Die Bilderstürmer


In den USA ist eine Debatte entbrannt, die mit voller Wucht auch nach Europa herübergeschwappt ist: Wenn Statuen oder andere Monumente an Menschen erinnern, die aus heutiger Sicht eher zweifelhaften Leumund haben – Sklavenhalter, Sklavenhändler, Massenmörder, Killer – sollten diese Statuen dann im öffentlichen Raum stehen bleiben? Sollten Straßen, Schulen und Kasernen nach ihnen benannt sein? Sollten ihr Bilder und Büsten prominent die Zimmer von Amtsstuben schmücken? Wir kennen die Debatte hierzulande auch. Aber wie so Vieles haben die Ereignisse um George Floyds Ermordung und die seither wieder entbrannten Black-Lives-Matter-Proteste hier für eine neue und verstärkte Sichtbarkeit gesorgt. Sollten also Statuen fallen? Oder sind sie als historische Erinnerungsorte zu bewahren?

Eine kleine Geschichtsstunde

Zuerst ein wenig historischer Kontext. Angesichts der Tatsache, dass in den Argumenten immer vorkommt, dass die Statuen für die Bewahrung des historischen Erbes und das Erlernen vergangener Ereignisse wichtig waren, ist es sicherlich nicht verkehrt, die Geschichte von Statuen etwas anzuschauen, und die um die es geht im Besonderen.

Unsere westliche Tradition der Statuen kommt aus Ägypten. Die Griechen übernahmen deren Art und Zweck, und von den Griechen ging das Ganze dann auf uns über. Diese Statuen waren idealisiert und uniform, sie wurden quasi „am Fließband“ produziert, weswegen auch die ganzen Pharaonen immer gleich aussehen (oder griechischen Helden, oder römischen Kaiser). Ihr Zweck war nicht so sehr, eine bestimmte Person weithin bekannt zu machen oder zu ehren, sondern ein Ideal. Die Erinnerung von Personen wurde dem Wort überlassen, ob in Grabinschriften oder historischen Abhandlungen. Die Statue repräsentierte die Idee.

Ironischerweise verstand Hitler diese Logik übrigens, weswegen es von ihm auch keine Statuen gibt (anders etwa als von so manchem sozialistischen Diktator). In der sowjetischen Erinnerungskultur dienten Statuen, ähnlich wie im Nationalsozialismus auch, der Entindividualisierung. Wer etwa sowjetische Ehrenmäler für die Gefallenen des „Großen Vaterländischen Krieges“ ansieht, wird feststellen, dass diese ganz bewusst darauf verzichten, Individuen herauszustellen; in all diesen Monumenten verschwimmen die Einzelnen zu einer Masse, einer Idee, einer Sache – oftmals sogar sehr explizit. In der Sowjetunion war es praktisch durchgängig verboten, individuelles Gedenken abzuhalten.

Aber zurück zu den Griechen. Bereits der erste bekannte Historiker, Thukydides, beklagte in seinen Werken, dass der Pöbel die Statuen missverstehe, weil diese historisch unakkurat waren. Konkret ging es um die Statuen der „Tyrannenmörder„, die den Schönheitsfehler hatten Leute darzustellen, die keinen Tyrannen getötet hatten. Das war aber auch egal, denn es ging um die Idee des Tyrannenmords. Die Darstellung in Statuenform signalisierte jedem Beobachter, dass Athen sich als Gegenpol zur tyrannis definierte. Die Vereinnahmung des öffentlichen Raums diente also der Anzeige dieser Idee.

Das bedeutet, dass Statuen keine pädagogischen Instrumente zum Vermitteln von Geschichte sind. Sie waren es nie. Sie kommunizieren Ideen, und dass diese Ideen von diesem Staat, dieser Gesellschaft für gut und nachahmenswert empfunden werden. Um Geschichte zu lehren, haben wir unter anderem Museen. Aber sicherlich nicht Statuen. Auch dann nicht, wenn jemand eine kleine Plakette an deren Sockel montiert.

Statuen zu stürzen ist daher lange Tradition. Die Ägypter zerstörten Statuen in Ungnade gefallener Pharaonen. Vor ihnen schleppten die Assyrer Statuen von Gottheiten besiegter Gegner in Ketten nach Ninive, um sie dort rituell zu vernichten. Jesus selbst war über das Zerstören von Ikonen nicht erhaben. Mohammeds Jünger taten es. Die Kreuzfahrer stürzten Bildnisse und in der Reformationen steigerte sich das gegenseitige Zerlegen von Monumenten zum Wettbewerb. Die Briten stürzten königliche Standbilder in der Glorious Revolution. Die Amerikaner stürzten in ihrer Revolution Statuen britischer Könige und schmolzen sie ein, um Kugeln daraus zu gießen, die sie dann auf die Soldaten dieser Könige feuerten. Das Zerstören und Stürzen von Statuen, um es kurz zu machen, war immer die Kehrseite des Errichtens von Statuen. Beides kommuniziert eine Idee, beides beansprucht öffentlichen Raum für das Propagieren dieser Idee.

Und das bringt uns zu den Statuen von konföderierten Generälen, von Jefferson Davis und vom „unbekannten konföderierten Soldaten“ in den USA. Diese Statuen ehren nicht die Personen, und sie dienen nicht dazu, die Erinnerung an den Bürgerkrieg wach zu halten. Sie dienten dazu, Angst und Schrecken in der schwarzen Bevölkerung zu verbreiten. Und wer jetzt denkt „Boah, der Stefan ist mal wieder woke und linksextrem“ – das ist das, was die Leute, die diese Statuen aufstellten, explizit sagten.

Diese Statuen sind auch keine Kunstwerke. Sie wurden in industrieller Fertigung am Fließband produziert. Jede dieser Statuen steht in dutzendfacher Ausfertigung in den Südstaaten herum. Man kann heute noch die Werbekataloge der Hersteller lesen (überrascht es jemanden, dass die Fabriken im Norden standen?). Es ist auch nicht so, als würde man nur die großen Generäle ehren. Bei Lee kann man das ja wenigstens noch debattieren, aber Terroristen wie Bragg und Forrest waren miese Generäle. Sie werden in Statuen, Straßen- und Basennamen deswegen verehrt, weil sie Terroristen waren. Die Jim-Crow-Gesellschaft des Südens sandte ein klares Signal an die Schwarzen. Und die verstanden dieses Signal, weswegen in diesen Jahrzehnten Millionen von ihnen den Süden verließen und in den Norden abwanderten.

Der Präzedenzfall

Wir sollten auch nicht denken, die Amerikaner würden diesen Zusammenhang nicht verstehen. Als 1945 das Nazi-Regime endgültig fiel, wurden keine Plaketten unter den Nazi-Monumenten angebracht. Sie wurden gesprengt oder abgerissen. Adolf-Hitler-Straßen bekamen keine kleinen Ergänzungstafeln, die erklärten, dass er ein schlechter Mensch war, sie wurden umbenannt. Schlageter-Kasernen und Horst-Wessel-Schulen wurden nicht mit Hinweisen auf die Natur ihrer Namensgeber versehen, sie erhielten neue Patrone.

Dabei könnte man problemlos auch hier argumentieren, dass dies „die Geschichte auslöscht“, dass man durch das Hinzufügen solcher Plaketten den Leuten, die daran vorbeigehen oder in den Gebäuden arbeiten, die Gelegenheit geben würde, mehr über diese Personen zu lernen. Wäre das nicht viel besser als die Bilderstürmerei?

Das Argument ist natürlich Unsinn. Die Umbenennungen und das Vernichten der Nazi-Monumente war ein Akt der Reinigung, ein Signal. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg, als Alliierte wie Revolutionäre die Monumente der Kaiserzeit haben bestehen lassen (weswegen sie weitgehend auch heute noch existieren) würden weder Alliierte noch die deutschen Demokraten nach 1945 irgendwelche Widmungen des öffentlichen Raums an Nazi-Mörder bestehen lassen.

Nun sind natürlich Hitler-Vergleiche immer etwas problematisch, und geneigte Lesende mögen bereits abwinken: Klar, aber da reden wir von den Akteuren des Holocaust. Das ist was ganz Anderes. Dazu habe ich die unschuldige Frage: Fahren wir heute nach Chemnitz oder nach Karl-Marx-Stadt? Geht man heute über die Dammstraße in die Lübbenauer Altstadt oder über die Maxim-Gorki-Straße? Verlässt man sie über die Poststraße oder die Clara-Zetkin-Straße? Und die beiden Letztgenannten waren Dichter und Frauenrechtlerin, nicht Massenmörder!

Niemand kann mir erzählen, dass die DDR schlimmer war als die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwest-Afrika. Aber während die sozialistischen und nationalsozialistischen Heroen zuverlässig aus dem Straßenbild getilgt wurden, sind in Deutschland weiterhin Straßen nach Trotha oder Lettow-Vorbeck benannt, von Allüren auf die ehemaligen Kolonien ganz zu schweigen (oder die kaum revisionistische Angewohnheit, in fast jeder Stadt die Straßen eines Viertels nach den verlorenen deutschen Ostgebieten zu benennen).

Werden wir grundsätzlich

Bilderstürmerei ist ein revolutionärer Vorgang. Das Umstürzen von Statuen verbinden wir mit dem Ende diktatorischer Regime, von Hitler zu Stalin, von Saddam Hussein zu Haile Selassi. Es ist daher verständlich, dass besonders die gutbürgerliche Gesellschaft eher mit Entsetzen reagiert, wenn plötzlich Monumente in westlichen Großstädten fallen oder Churchills Statue mit der Aufschrift „Racist“ beschmiert wird. Wo Statuen stürzen, ist die Guillotine gefühlt nicht weit.

Ich denke, diese Furcht ist übertrieben. Schließlich regiert nicht Robert E. Lee im Weißen Haus oder Edward Colston in der Downing Street 10. Der Protest richtet sich gegen die Ideen, die diese Statuen repräsentieren, ihre Besitznahme des öffentlichen Raums. Die Furcht, dass hier quasi eine Art Reichstagsbrand 2.0 vor der Tür steht, kann sicher beiseite gewischt werden.

Das Errichten wie auch das Stürzen von Denkmälern ist ein performativer Akt. Im einen Fall wird einem Ideal ein Standbild errichtet; der Staat kommuniziert, dass die Werte, für die die Person oder das Abbild stehen, nachahmenswert sind, dass sie für die Mehrheitsgesellschaft sinnstiftend sein sollen, ausdrücken, „wer wir sind“. Daher etwa die 146 Bismarcksäulen, die in Deutschland um die Jahrhundertwende errichtet wurden. Sie signalisierten ein Reichsverständnis, eine nationale Idee, die weit über Bismarck hinausging, der im Grunde seines Herzens stets Preuße blieb und nie Deutscher wurde. Aber diese Säulen ehrten auch nicht Bismarck, die Person, sie ehrten Bismarck, die Idee.

Genauso wie also die Aufstellung von Monumenten performativ verstanden werden muss, gilt dies auch für ihre Beseitigung. Es ist hier nicht mit einem fließenden Übergang von „Gewalt gegen Sachen“ zur „Gewalt gegen Personen“ zu rechnen. Das ist selbstverständlich nicht immer wahr; der Bücherverbrennung folgte schließlich auch der Holocaust. Wir müssen jeden performativen Akt des Statuensturzes ebenso individuell bewerten wie den Akt des Statuenerrichtens, oder den Akt des Statuenerhalts.

Das heißt: Kommt Kritik an einem bestimmten Standbild oder Ehrung auf, gibt es keine Musterlösung, die immer  richtig angewandt werden könnte. Grundsätzlich gibt es folgende Möglichkeiten, wie mit dem Problem umgegangen werden kann:

Erhalt. In diesem Fall wird die Benennung oder Monumentalisierung als unproblematisch eingestuft. Straßen, Kasernen und Schulen behalten ihre Namen, Statuen und Monumente bleiben unverändert stehen.

Kontextualisierung. Zwar bleiben das Monument oder die Benennung bestehen, sie werden aber durch eine üblicherweise dezente Kontextualisierung entproblematisiert. So kann am Fuß der Hermannsstatue eine Infotafel angebracht werden, in der sowohl auf den problematischen Kontext des Nationalismus‘ als auch auf das historisch eher zweifelhafte Narrativ hinweist. Unter einem Straßenschild kann eine kleine Plakette informieren, dass die entsprechende Person Gutes und Schlechtes getan hat. Und so weiter.

Spiegelung. Dem Monument oder der Benennung wird ein brechendes oder ergänzendes Monument beziehungsweise eine solche Benennung zur Seite gestellt. So könnte eine Rosa-Luxemburg-Straße auf eine Hugo-Haase stoßen, oder gegenüber einer Reiterstatue Wilhelm II. könnte ein Denkmal für die toten Herero aufgestellt werden. Auf diese Art und Weise wird ein Kontrast geschaffen, der eine einseitige Identifikation verhindert.

Versetzung in einen musealen Kontext. Kunstwerke, die gleichwohl problematische Ideen propagieren, können abgebaut und in einem musealen Kontext neu ausgestellt und dort kontextualisiert werden. Ganz typisch geschieht dies etwa bei den Konzentrationslager-Gedenkstätten (die natürlich nicht räumlich verlegt wurden), aber auch Nazi-Devotionalien oder Ähnliches finden hier gerne eine Ruhestätte. Für Benennungen steht diese Variante nicht zur Verfügung.

Ersatzlose Beseitigung. Bei Monumenten oder Benennungen, die nicht mehr aufrecht zu erhalten sind, kommt nur der Abbau oder die Umwidmung in Frage. Dies gilt vor allem dann, wenn die Objekte keinen historischen oder künstlerischen Wert haben (andernfalls transferiert man sie in einen musealen Kontext) und die Idee, die sie propagieren, besonders viel Anstoß erregt.

Ich will im Folgenden anhand einiger Beispiele diskutieren, wie diese Abwägungen konkret aussehen.

Beispiele

Bismarck. In Deutschland stehen 146 Bismarcksäulen aus Serienfertigung. Sie wurden errichtet, um den Nationalgedanken des neuen deutschen Reichs zu propagieren. Bismarck steht hier für einen Obrigkeitsstaat und für die kriegerische Gründung im Krieg gegen Frankreich. Der Gedanke der deutschen Nation per se ist unproblematisch. Dazu kommt, dass selbst eingefleischtetste Neonazis heute üblicherweise keinen Vergeltungsdrang gegen den „Erbfeind“ Frankreich mehr haben. Die erfolgreiche Rekontextualisierung der Epoche in der Schulbildung sorgte dafür, dass ein Bismarck-Kult heute nicht mehr existiert. Die Säulen sind daher ein gutes Beispiel für etwas, das einfach erhalten werden kann (aber nicht muss, weil der künstlerisch-historische Wert eher gering ist).

Voltaire. Ich nehme Voltaire hier aus aktuellem Anlass als Beispiel für Intellektuelle, denn auf Twitter wieß Otmar S. darauf hin, dass Voltaire ein ziemlicher Rassist war. Das ist unzweifelhaft korrekt, aber Voltaire ist weder für seinen Rassismus bekannt noch, und das ist entscheidend, hatte er damit irgendwelchen Einfluss auf Regierungshandeln oder Ähnliches. Auch hier ist allenfalls eine dezente Kontextualisierung relevant, dürfte aber überwiegend egal sein. Niemand beruft sich auf Voltaire, wenn es um Rassismus geht, weswegen wir das getrost ignorieren und als Zeitgeist abstempeln können.

Churchill. Anders als bei Voltaire ist der Rassismus Churchills wesentlich problematischer. Das heißt nicht, dass man seine Statue vor der Westminster Abbey abbauen sollte, aber ihre Beschmierung mit „Racist“, die dann zu der lächerlichen identitätspolitischen Gegenreaktion der Konservativen führte, weist auf einen wahren Kern hin. Churchills tiefgreifender Rassismus führte zu millionenfachem Tod, schlicht weil der Premier die Versorgung der weißen britischen Bevölkerung als wesentlich höherwertiger betrachete als das Überleben Millionen von Indern. Churchill ist aber auch eine monumentale Figur im Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus. Aspekte seiner Person verdienen Bewunderung, andere Verdammung. Hier wäre Kontextualisierung unbedingt nötig, besser sogar Spiegelung. Ein ihm beiseite gestelltes Monument für die Toten Bengalen etwa wäre hier eine gute Option. Es würde auch den Glanz der imperialen Größe brechen, den Churchill-Monumente signalisieren und der eine toxische Obsession der Briten ist.

Konföderierte. Die Dauerdiskussion zum Thema in den USA ist die Frage, wie mit den hunderten von um die Jahrhundertwende errichteten Monumenten für die Konföderierten umgegangen werden soll. In meinen Augen müssen diese eindeutig entfernt werden, in den meisten Fällen ersatzlos. Den Grund beschreibt ausgerechnet der Neo-Konföderierte Jeff Sessions in seiner Kritik an Doug Jones:

Charakter und Anstand der Soldaten des Südens wurden nicht durch Doug Jones verraten, sondern durch die Sache, für die sie kämpften. Sessions ist genauso fehlgeleitet wie die Kritiker der Wehrmachtsausstellung in den 1990er Jahren. Niemand kann sauber bleiben, der für eine schmutzige Sache kämpfte. Dazu ist nirgendwo deutlicher, warum die Monumente überhaupt errichtet wurden: Sie sind Terrordenkmäler, gebaut um die schwarze Bevölkerung einzuschüchtern und die Rassentrennung aufrecht zu erhalten, in einer Zeit, in der die Zahl der Lynchmorde an Schwarzen auf einem traurigen Höhepunkt waren. Dies ist hinreichend durch die Aussagen jener belegt, die die Monumente erbauten und die Straßen, Kasernen und Schulen benannten. Aber wer noch weitere Beweise braucht: Zwar gibt es Dutzende von Monumenten und Benennungen für Terroristen wie Bragg und Forrest, aber im gesamten Süden keine einzige für den sehr erfolgreichen Südstaatengeneral Longstreet – weil dieser sich nach dem Krieg an der Reconstruction beteiligte und für die Gleichberechtigung der Schwarzen eintrat. Diese Monumente dienen heute noch demselben Zweck wie damals. Sie müssen weg.

Palast der Republik und das Hohenzollernschloss. Nach dem Zweiten Weltkrieg sprengten die Sowjets das Hohenzollernschloss. An seiner Stelle wurde der Palast der Republik errichtet, das hässliche Prunkgebäude der SED-Diktatur. Nach der Wende wurde dieses wiederum abgerissen (unter anderem aus gesundheitlichen Gründen) und beschlossen, das Hohenzollernschloss wieder aufzubauen – inklusive dem Kreuz auf der Kuppel, das seinerzeit die blutigen Kolonialkriege symbolisierte. Ich finde beide Maßnahmen reichlich albern. Die Sieger versuchten jeweils, mit martialischer Geste und kleinlich ausgestrecktem Mittelfinger den jeweiligen ideologischen Gegner ins Herz zu treffen. In beiden Fällen hätte die Umwidmung zum musealen Kontext sehr viel mehr Gutes bewirken können. Und da reden wir noch nicht einmal über die problematische Hohenzollern-Restauration.

Edward Colston. In Europa wurde die Statuendebatte durch den Sturz des Denkmals für Edward Colston in Bristol entzündet. Colston war ein Sklavenhändler, unter dessen Ägide mindestens 17.000 von rund 83.000 aus Afrika entführten Schwarzen bei der Überfahrt über den Atlantik zu Tode kamen. Wie aber im Falle der „Räuberbarone“ der amerikanischen Gilded Age verstand es Colston, durch philantropische Stiftungen am Ende seines Lebens seinen Ruf reinzuwaschen. Das Bristoler Denkmal gehörte zu dieser Geschichtsklitterung. Ich hätte es bevorzugt, eine Spiegelung vorzunehmen und eine Statue ertrinkender Sklaven direkt gegenüber Colstons Standbild aufzubauen. Es wäre intellektuell reizvoller gewesen als die Versenkung im Hafen. Diese hatte jedoch auch Symbolcharakter. Die Statue ähnlich dem Unterwasserstandbild von Grenada vor der afrikanischen Küste unter Wasser zu platzieren wäre ebenfalls eine Möglichkeit gewesen.

Lent-Kaserne. Jahrelang gab es einen erbitterten Streit um die Umbenennung der Lent-Kaserne in Wümmern. Lent war ein Jagdflieger der Luftwaffe gewesen. In einer problematischen Auslegung des Traditionserlasses der Bundeswehr vertrat diese den Standpunkt, er sei „unpolitisch“ gewesen, weswegen die fliegerische Qualität als Vorbild tauge. Das ist aber ein Bundeswehr-typisches Verständnisproblem des Traditionserlasses. Ein „unpolitischer“ Soldat des Dritten Reichs ist politisch. Wer sich in den Dienst dieses Regimes stellte und als Held feiern ließ, kann gar nicht unpolitisch sein. Die Umbenennung in Von-Düring-Kaserne (nach einem Befehlshaber der Befreiungskriege) ist daher nur folgerichtig. Der Fall gilt exemplarisch für alle nach irgendwelchen Nazi-Helden benannten Straßen oder Kasernen.

Fazit

Ich hoffe, mit diesem Artikel aufgezeigt zu haben, dass Monumente immer eine performative Funktion haben und niemals in Isolation betrachtet werden können. Die Denkmäler kommunizieren Werte und Ideen, und wenn diese Werte und Ideen mit den Auffassungen einer freien, demokratischen und offenen Gesellschaft nicht mehr kompatibel sind, müssen Maßnahmen ergriffen werden.

Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, auf die zu diesem Zweck zurückgegriffen werden kann. Manchmal ist die Bilderstürmerei angebracht. Manchmal schießt sie über das Ziel hinaus. Es gilt hier, einen differenzierten Blick zu wahren. Dem Urteil der HistorikerInnen sollte hier mehr Bedeutung beigemessen werden, als dies bisher der Fall ist. Sie sind am besten in der Lage, den Kontext abzuschätzen, zu deuten und die angemessene Maßnahme zu ergreifen. Besser jedenfalls als identitätspolitisch getrieben PolitikerInnen, aufmerksamkeitsökonomisch gebundene JournalistInnen oder in der Hitze des Augenblicks gefangene AktivistInnen.

{ 210 comments… add one }
  • derwaechter 15. Juni 2020, 17:14

    das hier war in meiner Timeline. Mindestens eine Statue von Hitler schien es also schon gegeben zu haben https://twitter.com/CharlesGames_cz/status/1271434578260090883

    • TBeermann 15. Juni 2020, 17:54

      Das wären Büsten, die gab es von Herrn Schickelgruber tatsächlich reichlich.

  • derwaechter 15. Juni 2020, 17:33

    Klasse Artikel!

    Nur das mit dem binnen-I will dir einfach nicht gelingen. Oder gibt es keine weiblichen Historiker ? 🙂

    • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 17:34

      Danke, und wie gesagt, ist Übung. ^^

    • therealneuerurs 25. August 2020, 15:20

      Bei so viel Konsequenz dann bitte auch Nazi-MörderInnen. Schließlich gab es auch da weibliche.

  • Kning4711 15. Juni 2020, 18:43

    Vielen Dank für diesen lesenswerten Beitrag – ich finde den Ansatz der Spiegelung äußerst reizvoll und es wäre sicherlich spannend zu sehen, wenn es konsequent umgesetzt würde.

    Was das Thema Hohenzollernschloss in Berlin angeht schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite finde ich es schon gut, wenn man versucht ein Teil der alten Architektur Berlins wiederherzustellen – idealerweise in Verbindung mit neuen Elementen – da ist der aktuelle Entwurf in meinen Augen deutlich zu wenig gewagt. (Beim Reichstag finde ich beispielsweise ein gelungenes Beispiel, wie grandios man alte und neue Architektur verbinden kann. Schließlich hat das Berliner Schloss über Jahrhunderte das Stadtbild von Berlin geprägt – das Kreuz hätte es aber dann auch wiederum nicht gebraucht. Passend wäre eventuell auch eine historische Ausstellung über die Hohenzollern (inkl. der wenig rühmlichen Kapitel).
    Auf der anderen Seite hätte man sicherlich den Baugrund auch für ein anderes Gebäude verwenden können und hätte nicht der Glanz und Glorie der Hohenzollern nacheifern müssen. Aber ein paar repräsentative Bauten im Stadtbild haben noch nie geschadet.

    Ich finde in Deutschland gehen wir mit dem Thema aber schon ganz gut um – sehr gelungen finde ich z.B. das man Stätten von Nazi oder / und DDR Unrecht in entsprechende Bildungsbereiche umgewandelt hat. Luft nach oben sehe ich noch in der Benamung von Kasernen: So gibt in NRW noch die Generalfeldmarschall Rommel Kaserne.

    Ob die Benennung deutscher Straßen nach ehemaligen Ostgebieten revisionistisch ist, weiß ich nicht. Ich persönlich sehe kein Problem in einer Memelstraße, Königsberger Weg oder Breslauer Platz. Es ist Teil deutscher Geschichte, dass es eben Orte gab, die Deutsch waren, aber heute eben Polen. Die Beibehaltung des Namens zementiert in meinen Augen aber kein Anspruchsdenken.

    Deutlich schwieriger finde ich im übrigen das Bilderstürmen von Büchern und Filmen – insbesondere bei diesen Medien ist es wichtig Sie in den jeweiligen Kontext zu setzen. Viele ältere Werke enthalten Inhalte die man als sexistisch, homophob, rassistisch oder toxisch-maskulin einordnen kann und muss. Deswegen Bedarf es aber keiner Verbote oder Tilgung, sondern der kritische Auseinandersetzung. Nur dann bitte nicht so lachhaft, wie es Disney Plus betreibt…

    • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 18:47

      Ich nehme an, du beziehst dich auf so was wie den Negerkönig bei Pippi Langstrumpf. Meine Meinung ist zu dem Thema auch eher, dass das Zeug in die Literaturarchive gehört und nicht in die Kinderzimmer.

      • derwaechter 15. Juni 2020, 23:54

        Ich finde mit Südseekönig ist das immer noch ein klasse Buch, dass ich gerne vorlese.

        Es ging vielleicht eher um Vom Winde verweht, Little Britain und Come Fly With Me oder Fawlty Towers, die (von der BBC glaube ich) aus dem Streaming Angeboten gelöscht wurden.

        Das finde ich schon sehr problematisch.

        Als nächstes dann Herr der Ringe?

        Hier übrigens ein interessante Stück Zeitgeschichte. Herr der Ringe wird Rassismus vorgeworfen und als vorbildlich multikulturell wird Harry Potter genannt. Im Jahre 2020 ist die Autorin unter heftigem Beschuss u.a. wegen angeblichem Rassismus und antisemitischen Klischees in eben jenen Harry Potter Büchern.

        https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25990835.html

        • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 08:24

          Naja, dass das Böse im HdR aus Osten und Süden kommt, während alles Gute sich in Westen und Norden findet, ist nicht eben subtil.

          Und Harry Potter hab ich nie gelesen, kann ich nichts zu sagen.

          • derwaechter 16. Juni 2020, 10:35

            Genau. Aber soll man deshalb jetzt Herr der Ringe aus Streaming-Angeboten und Büchereien entfernen?

            • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 11:28

              Nein?! Was ist denn das für eine behämmerte Frage?

              • derwaechter 16. Juni 2020, 13:41

                Eben. Aber wo zieht man die Grenze, wenn z.B. die von mir genannten und weitere im SZ link weiter unten erwähnten Serien (teilweise) herausgenommen werden?

        • R.A. 16. Juni 2020, 10:45

          „Herr der Ringe wird Rassismus vorgeworfen“
          Es ist recht typisch, wie diese Vorwürfe zustande kommen:
          „“Beim Anblick der bösen Orcs mit ihrer dunklen Haut und Gesichtsbemalung fällt es schwer, nicht an die Aborigines zu denken“, erklärt er.“

          Ich habe beim Lesen von Tolkien nie an Aborigines denken müssen. Ich finde es ziemlich befremdlich, angesichts der Beschreibung der Orcs in HdR so eine Assoziation zu haben. Das sagt eigentlich nichts über Tolkien aus, aber viel über den Autor dieser Rassismus-Vorwürfe.

    • cimourdain 15. Juni 2020, 23:08

      Bei dem Stadtschloss kommen wir nicht zusammen. Gegen diese Chimäre aus historisierenden und einfallslos-modernen Fassaden sind selbst die ganzen Seltsamkeiten bei Vergabe, Promotion und Finanzierung verzeihlich. Das Kreuz, das dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist übrigens von der OTTO-Witwe gestiftet. Und dass mit der Dahlemer Völkerkunde-Sammlung ein Zeugnis des Imperialismus hineinkommt, ist gewissermaßen die zynische Version von Stefan Sasses ‚Spiegelung‘ .

    • Hartmut Bethge 22. Juni 2021, 10:30

      Erichs Lampenladen hat mir definitiv besser gefallen. Was gar nicht geht ist „gemeinsame“ Darstellung von NS und DDR Geschichte. Die Geschichts-darstellung der DDR durch den Wertewesten ist geprägt von Ignoranz, Herablassungen und Hochmut.

  • CitizenK 15. Juni 2020, 19:33

    Spannendes Thema, sehr interessanter Artikel. Danke!

    „Spiegelung“ finde ich problematisch. Dem Sklavenhändler ein Momument für umgekommene Sklaven entgegenzustellen, wirkt auf mich irgendwie peinlich. Momumente stehen eigentlich immer für etwas subjektiv Als-Positiv-Empfundenes. Mahnmale wie das Holocaust-Mahnmal sind etwas anderes. (Btw: Hat Höcke da nicht ungewollt etwas Wahres gesagt?)

    Der Ballast der Rebubligg wurde sicher nicht wirklich wegen der Asbest-Belastung abgerissen. Albern, so sehe ich das auch. Inzwischen vermissen die Berliner auch mehr Mauer-Relikte.

    Bismarck: Plätze und Straßen und Säulen immer noch überall. Keine Erklär-Plaketten. Wäre eine eigene Betrachtung wert.

    Und wie ist es mit Prachtbauten und Schlössern? Sollten da nicht auch Plaketten sein für die geschundenen Fronarbeiter und die ausgequetschen Steuerzahler?

    Ein weites Feld.

    • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 20:17

      Selbstverständlich. Wir sind da ganz am Anfang einer Entwicklung. Man sieht das auch an den Reaktionen von Konservativen, etwa Patrick Bahners von der FAZ, der auf die Kritik an Kants nicht eben progressiven Rassevorstellungen reagiert als hätte man ihn persönlich beleidigt. Ich verstehe nicht, warum gerade die eher konservativen, bürgerlichen Schichten keine Kritik an ihren Helden zulassen können. Als ob der kategorische Imperativ ein weniger brillanter oder epochaler Text würde, nur weil man anerkennt, dass die Autoren damals schon ein ziemlich eingeschränktes Bild von Gleichheit hatten, in dem Frauen, arme Schichten und andere Ethnien eher nicht unter „Menschen“ liefen.

      • Kning4711 16. Juni 2020, 11:45

        Die Reaktion eines Konservativen in der FAZ ist in meinen Augen nicht repräsentativ. Aber den Punkt den Du machst ist sicherlich richtig. Ich glaube es liegt in dem mangelnden Bewusstsein, dass Problem zu erkennen. Ich für meinen Teil tue mich selbst auch bei einigen Dingen sehr schwer und antworte reflexhaft mit: „jetzt lass doch mal die Kirche im Dorf “ – so kommt mir bis Heute das Wort Zigeuner-Schnitzel und Negerkuss über die Lippen. Mir ist bewusst, dass Zigeuner und Neger eine abwertende Sammelbezeichnung ist – aber gleichsam finde ich es auch übertrieben, jemanden Rassismus zu unterstellen, weil er eben aus Gewohnheit eine Bezeichnung verwendet, die über Jahrzehnte Teil des kollektiven Sprachgebrauchs war. Sicherlich ist es richtig darauf hinzuweisen, dass bestimmte Worte nicht mehr gebraucht werden sollen. Aber es muss auch nicht mit der Brechstange sein, Sprache ist im Wandel und viele inkorrekte Bezeichnungen wird die Zeit von alleine tilgen. Nennt mich unsensibel, aber die Brechstange befördert erst recht Widerstand und Aufregung, so dass uns Gelassenheit bei dem Thema gut tun würde.

        Immer mehr verstehen wir, dass historisch verklärte Figuren eben Menschen mit Fehlern und Problemen waren. Weder das Beschmieren mit Parolen, noch die reflexhafte Verteidigung werden helfen, sondern Geduld, dass sich die gewonnene Erkenntnis über Bildung und Co sukzessive zu Allgemeingut entwickeln wird. In 50 Jahren wird man wieder ganz anders über Churchill urteilen, sofern es zugelassen wird und das Bild das wir gewinnen wird sich wandeln. Aber auch hier wird uns Geduld weit mehr helfen, als wenn wir in einen vorgeschobenen Identitätskrieg eintreten.

        • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 13:22

          Ich unterstelle auch niemandem Rassismus deswegen. Die ganze Debatte ist völlig wirr. Wenn ich schon höre „Die Polizei ist nicht rassistisch“ – natürlich nicht! Ich kann nur immer wieder auf meinen Artikel dazu verweisen: http://www.deliberationdaily.de/2018/03/rassismus-ist-wie-brokkoli/

          Und ja, wir müssen darüber reden. Aber daran scheint es gerade irgendwie wenig Interesse zu geben, die Leute drehen völlig hohl.

          • Kning4711 16. Juni 2020, 15:45

            Ich glaube das Problem ist immer der Generalverdacht – die Polizei ist nicht rassisistisch, es gibt aber einige wenige echte Rassisten innerhalb der Polizei und einige, die zumindest rassistische Ressentiments haben. Das ist ein Problem und muss angegangen werden. Aber einfach alle PolizistInnen über einen Kamm zu scheren ist zu einfach, provoziert Widerstände und stärkt den negativen Korpsgeist.
            Leider ist direkt die Hysterie und Empörungsschraube losgegangen und die schrillen Töne befördern dieDebatte.

            • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 17:52

              Diese schrillen Töne kommen aber meist von der Gegenreaktion, das ist ja das, was mich nervt! Bei den Statuen das Gleiche. Da schreibst du einen differenzierten Beitrag, und was kommt? „ORWEELL 1984 TOTALITÄR!!elF!!1!!“ Genauso bei dem Rassismus in der Polizei. Die Aussage war nie „Die Polizei ist rassistisch!“, aber die Identitätskrieger der CDU stehen hin und schreien „DIE POLIZEI IST NICHT RASSISTISCH!elf!!1!!“ und plötzlich führen alle so eine Phantomdebatte statt über das Thema zu reden. Und Stefan Pietsch schwadroniert hier über das harte Urteil der Geschichte, das meine Generation einmal erfahren wird. Ich krieg echt die Krise. Das ist so ein unterirdisches Debattenniveau. Statt einfach mal das eigentliche Thema zu besprechen! Stattdessen werden irgendwelche Strohmänner aufgebaut und mit Riesengetöse niedergerissen, damit man sich als moralisch überlegener Strahlemann inszenieren kann.

              • Erwin Gabriel 16. Juni 2020, 21:56

                @ Stefan Sasse 16. Juni 2020, 17:52

                Natürlich wird und wurde der Polizei als Institution Rassismus vorgeworfen. Und natürlich wurde der zurückgewiesen.

                Aber ich stimme zu, dass das eine von beiden Seiten bescheuerte Diskussion ist, die zu nichts führt. Ich teile da Deinen Standpunkt.

  • cimourdain 15. Juni 2020, 21:21

    Bei deinem historischen Abriss wäre die Praxis der ‚damnatio memoriae‘ erwähnenswert, bei der die Bildwerke eines Herrschers getilgt werden, um die Erinnerung an ihn zu löschen. Echnaton fiel dem zum Opfer, mehrere römische Kaiser und – in moderner Zeit – Leo Trotzki.

    Die Churchill-Statue wurde inzwischen gereinigt – auf eine Art die nur noch zum fremdschämen ist:
    https://twitter.com/andrewprojdent/status/1270023344491020291

    hier eine Kuriosität zum Thema Hitler-Statuen:
    https://www.spiegel.de/panorama/empoerung-ueber-hitler-statue-in-frueherem-warschauer-ghetto-a-875030.html

    und hier als weitere Kuriosität ein Volks-Denkmal, das jemand hat verschwinden lassen:
    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-michael-jackson-gedenkstaette-1.4891831

    • Stefan Sasse 15. Juni 2020, 22:08

      Ja.
      Hatte ich ja im vermischten.
      Danke.
      Danke.

      • cimourdain 15. Juni 2020, 23:00

        sorry, ich wusste nur noch, dass ich es vor kurzem gelesen hatte. Aber dass es direkt auf die Quelle zurückfällt… auweh

  • Lemmy Caution 15. Juni 2020, 22:08

    Das Thema des Rassismus in Texten der Aufklärung ist für mich viel interessanter als die Denkmalstürmerei. Hab mal in Berlin Mitte beim pinkeln in einer Grünfläche einen überwucherten Gedenkstein an den ersten Erschossenen der Freichorps in den Napoleonischen Kriegen oder sowas entdeckt. Finds cool, dass hier Pflanzen über sowas wachsen.

    Habe heute erst gelernt, dass Kant in einer dermaßen rassistischen Vorstellungswelt lebte. Wie wohl die meisten kenne ich dessen Gedanken ausschließlich aus Sekundärtexten mit kurzen Zitaten und nicht aus seinen originalen Büchern. Ich fänds definitiv nicht deplaziert, wenn diese Seite der Aufklärung stärker hervorgehoben werden könnte.

    Es gibt einige Farbige und First Nations-stämmige, die ich absolut bewundere, in der Regel aus nicht originär rassistischen Kontexten wie Programmierung oder südamerikanische Politik. Man spürt das manchmal in Interviews, dass sie ins Stocken geraten, wenn sie auf Benachteiligung aufgrund ihrer Herkunft angesprochen werden. Mag klischeehaft klingen, aber das macht mich betroffen. Jetzt auch bei der chilenischen Investigativ-Journalistin Alejandra Matus, mit deutlicher Aymara Abstammung.

    • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 08:21

      Ich finde das alles sehr interessant und wichtig. In der Literatur haben wir übrigens die gleiche Thematik. Lies mal Homo Faber und seine Beschreibungen der Kubaner…

  • Dennis 16. Juni 2020, 01:16

    Danke für den klasse Beitrag auch von mir. Zum Rummosern fällt mir Folgendes ein:

    Zitat Stefan Sasse:
    „Geht man heute über die Dammstraße in die Lübbenauer Altstadt oder über die Maxim-Gorki-Straße?“

    Wie dem auch sei, Maxim-Gorki-Straßen oder Gorkistraßen gibt’s auch weiterhin, z. B. in der Pegida-Stadt Dresden (ob ’s da mal ’ne Pegidastraße gibt, wird sich noch zeigen), aber übrigens auch eine in Berlin (West), genauer gesagt im früheren französischen Sektor, die anno 1947 so benannt wurde. War zuvor u.a. nach einem Nazi benannt. Das Maxim-Gorki-Theater (Staatstheater) heißt auch weiterhin so wie seit den frühen 50ern.

    Dass begabte und beachtliche Künstler Polit-Idioten sind/waren, ist so selten nicht. Thomas Mann vor der Weimarer Zeit sollte man politisch am besten auch lieber vergessen^. Wie soll man damit umgehen? Politisch oder künstlerisch?

    Zitat:
    „Aber während die sozialistischen und nationalsozialistischen Heroen zuverlässig aus dem Straßenbild getilgt wurden,….“

    Na ja, so richtig zuverlässig war und ist das eigentlich nicht, zumal es verdammt schwierig ist, wen man so unter „sozialistisch“ (im Sinne von Ostblock-/DDR-Sozialismus) oder „nationalsozialistisch“ verbuchen kann/soll/muss/darf.

    Brecht und Anna Seghers könnte man in die Debatte um Benennungen für dies und das auch einbeziehen, den Nazi-Freund Gerhart Hauptmann, der unbedingt in die NSDAP wollte (wurde abgelehnt) und Hitler mit einer Ergebenheitsadresse die Füße geküsst hat, auch; und so weiter und so weiter. Die Liste mit „Problemfällen“ dieser Art wird lang, sehr sehr lang.

    Zitat:
    „Spiegelung.“

    IMHO die beste Idee. Gibt’s ja auch vielfach, zum Beispiel hier^:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Rudi-Dutschke-Straße#/media/Datei:Rudi-Dutschke-Straße.2174.jpg

    Zitat:
    „Kontextualisierung.“

    Das wird schwierig.

    Zitat:
    „Unter einem Straßenschild kann eine kleine Plakette informieren, dass die entsprechende Person Gutes und Schlechtes getan hat. “

    Okay, aber wer soll die ideologische Schlacht über Gut und Böse jeweils entscheiden? Ich fürchte, die Plakette wird ziemlich groß, der zur Verfügung stehende Platz wird vermutlich nicht ausreichen, denn wenn da z.B. die SPD-Sicht referiert wird, gibt s keinen Grund auf die CDU-Sicht und zwei bis drei Dutzend andere Sichten zu verzichten. Das historische Wissen muss man sich schon anderweitig besorgen. Da reicht ein Plakettchen, egal was drauf steht, eh nicht. Es geht ja auch nicht um „Fakten“ nach Art der Naturwissenschaft, vielmehr um Wertungen und die sind komplex.

    Zitat:
    „So kann am Fuß der Hermannsstatue eine Infotafel angebracht werden, in der sowohl auf den problematischen Kontext des Nationalismus‘ als auch auf das historisch eher zweifelhafte Narrativ hinweist.“

    „Vertiefende“ Angebote (Führungen pp) für Touris gibt’s da ja durchaus. Um sich ein einigermaßen passables historisches Wissen anzueignen wird auch hier ’ne Infotafel mit Sicherheit nicht ausreichen. Da zwischen Konzeption und Einweihung dieses Dings fast 40 Jahre lagen, wurde das Baby übrigens schon anders geboren als gezeugt^. Zum Zeitpunkt der Zeugung galt „Nation“ noch als eher links, so ließ sich zum Beispiel ein gewisser Heinrich Heine so vernehmen:

    Gottlob! Der Hermann gewann die Schlacht,
    Die Römer wurden vertrieben,
    Varus mit seinen Legionen erlag,
    Und wir sind Deutsche geblieben!

    O Hermann, dir verdanken wir das!
    Drum wird dir, wie sich gebühret,
    Zu Detmold ein Monument gesetzt;
    Hab selber subskribieret.“

    Später kam dann der anti-französische Dreh ins Spiel, mit dem Heine – zu diesem Zeitpunkt längst verblichen – vermutlich nicht einverstanden gewesen wäre^.

    Neben deinen Vorschlägen Erhalt/Kontextualisierung/Spiegelung ergänze ich also: Uminterpretieren. Geschieht nicht selten. Siehe z.B. auch das Reiterdenkmal vom ollen Fritze auf den Linden. Von den DDR-Sozialisten zunächst demontiert und quasi versteckt und später im Zuge einer „Neubewertung“ wieder hingestellt.

    Zitat:
     „aber Voltaire ist weder für seinen Rassismus bekannt noch, und das ist entscheidend, weswegen wir das getrost ignorieren und als Zeitgeist abstempeln können.“

    Das kann man eigentlich immer, es fragt sich also, warum nicht immer großzügig abgestempelt wird. Kriterien? Wenn man mal so 200 Jahre plus x zurückgeht, wird es verdammt schwierig überhaupt jemanden zu finden, der tatsächlich – abgesehen von leerem Gerede – sich gegen die Sklaverei positioniert hat.

    Nehmen wir zum Beispiel Isaac Newton. Er hatte Anteile an der „South Sea Company“, also – wie so viele – die Absicht, mit der Sklaverei Geld zu scheffeln, wenngleich die Rechnung wahrscheinlich nicht aufging. Das Geschäft war so einträglich wie riskant. Newton-Denkmäler gibt’s übrigens in GB noch und nöcher. Da wartet noch reichlich Arbeit^.

    Zitat:
    Dem Urteil der HistorikerInnen sollte hier mehr Bedeutung beigemessen werden, als dies bisher der Fall ist. Sie sind am besten in der Lage, den Kontext abzuschätzen, zu deuten und die angemessene Maßnahme zu ergreifen. Besser jedenfalls als identitätspolitisch getrieben PolitikerInnen,“

    Fachliche Beratung – in diesem Fall von HistorikerInnen – kann nie falsch sein. Indes sind auch HistorikerInnen „politisch“ – inklusive identitätspolitisch – und keine Neutren. Politik unter Ausschuss von PolitikerInnen kann nicht gut funktionieren. Und undemokratisch snd HistorikerInnen – sofern als Priesterkaste gedacht – sowieso.

    • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 08:27

      Mir ging’s drum zu zeigen dass Bilderstürmerei kein linkes Phänomen ist, sondern ein ideologisch neutraler, performativer Akt.

      Ja, Geschichte wird permanent neubewertet. Das ist völlig normal und auch ok. Und entsprechend wird der öffentliche Raum umgestaltet.

      Punkt ist aber: Es gab Leute, die sich entschieden und überzeugt gegen Sklaverei positioniert haben. Nach denen sind keine Straßen im Süden benannt, und Statuen haben sie auch nicht.

    • cimourdain 16. Juni 2020, 08:58

      Dass du ausgerechnet ‚Deutschland ein Wintermärchen‘, wo Heine auch und gerade gegen die Vertreter des Nationalismus (wie etwa Jahn) ätzt als Zeugnis hernimmst, wird dessen komplizierten Verhältnis zu Deutschland nicht gerecht.

      Und ist Newton nicht schon genug gestraft damit, dass er in derSüdseeblase nicht nur sein eigenes, sondern auch Staatsgeld in den Wind geschossen hat? Ihm wurden sicher keine Statuen wegen seiner Finanzkompetenz errichtet.

    • Erwin Gabriel 16. Juni 2020, 22:37

      @ Dennis

      Das trifft in etwa meine Befindlichkeit. Ehe ich das gleiche schreibe, bedanke ich mich lieber für ’s auf-den-Punkt-bringen.

    • CitizenK 18. Juni 2020, 22:51

      In Wiesbaden und in Pforzheim gibt es noch einen „Sedanplatz“. Ob mit oder ohne historische Information, weiß ich nicht.

  • cimourdain 16. Juni 2020, 08:49

    Ich sehe hinter dem Bildersturm die Gefahr eines ‚moral hazard‘ der Kulturbereinigung durch die Hintertür. Eine Stadtverwaltung wird im Zweifelsfall immer den Weg des geringsten Widerstands, gleichbedeutend mit Skandalvermeidung gehen, was heisst, dass ein diskutiertes Objekt im Zweifel entfernt wird. So wurde im Zug von #metoo unter anderem ein Gedicht (‚avenidas‘ von Eugen Gomringer) von der Fassade eines öffentlichen Baus und Bilder ( u.a. ‚Nymphen‘ von Waterhousse) aus Galerien entfernt. Aktuell ist unter anderem der Film ‚Vom Winde verweht‘ in der (zumindest teilweise berechtigten) Kritik wegen des darin enthaltenen Rassismus.

  • Hias 16. Juni 2020, 08:57

    Super Artikel, danke dafür!
    Und mit den Schlussfolgerungen gehe ich soweit auch mit. Insbesondere bei dem Palast der Republik hätte ich mir lieber ein DDR-Museum gewünscht als einen Abriss. Das was ich bisher gesehen habe von der Erinnerung an die DDR schwankt zwischen Nostalgie und seltsam menschenleerer Mahnung an StaSi-Unrecht.

    Und zusätzlich finde ich den Trend einer Neubewertung der Monarchie (Aufbau Habsburger Schloss, diverse Projekte in Potsdam) mehr als nur befremdlich. Da schwingt ein „die gute alte Zeit“ mit, das hab ich Bauchschmerzen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich als Bayer, der mit diesem seltsamen Ludwigskult nichts anfangen kann, da besonders sensibel bin

    • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 09:48

      Nein, ich habe die gleichen Bauchschmerzen.

    • Ariane 17. Juni 2020, 21:28

      Selbst ich als Norddeutsche hab da ähnliche Bauchschmerzen, gerade weil bei uns der Adel nicht so rausgewachsen ist oder ganz entmachtet wurde wie in den USA zb. Wir haben mal wieder so ein komisches sowohl als auch.

      Und sind es nicht die Hohenzollern, die diesen jahrzehntelangen Krieg führen um das wilhelminische Erbe? Das teilweise schon verscherbelt ist. Also eine nachträgliche Republikanisierung würde ich insgesamt sehr gut finden.

  • R.A. 16. Juni 2020, 10:25

    „Bilderstürmerei ist ein revolutionärer Vorgang. Das Umstürzen von Statuen verbinden wir mit dem Ende diktatorischer Regime, von Hitler zu Stalin, von Saddam Hussein zu Haile Selassi.“
    Eben. Statuen zu stürzen ist ein Teil der Revolution. Das alte Regime wird gestürzt, und damit seine Symbole. Und was die Revolutionäre stehen lassen wird als historisches Erbe akzeptiert. Deswegen haben die Revolutionäre von 1918 die Bismarck-Statuen eben nicht gestürzt.
    Und auch nicht die Monumente der Monarchie: Man wollte die Monarchen nicht mehr regieren lassen, empfand sie aber nicht als Diktatur, von denen man sich distanzieren müßte.

    Wenn Statuen dagegen Generationen später gestürzt werden, dann ist das kein revolutionärer Akt mehr, sondern schlichte Taliban-Barbarei. Man versucht die Vergangenheit umzuschreiben. Der antifaschistische Widerstand wird um so stärker, je länger der Faschismus zurückliegt (und je weniger man für diese „Widerstands“-Simulation befürchten muß.

    Was heute mit Churchill-Statuen oder Hindenburg-Straßen passiert, entspricht genau der Orwell’schen Beschreibung der totalitären Diktatur in 1984:

    „… Was wissen wir denn überhaupt noch von der Revolution und der Zeit vorher? Kein Dokument, das nicht zerstört oder gefälscht, kein Buch, das nicht umgeschrieben, ein Bild, das nicht retouchiert, kein Denkmal, keine Straße, kein Gebäude, das nicht umbenannt, kein Datum, das nicht geändert wäre. So geht’s von Tag zu Tag, von Minute zu Minute. Die Geschichte ist zum Stillstand gekommen. Es gibt nur die ewige Gegenwart, in der die Partei immer Recht hat.“

    • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 11:27

      Was heute in Callcentern passiert, entspricht genau der Sklaverei in den Südstaaten.
      Was heute in Flüchtlingslagern in Griechenland passiert, entspricht genau den Nazi-Konzentrationslagern.

      Merkste selber, oder?

      • R.A. 16. Juni 2020, 11:46

        „Entspricht genau“ bedeutet, daß die Denkmäler und Straßenbenennungen exakt bei Orwell erwähnt sind. Das heißt nicht, daß die Orwell’sche Beschreibung schon komplett umgesetzt wäre – das ist sie natürlich überhaupt nicht, es geht darum den Anfängen zu wehren.

        Die umgeschriebenen Bücher sind hier ja auch schon thematisiert worden, die Forderung an US-Unis nicht mit unliebsamen Thesen konfrontiert zu werden läuft auf das Zerstören und Fälschen von Dokumenten hinaus.

        Es geht um den Geist der totalitären Diktatur, die behauptet die absolute Wahrheit zu besitzen und nach diesen Kriterien alle Vergangenheit beurteilen zu können. Und dieser Geist steckt letztlich hinter dem aktuellen Kampf gegen Churchill, Bismarck oder Pippi Langstrumpf. Was heute gilt (wenn auch nur in der speziellen Dogmatik einer kleinen Minderheit), das hat auch für die Vergangenheit zu gelten. Die Partei hat halt immer recht und hat sich nie geirrt.

        • Hias 16. Juni 2020, 12:49

          Gilt das dann auch für die Umbenennung von Straßen in Ostdeutschland ? Und deine Meinung konsequent zu Ende gedacht, wäre die Entnazifizierung nach 1949 Taliban-Barbarei?

          • R.A. 16. Juni 2020, 13:14

            „Und deine Meinung konsequent zu Ende gedacht, wäre die Entnazifizierung nach 1949 Taliban-Barbarei?“
            Nein.
            Siehe mein Beitrag oben: In einer revolutionären Situation ist es legitim, die Symbole der gerade gestürzten Herrschaft zu entfernen (was 1990 in Ostdeutschland ja nur teilweise geschehen ist).
            Schließlich geht es um unmittelbar von dieser Herrschaft Betroffene und um die Sichtbarmachung der neuen Ordnung.

            Typisch und notwendig ist dann aber auch, daß nach Abschluß der Revolutionsphase auch schnell Schluß ist mit Zerstörungen oder Umbenennungen. Die Gesellschaft findet zu einer neuen Stabilität. Was dann existiert gilt als legitim und wird Teil des historischen Erbes.
            Genau wie das Stürzen von Denkmälern während der Revolution ist die anschließende Akzeptanz von noch vorhandenen Symbolen Zeichen dafür, daß die Gesellschaft nach dem Umsturz zu einer neuen, friedlichen Ordnung gefunden hat.

            Barbarei wird es, wenn völlig losgelöst von irgendeinem Machtwechsel historische Tatbestände durch Zerstörung uminterpretiert werden sollen.

            Wobei natürlich in erster Linie eine politische Botschaft intendiert ist. Kaum jemand stört sich wirklich an den Denkmälern irgendwelcher meist unbekannter Figuren aus früheren Jahrhunderten.
            Aber die Zerstörung ist ein Geste revolutionärer Gewalt und eine klare Ansage, daß die neue friedliche Ordnung aufgekündigt wird. Es geht nicht darum, mit politischen Gegnern einen neuen Konsens über eine veränderte Weltsicht zu finden. Sondern es geht um die Machtdemonstration – die Taliban stürzen die Denkmäler, weil sie es können. Sie symbolisieren ihre Durchsetzungsmacht.

            • Hias 16. Juni 2020, 14:17

              Siehe mein Beitrag oben: In einer revolutionären Situation ist es legitim, die Symbole der gerade gestürzten Herrschaft zu entfernen (was 1990 in Ostdeutschland ja nur teilweise geschehen ist).
              Schließlich geht es um unmittelbar von dieser Herrschaft Betroffene und um die Sichtbarmachung der neuen Ordnung.

              Ich wollte darauf hinaus, dass nach 1945 die Abrechnung mit dem Nazi-Überbleibsel zuerst die Alliierten erledigt hatten und nach deiner Rechnung dies der revolutionäre Akt war und damit dann alles danach Bilderstürmerei.
              Das gleiche gilt dann aber auch, wenn man jetzt daran ginge, Straßen oder Denkmäler aus der DDR-Zeit umzubenennen bzw. zu beseitigen. Das heißt dann für Dich auch, dass, wenn jetzt jemand die Umbenennung einer Straße irgendwo im ländlichen Sachsen, die noch nach einem General der DDR-Grenztruppen benannt ist und „übersehen“ wurde, dieser nur ein Bilderstürmer ist?

        • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 13:23

          Ich wollte darauf hinweisen, dass dein Vergleich ebenso falsch wie geschmacklos ist.

    • CitizenK 16. Juni 2020, 11:33

      Jein. Manchmal kommt das Bewusstsein auch einfach später – durch aktuelle Ereignisse z. B. oder durch neuere Forschungsergebnisse/Publikationen. Oder weil eine neue Generationen die Dinge anders sieht.

      Ich z. B. war Churchill-Verehrer, weil ohne ihn die Nazis sehr wahrscheinlich ganz Europa beherrscht hätten. Von seiner Verantwortung für Gräuel in Indien wusste ich nichts.

      • R.A. 16. Juni 2020, 11:58

        „Manchmal kommt das Bewusstsein auch einfach später – durch aktuelle Ereignisse z. B. oder durch neuere Forschungsergebnisse/Publikationen.“
        Das wäre völlig ok. Wenn sich tatsächlich neue Fakten finden, dann sollte man auch Urteil revidieren.
        Das ist aber beim aktuellen Revisionismus fast nie der Fall.

        „Oder weil eine neue Generationen die Dinge anders sieht.“
        Da ist es völlig ok wenn die neue Generation ihre eigenen Zeitgenossen nach neuen Maßstäben beurteilt und ihre Denkmäler oder Dokumente entsprechend anders ausfallen als die der vorigen Generationen.
        Aber es ist absurd die Vergangenheit nach aktuellen moralischen Maßstäben zu beurteilen. Insbesondere wenn man dann auf alle Abwägungen verzichtet, wenn also – wie beim aktuellen Revisionismus üblich – ein negativer Punkt reicht um die komplette übrige Lebensleistung zu ignorieren.

        „Von seiner Verantwortung für Gräuel in Indien wusste ich nichts.“
        Die ist auch historisch sehr umstritten. Er war Rassist und Kolonialist – wie damals eben üblich. Und er war Militär, für den der Kriegserfolg wichtiger war als die Vermeidung von Opfern.
        Ist halt nicht mehr unsere Werteordnung, aber „Verantwortung für Gräuel“ paßt hier nur begrenzt.

        • Erwin Gabriel 17. Juni 2020, 11:30

          @ R.A. 16. Juni 2020, 11:58

          [„Von seiner Verantwortung für Gräuel in Indien wusste ich nichts.“]

          Die ist auch historisch sehr umstritten. Er war Rassist und Kolonialist – wie damals eben üblich. Und er war Militär, für den der Kriegserfolg wichtiger war als die Vermeidung von Opfern.

          Wenn die Hungersnot so gewaltig war wie von Wikipedia beschrieben, hätten die Militärvorräte auch nicht genützt, sie zu verhindern; seinen Truppen geschadet hätte es allemal. Kein Vergleich mit Stalin, der den Ukrainern ihre Vorräte stahl, und der Leute erschießen ließ, die ein paar Lebensmittel versteckten.

          Ich halte Winston Churchill dennoch für einen Kriegsverbrecher, weil er einen Angriffskrieg gegen Zivilisten geführt hat.

          Ist halt nicht mehr unsere Werteordnung, aber „Verantwortung für Gräuel“ paßt hier nur begrenzt.

          • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 13:11

            Wikipedia:
            Viele moderne indische und bengalische Journalisten und Historiker haben insbesondere dem damaligen britischen Premierminister Winston Churchill vorgeworfen, sich gegenüber dem Elend in Bengalen gleichgültig gezeigt zu haben oder es sogar wissentlich in Kauf genommen zu haben. Während der Hungersnot sei es Churchills einziges Interesse gewesen, die gute Versorgung der britisch-indischen Armee und des britischen Mutterlandes sicherzustellen. Seine einzige Antwort auf ein Telegramm des Vizekönigs Archibald Wavell, in dem dieser die Freigabe von Nahrungsmittelspeichern erbat, war die Frage gewesen, warum Gandhi denn nicht auch verhungert sei.[5] Seiner Geringschätzung für die Inder gab Churchill gegenüber Leopold Stennett Amery, dem Secretary of State for India Ausdruck: „Ich hasse Inder, […] sie sind ein tierisches Volk mit einer tierischen Religion.“ („I hate Indians […] They are a beastly people with a beastly religion“). Die Hungersnot sei ihre eigene Schuld und eine Folge davon, dass sie sich „wie die Karnickel vermehren“ („breeding like rabbits“).

            Vorräte in anderen Provinzen Britisch-Indiens wurden zum Teil aus eigennützigen Beweggründen nicht oder nur zögerlich nach Bengalen geliefert. Auch behinderte die Kriegslage den freien Nahrungsmitteltransport nach Bengalen.[6][3] Hilfsangebote für Nahrungsmittellieferungen der Vereinigten Staaten wurden abgelehnt. Während der Hungersnot seien voll mit Getreide beladene Frachter aus Australien an der indischen Küste in Richtung Europa vorbeigefahren, um die mit Millionen Tonnen gefüllten Nahrungsmittelspeicher im britischen Mutterland weiter aufzufüllen. Kontinuierlich wurden Nahrungsmittel aus Indien exportiert, unter anderem mit dem Argument, dadurch die Versorgung auf dem neu eröffneten Kriegsschauplatz in Griechenland und in Italien zu gewährleisten. Staatssekretär Amery notierte in seinem Tagebuch: „Winston mag recht haben, dass das Hungern von ohnehin unterernährten Bengalen weniger wichtig ist als das von robusten Griechen, aber er schenkt dem Gedanken, dass das Empire eine Verantwortung für dieses Land hat, zu wenig Beachtung“ („Winston may be right in saying that the starvation of anyhow under-fed Bengalis is less serious than sturdy Greeks, but he makes no sufficient allowance for the sense of Empire responsibility in this country“).[7]

            • R.A. 17. Juni 2020, 16:18

              „Wikipedia:“
              Wenn es um politische Themen geht (und das ist hier der Fall), sollte man immer die englische Wikipedia nehmen. Die deutsche ist in der Regel recht einseitig und hat es nicht so mit dem zentralen Wikipedia-Prinzip NPOV.

              In der englischen Wikipedia findet sich insbesondere auch, daß nicht England/Churchill Hilfsangebote der Amis abgelehnt hat, sondern die USA Hilfsbitten der Briten abgelehnt haben.

              Ansonsten halte ich das für ein Nebenthema. Die Rolle Churchills ist hier umstritten, aber die wesentlichen Punkte seiner Biographie sind andere.

              • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 16:49

                Stimme ich dir zu. Es ist allerdings indikativ für seine Biographie, dass die Mitverantwortung für den Tod von drei Millionen Menschen ein Nebenthema ist ^^

                • R.A. 17. Juni 2020, 17:00

                  „ein Nebenthema“
                  Das ist ein valider Punkt.
                  Aber das „Neben“ liegt wohl wenig daran, daß es „nur“ Inder waren. Sondern daran, daß Churchill nur sehr entfernt damit zu tun hatte. Natürlich trägt er irgendwie die Gesamtverantwortung für das ganze Empire. Aber in erster Linie waren die Tote Folge von Krieg und Naturkatastrophe, und direkt verantwortlich die indische Regierung.

                  Es gibt ein ähnliches Thema (natürlich viel kleiner) mit den Kanalinseln. Die hat er aus ähnlich harten militärischen Überlegungen nach der Invasion komplett ignoriert, die blieben deutsch besetzt und komplett von allem Nachschub abgeschlossen. Was drastische Folgen für die Einwohner hatte.
                  Und das waren doch „echte Briten“, eine rassistische Motivation kann also ausgeschlossen werden. Er legte halt erste Priorität auf den Kriegserfolg.

                  • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 17:24

                    Ja, stimme ich dir völlig zu. Ich sehe die Bengal Famine in derselben Kategorie wie dir Potato Famine 1848ff. Katastrophale, rassistisch motivierte policies, aber kein intent.

                    Aber erneut, ich bin ja auch nicht dafür, dass man Churchill-Statuen entfernt. Ich würde wahrscheinlich gar nichts mit den Dingern machen. Für mich ist Churchill wie auch Luther oder Bismarck eine Gestalt, deren Kontextualisierung in gut gemachtem Schulunterricht erfolgen sollte, in TV-Dokus, Museen und so weiter. Dann sind die Statuen auch kein Problem. Daran mangelt es in GB halt, deren Geschichtsunterricht und generell ihre Geschichtspolitik sind katastrophal. Aber das hängt sicher nicht an einer Statue. Die „Attacke“ auf die Statue kann aber, und da liegt ihr Wert, eine Bewusstsein für das Problem schaffen.

                    • CitizenK 17. Juni 2020, 17:52

                      ..“Bewusstsein für das Problem schaffen.“

                      Auf den Punkt gebracht.

  • Stefan Pietsch 16. Juni 2020, 12:59

    Unfassbar.

    Einem Historiker sollte der Begriff Kulturvandalismus etwas sagen. Was ist der Unterschied zur Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan und die kulturelle Vernichtung assyrischer Statuen durch den IS? Aus der Argumentation des Artikels heraus sind und waren diese Taten gerechtfertigt. Und das zeigt, wie sehr sich die heutigen Debatten der Selbstreinigung und Selbstbezichtigung auf allen Ebenen sich dem Totalitarismus ergibt.

    Als nächste Ziele schlage ich die Pyramiden von Gizeh und das Kolosseum vor. Die Pyramiden sind Denkmäler für schlimme Diktatoren, die für ihren Traum von der Ewigkeit Generationen ausbeuteten und versklavten. Das Kolosseum – es steht in Rom, für die vielen Geschichtsvergessenen – war Jahrhunderte dafür bestimmt, Menschen zu belustigen, in dem man andere Menschen, nicht zuletzt Sklaven, grausam sterben ließ. Jeder diesbezügliche Hollywoodfilm hält diese Erinnerung aufrecht, was zu einem dringenden Verbot von „Gladiator“ und „Quo Vadis“ führen muss. Zudem sollten wir überlegen, in Istanbul einzufallen um die Hagia Sophia erst ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung zuzuführen und dann zu zerstören.

    Wenn wir schon dabei sind: Der Protestantismus gehört verboten oder zumindest jede evangelische Messe mit einem Warnschild zu versehen. Diese Religion gründet auf einen schlimmen Antisemiten und Befürworter der Hexenverbrennung. Es wäre ein Akt der Befreiung, dies endlich in die Welt hinauszurufen. Damit ist natürlich auch eine Katrin Göring-Eckardt als vermeintliche Vertreterin einer demokratischen Elite erledigt, die sich bis heute nicht vom Protestantismus lossagen will.

    Reisen bildet. Ohne Reisen verblöden wir anscheinend. Wer als Tourist oder Bildungssuchender je vor solchen Statuen, Denkmälern und Mahnmalen gestanden hat, hat nicht die Gedanken im Kopf, dass die verewigte Person Heiliger sei. In Santiago gibt es vor der Moneda ein Denkmal an Salvadore Allende, was aus heutiger Sicht nicht mehr tragbar ist. Allende wollte eine sozialistische Gesellschaft schaffen, wir wissen heute, was für ein Irrweg der Geschichte das war.

    Ich werde die Aufnahmen aus meinem privaten Archiv tilgen. Aber erst ist das Kolosseum dran.

    • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 13:23

      Meld dich weiter, wenn du Interesse an einer Diskussion hast.

      • Stefan Pietsch 16. Juni 2020, 13:36

        Das fällt an der Stelle schwer, denn Totalitarismus erkennt man oft nicht in den Anfängen. Du hast in dieser Sache keine Maßstäbe, auch wenn Du meinst, welche dargelegt zu haben. Wie so oft bei Political Correctness endet man immer bei Willkür. R.A. hat dabei wahre Worte gefunden:

        Kaum jemand stört sich wirklich an den Denkmälern irgendwelcher meist unbekannter Figuren aus früheren Jahrhunderten.
        Aber die Zerstörung ist ein Geste revolutionärer Gewalt und eine klare Ansage, daß die neue friedliche Ordnung aufgekündigt wird.

        Ich habe Dir genügend Beispiele genannt, an denen Du Dich abarbeiten könntest. Nach Deinen Maßstäben gehören sie zerstört oder zumindest in Quarantäne und wenn Du das ablehnst, zeigt das eben die Willkürlichkeit Deiner Bewertung. Und Luther, wie gesagt, geht gar nicht!

    • CitizenK 16. Juni 2020, 14:22

      „Reisen bildet.“

      Zum Beispiel nach Ost-Deutschland oder Ost-Europa. Dort haben diese Kulturvandalen die Denkmäler von Väterchen Stalin abgerissen oder in die Depots verbannt. „Wer als Tourist oder Bildungssuchender je vor solchen Statuen, Denkmälern und Mahnmalen gestanden hat…“ der weiß, dass der Dargestellte zwar kein „Heiliger“ ist, der nicht nur Millionen im Gulag gequält und vernichtet, sondern halt auch die Sowjetunion zur Großmacht gemacht hat. Und bis heute von Abertausenden in Russland quasi-religiös verehrt wird.

      Diese Kulturvandalen. Wie die Taliban, genau!

      • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 14:30

        Stefan und R.A. haben ja gar ein Problem mit Statuen stürzen, es müssen nur die Richtigen sein.

        • R.A. 16. Juni 2020, 20:28

          „Stefan und R.A. haben ja gar ein Problem mit Statuen stürzen, es müssen nur die Richtigen sein.“
          Das ist schon ein fast böswilliges Falschinterpretieren.
          Es ging nicht um die „Richtigen“, sondern um den Zeitpunkt.

          • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 21:49

            Nun, wir haben gerade die Black-Lives-Matter-Revolution. Scheint ein guter Zeitpunkt.

      • Stefan Pietsch 16. Juni 2020, 15:28

        Kaum zu glauben, dass Sie mal waren was Sie behaupten gewesen zu sein. Gilt auch für Stefan.

        Also, ich erkläre Ihnen mal das, was Sie nicht zu wissen scheinen, nämlich wie so eine handelsübliche Modelldebatte funktioniert. Schade für die Schüler, die das verpasst haben.

        Eine Debatte beginnt damit, dass jemand – nennen wir ihn in diesem Fall Stefan S. – eine These, Behauptung aufstellt oder nur eine Meinung in den Raum wirft nebst Begründung. In unserem Fall soll das die These sein, Statuen und Erinnerungsstücke an frühere Epochen und Wirkende sollten vernichtet oder mindestens mit Warnhinweisen versehen werden, wenn deren Handeln nicht mehr unseren moralischen Normen (oder der einer Sittenpolizei) entsprechen.

        Das ist der Opener. Mit dem Rest waren Sie bisher sichtbar überfordert. Andere erwidern. Lassen wir die Zustimmenden weg, so greifen einige die in den Raum gestellte These mit Gegenargumenten und Expolieren der These an. Das findet sich z.B. unter meinem Namen.

        Jetzt verlieren Sie völlig die Orientierung: Ich habe nicht behauptet, die Zerstörung von Stalin-Büsten sei gerechtfertigt. Darum geht es auch gar nicht, siehe oben. Wir diskutieren an dieser Stelle allein, warum es in Ordnung sein kann, Statuen von Personen der Geschichte zu zerstören, warum es aber nicht in Ordnung sei, wenn Buddha-Statuen von Bamiyan oder das Hadrianstor zu sprengen. Warum verehren wir einen schrecklichen Antisemiten wie Luther, Befürworter von Hexenverbrennungen, und mokieren uns über den angeblichen Rassisten Churchill? Ich hätte gern Antworten von jenen, die den Bildersturm rechtfertigen, sonst kann es keine Debatte geben. Und dass ich das Lehrern in Deutschland sagen muss, umso schlimmer. So schlecht ist es um die Kultur in diesem Land bestellt, wenn nicht mal mehr jene, die von Berufswegen dazu ernannt sind, sie zu bewahren, sie wegwerfen.

        Dem Vorangesagten ungeachtet: Diktaturen pflegen oft einen Personenkult. Gesellschaften tun das gemeinhin nicht. Churchill war weder Diktator noch wurde die Aufstellung der Büsten einseitig von einem engen Personenkreis verfügt. Und es entspricht auch nicht der Wahrheit, dass sämtliche Stalin-Statuen vernichtet wurden.

        Hier kann man wirklich zum AfD-Anhänger werden: Wir schaffen Denkmäler für Verbrechen, die in unserer Geschichte begangen wurden, aber wir lehnen es ab, Menschen zu ehren, die Herausragendes vollbracht haben, auch wenn sie nicht perfekt waren. Und deswegen bezweifle ich, dass wir heute Sophie Scholl in Ehren halten würden, hätte sie nicht das persönliche Glück gehabt, früh von den Nazis umgebracht worden zu sein. Dieser Relativismus ist wirklich furchtbar.

        Ich war vor dem Denkmal an Sitting Bull, der in seinem Leben viele Menschen umgebracht hat. Ich käme nie auf den Gedanken, so etwas mit kritischen Vermerken zu versehen. Genauso war ich am Uluru (Ayers Rock) im Herzen Australiens. Obwohl nicht verboten, haben wir den Felsen nicht betreten – aus Respekt. Eigentlich Quatsch. Felsen sind dazu da, betreten zu werden, hören wir auf mit dem albernen religiösen Kram. Niemand tut einer Gottheit etwas zu leide, weil er einen Felsen betritt.

        Respekt beginnt, anders als Stefan das sieht, mit der Demut vor der eigenen Geschichte. Wir sind keine besseren Menschen, weil wir in einer anderen Zeit leben. Ich kann Menschen nicht respektieren, die selbst keinen Respekt vor der Lebensleistung und dem Vermächtnis eines anderen haben – fair bewertet nach den Maßstäben der Zeit, in der jemand gelebt hat und nicht mit der moralisch überhöhten Perspektive des Jetzt. Möge Stefans Generation das harte Urteil der Geschichte über seine Ansichten erspart bleiben – was es nicht wird.

        Viele Menschen können heute mit der Nazi-Zeit nichts mehr anfangen (übrigens eine hervorragende Leistung unserer Lehrer!), aber Statuen zerstören, weil irgendjemand „Rassist“ draufschmiert, das geht.

        • CitizenK 16. Juni 2020, 15:40

          Ja, Herr Oberlehrer! Wie immer, wenn Sie kein Argument haben, werden Sie beleidigend.

          Ich habe lediglich Ihre (!) Kriterien auf einen anderen Fall angewendet (man nennt das Transfer). Ironisch zwar, aber nicht sachfremd.

          Und jetzt auch noch das:
          „….fair bewertet nach den Maßstäben der Zeit, in der jemand gelebt hat und nicht mit der moralisch überhöhten Perspektive des Jetzt.“

          Aua. Das werde ich jetzt nicht anwenden auf die Epochen unserer Geschichte, auf die auch Sie vermutlich nicht stolz sind.

          • Stefan Pietsch 16. Juni 2020, 15:56

            Wie gesagt, ich möchte dass Debatten nach Regeln geführt werden. Und das bedeutet, ich erwarte eine sinnvolle Erwiderung auf meine Argumente. Die stehen oben, lieber CitizenK und Sie haben sich über sie mokiert. Und ich werd‘ tatsächlich pampig, wenn man alle möglichen Ausflüchte nimmt, nur, um sich nicht mit dem eigenen moralischen Blödsinn auseinanderzusetzen.

            Es war Jahrtausende üblich, Menschen als Sklaven zu halten. Während jedoch die meisten durch Kriege und Eroberungen in Gefangenschaft gerieten, „verkauften“ Prinzipals im Kongo und anderswo die eigenen Landsleute. Das ist ein dunkles Kapital des nationalen Erbes Afrikas. Es war aber im Jahre 1933 nicht üblich, Völkermorde und ethnische Säuberungen anzuzetteln. Deswegen war Hitler auch 1939 bereits einer der größten Verbrecher.

            Warum gedenken wir nun ausgerechnet Sklaven mit schwarzer Hautfarbe? Begründung? Keine. Die meisten herausgehobenen Gestalten der Menschheitsgeschichte hatten mit Sklaverei, Morden, Kriegen zu tun. Selbst der offizielle amerikanische Erfinder des Telefons war im Grunde ein Betrüger.

            Und ich wiederhole mich gerade bei Ignoranz gern: Wer kann mit einer solchen Haltung ausgestattet, nicht Luther und damit eine ganze Religionsgemeinschaft in Grund und Boden verdammen?

            • Ariane 16. Juni 2020, 16:14

              Wie gesagt, ich möchte dass Debatten nach Regeln geführt werden.

              Es ist weder deine Plattform, noch dein Artikel. Es ist der andere Stefan, der die Regeln festlegt.

              • Stefan Pietsch 16. Juni 2020, 16:53

                Nein. Regeln sind ein Comitment, keine Vorgabe eines Einzelnen. Ich diskutiere nach allgemeinen Regeln, der Debatte, des Rechts und des Zitierens. So oder gar nicht.

                Und Konsequenz beginnt damit, sich an das eigen Gesagte zu halten, auch und gerade wenn es schwer fällt. Und da war irgendwo Deiner Bitte, ignoriert zu werden.

                • Ariane 16. Juni 2020, 19:20

                  Meine Bitte ignoriere ich, wenn du meinst, dem Sassestefan oder mir Blogregeln vorzuschreiben. Das ist weder deine Plattform, noch dein Blog, noch dein Artikel.

                  Ich persönlich würde mich freuen, wenn du die Mindest-Höflichkeitsregeln einhältst.

                  • Stefan Pietsch 16. Juni 2020, 19:41

                    Ich würde mich freuen, wenn Du Dich an Deine eigenen Regeln (bzw. Bitten) halten würdest. Das sollte weit einfacher sein als sich an die Regeln anderer zu halten.

                    Bitte scheitere nicht so oft an Dir selbst!

      • derwaechter 16. Juni 2020, 19:55

        Marx Statuen stehen aber noch. Da hat man die Balance doch ganz gut hinbekommen.

  • CitizenK 16. Juni 2020, 16:05

    Es gibt auch eine Debatte um neue Denkmäler:

    „Soll die Bundesrepublik ein spezielles Polen-Denkmal bauen oder wäre das Ausdruck einer zu nationalen Perspektive? Wäre ein Dokumentationszentrum für die Opfer des Vernichtungskriegs im Osten die bessere Variante? Oder ein Dokumentationszentrum für alle Opfer der Nazi-Herrschaft in ganz Europa?“
    https://www.tagesspiegel.de/politik/bundestag-streitet-um-polen-denkmal-die-deutschen-wissen-zu-wenig-ueber-den-vernichtungskrieg-im-osten/25918762.html

    Wo anfangen? Wo aufhören?
    Ich denke, die Zeit der „Denkmäler“ ist vorbei. Was meint ihr?

    • Marc 16. Juni 2020, 16:42

      Ich denke, die Zeit der „Denkmäler“ ist vorbei. Was meint ihr?

      Da mein Großer gerade das Lesen entdeckt, sind Denkmale ein wunderbare Gelegenheit zum Üben und sie laden zum Diskutieren ein. Erinnerungsstätten sind wichtig! Ich lerne mehr über meine Umgebung als ich damals aufwuchs. Für später muss es aber noch moderner werden. Warum die Hintergrundinformationen (Kontextualisierung) nicht als QR Code anbieten? Sich am Denkmal virtuell in die Vergangenheit begeben zu können wäre fantastisch!

      • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 17:54

        Jepp, ich sehe da auch sehr große Chancen.

      • CitizenK 16. Juni 2020, 19:11

        Gute Idee. Geschieht ja teilweise schon. Ist aber noch so ungewöhnlich, dass ich es nicht im Kopf hatte.

    • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 17:53

      Ganz und gar nicht. Gerade in Berlin beispielsweise sind in jüngster Vergangenheit Mahnmäler für den Holocaust und die Ermordnung von Homosexuellen im Dritten Reich aufgebaut worden, die sehr eindringlich sind.

    • Dennis 16. Juni 2020, 17:59

      _Ich denke, die Zeit der „Denkmäler“ ist vorbei. Was meint ihr?_

      Glaub ich eigentlich nicht und hoffe ich auch nicht. Gehört vermutlich zu den Kulturtechniken mit Ewigkeitswert, ebenso wie das Wiederabräumen/Stürzen^, wie Stefan Sasse das ja ganz richtig beschrieben hat.

      Dass es heutzutage darob schon zum Entstehungszeitpunkt anstrengende Debatten gibt, ist gut so; und dass Projekte unter Umständen auch wieder in der Schublade verschwinden, also der Denkmalsturz evtl. schon in der Papierphase stattfindet, ist auch kein Desaster. Nebenbei: Denkmalprojekte richten sich m.E. primär an die Nachwelt, als Gedächtnisstütze sozusagen, sollten uns also „überleben“ – möglichst, obwohl man die Nachwelt zu nichts verpflichten kann 🙁

      • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 18:30

        Nein, Denkmäler richten sich nicht an die Nachwelt, sondern an das Jetzt. Das ist ja genau der Punkt. Ihr Adressat sind diejenigen, die täglich an ihnen vorbeigehen, oder die in Bewunderung zu ihnen pilgern.

        • R.A. 17. Juni 2020, 16:27

          „Denkmäler richten sich nicht an die Nachwelt, sondern an das Jetzt.“
          Exakt mein Punkt!

          Deswegen sage, daß es völlig ok ist, wenn die Zeitgenossen Denkmäler bauen oder stürzen (gerade bei revolutionären Umbrüchen).

          Aber wenn die Nachwelt Generationen später, die überhaupt nicht Adressaten sind, wie bei den aktuellen Beispielen Denkmäler stürzen – dann ist das eben Barbarei.

      • CitizenK 16. Juni 2020, 19:31
    • Kning4711 16. Juni 2020, 23:47

      Ich glaube, wir brauchen eine Gedenkstätte. die der gemeinsamen polnisch – deutschen Geschichte gedenkt. Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in Polen war sozusagen der traurige Höhepunkt eines deutsch-polnischen Gegensatzes – es ist ein Glück der Geschichte, dass wir mit unseren polnischen Nachbarn in Frieden leben können. Daher würde ich mir eine Gedenkstätte / Ort wünschen, der der wechselhaften deutsch-polnischen Geschichte ausdruck verleiht. EIn Ort, an dem die Versöhnung zwischen den beiden Ländern spürbar wird, aber eben auch zeigt warum das deutsch-polnische Verhältnis nicht frei von Spannungen sein kann.

      • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 09:18

        Sehr gute Idee, ja. Leider mit der aktuellen polnischen Regierung nicht eben wahrscheinlich 🙁

  • CitizenK 16. Juni 2020, 16:25

    Fangen wir mit Luther an. Niemand will „eine ganze Religionsgemeinschaft in Grund und Boden verdammen“. NIEMAND, hören Sie? Das ist IHRE Projektion. Keine Ahnung, woher sie diese Phantasie haben. Von hier im Blog jedenfalls nicht.

    Ich bin protestantisch sozialisiert und Luther war der Held, der dem bösen Papst widerstanden hatte und den ultramontanen Götzendienst beendet hat. Bis vor wenigen Jahren war der hasserfüllte und eklatant un-christliche Judenhass Luthers weitgehend unbekannt. Der Mann, auf den wir stolz waren, wurde durch historische Forschung (bzw. deren sehr späte Publikation) zu einer sehr problematischen Person.

    Auch wenn Ressentiments gegen Juden zu jener Zeit gang und gäbe waren, entschuldigt das Luther (einen Christen!) nicht.

    Ich würde Luther-Denkmäler deshalb nicht abreißen, sehe sie aber mit sehr gemischten Gefühlen. Gilt auch für Churchill. Deshalb würde ich gar keine Denkmäler mehr bauen (s. mein Post zum Tagesspiegel-Artikel).

    Stefan Sasse hat eine Diskussion über den Umgang mit dem Andenken bzw. Gedenken problematischer Personen angestossen. Aber statt wie andere Kommentatoren Argumente für und wider zu erwägen, versteigen Sie sich zu persönlich verletzenden Angriffen. Sind das die „Regeln“, nach denen für Sie eine Diskussion ablaufen sollte?

    • Stefan Pietsch 16. Juni 2020, 16:48

      Es ist unrichtig: Es gab bisher kein Wider, sondern nur ein Für. Beim ersten Widerspruch klappt dann alles zusammen: unverschämt, wie kann man so denken etc. Kurz: kein Standing. Ich habe (auch) unter diesem Thread nicht die Fähigkeit erkennen können, sich mit Einwänden auseinanderzusetzen.

      Ich habe eindeutig ein anderes Verständnis in der Abgrenzung zu totalitären Verhaltensweisen: Der Unterschied zwischen einer liberalen, offenen Gesellschaft und einer totalitären zeigt sich nicht in den Nuancen, sondern im Grundsätzlichen. Deswegen die scharfe Abgrenzung zu den heutigen religiösen Fundamentalisten. Wir verbrennen nichts, wir zerstören nichts. Wir bewahren. Und dazu zählt auch das Erbe von Diktaturen, von Sklavereien, von Kriegen, von Folter. Und die schönen Seiten: die Kultur, die staatliche und demokratische Stabilität, die Größe des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, der Widerstand der Germanen gegen die Eroberungsgelüste der Römer ebenso wie die römischen Einflüsse. Stil und Anstand zeigt sich für mich darin, die Toten zu ehren und nicht zu verdammen, weil sie zufällig nicht in der gleichen Zeit wie wir gelebt haben.

      Ich habe so viel Schönes auf meinen Reisen gesehen und mit Sicherheit möchte ich alles nur keine Kulturfanatiker, die nur eins als das einzig Maßgebene ansehen, nämlich ihre eigene Kultur, Sitten, Ansichten.

      • CitizenK 16. Juni 2020, 19:10

        „…wir zerstören nichts. Wir bewahren. Und dazu zählt auch das Erbe von Diktaturen“

        Also dann doch: Denkmäler für Stalin, Hitler, Pol Pot, Pinochet stehen lassen, bewahren? Ja oder Nein.

        • Stefan Pietsch 16. Juni 2020, 19:17

          Sie haben es nicht verstanden: wir führen diese Diskussion nicht. So leicht werden Sie nicht vom Verteidiger (der nicht verteidigen will) zum Angreifer.

          Da Sie sich ins Lager derjenigen gestellt haben, die Statuen bei Fehlern des Dargestellten auf dem Scheiterhaufen sehen wollen, müssen Sie es gegen Argumente verteidigen. Und gegen Vorhalte. Es geht nicht, dass Sie die Sache umkehren: ja wollt ihr auch die Denkmäler schlimmster Diktatoren behalten?! Das ist nicht die Frage. Churchill war, bei aller Liebe, kein Diktator und kein Massenmörder. Comprende?

          • Ariane 16. Juni 2020, 19:22

            wir führen diese Diskussion nicht. So leicht werden Sie nicht vom Verteidiger (der nicht verteidigen will) zum Angreifer.

            „Wir“?

          • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 21:48

            NIEMAND WILL CHURCHILLS STATUE ABBAUEN

            • Erwin Gabriel 16. Juni 2020, 22:14

              @ Stefan Sasse 16. Juni 2020, 21:48

              NIEMAND WILL CHURCHILLS STATUE ABBAUEN

              Ich schon. Er ist ein Kriegsverbrecher.

              • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 09:17

                Ok, das überrascht mich jetzt ehrlich gesagt.

                • Erwin Gabriel 17. Juni 2020, 11:35

                  @ Stefan Sasse 17. Juni 2020, 09:17

                  Ok, das überrascht mich jetzt ehrlich gesagt.

                  Hatten wir, glaube ich, schon mal. Er hat einen Angriffs- und Bombenkrieg gegen Zivilisten geführt. Krieg, so er unvermeidbar ist (und das war der Zweite Weltkrieg für die Briten ohne Zweifel) sollte eine Sache zwischen Soldaten sein. Mag sein, dass Kollateralschäden gelegentlich unvermeidlich sind, aber direkt und wissentlich auf Zivilisten loszugehen ist für mich nicht akzeptabel.

                  Wer als Soldat Zivilisten angreift, ist Kriegsverbrecher – gilt für jeden, da bin ich wirklich schlicht gestrickt.

                  • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 13:12

                    Ja, das sehe ich tatsächlich anders. Ich stelle die Alliierten in eine andere moralische Kategorie, weil sie den Gegenschlag geführt haben.

                    • Erwin Gabriel 18. Juni 2020, 16:22

                      @ Stefan Sasse 17. Juni 2020, 13:12

                      Ich stelle die Alliierten in eine andere moralische Kategorie, weil sie den Gegenschlag geführt haben.

                      Ich stelle alle, die aktiven Krieg gegen Zivilisten führen, in die gleiche Kategorie.

                      Der Bombenkrieg gegen deutsche Städte mit den Ziel, die Einwohner niederzubrennen, die Atombomben in Japan, das Töten der Muslime in Srebrenica, die Wehrmacht in Russland – alles die gleiche Soße.

                    • Stefan Sasse 18. Juni 2020, 18:12

                      Nein, das kannst du nicht in dieselbe Kategorie einordnen. Der deutsche Vernichtungsfeldzug im Osten war dazu gedacht, die Bevölkerung zu vernichten. Ob die kapituliert oder nicht war völlig egal. Die alliierten Aktionen gegen Deutschland hörten in dem Moment auf, wo der Widerstand aufhörte. Das ist ein fundamentaler Unterschied.

                    • Erwin Gabriel 24. Juni 2020, 09:05

                      @ Stefan Sasse 18. Juni 2020, 18:12

                      Der deutsche Vernichtungsfeldzug im Osten war dazu gedacht, die Bevölkerung zu vernichten. Ob die kapituliert oder nicht war völlig egal. Die alliierten Aktionen gegen Deutschland hörten in dem Moment auf, wo der Widerstand aufhörte. Das ist ein fundamentaler Unterschied.

                      Gehen dann Geiselerschießungen in Ordnung, wenn man in dem Moment aufhört, wo man bekommt, was man will?

                      Begründungen für Gräueltaten kann ich immer finden, wenn ich will. Wie gesagt bin ich da ziemlich schlicht gestrickt: Wer Krieg gegen Zivilisten führt oder führen lässt, ist für mich ein Kriegsverbrecher.

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 12:13

                      Nein. Und ich finde diesen Vergleich auch reichlich misslungen.

                    • TBeermann 24. Juni 2020, 09:35

                      Der Vergleich hinkt.

                      Passender wäre da eher, ob der finale Rettungsschuss nicht bis zum Ende der Bedrohungssituation gerechtfertigt ist.

                      Die Alliierten wollte die deutsche Mordmaschinerie mit so wenig eigenen Verlusten zu schnell wie möglich stoppen. Man kann sicher über den tatsächlichen militärischen Nutzen der Bombardements streiten. Die Hoffnung, damit die Moral an der Heimatfront zu brechen und eine Kapitulation zu erzwingen, kann man den Alliierten aber kaum absprechen.

                      Versuche, zielgenauer gegen militärische Ziele vorzugehen, gab es. (Z.B. Operation Double Strike gegen Schweinfurt und Regensburg). Die Verluste der Alliierten waren aber immens, weil die wichtigen militärischen und industriellen Ziele eben auch entsprechend abgesichert waren und nur bei Tag zielgenau angeflogen werden konnten.

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 12:14

                      Genau das.

                • Erwin Gabriel 17. Juni 2020, 11:40

                  @ Stefan Sasse 17. Juni 2020, 09:17

                  Nicht falsch verstehen: ich kann durchaus nachvollziehen, dass die EngländerInnen ihn toll finden; das ändert nichts an meinem Urteil.

                  Ähnlich wie Napoleon: Die meisten Franz???Innen sind hin und weg, weil er Frankreich aus dem Chaos der Revolution in eine große (wenn auch kurze) Zukunft führte. Aber er hat dafür halb Europa auseinandergenommen, so dass andere Länder andere Meinungen haben könnten. Wenigstens hat er gegen Armeen gekämpft.

                  • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 13:12

                    Erzähl das mal den Spaniern!
                    Churchill und Napoleon sind eins, was das anbelangt.

                    • Ariane 17. Juni 2020, 21:37

                      Die taten sich nicht viel, Napoleon hat noch den „Bonus“, dass er um 1800 aktiv war. Aber frag mal die Ägypter, was die meinen. Mal abgesehen davon, dass er halb Ägypten ausgeräumt hat, war er auch im Sklavenhandel aktiv meine ich.

                      Das war ja eh so eine Hochzeit der ersten Archäologen*, da waren die Deutschen auch gut dabei. Ist ein weiteres Kapitel der Kolonialisierung das null aufgearbeitet wurde meistens und das immer noch für Konflikte sorgt.

                    • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 22:10

                      Absolut!

                    • Erwin Gabriel 18. Juni 2020, 16:25

                      @ Ariane 17. Juni 2020, 21:37

                      Die taten sich nicht viel, Napoleon hat noch den „Bonus“, dass er um 1800 aktiv war.

                      Wieder was gelernt. Ich ging davon aus, dass man sich in der Zeit noch auf dem Schlachtfeld traf, um von Soldat zu Soldat aufeinander einzuhauen.

                      Ich wollte Napoleon auch nicht als Gutmensch darstellen; es sollte ein Beispiel sein für unterschiedliche Wahrnehmung.

                    • Stefan Sasse 18. Juni 2020, 18:14

                      Das ist leider eine Version, die sich zwar in den populären Geschichtsdarstellungen findet (und von diesen Feldherren gerne verbreitet wurde), aber die Armeen dieser Zeit ernährten sich „aus dem Land“, wie es so schön hieß. Das waren wandelnde Kriegsverbrechensgeneratoren. Wo die Grande Armée durchmarschierte, gab es Mord, Totschlag, Brandstiftung, Plünderung, Vergewaltigungen.

                    • R.A. 18. Juni 2020, 18:41

                      „die Armeen dieser Zeit ernährten sich „aus dem Land“, wie es so schön hieß.“
                      Jein.
                      Die napoleonischen Armeen im Feindesland benahmen sich wie von Dir beschrieben, mit allen Kriegsverbrechen. In befreundeten Territorien waren sie etwas zurückhaltender, da wurde nur „requiriert“ mit leichten Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung.
                      Die Alliierten haben sich deutlich besser benommen, gerade Wellington und Blücher haben Übergriffe ihrer Soldaten streng bestraft und die Versorgungsgüter wurden bezahlt.

                    • Stefan Sasse 18. Juni 2020, 18:51

                      Sorry, bei Alliierte bezog ich mich auf die aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Details, die du gerade nennst, sind mir unbekannt. Nicht mein Fachgebiet. Daher danke für die Hinweise.
                      Geil war es aber für die Zivilbevölkerung so oder so nicht 😉

                    • Ariane 19. Juni 2020, 07:53

                      Ich meine, das war damals halt so, es waren auch nicht nur reine Freiwilligenarmeen, sondern gerade als es um den Russlandfeldzug ging, wurden auch einfach Bauern oder wer gerade da war zwangsrekrutiert.

                      Das waren ja mehr Raubüberfälle als moderne Kriege und gerade für die deutsche Geschichte hatte das einen enormen Effekt, was die Demokratisierung anging, ohne Napoleon keine Revolution 1848 (und vermutlich auch kein Nationalismus).

                      Und die Franzosen sind krasse Heldenverehrer. Ich finde es auch ok, würde auch keine Statue abbauen wollen und Napoleon ist wahnsinnig spannend, totales Phänomen. Ich mag das auch, Underdog, gute Absichten, die Liebesgeschichten, die Zitate! Aber es ist schon wichtig, das einzuordnen und eben nicht nur eine nationale Heldengeschichte drauszuspinnen.

                      Finde, sehr ähnliche Geschichte wie Grant übrigens. Ich mag solche Stories.

                      Mein Lieblingszitat: Er wollte Bäume pflanzen, damit seine Armeen im Schatten laufen. Und ein Assistent schlug die Hände über dem Kopf zusammen, weil das so ein Aufwand ist und solange dauert:

                      Darauf er: Deswegen sollten wir heute noch damit anfangen. 🙂

                    • Erwin Gabriel 24. Juni 2020, 08:49

                      @ Ariane 19. Juni 2020, 07:53

                      Finde, sehr ähnliche Geschichte wie Grant übrigens. Ich mag solche Stories.

                      Mein Lieblingszitat: Er wollte Bäume pflanzen, damit seine Armeen im Schatten laufen.

                      War das nicht Wallenstein, der Alleen anlegen ließ, damit die Soldaten im Schatten laufen können?

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 12:11

                      Ich kenn das nur als Witz, warum es in Frankreich so viele Alleen gibt (der deutsche Landser marschiert nicht gern in der Sonne). Was mal wieder zeigt, dass diese angeblichen Zitate mit höchster Vorsicht zu genießen sind 😀

                    • Ariane 24. Juni 2020, 13:55

                      Ich kenne es auch als Napoleon-Legende, allerdings stehen auch in Schleswig-Holstein viele Alleen und da war er gar nicht glaub ich.

                      Aber der Spruch ist große Klasse 😉

            • R.A. 17. Juni 2020, 10:09

              „NIEMAND WILL CHURCHILLS STATUE ABBAUEN“
              Das ist schlicht falsch.
              Es gibt im UK eine Menge Leute, die Churchills Statuen (und viele weitere) abbauen wollen. Du verkennst völlig daß die Bilderstürmer NICHT so differenzieren wie Du das versuchst. Es ist nicht Zurückhaltung der Demonstranten, weswegen Churchills Statue noch steht. Es ist schlicht Mangel an Gelegenheit.
              Wo die Möglichkeit besteht Statuen zu zerstören (oder im Hafen zu versenken), da wird das auch gemacht.

              • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 13:10

                Ich redete auch von hier in der Diskussion. Aber grundsätzlich: Im UK leben über 60 Millionen Menschen. Klar wirst du ein paar hundert finden, die das wollen. Du wirst auch in Deutschland Leute finden, die die Mauer wieder aufbauen wollen, die Auschwitz leugnen, die an Chemtrails glauben. Die treffen sich sogar ab und an auf einer Demo. Aber UK und BRD sind Demokratien. Diese Leute sind weiter von der Macht weg als du und ich, und wir beide sind schon recht weit entfernt. Man muss nicht die totalitäre Diktatur an die Wand malen, weil ein paar Idioten was fordern. Es gibt aktuell keine seriöse Gruppe oder gar Partei, die irgendwas in die Richtung fordert.

                • R.A. 17. Juni 2020, 16:24

                  „Klar wirst du ein paar hundert finden, die das wollen.“
                  Es geht nicht um ein paar hundert.
                  Es geht um die komplette von Dir beschriebene linke Bewegung, die gegen alle möglichen Statuen und Denkmäler in den USA und dem UK (und natürlich anderen Staaten) vorgeht.

                  „Aber UK und BRD sind Demokratien.“
                  Das ist den Denkmalstürzern ziemlich egal. Es hat keine demokratische Abstimmung darüber gegeben, die Statue in Bristol ins Meer zu kippen oder die Churchill-Statue zu beschmieren (weil mehr gerade nicht möglich war).
                  Es ist diesen Eiferern auch völlig egal, daß ihre „moralischen“ Maßstäbe von der Mehrheit der Bevölkerung nicht geteilt werden.

                  „Diese Leute sind weiter von der Macht weg als du und ich“
                  Dann brauchen wir uns ja nie wieder über die AfD aufregen.

            • derwaechter 17. Juni 2020, 12:55

              Es gibt doch Proteste in London die genau das fordern. Und hier in Oslo gibt es eine Petition mit mehreren tausend Unterschriften die fordert die Churchill Statue am Solli Plass in Oslo zu entfernen

      • R.A. 16. Juni 2020, 20:33

        „Fangen wir mit Luther an. Niemand will „eine ganze Religionsgemeinschaft in Grund und Boden verdammen“.“
        Noch nicht.
        Aber diese Verdammung wird natürlich kommen, wenn man die Logik weiterführt, die die Denkmalstürzer gerade zu etablieren versuchen.

        Für die Denkmalstürzer ist völlig irrelevant, ob Churchill oder der Kaufmann in Bristol für die Zeitgenossen vorbildlich waren und sie sind auch nicht bereit, ein differenziertes Gesamtbild oder eine Würdigung der Lebensleistung zuzulassen. Sondern es reicht ein nach heutigen Maßstäben negativer Punkt um die komplette historische Person zu diskreditieren und vom Sockel zu stürzen.

        Und da wird es in der weiteren Diskussion natürlich auch keine Schonung für Luther mehr geben können.

        • CitizenK 16. Juni 2020, 21:15

          Ein Mensch kann Großes geleistet und trotzdem Schlimmes bewirkt haben. Bei Luther: Bibelübersetzung und damit Grundlegung der deutschen Hochsprache, Beschränkung des Machtmissbrauchs durch den Papst usw.) vs. Aufruf zu großen Verbrechen und Grundlegung für noch größere (die Nazis beriefen sich auf ihn).

          Große Geister irren groß. „Große“ Menschen sind fast immer widersprüchliche Menschen. Brauchen sie (brauchen wir?) deshalb ein Denkmal aus Stein oder Bronze? Nun stehen sie nun mal da. Ich finde, der Vorschlag mit der Info-Tafel oder noch besser mit der Info-App ganz brauchbar.

          • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 21:51

            Ich würde bei Luther ja noch nicht mal ne Plakette anbringen wegen seinem Antisemitismus! Aber ich werd das doch wohl thematisieren dürfen. Dito für Kant. Es ist völlig wirr, wie plötzlich R.A. und Pietsch mit Sprechverboten und Political Correctness um die Ecke kommen…

          • Erwin Gabriel 17. Juni 2020, 11:43

            @ CitizenK 16. Juni 2020, 21:15

            Ein Mensch kann Großes geleistet und trotzdem Schlimmes bewirkt haben. Bei Luther: Bibelübersetzung und damit Grundlegung der deutschen Hochsprache, Beschränkung des Machtmissbrauchs durch den Papst usw.) vs. Aufruf zu großen Verbrechen und Grundlegung für noch größere (die Nazis beriefen sich auf ihn).

            … ebenso hatten die Fürsten, die die Bauernaufstände niedermetzeln ließen, seine volle Unterstützung.

            Große Geister irren groß. „Große“ Menschen sind fast immer widersprüchliche Menschen. Brauchen sie (brauchen wir?) deshalb ein Denkmal aus Stein oder Bronze? Nun stehen sie nun mal da.

            So schlicht und so treffend auf den Punkt gebracht.

            Ich finde, der Vorschlag mit der Info-Tafel oder noch besser mit der Info-App ganz brauchbar.

            Zustimmung!

            • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 13:13

              Jepp!

            • Ariane 18. Juni 2020, 10:02

              … ebenso hatten die Fürsten, die die Bauernaufstände niedermetzeln ließen, seine volle Unterstützung.

              Jep, gerade Luther ist ein gutes Beispiel finde ich. Das war ungeheuer wichtig, was er gemacht hat und übrigens hat das Schisma auch dazu geführt, dass die katholische Kirche sich reformiert hat.

              Das ist ja generell ein Problem mit Glauben und Religion. Ich hab früher immer gedacht, die Amerikaner sind katholisch, weil die Protestanten hier total cool drauf sind.

              Aber jetzt haben wir ja nach Jahrhunderten quasi eine Art Gleichberechtigung erreicht, die fanatischen Evangelikalen sind auch nicht besser als die fanatischen Katholiken in Polen oder Südamerika. Gilt für alle Religionen bzw Glaubensarten, das ist im Kern eine gute Sache aber sie sind auch extrem anfällig für Fanatismus.

              Und diese Heldenverehrung wird man mit Denkmal bauen oder abreißen auch gar nicht lösen können. Ich finde sie sehr wichtig aber eine möglichst unemotionale Analyse der Umstände und Zusammenhänge ist meiner Meinung nach wichtiger. Sowohl in der Schule als auch in den Medien (man denke an Stefans Artikel über historische Filme).

              • Stefan Sasse 18. Juni 2020, 13:05

                Genau, aber sowohl sein Antisemitismus als auch seine Rolle bei den Bauernaufständen werden immer mitdiskutiert, wenn es um Luther geht. Das passt.

        • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 21:50

          Das wird überhaupt nicht „natürlich“ kommen. Die Logik des Kapitalismus verlangt auch nicht, „natürlich“ die abhängig Beschäftigten in Armut zu stürzen. Man kann an jedem Punkt aufhören, verhandeln, diskutieren, justieren. Was ist denn das für ein fatalistischer Determinismus? Ausgerechnet von jemand, der sich liberal schimpft?

          • R.A. 17. Juni 2020, 16:32

            „Das wird überhaupt nicht „natürlich“ kommen.“
            Das wird dann kommen, wenn man jetzt nicht widerspricht und den Unsinn stoppt.

            Die Prämissen der Denkmalstürzer sind:
            a) Die Beurteilung von historischen Persönlichkeiten hat nach aktuellen politischen Maßstäben zu erfolgen.
            b) Dabei reicht ein negativer Aspekt, um die komplette Lebensleistung einer Persönlichkeit zu disqualifizieren.

            Diesen beiden Prämissen akzeptierst Du, wenn Du wie im Eingangsbeitrag die Denkmaldemontagen billigst.
            Und wenn Du die akzeptierst, dann hast Du kein Argument mehr, wenn dieselben Maßstäbe auch bei Luther und allen möglichen anderen historischen Personen angelegt werden.

            • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 16:50

              Selbstverständlich habe ich das, ich habe einen kompletten Artikel mit Argumenten dazu geschrieben. Du findest ihn ganz leicht, er steht direkt über den Kommentaren hier.

            • CitizenK 17. Juni 2020, 18:22

              „Die Beurteilung von historischen Persönlichkeiten hat nach aktuellen politischen Maßstäben zu erfolgen.“

              Sollen sie nicht? Wenn ich Willem I (den „Kartätschenprinz“) oder Willem II („Hunnenrede“) nach den Maßstäben seiner Zeit beurteile, war er durchweg ein großer Mann. Sollen die Geschichtslehrer ihn wieder „hochleben“ zu lassen? „Kaisers Geburtstag“ feiern?

              • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 18:46

                Die Forderung, historische Personen „nach den Maßstäben ihrer Zeit“ zu beurteilen, ist besonders in konservativen Kreisen populär. Der Debatte liegen IMHO mehrere Missverständnisse zugrunde. Eines davon begehst du gerade; wenn ich die Wilhelms nach ihren Maßstäben beurteile, war Wilhelm I trotzdem ein mörderischer Despot (der hat den Namen Kartäschenprinz ja nicht ohne Grund bekommen, und sicherlich nicht als Würdigung!) und Wilhelm II hatte eine ziemlich starke Opposition in seinem Reich, die weder ihn noch seine Hunnenrede geil fand. Das würden wir also weiterhin kritisieren können, auch wenn wir zeitgenössische Maßstäbe anlegen. Gleiches gilt übrigens auch für Churchill. Dagegen wird es schwierig, Augustus‘ Kriegsverbrechen zeitgenössisch zu kritisieren, das wurde damals nämlich von wirklich niemandem als Problem empfunden und zeigt die Grenzen dieses Maßstabs deutlich auf.

                Was diese Argumentation aber problematisch macht, ist wo sie eingesetzt wird, die Debatte zu verhindern. Kants Rassismus etwa war durchaus zeitgenössisch und wurde damals von praktisch niemandem als solcher oder gar als anstößig empfunden. Heißt das, dass wir ihn dafür nicht kritisieren dürfen? Ich finde das sehr problematisch. Gleiches gilt für Luthers Antisemitismus; mir wäre neu, dass dieser vor dem 20. Jahrhundert thematisiert worden wäre.

                Davon abgesehen lehne ich diese Argumentation vor allem deswegen ab, weil sie eine Unmöglichkeit darstellt. Menschen sind subjektive Wesen, die zwingend in ihrer eigenen Zeit verhaftet sind. Wir urteilen IMMER aus unserer Perspektive. Die Forderung, „im Kontext der Zeit“ zu urteilen, scheint mir oft eine Schutzbehauptung, um eine Debatte nicht führen zu müssen, in der es um UNSERE WERTE HEUTE geht. Denn genau das tut diese Debatte ja eigentlich. Es ist der Wechsel des Spielfelds.

              • R.A. 17. Juni 2020, 18:58

                „Die Beurteilung von historischen Persönlichkeiten hat nach aktuellen politischen Maßstäben zu erfolgen.“
                Um das klarzustellen: Es geht hier nur um die moralische Beurteilung und den konkreten Kontext des Umgangs mit Denkmälern/Straßennamen etc.

                Selbstverständlich legen wir bei der historischen Diskussion in jeder Generation neue Maßstäbe an und bewerten entsprechend neu. Und da sieht heute der Kartätschenprinz richtig fies aus und das kann man auch so feststellen. Insbesondere weil auch in seiner Zeit die Kritik da war (schließlich ist der Beiname auch historisch) und sein Vorgehen auch nach damaligen Maßstäben fragwürdig war.
                Trotzdem sollten seine Denkmäler stehenbleiben weil sie dokumentieren, wie seine Zeit mehrheitlich über ihn geurteilt hat und weil diese Denkmäler zu unserem historischen Erbe gehören.

                • CitizenK 17. Juni 2020, 19:34

                  Als er dann aber „Kaiser Wilhelm I“ war, wurde er von den Bürgerlichen (nicht von den Sozialdemokraten, klar) verehrt und später verklärt: „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben“.

                  Beim Streit um die Wiedererrichtung des Denkmals für den „verewigten Fürsten als Dank für die in drei Kriegen (1864, 1866, 1871) erkämpfte Einigung Deutschlands“ ergab „eine … im März 1988 in Auftrag gegebene Meinungsumfrage unter den Koblenzer Bürgern, dass 80 % einer Rekonstruktion des Denkmals zustimmten.
                  https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Eck

                  Von einer Info-Tafel über die blutige Vergangenheit des Helden ist mir nichts bekannt.

                  • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 19:52

                    Die Vorzeige-Demokratie China hat gerade der Stadt Trier eine Marx-Statue geschenkt. Die Linkspartei brach daraufhin in kollektiven Jubel aus.

                    Marx war übler Judenhasser und Rassist. Aber Linke sehen bei ihren Vorbildern halt sehr genau hin…

                    Eine Person der Zeitgeschichte fair zu bewerten und alte Zeiten fortschreiben zu wollen, sind zwei unterschiedliche paar Schule.

                    • CitizenK 17. Juni 2020, 22:21

                      Einem unvoreingenommen Leser meiner Beiträge wäre aufgefallen, dass ich nicht die Linkspartei bin.

                      Die undifferenzierte Kritik eines Mit-Herausgebers an „Linken“ (von der Kommunistischen Plattform bis Olaf Scholz?) zieht das Niveau der Diskussion nach unten und mindert das Ansehen des Blogs.

                    • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 23:14

                      Wir diskutieren über „Bilderstürme“ und es kommen als Beispiele Churchill, Bismarck oder Wilhelm. Warum nicht damit beginnen, was eine echte kritische Selbstreflexion wäre? Warum fallen Stefan und den ganzen Befürwortern nicht die Namen Luther, Marx, Ghandi ein?

                      Ich hätte es so gemacht, wenn ich Linker oder evangelisch wäre. Aber mancher mag‘s halt billig. Wer, das können Sie selbst zusammenbasteln.

                    • Stefan Sasse 18. Juni 2020, 13:02

                      Aus genau den Gründen die ich an dieser Stelle bereits beschrieben habe.

                    • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 23:16

                      Ich werde Sie nie mit der Linkspartei gleichsetzen, es sei den, Sie verteidigen deren Programmatik.

                    • Ariane 18. Juni 2020, 10:03

                      (von der Kommunistischen Plattform bis Olaf Scholz?)

                      Bitte nicht den Scholz als Linken bezeichnen, dann muss ich mich immer fremdschämen. Und die kommunistische Plattform ist ja ähm kommunistisch. 🙂

                    • Erwin Gabriel 24. Juni 2020, 08:57

                      @ Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 23:14

                      Ich hätte es so gemacht, wenn ich Linker … wäre. Aber mancher mag‘s halt billig. Wer, das können Sie selbst zusammenbasteln.

                      Wenn alles bei Ihnen so leistungsstark wäre wie ihre Freund-Feind-Kennung, dann wären Sie einer derjenigen, denen man zu Lebzeiten ein Denkmal errichten würde, dass auch die Jahrhunderte überdauert. 🙂

                      Ich bin hier bei CitizenK. Man kann über all die Leute und ihre Denkmäler (nicht nur Churchill oder Napoleon, auch über Luther und Marx) diskutieren, ohne dass man gleich wieder auf das Links-Rechts- (bzw. Schwarz-Weiß-)Raster verfällt.

              • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 19:13

                Jan Fleischhauer bringt es heute auf den Punkt: Was mich daran stört, ist die moralische Selbstüberhöhung der jüngeren Generation.

                • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 19:34

                  Mich stört die moralische Selbstüberhöhung der älteren Generation.

                  • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 19:47

                    Schriebst Du nicht gerade einen Artikel, wo junge Leute der Gesellschaft sagen, wie sie die Dinge (Rassismus und so) zu sehen haben und welche teils jahrhundertealten Denkmäler noch Bestand haben dürfen? Wo genau kommt da die Moral von Älteren vor?

                  • Erwin Gabriel 24. Juni 2020, 09:00

                    @ Stefan Sasse 17. Juni 2020, 19:34

                    [Was mich daran stört, ist die moralische Selbstüberhöhung der jüngeren Generation.]

                    Mich stört die moralische Selbstüberhöhung der älteren Generation.

                    Da machste Dir ’nen schlanken Fuß:
                    Du bist zu alt für „jung“, zu jung für „alt“, und damit dein raus 🙂

                    Ich finde beides nervig, sogar gelegentlich bei mir (da merke ich es halt nicht immer).

                    • Stefan Sasse 24. Juni 2020, 12:12

                      In meinem fraglos falschen Selbstbild bin ich noch „junge Generation“. Lass mir noch die Illusion bis meine Stirne nackend ohne Haare prangt und der 40. Geburtstag gefeiert ist. Ist nicht mehr lange hin 🙁

                    • Ariane 24. Juni 2020, 13:52

                      Bei Frauen noch schlimmer, erste Midlifekrise vor dem 30. Geburtstag.

                      Und die Krankenkasse arbeitet wohl wieder, vor paar Tagen „Geburtstagspost“ Herzlichen Glückwunsch, ab 35 Jahren haben sie Anspruch auf einen HPV-Abstrich alle 3 Jahre zur Vorsorge vor Gebärmutterhalskrebs.

                      Mit großer Broschüre, da ist man mindestens einen Tag deprimiert und fühlt sich uralt. Aber Ultraschall immer schön selber zahlen!

          • Ariane 17. Juni 2020, 21:40

            Das wird überhaupt nicht „natürlich“ kommen. Die Logik des Kapitalismus verlangt auch nicht, „natürlich“ die abhängig Beschäftigten in Armut zu stürzen.

            Jep. Ich finde das Argument total komisch, das ist ja schlimmer als in den Genderdebatten. Wie soll es denn sonst Veränderungen geben? Die passieren nie natürlich. Die passieren friedlich oder gewaltsam, andere Alternativen gibt es überhaupt nicht. Und auch kein göttliches Wesen, das eine Änderung bewirkt.

      • Marc 17. Juni 2020, 12:38

        Wir verbrennen nichts, wir zerstören nichts.
        Kennen sie Schumpeter? Er beschreibt mit dem Konzept der schöpferischen Zerstörung, dass kapitalistische Prozesse sehr wohl zerstören. Altes muss weichen, damit besseres entstehen kann. Eine Grunddynamik des Kapitalismus. Neben dem Geldsystem scheinen sie auch den Kapitalismus an sich nicht zu verstehen.
        Wir bewahren.
        Liberale bewahren nichts, denn es schränkt Freiheiten ein. Wenn man den Platz für ein Denkmal für etwas produktiveres als Gedenken nutzen könnte, wird ein echter Liberaler sofort das nutzlose Gemäuer entfernen.

        Ihr Weltbild ist euphemistisch ausgedrückt etwas merkwürdig.

        • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 13:14

          Es ist eine post-factum Rechtfertigung. Denn wie du zurecht sagst verbrennen und zerstören wir permanent. Davon abgesehen ist das Bewahren konservativ, nicht liberal.

        • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 16:26

          Das ist das, was ich an Euch Linken so liebe. Nehme die Position / Aussage eines Menschen, setze es in einen völlig anderen Kontext und ihr meint, immer Recht zu haben, selbst mit den Worten eurer größten Gegner. So hat es die Linkspartei mit Ludwig Erhard exerziert, so machen Sie das. Dass Sie damit am geistigen Vermächtnis einer herausragenden Person der Zeitgeschichte versündigen, Ihnen doch egal. Respekt ist doch was für Rückwärtsgewandte.

          Die meisten wissen, dass ich Schumpeter des Öfteren anführe. Nur hat er sein Konstrukt der „schöpferischen Zerstörung“ allein auf den Markt, Unternehmen und Produkte bezogen. Niemals hat er es allgemein gemeint oder gar auf die Kultur bezogen. Da kann ich gleich mit Darwin hantieren, nur würde Ihnen das noch weniger gefallen. Und am besten auf alles anwenden.

          • Marc 17. Juni 2020, 16:31

            Kulturgüter sind in einer kapitalistischen Gesellschaft ebenfalls der Verwertungslogik unterworfen.

            • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 16:31

              Wer sagt das? (Außer Ihnen?)

              • Marc 17. Juni 2020, 16:58

                Die Realität. Der Kulturbereich wird staatlich unterstützt, aber ansonsten gelten die gleichen Marktgesetze. Wir leben schließlich nicht im Sozialismus, oder sagt da ihr Aluhut etwas anderes?

          • CitizenK 17. Juni 2020, 18:07

            Darf man Ludwig Erhard nicht beim Wort nehmen?

            Wenn es stimmt, was er sagt, bleibt es auch richtig aus dem Mund von Sarah Wagenknecht.

            • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 18:11

              Vielleicht sollten wir einfach mal mit dem Erhard-Kult aufhören. Heute beim Spiegel war eine Kolumne über Altmaier als „Anti-Erhard“….

              • CitizenK 17. Juni 2020, 18:26

                Gibt es eigentlich Erhard-Statuen oder -Denkmäler?

              • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 19:03

                Ja, Altmaiers Interpretation des Amtes ist originell. Diejenigen, für die sich ein Wirtschaftsminister übrigens verwenden sollte – Unternehmensgründer, Mittelständer, Selbständige, alle mit wirtschaftlicher Verantwortung – haben dagegen für den Mann nur ein Wort: Katastrophe. Eine Fehlbesetzung par excellence.

                • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 19:33

                  Und hier dachte ich, der Wirtschaftsminister trage Verantwortung für die gesamte Wirtschaft. Sachen gibt’s.

                  • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 19:43

                    Du wusstest nicht, dass „Wirtschaftsminister“ eine Besonderheit der deutschen Kabinettsriege ist?

                    Und man muss schon lange suchen, um Fürsprecher von Altmaier in der Wirtschaft zu finden. Vielleicht bei ein paar Unternehmen, die Subventionen kassiert haben und an denen sich der Staat aktuell beteiligt.

                    • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 19:48

                      Mir ist nicht bekannt, dass Wirtschaftsminister sich ausschließlich als Interessenvertretung für rund viereinhalb Millionen Wirtschaftsteilnehmer versteht.

                    • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 19:54

                      Es gibt halt einiges auf dieser Welt, was Du mit Deinen jungen Jahren noch nicht gelernt hast. Das ist dann nicht zwangsläufig das Versagen Deines Gegenübers.

                    • Ariane 17. Juni 2020, 21:45

                      Es gibt halt einiges auf dieser Welt, was Du mit Deinen jungen Jahren noch nicht gelernt hast.

                      Achte bitte darauf, keine allgemeingültigen Aussagen für deine rein persönliche Meinung zu tätigen. Sonst erwarte ich demnächst wieder eine Klage.

            • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 19:06

              Doch. Das wäre schön. Wenn man es denn würde und nicht die Intensionen eines ehrenwerten Mannes ins Gegenteil verfälschen würde.

              Wie gesagt: Andenken in Ehren zu halten gehört nicht zu den Charaktereigenschaften von Linken.

              • CitizenK 17. Juni 2020, 19:19

                Wagenknecht hat zitiert und Fragen gestellt, nichts „ins Gegenteil verkehrt“.

                Dinge unvoreingenommen zu sehen, gehört nicht zu den Charaktereigenschaften von Rechten.

                • Stefan Pietsch 17. Juni 2020, 19:27

                  Ludwig Erhard war ein Apologet freien Unternehmertums und Risikos. Wagenknecht steht so sehr für das Gegenteil wie nur wenige in Deutschland. Es wäre, als würde ich Marx für meine wirtschaftspolitischen Ansichten als Leumund nehmen.

                  Für mich sind solche Zweckentfremdungen eine charakterliche Schande.

              • Stefan Sasse 17. Juni 2020, 19:33

                Boah halt einfach den Rand manchmal.

    • Stefan Sasse 16. Juni 2020, 17:54

      Ich bin auch super pissed. Es ist gerade echt zum Kotzen.

  • Ariane 17. Juni 2020, 22:17

    Vielen Dank für den Artikel und den historischen Überblick. Symbolik ist ja eins meiner Steckenpferde, aber die Zeit, die Zeit (Alice im Wunderland wäre auch ein gutes Beispiel für Kontroversen).

    Das krasseste Beispiel ist meiner Meinung nach übrigens die Osterinsel. Und gruseligste vermutlich, weil alle Menschen weg waren und nur die umgestürzten zerhauenen, merkwürdigen Statuen noch Zeugnis einer Besiedelung ablegten. Und die waren ja nicht da und dann weg.
    Es war ein Wettkampf, als alles gut lief und die Könige oder Herrscherkaste und Stämme reich und mächtig waren, bauten sie die größte und schönste Statue und der andere König wollte das toppen usw.

    Und als alles den Bach runterging, war es symbolisch sehr wichtig, die Machtsymbole der anderen Reiche zu stürzen. Weil Symbole wahnsinnig wichtig sind. Oft wichtiger als das Ereignis an sich oder konkrete Politik, weil es gesamtgesellschaftlich wirkt.

    Ich sehe es übrigens wie Stefan, ein Denkmal ist nicht nur ein Denkmal, es ist eine Idee, es ist nicht nur im Jetzt, sondern ein Monument für die Zukunft, weil sie im Kern ewig gedacht sind. Genau deswegen ist ein Bildersturm so wirkmächtig. Es passiert auch immer. Hier wurde ständig Luther bzw der Protestantismus erwähnt. Das erste, was sie gemacht haben, war den ganzen Tand und Statuen und Heiligenbilder zu entfernen.

    Das hat sich bis heute gehalten, gerade hier im lutherischen, seit Jahrhunderten protestantischen Norden. Es gibt einen Altar, eine Kanzel und ein Kreuz. Mehr nicht in den meisten Kirchen, selbst den echt alten.

    Und es ist übrigens genauso revolutionär, über das Ziel hinauszuschießen. Bei der Bücherverbrennung der Nazis gab es zb Konfusion, weil die Leute den Nazis die Bibel als jüdisches Buch übergeben wollten. In der französischen Revolution (die sich gegen Adel und Kirche wandte) war noch vor den Schreckenstagen so eine antiklerikale Stimmung, die haben sogar die Monate umbenannt. War aber nur eine kurze Periode.

    Also ja, es ist wichtig, es kann gar nicht wichtig genug sein. Und es geht nicht um den historischen Kontext meiner Meinung nach. Sondern um die Frage „Welche Gesellschaft wollen wir sein und was wollen wir mit einem Denkmal verewigen?“
    Deswegen finde ich auch, dass Kant und Voltaire und Luther stehen bleiben können, auch gerne mit entsprechendem Kontext per Plakette oder so. Obwohl ich den Statuen-Stil oft einfach nicht gut finde, aber die Idee der Aufklärung, des Protestantismus ist ja durchaus ehrenswert und es waren bedeutende Persönlichkeiten dafür.
    Ok finde ich auch, wenn die Statuen zb in Schlossgärten stehenbleiben, das sind ja Museen quasi, da passt es dann.

    Zwei weitere Wünsche von mir:

    1. Ich bin für eine allgemeine Überprüfung alle 30 Jahre auf „Zeitgemäßheit“ für Statuen, Straßennamen etc. Es ist nämlich Quatsch und übersieht zuvieles, wenn um jede Statue und jeden Straßennamen einzeln gekämpft werden muss. Und wir sollten genau JETZT mal groß reine machen. Es ist dringend an der Zeit.

    2. Als weitere Variante möchte ich „Ersetzen“ ins Spiel bringen und verweise auf dieses Beispiel von Bismarck:
    https://www.schlei-ostsee-urlaub.de/data/schlei-ostsee-urlaub_1025.html

    Es ist eine schöne Gegend und ich hab übrigens zig Bilder in den Alben mit Familienmitgliedern und dieser Statue. Die Geschichte dieser Statue sagt schon alles, allein dass sie 1930 wieder aus einer Scheune geholt und aufgestellt wurde. Und sie steht da einfach weiter rum, weil die Briten sich nicht um alles kümmern konnten.

    Und es ist die höchste Erhebung da in der Gegend (ja, lacht nur) und natürlich ist das pure Symbolik. Bismarck als Krieger als Siegfried blickt über sein erobertes Land.

    Und das soll erhaltenswert sein? Echt jetzt? Warum? Es ist völlig absurd. Die Völker sind längst versöhnt, selbst der Begriff „dänische Minderheit“ passt nicht mehr, weil da im Grenzgebiet mittlerweile jeder dänische Vorfahren hat. Und die Geschichte fing ja nicht 1945 oder 1848 an, der halbe Norden war zeitweise dänisch.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Schleswig-Holstein-Sonderburg-Gl%C3%BCcksburg

    Also ja, ich finde dieses Monument des Sieges über die Dänen als hochgradig peinlich und absolut unpassend. Gerade in der heutigen Zeit, wo Völkerversöhnung unter linksgrünversifftem Gutmenschenverdacht steht. Und ich persönlich würde es gerne ersetzen durch ein Denkmal, das die deutsch-dänische Versöhnung und Verständigung feiert. Ein Denkmal, das nicht beschämt, sondern auf dass man stolz sein kann, weil es harte und jahrhundertelange Arbeit war, dahin zu kommen. Und weil Aufbauen viel härter ist als Zerstören. Und ich hab überhaupt kein Interesse daran, wieder das Kaiserreich nachzuspielen und ich finde, es gibt etliche Anzeichen dafür und wir wissen, wohin das führte.
    Übrigens steht in Eckernförde mitten im Kurpark Kriegszeug herum, Kanonen und Kriegsbeute aus den zwei versenkten Schiffen, finde ich auch nicht bewahrenswert – zumindest die Kanonen nicht. Die Torpedoversuchsanstalt wirkt viel abschreckender 😉

    Übrigens bin ich ein großer Fan der Stolpersteine und ähnlicher Plaketten, kleinen Gedenksteinen. Die hier in der Gegend kenne ich glaub ich alle. Und ich finde es ist viel beeindruckender als ein einzelnes Denkmal, weil es zeigt, dass es überall passiert ist, wegen nichts. Wo sonst nichts darauf hinweist. Davon darf es gerne mehr geben. Gerade wenn wir heutzutage lieber mehr an die unnötigen Opfer denken wollen denn an einzelne Menschen (die natürlich auch ein Denkmal bekommen sollen, wie Anne Frank, Sophie Scholl, Rosa Parks, etc.)

    Aber eine veränderte Zeit braucht auch einen anderen Stil.

    • Ariane 17. Juni 2020, 22:18

      @sassestefan

      Kannst du nochmal deine Serie über die englisch/irische Geschichte verlinken? Musste ich häufiger dran denken jetzt, weil es gut gezeigt hat, dass man schon im Frieden war und dann oft durch unnötige Härte erst recht wieder alles eskalierte.

    • Dennis 17. Juni 2020, 23:39

      Zitat Ariane:
      „Aber eine veränderte Zeit braucht auch einen anderen Stil.“

      Ja klar, da fällt mir übrigens Peter Lenk ein, der die Ortschaft Bodman-Ludwigshafen am Bodensee (knapp 5000 Einwohner, kohlrabenschwarz-katholisch, CDU-dominiert) vor Jahren mit einem Relief bereichert hat, auf dem u.a. eher unkonventionell Merkel, Schröder, Stoiber, Eichel und Westerwelle verewigt wurden, als „Global Players“, also beim spielen.

      Mal hier gucken, wer schon 18 ist:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Lenk_Ludwigs_Erbe_detail_07.jpg

      Ist mittlerweile eine Touristenattraktion…..

      https://www.bodenseepur.de/lenk-tryptichon/

      …….wie die Lenk-Sachen in der Bodenseegegend überhaupt. Jedes Kaff da will was vom Lenk haben, möglichst irgendwas mit „umstritten“.

      • Ariane 18. Juni 2020, 11:01

        Ach herrjemine! So völkerverbindend ist das hier aber wahrlich nicht, ich muss zugeben, gelegentlich werden sämtliche Vorurteile über das provinzielle katholische Süddeutschland einfach nur bestätigt. 🙂

        Ja ähm, das ist aber natürlich auch eine Spielart der Spiegelung, obwohl das nun so gar nicht mein Stil ist.

        Das erinnert mich jetzt irgendwie an Birgit Kelle (keine Ahnung, wo die herkommt), die die Sorge äußerte, dass morgen ein Mob Statuen von Jesus(!), Mutter Theresa (!) und *trommelwirbel* Bono! niederreißt.

        Die heilige Dreifaltigkeit der konservativen Parallel-FakeNews oder sowas. War natürlich eine schöne Comedy-Äußerung für Witze und „was macht eigentlich Bono, lange nichts gehört“

        Doch mal gegooglet: Freiburg. Natürlich. Vielleicht sollten wir doch mal über Seperatismus nachdenken.
        https://de.wikipedia.org/wiki/Birgit_Kelle

        Aber ernsthaft: da stehen mir die Haare zu Berge, das sind Journalisten/Publizisten/Medienleute. Was treiben die? Die sollten verdammt nochmal wissen, was diskutiert wird egal ob links oder rechts. Und wenn einem nur diese drei Leute einfallen, ist das ein wahnwitziges Armutszeugnis. Und genau deswegen haben wir eine Medienkrise und einen Gegensatz zwischen progressiv und normalitär. (und nein, das ist kein Generationenkonflikt, wie wir hier beweisen)

        Ich persönlich hege ja eh eine Vorliebe für britische Subkultur und ich bin ein riesiger Banksy-Fan zum Beispiel. Gut möglich, dass die ältere, wissenschaftliche Generation den gar nicht kennt oder entsetzt ist über so einen Kulturvandalismus.

        Das ist ja Spiegelung auf ganz hohem Niveau und ich finde auch nicht alles gelungen, aber es ist wahnsinnig erfolgreich. DER Graffitikünstler überhaupt, absolut hochpolitisch und diese Geheimniskrämerei, um sich dem kapitalistischen System im Kunstmarkt zu entziehen ist natürlich absolut großartig. Wahnsinnig modern auch, ein Troll wie er im Buche steht. <3

        • cimourdain 19. Juni 2020, 00:35

          Jesus, Mutter Teresa und Bono ist wirklich eine tolle Kombination und für Ikonoklasteneine echte Herausforderung:
          Bono ist einfach. Es gibt von ihm eine Statue in Palm Springs, die man relativ einfach stürzen könnte.
          Die heilige Teresa von Kalkutta (korrekter Heiligenname seit 2016) hat unter anderem folgendes ‚Monument‘: https://de.wikipedia.org/wiki/(4390)_Madreteresa . Viel Spass beim Zerstören.
          Und Jesus: Nicht nur gibt es unzählige , zum Teil sehr große Statuen, man müsste vor allem das whitewashed Schmachtlockenporträt aus den Köpfen der Leute kriegen.

          • Ariane 19. Juni 2020, 08:08

            Also die Statue von Bono kann gerne stehenbleiben! Mutter Theresa ist süß, die ist heutzutage eigentlich total diskreditiert.

            Indien oder Asien generell eh echt schlimm, da ist Femizid und Völkermord mal echt angebracht, ist deswegen auch eben nicht mein Steckenpferd, da ist der IS linksgrünversifft Gutmenschlich unterwegs eher noch.

            Ja, Whitewashing ist auch ein Riesenthema, die Statuensache ist ja nur ein Kriegsschauplatz. Meiner Meinung nach übrigens einer, der die Rechtsliberalkonservativen so aufwühlt, weil sie von den anderen Dingen auch einfach nichts mitbekommen. Wer nur die Welt liest, hat keine Ahnung von Debatten über Blackfacing, Whitewashing, Emanzipatorische Bürgerrechte generell. Da steht nur „jemand will Jesus verbieten! Skandal!“

            Glaub Niggemeier hatte mal einen Artikel in der faz, wo er schrieb, wir sind an der Schwelle von Toleranz (keiner will jemanden umbringen, ins Gefängnis werden) zu Akzeptanz (Gleichberechtigung, Sichtbarmachung).

            Funfact zu Whitewashing: Weiß gar nicht, ob das noch aktuell ist, aber Halle Berry soll wohl Arielle spielen und es gab einen Mega-Aufruhr, der in der Aussage gipfelte, dass doch jeder weiß, dass Meerjungfrauen weiß sind.

            Wisst ihr Bescheid! Und sie haben immer knallrote Haare! 🙂

            • Stefan Sasse 19. Juni 2020, 08:33
            • Glaukon 19. Juni 2020, 09:36

              Fast. Halle Bailey, nicht Halle Berry.

              Die Haut- und Haarfarbe der kleinen Meerjungfrau ist natürlich reichlich wurscht. Viel wichtiger wäre es, das Ende der Geschichte nicht wieder unnötig zu verhunzen, aber das ist immer noch Disney, also kann ich die Hoffnung auf Kinder, die traumatisiert aus dem Kino stolpern, wohl begraben.

              Merke: Bei Hans Christian Andersen hat alles immer in Tränen zu enden, und das ist ja auch realistisch so. Oder um Dante aus Clerks zu zitieren: „That’s what life is: A series of down endings.“

              Beim Thema Jesusdarstellungen fällt mir immer Der Gefallen, die Uhr und der sehr große Fisch ein. Famoser Film. Ich sollte den mal wieder gucken.

              • Ariane 19. Juni 2020, 10:20

                Ich mag Dissneyfilme, haben mich auch nicht traumatisiert. Sie sind halt ein Spiegel ihrer Zeit und Arielle und Pocahontas mochte ich beide, die Ursprungsgeschichten habe ich erst viel später erfahren.

                Und Frozen finde ich fantastisch. Richtig gutes Empowerment, nur ihre PR-Maschinerie müssen sie mal in den Griff bekommen. Gleiches Problem wie mit dem Superhelden-Hype.

                Und ja, bitte nicht näher ans Original rücken, ich bin Märchenexpertin und Hans Christian Andersen ist noch gruseliger als die Grimm-Märchen. Bin aber auch eh absolut kein Fan von Real-Verfilmungen.

                Das ist interessant, aber das ist nichts mehr für Kinder. Da geht es dann wieder um Verantwortung (und ich mit meiner Fantasie war ständig traumatisiert von Filmen und Geschichten), vermutlich bin ich deswegen so ein Nerd geworden.

                Finde auch Harry Potter als Filme viel zu düster. Würde ich 12jährige nicht alleine gucken lassen. Mal abgesehen davon, dass ich diesen Hype, alles in Düsternis zu ertränken eh bedenklich finde. Hunger Games finde ich da besser, das ist auch ernst, aber nicht zwingend deprimierend. Kein Wunder, dass Crashpropheten so einen Zulauf haben.
                Danke für den Filmtipp, kenne ich nicht 🙂

          • Stefan Sasse 19. Juni 2020, 08:33
            • Ariane 19. Juni 2020, 10:11

              Jep danke. Für Indien schon eigentlich harmlos. Aber die katholische Kirchengeschichte ist da immer hochinteressant, weil sie so eine lange gutdokumentierte Geschichte hat. Und die Abschaffung von Heiligen war der Bildersturm des Protestantismus.

              Ich mag auch die Anekdoten um Papst Franziskus, der die mächtigen Kardinäle immer trollt, weil er etliches von dem ernst nimmt, was er sagt. Er ist ein Obama-Typ 😉

              Und zeigt auch, wie wirkmächtig Bilder sind, seine Predigt auf dem leeren Petersplatz im Regen war vom Symbolgehalt dystopisch. Aber glücklicherweise hatte der Vatikan noch ein Heiligenbildchen aus Pestzeiten im Keller herumliegen.

              Kennt sich keiner besser mit Symbolik aus als die katholische Kirche. Dagegen war Trumps Fotoshooting ja amateurhaft.

  • Stefan Sasse 18. Juni 2020, 16:13

    Ich lasse euch allen mal diesen Artikel zu Statuenstürzen aus dem American Conservative (!) da:
    https://www.theamericanconservative.com/articles/why-some-statues-in-europe-should-be-torn-down-and-some-shouldnt/

  • derwaechter 18. Juni 2020, 23:20

    Hatte erst heute Gelegenheit den Economist durchzublättern.
    Die haben es, wie so oft, gut formuliert:“As a rule, someone whose failings were subordinate to their claim to greatness should stay, whereas someone whose main contribution to history was baleful should go.“

  • Rath 22. Juli 2020, 20:12

    „Dabei könnte man problemlos auch hier argumentieren, dass dies ‚die Geschichte auslöscht‘, dass man durch das Hinzufügen solcher Plaketten den Leuten, die daran vorbeigehen oder in den Gebäuden arbeiten, die Gelegenheit geben würde, mehr über diese Personen zu lernen. Wäre das nicht viel besser als die Bilderstürmerei?
    Das Argument ist natürlich Unsinn.“

    Na, na, na. Mal nicht ganz so schnell mit den jungen Füllen. Überlegungen apodiktisch zu beenden, bevor sie überhaupt angestellt wurden („natürlich Unsinn“) finde ich ein wenig ungünstig. Zunächst einmal: Dass unmittelbar nach der Befreiung/Besetzung Deutschlands die Ehrungen von NS-Politikern aus dem öffentlichen Raum entfernt wurden, versteht sich wohl tatsächlich noch von selbst. Diese Ehrungen waren Teil der NS-Staatspraxis. Sie nicht fortsetzen zu wollen, ist durch den rechtlichen und moralischen Bruch, der mit der Befreiung und dem Neuaufbau eines freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Staatswesens einherging, begründet (von einer Stunde Null würde ich nicht sprechen; nebenbei: dass „Besetzung“ ehrlicher und „Befreiung“ unehrlich sein kann, ließe sich beim Willen zum Differenzieren, bereits diskutieren).
    Mit der Beseitigung von NS-Symbolen aus dem öffentlichen Raum hat es damit etwa die gleiche Bewandtnis wie mit anderen Staatssymbolen, der Flagge beispielsweise.

    Aber war das ein „Akt der Reinigung“, wie Sie schreiben? Schattierungen waren doch, was Ehrungen aus der NS-Zeit betrifft, möglich, ein Blick ins Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen von 1957 genügt. Das Mutterkreuz wurde verboten. Ans Eiserne Kreuz von Helmut Schmidt zum Beispiel möchte aber niemand einen erklärenden QR-Code kleben (was mir angesichts des Menschheitsverbrechens, bei dem es erdient wurde, fast noch eigenartiger erscheint, als die Auseinandersetzung um Bismarcktürme durch Leute, die von den wirklich hässlichen Seiten Bismarcks gar nichts wissen). Will nur sagen: Es heißt doch etwas vorsichtig sein in der Interpretation, mit welcher Intention ein Akt symbolischen Staatshandelns – z.B. Hitlerstraßen umzubenennen – vorgenommen wurde. Neben der Idee der Reinigung kämen hier z.B. die regional 20 bis 60 Prozent der Dorfbürger in Betracht, die den H. schon vor 1945 verabscheuten und ihre Hauptstraße wiederhaben wollten oder sich nach 1945 schlicht opportunistisch mit Blick auf das verhielten, von dem sie glaubten, dass es die Besatzungsmächte jetzt von ihnen erwarteten etc. – wird hier schon schwierig, nicht wahr? „Akt der Reinigung“, dafür muss man nachträglich schon viel Glaubenskraft aufbringen.

    Nun ist Ihr Beispiel zu den Adolf-Hitler-Straßen mit der absurden Idee, sie hätten 1945 durch Hinweistäfelchen ’neutralisiert‘ werden können, ja eine Übung aus der Alternate History, muss sich also gefallen lassen, innerhalb eines alternativ-historischen Gedankenspiels ernst genommen zu werden. Die interessante Frage wäre es dann: Gesetzt den Fall, es würde im Jahr 2020 noch Straßen und Plätze oder andere ehrende Artefakte geben, die an Mitglieder der ersten oder zweiten Führungsebene des NS-Staats erinnern, was wäre dann heute, 75 Jahre danach, die bessere Reaktion: Sie zu beseitigen (bzw. so zu überdecken, dass sie unsichtbar werden, nicht mehr anstößig sind)? Oder sie zu erhalten, zu kontexutalisieren und damit auch die Frage offen zu halten, wie es sein konnte, dass sie 75 Jahre lang unverändert geblieben waren? – Meines Erachtens gilt es hier auch die von Ralph Giordano aufgeworfene Frage nach der „zweiten Schuld“ aufzuwerfen und sie als Provokation sichtbar zu lassen!

    Im Fall des BGB-Kommentars aus dem Verlag C.H. Beck, benannt nach dem NS-Justizfunktionär Otto Palandt, fordern beispielsweise heute recht viele engagierte Juristinnen und Juristen und Juristen, er möge umbenannt werden, am besten nach dem jüdischen Verleger, der diese Sorte Kurzkommentar erfunden hatte. Mir erscheint es interessanter zu fragen, wie es sein konnte, dass das Werk 37 Jahre lang weitgehend unkritisiert (erste fundierte Kritik: 1982), dann 33 Jahre hinterfragt so heißen konnte, bis jetzt seit einigen wenigen Jahren die Umbenennung von einigen AkteurInnen als zwingend überfällige Leistung propagiert wird – dass es danach heißen könnte: Aus den Augen, aus dem Sinn, scheint in allen Bereinigungs- oder Änderungsforderungen keine Rolle zu spielen.

    Was würden Alexander und Margarethe Mitscherlich wohl dazu sagen? Was wiegt höher: Sich die Provokation zu erhalten, dass diese Gesellschaft sich 75 Jahre moralisch zweifelhafte Kompromisse und Beschönigungsleistungen geleistet hat oder das provokante Gedenkartefakt zu beseitigen, weil man das schon längst einmal hätte tun sollen?
    Was ist ehrlicher, nunmehr umstrittene Namen im öffentlichen Raum zu erhalten oder sie durch Namen von Menschen zu ersetzen, für die zu Lebzeiten die Mehrheit des deutschen Volkes keinen kleinen Finger zu ihrer Rettung unternommen hätte?

    Mir scheint, die moralischen Kalküle, die hier durchdekliniert werden sollten, sind vielleicht doch etwas komplizierter. Ich würde die Qualität jeder Auseinandersetzung mit erinnerungspolitischen Angelegenheiten daran messen wollen, ob sie eine Auseinandersetzung mit der „Unfähigkeit zu trauern“ der Mitscherlichs und mit Ralph Giordanos „Zweiter Schuld“ erkennen lassen.

  • therealneuerurs 25. August 2020, 15:22

    Ein sehr lesenswerter Artikel, aber der Sklavenhändler aus Bristol war Edward Colston, nicht Compton, der war Maler. Am Anfang steht es richtig, aber später scheinst du dann mit den Namen durcheinander gekommen sein.

  • Sebastian 4. September 2020, 13:51

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