Über die Kehrseite einer unbekannten Parlamentarierin

Es gehört zur ersten Lektion eines Politikers Aufmerksamkeit für sich zu generieren bevor er – oder sie, soviel Gendern muss an dieser Stelle sein – Bewusstsein für ein tatsächliches oder vermeintliches politisches Problem schafft. In einer Welt, in der permanente Transparenz den echten Skandal durch eine dauernde künstliche Empörung abgelöst hat, bedarf es großen Talents in Populismus, es von einer Handvoll Followern zur bundesweiten Schlagzeile zu schaffen. Und so wurde aus einem leichten Sommerkleid in dieser Woche ein Stein des Anstoßes und Sinnbild für Sexismus. Die Theateraufführung dazu erfolgte im Landtag zu Schwerin im schönen, aber armen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, als eine 29jährige Abgeordnete der SPD-Fraktion ans Rednerpult schritt, begleitet von Kommentierungen über ihren optischen Auftritt.

Die Welt ist von jeher ungerecht. Das zeigt sich selten so klar wie im Sommer, wenn die Temperaturen schwitzende Höhen erklimmen und die Kleider nicht im selben Tempo fallen können. Nicht überall ist Badesee und während die heiße Jahreszeit kalendarisch mindestens drei Monate dauert, stehen hierfür meist nur drei Wochen Urlaub zur Verfügung. Den Rest der Zeit verbringt die arbeitende Bevölkerung in Büros, die im Zeitraffer die Klimaerwärmung exerzieren. Besonders Männer haben unter den Bedingungen zu leiden, erst recht, wenn ihr Einkommen wie Position hoch und herausgehoben ist. Denn dann gilt nach wie vor das Erfordernis, im Anzug und zumindest in langem Hemd am Arbeitsplatz zu erscheinen. Für Frauen gelten hier Erleichterungsvorschriften, während für ihre männlichen Pendants kurze Hosen, Sandalen und der Wegfall von Socken tabu sind, darf das weibliche Personal in Kleid, Rock, ärmelfreien Top und mit offenen Schuhen und ohne Strumpfhose und Söckchen erscheinen. Wohl nicht von ungefähr wurde die Klimaanlage sehr frühzeitig von einem Mann, Willis Carrier, erfunden.

Die Geschlechterungerechtigkeit setzt sich im Kulturellen fort, wenn bei sonnigen Abendveranstaltungen für Männer der Smoking mit hochgeschlossener Fliege vorgeschrieben ist und die Partnerin im schulterfreien Kurzen mit tiefem Dekolleté erscheint. Wenn weibliche Teenager und junge Frauen, übrigens nicht nur in Sommermonaten, mit bauchfreien Top oder kurz gebundener Bluse durch Einkaufszonen schlendern, genießen sie damit eine Freiheit der Körperkultur, die Männern weitgehend verwehrt bleibt. Natürlich lässt sich fragen, warum nicht auch Männer mit kurzem Rock und schulterfreien Oberteil in der Öffentlichkeit erscheinen können. Es ist eine typisch deutsche Sicht, wo es viele schon zuviel der Stilvorschrift halten, Sandalen nicht mit anderen Fußbekleidungen zu kombinieren.

Es sind Fragen der Ästhetik. Beharrte Männerbeine und Muskelshirt machen sich eben nicht so gut wie ein epiliertes zartes Frauenbein unter einem sandfarbenen Kleid. So sehr es bestritten wird, um so wahrer ist der Gehalt dieser simplen Erkenntnis. So sehr wir heute die Freiheit zum eigenen Stil betonen, bestätigen wir damit doch nur, mit Kleidung, Aussehen und Pose ein Statement gegenüber unserer Umwelt und unseren Mitmenschen abgeben zu wollen. So erleben wir die ästhetisch und optisch schönste Generation von politischer und wirtschaftlicher Elite. Mokierten sich Modeschaffende noch über schlecht sitzenden Anzüge bei Helmut Kohl und seinen Kabinettskollegen, prägt der heutige Außenminister sein Amt ausschließlich durch Berichte über körperbetonte Eleganz und weibliches Accessoire. Sahra Wagenknecht, Robert Habeck, Linda Teuteberg, Christian Lindner, Katja Kipping, Kevin Kühnert prägen ihre politischen Positionen auch aus ihrem optischen Auftritt heraus. Auch in anderen Ländern stehen nicht selten Menschen an der Spitze, die dem Schönheitsideal entsprechen oder durch Aussehen Menschen angesprochen haben. Wäre Macron ohne den optischen Begleitaspekt französischer Präsident geworden? Verkörperte nicht Barack Obama mit Stil und Optik einen klaren Schnitt zu seinen Vorgängern? Matteo Renzis kometenhafter Aufstieg in Italien vor einigen Jahren wäre ohne sein gefälliges Äußeres wohl genauso wenig denkbar wie die Wahl seines Nachfolgers, einem zuvor unbekannten Uni-Professor. In Spanien gilt der amtierende Regierungschef als die bestaussehendste Tüte heiße Luft.

Wenn wir Sexismus mit der Reduzierung einer Person auf ihre Optik gleichsetzen, war die Welt noch nie so sexistisch wie heute. Gleichzeitig wehren wir uns nur gegen den Verdacht, sexistisch motiviert, noch mehr konditioniert zu sein. Weltweit unterziehen sich jährlich über 23 Millionen Menschen einer Schönheitsoperation, größtenteils in Europa, Nordamerika sowie Teilen Südamerikas. Besonders beliebt sind solche chirurgischen Eingriffe in den USA und Brasilien. Der weit überwiegende Anteil der Patienten ist mit 87% weiblich, während das prozentuale Gewicht von Männern sinkt. Der häufigste Eingriff ist die Brustvergrößerung, fast 1,9 Millionen Frauen lassen sich jährlich Silikonimplantate einsetzen. Stark im Kommen sind sogenannte Gesäßaugmentationen, umgangssprachlich als Arschvergrößerungen bezeichnet. Fast 400.000 Menschen, auch hier fast immer Frauen, waren im Jahr 2018 mit der Größe ihres Hinterteils unzufrieden. In Deutschland entfallen über 4% aller Schönheitsoperationen auf Korrekturen im Intimbereich, mehr als eine Verdreifachung innerhalb von nur zwei Jahren.

Wir müssen nicht ernsthaft philosophieren, warum immer mehr Frauen es für erstrebenswert halten, ihre körperliche Sitzfläche vergrößern zu lassen. Keine Frau kann ihren Po üblicherweise sehen, es sei denn, sie stellt sich vor einen Spiegel. Die Ästhetik großer Arschbacken ist dem Schönheitsideal unserer Zeit entlehnt, wo Frauen mit üppigen Formen wie die Kardashians prägend wirken. Werbung und Mode rücken den weiblichen Po in den Blickpunkt, die speziell an junge Frauen gerichtete Marketingkampagne des Erotikunternehmens Eis beginnt Spots mit dem Blick auf die Rundungen eines Twen-Models.

Diese Aspekte gilt es zu berücksichtigen, wenn wir Verhaltensweisen beurteilen wollen. Heuchelei beginnt dort, wo wir uns nicht nur als Individuum, sondern auch als Gesellschaft anders verhalten als wir öffentlich urteilen oder unsere Werte positionieren wollen. Nicht ohne Grund gilt unser tatsächliches Verhalten als der wahre Spiegel unserer Werte und nicht das, was wir artikulieren.

Schon als sechs- oder achtjähriger Knirps sah ich voller Begeisterung die Filme aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, in denen die Damen der Gesellschaft voluminöse Kleider trugen, ihre Reize zeigten und trotzdem mit einer gewissen Schamhaftigkeit reagierten. Wahrscheinlich war ich nach heutigen Maßstäben bereits lange vor Erreichen der Geschlechtsreife ein Sexist. Mein weibliches Ideal war und ist bis heute die Sex-Ikone Marilyn Monroe. Im gemeinsamen Schlafzimmer hängt ein Druck von Andy Warhol, übrigens ein Geschenk meiner Frau.

Wir beurteilen Menschen beim ersten Kennenlernen nach dem, was wir sehen und das ist nicht zuletzt der optische Eindruck. Der Kopf siegt eben nicht über Instinkt. So sehr Tattoos heute verbreitet sind und den Sinn haben, ein Statement der Person an seine Umwelt abzugeben, so tabu sind sie dort, wo es um gesellschaftlichen Aufstieg und Zugehörigkeit zu Eliten geht. Tätowierungen wirken bedrohlich und haben etwas Martialisches, genau die Aussagen, mit denen Menschen dort nicht gewonnen werden können, wo es drauf ankommt. Wir lassen uns nur dann führen, wenn wir der Person an der Spitze vertrauen, nicht, wenn wir sie fürchten.

Es gehört zur menschlichen Natur, die wahren Absichten zu verschleiern. Täuschung und Lüge sind so normal wie Tag und Nacht. Wer demaskiert ist, erreicht seine eigentlichen Ziele schwerer bis nicht. Was beabsichtigt eine Jungpolitikerin also, die bei frühsommerlichen Temperaturen an Normen und Gepflogenheiten der parlamentarischen Ordnung vorbei ihren Job als Volksvertreterin ausübt? Zu solchen Ordnungen gehören übrigens auch ungeschriebene Dresscodes, nicht alles ist erlaubt, was nicht explizit verboten ist. Nach einhelligen Schilderungen war das Kleid, das Nadine Julitz (SPD) bei einer Sitzung des Schweriner Landtags Mitte Mai trug, verhältnismäßig kurz und hoch geschlitzt. Beim Gang zum Rednerpult kommentierten laut Sitzungsprotokoll einige männliche Abgeordnete halblaut den Auftritt. Die Politikwissenschaftlerin reagierte kurz auf die ihrer Ansicht nach sexistischen Reaktionen.

Die kurze Intervention blieb öffentlich ohne große Resonanz. Umso mehr schien sich Julitz deswegen bestärkt zu fühlen, im Zuge der gerade nun auflebenden „Black Live Matters“-Demonstrationen auf „ihren“ Fall hinzuweisen und intervenierte in der Sitzung am 11 Juni nochmals zu der ihr angeblich zugefügten Beleidigung. Für sie seien Bemerkungen über ihren Hintern kein Kompliment, sondern purer Sexismus. Und endlich wurde auch bundesweit über den Vorgang berichtet, der nun genau einen Monat zurückliegt und Nadine Julitz erfährt eine Bekanntheit, die für karriereorientierte Politiker nun mal essentiell ist. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Direktkandidatin des Wahlkreises Mecklenburgische Seenplatte aus jenem Landesverband stammt, in der schon einmal eine junge, blonde Politikerin nicht zuletzt aufgrund ihrer Jugendlichkeit und äußeren Attraktivität, versehen mit dem Spitznamen „Küstenbarbie“, ein raketengleicher Aufstieg gelang. Die Rede ist dabei von der gegenwärtigen Ministerpräsidentin des Landes, Manuela Schwesig.

Der Vorgang wirkt dabei wie auf dem Reißbrett politischer Empörung entworfen. Bereits der Aufbau ist idealtypisch. Jede Branche kennt Dresscodes, auch solche, die angeblich keinen haben. Wer gezielt gegen Normen verstößt, heischt um Aufmerksamkeit und will, dass sich andere reiben. Heute tritt dazu eine moderne Form, die daraus resultierende Debatte der Tabuverletzung zum eigenen Vorteil umzumünzen, sich selbst als liberal und den anderen als kleingeistig darzustellen. Und wer eignete sich dazu besser als Personen, die ohnehin im Ruf stehen, kleingeistig und illiberal zu sein? Also zum Beispiel Vertreter einer rechtspopulistischen Partei.

Warum kauft eine Frau sich ein Kleid mit hohem Saum und langem Schlitz? In der Mode zielen diese Gestaltungsformen darauf ab, die Beinlänge der Frau und die Attraktivität ihrer Rückansicht zu betonen, weswegen der Aufriss auch typischerweise hinten und nicht vorne verläuft. Im Geschäftsleben gilt beides als No-Go, will man nicht die eigene Unseriosität betonen. Man stelle sich vor, ein muskelbepackter Abgeordneter mit Tattoos würde im kragenlosen, die Muskeln modellierenden Shirt ans Rednerpult schreiten, die Kommentatoren würden nicht an sich halten ohne sich dem Vorwurf des Sexismus auszusetzen.

Frauen fällt es wesentlich leichter, den Anhalt zurückzuweisen. Wer, der seine äußere Attraktivität betont, will schon darauf reduziert werden? Antwort: durchaus viele, denn es reduziert auch die inhaltliche Kritik. Schöne Menschen sind deswegen erfolgreicher, weil ihnen Erfolg und Wissen zugeschrieben wird. Die Empörung von Nadine Julitz ist dann gut gespielt, wenn sie in drastischer Wortwahl nach Wochen des inneren Nachdenkens sich echauffiert, ihr werde nun auf „den Arsch geguckt“. Die Lektion ist hervorragend gelernt und umgesetzt: Schauen Sie auf keinen Fall hin!

Es ist große Kunst, einen alltäglichen Vorgang in einen öffentlichen Skandal zu hypen. Die bisher so unscheinbare Jungpolitikerin Julitz hat es so binnen Tagen zu deutschlandweiter Bekanntheit und Interviewanfragen überregionaler Medien geschafft. Und das mit den einfachen Mitteln, mit denen im Marketing seit Ewigkeiten gearbeitet wird: Reizschaffung durch Sex Appeal, Aufmerksamkeit durch Normverletzung, Verankerung im öffentlichen Gedächtnis durch Empörung und Wiederholung. Wenn die Blondine so weiter macht, ist sie bei der nächsten Bundestagswahl Ministerkandidatin der SPD und mit 40 Ministerpräsidentin.

{ 63 comments… add one }
  • Stefan Sasse 14. Juni 2020, 17:46

    Ich höre zum ersten Mal von der Dame und ihrem Auftritt, falls dich das beruhigt.

    • derwaechter 14. Juni 2020, 18:00

      Geht mir genauso.

      Was nicht heissen soll, dass ich die Story nicht glauben würde.

      • Stefan Sasse 14. Juni 2020, 18:33

        Gar nicht! Ich wollte nur eine Perspektive schaffen dafür, dass das nicht auf BLM-Niveau spielt.

        • Ariane 15. Juni 2020, 02:54

          Küstenbarbie kannte ich so gut, da weiß ich, dass die Schwesig gemeint ist. Sonst kenne ich nur den Amthor und die Merkel als MV-Politiker*innen. (da wohnen nur 50 Leute oder so, das ja wie Ostfriesland)

    • TBeermann 14. Juni 2020, 19:15

      Passiert mir aber öfter, dass ich von den angeblich in der linken Blase aufgeblähten Skandalen in meiner linken Blase nichts höre, sondern immer nur von Leuten aus der rechten Blase.

      • Stefan Sasse 14. Juni 2020, 19:52

        Dauernd!

        • TBeermann 14. Juni 2020, 20:03

          Sagt doch eigentlich auch schon viel aus. Allein, dass er Merkur nicht einen Tweet von irgendjemandem auftreiben konnte, der den man als Leser eventuell kennen könnte, spricht doch Bände (ganz abgesehen davon, dass nicht mal 400 Antworten und keine 700 Re-Tweets in vier Tagen nun echt kein Twitter-Hype darstellen).

          Aber die vor der Nase gewedelte Karotte funktioniert. Die „Konservativen“ regen sich darüber auf, dass sich die Linken angeblich über das Thema aufgeregt haben, vollkommen unabhängig davon, ob sich da tatsächlich jemand aufgeregt hat.

          Wer ist jetzt noch mal leicht zu triggern?

          • Ariane 15. Juni 2020, 02:46

            Es gibt auch den umgekehrten Fall meine ich: Ricarda Lang von den Grünen (oh geboren in Filderstadt – Grüße an die Schwaben) ist frauenpolitische Sprecherin und ein bisschen füllig:
            https://www.gruene.de/leute/ricarda-lang

            Kämpft meine ich (war vielleicht auch eine andere von den Grünen) seit Jahren gegen Fatshaming, Claudia Roth gegen Tichy, Künast gegen Leute, die meinen Drecksfotze wäre eine Meinungsäußerung und Cem Özdemir gegen Rassismus.

            Stehen meines Wissens alle unter Polizeischutz. Zumindest Roth und Özdemir sicher.

            Wusste eigentlich jemand, dass Marina Weisband Jüdin ist? Hab davon erst erfahren, als sie sich wegen Antisemitismus beklagte. Noch schockierender war nur die Erkenntnis, dass sie gar keine Naturlocken hat!

            • Ariane 15. Juni 2020, 02:53

              OH. Sawchan Chebli, eine von den coolen Frauen der SPD muss unbedingt auch noch erwähnt werden! Kommt immer super, wenn Schwangere einen Rechtsstreit ausfechten und sich durch eine Menge besorgter Bürger drängen müssen, um sich Islamschlampe nennen zu lassen!

              Und ja, sonst würde ich sie vermutlich nicht kennen. Ist also eine gute Strategie! Habe schon eine Liste, wer von der CDU/CSU das relativiert hat, um den normalen CDUlern zu helfen, die Werte-Union aus ihrer Partei zu drängen oder den Merz zu verhindern oder was auch immer.

              Am Ende landen alle bei den Grünen, weiß jemand ob die in Innenministerien zu Hause sind?, das ist ja schon der nächste Kampfplatz.^^

      • Erwin Gabriel 14. Juni 2020, 21:14

        @ TBeermann 14. Juni 2020, 19:15

        Passiert mir aber öfter, dass ich von den angeblich in der linken Blase aufgeblähten Skandalen in meiner linken Blase nichts höre, sondern immer nur von Leuten aus der rechten Blase.

        Nachvollziehbar. Funktioniert andersrum genauso. Nur die wichtigen Sachen kommen von beiden Seiten.

  • cimourdain 14. Juni 2020, 19:00

    Nach all diesen alles-oder-nichts Krisendebatten ist ein so zweckfreies Thema ganz angenehm. Soll es mich also tangieren, wenn Sie sich pikiert fühlen, weil eine mecklenburg-vorpommersche Abgeordnete sich darüber echauffiert, dass ein AfD-Abgeordneter an ihrem Kleid Anstoß nimmt ? Antworten bitte als Kettenspiel mit immer neuen Formulierungen.

    • Ralf 14. Juni 2020, 19:08

      Da ich von der Frau noch nie gehört habe, ist mir völlig gleichgültig, ob es Sie tangiert, wenn Herr Pietsch sich pikiert fühlt, weil eine mecklenburg-vorpommersche Abgeordnete sich darüber echauffiert, dass ein AfD-Abgeordneter an ihrem Kleid Anstoß nimmt.

      • FS 14. Juni 2020, 19:53

        Mir geht es an der Kehrseite dieser unbekannten Parlamentarierin vorbei, dass es Ihnen gleichgültig ist, ob es cimourdain tangiert, wenn Herr Pietsch sich pikiert fühlt, weil eine mecklenburg-vorpommersche Abgeordnete sich darüber echauffiert, dass ein AfD-Abgeordneter an ihrem Kleid Anstoß nimmt.

  • Jens Happel 14. Juni 2020, 20:49

    Bei mir ist der Vorgang durchs Raster gefallen.

    …wenn bei sonnigen Abendveranstaltungen für Männer der Smoking mit hochgeschlossener Fliege vorgeschrieben ist und die Partnerin im schulterfreien Kurzen mit tiefem Dekolleté erscheint.

    Du bist eindeutig auf anderen Abendveranstaltungen unterwegs als ich.

    Ansonsten beschreibst du ein Spiel von Figuren der Öffentlichkeit die mit der Presse spielen um Aufmerksamkeit zu erhalten, die Presse wiederum spielt es mit um ihrerseits Aufmerksamkeit für ihr Medium zu generieren. Ob so was auf Dauer funktioniert ist aber fraglich. Die Spieler müssen rechtzeitig damit wieder aufhören. Als ewige Skandalnudel wird man eher selten BundeskanzlerIn.

    Wenn man nicht gerade BundeskanzlerIn werden will, kann man offenbar damit seinen Lebensunterhalt ganz gut bestreiten.

    https://tinyurl.com/ybh9o52s

    Teilweise kann ich mich auch nicht des Eindrucks erwehren, dass PseudoSkandälchen produziert werden, um von wirklichen Skandalen abzulenken.

    Gruß Jens

    • Erwin Gabriel 14. Juni 2020, 21:18

      @ Jens Happel 14. Juni 2020, 20:49

      Teilweise kann ich mich auch nicht des Eindrucks erwehren, dass PseudoSkandälchen produziert werden, um von wirklichen Skandalen abzulenken.

      Wer weiß, was uns heuer erspart bleibt, weil die Fußball-EM erst 2021 kommt. Unter diesem Cover wurden sonst immer ein paar dämliche Gesetze durchgewunken.
      🙂

    • Stefan Pietsch 14. Juni 2020, 21:31

      Ich hatte schon Vorstellungsgespräche bei über 30°C, meine Gegenüber hatten es sich etwas locker gemacht, forderten mich aber nicht auf, es dem gleich zu tun.

      Mein Abiball war an einem heißen Sommertag, Brasilien spielte übrigens in einem Jahrhundertspiel gegen Frankreich, was die Franzosen im Elfmeterschießen für sich entschieden (Mal schauen, ob Du das Jahr findest 🙂 ). Da zu der Zeit ohne Freundin hatte ich eine angebaggert und zum Ball eingeladen, deren Freund gerade abwesend war. Zugegeben, nicht ohne Hintergedanken. Allein das Tanzen konnte einen ziemlich ins Schwitzen bringen, während meine aufregende Partnerin wirklich toll und verführerisch in ihrem Ballkleid aussah. Schon damals empfand ich die Ungerechtigkeit bei den Kleiderkonventionen, was allerdings durch die Rolle des Verführers, welche dem Mann traditionell zufällt, etwas ausgeglichen wird. 🙂

      Ich habe den Vorgang hochgezogen um zu zeigen, wie typische Opfer-/Minderheitenkonstellationen in unserer heutigen Zeit instrumentalisiert werden. Ein Minderheitenstatus macht jemanden noch lange nicht zum Opfer. Und wir pervertieren unser Zusammenleben.

      • Stefan Sasse 14. Juni 2020, 21:36

        Frauen haben modetechnisch im Sommer definitiv große Vorteile, das müssen wir nun wirklich nicht kontrovers diskutieren.

        • Stefan Pietsch 14. Juni 2020, 21:43

          Die eigentliche Botschaft des Artikels scheine ich gut versteckt zu haben…

          • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 09:17

            Ehrlich gesagt ja. Ich hab ihn gelesen und hatte Fragezeichen über dem Kopf ^^

            • Stefan Pietsch 15. Juni 2020, 13:49

              Zum einen: es ist ein klassischer Fall politischer Kommunikation. Frau Julitz wollte Bekanntheit erreichen und eine politische Botschaft senden. Und gleichzeitig hat sie dabei die Wirklichkeit verbogen und etwas unter neuen Kampfbegriffen wie „Sexismus“ gelabelt, was da nicht hingehört. Dass sie gleichzeitig noch eine unliebsame Partei an den Pranger stellen konnte („nur Männer“) war dann noch ein netter Nebeneffekt.

              Wir inszenieren uns mit unserem Aussehen und unseren Körpern, wie das keine Generation vor uns getan hat. Wir wollen mit unserem Aussehen Botschaften transportieren. Und gleichzeitig heucheln wir, nicht auf die Verpackung reduziert werden zu wollen. Schlimmer, wir setzen es als neue Waffe ein, wenn andere das Offensichtliche bemerken, debattieren, kritisieren und sich darüber mokieren. Dann ist es Sexismus, Diskriminierung, Intoleranz.

              Tun wir endlich auch in Debatten wieder das, was wir sonst auch tun: Reden und Handeln einer Person abgleichen und daraus eine Meinung über ihre Glaubwürdigkeit bilden.

        • Jens Happel 14. Juni 2020, 23:04

          Das wird aber durch das tragen von HighHeels mehr als kompensiert.

          Gruß Jens

        • Ariane 15. Juni 2020, 03:02

          Frauen haben modetechnisch im Sommer definitiv große Vorteile

          Jep, mühsam erkämpft übrigens. Und es kommt extremst auf den Anlass an. Freizeittechnisch: Absolut. Bzw da ist hier mittlerweile postgender mehr so Schlafanzug-Look angesagt (das ist selbst mir zu casual)

          Ansonsten: Geht so. Je schicker der Anlass, desto drängender die Schuhfrage. War letztes Jahr auf einer Hochzeit, mein Kleid war todschick und hatte Schmetterlinge!

          Dazu aber Strumpfhose und natürlich Highheel-Sandalen. Es fand auf einer Wiese statt, die man durch einen Feldweg erreichte. Und das Wetter war wie heute mit Platzregen und alles nass.

          Zusammenfassung: die Männer hatten den Vorteil, weil die keine nassen Schlammfüße hatten und nicht drohten, ihren Schuh aschenputtelmäßig im Moor zu verlieren.

          Also freizeitmäßig ja, schicke Anlässe eher nein. Hochzeiten sollten nur drinnen stattfinden und sowieso dringendst mal ent-traditionalisiert werden. (hier längeren Rant dazudenken)

          • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 09:20

            Ich merke es halt in der Schule ziemlich deutlich.

            • Ariane 15. Juni 2020, 11:49

              Wie ist das denn bei den Lehrern/Schülern heutzutage (also den männlichen?)

              Ich finde so alltagsmäßig hat sich bei den modebewussten Männern jetzt T-Shirt-kurze Hose (diese mit Taschen bis zum Knie) und Sneakers oft durchgesetzt.

              Ist vermutlich für einen Lehrer zu casual? Lange Hosen und diese Anzugschuhe sind fies im Sommer. Und ihr habt ja noch fiesere Temperaturen. Süddeutsche Urlauber erkennt man daran, dass die entweder im halben Badeanzug herumlaufen oder bei drei Tropfen Regen ihren Friesennerz herauskramen. 🙂
              https://www.tombrook.de/friesennerz-store/?gclid=EAIaIQobChMIs8vkjMWD6gIVB7LtCh0lswobEAAYASAAEgKeO_D_BwE

              Ansonsten ja, es wäre vorteilhaft, wenn Männer eine eigene Revolution in Klamottenfragen haben. 🙂

              • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 15:54

                Die meisten Lehrer tragen keine kurze Hose in der Schule und auch keine Sandalen. Ich bin die ersten Jahre immer in langer Hose und Hemd im Unterricht gewesen. Habe das mittlerweile aufgehört. Kurze Hose und FlipFlops, I don’t give a shit. Mein Arbeitgeber kann darüber klagen, wenn er eine Klimaanlage einbaut. Solange ich in einem Hochofen unterrichte ziehe ich mich so leicht wie möglich an.

                • Ralf 15. Juni 2020, 16:11

                  An meiner alten Schule sind im Sommer die ganzen jüngeren Lehrer in T-Shirt, Shorts und Sandalen oder Turnschuhen zur Arbeit gekommen. Warum auch nicht?

                  • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 17:34

                    Denke ist eine Frage der jeweiligen Unternehmenskultur.

                    • Ralf 15. Juni 2020, 17:51

                      Sicher. Aber selbst in der Pharmaindustrie läuft im Sommer niemand mit Anzug, Hemd und Krawatte in der Gegend rum, es sei denn es ist ein offizieller Anlass oder man ist Abteilungsleiter. Selbst bei den Abteilungsleitern ist formale Kleidung aber eher eine Typfrage und ohne wichtigen Anlass kommen auch da viele ganz normal gekleidet. Die meisten Laborleiter tragen im Sommer kurzärmlige Polo-Shirts. Manche auch T-Shirts. Etwas anderes als eine Jeans habe ich noch nie jemanden tragen sehen. Außer wie gesagt bei offiziellen Anlässen.

                    • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 18:45

                      Wie gesagt, an meiner Ausbildungsschule gab es niemand mit kurzen Hosen. Auch im Hochsommer nicht.

      • FS 14. Juni 2020, 22:43

        „Ein Minderheitenstatus macht jemanden noch lange nicht zum Opfer.“
        Mag sein, aber zum Opfer wird man vielleicht, wenn man sich von anderen Leuten anzügliche Sprüche anhören muss, und sich diese anderen Leute – darauf angesprochen – zu fein sind, es als anzüglichen Spruch einzugestehen und mit einem „das wird man jawohl nochmal sagen dürfen“ abwiegeln – und damit durchkommen. (Ach nee, es war ja, „Darf man nicht mal mehr ein Kompliment machen“ – das ist eigentlich noch viel besser, weil man hat es ja eigentlich gut gemeint).
        Nun kann man sich sicher darüber streiten was ein Kompliment ist und was nicht (Ich würde das in dem Merkur-Text genannte „Na, das Kleid ist aber ganz schön knapp“ nicht als Kompliment werten – das hat mehr Brüderle-Qualität) und manche gemeinten Komplimente können auch daneben gehen. Für solche Fälle gibt es zunächst einmal ein einfache und anständige Lösung: sich zu entschuldigen.
        Für die Blaubraunversifften war das aber wohl zu viel, im richtigen Moment auch einfach mal eine Entschuldigung anzubringen.
        Und jemandem wie Ihnen, Herr Pietsch, der ansonsten ja immer den bürgerlichen Anstand hochhält, fällt so etwas irgendwie nicht auf?!

        • Stefan Pietsch 14. Juni 2020, 23:49

          Da gibt es zwei alternative Erwiderungen, die denke ich die Behauptung, beleidigt worden zu sein, übertrumpfen.

          1) Die Dame war nicht entsprechend der Etikette gekleidet. Die besagt noch immer, kein Minikleid, kein tiefer Ausschnitt, kein langer Schlitz. Im Zweifel maximal eine Handbreit über Knie. Wer sich nicht an Stilnoten hält, muss mit dezenten (oder weniger dezenten) Hinweisen rechnen. Schließlich geht man ja auch nicht im Anzug in den Schwingerclub.

          Ich hatte mal einen Job in Tel Aviv zu erledigen. Der Haken: israelische Frauen sind tendenziell freizügiger und schöner als mitteleuropäische Geschlechtsgenossinnen. Beim Antrittsbesuch saß mir eine Stunde eine Mitte Zwanzigjährige gegenüber mit riesigem Ausschnitt und geschätzter Körbchengröße G. Und ich habe mich sicher schon unzählige Male gefragt, was eine junge Frau mit einem solchen Auftritt bei solchem Aussehen ihrem Gegenüber signalisieren will – außer, dass zwar draußen 38°C herrschten und drinnen die Räume auf 18°C herunter klimatisiert waren. Mit Verlaub, es ist von einem gesunden Mann zuviel verlangt, da eine Stunde wegzusehen. Wer das als sexistisch empfindet, damit kann ich unter solchen Bedingungen leben.

          2) Woher sollen die Menschen eigentlich heute wissen, ob jemand mit betont sexy Kleidung eben die eigene Attraktivität unterstreichen will oder rein zufällig im Laden ins falsche Regal gegriffen hat? Ich bekomme noch heute Komplimente von den rund 25 Jahre jüngeren Kolleginnen meiner Frau, die mein angeblich gutes Aussehen und schlanke Figur hervorheben. Was soll ich bei solcher Oberflächlichkeit antworten? Ich fühle mich geschmeichelt, was denn sonst?

          Als ich das letzte Mal den Petersdom in Rom besuchte, wollten auch ein paar junge Leute, darunter 2 Frauen, die altehrwürdige Stätte besuchen. Sie waren ungefähr im Alter von Nadine Julitz. Das Problem: sie hatten schulterfreie Tops und das ist im Petersdom nicht statthaft. Also kurzgesagt unpassend, was anscheinend Mitte / End-Zwanzigjährige (zumindest ein Teil davon) nicht wissen. Tja, mussten sie darauf aufmerksam gemacht werden. Mir ist nicht bekannt, ob sie danach eine Sexismusklage angestrengt hätten.

          Ach so, noch etwas zur Etikette: eine Entschuldigung verlangt (und bekommt) man entweder sofort oder gar nicht. Die junge SPD-Politikerin schien jedoch einen ganzen Monat zu benötigen, um das wahre Ausmaß der Beleidigung zu begreifen, die ihr angeblich widerfahren war.

          • FS 15. Juni 2020, 09:37

            Ich fange mal hinten an:

            „Ach so, noch etwas zur Etikette: eine Entschuldigung verlangt (und bekommt) man entweder sofort oder gar nicht. Die junge SPD-Politikerin schien jedoch einen ganzen Monat zu benötigen, um das wahre Ausmaß der Beleidigung zu begreifen, die ihr angeblich widerfahren war.“
            Wie Sie selbst über Youtube verlinkt haben, und wie aus dem verlinkten Merkur-Artikel hervorgeht, hat die Betroffene bereits direkt nach dem Vorfall vor dem Plenum auf die entsprechende Entgleisung hingewiesen. Insofern kann man hier wohl eher sagen, dass die Bringschuld hier einen Monat lang bei dem AfD-Mann lag, sich zu entschuldigen. Wenn dann aber mit der oben angesprochenen Kompliment-Logik noch von seinen Parteikollegen darauf geantwortet wird, dann hat die junge Frau also kein Recht mehr sich zu beschweren? Interessante Ansicht.

            ad 1) Sie argumentieren, dass Frau Julitz mit ihrem Auftreten wohl ungeschriebene Gesetze der Schicklichkeit gebrochen hat. Nun ist das mit ungeschriebenen Gesetzen natürlich so eine Sache – sie sind halt ungeschrieben und haben auch daher niemanden, der für ihre Durchsetzung zuständig ist. Da kann sich dann natürlich jeder, dem es beliebt, und der auch die Macht hat, es umzusetzen, in die Rolle des legitimen Richters aufschwingen und zur Tat schreiten. Sie können ja mal bei Emmett Till nachschauen, wie das bei dem so gelaufen ist.
            Aber gut, nehmen wir zunächst einmal an, das die AfD-Leute wirklich der Ansicht waren, die Kleidung verstoße gegen die „inoffizielle“ Kleiderordnung. In solchen Fällen gäbe es die Möglichkeit, das möglichst wenig plump mitzuteilen. Man könnte sich bspw. an weibliche Abgeordnete der eigenen Partei wenden, und diesen nahelegen, es Frau Julitz mitzuteilen – ich weiß nicht, wie diese dann darauf reagiert hätte, aber es wäre womöglich etwas besser gelaufen. Außerdem hätte man anhand der Reaktion der weiblichen Kolleginnen eventuell auch erfahren können, ob hier wirklich ein ungeschriebenes Gesetz gebrochen wurde. Wenn Ihnen diese nämlich so was wie: „Sorry, aber das geht gar nicht, dass wir hier die Kleidung von Kolleginnen diskutieren“ entgegenhalten, dann kann man sich vielleicht erstmal fragen ob die eigene „Gesetzes“auffassung stimmt. Und auch eine Mitteilung Fraktion an Fraktion wäre möglich gewesen.
            Außerdem: In der Regel haben offizielle und auch manche inoffizielle Veranstaltungen eine festgelegte Kleiderordnung. In diesen Fällen ist aber der Hausherr und evtl. Beauftragte (in diesem Falle wohl der Landtagspräsident/-mitarbeiter) für die Durchsetzung zuständig. An diese könnte man sich auch wenden, wenn das Problem wirklich auf dieser Seite liegt – und vielleicht eine ähnliche Antwort bekommen, wie von den Kolleginnen oben.
            Von all diesen Möglichkeiten mal abgesehen : Es wäre auch in dem vorliegenden Fall ein Leichtes gewesen, zu sagen: „Tut mir leid, ich fand die Kleidung von Frau Julitz an dem Tag dem Anlass unangemessen, wenn ich sie mit meiner Äußerung verletzt haben sollte, bitte ich um Entschuldigung“.
            Und was das Beispiel der schönen Israelin angeht: niemand hat Ihnen verboten hinzusehen. Aber Sie haben auch keinen anzüglichen Spruch gerissen (zumindest gehe ich davon aus). Aber selbst wenn sich die Dame durch einen Spruch oder Dauergeglotze auf ihr Dekolleté gestört gefühlt hätte und sie Sie darauf angesprochen hätte, hätten Sie ihr gesagt: „Dann zieh dich halt nicht so an“?
            ad 2) Es ist natürlich schön für Sie, dass Sie Komplimente bekommen, aber wie ich schon in meinem Ursprungspost erklärt habe, sind die Meinungen darüber, was ein Kompliment ist, und was nicht, anscheinend eher subjektiv – was zurück zu dem Punkt führt, dass man – wenn ein Kompliment nicht als solches aufgefasst wird – sich entschuldigt. Und zu dem Abschnitt über den Petersdom, s.o. unter ad 1) über Kleiderordnungen und wer zuständig ist, sie durchzusetzen.

            • Ralf 15. Juni 2020, 09:48

              Es gibt kein ungeschriebenes Gesetz zur Kleiderordnung im Parlament. Ob Sie dort in Turnschuhen, im Kleid, im Smoking oder im Wollpullover auftreten, ist völlig gleichgültig.

              • Ariane 15. Juni 2020, 11:52

                Nein ist es nicht. Es ist das Parlament und dadurch sind Kleidungsfragen politisch.

                Ich erinnere an Lenelotte von Bothmer (erste Frau im Parlament im Hosenanzug), Fischer in Turnschuhen (mit Verlaub Sie sind ein A..) und vor paar Jahren gab es doch mal eine Kontroverse über den Schlipszwang?

                Kleidungsfragen sind hochpolitisch finde ich. Aber nein, ein Gesetz gibt es dazu nicht.

                • Ralf 15. Juni 2020, 12:01

                  Ich kann nicht erkennen, weshalb Kleidungsfragen im Parlament nicht völlig irrelevant sein sollten. Wenn jemand dort am Mikrophon steht, interessiert mich, was derjenige zu sagen hat, nicht was er anhat. Ist bei wissenschaftlichen Kongressen genauso. Da spricht der eine im Designeranzug und der nächste im Hawaiihemd, Shorts und Sandalen. Das einzige das zählt: Der Inhalt der Präsentation.

                  • Ariane 15. Juni 2020, 12:41

                    Nein. Gesellschaftliche Regeln sind mächtiger als das Gesetz und es ist ein hartes Brett, sie zu ändern.

                    Und es ist wichtig, wenn Lenelotte von Bothmer nicht das Risiko eingegangen wäre (und sie wurde massiv angefeindet und beleidigt) ihre Rede in einer Hose zu halten, dann wäre es heute nicht ganz normal.

                    Wenn Männer mehr Freiheiten in der Kleidungsfrage wollen, müssen sie gegen die Konventionen verstoßen. Immer und immer wieder. Dann werden luftige Röcke irgendwann Normalität. Anders nicht.

                    Das ist keine Pflicht, aber man ist nur frei, wenn die gesellschaftlichen Konventionen nicht mehr so strikt sind. Und Kleidung ist eine EXTREM wichtige Sache. Ich sag nur: Kopftuch!

                    • Ralf 15. Juni 2020, 13:20

                      Ich glaube die gesellschaftlichen Konventionen im 21. Jahrhundert sind entkoppelt von Lenelotte von Bothmer …

                    • Ariane 16. Juni 2020, 07:35

                      Gesellschaftliche Konventionen gibt es immer und natürlich spielen Hosen bei Frauen heute keine Rolle mehr. Aber es hat sich eben nicht von selbst geändert, es wurde erkämpft und gegen Widerstände durchgesetzt.

                  • Stefan Pietsch 15. Juni 2020, 13:12

                    Sie sind das Beispiel aus dem Artikel.

                    “Heuchelei beginnt dort, wo wir uns nicht nur als Individuum, sondern auch als Gesellschaft anders verhalten als wir öffentlich urteilen oder unsere Werte positionieren wollen. Nicht ohne Grund gilt unser tatsächliches Verhalten als der wahre Spiegel unserer Werte und nicht das, was wir artikulieren.

                    Sie sagen etwas und wissen in dem Moment bereits, dass es falsch ist.

                    Es beginnt mit dem Wort Repräsentanz. Ein Abgeordneter steht nicht als Privatperson am Rednerpult und er/sie redet auch nicht als Privatperson. Ein Abgeordneter ist Teil eines Verfassungsorgans, das ist in einer Demokratie etwas sehr hoch Stehendes. Sie wissen das und ignorieren es. Wer etwas repräsentiert insbesondere Millionen Menschen, der verhält sich weder privat noch zieht er sich privat an. Auch von einer Verkäuferin verlangt man, dass sie die Insignien des Ladens trägt, den sie vertritt und nicht in Badelatschen oder sexy Dessous am Arbeitsplatz erscheint.

                    Das ist der eine Aspekt. Der Andere hat auch mit Ignoranz zu tun gegenüber dem, was Sie als Dozent mit Sicherheit zigmal gelernt haben. Eine gute Präsentation wirkt nicht allein durch Worte, sondern durch das Anschaulichmachen. Wenn ich will, dass allein die Botschaft wirkt, wiederhole ich und stelle mich als Dozent in den Mittelpunkt. Nur wenn wir Worte mit Bildern verknüpfen, bleiben Botschaften haften. Anderer Fall, Filmographie und Photographie: Beleuchte und betone das, was wichtig ist. Deswegen arbeiten wir bei den wesentlichen Dingen mit Licht, Farbe und Größe. Anderes Beispiel, Mode: betone nicht die Schwächen, sondern kaschiere sie. Wer dicke, kurze Beine hat, sollte keinen kurzen engen Rock tragen. Ein auffälliger Gürtel über einem dicken Bauch ist sicher nicht vorteilhaft.

                    Sie wissen das und ich weiß, dass Sie es wissen. Und dennoch behaupten Sie das glatte Gegenteil. Wer mit einem Clownskostüm zur Arbeit geht, wird niemals erwarten können, dass sich Kollegen und Vorgesetzte allein auf seine Arbeitsleistung konzentrieren und sie bewerten. Wer will, dass allein auf den Inhalt geschaut wird, streicht nicht die Verpackung hervor, sondern passt sich bis zur Unkenntlichkeit der eigenen Person an.

                    Das alles hat die SPD-Politikerin missachtet. Entweder, weil sie völlig naiv ist. Oder weil sie einen Effekt erzielen wollte.

                    • Ralf 15. Juni 2020, 13:18

                      Kein Mensch hat vorgeschlagen im Clownskostüm oder in sexy Dessous ins Parlament zu gehen. Wir reden hier von Kleidung, die von normalen Menschen auf der Straße getragen wird. Und da Parlamentarier normale Menschen sind, können sie sich auch als solche kleiden. Über ihre Wirkung machen sich im übrigen auch im Heer der Anzugträger nur die wenigsten Gedanken, ansonsten würde man bei ihren Reden nicht einschlafen.

                    • Stefan Pietsch 15. Juni 2020, 13:40

                      Nein, sind sie nicht. In keiner Form. Prominenz, medial, politisch, einkommensmäßig. Alles nicht gleich normalen Menschen.

                      Außerdem fehlt Ihnen das, was dann doch notwendig ist: Grenzen. Sie behaupten einerseits, sie könnten sich kleiden wie sie wollten, schließlich seien es normale Menschen. Doch wenn ich mich in einer ganz normalen Stadt umsehe, dann sehe ich Frauen mit knappen Bustiers, Männer in Sandalen, manche halb nackt in Muskelshirts, ich sehe vollverschleierte Frauen, Männer in Shorts und Priester in Kutte. Seltsamerweise sehe ich das aber alles nicht im Parlament, selbst wenn das junge Politikerinnen und Politiker sitzen, Gutaussehende, Muslime und gelernte Priester.

                      Auf der anderen Seite behaupten Sie, nicht von Dessous und Clownskostümen gesprochen zu haben. Scheinbar geht Ihnen das dann schon zu weit. Nur: wo ist Ihre Grenze? Und wenn Sie behaupten, es gäbe keine ungeschriebene Kleiderordnung, warum sollten Dessous und Clownskostüme nicht erlaubt sein?

                    • Ralf 15. Juni 2020, 13:49

                      Wenn Herr Lindner demnächst im Clownskostüm auftritt, hab ich keine Vorbehalte.

                    • Stefan Pietsch 15. Juni 2020, 13:51

                      Glaub‘ ich Ihnen nicht (siehe oben). 😉

              • Stefan Pietsch 15. Juni 2020, 13:16

                Doch, gibt es. Wie überall. Wenn Sie es nicht beherzigen, werden Sie zurechtgebogen. Oder was meinen Sie, warum die Grünen nicht mehr mit Turnschuhen und Stricksachen im Parlament unterwegs sind? Jeder weiß, dass sie angepasst wurden, jeder politische Beobachter unterstreicht das und Sie behaupten frei das Gegenteil.

                Sie wollen aus politischer, nicht innerlicher Überzeugung, dass es so ist, deswegen behaupten Sie, die Wirklichkeit sei eine Scheibe, obwohl Sie wissen, dass es sich um eine Kugel handelt.

                • Ralf 15. Juni 2020, 13:22

                  Ich habe nie behauptet, die Wirklichkeit sei eine Scheibe.

            • Stefan Pietsch 15. Juni 2020, 13:33

              Sie hat gesagt, sie lässt das jetzt mal so stehen. Das sind Schlussformulierungen, nicht Klammer-auf-Sätze.

              Der / die Abgeordneten haben ihre Bemerkungen weder zur SPD-Politikerin gesagt noch so laut betont, dass sie sich hätte angesprochen fühlen können. Es war ganz offensichtlich nicht an sie gerichtet, sie hat es aber aufgenommen. Warum es ihr wert war, dies dann noch publik zu machen, ist eine andere Sache. Muss ich mich entschuldigen, wenn ich in vertraulichem Ton etwas über eine dritte Person sage? Stilvolle Menschen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie gezielt Dinge überhören. Dürfen sich die Abgeordneten einer Fraktion – oder sagen wir allgemeiner „Gleichgesinnte“ – sich nicht mehr über andere austauschen, wenn das für den, über den geredet wird, verletzend sein könnte? Bitte. Sowohl Vorgesetzte, Vorstände, Regierungspolitiker oder Schiedsrichter – in all diesen Positionen muss man sehr viel „überhören“, um einer impulsiven Handlung nicht zu viel Gewicht zu geben.

              Nadine Julitz hat im Nachgang herausgestrichen (mit Schlagzeile), dass man ihr vor allem auf den „Arsch sehen“ würde. Was meinen Sie, wo unzählige Beobachter in den nächsten Monaten hinschauen werden, wenn es um die Dame geht?

              Sie argumentieren als Verteidigerin der Jungpolitikerin und versuchen nicht das objektive Bild. Sie blenden alles Belastende und Entlastende aus, wenn es Ihnen nicht passt. Dass sie gar nicht angesprochen war, hatten wir. Nehmen wir an, aus tatsächlichen objektiven Kriterien wäre der modische Auftritt wirklich grenzwertig gewesen – ein Szenario, das bei Ihnen gar nicht vorkommt: Dann wäre es an Julitz gewesen, das zurechtzurücken. Das hat sie aber nicht so gesehen. Sie fand es angemessen, ein körperbetontes Kleid mit tiefem Beinausschnitt bei einem für sie herausgehobenen Anlass zu tragen, nicht gerade der alltägliche Aufzug selbst für weibliche Politiker. Angela Merkel hat man noch nie als Kanzlerin in solcher Aufmachung gesehen, schon gar nicht bei Staatsempfängen. Wenn also Frau Julitz aus ihrer persönlichen Warte (und nur der allein) ein Kleid für angemessen hält, dass man auch zum privaten Dinner anziehen könnte mit Open-End, dann muss es genauso statthaft sein, sich darüber das Maul zu zerreißen.

              Als Mann fand ich die Israelin aufregend. Geschäftsmäßig fand ich es irritierend und störend. Eben deswegen ist es im Business ein No-Go, sexuelle Reize besonders herauszustreichen.

              • FS 15. Juni 2020, 14:49

                „Sie hat gesagt, sie lässt das jetzt mal so stehen. Das sind Schlussformulierungen, nicht Klammer-auf-Sätze.“
                Stimmt, um öffentlich darauf hinzuweisen, dass es so was anscheinend auch im Ihrer Ansicht nach ja besonders auf die Stiletikette fixierten Männerlager gibt. Wer sich bei dem Bemühen um Anstand – und dass ist absolut Ihr Framing, ich sehe nicht, dass es dem Abgeordneten überhaupt darum gegangen ist – im Ton vergreift, hat eben auch keinen Anstand! Denn bei solchen Gelegenheiten sollten Leute mit Stil schon beim Hinweis auf eine solche Sache verstehen, dass sie daneben war – das hier Frau Julitz anscheinend noch explizit eine Entschuldigung betteln sollte, ist wohl ein bisschen viel verlangt. Des weiteren können sie dem im Merkur verlinkten Vorwärts-Interview entnehmen, dass sie die Sache danach sowohl in den sozialen Medien publik gemacht und sich auch an das Landtagspräsidium gewandt hat.
                Ich habe bei Ihrer Argumentation hier irgendwie das Gefühl, Sie meinen, ein Verstoß gegen (inoffizielle) Regeln würde jeden Blödsinn rechtfertigen. Wenn es aber um die „Kleiderordnung“ ging, warum kam dann keine Eingabe von der AfD, sich mal mit dieser zu Beschäftigen. Im Gegenteil, das Ganze wurde ja im Nachhinein als Kompliment gerechtfertigt. Soweit also dazu, dass es um einen Verstoß gegen die guten Sitten gegangen sein kann.

                Und das was danach kommt ist ja wohl nicht ihr ernst: Sie sollte duckmäusern, wenn andere über sie im Hintergrund sexistische Sprüche reißen und dabei nicht darauf achten, dass sie das vielleicht hören kann? Bitte? Wer hinter anderer Leute Rücken schlecht über diese spricht, und es kommt raus, wer ist da das Opfer? Ihren Ernstes anscheinend der, der die üble Rede gehalten hat. Ist ja auch echt schlimm, wenn man vor versammeltem Plenum so bloßgestellt wird. Aber Frau Julitz soll alles beschweigen, was da an Kram über sie gesagt wird: Ist ja unschicklich für eine Frau, vor allem eine junge und dann auch noch eine, die bei der Kleiderwahl so offensichtlich falsch liegt…
                Weiter:
                „Nadine Julitz hat im Nachgang herausgestrichen (mit Schlagzeile), dass man ihr vor allem auf den „Arsch sehen“ würde. Was meinen Sie, wo unzählige Beobachter in den nächsten Monaten hinschauen werden, wenn es um die Dame geht?“
                Ja, wahrscheinlich auf den Arsch. Solche Worte muss man gelegentlich auch mal wählen können, wenn man auf Sexismus hinweisen will. Weil Frauen haben auch Körper, und können auch selber über diese Reden und brauchen dafür keine Erlaubnis von der männlichen Stilpolizei. Vor allem da diese ja anscheinend hauptsächlich nur nach Geil-Geil oder Stilbruch-Unmoralisch-Igitt urteilt.

                „Sie argumentieren als Verteidigerin der Jungpolitikerin und versuchen nicht das objektive Bild. Sie blenden alles Belastende und Entlastende aus, wenn es Ihnen nicht passt. Dass sie gar nicht angesprochen war, hatten wir.“
                Also erstens: Ja ich argumentiere als Verteidigerin der Jungpolitikerin, denn m.E. habe ich dafür die objektiv und moralisch besseren Argumente. Zweitens klammere ich nicht alles Belastende aus und das Entlastende schon gar nicht (bin ja ihr Verteidiger). Z. B. will ich gar nicht anzweifeln, dass es den Charakter einer gewissen Inszenierung hat, wenn sie die ganze Sachen noch einmal wieder auf die Tagesordnung bringt.
                Nur auch hier muss man sagen, dass es im normalen Politikbetrieb – auch dem von Männern – komplett üblich ist, wenn man die schwachen Seiten seiner politischen Gegner gelegentlich noch einmal herausstreicht. Gerne mit Verweis auf historische Beispiele. Wer’s nicht glaubt kann sich gerne nochmal Peter Müllers Bundesratsinszenierungeschichte von 2002 ansehen.
                Aber außerdem ist Frau Julitz damit auch vollkommen klar umgegangen, was auch aus dem Vorwärts-Interview hervorgeht: Für sie war die Sache im Mai erst einmal gegessen – bis dann die AfD das Ereignis erneut aufgeworfen hat – da ist sie dann wieder darauf eingegangen.

                „Nehmen wir an, aus tatsächlichen objektiven Kriterien wäre der modische Auftritt wirklich grenzwertig gewesen – ein Szenario, das bei Ihnen gar nicht vorkommt: Dann wäre es an Julitz gewesen, das zurechtzurücken“ Doch, das kam bei mir vor: Ich habe in einem vorigen Post schon darauf hingewiesen, dass Maßregeln zur Einhaltung der Kleiderordnung grundsätzlich dem Hausherrn obliegen – und damit nicht irgendwelchen Abgeordneten. Ich sprach oben dabei auch von Verantaltungen, weil die Kleiderordnung nämlich bei festlichen Anlässen – auch von Staats wegen – noch einmal eine andere ist, als im Parlament selbst – soviel zu Frau Merkel auf Staatsempfängen als Vergleich. Landtägliche Hausordnungen haben als Kleiderordnung in der Regel nicht viel mehr als den Hinweis, dass „Amt und Würde“ des Hauses nicht verletzt werden dürfen. Das ist natürlich eine ziemlich vage Formulierung, aber um es noch einmal zu sagen: Wenn es darum ging – wo ist denn dann die Beschwerde der AfD beim Parlamentspräsidenten? Denn zuständig für solche Sachen ist dann die Landtagsverwaltung und deren Personal

                „Wenn also Frau Julitz aus ihrer persönlichen Warte (und nur der allein) ein Kleid für angemessen hält, dass man auch zum privaten Dinner anziehen könnte mit Open-End, dann muss es genauso statthaft sein, sich darüber das Maul zu zerreißen.“
                Siehe oben, ab „Bei Ihrer Argumentation…“

        • Ariane 15. Juni 2020, 04:16

          @FS
          „das wird man jawohl nochmal sagen dürfen“ (etc.)

          Ich meine, die Klamottenfrage hat sich ja eh erstmal erledigt. Alles scheißegal, hauptsache man denkt dran, nicht im Schlafanzug loszulatschen. Hab jetzt immerhin das Wuschelhaar-Problem gelöst.

          Faustregel: Wenn man die Leute nicht kennt, sollte man am besten nichts sagen oder sehr allgemein bleiben „Hey, du siehst super aus“ oder etwas in der Art. Gerade wenn Männer etwas zu Frauen sagen.
          Oder die Frisur loben. Geht immer.
          Ist was anderes, wenn Frauen mit Frauen reden oder man sich gut kennt. Bei Friseuren oder Schwulen oder so ist es auch was anderes.
          Aber ja, ich empfinde es als unangenehm, wenn Männer im Alter meines Vaters etwas spezifisches zu meinem Aussehen sagen. Egal wie der Kontext ist.

          2. Faustregel – kennt man die Leute nicht, dann SAGT man gefälligst nichts. Das letzte, was ich gerade gebrauchen könnte, wäre ein „Kompliment“, dass ich wieder Größe 34 tragen kann.
          Nicht jeder auf der Welt ist von Gewicht und Aussehen besessen.

          Schönheitsideale wechseln. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass es in die falsche Richtung geht. Anstatt dass es weniger wichtig wird, herrscht bei vielen Männern mittlerweile derselbe Druck, wie ihn Frauen schon immer haben. Nur dass die doch bitte groß und trainiert sein sollen und so stylisch herumlaufen wie Maas auf diesem Foto. Ich halte das für keine gute Entwicklung.

          Abseits der Klamottenfrage hab ich allerdings schon gemerkt, dass die Debattenthemen Männerwelten, Coronadings, etc. etliche Typen ziemlich verunsichert hat. Gerade im Internet.
          Hatte mit ein paar Leuten auf Twitter auch wirklich per DM (also Privatnachricht geschrieben) und da muss man schon aufpassen, wenn man mal nen Witz reißt. (positiv: man wird nach seinen Erfahrungen befragt).

          Insofern tut es mir immer ein bisschen leid, ich meine die Stalker sind halt Stalker, denen ist das egal. Die normalen, netten Typen werden verunsichert, gerade durch die Gegenreaktion „war ein Kompliment, stell dich nicht an“. War mehr damit beschäftigt, die Leute zu beruhigen als mich gegen Stalkingversuche zu wehren.

          Aber das ist es halt, ich habe es gelernt. Ich bin seit 2005 oder so im Netz unterwegs. Ich hab ein Radar dafür, ich weiß nach zwei Sätzen, ob das normale Typen sind oder nicht. Ich weiß auch genau, wann ich aufpassen muss. Und bin alt und erfahren genug, dass ich mir weder über meine Sexualität noch über die von anderen Leuten Gedanken mache, solange ich nicht betroffen bin.

          Das haben aber nicht alle. Schönheitsideale, Sexualität, Ernährung.
          Das sind wahnsinnig umkämpfte Themen, für Männer und Frauen. Es wäre an der Zeit, dass da – soweit möglich – eine Scheißegal-Haltung einsetzt.

          Ich persönlich versuche (ist schwerer als man denken mag) es komplett zu vermeiden. Mit Leuten, die ich nicht kenne, spreche ich darüber nicht. Mit der Fußballbubble läster ich manchmal über die Mode, keine Socken mehr zu tragen wenn jemand im Fernsehen ist. Aber im privaten Umfeld würge ich diese Themen ab. Egal um wen es geht, um mich, um andere, Leute auf der Straße. Und wenn äußere ich mich positiv. Und ja, ist schwerer als man denken würde.

      • Jens Happel 14. Juni 2020, 23:02

        https://de.fifa.com/worldcup/news/worldcupathome-als-frankreich-sein-jahrhundertspiel-gewann

        Da habe ich auch Abi gemacht. Damit dürftest du 1 Jahr älter sein als ich. Jetzt darfst du raten warum.

        Ich weiß nicht ob es der Minderheitenstatus ist oder die Political Corectness in Kombination mit überbewerteten Shitstorms in den (un)sozialen neuen Medien, die gelegentlich unser Zusammenleben pervertieren.

        Bei der BlackLives MatterBewegung wurden wohl auf Instagram schwarze Flächen als Symbol gepostet (also ein komplett schwarzes rechteckiges Bild). Heidi Klum hatte sich „erdreistet“ um ihr Bild einen weißen Rahmen zu setzen. Der einen kleinen Shitstorm auslöste, da das ja gar nicht geht…

        Haben mir meine Kinder erzählt, da sich mir als SteinzeitMensch (siehe Abi 1986) der tiefere Sinn von Instagram, bis heute nicht erschlossen hat, kann ich das nur als Hörensagen weitergeben.

        Gruß Jens

        • Stefan Pietsch 14. Juni 2020, 23:34

          Ich seh‘ schon, mit Dir macht das richtig Spaß! 🙂 Absolut getroffen, für Insider war es allerdings ein starker Tipp. Ich war immer einer der Jüngsten, ich war also gerade mal 19 geworden. Hast Du damals schon das Abi in insgesamt 12 Jahren durchgezogen?

          Was ist Instagram? Gibt’s da nicht die aufregenden Bilder von Kim Kadashian? Ich hab‘ mir sagen lassen, dass heute viele junge Menschen nur deswegen in den Urlaub fahren, um nachmittags bearbeitete Bilder posten zu können. Da hatte ich doch auf meinem Abiball mehr Spaß. Da gab’s noch was zum Anfassen. 😉

          • Jens Happel 14. Juni 2020, 23:47

            Ich merke gerade, dass ich mit einem Bier im Kopp nix mehr schreiben sollte.

            Ich hätte sagen müssen, ich bin ein Jahr älter, da ich eine Ehrenrunde gedreht hatte.

            Und ja, macht Spass!

            Gute Nacht!

            • Stefan Pietsch 14. Juni 2020, 23:59

              Dir auch! Lass uns, wenn Du in Rhein-Main bist, mal ein paar Gläser zusammen bechern.

        • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 09:18

          Auch von einem Heidi-Klum-Shitstorm höre ich zum ersten Mal. Kann es sein, dass ihr winzige Filterblasen auf den Sozialen Netzwerken krass überbewertet?

          • Ariane 15. Juni 2020, 12:46

            Was du sicher nicht mitbekommen hast: Es gibt beim BVB (Dortmunder Fußballclub) einen großen Skandal, weil ein Düsseldorfer Starfriseur einigen Spielern in einem privaten ZuHause die Haare geschnitten hat. Und einer war unerlaubt in London oder so.

            Und ja, das sind totale Nischenthemen. Keine Ahnung, was Heidi Klum und die Kardashians so treiben. In welchem Medium steht sowas?

  • Marc 15. Juni 2020, 11:22

    Auf dem Weg zur Arbeit gehe ich an mehreren Aushängen der Bild-Zeitung vorbei. Immer wenn mir eine C-Promi-Tratsch-Schlagzeile entgegen springt, entspannen ich mich. Es gibt keinen besseren Indikator für Normalität. Exakt das gleiche Gefühl verursachte dieser Artikel bei mir.

  • CitizenK 15. Juni 2020, 17:02

    Soviel ich sehe, hat keine(r) angemerkt, dass Männer im TV (auch Politiker) keine Krawatten mehr tragen (müssen). Endlich!

    • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 17:34

      Ja!

    • Ariane 16. Juni 2020, 07:47

      Die krasseste Transformation hat ja der Lauterbach hingelegt. Hab den irgendwo in nem Interview oder bei Lanz gesehen. Und sonst wirkt der immer soooo streber-nerdig und dann saß er da plötzlich ohne Fliege, ohne Krawatte und mit offenem Hemd.

      Vermutlich noch mit Turnschuhen. (die Mode Sneaker und ohne Krawatte ist außerhalb des hohen Politikbetriebs übrigens schon länger im Gange).

  • Ariane 16. Juni 2020, 08:30

    Nochmal als Ergänzung hierzu:
    Habe das mittlerweile aufgehört. Kurze Hose und FlipFlops, I don’t give a shit. Mein Arbeitgeber kann darüber klagen, wenn er eine Klimaanlage einbaut. Solange ich in einem Hochofen unterrichte ziehe ich mich so leicht wie möglich an.

    Ja, ich glaube es ist eine Frage der Erwartungshaltung und wie sehr man sich an die gängigen Konventionen anpassen will/muss oder eben nicht.

    Mein „Privileg“ ist, dass ich sehr androgyn bin – einfach so, weil mein Stoffwechsel halt so funktioniert – und das ist immer noch das gängige Schönheitsideal, nicht mehr so extrem, aber gilt für Männer UND Frauen.

    Ich finde das auch hübsch übrigens, hier mal so ein typisches Bild von Kate Moss (die ich wahnsinnig hübsch finde, wenn sie mal halbwegs gesund aussieht)
    https://www.semanticscholar.org/paper/From-Dirty-Realism-to-Heroin-Chic%3A-How-Fashion-a-Ledford/adacf8380fb5b99818b02e027e9d24d48c851f24/figure/0

    Der Stil heißt aber eben nicht ohne Grund „heroin chic“. Die meisten Menschen haben nicht einfach so so einen Körper. Und das ist ein Problem, weil alle dem Ideal hinterherlaufen.

    Und da sind wir wieder, bei Privilegien mit Vor- UND Nachteilen. Ich interessiere mich null für mein Aussehen und meine Ernährung und meine Fitness, solange ich so gesund wie möglich bin (Rauchen einstellen wäre vermutlich eh der beste Schritt dazu^^)

    Aber „die Gesellschaft“ geht automatisch davon aus, dass das jeder so wichtig findet wie sie selbst. Meine Mutter hat mir irgendwann – als ich erwachsen war – erzählt, dass sie mehrmals darauf angesprochen wurde, ob ich eventuell magersüchtig bin.

    Und da hört für mich „der Spaß“ auf. Ärzte und alle, die mich gut kennen, wissen, dass ich esse was ich will. Das ist ein Problem, dass ich nur mit Leuten habe, die mich überhaupt nicht kennen. Und die spekulieren darüber, ob ich eine hochgefährliche (übrigens oft tödliche) psychische Krankheit habe.

    Und ich rede mit Leuten – unvoreingenommen – ich kenne Menschen, die echt ihr halbes Leben lang damit kämpfen. Und es ist übrigens beides hochgefährlich.
    Die Unterernährung als Folge der Anorexie kann lebensgefährlich werden und schwere körperliche Schäden verursachen. Sie führt zum Mangel an Nährstoffen mit Abbau von Körpergeweben (Katabolismus), zu Abmagerung (Inanition) bis hin zum Marasmus (Energie- und Proteinmangel) oder zur Kachexie (krankhaft starke Abmagerung).
    https://de.wikipedia.org/wiki/Anorexie#Folgen_und_Komplikationen

    Muss ich bei mir übrigens auch immer aufpassen, weil ich eben nicht wie „der Durchschnittsmensch“ reagiere, deswegen trinke ich so gut wie keinen Alkohol und bin bei Tabletten immer vorsichtig. Und es reicht schon ne kleine Magenverstimmung, dass ich sofort 3kg weniger wiege.

    Aber das ist halt so. Genetisch oder so, ich tu nichts dafür. Ist reiner Zufall, dass Heroin Chic gerade total in ist. Es wird aber zum Problem, wenn die gesellschaftliche Erwartung so groß ist, dass daraus Druck wird, dem zu entsprechen.

    Und das körperliche kann man nur bedingt ändern. Stefan hat ja erzählt, dass er das umgekehrte Problem hatte, das kenne ich auch von vielen Jugendlichen. Bei Männern läuft das irgendwie anders, ich kenne etliche Kids, die waren so mit 10-12 echt eher moppelig und sind jetzt halbe Models, weil sich das durch den Wachstumsschub alles an die richtige Stellen geschoben hat.

    Man kann dem auch nicht entkommen, weder Männer noch Frauen noch sonstjemand, aber man kann überlegen, ob man da mitmachen will. Und ich wäre wirklich ganz glücklich darüber, wenn sich mehr Leute entscheiden, da nicht mehr dran mitzuwirken. Ich glaube, das wäre sowohl physisch als auch psychisch sehr viel gesünder für alle.

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