Dieser Text war das Ergebnis von Diskussionen auf verschiedenen Plattformen im Jahr 2011, in denen immer wieder die Hehauptung aufkam, es hätte (spätestens) bei der Wiedervereinigung eine neue Verfassung geschrieben und dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden müssen. Das Grundgesetz sei mithin gar keine „echte“ Verfassung.
Ich stelle diesen Text als Ergänzung zu Stefan Sasses Reihe hier ein und nehme ihm damit hoffentlich keine Inhalte weg:
Immer wieder, wenn man mit Menschen diskutiert, die politisch weit rechts oder auch weit links der Mitte stehen, stößt man auf die Forderung nach einer neuen Verfassung für Deutschland. Mehr noch, im Brustton der Überzeugung wird behauptet, laut Artikel 146 hätte nach Abschluss der deutschen Wiedervereinigung ein Verfassungskonvent zusammentreten und ein neuer Verfassungsentwurf erarbeitet und der deutschen Bevölkerung zur Zustimmung unterbreitet werden müssen. Von Hochverrat und Verfassungsbruch ist die Rede, von Politikern, die ihre Pfründe nicht zur Diskussion stellen wollen. Doch ist das wirklich so? Und wäre eine neue Verfassung überhaupt wünschenswert?
Sehen wir uns erstmal den Gesetzestext an.
Der Artikel 146 des Grundgesetzes lautet:
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Die ursprüngliche Fassung des Artikels von 1949 war noch etwas kürzer und gerade der Zusatz spornt die Verschwörungstheoretiker zu immer neuen Stilblüten an.
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Unabhängig davon, ob wir die aktuelle, seit 2004 gültige Fassung, oder die ursprüngliche Formulierung zugrunde legen: Der Artikel 146 des Grundgesetzes sagt aus, in welchem Fall das Grundgesetz außer Kraft tritt, nämlich in dem Fall, dass das deutsche Volk eine neue Verfassung beschlossen hat. In diesem Artikel steht mit keinem Wort WANN eine neue Verfassung ausgearbeitet werden kann oder soll, es steht nicht einmal darin, DASS eine neue Verfassung ausgearbeitet werden muss.
Von einem klaren Auftrag, etwa nach Vollendung der Wiedervereinigung einen neuen Verfassungstext zu erarbeiten, kann also keine Rede sein. Das Grundgesetz erhebt einzig keinen Anspruch auf ewige Gültigkeit, sondern lässt den Raum für eine neue Verfassung und stellt die Bedingungen dafür, nämlich, dass sie von der Bevölkerung in freier Wahl bestätigt wird.
Was könnten wir von einer neuen Verfassung erwarten?
Gefordert wird die neue Verfassung in der Regel von politischen Kräften, die mit dem aktuellen politischen gelinde gesagt unzufrieden sind und sich (und ihre Partei bzw. politische Ausrichtung) im parlamentarischen Betrieb nicht ausreichend vertreten sehen.
Wie diese Menschen gleichzeitig auf die Idee kommen, dass eine Mehrheit des Wahlberechtigten einem Verfassungsentwurf zustimmen würde, der die Positionen der Kritiker teilt, während ihre Parteien bei Wahlen aktuell kaum oder gar nicht über die 5%-Hürde springen, wäre eine interessante Frage.
Aber was wäre aktuell von einem neuen Verfassungsentwurf zu erwarten? Wahrscheinlich ist, dass ein Verfassungskonvent in erster Linie von den im Bundestag und den Landtagen vertretenen Parteien bestückt würde, eventuell ergänzt durch einige zusätzliche Interessengruppen und Religionsgemeinschaften.
Sicher kann man dabei wohl annehmen, dass die Parteien, die im Moment im parlamentarischen Betrieb am Rand stehen oder von den anderen Parteien an den Rand gedrängt werden auch in diesem Konvent nicht eingebunden würden und Meinungen und Inhalte abseits des politischen Mainstreams kaum ihren Weg in den Entwurf finden würden.
Nun waren diese etablierten Parteien alle in den letzten zehn Jahren im Bund in der Regierungsverantwortung. In dieser Zeit musste das Bundesverfassungsgericht Dutzende von Angriffen auf die Freiheits- und Bürgerrechte der Bundesbürger abwehren. Die großen Parteien haben in unterschiedlicher Form, einige als Scharfmacher, andere als Abschwächer, an dieser Politik ihren Anteil. Verhindert hat es Keine von ihnen und nicht nur verschiedene Zitate von Ministern lassen nicht vermuten, dass sich zukünftig daran etwas ändern wird.
Wie wahrscheinlich wäre es dann also, dass die Grundrechte in einer möglichen neuen Verfassung ähnlich bedingungslos festgeschrieben würden, wie im Grundgesetz? Darf man damit rechnen, dass ein ähnliches Korrektiv wie das Bundesverfassungsgericht erneut mit so weitreichenden Kompetenzen ausgestattet würde, oder sollte man fürchten, dass man sich den nervtötenden und hinderlichen Gegenspieler eher vom Hals schafft?
Darf man berechtigterweise nach 30 Jahren neoliberalen Dauerbombardements darauf hoffen, dass auch ein neuer Entwurf auch einen Passus enthalten würde der besagt, dass Eigentum dem Gemeinwohl verpflichtet und, wenigstens in der Theorie, Möglichkeiten bietet, diese Verpflichtung auch mit Zwang durchzusetzen?
Und ist es wirklich wünschenswert, wenn das „gesunde Volksempfinden“ mehr Einfluss auf die Verfassung nähme? Wie wäre es um den Schutz von Minderheiten bestellt? Würde die Religionsfreiheit für Muslime eingeschränkt, wie es laut Umfragen 30% der Bevölkerung befürworten würden? Würden wir vielleicht eine Rückkehr der Todesstrafe für Kapitalverbrechen erleben?
Das Grundgesetz ist nicht perfekt. Es hat Fehler und Lücken, aber es ist unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs und der Verbrechen des 3. Reiches mit großer Umsicht und der Absicht verfasst worden, Deutschland nie wieder so abgleiten zu lassen.
Es ist unwahrscheinlich, dass die heutige Politikergeneration es besser machen würde und es ist nicht zu erwarten, dass die Bevölkerung ein Korrektiv darzustellen vermag. Die einen sind zu sehr von Interessengruppe, Klientel und nicht zuletzt dem Wunsch, die eigene Position zu halten und auszubauen eingenommen, die anderen in weiten Teilen nicht umfassend informiert und anfällig für Kampagnen aller Art.
Das Grundgesetz enthält alle nötigen Werkzeuge für Veränderungen, die nur genutzt werden möchten. Statt also überflüssiger Diskussionen und Polemik über eine neue Verfassung, sollte man sich doch daran machen, innerhalb der vernünftig gesetzten Grenzen an der Gesellschaft und ihrem politischen System zu arbeiten. So ist es wohl die beste Verfassung, die wir im Moment bekommen können.
Ich würde auch nicht daran rühren wollen.
Nach meiner Wahrnehmung kommt die Kritik am „Anschluss“ hauptsächlich von den Bürgerrechtlern der DDR. Die hatten auf eine Art Kompromiss zwischen den System gehofft, um „Errungenschaften“ der DDR zu erhalten und haben das Gefühl, ihnen sei das Verfassungssystem Westdeutschlands übergestülpt worden und erleben das als Kränkung. Mindestens zum Teil ist dies eine Ursache des Sonderwegs in den neuen Bundesländern. Nochmal verstärkt durch die Treuhand.
Ob es helfen würde, ihnen die Probleme bei der Anwendung von Art. 146 zu erklären?
Sicherlich nicht. Bin ansonsten völlig bei dir.
Wobei die Kritik am Anschluss der DDR meiner Erfahrung nach eher nicht mit der Forderung nach einer anderen Verfassung verknüpft ist.
Dass viele der Bürgerrechtler (vor allem derjenigen, die wirklich lange in der Szene aktiv waren und sich nicht nur im Nachhinein das Mäntelchen umgehängt haben) sich erhofft hatten, dass die DDR einen dritten Weg finden könnte und die Wiedervereinigung eher als eine Art feindliche Übernahme empfunden haben, ist aber sicher richtig. (In meinen Augen nicht ganz zu Unrecht, ebenso wie man die Errungenschaften nicht unbedingt in Anführungszeichen setzen muss.)
Ich denke an diesem Bedürfnis der Bürgerrechtler kann genausowenig Zweifel bestehen wie daran, dass eine überwältigende Mehrheit der DDR-Bürger für dieses Experiment nicht zu haben war.
1. August 1990, CDU, Liberale & Sozialdemokraten aus Ost & West verbünden sich, um dem deutschen Einigungsprozess die Basisdemokratie auszutreiben, die ihn hervorgebracht hat. Darum geht es. Im übrigen blieb für die Bürgerrechtsbewegungen der DDR gar keine Zeit sich auf Wahlen vorzubereiten. Schon im Januar 1990 war der „Umbruch“ gekapert. Die Volkskammerwahl am 18. März 1990 gewann die Allianz für Deutschland, ein Wahlbündnis aus CDU, DSU, DA, deren Gründung durch Bonn initiiert wurde. Das Wahlergebnis erzielte nicht unbedingt das was sich als mehrheitlicher Wille der DDR-Bevölkerung bezeichnen läßt.
Tja, that’s how democracy works. Wenn deine Bewegung zu zersplittert und inkompetent ist, einen Wahlkampf auf die Beine zu stellen, hat sie ein Problem. Das delegitimiert das Ergebnis nicht. Und es gab eine breite Mehrheit für die westlichen Parteien und gegen die Bürgerrechtsbewegung, ein paar Prozent hin oder her. Der buyer’s remorse später steht dem ja nicht im Wege.
Und ist es wirklich wünschenswert, wenn das „gesunde Volksempfinden“ mehr Einfluss auf die Verfassung nähme? Wie wäre es um den Schutz von Minderheiten bestellt? Würde die Religionsfreiheit für Muslime eingeschränkt, wie es laut Umfragen 30% der Bevölkerung befürworten würden? Würden wir vielleicht eine Rückkehr der Todesstrafe für Kapitalverbrechen erleben?
*Ironie an*
Nein, die Bürger sollte man in keinem Fall fragen, am besten auch nicht bei Wahlen. Denn es gibt ja offensichtlich bessere Entscheider, die das übernehmen sollten.
*Ironie aus*
Wieso gehen SIe davon aus, das sich alles verändern würde, wenn der Bürger entscheiden könnte? Zuerst hätte ich ale cleverer Politiker ja die Frage gestellt, ob das Volk überhaupt etwas ändern möchte. Ich bin mir total sicher, das eine Mehrheit dagegen gewesen wäre.
Aber man hätte gefragt und damit die Zustimmung zum GG massiv erhöht.
Aber das senke wohl nur ich, die meisten hier trauen dem Volk nicht über den Weg und lehnen deswegen dessen Beteiligung ab.
Kann man ja vertreten, nur kann man dann nicht gleichzeitig meinen, man wäre ein echter Demokratie Fan, sorry.
Never change a running system!
Than don´t call it democracy!
Ich fände es übrigens ganz nett, wenn du Leuten mit anderer Meinung nicht immer die demokratische Gesinnung absprechen würdest. Tue ich bei dir ja auch nicht.
Habe ich das?
Stelle ich etwa etwas falsches fest, wenn ich schreibe, das Ihr total skeptisch wegnen einer Bürgerbeteiligung seit?
Das diese Haltung nicht zur Demokratie passt, ist doch keine abwegige Feststellung.
Wenn sich am System nicht ändernn soll, was die Ausage von
[Never change a running system!]
nunmal ist, dann ist es keine Demokratie, die ja immer die Versprechung beinhaltet, das sich etwas ändern kann. Was denn sonst, wofür sonst Wahlen?
Nein tut mir leid. Aber Skepsis gegenüber Bürgerbeteiligungen macht mich nun wirklich nicht zur Antidemokratin! Allein diese Andeutung macht mich stinkwütend, vor allem wenn du mich nebenbei anblaffst, ich solle mehr Verständnis für AfD/NPD-Wähler aufbringen. Und dann setzt du dich hin und nennst mich Antidemokratin? Ich glaub, es hackt!
Überleg doch bitte mal, was du da schreibst.
Das stört mich auch so. Ständiges Gebläffe, super aggressiv. Da hab ich überhaupt keine Lust zu antworten.
Allein diese Andeutung macht mich stinkwütend, vor allem wenn du mich nebenbei anblaffst, ich solle mehr Verständnis für AfD/NPD-Wähler aufbringen.
Dann erklär doch bitte mal, was an meiner Ausführung falsch ist und wo da Aggressoin enthalten ist.
Nein, ich habe explizit nicht gefordert, Du sollst irgendwem zuhören. Du darfst das gern lassen, habe ich auch geschrieben.
Nur ergibt dann die Beschwerde über den Rechtruck keine Sinn mehr.
Wer nicht verstehen will, will nichts ändern, oder ist das jetzt auch wieder zu aggressiv und/oder falsch?
Ich stelle Fakten fest.
Aber Skepsis gegenüber Bürgerbeteiligungen macht mich nun wirklich nicht zur Antidemokratin!
Sind Wahlen keine Bürgerbeteiligung mehr? Ist dann die Schlussfolgerung, das Du auch Wahlen gegenüber skeptisch ist, falsch? Macht Dich jetzt nicht zum Demokratiefan Nummer 1 oder nicht?
Ja, die Schlussfolgerung ist sogar völlig falsch. Nur weil ich Volksabstimmungen oder Bürgerinitiativen skeptisch sehe, möchte ich nicht gleich das ganze Wahlrecht abschaffen und in Deutschland die Diktatur einführen mit Redeverbot für alle Bürger.
Und ich empfinde Antidemokratin wirklich als Beleidigung, das macht mich wütender als wenn du mich dumme Schlampe oder so nennen würdest. Deswegen wäre ich dir sehr verbunden, wenn du künftig nicht bei jeder zweiten Antwort in die Nähe solcher Beleidigungen rückst.
Wie dir vielleich aufgefallen ist, singe ich hier seit ner Woche eh Loblieder auf die (deutsche) Demokratie und ich mache dich übrigens auch nicht zur Antidemokratin, wenn du meinen Enthusiasmus nicht teilst.
Ja, die Schlussfolgerung ist sogar völlig falsch.
Warum, weil das von mir kommt?
Und ich empfinde Antidemokratin wirklich als Beleidigung, das macht mich wütender als wenn du mich dumme Schlampe oder so nennen würdest.
Vielleicht fährst Du auch mal runter und wirfst mir nicht dauernd Sachen vor, die ich nicht gemacht habe. Also ZITAT:
[Macht Dich jetzt nicht zum Demokratiefan Nummer 1 oder nicht?]
Auch sonst habe ich das nirgendwo geschrieben, nicht mal ansatzweise.
Nur weil ich Volksabstimmungen oder Bürgerinitiativen skeptisch sehe, möchte ich nicht gleich das ganze Wahlrecht abschaffen und in Deutschland die Diktatur einführen mit Redeverbot für alle Bürger.
Nochmal, auch das habe ich Dir NICHT vorgeworfen!
Wenn Du nicht Bürgerbeteiligung meinst, dann schreib das doch einfach nicht, sondern, was Du wirklich meinst.
Wie dir vielleicht aufgefallen ist, singe ich hier seit ner Woche eh Loblieder auf die (deutsche) Demokratie und ich mache dich übrigens auch nicht zur Antidemokratin, wenn du meinen Enthusiasmus nicht teilst.
Ne, das ging an mir vorbei. Bei mir blieb nur hängen, das Du das Parlament total super findest, was ja nun ein Unterscheid ist. Du findest das System, das wir haben, total knorke, ich bezweifele, das es da so dolle demokratisch zugeht. Du siehst den Unterschied?
Wenn Du mir nicht erklären kann, warum Du nicht willst, das der Wähler mehr mitzureden hat? Und was dann überhaupt für Wahlen spricht, wenn man aus „Gründen“ dem Volk doch besser nicht trauen sollte? Das schwingt doch hier die ganze Zeit mit.
Kann man so sehen, dann sollte man aber konsequent sein, und zugeben, was das dann für die Demokratie bedeutet.
Warum, weil das von mir kommt?
Ist mir scheißegal, von wem das kommt. Ich lasse mich weder von dir noch einem der Stefans oder sonstwem auch nur in die Nähe von Antidemokraten rücken. Außer dir kam nur noch niemand auf solche Ideen.
Ich gestehe dir auch noch durchaus zu, dass nicht immer selbst mitzubekommen, deswegen hab ich dich drauf aufmerksam gemacht. Nur um gleich wieder in einem Wust aus Antidemokratie-Vorwürfen zu stehen!
Ehrlich, wenn ich nochmal aufschreibe, dass ich weder Wahlen noch Meinungsfreiheit abschaffen will, fallen mir die Finger ab. Außer dir kommt das vermutlich auch den unaufmerksamsten Lesern wieder aus den Ohren raus.
Nur um gleich wieder in einem Wust aus Antidemokratie-Vorwürfen zu stehen!
Welcher denn, ernsthaft, ich lese und lese meine Kommentare und finde das nicht. Was meinst Du?
Kannst Du mir den Grund für Deine Skepsis nicht nennen und was habe ich jetzt wieder verbrochen? Du schreibst das doch selbst, das Du Vorbehalte hast(Skepsis). Was stelle ich falsch dar, das übersteigt meine Empathiefähigkeit?
Ich glaube dir auch, dass du das nicht willst, du springst nur immer soweit, dass es beim Gegenüber nicht mehr so ganz freundlich ankommt.
Wenn Du mir nicht erklären kann, warum Du nicht willst, das der Wähler mehr mitzureden hat? Und was dann überhaupt für Wahlen spricht, wenn man aus „Gründen“ dem Volk doch besser nicht trauen sollte?
Hier zb, ich hatte ja auch in unserer alten Diskussion mehrmals betont, dass Wähler gerne mitreden wollen. Das ist schon mal was anderes als an einer Volksabstimmung oder Wahl teilzunehmen. Und im nächsten Satz bist du dann schon bei genereller Ablehnung von Wahlen an sich und generellem Misstrauen gegen Bürger.
Von „ich finde Volksabstimmungen nicht toll“ zu „Ablehnung von Wahlen und Misstrauen gegen Bürger“ sind das für mein Empfinden irgendwie 20 Schlussfolgerungen zuviel und das entstellt meine erste Aussage total und macht mich plötzlich zum Demokratiefeind.
Wenn du da noch einen Zwischenschritt machst und zb fragst, warum ich dann mit der Bundestagswahl kein Problem habe, könnten wir viel freundlicher diskutieren.
War mit den Arbeitslosen gestern auch so. Erst gehts über alle AfD-Wähler, dann über frustrierte, dann über frustrierte und rechtsextrem oder nicht und plötzlich steht da ich würde alle Arbeitslosen scheiße finden.
So kams bei mir zumindest an, ich kam nicht mehr mit und fand das auch nicht so lustig. Und es würde mir dann auch wirklich reichen, wenn du bei solchen Schlussfolgerungen vor dem Aufschreiben nochmal nachfragen würdest, ob mein Geschimpfe über AfD-Wähler etwas mit meiner Einstellung zu Arbeitslosen zu tun hat. Würde mich vielleicht wundern, aber ich würde mich nicht gleich beleidigt fühlen.
Und es würde mir dann auch wirklich reichen, wenn du bei solchen Schlussfolgerungen vor dem Aufschreiben nochmal nachfragen würdest, ob mein Geschimpfe über AfD-Wähler etwas mit meiner Einstellung zu Arbeitslosen zu tun hat.
Was auch helfen würde, wenn Du meine Aussahen im Zusammenahng lesen würdest
Denn ich habe dir das gar nicht unterstellt, sondern Du hast das da rein gelesen. Habe ich erklärt.
Was ich immer noch nicht verstanden habe, weil Du immer noch nicht darauf eingegangen bist, ist die Frage, warum Du skeptisch bist. Wenn dann als Antwort kommt
[Hier zb, ich hatte ja auch in unserer alten Diskussion mehrmals betont, dass Wähler gerne mitreden wollen. ] kann ich damit nicht viel anfangen. Wollen oder sollen und wie geht das bei Wahlen?
Warum findest Du Volksbefragung /Abstimmung nicht so toll? Zumal das echt spassig ist für eine Sache, die wir hier so gut wie nie haben/hatten. Und die auch deswegen noch alles andere als rund läuft.
Da kam auch keine Begründung bislang. TBeermann z.B. lehnt das ganz klar aus Misstrauen dem Volk gegenüber ab, die könnten ja tollerante Gesetze kippen. Nur kann man das auch bei Wahlen, indem man eine Partei wählt, die das im Programm hat. Also ist die Frage, warum sollte das Misstrauen für eine Willensbekundung gelten aber für andere nicht.
Ist immer noch unbeantwortet.
TBeermann z.B. lehnt das ganz klar aus Misstrauen dem Volk gegenüber ab, die könnten ja tollerante Gesetze kippen. Nur kann man das auch bei Wahlen, indem man eine Partei wählt, die das im Programm hat. Also ist die Frage, warum sollte das Misstrauen für eine Willensbekundung gelten aber für andere nicht.
Ist immer noch unbeantwortet.
Ich halte das Risiko zum einen für höher, weil man an einem Einzelthema besser emotionalisieren kann, als bei einem Wahlprogramm. Außerdem halte ich Volksentscheidungen über Einzelthemen für sehr viel gefährdeter, als „Denkzettel-Wahlen“ genutzt zu werden. Insbesondere, wenn man selbst nicht von einer Maßnahme oder einem Gesetz eingeschränkt ist, sehe ich die Hemmung, da mal die Sau raus zu lassen, schnell schwinden.
Dazu passt, dass es eben auch immer wieder erfolgreiche Volksabstimmungen explizit gegen die Rechte von Minderheiten gegeben hat.
Puh, das würde auf die Schnelle jetzt die Kommentarspalte sprengen, ich versuch das die Tage mal gesammelt aufzuschreiben.
Nur soviel: meine Kritik hat eigentlich gar nichts mit Demokratie oder Bürgerintelligenz zu tun.
Ich sehe hier rein praktische Probleme, weil wir nicht allen Wählern Kapazitäten bereitstellen können wie wir es für Politiker tun und für wichtige Entscheidungen braucht man das meiner Meinung zwingend.
Und dieses Fehlen von Kapazitäten (zb Zeit oder Informationsmöglichkeiten) führt meiner Meinung nach dann zu Problemen.
Also gab zb neulich ne Untersuchung, dass viele beim Brexit nur mal mitteilen wollten, dass sie Ausländer doof finden. Und dann stürzt das Land u.a. wegen sowas ins Chaos und muss aus der EU austreten.
Das ist vielleicht nicht per se undemokratisch, aber jetzt alles nicht unbedingt der beste Ablauf, um Entscheidungen zu fällen.
Und dieses Fehlen von Kapazitäten (zb Zeit oder Informationsmöglichkeiten) führt meiner Meinung nach dann zu Problemen.
Das war ja ne schwere Geburt, aber offenbar verstehst Du jetzt, was meine Frage ist. Hättest Du das früher, auf meine etlichen vorangegangenen Fragen auch nur angedeutet, hätten wir uns viel Ärger ersparen können.
Ich warte dann mal auf die ausführliche Erklärung, aber diesen Ansatz habe ich ehrlich gesagt noch nie gehört und das ist aus meiner Sicht auch nicht der Grund für die Ablehnung bei anderen z.B. bei Citizen oder S. Sasse. Aber super, das wir das endlich klären konnten.
Ich halte das Risiko zum einen für höher, weil man an einem Einzelthema besser emotionalisieren kann, als bei einem Wahlprogramm. Außerdem halte ich Volksentscheidungen über Einzelthemen für sehr viel gefährdeter, als „Denkzettel-Wahlen“ genutzt zu werden.
Ich bin ja ein echter Fan von Begründungen und die habe ich immer noch nicht gelesen. Warum sollte das gefährlicher sein?
Das Einzelthema Steuern trägt bei der FDP schon ziemlich lange.
Dazu passt, dass es eben auch immer wieder erfolgreiche Volksabstimmungen explizit gegen die Rechte von Minderheiten gegeben hat.
Wo? Hier?
Was ich total spooky finde, ist die Tatsache, das an gesellschaftlichen Entwicklungen in der Frage auf einmal die Politik keine Rolle mehr spielt und die quasi vor dem Volk geschützt werden muss. Das ist einfach so passiert und keiner trägt die Verantwortung? Eher abwegig, oder nicht? Denn wenn eine Mehrheit sowas vertritt, kann die das auch bei Wahlen machen, soviel steht fest. Kommt immer drauf an, wie hoch der Frustpegel ist. Sieht man an der Wahl von Trump und anderen Gesellen. Nirgendwo hat sich das Wahlvolk einfach so radikalisiert, das ist immer Ergebnis der Verhältnisse. Und für die ist die Politik verantwortlich, soviel steht auch fest.
Woran ich immer erkenne, wer dem Volk nicht über den Weg traut? An der Trennlinie, die gezogen wird, als wäre man selbst nicht Teil eben dieses Volkes.
Das Menschenbild dahinter ist eben nicht meins und das bestimmt, wie man diesem Volk gegenübersteht.
Hättest Du das früher, auf meine etlichen vorangegangenen Fragen auch nur angedeutet, hätten wir uns viel Ärger ersparen können.
Ja siehste, ich dachte das wäre in meinen zig Ausführungen schon mal rübergekommen^^
Woran ich immer erkenne, wer dem Volk nicht über den Weg traut? An der Trennlinie, die gezogen wird, als wäre man selbst nicht Teil eben dieses Volkes.
Naja, geht aber auch andersherum. Ich frag mich immer wie ich mich bei einer Volksabstimmung wie zb Brexit fühlen würde und an welchen Stellen ich mich da überfordert fühlen würde. ^^
Ja siehste, ich dachte das wäre in meinen zig Ausführungen schon mal rübergekommen
Nicht einmal und wir haben uns ja nun weiss Gott oft genug darüber ausgetauscht. Das hätte ich ganz sicher nicht überlesen.
Naja, geht aber auch andersherum. Ich frag mich immer wie ich mich bei einer Volksabstimmung wie zb Brexit fühlen würde und an welchen Stellen ich mich da überfordert fühlen würde.
Ich frage mich maximal, wie ich gestimmt hätte. Das weiss ich nicht, denn das eigene Handeln in Extremsituationen kann man sich wünschen, was dann wirklich passiert, zeigt sich erst, wenn man drin ist.
Ich frage mich maximal, wie ich gestimmt hätte
Guck, meine Überlegung beginnt einen Schritt vorher. Wie entscheidest du das?
Gehst du einfach los und machst irgendwo ein Kreuzchen oder versuchst du, alle Konsequenzen im Vorhinein miteinzubeziehen?
Und dann muss man zb ganze Bibliotheken durcharbeiten, wenn man wissen will, was alles passiert, wenn ein Land aus der EU austritt.
Deswegen würde ich für mich alleine und ganz persönlich gar nicht erst die Möglichkeit haben wollen, an einer Volksabstimmung teilzunehmen. Und als Teil des Volkes halte ich mich jetzt übrigens nicht für besonders dumm oder verantwortungslos oder sowas. Auch nicht für besonders klug oder verantwortungsvoll, also ich würde mich so im Durchschnitt einordnen.
Deswegen würde ich für mich alleine und ganz persönlich gar nicht erst die Möglichkeit haben wollen, an einer Volksabstimmung teilzunehmen.
Woher nimmst Du eigentlich die Gewissheit, das die jenigen, an die Du diese Entscheidung delegiert, das gemacht haben, sich ausführlich informiert?
In der Schweiz gibt es zu jeder Abstimmung ein Abstimmungsbüchlein, da muss ganz neutral beschrieben werden, was Ja oder Nein bedeuten würde. Wenn man will, kann man das also ausräumen mit der Bibliothek
Deswegen wäre ich dir sehr verbunden, wenn du künftig nicht bei jeder zweiten Antwort in die Nähe solcher Beleidigungen rückst.
Wo habe ich das denn gemacht?
Du brauchst nicht davon ausgehen, dass ich mich hier auf Zitateschlachten einlasse. Du darfst gerne die letzten 2000 Kommentare durchsuchen und eine Strichliste führen. Jedesmal wenn ich sage, ich will weder Wahlen noch Meinungsfreiheit oder ähnliches abschaffen, hab ich mich antidemokratisch angegangen gefühlt.
Das ist nun echt Schofel von Dir zu schreiben such dir was raus, eigentlich ist alles Beleidigung.
Nicht mal ein Zitat aus dem kurzen Kommentar, in dem das passiert sein soll?
Jedesmal wenn ich sage, ich will weder Wahlen noch Meinungsfreiheit oder ähnliches abschaffen, hab ich mich antidemokratisch angegangen gefühlt.
Ich habe doch NICHTS dergleichen geschrieben.
Ich stelle Dir Fragen, wenn ich das lassen soll, gib Beschied, dann werde ich Dich in Ruhe lassen.
Ich lasse mir aber auf gar kleinen Fall wiederholt etwas vorwerfen, was nicht den Tatsachen entspricht.
Wir können uns auch einfach darauf einigen, nur hochzuscrollen, ich habe dich mehrmals auf mein Problem hingewiesen und in jeder Antwort darauf machst du mit „Demokratie“ an sich wieder das größte Fass auf, das es gibt und stellst mich wieder in eine Linie mit Antidemokraten.
Ich hab überhaupt nichts gegen Fragen oder Diskussionen. Aber ich finds echt nicht lustig, wenn du dabei so übers Ziel hinausschießt, dass ich gezwungen bin, aufzuschreiben, dass ich zb nicht alle Arbeitslosen scheiße finde oder Wahlen abschaffen will.
Danke für die Überlegungen.
Ich muss sagen, so pessimistisch bin ich gar nicht. Glaub, wenn wir heute eine verfassunggebende Versammlung wählten und die würden eine neue Verfassung schreiben, würde etwas sehr ähnliches wie das GG herauskommen. Bin der Meinung, trotz Kritik und Meckereien sind die allermeisten Menschen und Parteien damit zufrieden.
Von daher wäre ich eher dagegen, weil der Aufwand nicht lohnt.
Hab mal den schönen Satz gelesen, dass die USA-Unabhängigkeitserklärung poetischer Idealismus ist „der Griff nach den Sternen“ und die Verfassung juristisches Regelwerk als Bedienungsanleitung.
Da wir keine Unabhängigkeitserklärung zur Hand haben, muss zumindest der Anfang unserer Verfassung diese Poesie widerspigeln, damit man „ergriffen und pathetisch“ den ersten Artikel zumindest aufsagen kann.
Meine Befürchtung wäre bei Neuschreibung eher, dass so ein Quatsch wie mit der EU-Verfassung herauskommt und am Ende hat man 200 Seiten in Juristensprache, die kein Mensch mehr liest und auf die Schnelle versteht. Das muss ja nicht sein.
Also ich bin da romantisch, ich will auch was zum Liebhaben! 😉
Ich bin da tatsächlich sehr viel pessimistischer. Wenn ich mir allein anschaue, welche Einschränkungen im Namen der Sicherheit die Bevökerung insbesondere in den letzten 20 Jahren klaglos hingenommen hat und was noch alles gekommen wäre, wenn nicht das Bundesverfassungsgericht dazwischen gegrätscht hätte…
Das GG hatte den großen „Vorteil“, relativ direkt nach und unter dem Eindruck der NS-Zeit geschrieben worden zu sein, mit dem unbedingten Willen, etwas Ähnliches nicht noch mal zuzulassen. Ich denke schon, dass da vieles unter den Tisch fallen würde.
Ich denke auch, dass wir dem GG viel verdanken. Gleichwohl ist die Kritik am „Ersatzgesetzgeber“ durchaus relevant.
Da gebe ich dir absolut Recht. Ich glaube allerdings, das hat gewissermaßen psychologische Ursachen, die man auch nicht mal eben so nachstellen kann. Deswegen hat – meiner Meinung nach – auch die EU-Verfassung nicht so geklappt, die gabs schon vorher, hat wenig geändert.
1945 dagegen war ja wirklich ein Totalzusammenbruch. Um mal ausnahmsweise Sarrazin zu zitieren: Deutschland hatte sich abgeschaft. Und zwar total und die halbe Welt gleich mit in Schutt und Asche gelegt.
Und ich glaube, das Schreiben der GG gehört zu den Zeichen des Neuanfangs. Wie du sagst, man wollte unbedingt alles neu und besser machen und die Verfassung sollte nicht einfach nur ein Papier sein, sondern das auch widerspiegeln. Und ich glaube, so eine Gefühlslage braucht es unbedingt, wenn man eine gute Verfassung machen will. Sehen wir in der Unabhängigkeitserklärung oder in der Französischen Revolution und Erklärung der Menschenrechte. Meiner Meinung nach sind sie so bedeutsam, weil man die Gefühlslage heute noch erkennen kann, nach 200 Jahren.
Und bei der Wiedervereinigung hatten wir hier eine Schieflage. Ich glaube wirklich, es wäre für die Psyche der Ostdeutschen gut gewesen, eine neue Verfassung zu schreiben. War ja ne ähnliche Situation wie 45. Das Land implodiert, die Eliten alle diskreditiert, alles woran sie 20 Jahre lang mehr oder weniger geglaubt haben, war von heute auf morgen total falsch. Ich kann dieses Trauma ein bisschen verstehen. Und ich glaube, eine poetische Verfassung als feierlicher Neuanfang hätte geholfen, das Trauma zu überwinden.
Nur geht das halt schlecht, wenn man sich einem anderen Land anschließt. Dass logischerweise keine Verwendung für eine neue Verfassung sieht und seine eigene feierliche Verfassung hat.
So gesehen ist das ein bisschen Pech. Und wenn man das heute machen würde, würde es IMO auch nicht mehr helfen, weil man diese Stimmung nicht künstlich herstellen kann. Dann läuft das wirklich wie mit der EU-Verfassung und keinen interessierts oder sie fühlen sich gestört dadurch.
Bei der EU-Verfassung wurde glaube ich auch der richtige Zeitpunkt verpasst.
Wenn ich mich an die Stimmung Ende der 90er erinnere, war die noch sehr viel positiver, aber schon nach 9/11 und den folgenden Militäreinsätzen war Europa zunehmend gespalten. Und nach der Finanzkrise und besonders dem deutschen Verhalten gegenüber der Peripherie bräuchte man solche Ansätze im Moment wohl gar nicht mehr versuchen. Die Idee von Europa als Solidargemeinschaft ist erstmal ziemlich delegitimiert.
Übrigens glaube ich gar nicht so sehr, dass der Großteil der DDR-Bürger tatsächlich an das System geglaubt hat. Meine Familie hatte Freunde und entfernte Verwandte im Osten und ich war als Kind vor der Wiedervereinigung mehrfach „drüben“. Das, was ich von meiner Familie und diesen Freunden gehört habe, geht eigentlich eher in die Richtung, dass die meisten Menschen (zumindest die, die nicht zum engeren Kreis der höheren SED-Kader gehörten) schon lange wussten, dass das ganze System immer brüchiger wurde und seine Bürger kaum noch versorgen konnte.
Das Trauma war eher das harte ankommen in der Ellebogengesellschaft des Westens und die Entwertung der eigenen (Erwerbs-) Biographie bzw. für viele schlicht das verfrühte Ende der selbigen.
Ja. Aber ich bin ehrlich gesagt gar nicht sicher, ob das so eine große Rolle spielt. Ich hab durch meinen Partner ja einen ganzen Schwung an (Ex)-Ost-Verwandtschaft mitbekommen und ich höre mir ganz gerne DDR-Geschichten an, gerade weil ich mit 35 zu jung bin für eigene Erinnerungen.
Und ich glaube diesen Bruch hatten alle. Das ganze Land war ja plötzlich weg und sozusagen „Ausland“, plötzlich waren alle BRDler. Find ich wahnsinnig schwer, mir das für Deutschland vorzustellen. Die Eltern meines Freundes zb sind 1990 in den Westen gegangen und ich kann total verstehen, dass mein Partner manchmal zur Ostalgie neigt. Mit 12 ist einem das politische System ja egal, aber plötzlich sitzt er in einem anderen Land mit sieben Mann in einer 2-Zimmer-Wohnung herum. Die Eltern müssen erstmal Job und Wohnung organisieren und er sitzt plötzlich in der Westschule, die vollkommen anders funktioniert. Und wie gesagt, mit 12 ist einem die Politik ja total egal, aber diesen Bruch hat er eben trotzdem erlebt und seine Eltern und sein Bruder auch. Und ich glaube, den haben alle Ostdeutschen, egal ob sie sich gefreut oder geärgert haben, ob sie dageblieben oder weggegangen sind. Und der lässt sich auch nicht mal eben heilen.
Ich finde, das merkt man auch immer am 3. Oktober. Das ist irgendwie so ein Regierungsding, wo Reden gehalten werden, aber die Bevölkerung – Ost und West – sind nicht so richtig emotional dabei. Irgendwie kriegen wir Deutschen das nicht so hin, bei den Amis oder Franzosen ist das was anderes. Aber so ein positives, nationales Gemeinschaftsgefühl haben wir hier immer nur zur Fußball-WM.^^
Verfassung hätte es vor der Osterweiterung gebraucht, denke ich.
Stimmt. Wäre ein guter Zeitpunkt gewesen. Und für sowas braucht man doch Pomp und Feuerwerk und soviel Pathos, das es aus den Ohren wieder rauskommt. Aber sowas kann die EU nicht.
Die sind schlimmer als die SPD, gar keine ganz miesen Ideen und dann werden die aber sowas von bockmistig umgesetzt, dass selbst die EU-Fans die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Ist ja nicht das einzige Problem, aber die Außendarstellung ist ne totale Vollkatastrophe und ich glaube, das ist auch ein Grund, warum dann inhaltliche Dinge nicht mehr angegangen werden können.
Das Problem ist da aber auch, dass die EU von den nationalen Regierungen seit Jahrzehnten als Prügelknabe und Sündenbock für alles genutzt wird, teilweise sogar von Projekten, die von den gleichen Regierungen in Brüssel angestoßen wurden.
Man darf nicht vergessen, dass die EU vor allem mal die Summe der Mitglieder ist und kein eigenständiger Moloch, der irgendwie aus dem Nichts irre Regelungen und Vorgaben ersinnt.
Richtig, das hat meiner Meinung nach aber miteinander zu tun. Das ist wirklich ne Art SPD-Problem. Man kann sich nicht in Brüssel verschanzen und da vor sich hin regulieren. Man muss den Bürgern auch emotionale Anknüpfungspunkte bieten, gibt hier noch nen Uralt-Artikel dazu von mir. Meinetwegen hätten sich zur Feier vom Schengenabkommen alle Regierungschefs in Züge setzen sollen, um zu zeigen, wie geil es ist, wenn die Grenze nur noch am Begrüßungsschild zu erkennen ist. Dann müsste ich Stefan Pietsch nicht zig Jahre später davon erzählen^^
Oder anderes Beispiel, weil herrlich bekloppt:
Ich war mal auf der offiziellen Seite, um was zum EU-Rat nachzugucken. Das erste, was ich finde, ist der Hinweis, ich sollte den Europäischen Rat bitte nicht mit dem Rat der EU (macht was ganz anderes) und dem EU-Rat (gehört gar nicht zur EU!) verwechseln.
Da hab ich die Seite lieber wieder zugemacht, weil mir das zu doof war.
Sind ja alles nur Anekdötchen, aber die Öffentlichkeitsarbeit ist wirklich ne Katastrophe. Mit Verwaltungskram bekommt man die Bürger halt nicht dazu, die EU zu lieben, man muss da schon anders rangehen.
Nochmal ausgegraben, meinen Uralt-Artikel: http://www.deliberationdaily.de/2014/04/das-reiseparlament-ein-gedankenexperiment/
Irgendwie sowas mein ich. Find die Idee immer noch charmant.
Warum siehst du das Problem vor allem auf Seiten der SPD?
Der krasseste Fall, der mir so spontan einfallen würde, war die schwarz-gelbe Merkel-Regierung, die irgendwann mit viel Trara gegen eine Mindestbesteuerung von Kraftstoffen in der EU Sturm lief. Man würde nicht zulassen, dass der Autofahrer zur Melkkuh der Nation…man kennt das.
Es gab nur zwei Probleme. Die Initiative zu dieser Mindestbesteuerung war von der Merkel-GroKo davor ausgegangen und der Mindeststeuersatz lag unter dem Deutschen, so dass sich hier sowieso nichts geändert hätte.
Das ist ein Extrembeispiel, aber das grundsätzliche Vorgehen gibt und gab es leider oft. Man schiebt die Verantwortung für unbeliebte Gesetze nach Brüssel ab und tut so, als hätte man damit nichts zu tun oder gibt für innenpolitische Punktgewinne sogar vor, gegen Gesetze zu kämpfen, denen man selbst zugestimmt hat.
Ich sehe es als größtes Problem, dass die professionellen Beobachter den Bullshit mitmachen, statt es aufzudecken.
Nee sorry, war als Vergleich gemeint. Dass SPD und EU nicht so die Experten dafür sind, mal eine gute oder nur vernünftige Außendarstellung hinzubekommen.
Sind die Beobachter natürlich auch nicht unschuldig dran.
Hat auch mit den sehr unterschiedlichen Vorstellungen der Mitglieder zu tun; Deutschland etwa hätte das in den 1990er Jahren nicht mitgemacht.
Ich würde noch weiter gehen: Die Osterweiterung hätte es in dieser Form niemals geben dürfen.
Der Glaube, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit reichen würde, damit die Länder zusammenwachsen und sich angleichen, war der Kernirrtum der EU. Dabei sind viel zu viele Länder mitgenommen worden, die gesellschaftlich und politisch noch gar nicht so weit waren (und wirtschaftlich teilweise auch nicht).
Man hätte verschiedene Stufen der Zusammenarbeit finden sollen, auf denen die Beteiligten schon deutlich von der Kooperation profitieren, aber die EU selbst nicht (mit) steuern können. Etwa eine erweiterte EFTA und auch politische Zwischenstufen wären denkbar.
Aus heutiger Sicht ja, allein schon weil wir nicht das Problem hätten, wie wir die Ungarn oder Polen wieder loswerden oder demokratische Regeln durchsetzen.
Andererseits: ich glaube der Erweiterungsgedanke hat eine so ungeheure Zugkraft, dass wir ihn nicht ganz aufgeben sollten. Und es hat ja auch schon geklappt, bei Griechenland und Spanien standen die gleichen Gedanken dahinter. Die waren wirtschaftlich rückständig und man wollte die neue Demokratie stärken, das kann man als Erfolg sehen.
Oder denk mal an die Ukrainer, der EU-Gedanke war das Fass, was die Revolution ausgelöst hat, weil die Leute da unbedingt hinwollen, da ist die EU beliebt und Sehnsuchtsland.
Klar, wenn man selber drinsitzt, findet man das alles gar nicht mehr so toll, aber bisschen Imagepflege ist ja nicht verkehrt. Und ich glaube diese Zugkraft ist schon wichtig.
Das sagt sich leicht, aber der Druck war damals gigantisch…
Druck von wem?
Es müssen doch immer noch die Mitglieder eines Clubs entscheiden, wer mitmachen darf und zu ihnen passt.
Abgesehen davon hat sich ja gerade in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass mancherorts eben kein Interesse an einer politischen Einheit besteht, sondern nur den Fördertöpfen und dem Marktzugang.
Da hätte man auch Wege finden können, das ohne Mitbestimmt zu gewähren.
Am grünen Tisch mögen solche Gedankenspiele funktionieren, aber es ist ja nicht so, als wäre damals keiner auf den Trichter gekommen. Genau das wurde in der ersten Hälfte der 1990er Jahre versucht, aber es ging daneben. Wie übrigens auch bei der Türkei.
Jein. Bei der Türkei war das Problem, dass man ihnen aus innenpolitischen Gründen die Tür vor der Nase zugeschlagen hat, als sie eigentlich auf einem guten Weg waren und den Reformern damit ziemlich das Wasser abgegraben hat. (Deniz Yücsel hat mal in einem sehr interessanten Artikel argumentiert, dass auch das Erdogans Rechtsschwenk ermöglicht bzw. mit ausgelöst habe).
Auf der anderen Seite wäre dir Frage, was wäre, wenn man erstmal gar nicht mehr verspräche, als wirtschaftliche Zusammenarbeit und Hilfe bei entsprechender Entwicklung.
Yüzels Argumentation hatte ich in der letzten Bücherliste mit drin 🙂 Ich glaube, beim Fall Türkei ist das so ein Henne-Ei-Problem…
Mit deinem Kommentar habe ich – trotz Einverständnis mit der Grundaussage – einige Probleme:
– Die Neufassung ist bereits 1990 mit der Wiedervereinigung gekommen. Sie war vor allem so formuliert worden, um weiteren ‚Vereinigungsansprüchen‘ vorzubeugen.
– Mir fehlt der Hinweis auf den Art. 79 GG, der genau den Rahmen regulärer Änderungen des GG vorgibt. Art 146 ist im Zusammenhang nur als ‚Override – Ergänzung‘ zu lesen.
– Ebenfalls wäre ein Hinweis nützlich gewesen, wofür eine Anwendung des Art 146 geeignet ist: Die Ablösung des Grundgesetzes durch eine volle europäische Verfassung. Bisher hangelten sich die Regierungen vom Einzelurteil des BVG zu Einzelurteil ( Solange II-U., Maastricht-U., Lissabon-U. )
– Vor allem teile ich deine Grundskepsis gegenüber Volksbeteiligung im Verfassungsprozess nicht. Island hat sich 2011 eine neue Verfassung mit fast maximaler Beteiligung gegeben: Wahl der verfassungsgebenden Nationalversammlung, ‚Crowdsourcing‘ bei den Einzelnormen und konsultatives Referendum. All dies hat zu keiner deiner Fehlentwicklungen geführt – es gab nur bei der Umsetzung eine Verzögerung, da die konservative Partei gemauert hatte. Auch die Referenden in Irland ( Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe, Blasphemie ), zeigen, wie progressiv Bürger bei der Gesetzgebung sein können ( Wenn man ihnen keine unspezifischen ‚ Wollt ihr Freibier?‘ Fragen stellt)
Vor allem teile ich deine Grundskepsis gegenüber Volksbeteiligung im Verfassungsprozess nicht.
Das geht mir genau so, denn es ist doch ein totaler Widerspruch, auf der einen Seite „Expertenregierungen“ abzulehnen, aber implizit genau das zu fordern, die müssen die Ochsentour machen, damit die Abgeordneten wissen, worum es geht. Passt nicht zusammen, wie ich das auch drehe und wende.
Ich sehe da keinerlei Widerspruch.
Genua das ist das Problem.
Die Laien sollen wählen dürfen, was die Experten sich ausdenken? Weil die Parteien der Souverän sind?
Der einzige Unterschied für mich ist, die einen werden bestimmt und die anderen gewählt, ändert aber nichts daran, das die Experten den Weg und die Mittel vorgeben.
Das ist doch die Idee hinter der Ochsentour, das die Experten werden.
Oder habe ich das falsch verstanden.
Das ist ein ziemlich zentraler Unterschied.
Nö, weil damit das mit der Souveränität für die Füsse ist.
Weil tatsächlich andere über die Macht verfügen und die nicht mal in die Nähe des Volkes kommt.
Der Artikel war vor allem eine Antwort auf die Behauptung, es hätte schon längst eine neue Verfassung zur Abstimmung gestellt werden müssen. Dass es die Möglichkeit dazu gibt (ebenso zu anderen Varianten der Veränderung) streite ich gar nicht ab, hab es aber hier nicht zum Thema gemacht.
Wie weiter oben schon geschrieben, bin ich aber tatsächlich eher pessimistisch, was direkte Demokratie insbesondere bei solchen fundamentalen Institutionen angeht.
Es gibt natürlich auch Positiv-Beispiele, aber eben auch genug negative Exempel (man könnte zum Beispiel Abstimmungen über die Rücknahme der Ehe für alle in verschiedenen US-Bundesstaaten nennen, die nur nicht schlagend wurden, weil der Supreme Court einschritt).
Die Frage wäre für mich, was es auf der einen Seite selbst im besten realistischen Fall zu gewinnen gäbe (in meinen Augen im Moment nicht viel) und was auf der anderen Seite im schlechtesten Fall auf dem Spiel stünde (in meinen Augen eine Menge). Deshalb würde ich es nicht riskieren wollen.
Mir verblieb bei deinen Argumenten die Erklärung, wozu dieser Paragraph noch gut sein soll. Angesichts der politischen Umbrüche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es von bemerkensweerter Reflexion, dass eine Verfassung die Möglichkeit vorsieht, sich selbst abzuschaffen. Denn, wie bereits in früheren Diskussionen festgestellt, würden sich diejenigen, die das System zum schlechteren ändern wollen, sich nicht um die Legalität kümmern. Und wenn ich mir eine schwere Verfassungskrise denke, die eine Neugestaltung notwendig macht ( was vorstellbar ist ) , ist es mir wohler, dass es die möglichkeit gibt, einen Neuanfang legal zu gestalten, als ihn extralegal aufgezwungen zu bekommen.
Interessehalber: Kannst du mir sagen, in welchen Staaten (und vor allem wann) eine Abstimmung zu Abschaffung von gleichgeschlechtlichen Ehen geführt hätte. Bisher bin ich immer von einer stetigen Zunahme der Akzeptanz ausgegangen, so dass inzwischen vielleicht noch in Alabama eine Mehrheit dagegen fände.
Der spektakulärste Fall war Kalifornien, das erst im Frühjahr 2008 die Ehe für alle erlaubte, dann nach einer Volksabstimmung in November 2008 wieder verbot, bis der Supreme Court die Abstimmung 2013 für illegal erklärte.
In Maine wurde die Öffnung der Ehe 2009 noch im selben Jahr per Volksentscheid zurückgekommen.
Abgesehen von der Ostküste kamen die meisten anderen Regelungen nach dem Urteil über die Abstimmung in Kalifornien. Es gab zwar in vielen Staaten noch Versuche, die Öffnung der Ehe rückgängig zu machen, aber da hat immer das oberste Bundesgericht interveniert.
Danke, wusste ich so nicht
Hier mal ein sehr interessantes Interview mit einer Ost Intellektuellen, die sich damals im Aufbrauch Ost engagiert hatte:
https://www.youtube.com/watch?v=1huaH76aZ5E
Super passend zu der aktuellen Artikelserie und TBeermanns Diskussion um Artikel 146 ist dieses Fundstück, das ich euch herzlich anempfehlen will:
https://verfassungsblog.de/die-krise-und-die-versprechen-der-demokratie-in-der-longe-duree-des-20-jahrhunderts/
Ja, dann sagen sie das doch mal den Libanesen, den Venezolanern, den Kubanern und den Russen. Ihr braucht keine neue Verfassung, ihr müsst nur aus der alten das richtige rausholen.
Und die Deutschen sollten auch zufrieden sein, ja? Wie war das denn mit der Wiedervereinigung? Wurden die neuen Bürgern mal danach gefragt, ob sie das wollen? War denn das nicht der Hintergrund, warum von einer neuen Verfassung gesprochen wurde, genau weil der ganze Osten dazukam? Wäre den das nicht eine wirkliche Wiedervereinigung gewesen? Stattdessen wurden sowohl die Menschen im Osten, aber auch die im Westen um einen gemeinsame Verfassung beschissen. das können sie noch so schönreden, es ist eine Tatsache.
Es wurde zugesagt und nicht eingehalten, ebenso wie die Erweiterung der Nato nach Osten. Alle einfachen Menschen sind beschissen worden, vor allem die Menschen in den neuen Bundesländern, die auch noch um ihre Arbeitsplätze und ihren Besitz betrogen wurden.
1. Ja, mein Artikel zum Artikel 146 des deutschen Grundgesetzes lässt sich perfekt auf andere Länder anwenden und sagt auch, dass es nirgendwo und niemals neue Verfassungen geben darf. Das haben sie gut erkannt.
2. Es wurde eben nicht zugesagt, dass es eine neue Verfassung geben würde. Es gab Menschen, die der Meinung waren und sind, das hätte der Fall sein sollen. Ich argumentiere hier für die gegenteilige Sicht, das es weder angemessen, noch nötig noch gut gewesen wäre.
Mir wäre neu, dass irgendjemand je ein Versprechen auf eine neue Verfassung abgegeben hätte.