berger hat dies 2012 in einem Artikel für die Nachdenkseiten ebenso anerkannt wie die Luxemburger Richter. Weil das so ist, legen sie die Normen spitzfindig aus – was eben nicht die Aufgabe von Richtern ist. Sie deuteten selbst dann die Käufe der EZB nicht als Staatsfinanzierung, wenn diese im Prinzip dauerhaft gehalten wurden. Wie der Notenbank reichte ihnen darüber hinaus der kurze Umweg über die Märkte, selbst wenn Geschäftsbanken eine Abnahmegarantie haben.

        Was muss also in Verträge geschrieben werden, damit der EuGH den ausgedrückten Willen auch so nimmt, wie er geschrieben wurde? Da ist Karlsruhe weit klarer. Und das ist, was die Legitimation von Luxemburg so ankratzt. Wenn Richter Verträgen nicht zur Durchsetzung verhelfen, braucht man sie nicht.

        3) Aber die Wähler, und darauf kommt es an, hören es auch nicht. Und woher soll dieser wissen, dass die Grünen verantwortungsvoll handeln würden? Haben sie schließlich bei der Auswahl ihrer Kanzlerkandidatin auch nicht. Sorry, musste sein.

        5) Du glaubst, dass Giffey wegen ihrer Doktorarbeit zurückgetreten ist? Meinst Du nicht, sie wollte sich nur Zeit und vor allem Glaubwürdigkeit für den nächsten Karriereschritt holen?

        Ich hab‘ gelesen, dass in Berlin niemand damit rechnet, dass Söder ihn weiter stützt. Obwohl er mit ihm befreundet ist, ist er Ziehkind von Horst Seehofer. Söder hat nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden keine Minister ausgetauscht, der Austausch von Scheuer wäre auch unberechenbar gewesen, zumal ja noch ein Untersuchungsausschuss lief. Ein faktisches Schuldeingeständnis konnte man bei der CSU nicht gebrauchen.

        Das ändert aber nichts daran, dass man einen solchen Pannenminister nicht noch einmal ins Kabinett schicken wird. So weit reichen die Loyalitäten nicht.

        7) Interessante Frage. Du würdest natürlich vermuten, Lindner würde wie selbstverständlich nach der Kanzlerschaft greifen. Aber hast Du da sein Verhalten beobachtet?

        Lass es mich so sagen: In einem solchen Fall würden weder Scholz noch Baerbock Kanzler.

        Der von mir bereits zitierte Demoskop hielt es im Mai wie gesagt für möglich, dass die drei Parteien um die 18 Prozent landen. Das war vor der Erholung der Union und damit scheint das vom Tisch. Denn nach meiner Einschätzung lassen sich 18 Prozent für die FDP nur durch Leihstimmen aus dem bürgerlichen Lager von der Union realisieren. Die Angst, dass es zu GRR kommen könnte, hat sich jedoch durch die Schwäche der Linkspartei und der Grünen ein ganzes Stück abgemildert.

        Ich verfolge Lindners Karriere schon sehr lange. 2011 verzichtete er im Rennen um die Westerwelle-Nachfolge, für die er gehandelt worden war. Er fühlte sich zu jung für die Aufgabe. Danach schmiss er den Job als Generalsekretär, um sich auf den Wahlkampf in NRW vorzubereiten. Sicher auch, weil er nicht in den Abstiegsstrudel der Partei gezogen werden wollte.

        Schon im Wahlkampf 2017 warnte er öffentlich, dass die Liberalen nicht gleich in die Regierung gehen könnten, so weit wäre die Partei nicht. Sein Verzicht auf Jamaika hat auch seinen Ursprung in der Einschätzung, die FDP könne sich in der Regierung blamieren. Er legte in den letzten Jahren viel Wert darauf, die Partei zu professionalisieren, was sich auch darin zeigt, dass er anderen Platz lässt.

        Zudem ist er demütiger geworden. Mit großen Sprüchen hält er sich zurück, die Sprüche überlässt er inzwischen Wolfgang Kubicki. Würden die Liberalen 18 Prozent bekommen, würde es möglicherweise auch für Schwarz-Gelb reichen. Ich bin sehr sicher, Lindner würde die Option vorziehen.

        Wer in die FDP geht, hat nicht das Ziel, Bundeskanzler zu werden. Und ich bezweifle, dass Deutschland einen gelben Kanzler will.

        9) Nein. Ich finde, dass Ungarn und Polen nichts mehr in der EU zu suchen haben. Aber sicher ist auch: eine Gemeinschaft funktioniert nicht, wenn die einen nur rausnehmen wollen.

        Was mich an Dir immer irritiert: Du nimmst nie eine deutsche Position ein, sondern immer die der Südländer. Du tust so, als wärst Du Sizilianern näher als Dänen. Die Vorstellungen, die Du formulierst, haben sich in der Vergangenheit nicht bewährt. Sie haben in den Ländern, die gestützt werden sollen, nie funktioniert. Trotzdem machst Du den Lobbyisten. Warum?

        • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:45

          2) Das Problem war halt, dass sich die Verträge in der Krise als untauglich erwiesen. Ich hatte darüber ja in meiner Serie zur verdrängten Dekade geschrieben. Und Deutschland war glücklich damit, die EU-Institutionen die entsprechende Drecksarbeit machen zu lassen.

          7) Ne, das vermute ich nicht. Ich kann es mir kaum vorstellen. Deswegen meine Frage. Nur: was würde dann passieren? Würde er Königsmacher spielen? (Ich meine, das Szenario erfordert, dass Jamaika nicht geht, ist also eh ziemlich irreal).

          9) Ich nehme weder eine „deutsche“ noch eine „sizilianische“ oder „dänische“ Position ein. Meine Interessen decken sich nicht mit denen, die Deutschland in der EU fährt. Die Nationalismusbrille versagt hier. Proletarier aller Länder vereinigt euch, quasi.

          • Stefan Pietsch 30. Juni 2021, 09:38

            2) Eine Behauptung ist noch kein Beleg. Frankreich hat in den letzten 15 Jahren keinen Versuch unternommen, die Kriterien einzuhalten oder sich ihnen anzunähern. Italien steckt seit 30 Jahren in eine Schuldenfalle und seit über 20 in einer Wirtschaftskrise fest. Zwei Dekaden hat sich Bella Italia nicht entwickelt.

            Wie kommst Du dann darauf, die Regeln wären untauglich? In Deutschland hat der Dir vorschwebende Ausgleich zwischen den Bundesländern auch nur bewirkt, dass es eine geringe Zahl leistungsfähiger Regionen gibt. Auf dem Papier.

            Die Drecksarbeit? Die EU-Kommission hat sich stets zurückgelehnt und gemeint, es sei schon in Ordnung, was die Mitgliedsländer machen. So wie Dich das bei Ungarn und Polen aufregt, regt das Ökonomen wie mich seit 20 Jahren auf. Der Unterschied: Du siehst Dich im Recht und mich im Unrecht.

            7) Es gibt da nur zwei Szenarien: Entweder es würde zur meiner Meinung nach bevorzugten Variante Schwarz-Gelb kommen oder Lindner müsste in den sauren Apfel beißen. Denn ich bezweifle ernsthaft, dass der FDP-Vorsitzende das Ziel Kanzlerschaft hat.

            9) Es gibt keine deutsche Position. Es gibt die Position der Nordländer. Und Deine Forderungen stützen immer nur die Position der Südländer, nie die von Niederländern, Dänen, Balten.

            Halte Dir nocheinmal vor Augen: Die Norditaliener sind wohlhabender und einkommensstärker als die meisten Menschen in Deutschland, Regionen in Südbayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg ausgenommen. Den Menschen in Katalonien geht es ebenfalls deutlich besser.

            Es geht um Regionen und nicht um Länder. Dennoch befürwortest Du Transfers in Länder und deren Autonomie. Das ist wie mit einer Gießkanne einen kleinen Flecken auf der Erde treffen wollen.

            • Stefan Sasse 30. Juni 2021, 10:41

              2) Aber spricht nicht gerade die dekadenlange „Schuldenfalle“ gegen die Wirksamkeit der Verträge? Ein Vertrag schafft ja keine Wirklichkeit. Und Deutschland verstößt ja auch gerne dagegen, wenn es möchte. Wir erinnern uns vor allem daran, wenn wir andere maßregeln wollen, nicht?

              7) Das Ziel sicher nicht. Die Frage war eher was passiert, wenn die Gelegenheit kommt?

              9) Ich befürworte nicht per se „Transfers“, sondern eine Struktur- und Investitionspolitik, die vorteilhafter für mittlere Einkommensschichten ist. Das bezieht sich ja nicht nur auf Transfers.

              • Stefan Pietsch 30. Juni 2021, 11:36

                2) Italiens Probleme begannen lange vor der Gründung der Eurozone. Das Konzept des Euros war nicht für die Südländer gemacht, die waren ursprünglich ja auch nicht eingeplant, selbst im Falle Italiens bestanden Zweifel. Diese Länder haben den politischen Druck erhöht, aufgenommen zu werden und waren dazu auch zu erheblichen Manipulationen bereit. Denn die Alternative hätte darin bestanden, in einem Europa der zwei Geschwindigkeiten immer weiter zurückzufallen.

                Jeder Vertrag hängt entscheidend davon ab, dass die Unterzeichner das Vereinbarte auch wollen. Doch für Frankreich und Italien waren die Maastricht-Verträge nur weitgehend Taktik, sie hatten nicht wirklich vor, ihre bis dato vollzogene Finanz- und Geldpolitik zu ändern. Frankreich sicherte sich schon zu Beginn nach einer kurzen Karenz den Chefposten der EZB. Und auch Macrons wichtigstes Ziel war, die Leitung der Notenbank auf keinen Fall in die Hand der Nordländer fallen zu lassen.

                Das ist die tatsächliche Sollbruchstelle: das taktische Verständnis der Südländer und Frankreich zu den Europäischen Verträgen und Vereinbarungen. Dahinter steht ein anderes Vertragsverständnis in diesen Ländern, das sich auch in anderen Rechtsbereichen zeigt.

                7) Lindner neigt nicht zu Absurden. In dem theoretischen Fall, dass die FDP stärker als Grüne und SPD abschneiden würde und Schwarz-Gelb nicht möglich wäre, würden die Liberalen die Führung beanspruchen. Weil es so die ungeschriebenen Regeln des Landes vorsehen.

                9) Deine Vorstellungen sind dafür aber völlig falsch. Das sollte Dich mindestens die EU-Förderpolitik seit den Achtzigerjahren lehren. Italien hat seit Jahrzehnten nicht sein Mezzogiorno-Problem mit Transfers in den Griff bekommen. Wieso meinst Du eigentlich, dass Brüssel, das viel weiter weg als Rom von den Problemen ist, die kulturellen Besonderheiten weniger kennt und weniger Durchgriffsmöglichkeiten besitzt, lösen könnte, was 40 Jahre nicht gelungen ist?

                • Stefan Sasse 30. Juni 2021, 15:02

                  2) Wie gesagt: auch Deutschland bricht und biegt die Verträge gerne, wo es seinen Interessen passt.

                  7) Zustimmung.

                  9) Ich sag ja auch nicht, die Brüsseler Bürokrat*innen sollten das machen, sondern es soll entsprechende Fiskalpolitik betrieben werden.

                  • Stefan Pietsch 30. Juni 2021, 15:30

                    Deutschland hält sich wie die meisten Nordländer an die Maastricht-Verträge und betrachtet sie als verbindlich. Worauf Du möglicherweise anspielst: die Schröder-Regierung hat 2004 durchgesetzt, nicht in den Sanktionsmechanismus zu kommen. Vor Corona hatte Deutschland nicht nur sein Defizit, sondern auch seine Gesamtverschuldung nahe der 60% gebracht, während Frankreich hier 15 Jahre keine Erfolge erzielen konnte.

                    9) Das ist Aufgabe der Mitgliedsstaaten. Deine Kritik und Deine politischen Forderungen sind jedoch von einer ganz anderen Kategorie.

          • Erwin Gabriel 30. Juni 2021, 14:06

            @ Stefan Sasse

            Zu 2)

            Immer wieder bin ich über solche Äußerungen entsetzt. Weißt Du überhaupt, was ein Vertrag ist?

            Stell Dir ein Haus vor, in dem mehrere Parteien Eigentumswohnungen haben. Die holen sich eine Hausverwaltung, und schreiben gemeinsam Regeln fest, wie man miteinander umgeht. Nun denkt sich die Hausverwaltung neue Regeln aus, die einige bevorzugen, einige benachteiligen, und versuchen die gewaltsam durchzusetzen mit der Begründung, dass dann alle miteinander besser auskommen?

            Die EU ist Erfüllungsgehilfe der Gesamtheit der Nationalstaaten, nicht umgekehrt.

            Ein jeder weiß, dass die EU gegen geltende Vereinbarungen verstößt, egal, wie sehr sich der EuGH verbiegt, um das zu verbrämen. WIe immer wurde nicht sauber diskutiert, wie immer wird den Bürgern ohne Mitspracherecht die Rechnung präsentiert.

            Wie kannst Du auch nur ansatzweise hoffen, dass aus der EU die USE werden, wenn diese Institution derart hemmungslos immer wieder einen Teil der Bürger bescheißt?

            Hab schon öfter gesagt, dass Gesetze eingehalten gehören, und wenn die Gesetze nicht funktionieren, dass man sie ändern muss. Aber diese Art der Kungelei und Verdreherei ist mir echt zuwider. Sehr, sehr unseriöses Verhalten.

            Ich verstehe nicht, warum Du aufflochtet Rechtsbeugungen immer so abfährst. Das ist FALSCH

            • Stefan Sasse 30. Juni 2021, 15:03

              Ich bevorzuge sie nur vor einem Auseinanderbrechen der Union, weil das wesentlich schlimmer wäre.

              • Erwin Gabriel 1. Juli 2021, 15:45

                @Stefan Sasse

                Das ist nicht die Alternative. Die EU kann sich nicht auf Dauer halten, wenn man keine gemeinsame Basis findet. Es gab eine gemeinsame Basis, die nun aufgebrochen wird.

                Du hast eine idealgeprägte Vorstellung von der EU. Hatte ich auch mal , habe ich mich von verabschiedet. KEIN Mitgliedsland verhält sich in diesem idealistischen Sinne korrekt.

                Die Südländer kriegen ihre internen Probleme nicht in den Griff, wollen auch keine Lösungen, sondern nur Geld, um die internen Probleme weiterhin überspielen zu können. Die Ostländer wollen nur Geld, vermutlich auch Rückendeckung gegenüber Russland (selbst wenn sie sich dafür lieber den USA an den Hals schmeißen), aber ansonsten ihre Ruhe bzw. von Lasten und Einmischung verschont bleiben. Die prosperierenden Staaten wie Deutschland wollen den Markt und die Verdienstmöglichkeiten, ohne ständig anderen die Rechnungen bezahlen zu müssen. Wenn ich Staaten sage, meine ich die Regierungen.

                Aber die Regierungen sind, was die Akzeptanz der EU angeht, vollkommen irrelevant. Die Bürger haben eine andere Vorstellung, und von denen entwickelt sich die Eu mit atemberaubender Geschwindigkeit weg.

                Man kann nun auf der einen Seite sagen, dass England durch Lügen der Tories aus der EU katapultiert wurde, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist, dass sich die EU bereits jetzt wie die übergeordnete Regierung verhält, bürokratisch agiert, und nicht zuhört.

                Es ist sehr einfach, auch Deutschland aus der EU zu kriegen: Einfach den Leuten zählen, was die EU macht, worüber die EU diskutiert, was sie plant. Und dass die EU versucht, Austritte durch Strafen und Drohungen zu verhindern, spricht Bände. Das fokussiert den Blick auf die negativen Seiten, nicht auf die positiven.

                Der WEeg, den die EU geht – mit EuGH-Urteilen, Vergemeintschaftung von Schulden, Streit über Flüchtlinge, Einmischung in innere Angelegenheiten, Strafen und Bestechungen – ist der Falsche.

                Wenn Du heiraten und eine glückliche Ehe führen willst, ist der Weg, dem/der Partnerin Vorschriften zu machen, Einschränkungen zu geben, ihre/seine Finanzen zu durchleuchten, Möbel, Essen und Kleidung vorzuschreiben, bereits per Ehevertrag das Fernsehprogramm festzulegen, der falsche Weg. Wenn die EU das nicht versteht, wird es nie Fortschritt geben.

                Siehst Du das nicht?

                Und bitte nicht wieder mit Plattitüden antworten …

                • Stefan Sasse 1. Juli 2021, 20:56

                  Puh, das ist eine ganze Menge. Ich fühle mich gerade etwas überfordert. Ich versuch mal meine Gedanken dazu zu sortieren.

  • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:11

    1) Trumps Fehler rächen sich erst jetzt

    Aber man muss sich eben klar machen, dass das Regime in Teheran eine bewusste Entscheidung trifft, wenn es die Bevölkerung unter Sanktionen leiden lässt, wenn es die doch beschränkten Ressourcen Irans in den Aufbau militärischer Kapazitäten und die Unterstützung von Terrororganisationen steckt, wenn es versucht, Nuklearwaffen in die Hände zu bekommen.

    Klar was Soleimani beliebt im Iran, aber der Kerl wurde ja nicht auf der Promenade von Teheran getötet, sondern bei der Durchführung von Terroraktionen in einer anderen Nation. Das sollte man nicht unter den Teppich kehren.

    Bin absolut bei Dir!

  • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:12

    2) Scheiternder Dialog der Gerichte: Wie die europäische Rechtsgemeinschaft zu erodieren droht

    Müllers Artikel legt anschaulich dar, wie die Gefährdung des europäischen Rechtsstaats nicht nur von Ungarn und Polen, sondern auch von Deutschland ausgeht – vor allem von Karlsruhe und seinem Allmachtsanspruch.

    Für Dich vermutlich wenig erstaunlich sehe ich die Gefahr eher vom Allmachtsanspruch des EuGH ausgehen.

    Das ist hier in der Bundesrepublik Gesetz – die Rechtsprechung des BVerfG für das Grundgesetz ist endgültig.

    … und das ist gut so

  • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:14

    4) „Der Fernsehrat lässt sich von der Politik keine Kandidaten reinmauscheln“ (Interview mit Tina Hassel)

    Das ist also der große Skandal der Tina Hassel? Ein Tweet aus dem Jahr 2018? Und dazu der erbärmliche Versuch, ihr Kevin Kühnert anzuhängen.

    Kein großer „Skandal“; die Hinweise waren Hinweise, und der ganze Vorgang nur ein weiteres Indiz von vielen. Wenn Du anderen Bad Faith unterstellst, solltest Du begründete Kritik an einem bestimmten Verhalten einordnen können, anstatt das so aufzubauschen.

    Ist ähnlich wie mit der Süßkartoffel: Der einzige, den ich habe „Skandal“ schreien hören, warst Du.

    Das Einzige, was die Geschichte mit diesem Tweet zeigt, ist der professionelle Standard der ÖR: kam einmal im Überschwang vor, war ein Fehler, wir haben es seither korrigiert.

    Das kann ich als Erklärung / Entschuldigung (was immer gemeint war) sehr gut akzeptieren; mir gefällt, dass man danach einen Standard festgelegt hat. „Professionell“ ist hier als Attribut angebracht, Zustimmung..

    Die Springerpresse fährt in der Zwischenzeit eine Kampagne nach der anderen, aber das stört natürlich niemand.

    Um mal Dein Killer-Argument vorzukramen, wenn ich mal wieder auf den leichten Linkseinschlag bei den ÖRs Hinweise: Springer-Presse lese ich nicht. Aber wenn ich mich mal wieder über Medien aufrege, die Meinungen statt Informationen liefern, ist die Springer-Presse durchaus mitgemeint.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:20

      Stefan hat Tina Hassel als Kronzeugin durch die Manege gezogen, darauf beziehe ich mich.

      Ich bleibe dabei, dass der Anspruch, reine Information zu liefern, unerfüllbar ist. Mein Problem ist weniger dass Springer eine Haltung hat sondern dass so getan wird, als ob das nicht der Fall wäre.

      • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 15:58

        @ Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:20

        Stefan hat Tina Hassel als Kronzeugin durch die Manege gezogen, darauf beziehe ich mich.

        Und Du hast so getan, als sei das nur Fliegendreck. Tina Hassel hat es immerhin so ernst genommen, dass sie nach ihrem Ausrutscher Regeln aufstellte, um in Zukunft so etwas zu unterbinden. Damit teilt sie die Einschätzung von Stefan P. zur „Bedeutung der Affäre“

        Ich bleibe dabei, dass der Anspruch, reine Information zu liefern, unerfüllbar ist.

        Das, was möglich wäre, wird nicht versucht.

        Mein Problem ist weniger dass Springer eine Haltung hat sondern dass so getan wird, als ob das nicht der Fall wäre.

        Es gibt eine konservative Grundstimmung in der Welt, die nichts mit Kampagnenjournalismus zu tun hat. Diese Grundstimmung hast Du überall, kann ich in einem gewissen Rahmen mit leben. Aber wenn der Rahmen verlassen wird, was den ÖR und den Springer-Titeln immer wieder passiert, hat das nichts mehr mit Einstellung zu tun; ganz besonders bei Springer-Titeln wie der BILD nicht.

        • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:37

          True.

          Hm.

          Solche Kampagnen wie Springer die fährt kenn ich von den ÖR nicht, das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal. Mit konservativer Grundhaltung hab ich kein Problem, ich wünsch mir das sogar.

          • Erwin Gabriel 3. Juli 2021, 10:48

            @ Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:37

            Solche Kampagnen wie Springer die fährt kenn ich von den ÖR nicht, das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal. Mit konservativer Grundhaltung hab ich kein Problem, ich wünsch mir das sogar.

            Wenn Du Springer sagst, verstehe ich BILD, nicht WELT – höre ich da richtig? Robin Alexander z.B. finde ich so schlecht eigentlich nicht.

            • Stefan Sasse 3. Juli 2021, 14:20

              Die WELT ist eine ernstzunehmende Zeitung, in der sehr viele seriöse Journalist*innen gute Arbeit machen. Das Blatt wird nur leider vom Verlag in diese Kampagnen mit einbezogen.

  • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:16

    5) 80:1 für die Autoindustrie

    Es gibt niemand im Kabinett Merkel IV der auch nur annähernd so inkompetent und schädlich ist wie Andreas Scheuer.

    Ich würde Peter Altmaier nicht vergessen, der ja u.a. für Atommüll oder die versorgung der Wirtschaft in Corona-Zeiten zuständig war. Die beiden spielen schon in einer anderen Unfähigkeitsliga als der Rest.

    • Ariane 29. Juni 2021, 13:07

      Karlizcek eigentlich auch, die profitiert nur davon, dass BundesbildungsministerInnen wenig zu sagen haben^^

    • Kning4711 29. Juni 2021, 13:29

      AKK würde ich im übrigen als Aktivposten und positive Ausnahme sehen wollen. Im Gegensatz zu Ihren Vorgängern arbeitet die Frau sich in die Probleme der Truppe ein und sieht darin nicht ein Feld persönlicher Profilierung. Ich erlebe eine Ministerin die ernsthaft die strukturellen Probleme in der Truppe angehen will und ein neues Bewusstsein für Sicherheitspolitik in der Öffentlichkeit schaffen möchte.
      Die laufenden NAZI Probleme in der Truppe sind Ihr nicht anzulasten, da hat sich etwas in den letzten Jahrzehnten angestaut, dass aufgeräumt werden muss. Ehrlich gesagt, sehe ich hier keinen adäquaten Ersatz (sieht man von Fritz Felgentreu bei der SPD ab). Aber profilierte Sicherheitspolitiker sind in Deutschland rar.

      • Ariane 29. Juni 2021, 13:38

        Müller von der CSU würde ich auch noch lobend erwähnen.

        AKK wäre weiter als Verteidigungsministerin wirklich das Trostpflaster einer weiteren Unions-Regierung. Da hat sie wirklich den richtigen Posten für ihre Persönlichkeit gefunden. Wäre auch spannend, ob die Union das so belassen würde oder doch austauschen. Obwohl ich ja weiterhin der Meinung bin, es würde der SPD auch mal guttun, um wieder an die Realität anzukoppeln. ^^

        • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:28

          Ebenfalls richtig. Um auch mal SPD-Pfeifen zu benennen: Maas.

          • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:04

            @ Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:28

            Ebenfalls richtig. Um auch mal SPD-Pfeifen zu benennen: Maas.

            Maas ist keine Pfeife. Der ist eine ganze Orgel. Da könnte man gleich den Andi Scheuer zum Außenminister machen…

            • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:38

              Orgeln sind viel zu eindrucksvolle Organe, der Vergleich beleidigt Orgeln.
              Als Justizminister war Maas dagegen gar nicht so schlecht.

              • Erwin Gabriel 30. Juni 2021, 14:15

                @. Stefan Sasse

                Nein, Maas hat auch mit dem Netzwerk-Durchdringungsgesetz großen Scheiß gebaut; Die ursprüngliche Fassung war illegal. Für die „überarbeitete“ Fassung versprach er, die von Juristen beanstandeten Passagen zu ändern, tat das aber nur teilweise. Ein Tag vor der ersten Lesung erhielten die Abgeordneten die neue Fassung, die handwerklich immer noch zahlreiche Fehler aufwies, so dass die Abgeordneten der Regierungsparteien sich auf Maas‘ Wort verlassen mussten, als sie abstimmten. Fanden nicht alle gut.

                Und da Merkel es geschafft hatte, die Medien mit der „Ehe für alle“ zu verblöden, die am gleichen Sitzungstag verabschiedet wurde, kriegten es nur wenige mit.

                Maas stellte als Justizminister seine Gesinnung über das Gesetz; da unterscheidet er sich nicht von Trump, Erdogan, Putin und anderen.

                • Stefan Sasse 30. Juni 2021, 15:04

                  Danke für den Kontext, hatte ich nicht im Kopf. Willkommen in der Pfeifenriege, Heiko.

        • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:03

          @ Ariane 29. Juni 2021, 13:38

          Müller von der CSU würde ich auch noch lobend erwähnen.

          Wieso?
          Ich frage nicht, weil ich anderer Meinung bin. Aber irgendwie ist der mir nicht so ins Blickfeld geraten; über den könnte ich gar nichts sagen.

          • Ariane 29. Juni 2021, 16:15

            Ich hab mich vor einem oder zwei Jahren auch gewundert, dass nun ein Fußballspieler Entwicklungsminister ist 😉

            Er ist mir aber gerade während der Pandemie positiv aufgefallen, auch beim Brand von Moria. Da ging es um den Bund/Länderkonflikt, wer wann welche Flüchtlinge aufnehmen darf.
            Und er hat zusammen mit Hubertus Heil das Lieferkettengesetz ausgearbeitet und auf den Weg gebracht. Die Idee ging wohl auch hauptsächlich auf ihn zurück.

            • CitizenK 29. Juni 2021, 17:37

              Sehr bedauerlich, dass Müller sich aus der Politik zurückzieht.

            • Erwin Gabriel 1. Juli 2021, 15:51

              @ Ariane

              Danke für den Hintergrund. An Moria kann ich mich erinnern. Und selbst wenn ich mit der Ausführung des Lieferkettengesetzes nicht einverstanden bin, gefällt mir doch die grundsätzliche Idee dahinter.

              • Ariane 2. Juli 2021, 00:55

                Ich denke, der größte Durchbruch ist, dass es überhaupt erstmal so ein Gesetz gibt, dass dann etwas besser zu verändern, ist vermutlich weniger schwer als es erstmal einzuführen.

                Und so eine große Sache aus dem Entwicklungsministerium ist schon ungewöhnlich.
                Hubertus Heil würde ich übrigens auch noch als eher positives Beispiel nehmen, obwohl der echt wahnsinnig unauffällig ist, aber er hat etliches durchgesetzt.
                Ich erinnere auch nochmal an die Gesetzesänderung zu Werksverträgen zb in Schlachthäusern. Da hat die Pandemie natürlich geholfen, aber das ist auch ein ziemlich großes Ding.

                • Stefan Pietsch 2. Juli 2021, 08:23

                  Vor allem spielt Heil gerne Foul. Völlig gegen den vereinbarten Koalitionsvertrag versuchte er eine Mindestrente ohne Sozialprüfung durchzusetzen. In Teilen gelang ihm das sogar, mit verheerenden Folgen für die zukünftigen Kosten der Rentenversicherung.

                  Damit hat Teil ohne Not, d.h. ohne Koalitionsvereinbarung, eine weitere Kostenrakete in der Sozialversicherung gezündet.

                  Das gleiche Foulspiel versuchte er beim Rechtsanspruch aufs Homeoffice. Immer wieder. Wer möchte einen solchen Minister?

                • Erwin Gabriel 3. Juli 2021, 10:58

                  @ Ariane 2. Juli 2021, 00:55

                  Ich denke, der größte Durchbruch ist, dass es überhaupt erstmal so ein Gesetz gibt, dass dann etwas besser zu verändern, ist vermutlich weniger schwer, als es erstmal einzuführen.

                  Das sehe ich in der Theorie genauso; aber in der Praxis ist es – getreu dem Motto „nichts hält so lange wie ein Provisorium“ – selten so, dass nachgebessert wird, weil die nachbessernden in unterschiedliche Richtungen zielen würden. Auch mag ich das verhalten nicht, etwas Gutes abzulehnen, weil es nicht perfekt ist.

                  Dieses Gesetz halte ich im Grundsatz für richtig, selbst wenn es deutsche unternehmen gegenüber den Unterrnehmen anderer Länder (ganz besonders China) benachteiligt, die diese Bedenken nicht haben, und die davon allein schon profitieren, dass mit deutschen Konkurenten ein starker Mitbieter entfällt. Für China sinken die Preise, für uns steigen sie, und die deutschen kunden kennen wir beide genug, um zu wissen, wie das ausgeht.

                  Problematisch sehe ich das für kleinere Unternehmen, die nicht die Ressourcen haben, so etwas mit ausreichender relevanz sicherzustellen. Für die erhöht sich das Risiko.

          • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:38

            Mehr oder weniger Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik; macht saubere Arbeit ohne Aufhebens und Skandale.

      • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:28

        AKK ist super. Dass die als Vorsitzende scheiterte ist rückblickend echt ein Drama.

        • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:01

          Ja

      • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:00

        @ Kning4711 29. Juni 2021, 13:29

        AKK würde ich im übrigen als Aktivposten und positive Ausnahme sehen wollen.

        Die Einschätzung teile ich. Ist halt ein Scheiß-Ministerium, und sie macht sich recht unprätetiös an ergebnisorientierte Arbeit. Gefällt mir sehr gut.

        • Kning4711 29. Juni 2021, 21:59

          Da wäre Kontinuität wichtig – aber ich denke weder Grüne, noch FDP oder SPD haben Interesse an dem Ressort, so dass ich davon ausgehe, dass auch die neue Bundesverteidigungsministerin AKK sein wird.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:21

      Es ist so ein Trauerspiel, dass wir da echt einen Wettkampf am Laufen haben.

  • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:18

    6) There’s a Primal Reason for Our Collective Culture War Madness

    Das Hinterfragen bestehender Hierarchien und Privilegien hat schon immer zu Konflikten geführt.

    Ja, verständlicherweise, wobei ich die Betrachtung von Hierarchien und Privilegien trennen möchte.

    Hierarchien machen in den allermeisten Fällen grundsätzlich Sinn, und in mehrheitlich auch die bestehenden Hierarchien.

    Bei Privilegien würde mich mal der Maßstab interessieren, den Du anlegst, denn die Hinterfrager der heutigen / hiesigen Privilegien sind in einem anderen Rahmen durchaus auch privilegiert, weigern sich aber oft, das zur Kenntnis zu nehmen oder zu diskutieren.

    … das ist heuer der Fall, wo die Vorrangstellung bestimmter Gruppen herausgefordert wird.

    Das ist schon wieder sehr pauschal. Was mich an diesem Denkansatz stört (ebenso wie dieses Herumgereite auf den „alten, weißen Männern“ von Ariane) ist, dass die Vorrangstellung per se verurteilt wird. Wird diese beseitigt, übernimmt eine andere Gruppe die Vorrangstellung, die dann wieder – offenbar aus Prinzip – bekämpft gehört. Letztendlich geht es also nur um Macht, auch von progressiver Seite.

    Besser fände ich, einzelne Themen zu diskutieren. Was stört Dich an der Situation, was ist gut? Wenn Du die Machtfrage stellst, wird halt nach Macht entschieden; gehst Du auf Situationen, Probleme etc, kann man bessere Lösungen finden.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:22

      Ja, da hast du Recht; allein das Hinterfragen selbst erfordert ja schon eine hervorgehobene Stellung. War natürlich schon immer so; die SPD-Leute im 19. Jahrhundert waren ja auch die Facharbeiter und nicht die Ungelernten.

      Ich verurteile die gar nicht per se. In dem Fall wollte ich darauf hinweisen, dass sie angegriffen wird, und das führt zum Konflikt. Das war mehr eine Analyse. Aber wer diese Vormachtstellung angreifen will, wird zwingend den Widerstand der Privilegierten herausfordern, das kann ja gar nicht anders sein.

      • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:06

        Hinterfragen und Angreifen sind zwei unterschiedliche Sachen.

        • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:39

          Richtig. Aber die Hinterfragten sind oftmals schlecht darin, beides auseinanderzuhalten 😉

          • Erwin Gabriel 1. Juli 2021, 23:51

            @ Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:39

            Richtig. Aber die Hinterfragten sind oftmals schlecht darin, beides auseinanderzuhalten

            Die Hinterfrager auch

  • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:19

    7) Die Würfel fallen weiter

    Ich bin sehr skeptisch gegenüber der Idee eines Kanzler Scholz.

    Von Know-how und Erfahrung her der beste Mann auf dem Feld, aber im schlechtesten Team.

    Anders als Baerbock und Laschet ist Scholz als Kanzlerkandidat nie ernsthaft durchleuchtet worden, was natürlich ein Vorteil für ihn ist, es aber demokratie-legitimatorisch nicht ganz unproblematisch.

    Ich glaube, dass Du Dich da täuscht. Die Schubladen bleiben deswegen zu, weil er für die erfolgsversprechenderen Kandidaten aktuell keine Bedrohung darstellt. Sollte sich das ändern, kannst Du gar nicht so schnell schauen, wie CumEx und Wirecard hervorgezaubert werden.

    • Kning4711 29. Juni 2021, 12:27

      Das vermute ich auch – lass mal die SPD etwas Aufwind bekommen – die Artikel liegen schon auf den Festplatten in der Spiegel Reaktion bereit.

      Wenn es wirklich zur Ampel käme, müsste Scholz eigentlich eine Neubesetzung des Parteivorstands und der Fraktionsspitze anstreben, ansonsten ist er ständig im Klinsch mit der Partei und wird daran scheitern.

      Mit dem Team, in der Aufstellung ist die SPD nicht regierungsbereit, selbst wenn der Kapitän es tatsächlich tauglich ist (bin mir bei Scholz aber echt unsicher).

    • Dobkeratops 29. Juni 2021, 12:45

      Von Know-how und Erfahrung her der beste Mann auf dem Feld

      Als Hamburger möchte ich hier vehement widersprechen.

      • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:11

        @ Dobkeratops 29. Juni 2021, 12:45

        Als Hamburger möchte ich hier vehement widersprechen.

        Nun, ich wohne 35 km von Hamburg entfernt, und habe lange Jahre dort gearbeitet. Würd mich (die alte Frage bei so vielen vorzeigbaren SPDlern) mal interessieren, wie er sich in der CDU schlägt.

        Wie auch immer, mein subjektiver Eindruck ist, dass er besser als Laschet oder Baerbock geeignet wäre, eine Regierung zu führen. Wie an anderen Stellen schon mehrfach erwähnt, nehme ich ihm seine Verhalten bei CumEx und Wirecard sehr übel. Wenn das öffentlich breitgetreten wird, ist er eh durch.

        • CitizenK 29. Juni 2021, 17:42

          Bedauerlicherweise eiert Scholz bei beiden Themen herum. Hätte er schon jetzt Klarheit geschaffen und sich zu seinen Fehlern bekannt, hätte er eine Chance.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:24

      Genau das meinte ich ja. Scholz ist effektiv nicht Kandidat, weil ihn keiner ernstnimmt, und wird deswegen kaum durchleuchtet. Das würde sich ändern, wenn es realistischer wird – und dann würde die SPD wieder abstürzen. Das hatte ich in meinem Artikel zu diesen medialen Zyklen mit Hoch- und Runterschreiben ja analysiert.

  • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:20

    9) The World According to Germany: Reassessing 1989

    Die Maastricht-Regeln und die Schuldenbremse sind solche Regeln.

    Nein, sind sie nciht (jedenfalls nicht so pauschal); Dublin wäre eine solche Regel, die nicht taugt.

    Andererseits aber hat Deutschland kein Konzept dafür, mit Regelbrüchen umzugehen.

    Doch, natürlich. Man schaut möglichst nicht hin, und wenn man sich äußert, dann nicht so, dass es der andere hört. Das ist zwar kein lösungsorientiertes Konzept, aber es bildet den deutschen Zeitgeist recht gut ab.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:24

      Stimmt, Dublin gehört sicher auch dazu.

      Und was machst, wenn jemand die Menschenrechte bricht oder die Freiheit der Meere?

      • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:13

        Was ich mache, ist nicht die Frage. Was Heiko Maas macht, habe ich beschrieben. Der ist nur tapfer, wenn es gegen Israel geht.

  • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 12:21

    10) Mit der Union durchs Elfenland

    Denn die CDU hat praktisch keine Ideen, wie den Herausforderungen der Zukunft begegnet werden sollte.

    Anders als FDP oder Grüne etwa muss man sich von der CDU nicht bedroht fühlen. Sie wird den Status Quo nicht erschüttern.

    Und kaum einer erkennt, wie gewaltig und gefährlich sich diese Bedrohung (durch Stagnation) zu entwickeln droht. Da bin ich kurz vor der Verzweiflung.

    • Kning4711 29. Juni 2021, 12:28

      Vollste Zustimmung – zumal man gar nicht weiß wer dann am Ende im Team Laschet alles seinen Posten behalten darf. Und an der Spitze einiger Ministerien krankt es – Gestaltungswille kann ich nicht erkennen.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:24

      Völlig bei dir.

  • Ariane 29. Juni 2021, 13:20

    2) Ich gehe nicht davon aus, dass es irgendwann mal eine große Lösung für das Gerichtsproblem geben wird. Das wird man mit viel Blabla und interessanten Begriffen so hinbiegen und fertig. Und man versucht solche GAUs zu verhindern, die gleich die ganze EU aufs Spiel setzen, wie es bei Karlsruhe hätte passieren können.

    Langfristig würde ich eher auf die nationalen Gerichte setzen, weil die EU keine oder kaum Möglichkeiten hat, sich durchzusetzen. Würde übrigens auch noch darauf hinweisen, dass das noch komplizierter werden könnte, weil Staaten wie Polen oder Ungarn auch nicht viel von Unabhängigkeit der Gerichte halten. Und man sieht ja, dass die im Grunde machen können, was sie wollen.

    Interessant wird es, falls das neue Gesetz, das Gelder an Rechtsstaat knüpft wirklich zur Anwendung (dank des Parlaments) kommt. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass die EU vielleicht noch weiter schrumpfen wird im nächsten Jahrzehnt.

    • Erwin Gabriel 1. Juli 2021, 23:55

      @ Ariane 29. Juni 2021, 13:20

      Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass die EU vielleicht noch weiter schrumpfen wird im nächsten Jahrzehnt.

      Ich stimme zu. Solange die EU „für alle das Beste“ anstrebt und doch nur immer wieder sich selbst meint, sind die Chancen dazu groß.

  • Ariane 29. Juni 2021, 13:29

    5)
    Hier noch ein weiteres Fundstück zu Scheuer:
    https://www.tagesspiegel.de/politik/schamlose-bayern-first-politik-bund-investiert-auffaellig-viel-in-strassen-in-scheuers-wahlkreis/27299618.html

    Und machen wir uns doch nichts vor, wenn die Union weiter an der Regierung bleibt, hätten wir da einfach den nächsten CSU-Heini, der genauso weitermacht. Es gab ja auch Statistiken, die gezeigt haben, dass x-mal soviel Geld nach Bayern übers Verkehrsministerium geflossen sind als anderswohin. Und die Maut-Idee hatte auch nicht Scheuer, sondern war ein Lieblingsprojekt der ganzen CSU. Viel anders wäre das mit einem anderen Minister auch nicht gelaufen, das Problem ist strukturell.
    Siehe auch die Masken, in der CSU und auch in der CDU wird Korruption oder Vorteilsgewährung so hingenommen, da fehlen die Kontrollmechanismen. Dass die Union die Verteidiger der freien AutofahrerInnen ist, ist auch nichts Neues. Und wenn eine Partei solange in einem Ministerium sitzt, nützt es auch nicht viel, nur den Kopf auszutauschen.

    Ich bin da eh kein Freund von. Wird sich nie durchsetzen lassen, aber ich mag die Idee, dass nach vier oder acht Jahren die Parteien in den Ressorts wechseln müssen, um so eine Dauerfixierung zu durchbrechen.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:27

      Korrekt. Scheuer ist zwar besonders übel, aber vor allem ein Symptom.

    • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:39

      @ Ariane

      Der Bund ist nur für die Finanzierung von Bundesstraßen und Autobahnen zuständig, viel lieget in den Ländern und in den Kommunen.

      Das Verfahren für die Vergabe von Geldern ist wie folgt:
      Der Verkehrsminister kungelt mit dem Finanzminister aus, wieviel Geld für Straßen – oder Brückenbau zur Verfügung steht; anschließend ruft er die Summe auf. Dann meldet jedes Bundesland seinen Bedarf an. Den größten Bedarf melden stets die Bayer, die Wert darauf legen, dass Ihr Bundesland gut in Schuss ist. Im Normalfall kriegen alle Bundesländer bis auf das gierige Bayern den hochgereckten Daumen.
      Nun müssen sie den Bedarf konkretisieren, was bedeutet, dass sie die Projekte, die sie bauen und vom Staat bezahlen lassen wollen, zuerst planen müssen. Ist das Projekt geplant, wird es vom Verkehrsministerium geprüft, und anschließend kann es losgehen.

      In der Praxis sieht es so aus, dass alle (fast alle) Bundesländer mit der Planung überfordert sind; entweder fehlt das eigene personal, oder man kann nicht genügend Planungskapazität anmieten, oder man könnte, kann die Ingenieure aber nicht bezahlen. Wenn also NRW, um ein Beispiel zu nennen, zweieinhalb Milliarden Euro verbauen will und kriegt aber nur die Planungen für anderthalb Milliarden Euro rechtzeitig fertig, kriegen sie auch nur anderthalb Milliarden. Gleiches gilt für Niedersachen, und Bremen.

      Wenn nun klar wird, dass noch eine Menge Geld über ist, fragt der Finanzminister nochmal, und in der Regel hebt nur Bayern den Arm, zieht haufenweise fertige Planungen hervor, kriegt die Genehmigungen, und das war’s.

      Was Bayern anders macht? Die haben irgendwann mal ein paar Millionen für diese Zwecke beiseite gepackt; aus diesem Budget bezahlen sie die Planungen, und wenn die Genehmigung erteilt wird, fließen die Planungskosten aus den überwiesenen Projektkosten wieder in die Planungskasse. Da liegen immer ein paar Projekte abwicklungsbereit herum.
      NRW, Niedersachsen, Bremen müssen das Geld immer tagesaktuell freischaufeln, und sich dann auf die Suche nach Planern machen, was nicht immer funktioniert. Das Personal war schon vorher knapp, aber im Bauboom wird es teurer und schwieriger.

      Weil die Situation für alle bis auf die Bayern nicht zufriedenstellend war, hat man jetzt die Autobahngesellschaft des Bundes gegründet, die deutschlandweit den Hut aufhat.

      Hat Jahre gedauert, das einzurichten, da die Bundesländer nicht nur um alle Kosten erleichtert werden und Geld sparen, sondern auch Entscheidungskompetenzen (welches Projekt ist wichtiger etc.) an den Bund abgeben mussten.

      Die „Unterversorgung“ einzelner Bundesländer liegt an den Bundesländern selbst, und bayerische Verkehrsminister wie Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt oder Andreas Scheuer können der Heimat nur das Geld zuschustern, dass die anderen Länder beantragt hatten, aber nicht zu verarbeiten in der Lage waren.

      Das ändert nichts daran, dass Andreas Scheuer aus Bürgersicht einer der größten Versager im Amt ist (soll heißen, dass die meisten Lobbyisten wohl recht zufrieden sind).

      • Ariane 29. Juni 2021, 16:48

        Danke für den Kontext. Kommunal kenne ich das, wenn gegen Ende des Jahres noch Geld übrig ist, werden da schnell Wege erneuert oder ähnliches, weil sonst das Budget nächstes Mal kleiner wird.
        Insgesamt müsste man das Ganze mal vollständig reformieren, vieles in den Planungsverfahren sind ja mehr so Verhinderungssachen.

        Das erinnert mich übrigens an die völlig absurde Story vor einigen Wochen, dass die neue Autobahn-GmbH es nicht hinbekommen hat, ihr Rechnungssystem umzustellen und die ganzen Auftragnehmer monatelang ohne Geld dasaßen. Weiß gar nicht, was draus geworden ist, in Bremen drohten auf jeden Fall mehrere Baustellen zu verweisen, weil die nicht genug Rücklagen hatten, um ein halbes Jahr ohne Geld zu arbeiten. (der Wahnsinn)

        • Erwin Gabriel 1. Juli 2021, 23:58

          Ja, läuft noch nicht rund.

      • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:41

        Danke für die Erklärungen, sehr spannend!

  • Detlef Schulze 29. Juni 2021, 14:17

    zu 1)

    „Die Verhängung von Sanktionen hat das Regime in Teheran genauso zu einem Teil unter seiner Kontrolle wie der Autokrat im Kreml die gegen Russland.“

    Offensichtlich nicht. Denn:
    „Das Problem von Trumps Politik war ja gerade, […] die Sanktionen einfach „just because“ zu verhängen […]“

    Dem „Westen“ geht es ja hauptsächlich darum, dass Iran keine Atombomben baut. Zumindest Europa geht es zusätzlich auch um gute Wirtschaftsbeziehungen. Vor diesen beiden Gesichtspunkten war die Trumpsche Iran-Politik einfach katastrophal. Die Gestaltungsmacht des „Iran“, beruht schliesslich auf der Macht seiner Regierung, und die ist in der Tat begrenzt. Mit ihrer Politik hat die Trump-Regierung den Handlungsspielraum der liberalen Kräfte im Iran eingeschränkt. Es war doch für die Iraner offensichtlich, dass die Einstellung des Atom-Programmes, überhaupt nichts gebracht hat. Ganz im Gegenteil. Es zeigt sich, dass man den USA nur dann Zugeständnisse abringen kann, wenn man ein existierendes Atombomben-Programm hat.

    Ich war mal bei einem Physik-Kolloqiumsvortrag von einem MIT-Professor, der die Atom-Programme von Pakistan, Libyen und Iran untersucht und diesbezüglich auch die Obama-Regierung beraten hat. In seinem Vortrag hat er deutlich gemacht, wie erschreckend leicht es ist Uran hinreichend hoch (für Waffen) anzureichern, und dass die oben genannten Länder nur deshalb damit solche Probleme hatten, weil sie auf einen Betrüger und Aufschneider reingefallen sind (salopp zusammengefasst). Fakt ist, dass der Iran unbemerkt Uran anreichern könnte. Militärisch ist die Atombombe für den Iran sicherlich gar nicht so wichtig, da der Erzfeind (Saudi-Arabien) auch keine besitzt. Als politische Verhandlungsmasse ist eine Bombe, bzw. das Atombombenprogramm wesentlich nützlicher.

    Es besteht ja Einigkeit, dass der Iran keine Atombombe bauen darf. Ich befürchte aber, dass das Atom-Abkommen, die einzige Möglichkeit war dies zu verhindern.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:29

      Die Sanktionen bestanden ja schon länger. Der Iran hat die Ambition schon länger. Trump hat es, wie alles was er anfasst, schlimmer gemacht. Aber das gab es schon vorher.

  • derwaechter 29. Juni 2021, 14:18

    „Und im Rückblick wird der Widerstand gegen den Wandel genauso verquert aussehen wie aus heutiger Perspektive der Widerstand gegen den gesellschaftlichen Wandel der 1960er Jahre.“

    Man muss bei solchen Betrachtungen ganz allgemein aufpassen nicht einer survival bias aufzusitzen. Das was wir heute als logischen Wandel wahrnehmen ist ja nur das was Bestand hatte. Der Wandel der sich gegen (vernünftige oder unvernünftige) Widerstände nicht durchsetzen konnte oder nicht dauerhaft Bestand hatte wird schnell übersehen.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:30

      Völlig richtig! Das war auch nicht wertend in der Hinsicht, sondern eher als ein „später wird man das genau dem Grund so sehen“. Meine Analyse ist nur: in die Richtung geht es.

    • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 16:42

      @ derwaechter 29. Juni 2021, 14:18

      Man muss bei solchen Betrachtungen ganz allgemein aufpassen nicht einer survival bias aufzusitzen. Das was wir heute als logischen Wandel wahrnehmen ist ja nur das was Bestand hatte.

      Guter Punkt, danke.

  • Thorsten Haupts 29. Juni 2021, 15:12

    Zu 2:

    Auch nur der Versuch, ein demokratisch dazu bestimmtes legitimes nationales Verfassungsgericht durch ein demokratisch allenfalls indirekt legitmiertes supranationales Gericht bei der Auslegung der Verfassung dieser Nation zu überstimmen, ist ein demokratiefeindlicher, autoritärer, illiberaler und undemokratischer Putschversuch. Ja, diese Wortwahl ist hier angemessen, die Verfassung (in Deutschland Grundgesetz) ist die einzige Grundlage gesetzgeberischen, juristischen und exektuiven Handelns in einem demokratischen Rechtsstaat, wie auch sonst?

    Ich habe meinen Bundestag auf der Grundlage der deutschen Verfassung gewählt. Ich habe keinen EuGH auf der Grundlage überhaupt keiner Verfassung gewählt. Ich kenne die Diskussion über BVerfG versus EuGH aus dem Verfassungsblog. Und bin ganz offen entsetzt über den dort teilweise nicht einmal verborgenen Argumentationsversuch, einen von Bürgermehrheiten der meisten Staaten abgelehnten europäischen Superstaat über die Rechtsprechung europäischer Gerichte zu etablieren.

    Zu 8:

    In einem überwiegend bequemen und bequemlichkeitpazifistischen Staat hat die politische Linke die Sicherheitskräfte vollständig verlassen, betrachtet sie zum Teil sogar als Feind. Und dann wundert man sich über verbreiteten Rechtsradikalismus? Soll das ein Witz sein – wo sollte es den sonst verbreitet geben, ausser in bewaffneten Sicherheitskräften, die das tun (und erleiden), wozu die meisten anderen zu bequem, zu faul oder zu feige sind?

    Eine funktionierende Truppe mit überwiegend linksliberalen oder linksradikalen Angehörigen wäre ein Widerspruch in sich.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:32

      2) Sorry, nope.

      8) Ah, schuld sind natürlich die anderen Got it.

      • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 17:33

        @ Stefan Sasse 29. Juni 2021, 15:32

        2) Sorry, nope.

        Nachvollziehbare Argumentation. Für mich ist da Bundesverfassungsgericht die oberste Instanz, nicht der EuGH

        8) Ah, schuld sind natürlich die anderen Got it.

        Das ist eine sehr linke Art, dass zu sehen, bzw. eine Deiner Antworten, die den Eindruck hinterlassen, dass Du nicht über das Geschriebene nachgedacht hast.

        Selbst wenn Du immer wieder Rechtsextremismus auch ohne Bundeswehr oder Polizei findest, ist es doch so, dass alle das staatliche Gewaltmonopol haltende Institutionen von links als Feind betrachtet werden. So etwas polarisiert.

        Als ich beim Bund war, galt noch Wehrpflicht, und wir waren ein in jeder (auch politischer) Hinsicht ein bunter Haufen. So etwas gibt es nicht mehr. Und auch die Polizei, die ja oft genug als Ausputzer für Politikversagen hergenommen wird, findet Verständnis und Zuspruch nur unter gleichen, und erlebt den anderen Teil der Bevölkerung oft als Gegner. Wenn solch eine Situation eine rechte Prägung nicht erleichtert, weiß ich auch nicht.

        • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:47

          2) Ich kann es auch nachvollziehen, teile es nur nicht.

          8) Klar, wenn nur der doofe politische Gegner nicht existierte, müsste man nicht rechtsradikal sein. Ich hab diese Argumentation in den vier Trump-Jahren bis zum Erbrechen gehört und habe sie über.

          • Thorsten Haupts 30. Juni 2021, 11:07

            Noch zu 2:

            Ich werf das hier mal ab, weil es eine selten nüchterne Zusammenfassung der Sachlage ist, Und eine ebenso seltene kritische Betrachtung der Rolle des EuGH enthält:

            https://www.sueddeutsche.de/politik/karlsruhe-ezb-verfassungsgericht-europa-1.5337305

            Gruss
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 30. Juni 2021, 15:00

              Ich hab kein Abo 🙁

              • Thorsten Haupts 30. Juni 2021, 15:32

                Als ich ihn grad las, war er frei? Ich habe auch kein Abo. Sorry dann.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

          • Erwin Gabriel 2. Juli 2021, 00:05

            @ Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:47

            8) Klar, wenn nur der doofe politische Gegner nicht existierte, müsste man nicht rechtsradikal sein.

            So eine Dummsabbelei – wer sagt denn das?

            Mach Dir bitte die Mühe nachzudenken, bevor Du so etwas schreibst.

      • Thorsten Haupts 29. Juni 2021, 18:06

        Von Schuld war nicht die Rede?

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:47

          „In einem überwiegend bequemen und bequemlichkeitpazifistischen Staat hat die politische Linke die Sicherheitskräfte vollständig verlassen, betrachtet sie zum Teil sogar als Feind. Und dann wundert man sich über verbreiteten Rechtsradikalismus?“

          Was genau meinst du damit dann?

          • Thorsten Haupts 29. Juni 2021, 20:20

            Sehr einfach: Sicherheitskräfte sind ohnehin anfälliger für Häufungen von Rechten (hier benutzt im sehr weiten Sinne) inklusive Rechtsradikaler. Hierarchische Strukturen, Bewaffnung, autoritäre Befugnisse, Action – die Attraktoren sind unübersehbar.

            Wenn dann auch noch – und zwar aus eigener Wahl – Gegenkräfte nicht einmal mehr eine relevante Minderheit sind UND ein Teil der politmedialen Öffentlichkeit kritisch bis feindlich, der Rest bestenfalls indifferent eingestellt ist, dann hat man die idealen Brutbedingungen für den internen Schutz offenen Rechtsradikalismus – Wagenburgmentalität, Korpsgeist, prinzipielle Anfälligkeit und eine als unfair wahrgenommene Öffentlichkeit.

            Das ist keine Schuldfrage. Nur eine Beschreibung der systematischen Treiber bei gegebenen Rahmenbedingungen.

            Das ist zumindest meine Einschätzung als ehemaliger Bundeswehroffizier.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 22:53

              Ich verstehe was du meinst. Spielt sicher eine Rolle und gehört mit zu der Herausforderung/dem Hinterfragen von Hierarchien, wie es an anderer Stelle hier mit Erwin diskutiert wurde.

            • Erwin Gabriel 3. Juli 2021, 11:22

              @ Thorsten Haupts 29. Juni 2021, 20:20

              Wenn dann auch noch – und zwar aus eigener Wahl – Gegenkräfte nicht einmal mehr eine relevante Minderheit sind UND ein Teil der politmedialen Öffentlichkeit kritisch bis feindlich, der Rest bestenfalls indifferent eingestellt ist, dann hat man die idealen Brutbedingungen für den internen Schutz offenen Rechtsradikalismus – Wagenburgmentalität, Korpsgeist, prinzipielle Anfälligkeit und eine als unfair wahrgenommene Öffentlichkeit.

              Dem schließe ich mich an. Ich war Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre, also zu Wehrpflicht-Zeiten, beim Bund. Viele einfache Soldaten haben den Dienst in der Bundeswehr als notwendiges bzw. unvermeidbares Übel erlebt, waren dann dort zum Teil genervt, zum Teil aber auch mit Spaß dabei (oder beides). Da gab es mehr Linke als Rechte (war halt die Zeit der „Langhaarigen“), die das mit der Disziplin nicht so goutierten, aber Extremismus oder Radikalismus habe ich dort nirgendwo gesehen (eher ab und an ein Hauch von MännerJungen-Bündlertum). „Politische“ Positionen erkannte man an der Musik, an der Wahl der Rauschmittel (Pfeife oder Glas) und vielelicht noch am Haarschnitt.

              Die Wehrpflicht abzuschaffen ist aus meiner Sicht ein Fehler gewesen; die Umwandlung in ein verpflichtendes soziales Jahr für ALLE Volljährigen mit den Auswahl-Möglichkeiten Bundeswehr / Polizei / Technischer Hilfsdienst / Feuerwehr / Unfallhelfer / Pflegehelfer wäre der bessere Weg gewesen, vielleicht verbunden mit der Option, durch Verlängerung eine abgeschlossene Berufsausbildung zu bekommen. Als integrative Maßnahme für Neu-Deutsche sicherlich der Hammer.

              Aber dafür ist die Kanzlerin zu feige, und die staatliche Bürokratie nicht effektiv genug.

  • Lemmy Caution 29. Juni 2021, 15:51

    zu 1) bin wieder deutlich GEGEN Wirtschaftssanktionen. Zumindest solche, die gegen Staaten verhängt werden, die sich in ihrem Kern gegen „den Westen“ positionieren. Im Fall von rechten autokratischen Regierungen erscheint das Mittel viel wirkungsvoller. Die haben unter ihren Klientel oft Export-Unternehmer und denen droht bei außergewöhnlich schlechter wirtschaftlicher Performance auch leichter der Verlust der Macht. Bolsonaro ist hier ein Beispiel. Autokraten in Iran, Kuba, Venezuela und Russland können besser mit der Opferrolle punkten. Weite Teile der Bevölkerung scheinen auch toleranter auf die Verelendung zu reagieren. Bei nicht außergewöhnlich hohen Rohstoffpreisen wirtschaften die sich auf lange Sicht sowieso irgendwann in den Abgrund.
    Ressilienz von Regimen gegenüber Wirtschaftssanktionen mag rational-utilitaristisch schwer nachvollziehbar sein. Dysfunktionale Gesellschaften funktionieren aber einfach nicht nach rational-utilitaristischen Spielregeln.

    • Ariane 29. Juni 2021, 16:28

      Schwierig, das. Soviele Instrumente hat man international für Sanktionierung ja auch nicht.

      Ich finde, das ist ähnlich wie zwischen Rechtsradikalen und Islamisten, die profitieren quasi voneinander. Man hat hier wirklich durch Trump die Chance verpasst, das ganze in friedlichere Bahnen zu lenken mit Ruhani. Das Fenster ist nun zu und vermutlich auch ziemlich unabhängig davon, wie es jetzt diplomatisch weitergeht (vermutlich eher schlecht). Und für die Herrscher sind die Sanktionen halt ein Mittel, um gegen die USA oder den Westen zu holzen, aber für sie persönlich hat das ja weniger Konsequenzen.

      Was nicht zwingend heißt, dass ich dagegen bin, wie gesagt es gibt nicht soviele Möglichkeiten und der Iran wird ja schon lange sanktioniert, es gab/gibt also auch eine Gewöhnung. Bei Russland kann man ja etwas zielgerichteter vorgehen mit Einreiseverboten für mächtige Leute oder Sperrung von Konten etc. Aber beim Iran gibts da glaub ich nicht soviel, das geht nur breitflächiger.

      • Lemmy Caution 29. Juni 2021, 17:04

        Ich bin ausdrücklich für die Unterstützung oppsitioneller Gruppen und meinetwegen auch positiver ökonomischer Anreize im weitesten Sinne, aber für einen Wandel müssen die Leute im Land selbst sorgen, auch wenn das natürlich extrem schwierig ist. Ich sag nur, dass mir mein zwischenzeitlicher Optimismus für Wirtschaftssanktionen abhanden gekommen ist. Privatkonten und Luxusvillen von irgendwelchen Korruptis einkassieren sollte man machen, aber Sanktionen gegen Exporte und Kredite eben nicht.

        • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 17:36

          @ Lemmy Caution 29. Juni 2021, 17:04

          Ich bin ausdrücklich für die Unterstützung oppsitioneller Gruppen und meinetwegen auch positiver ökonomischer Anreize im weitesten Sinne …

          Ich stelle mir dabei immer vor, dass Putin, Erdogan und Konsorten mal ernst machen und eine Kampagne gegen unsere Regierung starten. Ich weiß also nicht so recht, was ich von der Methode halten soll. Hab aber auch keine Lösung parat.

          • Lemmy Caution 29. Juni 2021, 21:21

            Die gewinnen hier kulturell keinen starken Einfluß. Ich denke auch, dass das stattfindet. Nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus kam heraus, dass der in bestimmten Kreisen hochgeschätzte Pahl Rugenstein Verlag über Jahrzehnte fett von der Stasi unterstützt wurde(https://de.wikipedia.org/wiki/Pahl-Rugenstein_Verlag#Politische_Positionen). Es gab da einige solche Aufdeckungen. Eine Demokratie benötigt hinreichend innere Stärke, um mit sowas umzugehen.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:36

      Ja, die Bilanz von Sanktionen ist sehr gemischt.

  • Lemmy Caution 29. Juni 2021, 16:17

    zu 3) Nach langjähriger Beobachtung gibt es bei Politikern mit sehr linken Positionen 2 Sorten: Solche, die sich ernsthaft mit „der Westen“-feindseeligen Regierungen auseinandersetzen und den anderen. Die anderen greifen noch zum widerwärtigsten Strohmann-Argument und Doppel-Standard, um den Feind des Feindes zu huldigen. Ich schliesse übrigens persönliche finanzielle Motivationen von denen nie gänzlich aus. Eigentlich müsste man die anderen unterstützen und hoffen, dass es denen gelingt, die Dagdalen, Hänsel, Hunko, etc ihrer Welt irgendwann aus der Partei zu entfernen. Ein großer Teil der Basis scheint deren letztlich sehr einfaches Weltbild aber leider erstaunlich attraktiv zu finden.
    Man kann aber von den „anderen“ nicht auf die Gesamtheit zu schliessen. Die treffen auch in ihrer eigenen Partei auf Gegenpositionen. So beobachtet in Deutschland wie in Chile.

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 18:41

      Ich denke die sind weniger von Korruption als von Ideologie getrieben. Allzu häufig paaren sich da Ressentiments und Unkenntnis.

      • Lemmy Caution 29. Juni 2021, 20:36

        Kann sein, dass Dagdalen, Hänsel, Hunkel nicht die hellsten Kerzen sind. Ich mass mir da keine Beurteilung an, obwohl ich die alle ausser Hänsel schon in Veranstaltungen erlebt habe. Die beschäftigen sich mit den Themen schon seit Jahrzehnten. Was die da zum Besten geben ist eine Art Standardprogramm. Überrascht mich nie. Wie sie dermassen dran festhalten, kann ich mir nicht erklären.

  • Lemmy Caution 29. Juni 2021, 16:50

    zu 4) In den 70 und 80ern gabs ja mit dem ZDF Magazin eine Sendung, die vom Ostpolitik Konsens dezidiert entschieden abwich. Dürfte natürlich nicht gegen Ausländer hetzen, aber damit endlich Frieden ist, könnte man wegen mir sowas wieder einrichten. Angesichts des oft sehr radkalisierten Internets würde das den demokratischen Grundkonsens sicher nicht weiter aushöhlen.
    Als optimale Besetzung für den Gerhard Löwenthal des 21 Jahrhunderts sähe ich Friedrich Merz. Sowas in der Art.

    • Erwin Gabriel 29. Juni 2021, 17:43

      @ Lemmy Caution 29. Juni 2021, 16:50

      Als optimale Besetzung für den Gerhard Löwenthal des 21 Jahrhunderts sähe ich Friedrich Merz. Sowas in der Art.

      Eher so etwas in der Art – Joachim Steinhöfel 🙂

      • Lemmy Caution 29. Juni 2021, 21:01

        Ich kenn den nicht. Aber jemand aus dem Umfeld Tichys Einblicke, Achse des Guten hört sich nach einer guten Besetzung an. Muss natürlich sichergestellt werden, dass die nicht anfangen über Minderheiten zu hetzen.
        Und wegen mir auch ein linkes Magazin, wobei die natürlich nicht Menschenrechteverletzer verherrlichen dürfen.
        Ein paar fanatische Anhänger wirds da immer geben, aber die haben sich eh schon im Internet dahin entwickelt.

    • Dennis 30. Juni 2021, 10:02

      Ja, das waren noch Zeiten^. Das Gegenstück im selben Sender war übrigens „kennzeichen D“ mit Hans-Werner Schwarze, der unter „linksliberal“ verbucht wurde. Es wurde also für jeden eine jeweils schmackhafte Ideologie-Suppe serviert; natürlich keine schlechte Idee, eigentlich; Löwenthals engster Mitarbeiter und Nachfolger beim „Magazin“ (Fritz Schenk) war übrigens früher mal SED-Mitglied und hoher Beamter in der DDR-Plankommission. Typische Renegaten- bzw. Konvertiten-Story. Hat man ja auch bei der 68ern, die heutzutage mehr oder weniger rechts, zum Teil stramm-rechts rumlaufen.

  • yohak 29. Juni 2021, 19:18

    „Es kann nur eine Lehre aus dieser furchtbaren Barbarei geben: Freundschaft mit Russland und den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken muss Maxime deutscher Politik werden. (Sevim Dagdalen, Neues Deutschland)“
    Lustig. Wie soll das denn gehen? Dagdelen ist anscheinend nicht klar, daß auch die Ukraine und die baltischen Republiken ehemalige Sowjetrepubliken sind. Wie soll man denn gleichzeitig Freundschaft zur Ukraine und zu Rußland zur Maxime machen?

    • Rauschi 29. Juni 2021, 19:49

      Dagdelen ist anscheinend nicht klar, daß auch die Ukraine und die baltischen Republiken ehemalige Sowjetrepubliken sind. Wie soll man denn gleichzeitig Freundschaft zur Ukraine und zu Rußland zur Maxime machen?
      Mit absoluter Sicherheit ist Ihr das klar.
      Warum sollten uns andere Staaten vorgeben dürfen, welche Haltung wir zu wem einzunehmen haben?
      Sicher kann man mit beiden ein gutes Verhältnis pflegen, das nennt sich Diplomatie und ist wohl total in Vergessenheit geraten.
      Deuschland kann ja sogar Lieb Kind mit dem Kopf Ab Staat Saudi Arabien machen, warum sollten die mit irgendeiner Haltung ein Problem haben?

    • Stefan Sasse 29. Juni 2021, 22:52

      Pssssst…ruinier nicht alles 😀

      • Rauschi 30. Juni 2021, 06:09

        Psst, wieder keine Antwort auf mein Frage.
        Absicht , weil Sie keine haben?

        Wir sind die Guten, wenn eins fest steht, dann das.

        Die 2 Weltkriege hat ein anderer angezettelt, das waren wir nicht, wir sind die Guten und sollten andere permanent belehren, das kommt immer total gut an.
        Freundschaft wird überschätzt, über eine schöne Feindschaft geht fast nichts. 😛

  • Rauschi 29. Juni 2021, 19:45

    zu 3)
    Wenn Dagdalen meint:
    [Wer Russland den Kampf ansagt, ist selbstverständlich nicht an Entspannung oder gar einem »Gemeinsamen Haus Europa« interessiert. Es werden im Gegenteil propagandistisch neue Feindbilder geschürt, um einen Waffengang gegen Russland vorzubereiten. Sicher, noch ist es nicht so weit. ]
    Welcher Punkt ist falsch? Sind denn nicht gerade die Grünen für Konfrontation gegen Russland, für mehr Säbelrasseln?
    Habe ich irgendwelche versöhnliche Töne verpasst?
    Ich persönlich finde ja, das es grundsätzlich eine gute Idee ist, mit seinen Nachbarn gut auskommen zu wollen und nicht einer Atommacht dauernd die ausgesteckte Hand auszuschlagen.
    Wenn aber hier die Mehrheit offenbar der Meinung ist, das es besser oder normaler sein sollte, miltärisch aufzurüsten und möglich viele Auslandseinsätze zu stemmen, dann wird mir Angst und Bange, wohin die Reise geht.
    Bei dieser Entwicklung können alle nur verlieren, das sollte die Erfahrung lehren, warum halten so viele hier den kalten Krieg für einen erstrebenswerten Zustand?

  • Thorsten Haupts 29. Juni 2021, 20:27

    Habe ich irgendwelche versöhnliche Töne verpasst?

    Warum soll ich mit einem permanenten, aggressiven, gewalttätigen Regelbrecher imternationaler Regeln und Abkommen, mit einer Diktatur im Inneren und mit einem Serien-Mörder in fremden Gebieten „versöhnlich“ umgehen?

    Im Angesicht der russischen Verbrechen der letzten 10 Jahre gehen wir mit denen sehr, sehr schonend um, aus Angst vor einer militärischen Konfontation (und aus keinem anderen rationalen Grunde).

    … warum halten so viele hier den kalten Krieg für einen erstrebenswerten Zustand …

    Bullshit-Bingo? Ich habe einen kalten Krieg, um einen heissen zu vermeiden UND weil mein Gegner an besseren Beziehungen nur zum Preis meiner Unterwerfung interessiert ist, that´s it.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Rauschi 30. Juni 2021, 06:06

      Warum soll ich mit einem permanenten, aggressiven, gewalttätigen Regelbrecher imternationaler Regeln und Abkommen, mit einer Diktatur im Inneren und mit einem Serien-Mörder in fremden Gebieten „versöhnlich“ umgehen?
      An welcher Stelle handelt denn Russland aggressiv gegen Deutschland?
      Regelbrecher internationaler Regeln, da müssen die sich aber hinten an stellen, hinter viele andere Staaten, mit den Deutschland ein normales Verhältniss pflegt. Oder wie nennt man die Drohnenmorde und die Angriffskriege neuerdings, regelkonform?
      Warum sollte man..?
      Weil das bei Saudi Arabien niemanden stört und weil diese Beschreibung auch auf die USA zutreffen?
      Versöhnlich heisst nicht, alle Fehler zu übersehen, aber ein Konfrontationsverhältnis mit einer Atommacht finde ich persönlich einfach geschichtsvergessen.

      Im Angesicht der russischen Verbrechen der letzten 10 Jahre gehen wir mit denen sehr, sehr schonend um, aus Angst vor einer militärischen Konfontation (und aus keinem anderen rationalen Grunde).
      Was wäre denn die rationale Reaktion gewesen? Krieg? Ich kann mir fast nichts irrationaleres als Krieg vorstellen, das liegt aber sich an mir.

      Die Verbrechen der Saudis oder Amis oder Israelis der letzen 10 Jahre spielen keine Rolle? Wenn man rational nur Kriege führen kann, um Staaten für „Verbrechen“ zu bestrafen, dann habe ich die UN und das Verbot von Angriffskriegen wohl vollkommen falsch verstanden.
      Was hätte man mit Deutschland nach 45 machen sollen? Deren Verbrechen füllen Bücher? Was wäre die rationale Reaktion gewesen?
      Ein Marschallplan sicher nicht, oder? Mit solchen aggressiven Staaten pflegt man am besten eine schöne Feindschaft, oder nicht?

      Bullshit-Bingo? Ich habe einen kalten Krieg, um einen heissen zu vermeiden UND weil mein Gegner an besseren Beziehungen nur zum Preis meiner Unterwerfung interessiert ist, that´s it.
      Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie mich nicht so persönlich angehen, ich vertrete eine Meinung und empfinde es als grob unhöflich, das als Bullshit zu bezeichnen.
      Verstehe ich das richtig, es gibt keinen Frieden ohne kalten Krieg, gegenseitige Aufrüstung ist das sicherste Mittel, damit es nicht zu einem echten Konflikt kommt?
      Und ich dachte doch wirklich, Verständigung und ein normales Verhältniss wären die besten Voraussetzungen für Frieden.
      So kann man sich irren, das haben die nach dem Mauerfall also die ganze Zeit falsch gemacht?
      Unterwerfung, wer fordert denn sowas? Können Sie bitte mal ein wenig zuzrückschalten?
      Gerade hat Putin in der Zeit einen versöhnlichen Artikel geschrieben, haben Sie das nicht mitbekommen?
      hier der Link:
      https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/ueberfall-auf-die-sowjetunion-1941-europa-russland-geschichte-wladimir-putin?utm_referrer=https%3A%2F%2Fsuche.web.de%2F

  • Thorsten Haupts 29. Juni 2021, 20:31

    Zu 3:

    Die Springerpresse fährt in der Zwischenzeit eine Kampagne nach der anderen, aber das stört natürlich niemand.

    (Lach) Mir sind auch die Kampagnen der taz oder des SPIEGEL völlig wurscht. Die muss ich nämlich nicht zwangsweise unter ultimativer Haftandrohung finanzieren. Das immer wieder zu verwischen ist ziemlich unredlich.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • cimourdain 30. Juni 2021, 00:25

    1) „Klar was Soleimani beliebt im Iran, aber der Kerl wurde ja nicht auf der Promenade von Teheran getötet, sondern bei der Durchführung von Terroraktionen in einer anderen Nation. “ Getötet wurde Quassem Soleimani beim Verlassen des Flughafens von Bagdad, wo er war, um sich mit dem irakischen Ministerpräsidenten zu treffen. Spiegelbildlich zu Fundstück 3) sind Doppelstandards nicht wirklich hilfreich.

    2) Hier musst du differenzieren: Für Menschenrechtsangelegenheiten ist die übergeordnete Instanz nicht primär der EUGH sondern der EGMR. Mit diesem hat das deutsche Verfassungsgericht wenig Konflikte. Die Streitpunkte mit dem EuGH liegen in der Kompetenz-Kompetenz letzeren, da es nun mal keine Verfassung gibt, die diese gegeseitigen Grenzen klärt. Das andere Problem ist die mangelnde demokratische (un damit Legitimation) Grundlage der europäischen Gesetzgebung.

    8) Das Problem sind nicht rassistische Äußerungen. Dagegen vorzugehen wäre reine Symptomkuriererei. Cop-culture und mangelnde accountability treffen zwar besonders häufig Personen mit ‚ausländischem‘ Aussehen, Aber natürlich kann sie sich auch gegen einen Punk oder Obdachlosen richten, oder jemanden der nur auf der falschen Demo ist.

    11) Ich bin beim Lesen des Fundstücks auf eine bemerkenswerte Formulierung gestoßen: „die erfolgreiche Einbettung der Holocaust-Erinnerung in das amerikanische Selbstverständnis“ . Tatsächlich ist es etwas seltsam, wie stark die USA diese Erinnerung in die eigene Identität aufgenommen haben – und wie stark sich die deutsch-amerikanische Beziehung darauf stützt, bis hin zum Spiegel, der in einem Artikel zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz die Amerikaner dafür verantwortlich machte.

    • Stefan Sasse 30. Juni 2021, 08:06

      1) Fair enough. Bleibt aber, dass er ein Terrorist ist.

      2) Da hast du natürlich Recht. Diese mangelnde demokratische Legitimation wird ja aber gerade dadurch mit verhindert, dass das EP diese Legitimation durch die Beschlüsse u.a. des BVerfG gar nicht haben darf. Das ist ein bisschen tautologisch.

      8) Mach ein „nur“ in die Aussage und ich bin bei dir.

      11) Jepp. Und der Spiegel hat was?!

  • Dennis 30. Juni 2021, 10:21

    Bisher wenig in den comments zu uns Primaten, also zu 3)

    Zitat Stefan Sasse:
    „Dieser Prozess wird noch eine Weile dauern, da bin ich ganz bei Drum.“

    Tschuldigung, aber ich fürchte das wird nicht in Erfüllung gehen 🙁 Denn wenn – wie im verlinkten Artikel argumentiert wird – die Naturbasis rebellisch ist, also die einerseits gesuchte und gleichzeitig angegriffene hierarchische Ordnung darob nie stabil ist, wird DAS (also das Herumgezerre um unten und oben) nicht „noch eine Weile“ andauern, sondern bis in alle Ewigkeit.

    Wenn die von Erwin Gabriel erwähnten „alten weißen Männer“ (in ihrer Eigenschaft als Allegorie für „unberechtigterweise oben“) mal vom Sockel runter sind, werden die, die dann drauf sind, egal wer das ist, auch wieder unbeliebt. Allgemein ausgedrückt: Etwaige „neue“ Ordnungen sind ja nicht unhierarchisch sondern lediglich neu-sortiert-hierarchisch, sprich: Ständig geht das Theater wieder von vorne los. Die gute Nachricht: Es wird nicht langweilig.

    10)
    Zitat:
    „Anders als FDP oder Grüne etwa muss man sich von der CDU nicht bedroht fühlen.“

    Eine Partei, von der man/frau sich bedroht fühlen muss, würde niemand wählen. Ich betone: NIEMAND, also weniger als Wenige. Man/frau kann also davon ausgehen, dass auch die Freundinnen und Freunde von Grün-FDP in keiner Welt der lustbetonten Bedrohungen zu leben wünschen. Ins Elfenland wollen alle.

    Bei Grünens sieht Elfenland so aus:

    https://assets.jungefreiheit.de/2021/06/GRUENE-1.jpg

    Bei der FDP wohl eher so:

    https://www.ndr.de/media/geldscheine102_v-contentgross.jpg

    Zitat:
    „Dagegen wollen FDP und Grüne den Status Quo definitiv erschüttern.“
     
    LOL. Schon mal das Grüne Wahlprogramm gelesen? Eine Aneinanderreihung von Sweeties und Verheißungen aller Art:

    O-Ton Grünens:
    „Wir schaffen klimagerechten Wohlstand – als Grundlage für eine lebenswerte Zukunft.
    Wir sorgen für ein gutes Leben – auf dem Land und in der Stadt.
    Für uns stehen Familien und Kinder im Mittelpunkt.
    Wir bringen die soziale Sicherung auf die Höhe der Zeit.“

    Für Leute, denen das schon zu kompliziert ist, gibt’s auch bedrohliche Bilder, zum Beispiel:

    https://www.gruene.de/__cdn/eu-west-1/prd-images/210611_Kapitel1_Wahlprogramm.jpg?quality=85&width=850&height=400&mode=crop&signature=3b5e24c4ab2243cd12f5cdcc3c7b737bb08944c0

    Falls jetzt jemand der Meinung ist, dass könnte ja eigentlich auch die CDU verkünden oder auch die XYZ, ist das vermutlich nicht so ganz, ganz falsch

    Zitat:
    „Die CDU verkauft die irrige Hoffnung, man könne genauso weiter machen wie bisher, niemand müsse sich ändern oder Opfer bringen.“

    Klar, Wähler anderer Parteien bringen gerne Opfer, davon kann man gar nicht genug kriegen.

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