Christian Lindner kandidiert in der Invisible Primary gegen Monopole und den Versailler Vertrag – Vermischtes 09.01.2019

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) How Elizabeth Warren could win the 2020 Democratic primary

But if you listen to conventional wisdom — and our favorite quasi-scientific tool, betting markets — Warren’s star has dimmed in recent months. President Trump’s repeated references to her as “Pocahontas” have kept alive a seven-year-old controversy over Warren’s claims that she has Native American ancestry, which potentially helped advance her career. Her release of a DNA test in October 2018 that she hoped would settle the matter was not well received. And in a party reportedly thirsty for a new generation of leadership, the 69-year-old Warren may have missed her window. For the first but certainly not the last time this year, let’s take a look at the case for and against the chances of a major 2020 Democratic candidate. Ideologically, Warren is right where a Democratic primary candidate should want to be — it’s one of the strongest cards in her hand. According to FiveThirtyEight’s Trump Score, she votes with the president just 13.1 percent of the time, making her the third-most anti-Trump senator in the 115th Congress. Although she’s best known for her stands against income inequality and big banks, she is deeply liberal on both social and economic issues, according to an analysis of her votes and positions by OnTheIssues — although not quite as liberal as Sen. Bernie Sanders, one of Warren’s potential 2020 rivals. […] Warren has long polarized audiences and was never the world’s most beloved politician to begin with. That may be because she’s a woman with a confrontational style. It may be sexism mixed with other reasons. Whatever the cause(s), Warren isn’t in the best starting position as she enters the fray. But she’s not in the worst position either — she’ll likely find a receptive audience for her message in terms of policy and ideology. A well-run campaign would put her among the field’s top contenders. (Nathaniel Rakich, 538)

Während Blog-Kollege Jan Falk ein großer Fan von Warren bist, bleibe ich weiter eher lauwarm ihr gegenüber. Sie ist offensichtlich eine versierte Fachpolitikerin, und ihre Arbeit in der Einrichtung einer Verbraucherschutzbehörde unter Obama war wegweisend (und die frenetischen Versuche der Republicans, diese Behörde zu zerstören, zeigen ihre Effizienz deutlich). Aber auf der anderen Seite habe ich bisher wenig gesehen, das sie als mehr als eine Single-Issue-Kandidatin auszeichnet. Ihre Positionen in der Außen- und Sicherheitspolitik sind bestenfalls verwaschen, und auch bei vielen anderen Themen weiß ich nicht wirklich, wie es da bei ihr aussieht. Als Senatorin hat sie von ihrem Abstimmungsverhalten her das dritt-liberalste Profil, was sie deutlich links positioniert. Aber in einem legislativen Forum kann man halt mit der Partei beziehungsweise der eigenen Präferenz stimmen (was in Parlamenten ja auch Sinn macht!), ohne dass mir das zu viel über spätere Führungs- und Entscheidungsfähigkeiten sagt. Vielleicht liege ich bei ihr auch falsch, aber mein Bauchgefühl hält mich davon ab, auf den Warren-Zug zu springen.

Die Analyse von 538 klingt realistisch. Warren hat diverse Probleme, die sie bewältigen muss, um die Kandidatur zu gewinnen. Ihre Vorteile liegen klar im etablierten Unterstützer-Netzwerk und ihrer bisherigen Erfahrung. Auf der anderen Seite teilt sie Beliebtheitsprobleme mit Clinton und ist zweifellos eine polarisierende Persönlichkeit. Letzteres spielt glaube ich keine große Rolle. Trump polarisiert in einem solchen Ausmaß, dass seine Gegenspielerin zwangsläufig ebenfallls polarisieren wird. Warren ist zwar ein besonders herausstechender Blitzableiter für rechten Hass, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Joe Biden nicht polarisieren würde. So oder so wird es 2020 um Trump gehen – und da ist Warren zumindest eine sehr klare Alternative. Ob das positiv oder negativ sein wird ist aktuell noch nicht abzusehen, wird aber in den primaries mit Sicherheit eine große Rolle spielen. In den aktuellen Umfragen zeigen Anhänger der Democrats bereits die deutliche Präferenz, nicht nach Policy oder Ideologie abzustimmen, sondern danach, wer die besten Chancen gegen Trump hat. Das unterscheidet das Elektorat bereits deutlich von dem republikanischen. Wir werden sehen, wie sich das weiter entwickelt.

2) A cautious hope emerges among Alexandria Ocasio-Cortez’s constituents

Molly Roth was proud to move to a neighborhood she considered real America. As she walked along the main thoroughfares in this 170,000-resident enclave of Queens, she heard conversations in languages she did not know. She passed corner stores selling fruits that she had never seen. And now she sat in Arepa Lady, a restaurant that specializes in Colombia’s sweet corn cakes, biting into food she never had before. Roth then noted one other thing she liked about the neighborhood. “I got to vote for Alexandria Ocasio-Cortez,” she said. “Are you in her district?” a friend asked. “That’s really cool.” A cautious hope is reemerging in this slice of America, and it has come from the most American of traditions: voting. Residents clamoring for change in the 14th Congressional District last year ousted a 56-year-old white Democrat, one of the most powerful men in Washington, and replaced him with a 29-year-old Latina socialist working as a bartender. But they didn’t stop there. They voted a formerly undocumented immigrant to the state assembly, and they replaced another long-standing politician in the state Senate. The political old guard had been toppled. In its stead were three leftist Latinas with no prior experience in government, who echoed their neighborhood’s desire for a radical shift in politics. […] Though none have much power in the traditional sense, their victories made many residents feel like their lives were newly injected into the American consciousness, along with the rural voters and white conservatives who rejoiced that Donald Trump’s ascent had done the same for them. […] Ocasio-Cortez’s push to abolish the Immigration and Customs Enforcement agency altogether seemed more resonant and radical. “She just gives us a little more hope,” Stock said after the meeting. “Not too much hope because after the 2016 election, I’m not sure I understand the country anymore,” said one woman, who spoke on the condition of anonymity because she didn’t want to endanger her husband’s green card renewal. “You never know with politics.” “At least she’ll fight,” another participant said. (Robert Samuels, Washington Post)

Ich würde gerne mehr solche Artikel sehen. Wir wurden in den letzten zwei Jahren mit einer Flut von Artikeln aus den Dinern des Mittleren Westens und den Dörfern West Virginias überschüttet, in denen der Frage nachgegangen wurde, wer denn nun die Trump-Wähler sind. Praktisch nie geschaut wird nach jenen Leuten, die die deutliche Mehrheit der Bevölkerung konstitutieren und progressive Kandidaten wählen. Gerade bei solch aufstrebenden Stars wie AOC ist ja durchaus interessant zu sehen, was das für Leute sind, die ihre Hoffnungen in eine 29jährige ehemalige Bartenderin setzen. Wir werden uns mit AOC im Verlauf dieses Vermischten noch mehr auseinandersetzen, daher an dieser Stelle erst einmal nur diese Feststellung zur Berichterstattung.

3) Dürfen/müssen/sollen Muslime irgendwem die Hand geben?

Stattdessen folgt hier nun die Antwort auf die Frage, die BILD zwischen aller Empörung offenbar ganz vergessen hat: Dürfen/ müssen/ sollen Muslime nun irgendwem die Hand geben? Dass die Antwort in der BILD ausbleibt, mag auch daran liegen, dass sie nicht so ganz passt in das Bild vom frauenverachtenden Muslim, der sklavisch seinen religiösen Geboten folgt. Denn erstens: Muslimische Handschlagsverweigerungen treten bei Frauen und Männern auf. Und zweitens: Die Frage nach dem muslimischen Handschlagsverhalten lässt sich genauso eindeutig beantworten, wie andere typische BILD-Fragen, z.B. nach der Vereinbarkeit von Islam und Schwimmbadbesuch, Weihnachten oder Toblerone. Also gar nicht. […] Wer islamische Theologen nach ihrer Meinung zum Thema fragt, bekommt unterschiedliche Antworten. Einige verweisen darauf, dass der Koran körperlichen Kontakt zwischen Unverheirateten verbiete. Andere erinnern an einen Ausspruch Mohammeds, der vor 1400 Jahren auch Frauen nicht die Hand geben wollte. Wieder andere erklären den Handschlag für legitim, wenn keine sexuellen Gedanken damit verbunden sind. Andere erzählen das Gegenteil oder ihnen ist es völlig egal. Wie so oft bei Theologen. […] In der Praxis dürften die Fatwas von ägyptischen Islamgelehrten und die Echtheit von Überlieferungen aus der Zeit Mohammeds den meisten Muslimen ebenso egal sein wie der Knigge den deutschen Nicht-Muslimen. Die meisten Muslime und Musliminnen schütteln die Hände des anderen Geschlechts. Die die es nicht tun, tun das z.B. weil ihre Eltern es nicht taten oder weil ihnen ihr Ehemann oder ihre Ehefrau sonst zu Hause die Hölle heiß macht. Der eine schüttelt Hände, weil es ihm irgendwann zu albern war, in der Clique der einzige Handschlagverweigerer zu sein. Die andere schüttelt sie nicht, weil sie sowieso schüchtern ist. (Schantall und Scharia)

Eine der großen Herausforderungen von Integration sind gerade solche Unterschiede in scheinbar alltäglichen Kleinigkeiten. Nicht nur ist es sehr schwierig für Außenstehende, diese kleinen Regeln zu lernen (was das Problem der Migranten ist), sondern es stellt auch die bisherige Gesellschaft vor ein Problem: Akzeptieren wir eine Erweiterung des bisherigen erlaubten Verhaltenskanons? Das ist keine leichte Frage, denn das zwingt natürlich auch alle anderen zur Umstellung. Es ist ja leicht zu sagen „es ist völlig ok, wenn Muslime nicht die Hand geben wollen“, ok kein Problem soweit. Aber das hat ja zwei Seiten. Die Mehrheitsgesellschaft muss ja schließlich dann lernen, dass manche Menschen nicht die Hand geben, warum das so ist und dass es ok ist. Das heißt, eine ganze Menge zu verlangen.

Deswegen sage ich auch immer, dass Integration keine Einbahnstraße ist. Bei jedem Integrationsprozess sind zwei Seiten beteiligt, eine meistens mehr als die andere. Und gerade deswegen denke ich im Falle des Handgebens, dass die Belastung hier auf Seiten der Einwanderer liegt und auch liegen muss. Das heißt konkret, dass sie zwei Möglichkeiten haben: entweder sie akzeptieren, dass in Deutschland dem anderen Geschlecht die Hand zu geben als höflich betrachtet wird und lassen es eben nur bei ihren eigenen Bekannten sein (was aber der Idee, dass Deutsche weniger respektwürdig sind, Vorschub leistet) oder sie müssen sich jedes Mal erklären („Tut mir Leid dass ich Ihnen nicht die Hand gebe, aber…“). Das ist anstrengend und nervig, aber das ist halt der Preis, den man bezahlen muss, wenn man solche Traditionen in einem Land behalten will, das sie nicht teilt.

4) Die zähe Neuordnung der Welt

Mit der Einführung der Mandate änderte sich die Kolonialherrschaft eher ideell als konkret. Zumindest auf dem Papier war es nun die Aufgabe der Mandatsträger, sich um das Wohlergehen und die „Entwicklung“ der Bevölkerung zu kümmern. Darüber mussten sie der Mandatskommission des Völkerbundes regelmäßig Bericht erstatten. Sie trugen somit eine vertraglich festgeschriebene Verantwortung, an der sie sich theoretisch messen lassen mussten. Bewohner*innen der Mandatsgebiete konnten außerdem Petitionen und Beschwerden über Missstände an dieses Gremium senden. […] Die afroamerikanische Frauenrechtlerin ­Addie Waites Hunton forderte zudem, an der Umgestaltung der Welt müssten Frauen ihren Anteil haben. Frauen, die in vielen europäischen Ländern seit Kurzem das Wahlrecht besaßen, hatten andererseits vergeblich auf einen Platz am Verhandlungstisch gedrängt; auch sie wurden an der Neuordnung der Welt nicht beteiligt. Die Internationale Frauenwahlrechtsorganisation wollte das Frauenwahlrecht in den Pariser Verträgen verankert wissen, doch der amerikanische Präsident erklärte das Wahlrecht zum nationalen Thema – das bedeutete das Aus für eine Diskussion in Paris. Nicht einmal auf Wilsons Vorschlag, eine Kommission für Frauenfragen einzurichten, die den Frauenvereinen beratend zur Seite hätten stehen können, wollten sich seine Konferenzpartner einlassen: Frieden zu verhandeln sei nicht die Angelegenheit von Frauen, befand der britische Außenminister Balfour. Und dabei blieb es. […] Kaum eine Forderung der Außenseiter*innen der Pariser Friedenskonferenz hat an Gültigkeit verloren. Für die meisten von ihnen gab es einen Zusammenhang von Gerechtigkeit und Friedenssicherung. Geblieben ist der Kampf um gleiche und gerechte Teilhabe und Repräsentation für Frauen, People of Color und LGBTQ, geblieben ist die Forderung nach Equal Pay, geblieben ist die globale Dimension dieser Themen. Blickt man zurück auf 1919, wird deutlich: Der Kampf für Gerechtigkeit und um Gleichberechtigung war immer zäh. Auch im Jahr 2019 erfordert er noch einen langen Atem. (Birte Förster, taz)

Das ist ein sehr empfehlenswerter, langer und spannender Artikel über die Versailler Friedenskonferenz, den ich hier nur in Auszügen zitiert habe. Ich habe selbst schon vor Jahren über den Versailler Vertrag geschrieben (klick), aber mir war neu, welche Nebenkonferenzen und Themensetzungsversuche es damals gab. Gerade die Verzahnung mit der Frauenbewegung und der Anti-Kolonialismusbewegung sind spannend.

Die Frauenbewegung deshalb, weil das in eine größere Reihe passt. Die Suffragetten besonders in den USA waren in diesen Jahren äußerst aktiv darin, ihre Sache mit anderen großen Themen zu verknüpfen und so eine breite Koalition für das Frauenwahlrecht zu schaffen. In Deutschland beispielsweise war die Sache des Frauenwahlrechts stark mit der sozialistischen Vision verknüpft; die SPD war schon seit längerem ein Vertreter der Gleichberechtigung (auf dem Papier, die Partei selbst war ein furchtbar patriarchalisch geführter Haufen). Besonders spannend ist aber der Fall in den USA, wo die deutlichste Parallele zu diesem Versuch besteht, Versailles an Frauengrundrechte zu knüpfen: hier verbündeten sich die Suffragetten mit den Temperenzlern. Deswegen kam es 1919 zum verfassungsändernden Doppelschlag: Prohibition und Frauenwahlrecht waren Bettgenossen. Die frömmelnden Temperenzler gewannen in den Frauen, die die Männer aus dem Suff ziehen wollten, wichtige Unterstützer, und umgekehrt unterstützten gerade die religiösen Radikalen das Frauenwahlrecht und verschafften durch diese Verknüpfung zweier Forderungen eine kritische Masse, die beide zum Erfolg brachte.

Ebenfalls spannend zu sehen sind die ersten Versuche, den europäischen Mächten die Kontrolle über die Kolonien zu entreißen. Der Leidensdruck war 1919 diesbezüglich offensichtlich noch nicht hoch genug, und die innenpolitische Uneinigkeit der USA dürfte auch eine große Rolle gespielt haben (durch ihren Rückzug aus der Völkerbundidee wurde der viel mehr zu einem Kolonialmächteclub als es hätte sein müssen). Zudem fehlte den Vertretern der Kolonisierten in Versailles der Rückhalt; effektiv waren es Intellektuelle, eine schmale Avantgarde, die nicht wirklich überzeugend für neue „Staaten“ Sprechen konnten.

Beide Forderungen waren im Zweiten Weltkrieg weiter: in der Atlantik-Charta und später in der Menschenrechtserklärung und der UN-Charta wurde sowohl die Dekolonisierung als auch die Gleichberechtigung der Frau direkt eingebunden. Während die Frauengleichberechtigung 1949 schon deutlich weiter war, machte die Dekolonisierung die gleichen Probleme wie 1919, nur dass die USA dieses Mal ihr Gewicht in die Waagschale warfen und Frankreich und Großbritannien zu schwach waren, um Widerstand zu leisten (was 1956 in Suez ja bewiesen wurde). Die Zwischenkriegsjahre waren von beiden aber verschwendet worden, was das anging, und so gab es nach dem Krieg immer noch niemanden, der vernünftig die Kolonien in die Eigenstaatlichkeit führen konnte – mit den bekannten Folgen.

5) Tump literally did not understand what a shutdown would do

The Trump administration’s shutdown of the federal government over the last two weeks is a synecdoche for the way it has run the federal government over the last two years. They blundered into it almost by accident, without any understanding of what they are doing nor any plan for success. Just as Trump did not expect to win the election and neglected to plan for his transition, he shut down the government on a whim, after right-wing media complained about his plan to approve a government funding bill. Nobody in the administration had a clear understanding of just what a shutdown would entail. Two devastating reports in the Washington Post over the weekend detail the horrifying scope of their ignorance. The administration did not realize that 38 million Americans lose their food stamps under a shutdown, nor did it know that thousands of tenants would face eviction without assistance from the Department of Housing and Urban Development. Administration officials “recognized only this week the breadth of the potential impact,” reports the Post, and was “focused now on understanding the scope of the consequences and determining whether there is anything they can do to intervene.” First Trump shut down the government, and then the Trump administration started looking into what effect this would have. […] Just how long will it take for Trump to figure out that he is probably not the president who is going to break America’s long-standing immigration policy deadlock? Probably longer than he can bear the political pain that his shutdown is bringing upon himself and his party. Democrats might be tempted to hand Trump a token ransom to end the very real pain of the shutdown. But to do so would invite further hostage-taking. All they can do in the meantime is continue to send Trump bills to reopen the government immediately, and wait for the president to realize the political blood on the floor is his own. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Das Ausmaß der Ignoranz bei diesem orangenen Haufen Elend im Oval Office ist immer wieder erstaunlich. Die USA und, in Erweiterung, die ganze Welt haben wirklich Glück, dass Trump bisher keiner echten Krise ausgesetzt war. Aktuell können es sich die USA leisten, eine destruktive Regierung zu haben, die das eigene Land sabotiert. Es ist ähnlich wie in Belgien, letztlich Zeichen einer Wohlstandsverwahrlosung: Man ist reich genug, um die Konflikte und unhaltbaren Versprechungen einfach wegzukaufen. Was in Belgien der Proporz-Bullshit zwischen Flamen und Wallonen ist, ist in den USA die Vernichtung jeglichen halbwegs zielgeführten bundesstaatlichen Handelns und der Versuch, Milliarden Dollar in rechte identity politics zu versenken und eine Mauer durch die Wüste zu bauen. Gnade uns Gott, wenn eine außenpolitische Krise kühle Analyse und entschlossenes Handeln vom US-Präsidenten verlangt. Das amerikanische politische System hat für diese Fälle keine institutionellen Checks and Balances außer den Beratern des Präsidenten – und das ist eine Reihe von Gestalten, die gruseln lässt.

6) What’s going on with AOC? // Alexandria Ocasio-Cortez shouldn’t approach facts the way Trump does

Alexandria Ocasio-Cortez sure does know how to attract attention. I guess that’s no surprise: she’s photogenic, she’s young, she’s the leader of the #Resistance, and she defends herself pretty well on camera without constantly resorting to tedious talking points. She’s made for our era. But sometimes she screws up. Today Chris Cillizza—joined by the media’s entire universe of professional fact checkers—dinged her for a past mistake that she defended last night on 60 Minutes […] Personally, I really, really like AOC. She’s the kind of photogenic spokesman that progressives need, plus she knows how to drive conservatives crazy. Nor do I even mind occasional fuzziness in an effort to communicate broad points—something she does well. Still, her inexperience excuses only so much. If she gets a reputation for spouting nonsense without bothering to understand it—and she seems to be heading in that direction—her star is going to dim. I think she’d be well advised to slow down and study up just a little bit. (Kevin Drum, Mother Jones)

In traditional Washington terms, this 29-year-old former bartender is a person of little significance — one of the most junior members of the House, she can expect to wait decades before exercising any real power in this hierarchical institution. But, being telegenic, down-to-earth and quick-witted, she is already a multimedia star. She has 2.1 million Twitter followers — more than Speaker Nancy Pelosi (D-Calif.) or Senate Minority Leader Charles E. Schumer (D-N.Y.) — and she was just interviewed on “60 Minutes,” television’s top-rated news program. […] The real problem with Ocasio-Cortez is not how she dresses or where she comes from. It’s that she is an uber-progressive — a self-proclaimed “democratic socialist” — who cares more about ideological correctness than factual correctness. The Post’s Fact Checker has documented her reign of error. […] Anyone, of course, can err. What makes Ocasio-Cortez’s errors especially troubling was her response when called out by Anderson Cooper on “60 Minutes.” “I think that there’s a lot of people more concerned about being precisely, factually, and semantically correct than about being morally right,” she complained. Ocasio-Cortez partially redeemed herself with a tweet the next day: “Fact-checking is critically important. It’s not always fun. But that’s okay! It pushes me to be better.” But her initial response displayed a cavalier attitude toward the truth similar to that of President Trump — who is, to be sure, a far more energetic purveyor of falsehoods. […] In some ways, Ocasio-Cortez reminds me of Sarah Palin, a comparison neither woman will appreciate. Palin was another talented young communicator who made a big splash in national politics before having her lack of knowledge painfully exposed. (Max Boot, Washington Post)

Kevin Drum und Max Boot fassen von der linken und der rechten Flanke den gleichen Kritikpunkt an AOC zusammen, den ich selbst auch habe. Ich kann mich erinnern dass ich damals, als AOC gerade mit ihrem Überraschungssieg in den New Yorker primaries auf die Bühne gesprungen war, angesichts eines Interviews zum Thema Nahostkonflikt sehr kritisch ihr gegenüber war. Sie hatte in diesem Interview irgendwelchen Nonsens zum Thema Palästinenser und Israelis behauptet, der ein typisches Amalgam von Weisheiten aus dem linken Spektrum zu diesem Thema war, aber in entscheidenden Aspekten falsch. Ich weiß nicht mehr genau, was es war, aber mich nervte das damals. Diverse progressive Freunde wiesen auf ihre Jugend und Unerfahrenheit hin, was natürlich stimmt, aber nicht ewig eine Ausrede sein kann.

Meine Bauchschmerzen ihr gegenüber sind seither nicht besser geworden. Sie ist sicherlich nicht im selben Maße ein Looney wie es Sarah Palin war, und die Democrats sind auch nicht so verantwortungslos, jemand Ungeprüftes und so Unerfahrenes einfach nur des politischen Show-Vorteils willen zum Vizepräsidentschaftskandidaten zu machen; so etwas tun nur Republicans. Aber AOC hat offensichtlich wenig Probleme damit, mit gefühlten Fakten und auf ziemlich unsicherer Wissensbasis mit großer Selbstsicherheit Aussagen zu treffen, und das ist etwas, das ich nicht leiden kann. Ich werde in Zukunft glaube ich noch einen ausführlicheren Artikel zum Tod des policy-wonks schreiben, aber dieser Shift in der Partei der Democrats macht mir Sorgen. Meine Hoffnung wäre, dass AOC tatsächlich „study up“ begeht und ihr unzweifelhaftes Talent gewinnbringend einsetzt und sich nicht zu einem Radikalisierungsfaktor entwickelt.

7) Chart of the day: Never believe corporations. Never.

Now along come Alicia Modestino, Daniel Shoag, and Joshua Ballance to look at things a different way. Their approach is so simple I’m surprised they’re the first, but apparently they are. All they did was analyze an online database of job offerings to find out whether employers made their hiring requirements stricter when unemployment was high and they could be more selective about who they hired. Do I even have to tell you the answer? […] The bottom line is that employers had a hard time finding qualified workers because they had consciously decided to get pickier about who they were willing to hire. With lots of college grads out of work and getting desperate, they figured they might as well try to pluck a few them out of the job pool, a phenomenon the authors call “opportunistic upskilling.” And note that they weren’t paying any more than they did with old job requirements, either. […] My take on all this is to repeat something I’ve said before: Never believe corporations. Period.¹ Don’t believe them when they say the “jury is still out” about the danger of the chemicals they produce. Don’t believe them when they say environmental regulations will put them out of business. Don’t believe them when they claim that they’ll hire more people and boost their fixed investment if Congress will pass tax cuts. And don’t believe them when they say they just can’t find people to take their jobs. Most of them just need to stop goosing their hiring requirements and increase their pay rate a bit. Problem solved. (Kevin Drum, Mother Jones)

Bevor sich jemand über die starke Überschrift ärgert: Niemand würde einem Politiker weiter trauen, als man ihn werfen kann. Wir haben uns eine gesunde Dosis Skepsis gegenüber Wahlversprechen, Absichtsbekundungen und anderen Dingen angewöhnt, die Politiker so von sich geben. Es gibt nicht den geringsten Grund, einem Unternehmen auch nur ein Jota mehr Glaubwürdigkeit zuzugestehen. Es gibt eher gute Gründe, ihnen weniger zu geben, weil Politiker deutlich schärfer von den Medien überwacht werden als Unternehmenssprecher. Das vorneweg.

Das eigentliche Thema „Fachkräftemangel“ haben wir ja auch in Deutschland wieder und wieder durchgekaut. Dieselben Leute, die immer davon sprechen, dass die Marktkräfte nun mal – leider, leider – eine Senkung des allgemeinen Lohnniveaus verlangen und einen Abbau von Rechten und Privilegien kommen nie auf die Idee, dass Unternehmen vielleicht einfach mehr bezahlen müssen, wenn sie Fachkräfte wollen. Stattdessen beklagt die Wirtschaft zwar seit 20 Jahren den angeblichen Fachkräftemangel, aber besser bezahlen tun sie trotzdem nicht. Ein Informatiker etwa, ein ständig mangelnder Berufsstand, verdienen immer noch nicht wesentlich mehr als vor 10 Jahren. Von den Gehältern, die Maschinenbauer, Ingenieure und viele andere Jobs in den 1990er Jahren bekommen haben, können heutige Angestellte nur träumen – obwohl angeblich solcher Mangel herrscht. Einfach mal Marktwirtschaft wagen!

8) Joe Biden doesn’t get it

But now, the bad. Biden’s focus on education is part of a deeply discredited model of labor income. He argues that wages are low in part because workers aren’t getting enough education: „[B]y the end of this decade 6 in 10 jobs are going to need some training, some education beyond high school or you’re not going to make it.“ The idea here is that of „human capital“ — that some workers are making more because they have the skills to work at better-paying jobs, and some do not. Therefore we should increase educational attainment to reduce inequality. Sounds plausible, except for the minor problem that it’s clearly not true at all. […] In reality, wages are low because that is how the labor system has been deliberately structured. (Incidentally, this is why the effort to decrease poverty by boosting education was also a categorical failure.) The minimum wage has not kept up with inflation, and the economy has been run below top speed since the 1980s. With the brief exception of the late ’90s, whenever it looks as though workers might get pricing power, the Fed has jacked up interest rates, creating a downward ratchet on the labor share of income. Meanwhile, lower taxes on the top income brackets and capital income have incentivized shareholders and executives to redirect most of the corporate surplus towards themselves and away from workers, R&D, and investment. […] Because the plainly obvious fact is that 500 billionaires (and the rest of the top 1 percent) are a huge part of why we’re in trouble. They constitute an oligarchy, which dominates politics and uses their control over the levers of policy to enrich themselves and keep the working class down. Biden can’t see this, perhaps because he has been ideologically indoctrinated, or perhaps because he is personally too close to the oligarchs. (Ryan Cooper, The Week)

Joe Biden ist klar in der Tradition der Drittwegler. Er glaubt an das System der Meritokratie. Diesen Glauben teilt er mit Barrack Obama. Aber wie der Artikel überzeugend darstellt und wie Chris L. Hayes in seinem ebenso überzeugenden wie weiterhin bedrückend aktuellen Buch „Twilight of the Elites“ bereits 2012 gezeigt hat, ist die Idee der Meritokratie eine Ideologie, die wenig Basis in der Realität hat und die nicht funktioniert, vor allem deswegen, weil ihr eigener Erfolg ihren Untergang bedingt hat. Biden und Obama entstammen beide Generationen, für die das meritokratische System des Bildungsaufstiegs funktioniert hat, aber das ist heutzutage schlicht nicht mehr gegeben, und die Gründe dafür stellen für beide einen blinden Fleck dar, weswegen ihre Bildungspolitik auch so furchtbar schlecht ist.

Joe Biden ist ohnehin einer der für mich merkwürdigsten Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur 2020. Er hat es bereits mehrfach versucht und kam nie sonderlich weit, und er wäre über 70, wenn er dieses Mal anträte. Ja, er hat eine halbwegs ordentliche Bindung zur weißen Arbeiterschaft (zumindest sagt man ihm diese nach, ich kann nicht wirklich beurteilen ob das nicht viel Beltway-Folklore ist), aber in anderen Fragen ist er von der Mehrheitsstimmung des Landes mittlerweile ziemlich entfremdet. Er könnte den Job, daran habe ich bei ihm keinen Zweifel, das hat er als Vizepräsident ja auch unter Beweis gestellt. Aber er repräsentiert das Gestern, und ich bin nicht sicher, ob das die richtige Antwort auf Trumps Vorgestern-Vision ist. Oder ob, sofern sie das ist, Sherrod Brown diese Lücke nicht besser ausfüllen könnte.

Ah, die Invisible Primary hat begonnen. Die schönste Zeit des Vier-Jahres-Zyklus. 😉

9) Tweet von Christian Lindner

Ich möchte auch mal Christian Lindner loben und ihm zustimmen. Was er hier zum Thema Robert Habeck und Soziale Medien sagt, kann ich nur unterstreichen.

10) Why regulators went soft on monopolies

Antitrust authorities once fought against monopolies, but for the past four decades they have given a green light to merger after merger. The guardians who were meant to protect competition have become the principal cheerleaders of monopolies. The Department of Justice (DOJ) and the Federal Trade Commission (FTC) have become revolving doors for highly paid economists and lawyers whose only goal is to look after their corporate clients rather than voters, consumers, workers, suppliers, and competition. Americans have the illusion of choice, but in industry after industry, a handful of companies control entire markets. Two companies control 90 percent of the beer industry. Over 75 percent of households face local monopolies in high speed internet. Four airlines dominate airline traffic, often enjoying local monopolies in their regional hubs. Non-existent antitrust enforcement has made them all possible. The boom in corporate mergers over the past 40 years surpasses the original merger mania under robber barons like John D. Rockefeller and J.P. Morgan. We are now living in a new Gilded Age. […] If there is one man who is responsible for the revolution in antitrust thinking, it is Robert Bork. Perhaps best known as an unsuccessful Supreme Court nominee, Bork was a leading thinker in the so-called Chicago school of economics. In his view, antitrust enforcement only served to protect small firms from competition, keeping industries fragmented at the expense of cost efficiencies. Bork argued that the only factor that matters in antitrust is “consumer welfare,” which could only be measured by consumer prices—the lower the price, the better the consumer’s welfare. Everything else was populist demagoguery. President Ronald Reagan’s DOJ put Bork’s views into practice with the relaxed Merger Guidelines in 1982. Since then, the DOJ and FTC adopted the “consumer welfare standard” and almost never reject mergers so long as companies promise to keep prices low. Gone was any concern regarding concentrations of economic and political power, harms to innovation, economic vitality, suppliers, and workers. (Jonathan Tepper, The American Conservative)

Ich habe immer das Gefühl, dass das eine der größten verpassten Chancen des „klassischen“ Konservatismus ist. Bei den Ordoliberalen hat Monopol-Kontrolle ja zumindest in der Rhetorik auch immer eine große Rolle gespielt, aber selbst im „Wirtschaftsflügel“ der CDU ist dieses Thema heute eher unter „ferner liefen“ gebucht; da herrscht auch immer Deregulierung als Hauptthema vor. Gefühlt ist das eine Schande; die Linke wie die Liberalen tun sich immer schwer mit diesem Thema, aus unterschiedlichen Gründen: die Linke, weil Monopolkontrolle gleichzeitig ein Bekenntnis zu Kapitalismus ist, die Liberalen, weil sie einen Reflex gegen jede staatliche Intervention haben. Konservative haben beide Probleme nicht, und Monopolkontrolle ist eigentlich auch ein konsensfähig-populäres Thema, mit dem man sich hervorragend zwischen diesen beiden Polen aufstellen kann.

Mein Eindruck ist, dass die konservativen Parteien sich da haben kapern lassen. Das ist aber schon lange her: der obige Artikel datiert die „feindliche Übernahme“ nicht grundlos in die 1980er Jahre. Reagan, Thatcher und Kohl waren in ihren jeweiligen Länder wohl diejenigen, die die innige Beziehung zwischen Großkonzernen und Politik endgültig konsensfähig gemacht haben, und um es milde zu sagen haben die Drittwegler nicht gerade viel getan, um hier Besserung zu erwirken („Genosse der Bosse“ und so). Monopolkontrolle ist daher auch ein gutes Thema für Linksliberale: es erlaubt die Korrektur von Marktverzerrungen in dezidiert marktwirtschaftlichen und sogar marktfreundlichen Bahnen. Sollte mal jemand aufgreifen.

11) One Russian in Four Lacks an Indoor Toilet, One of Many Signs There are Now ‘Four Distinct Russias’

According to a new report by Russia’s state statistical agency, Rosstat, 35 million Russians live in houses or apartments without indoor toilets, 47 million do not have hot water, 29 million don’t have any running water inside their residences, and 22 million do not have central heating. In fact, only 62.7 percent of the Russian population has the usual accoutrements of modern existence – water in the house, plumbing, heating and gas or electric ranges, Rosstat says, a fact that must seem incredible to those who visit only Moscow or St. Petersburg but a fact of life for those who lives beyond the ring roads of the capitals. Russian blogger Oleg Borovsky says that the image many have of Russia as one unified country is wrong. “In Russia today, there are practically no cities except for Moscow. Even St. Petersburg is beginning to recall places in distant regions, half-abandoned settlements, and aging infrastructure. With regard to other “cities,” he continues, there is “nothing to say: there degradation and decline are obvious literally to the unaided eye. It is sufficient to go 50 versts from Moscow and you will see that there the snow isn’t cleaned from the streets (even in Moscow oblast!) let alone all the rest” of the trash. […] Right now, however, “a real demographic reformatting of Russia is taking place,” as a result of which everything and everyone is being concentrated within “a radius of 200 kilometers around Moscow.” Russians are leaving everywhere else. Consequently, within this century, we will see the disintegration of Russia. And what is the most horrible thing about this, Borovsky concludes, is that “those chiefly responsible for this process are located inside of Russia” because “what is taking place in Russia is the result of the absolutely insane, inept and incompetent administration of the country.” It is certainly not the work of foreigners, however pleased they may be. (Paul Goble, Johnsons Russia List)

Ich bin nicht Russland-Experte genug um sagen zu können, wie zutreffend die obige Einschätzung ist, aber es klingt grundsätzlich realistisch (abgesehen vom alarmistischen Ton des Zerfalls des Landes). Russlands wirtschaftliche Daten sind katastrophal, wie Russlands Wirtschaft halt immer schon war, und wie zu besten Sowjet-Zeiten wird der bestenfalls stagnierende, aber wahrscheinlich realiter sinkende Lebensstandard der Bevölkerung durch eine martialische Außenpolitik und Investments in Waffen überdeckt, mit denen man hofft, in der „Big Boy League“ mitspielen zu können. Ein atomar bewaffnetes, zutiefst unsicheres Russland mit der emotionalen Reife eines jugendlichen Straßenschlägers und ungefähr denselben wirtschaftlichen Aussichten ist alles, aber nicht beruhigend. Und es gibt keine Aussicht auf Besserung. Die Hoffnungslosigkeit, die von diesem Flecken Erde ausgeht, ist erdrückend.

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  • Stefan Pietsch 9. Januar 2019, 10:09

    7) Chart of the day: Never believe corporations. Never.

    Dieselben Leute, die immer davon sprechen, dass die Marktkräfte nun mal – leider, leider – eine Senkung des allgemeinen Lohnniveaus verlangen und einen Abbau von Rechten und Privilegien kommen nie auf die Idee, dass Unternehmen vielleicht einfach mehr bezahlen müssen, wenn sie Fachkräfte wollen.

    Wow, das ist der Schlüssel! Ich verstehe nur nicht, warum beispielsweise SAP-Berater saftige sechstellige Gehälter und noch höhere Stundensätze einstreichen – und dennoch kommt man als Unternehmen kaum an SAP-Berater. Oder CEOs: da werden Summen von einer halben Million Euro Jahresgehalt aufwärts ausgelobt und dann bleibt so eine Position dennoch monatelang vakant. Oder ich kenne einen Logistiker, der zahlt 20% über Tarif und erhält dafür Leute vom Markt, die mit einem Scanner gerade ein Piep erzeugen können. Wo sind die, welche mehr als scannen können?

    Hochqualifizierte menschliche Arbeitskraft ist eine äußerst knappe Ressource, die anders als in Deiner Vorstellungswelt nicht beliebig produzierbar ist. Wie z.B. ein iPhone.

    • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 10:33

      Großartig, dass einige wenige Spezialpositionen für die es eine innerhalb einer halben Stunde abzählbare Zahl Leute insgesamt gibt so laufen. Aber der „Fachkräftemangel“ wird auf deutlich breiterer Front behauptet. Und da müssten wir viel mehr Lohninflation sehen, wenn deine Theorie stimmen würde.

      • Stefan Pietsch 9. Januar 2019, 10:44

        Das Problem ist immer das Gleiche und es wird auch nicht dadurch geringer, wenn die Gehälter verdoppelt werden. So läuft das nicht. Wenn ein Produkt knapp ist, kann ich bei höheren Preisen mehr davon produzieren. Doch wenn eine Qualifikation nicht vorhanden ist, kommt aus dem Backautomaten von HR auch nicht mehr. Es ist ja nicht so, dass zig bestens qualifizierte Fachleute auf der Stange beim Arbeitsamt sitzen. Wenn Du Dich mit den Leuten beim Amt unterhältst, da ist nichts, nada, null. Was Du immer auf die Schnelle bekommen kannst, ist ein seit 15 Jahren Arbeitsloser, der mal auf Basic ein Studium begonnen hat, aber nach 8 Semestern abbrechen musste, 6 Stellen in 5 Jahren hatte, inzwischen 48 ist, nur einen Fahrweg von 15 Minuten auf sich nimmt und im Gespräch ziemlich ungepflegt auftritt. So etwas geht immer.

        Aber ein 35-42 jährigen ITler, der seit 10-15 Jahren im Job ist, mindestens 3 Jahre blieb, 3 Sätze gerade aus sagen kann und nicht gleich mit ungewaschenen Haaren auftaucht – tja, die bekämen sofort eine Einladung, wenn sie denn auf Anschreiben reagieren würden.

        • CitizenK 9. Januar 2019, 12:02

          Gerade wenn die Ressource knapp ist müsste der Preis steigen. Ihre Beispiele widerlegen Ihre eigene Argumentation.

          • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 12:14

            Dafür bleibt es hübsch konsistent mit seiner Ideologie und seinen Vorurteilen, das hat auch was für sich.

            • Stefan Pietsch 9. Januar 2019, 12:18

              Tja, vielleicht wäre es hilfreich, Dir mal Profile zukommen zu lassen… Ich mein‘, damit Du etwas Realitätsbezug bekommst.

          • Stefan Pietsch 9. Januar 2019, 12:16

            Tut er ja und zwar bei Professionen, die heiß begehrt sind und der Staat nicht den Daumen auf der Preisfindung hat. Letzteres ist z.B. bei Pflegediensten und dem Erzieherbereich der Fall. Dort hat halt die Fluktuation als Ausdruck der Knappheit sehr stark angezogen.

            Versuchen Sie z.B. mal einen Accounting Manager für 50.000€ zu bekommen, vor wenigen Jahren noch unproblematisch. In den großen Regionen Rhein-Main, München oder Berlin lacht man darüber, da sind Sie eher bei 70.000-80.000€. Und das ist eine nicht-operative Funktion. Im einigermaßen qualifizierten Bereich der Manager oder Bereichsleitung sind Leute deutlich unter 100.000€ Jahresgage praktisch nicht mehr zu bekommen.

            Ich weiß, Ihnen schwebt eher die Krankenschwester, die Putzfrau und so vor. Aus unterschiedlichen Gründen geht der Trend vorbei und für Zeitungsausträger lassen sich nun mal keine 30.000€ Jahresgehalt realisieren.

            • kirkd 10. Januar 2019, 08:57

              Ist aber trotzdem lustig, dass der Arbeitsmarkt immer nur dann ein Markt sein soll, wenn der Lohn nicht niedrig genug sein kann, aber niemals wenn die Knappheit der Ressource nach Marktgesetzen zu massiven Lohnsteigerungen führen sollte.

              • Stefan Pietsch 10. Januar 2019, 09:19

                Was vor allem zeigt, wie wenig Wissen über Marktfunktionen besteht. Auch ein Monopol oder ein Oligopol ist grundsätzlich erstmal ein Markt. Wie in jedem System strebt auch der Markt nach einem Gleichgewicht. Das ist gegeben, wenn Preise markträumend sind, d.h. einem bestimmten Angebot steht auch die bestimmte Menge gegenüber.

                Das lässt sich über unsere Arbeitsmärkte im Großteil sagen. Selbst bei einer Erhöhung des Lohns treten jetzt kaum noch neue Anbieter von Arbeit auf. Wo sollen die auch herkommen, die Reserven sind gehoben. Frauen sind weitgehend erwerbstätig, die Beschäftigung Älterer steigt und steigt. Auf Seiten der Anbieter von Arbeit besteht aber ein Bedürfnis zur Verknappung. Ausdruck dessen sind das Verlangen nach Teilzeit, „Work Life Balance“ und Frührente. Gleichzeitig steigt auf der Nachfragerseite (Arbeitgeber) der Bedarf an (hochqualifizierter) Arbeit.

                Der Markt gerät aus dem Gleichgewicht. Das ist unsere heutige Situation. In zahlreichen Branchen steigen die Tarife, seit Jahren wächst der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen. Derzeit fordert die Gewerkschaft Verdi in Tarifverhandlungen eine pauschale Untergrenze von 20€.

                Markttypisch ist allerdings auch: steigen die Preise, führt dies langfristig immer zu Ausweichtendenzen auf der Nachfragerseite. So wie Anbieter ihr Angebot verknappen, wenn ihnen der gebotene Preis nicht ausreichend erscheint, so suchen Anbieter nach Alternativen. Und wenn ich einen Mechantroniker suche und einen 60jährigen Pfleger angeboten bekomme, nützt mir das auch wenig.

                Wo sind Sie denn mit der Lohnentwicklung unzufrieden, obwohl angeblich Knappheit herrscht? Bitte nicht mit Pauschalbegründungen, die Löhne würden nicht schnell genug steigen. Schließlich verteuern sich auch iPhones ständig, während der Eingangspreis in den Markt mit Billig-Smartphones stark gesunken ist.

                • kirkd 10. Januar 2019, 14:53

                  Alle meine liberalen schweizer Kollegen machen sich seit Jahren über die deutsche Lohnstagnation lustig, weil da Einigkeit besteht, dass sich deutsche Arbeitnehmer unter Wert verkaufen. Aber rede Dir nur die Realität schön.

                  • Stefan Pietsch 10. Januar 2019, 15:09

                    Das mag ja sein. Die Schweiz ist das Land mit dem höchsten Einkommensniveau. Dumm nur, dass auch die Preise mit das Höchste sind.

                    Dazu schleppen die Schweizer auch nicht mit sich, was der ehemaligen DDR auch nur im entferntesten ähnelt. Im Gebiet Ost leben die meisten von geringer vergüteten Dienstleistungen. Nimmst Du das aus der Rechnung, dann ist das (west-) deutsche Lohnniveau durchaus gut. Die Einkommen in den Regionen München, Frankfurt oder Stuttgart bewegen sich auf dem gleichen Level wie in den Gegenden Milan und Turin.

                    Vielleicht versuchen Sie sich mal an der Aufgabe: warum steigt seit 2009 in jedem Jahr der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen? Und welchen Anteil hielten Sie für angemessen, damit sich die deutschen Arbeitnehmer nicht unter Wert verkaufen?
                    https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungen/lrvgr04.html

                    Übrigens gibt es in der Schweiz praktisch keinen Kündigungsschutz und die Sozialabgaben und Steuern sind weit niedriger. Ich würde gerne mit der Schweiz tauschen, aber eher dort anfangen.

                  • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 15:32

                    Die haben halt auch alle nicht Stefans Lebenserfahrung als Vorgesetzter.

                • popper 12. Januar 2019, 11:36

                  Der Markt gerät aus dem Gleichgewicht

                  Der „Markt“ von dem Sie hier sprechen, war, solange es Formen des Handels unter Menschen gibt, noch nie im Gleichgewicht. Selbst, wenn es dieses theoretische Gleichgewicht geben sollte, heißt das nicht, dass es sich jemals einstellt. Zumal es sich bei Gleichgewichtstheorie der Neoklassik um eine Prähteorie handelt, der es mit ihrer Variablen des „methodologischen Individualismus“ scheinbar gelungen ist, den Grunddefekt ihres Aktivitätsniveaus wegzuinterpretieren bzw. zu leugne. Indem sie durch einen metaphysischen Auktionator/Unsichtbare Hand einen Funktionsmechanismus installiert, der dann leider die ecklige Konsequenz hat, dass, wenn alle Marktteilnehmer Mengenanpasser, also Preisnehmer, sind, keiner mehr übrig ist, der den Marktpreis bestimmt. Womit der konstruierte Popanz des gleichgewichtigen Marktes sein „Missing Link“ der Marktsteuerung selbst ad absurdum führt. Noch Fragen?

                  • CitizenK 12. Januar 2019, 13:23

                    Ja. Wenn die „Prätheorie“ derart unsinnig ist, warum lässt sich dann das Phänomen (Reaktion von Angebot und Nachfrage auf den Preis bzw. umgekehrt) in der Realität beobachten und beschreiben?

                    Der Versuch, das Marktgeschehen in Formeln und Kurven zu fassen, sollte der Anschaulichkeit dienen. Es in quasi exakte mathematische Formeln zu packen, gleicht einem Glasperlenspiel, das manche VWL-Dozenten halt gern spielen.

                    Funktionierende Märkte tendieren zum Gleichgewicht. Daran ist nichts falsch.

                    • popper 12. Januar 2019, 19:08

                      @CitizenK

                      Mal etwas Grundsätzliches, ohne es persönlich zuzuordnen. Man muss ja nicht gleich jeden, der ökonomische Begriffe in den Mund nimmt, für einen guten VWLer halten. Es gibt ja auch beschissene Ärtze.

                      Was das übliche Angebot-Nachfrage Diagramm als zentrales Lehrbuchelement betrifft, das allen Ökonomen irgendwann mal vermittelt wurde, unterliegt einem zentralen Vorbehalt, der ja permanent unterschlagen wird. Die Ableitung der Angebots-Nachfrage Kurven erfolgt unbestreitbar aus einer mikroökonomischen Perspektive. Als deren zentrale Voraussetzung beinhaltet sie, die völlige Unabhängig voneinander. D.h. die Nachfragekurve leitet sich aus den Präferenzen der Haushalte ab, wogegen die Angebotskurve dem aufsteigenden Ast der Grenzproduktivitätskurve entstammt, welche die abnehmende Produktivität von Produktionsprozessen reflektiert. Nur, und das ist eine unbestreitbare Erkenntnis, Letzteres wird durch empirische Untersuchungen als unhaltbar festgestellt.

                      Das kann man ja stur ausblenden, nur jeder Übergang zum gesamtwirtschaftlichen Modell hebelt die Grundlage des einzelwirtschaftlichen Modells ruckizucki aus, weil es in der Makroökonomie kein ‚ceteris paribus‘! gibt. Das ist dann zwar noch keine Absage, dass es im Kapitalismus so etwas wie Märkte gibt. Nur bleibt dann immer noch die Frage nach deren Funktion unbeantwortet, wenn man nur Schöngeistiges anstelle einer validen Theorie oder einer konsistenten Verfahrensweise zu bieten hat.

                      Wenn man gedanklich schon alles voraussetzt, dessen Zustandekommen nie erklärt wurde, dann kommt man leicht zu allem Möglichen, nur zu keiner schlüssigen Theorie. Wenn der homo oeconomicus optimieren können soll, dann muss er zunächst anhand des gleichgewichtigen Preissystems seine relevante Budgetrestriktion bestimmen, weil er ohne diese gar nicht optimieren oder etwa sein Angebot oder seine Nachfrage bestimmen kann. Er ist sozusagen machtlos, weil ihm die Entscheidungsgrundlage fehlt.

                      Daraus folgt, dass das Angebots-/ Nachfrage-Diagramm der Mikroökonomie, welches Heerscharen von Studenten beigebracht wurde/wird erst dann als analytisches Instrument für gesamtwirtschaftliche Probleme anwendbar ist, wenn das relevante Preissystem bestimmt wurde – und sonst eben nicht, da ist dann nur tote Hose.

                      Diese Grundvoraussetzung (Existenz des gleichgewichtigen Preissystems) kann dann nicht einfach so nonchalant im Rückgriff auf einen ‚deux ex machina‘ (oder eben Auktionator, Unsichtbare Hand) postuliert werden. Das tut aber die Neoklassik und alle geben artig Pfötschen. Insoweit ist die Behauptung, das sei empirisch begründet, purer Zweckoptimismus. Mit Wissenschaftlichkeit hat das noch nichts zu tun.

                    • CitizenK 14. Januar 2019, 11:39

                      @ popper

                      Zu den Angebots- und Nachfragefunktionen: Diese Ableitung ist mMn ein Ergebnis der Pseudo-Verwissenschaftlichung. Man wollte aus der jungen Volkswirtschaftslehre eine „richtige“ Wissenschaft machen und sah und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.

                      Für mich gehört zur VWL unabdingbar die Verhaltenswissenschaft, was leider erst seit wenigen Jahren und nur ansatzweise als Behavioral Economichs an den Hochschulen ankommt. So gesehen ist es ganz einfach. Die Angebots- und Nachfragekurve beschreiben Verhalten: Hohe Preise locken Anbieter an und schrecken Nachfrager ab und umgekehrt (Inverse Verhaltensfunktionen wie bei Prestige- und Luxusgütern mal außen vor). Beim Ölpreis stimmt das sogar mit der Grenzproduktivitätskurve, beim Taxipreis eher nicht. Seit Taxifahren teurer geworden ist, fahre ich weniger. Auch wenn die Preiserhöhung dem Mindestlohn geschuldet ist, den ich befürworte, mein Budget gibt das halt nicht her.

                    • Stefan Pietsch 14. Januar 2019, 15:13

                      Seit Taxifahren teurer geworden ist, fahre ich weniger. Auch wenn die Preiserhöhung dem Mindestlohn geschuldet ist, den ich befürworte, mein Budget gibt das halt nicht her.

                      Das finde ich ein interessante Einlassung. Die Frage, die dahinter steht, ist zentral gewesen für die Gegner des Mindestlohns: ist es sinnvoll, entgeltliche Arbeit abzuschaffen, weil uns die Lohnhöhe nicht passt? In Ihrem Fall wird irgendjemand trotz gestiegener Preise häufiger Taxifahren müssen, um den Volumenverlust aufzufangen. Da das nicht der Fall ist, kommt es in der Tendenz zu Arbeitsplatzverlusten.

                      Es ist ein Dilemma, vor dem jeder steht, der eine Veränderung wünscht: wie stehe ich zu negativen Begleiterscheinungen? Ich persönlich kaufe relativ teure Anzüge, Hemden und was auch sonst. Immer im oberen Preisregal, allerdings deutlich unter elitär. Anzüge für 2.000€ finden sich nicht in meinem Schrank. Dennoch gebe ich wahrscheinlich nicht viel mehr als der Durchschnitt für Kleidung aus, nur kaufe ich halt weniger, damit die Rechnung passt.

                    • popper 14. Januar 2019, 16:34

                      Was sie Beide hier wieder demonstrieren, ist ihr Gefangensein in Denkstrukturen, die Sie auch dann noch verteidigen, wenn das dahinterstehende Modell sich bei konsequenter Anwendung selbst ad absurdum führt. Wenn Sie den Grenznutzen so über alle Maßen schätzen, darf ich Sie auf folgende Beispiele hinweisen:

                      Der Fankfurter Äppelwoi soll für Kenner erst ab dem zweiten und besser noch ab dem dritten Glas schmecken. Oder etwas ernster: ein Münzsammler, dem noch wenige Münzen zur Vervollständigung seiner Sammlung fehlen, ist sicher bereit, für die letzten fehlenden Stücke besonders viel zu zahlen. Das Gleiche gilt für den Aufkäufer einer Aktienmehrheit für die letzten, mehrheitsbeschaffenden Stimmrechte. Und als Gegenbeispiel die Betrachtung sich in der Nachfrage ergänzender Güter: Will jemand mehr Reitpferde halten, benötigt er mehr Futter, sodass sich in den Augen des Rennstallbesitzers aus seiner Präferenz „mehr Reitpferde“ ein steigender Grenznutzen des Futters ergibt.

                      Noch Fragen?

                    • Stefan Pietsch 14. Januar 2019, 16:54

                      Ja.

                      Was ist mit Ihrem dritten, vierten und zehnten Steak am Abend? Würden Sie für das den gleichen Preis bezahlen wie für das Erste? Was würden Sie für den Sand in der Wüste bezahlen? Warum sind Sie nur so in Ihren Denkstrukturen gefangen…?

                    • popper 15. Januar 2019, 11:01

                      @Pietsch

                      Mit ihren Beispielen haben Sie zu dem Grenznutzen-Fetisch lediglich zwei weitere untaugliche Beispiele hinzugefügt, die den Unsinn dieser zwanghaft modellierten Denkfigur nicht beseitigen, sondern eher bestätigen.

                      Eine Betrachtung aus psychologischer Perspektive, kommt zu dem Ergebnis, dass die Grenznutzentheorie auf der Behauptung beruht, es bestehe eine Beziehung zwischen der objektiven Eigenschaft der Höhe der Belohnungen und ihrem subjektiven Wert. Tatsache ist doch, dass trotz seines allgegenwärtigen Einflusses, es tatsächlich wenig direkte empirische Beweise für eine solche Werttheorie gibt, und noch weniger für deren neurobiologische Grundlage. Die Modellierung eines neoklassischen Haushalts beruht somit auf nicht haltbaren Annahmen von Eigenschaften menschlicher Präferenzen.

                      Ich bestreite nicht, dass jeder seine eigenen Denkstrukturen hat, das macht die Vielseitigkeit des menschlichen Geistes aus, nur, das hat nichts mit den ideologischen Verkürzungen hinsichtlich seiner Motive zu tun, wie Sie hier immer wieder generieren.

                      Sind es etwa ganze Steaks oder vielleicht die einzelnen Bisse von Steaks? Wie muss man dieses Gesetz verstehen, wenn ich mir wünsche, „Nessun dorma von Pavarotti“ anzuhören? Besagt das Gesetz dann, dass mir das Hören dieser Musik in der ersten Minute mehr Genuss bereitet als in der zweiten, in der dritten weniger als in der zweiten, bis ich dann schließlich nach einer gewissen Zeit musikalisch gesättigt bin? Oder ist nicht gerade der hohe Ton am Schluss der Arie so triumphal, dass er in seiner stimmlichen Wucht alles andere relativiert und mir erst dann einen vollendeten Genuss bereitet. Dazu das Gegenteil bei meiner Nichte, die schön bei den ersten Takten ihr Interesse verliert. Muss man eigentlich noch mehr dazu sagen, um die Einseitigkeit menschlicher Präferenzen zu belegen, nur weil ein gewisser Herr Gossen sie vor mehr als 150 Jahren niedergeschrieben hat, und die Neoklassik, sie immer noch nachbetet, weil ihr unter anderem ihre ganze Gleichgewichtstheorie um die Ohren fliegt. Unser Verstand kann mehr als sich am neoklassischen Grenznutzen zu berauschen!

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2019, 11:46

                      Sie sind klug genug zu wissen, worum es ging, nämlich die Theorie des abnehmenden Grenznutzens, während Sie sich auf die seltenen Fälle kapriziert haben, wo es umgekehrt läuft. Denen ist stets gemeinsam, dass es nicht um die eigentliche Nutzenbefriedigung, sondern Vollständigkeit geht. Doch Vollständigkeit ist so teuer wie Perfektionismus und taugt daher nicht zur Darstellung von Marktprozessen.

                      Marktteilnehmer verwirklichen meist weder das eine noch das andere, denn genau dafür ist der Preis da. Anbieter erhöhen bei steigenden Preisen ihre Angebotsmenge, während Nachfrager weniger verlangen.

                      Das Weniger und Mehr ist dabei nicht absolut zu sehen, so wie Sie es versucht haben.

                    • CitizenK 15. Januar 2019, 13:09

                      „Fetisch“? Langsam wird’s bizarr.

                      Noch Anfang des 20. Jahrhunderts sah das so aus: „Menschen, die für geringe Löhne teilweise bis zu vierzehn Stunden in Fabriken schuften müssen, deren Kinder hungern und verwahrlosen und deren Bildungschancen gleich Null sind. (…) Die Wohnsituation in Arbeitervierteln ist oft unerträglich. In Berlin beispielsweise leben um 1900 40 Prozent der Familien in Wohnungen, in denen fünf, sechs oder mehr Menschen in einem Raum zusammengepfercht sind. Die Schwindsucht grassiert, ein Großteil der Arbeiterkinder ist unterernährt. In Neukölln, Moabit oder Friedrichshain gibt es sogenannte „Wärmehallen“ – Obdachlosenunterkünfte, die nicht selten mehrere Tausend Menschen pro Tag wenigstens vor dem Erfrieren retten.“

                      Die Zustände im England des Manchester-Kapitalismus sind in jedem besseren Schulbuch nachzulesen. Und die Partei, die das ändern wollte – gegen den Widerstand der Unternehmer, der Politik und sogar der Kirchen, verfolgt einen „Fetisch“? Und „sozial“ soll begrifflich nicht fassbar sein? Nur weil es Ihr Guru nicht kann oder nicht will? Das kann nicht Ihr Ernst sein.

                    • popper 15. Januar 2019, 13:34

                      @Pietsch

                      Ja, ich bin intelligent genug, um zu begreifen, dass Sie keine Antwort auf das Geschriebene geben, sondern wie immer den Akzent verschieben, wenn Sie beim konkreten Streitgegenstand nicht weiter kommen. Dann weichen Sie aus, weil Sie glauben , so den Meinungsstreit zu dominieren. Das mag ihnen gefallen, lässt aber eine zielorientierte, klärende Diskussion nicht zu.

                      Sie sind immer wieder sofort bereit bei der Arbeitslosigkeit oder dem Mindestlohn etc. genau sich dieses Grenznutzens zu bedienen. Da unterstellen Sie dann, dass jemand deshalb arbeitslos wird, weil der Nutzen der Freizeit oder die staatliche „Stütze“im mehr bedeutet und bestreiten das Arbeitslosigkeit auch konjunkturell bedingt sein könnte.

                      Wenn Sie der Meinung sind, dass der Grenznutzen nicht für alle Fälle gilt, d.h. das Modell nicht vollständig anwendbar ist, weil an dessen Stelle die Menschen und deren Präferenzen oder Lebensrealität eine andere ist, dann ergibt sich hieraus eine Ex falso quodlibet. Und wenn Sie uns belehren, dass überhaupt eigentlich das Preissystem dann dafür da ist, dann müssten Sie schon erklären auf welcher Fundierung dieses Preissystem beruht. Dann kommt bei ihnen immer das Prinzip von Angebot und Nachfrage als Grundlage der neoklassischen Gleichgewichtstheorie. Und wenn man nachweist, dass dieses Preissystem auf einer metaphysischen Grundlage, nämlich eines Auktionators und/oder der sogenannten Hidden Hand beruht, dann ist ihr Ausweichmanöver aus dieser theoretische Grundlage inkonsistent, weil, wenn alle Mengenanpasser/Preisnehmer sind keiner mehr übrig ist, der den Preis setzt.

                      On top:
                      Ihr Anspruch, es immer besser wissen zu müssen, ist für mich schon lange nicht mehr nachvollziehbar. Andererseits kann man bei ihnen lernen, dass eine Einsicht in die Sachthemen, sich gerade nicht aus semantischen Fähigkeiten ergibt, sondern aus einem breiten Genealogie des Wissens, was für mich dann auch heißen muss, dass alles Wissen Vermutungswissen im Popperschen Sinne ist. Dass wir aus dem Gedankengebäude des Höhlengleichnises nicht herauskommen und dazu verdammt sind, die Realität jenseits unseres Erfahrungshorizonts zu interpretieren. Das wirft uns zurück auf die Vielfalt von Erkenntnissen im Rahmen unserer Geistesgeschichte. Ich bin alt genug, um zu erkennen, was vielleicht eher eine Befürchtung ist, dass wir heute in einer Welt leben, in der die Omnipotenz des Menschen fröhliche Urstände feiert. Die sich nur noch in hohlen Phrasen von der Einzigartigkeit individueller Möglichkeiten ergeht. Dabei ist interessant, dass eine Regression stattfindet in Denkstrukturen, die kreatürlicher Natur sind und den Gedanken nahelegen, dass unsere Neo-Cortex, als intellektueller Überbau des Hippocampus, recht wenig nützt, wenn es darum geht, Strukturen zu etablieren, die unseren Ansprüchen als gesamte Menschheit gerecht werden. Wenn heute der Meinungsstreit zu Ausgrenzungen führt, ohne jedes Verständnis für das Andere, dann reduziert sich unser Menschsein nicht mehr auf den Streit, um das bessere Argument, sondern um Meinungshoheit jenseits von „Wahrhaftigkeit“.

                    • popper 15. Januar 2019, 13:49

                      @CitizenK

                      Hab‘ ich etwas verpasst? Geht ihr „Fetisch“-Einwand gegen mich? Dann müssten Sie bitteschön schon den genaueren Zusammenhang erklären. Die Grenznutzen-Ideologie ist zentral für den Theorieaufbau der Neoklassik, um Preise für alle Art von Gütern auf die Entscheidungen von Wirtschaftssubjekten zurückzuführen.

                      Könnten Sie ihre Erregung, soweit sie an mich adressiert sein sollte, etwas näher erläutern.

                    • CitizenK 15. Januar 2019, 15:11

                      @popper

                      War an Herrn Pietsch gerichtet. Sorry. Der Blog ist manchmal etwas unübersichtlich.

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2019, 17:51

                      Sie reden von einer Zeit von vor 120 Jahren. Damals war das gebräuchlichste Fortbewegungsmittel die Kutsche oder die eigenen Füße. Menschen arbeiteten zu tausenden in Fabrikhallen, das bekommen sie in kaum einem westlichen Industrieland noch hin.

                      Ein nicht unwesentlicher Teil der heutigen Arbeitnehmer sucht sich seinen Arbeitgeber selbst aus, das war vor 120 Jahren generell undenkbar. Und Sie meinen, das würde zurückgedreht, wenn wir anfangen, von Gerechtigkeit zu sprechen statt von „sozialer Gerechtigkeit“? Das lässt sich als durchaus „bizarr“ bezeichnen.

                    • CitizenK 15. Januar 2019, 18:33

                      # Stefan Pietsch

                      Es ging um den Begriff „sozial“, unter dem sich Ihr Idol Hayek nicht nur nichts vorstellen kann, sondern der angeblich sogar alles ins Gegenteil verkehrt. Das ist bizarr.

                      Wenn Sie „sozial“ in Wörterbüchern nachschlagen, bekommen Sie Synonyme wie: Hilfsbereitschaft, Solidarität, Mitmenschlichkeit, Zugewandtheit, Mitgefühl usw. – alles positiv besetzte Begriffe – Grundwerte einer Gesellschaft. Und erwähnten Sie nicht gelegentlich Jesus Christus als Vorbild? Dann ist Hayek eine Art Antichrist.

                      Der Rückgriff auf die Historie macht deutlich, dass der Begriff eben nicht sinnlos ist. Allenfalls könnte man argumentieren, der Auftrag sei erledigt, die Sozialdemokratie habe sich selbst überflüssig gemacht. Aber das ist eine andere Diskussion.

                      Dem Kind würde ich erklären: Sozial ist, wer teilt. Wer anderen hilft. Wem das Schicksal der anderen nicht egal ist. Un-sozial ist, wer das nicht tut, sondern nur an sich selbst denkt. Wer andere ausnützt. Zum Beispiel.

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2019, 17:53

                      @CitizenK

                      Statt nun in mehr als 3 Kommentaren zu schimpfen, sollten Sie vielleicht beginnen, in 2-3 Sätzen klar abzugrenzen, wo der Unterschied zwischen Ihrem Verständnis von „sozialer Gerechtigkeit“ versus „Gerechtigkeit“ liegt. Und zwar so, dass Sie das einem Kind von 6-12 Jahren erklären könnten. Nicht mir.

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2019, 19:03

                      Es ging mir (wie auch Hayek) nicht um den Begriff „sozial“ an sich, sondern die Zusammensetzung mit anderen, mehr oder weniger klar umrissenen Begriffen.

                      Wir können uns sowohl etwas unter einer Marktwirtschaft als auch unter dem Gerechtigkeitsbegriff vorstellen. Doch garniert mit dem Beiwort „sozial“ verschwindet genau diese Vorstellung. Was ist der Unterschied zwischen einer Marktwirtschaft und einer „sozialen Marktwirtschaft“? Sie können einwenden, dass der Markt mit Sozialsystemen flankiert wird. Doch die Planwirtschaft a’la DDR hat ja bewiesen, dass Sozialsysteme einen Stand alone-Anspruch haben. Marktprozesse werden nicht deswegen sozial, weil Sozialleistungen die Ergebnisse flankieren. Die Sozialleistungen an sich sind sozial.

                      Und so kann eine Verteilung, die sich als „gerecht“ empfindet, zu sozial gewünschten Ergebnissen führen. Die Verteilung selbst ist aber nicht sozial.

                      Sie meinen, das wäre Semantik? Denn sonst müssen Sie erklären, warum eine Einkommensverteilung nicht nur „gerecht“ sein soll, sondern auch noch „sozial gerecht“.

                      Ich denke, in dieser groben Unschärfe liegt auch das Problem mit dem Begriff als Wahlkampfschlager. Wenn Konservative mit „gutbürgerlichen Tugenden“ werben, entsteht vor dem geistigen Auge ein Bild von einer glücklich lächelnden Familie mit Eigenheim und soliden Einkommen. Wenn Grüne „Umwelt“ rufen, denkt jeder sofort an den im Sonnenlicht strahlenden Wald samt plätschernden Bächlein. Kommt die FDP ins Spiel, kommt das Werbeplakat mit dem schlanken jungen Mann / Frau in Anzug ins Spiel, denen man den gutsituierten Status und die Selbständigkeit ansieht.

                      Doch was erscheint, wenn man „SPD“ hört? Soziale Gerechtigkeit? Wie sieht die aus?

                    • CitizenK 15. Januar 2019, 20:31

                      „Was ist der Unterschied zwischen einer Marktwirtschaft und einer „sozialen Marktwirtschaft“?“

                      Das ist eine typische Frage für Klassenarbeiten Gemeinschaftskunde/Sozial(!)kunde in der Mittelstufe. Wenn Sie Kinder haben, finden Sie bei denen bestimmt ein Arbeitsblatt. Erwartet werden i. d. R. mindestens diese Punkte:
                      – Sicherung des Wettbewerbs durch eine Behörde (Kartellamt)
                      – Korrektur der Markteinkommen durch eine (progressive) Besteuerung
                      – Sozialgesetze (Kündigungsschutz, Mutterschutz, Arbeitsschutzgesetze usw.)
                      Unklar ist allenfalls, was unter „marktkonformen Eingriffen“ des Staates zu verstehen ist. Aber das würde hier jetzt zu weit führen.

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2019, 21:39

                      Erwartet werden i. d. R. mindestens diese Punkte:
                      – Sicherung des Wettbewerbs durch eine Behörde (Kartellamt)

                      Sherman Act von 1890, Antitrust-Gesetze – check!

                      – Korrektur der Markteinkommen durch eine (progressive) Besteuerung

                      Marginal and effective federal income tax rates in the U.S.
                      https://en.wikipedia.org/wiki/Income_tax_in_the_United_States

                      Check!

                      – Sozialgesetze (Kündigungsschutz, Mutterschutz, Arbeitsschutzgesetze usw.)

                      In den USA ist auf dem Papier zwar Fire möglich, tatsächlich jedoch weitgehend ausgeschlossen. Das heißt dann Lay-Offs und bedeutet, dass bei arbeitgeberseitigen Kündigungen umfangreiche Compensation Packages gewährt werden. Auch die Schweiz kennt keinen klassischen Kündigungsschutz, wonach unter Bedingungen Kündigungen verboten sind.

                      Occupational Safety and Health Administration
                      https://www.osha.gov/law-regs.html

                      Check!

                      Ergebnis unserer Prüfung: Die USA, Hort des reinen Kapitalismus, hat eine soziale Marktwirtschaft. Okay, kein Amerikaner nennt das so, aber nach unserer Definition ist das eindeutig. Gratulation!

                      Jetzt wüsste ich noch, wo es zwar eine freie, nicht jedoch eine soziale Marktwirtschaft gibt.

                    • CitizenK 16. Januar 2019, 07:05

                      Für’s Protokoll: „Freie Marktwirtschaft“ und „Soziale Marktwirtschaft“ sind Idealtypen. Reale Systeme sind dem einen (USA) oder dem anderen (BRD) näher. Den Lehrbuch-Idealtyp „Zentralverwaltungswirtschaft“ kann man vergessen.

                      Sie wollen nicht diskutieren, sondern gewinnen. Es sind schale Siege, finde ich.

                    • popper 16. Januar 2019, 09:00

                      @Pietsch

                      Die USA, Hort des reinen Kapitalismus, hat eine soziale Marktwirtschaft (…) Jetzt wüsste ich noch, wo es zwar eine freie, nicht jedoch eine soziale Marktwirtschaft gibt.

                      Zunächst widersprechen Sie damit ihrer eigenen Aussage von weiter oben, wo Sie darauf hinweisen: …Marktprozesse werden nicht deswegen sozial, weil Sozialleistungen die Ergebnisse flankieren. Die Sozialleistungen an sich sind sozial…

                      Sie verstehen es auch hier wieder meisterhaft, den Streitgegenstand mit einem sinnentleerten Zirkelschluss zu vernebeln, um ihn dann mit ihrer eigenen schiefen Beweisführung zu definieren. Und lassen außer acht, dass auch Sozialleistungen nicht zwingend sozial sind, da Bezeichnung und das zu Bezeichnende niemals identisch sind.

                      Damit bestätigen Sie die Vorbehalte und kritischen Punkte von z.B. @CitizenK u.a. und wollen nur einmal mehr demonstrieren, selber deren Sinnstifter zu sein. Einfältiger geht es nicht. Dass Sie damit jedes Mal ein endloses Chaos, ohne erkennbares Ziel anrichten, ist ihnen vielleicht nicht bewusst, aber genau so. Eine fruchtbare Diskussion sollte ein Meinungsaustausch sein, keine Präsentation persönlicher rhetorischer Vorzüglichkeiten, Worte und/oder Begriffe bis zur schieren Unkenntlichkeit mit Teilaspekten umzudefinieren, damit nur nicht das herauskommt, was ein anderer gesagt hat. Dass diese Feststellung bei ihnen keine positive Resonanz findet, ist jedem, der ihren Diskussionsstil schon längere Zeit erträgt, völlig klar. Sollte aber von Zeit zu Zeit in Erinnerung gerufen werden.

                    • Stefan Pietsch 16. Januar 2019, 09:00

                      Nein, ich will nicht siegen. Was ist in einer Debatte denn ein Sieg? Das ist ähnlich unbestimmt wie Begriffe mit dem Beiwort „sozial“. Darum ging es mir, den Beweis, dass es nicht möglich ist, diese Begriffe wirklich zu definieren und zu umreißen. Sie haben wahrscheinlich gesehen, dass das wirklich alles andere als einfach ist – so wie es bereits Friedrich August von Hayek gesagt hat.

                      Alles andere entschuldige ich mich, wenn das so rüberkam. Ich will nicht gewinnen, ich will streiten.

                    • Stefan Pietsch 16. Januar 2019, 09:05

                      @popper

                      Sozialleistungen sind per definitione sozial. Sozial ist ja keine objektiv messbare Einheit wie Meter oder Liter, nicht einmal eine Konvention, sondern ein Empfinden. Und wer von einer sozialen Marktwirtschaft sucht, möchte eventuell sogar das Gegenteil finden. Nicht umsonst lässt das Grundgesetz diese Möglichkeit implizit zu.

                      Dass diese Feststellung bei ihnen keine positive Resonanz findet, ist jedem, der ihren Diskussionsstil schon längere Zeit erträgt, völlig klar. Sollte aber von Zeit zu Zeit in Erinnerung gerufen werden.

                      Danke.

                    • popper 16. Januar 2019, 12:35

                      @Pietsch

                      Sie wissen, dass ich ein Verehrer Karl Poppers bin, deshalb hier seine Aussage zu Definitionen:

                      Nicht durch die Definition wird die Anwendung eines Begriffes festgelegt, sondern die Verwendung des Begriffes legt das fest, was man seine ‚Definition‘ oder seine ‚Bedeutung‘ nennt. Anders ausgedrückt: Es gibt nur Gebrauchsdefinitionen.

                      Sie kennen ja sicher den verballhornten Satz: Sozial ist, was Arbeit schafft. Daran können Sie vielleicht (?!) erkennen, was für ein Schindluder mit dem Begriff „sozial“ getrieben wird. Das Gleiche gilt für „Reformen“.

                      Im Übrigen halte ich mit Popper nichts von Was-ist-Fragen, weil sie in einen unendlichen Regress führen, der sich von einer Begriffsdefinition zur anderen hangelt. Mein Einwand gegen ihre Wortseziererei bezog sich ja auf ihren untauglichen Versuch zu bestreiten, dass es überhaupt eine „Soziale“ Marktwirtschaft gibt ( Marktprozesse werden nicht deswegen sozial, weil Sozialleistungen die Ergebnisse flankieren ). und der daran anschließenden Kontradiktion, es gäbe überhaupt keine Marktwirtschaft, die nicht sozial sei ( Jetzt wüsste ich noch, wo es zwar eine freie, nicht jedoch eine soziale Marktwirtschaft gibt ).

              • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 13:18

                Sag ich ja.

          • Erwin Gabriel 10. Januar 2019, 01:57

            @ CitizenK 9. Januar 2019, 12:02

            Gerade wenn die Ressource knapp ist müsste der Preis steigen. Ihre Beispiele widerlegen Ihre eigene Argumentation.

            Kann ich nicht nachvollziehen; die Gehälter steigen doch.

            Bau-, Maschinenbau- oder Informatik-Ingenieure, Mechaniker, Mechatroniker, LKW-Fahrer etc. werden händeringend gesucht. Die angebotenen Gehälter sind von ordentlich bis rasant gestiegen. Studenten werden bereits ab dem zweiten Semester abgefischt, Unternehmen laden zu Kennenlern-Veranstaltungen ein, die Jobbörsen sprießen, es gibt regelrechte Jobmessen. Was hilft es, wenn es nicht genügend Fachkräfte gibt?

            Ich habe vor drei, vier Jahren eine bestimmte Stelle ausgeschrieben, und bekam zwei Dutzend Bewerbungen aus ganz Deutschland; acht Kandidaten habe ich mir angeschaut, eine davon eingestellt. Letzten Sommer das Gleiche: Nur eine Bewerbung – habe ich eingestellt, funktioniert, Glück gehabt.

            Ist keine Frage des Geldes…

            • CitizenK 10. Januar 2019, 07:37

              Wirklich keine Frage des Geldes?

              Der Bahn fehlen Tausende Lokführer, weshalb sie jetzt Flüchtlinge ausbilden will. Hier in der Region müssen Buslinien eingestellt werden, weil keine Busfahrer verfügbar sind. Die LKW-Fahrer haben Sie selber genannt, die Krankenschwester steht immer im Raum. Für Fachkräfte auf diesem Niveau müsste der Talentpool unseres Landes eigentlich ausreichen.

              Früher gab es einen eklatanten Mangel an „Müllmännern“, pardon: Mitarbeitern der Abfallentsorgung. Seit die ordentlich bezahlt werden, gibt es für diese unschöne und wenig prestigeträchtigen Tätigkeit keinen „Fachkräfte“-Mangel mehr. Gutes Geld entschädigt für manches.

              Wenn die Gesellschaft bestimmte Tätigkeiten braucht, muss sie dafür halt bezahlen. Bei der Pflege und bei Bus&Bahn hat man halt die Qualität runtergefahren statt die Gehälter anzuheben.

              Mit einer Erhöhung des Lohnniveaus insgesamt würde auch das (an sich valente) Argument wegfallen, dass die bei einer Lohn-Preis-Erhöhung die Kunden zur Konkurrenz gehen. Diese Diskussion gab es schon vor der Einführung des Mindestlohns. Der hat die deutsche Wirtschaft so wenig ruiniert wie einstmals der Katalysator die Autoindustrie.

              • Stefan Pietsch 10. Januar 2019, 08:47

                Noch einmal die Frage: wo kommen diese Leute her? Sitzen da hunderttausende ausgebildete Lokführer und warten darauf, dass die Bahn vorbeischaut? Wie ist da Ihre Vorstellung?

                Laut Bundesagentur für Arbeit sind von den 1,3 Millionen Langzeitarbeitslosen der Großteil von weit geringerer Bildung als die übrigen Beschäftigten. Ausgebildete Lokführer sind da nicht im Dutzend darunter. Möchten Sie in einem Zug sitzen, der von einem 39jährigen ehemaligen Hartz-IV-Empfänger geleitet wird, der in früheren Jahren die Hauptschule abgebrochen hat und aufgrund von Sprachschwierigkeiten die Anweisungen der Leitstelle nur teilweise versteht? Oder würden Sie nicht lieber von einer vollautomatisierten Bahn gefahren werden? Und wenn wir heute ausbilden, dauert es 7-10 Jahre, bis wir in einem Beruf einen guten, erfahrenen Mitarbeiter haben. Die werden nicht geschnitzt. Können Sie mir sagen, ob wir im Jahr 2028 einen erhöhten Bedarf an Lokführern und Mechanikern haben werden? Wird da Hochkonjunktur oder Rezession sein?

                Der Job als Lokführer ist übrigens im Durchschnitt fast schon exzellent vergütet. Bei den Pflegeberufen beherrscht der Staat den Markt. Wenn also die Länder und Gemeinden heute beschließen, die Tarife zu verdoppeln, werden die Privaten wohl oder übel nachziehen oder das Geschäft aufgeben müssen. Haben Sie eine Petition unterschrieben, die Ihren Bürgermeister auffordert, für höhere Gehälter einzutreten? Und erklären Sie sich gleichzeitig bereit, dass die Müllgebühren um 50% erhöht werden?

                • CitizenK 10. Januar 2019, 09:44

                  Wie erklär‘ ich’s meinem Kinde? Die Wirtschaftswoche hat’s versucht:

                  „Traumberuf Lokführer? Vielleicht im Poesiealbum, aber nicht im Ernst des Lebens. Inzwischen fallen sogar Züge aus, weil es nicht genügend Fahrer gibt. Lokführer ist heute ein Mangelberuf – ein Grund dafür: das Gehalt. (Artikel von WirtschaftsWoche Online)“

                  https://orange.handelsblatt.com/artikel/37938

                  Was eine „excellente Vergütung“ ist, liegt wohl im Auge des Betrachters. Was Lokführer verdienen – im Vergleich zu vergleichbaren Nachbarländern, kann jeder googeln.

                  • Stefan Pietsch 10. Januar 2019, 09:46

                    In der Kurzvariante, da die Langversion in 3 Anläufen nicht verstanden wurde: Woher (!!!!!) holen Sie wen (!!!!!!)?

                    • CitizenK 10. Januar 2019, 09:57

                      Neuer Versuch: Lehrer statt Lokführer – hier gelten ähnliche Rahmenbedingungen: Talentpool, Ausbildungszeiten usw.

                      Berufseinsteiger gehen in die Bundesländer, die bessere Bedingungen bieten – oder gleich in die Schweiz, wo sie fast das Doppelte verdienen. Wie Ärzte.

                      Weil die Einstiegsgehälter gesenkt wurden, gingen viele mögliche Bewerber lieber in die „freie“ Wirtschaft, wo mehr bezahlt wird. Aus diesem Grund (!) wird die Absenkung der Einstiegsgehälter jetzt wieder revidiert.

                      Und das soll mit Geld nichts zu tun haben? Selbst die von Ihnen verachteten Bürokraten in den Ministerien haben durch Erfahrung was über den Marktmechanismus gelernt – mehr als Sie? Verkehrte Welt.

                    • Stefan Pietsch 10. Januar 2019, 10:19

                      Natürlich hat das mit Geld zu tun, ändert aber nichts daran, dass es grundsätzlich zu wenige sind. Wenn wir zu wenig Brot haben, können wir zusätzliches backen. Das geht bei Erwerbspersonen weniger.

                      Ihr Argument, auf das Sie aber scheinbar hinauswollen, zählt nur bedingt: Wenn die Länder bessere Bedingungen bieten würden, würden weniger Menschen in die Privatwirtschaft. Erstens, die Privatwirtschaft wird immer besser zahlen können. Zweitens: hat sich heute jemand für den Steuerberater entschieden, kann er von der Finanzverwaltung nicht mehr gewonnen werden. Dagegen stehen schon die staatlichen Restriktionen.

                      Genauso verhält es sich in der Wirtschaft: ein mittelständisches Unternehmen kann nicht mit den Löhnen eines DAX-Konzerns konkurrieren, da liegt ein Teich dazwischen. Wenn beispielsweise das Pharmaunternehmen Roche eine Umatzrendite von 30% erwirtschaftet, wird dagegen ein Mittelständler mit 5% kaum konkurrieren können. Roche wird dann immer 20% höhere Löhne zahlen können, ohne in Armut zu verfallen. Den Mittelständler drückt es aber in die Verlustzone.

                      Generell ist es schwer, Öffentlichen Dienst und private Wirtschaft zu vergleichen. Der ÖD bietet Arbeitsplatzsicherheit, geringe Arbeitszeiten und soziale Leistungen wie privater Krankenversicherungsschutz. Das muss man sich gegen rechnen lassen.

                  • Stefan Pietsch 10. Januar 2019, 10:26

                    Stellen Sie sich vor, die Bahn wirbt heute 100.000 junge Leute von den Schulen an, um sie zu Lokführern zu machen. 2023 sind die fertig, 2026 können sie eigenständig einen Zug leiten. Von 2026-2031 wird die Steuerung von Triebwagen großflächig den Leitzentralen übertragen, nur noch eine geringe Zahl an Lokführern wird für die ICEs benötigt.

                    Die Bahn ist ein Unternehmen, dass keine Mitarbeiter breitflächig entlässt, betriebsbedingte Kündigungen sind weitgehend unbekannt. Was machen Sie mit dem Lokführer, der mit Ende 20 in seinem Job nicht mehr benötigt wird? Sie wären der Letzte, der sich dann für Kündigungen aussprechen würde.

                    Es gehört zum Wesen des Managers, dass er langfristiger denken muss. Da muss man sich zeitweise halt von schlauen Zeitgenossen vorhalten lassen, Dinge versäumt zu haben, die natürlich andere gesehen haben. Berufsrisiko.

                • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 13:17

                  Wäre ich, ja.

              • Erwin Gabriel 11. Januar 2019, 12:12

                @ CitizenK 10. Januar 2019, 07:37

                Wirklich keine Frage des Geldes?

                Es gab schlicht keine Bewerber, mit denen man ein Gehalt hätte aushandeln können.

            • popper 14. Januar 2019, 17:53

              Kann ich nicht nachvollziehen; die Gehälter steigen doch.

              Ja, die Gehälter steigen, aber zu gering. Wenn, wie bei der Bahn, 6,1% auf eine Laufzeit von 29 Monate, dann kommt nach Abzug der In fnlation nicht viel rum. Meine Schwiegermama ist Schweizerin, die zahlt ihrer Putzfrau 25.- CFR die Stunde, das verdient bei uns keine PersonalarbeiterInn. In Deutschland arbeiten immer noch 20% für weniger als 10.-€. Das deutsche Lohndumping ist für die unteren 40% der Erwerbstätigen noch lange nicht beendet.

              • Stefan Pietsch 14. Januar 2019, 19:01

                Waren Sie mal in der Schweiz, z.B. in Genf oder Zürich? Für 25 CFR bekommen Sie kaum ein Essen. Zudem: die 25 CFR kosten den Arbeitgeber 26,55 CFR und die Dame behält davon 21,50 CFR übrig.

                Wenn in Deutschland eine Putzfrau 14€ bezahlt bekommt, kostet dies den Arbeitgeber 16,74€, während sie lediglich 9,11€ ausbezahlt bekommt.

                Vergleichen wir: Zum Kurs von 2005 kostete die Putzfrau in der Schweiz 17€, das ist ziemlich das selbe, was eine Putzfrau auch in Deutschland, in Frankfurt, München, Hamburg problemlos erzielen kann – wohlgemerkt: All-in. Dafür ist das Leben in der Schweiz grundsätzlich teurer.

                Merken Sie was? Der deutsche Staat ist viel gieriger und nimmt selbst Leuten mit unterdurchschnittlichem Einkommen zuviel. Und auch, dass sich die Währung so angenähert haben, ist der Verursacher der Staat.

                • CitizenK 14. Januar 2019, 19:06

                  Wenn die Putzfrau allerdings zum Zahnarzt muss, sieht die Rechnung ganz anders aus. In der Schweiz gibt’s dazu Null Stutz von der Kasse. Dafür muss sie lange schrubben.

                  • Stefan Pietsch 14. Januar 2019, 19:28

                    Das kommt darauf an. Für Kronen oder Brücken gibt es in Deutschland auch praktisch keine Zuzahlung. Herr popper – dessen Beispiel es ist – wollte ja darlegen, wie gut es die Putzfrau in der Schweiz hat. Eins ist ja auch richtig: in Deutschland würde eine solche Dame fast immer schwarz arbeiten, da die Abgabenbelastung für beide Seiten einfach unangemessen hoch ist. Und dann sieht die Rechnung für sie noch besser aus.

                    Über den Wechselkurs übrigens merken wir das Verarmungsprogramm der Euro-Rettungspolitik mittels Zentralbank. Im Vergleich zu Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz oder auch Australien sind die Deutschen in den vergangenen 10 Jahren soviel ärmer geworden, das kann kein normaler Arbeitgeber ausgleichen.

                    Eigentlich eines von Herrn poppers Lieblingsthemen…

                    • popper 16. Januar 2019, 11:03

                      @Pietsch

                      Herr popper – dessen Beispiel es ist – wollte ja darlegen, wie gut es die Putzfrau in der Schweiz hat.

                      Wie kommen Sie darauf. Fakt ist, dass die Putzfrau in der Schweiz 22.- Euro pro Stunde verdient. Das wären bei 174 Std./mtl. in Deutschland 3.328.- Euro brutto. Es ging um ihre Behauptung in Deutschland würden die Gehälter üppig steigen. Gemessen an der Produktivität und der Inflationszielrate sind die deutschen Löhne aber um mindestens 20% zu niedrig.

                      Die Schweiz hält nach wie vor durch Devisenkäufe den CHF niedrig. Die Aufkäufe belaufen sich inzwischen auf eine Summe von fast 1 Mrd. Was übrigens etwas aussagt über das Aufkaufprogramm der EZB, das aus Deutschland getadelt wurde, wegen Inflation und so. Was Sie aus totaler Unkenntnis der Materie einfach hier wieder nachplappern. Man kann es nur nochmal wiederholen: Es gibt kein Recht auf Zins. Die Behauptung dieser sei ein Mehr an Nettogeldvermögen, das durch die EZB den Sparern vorenthalten wird, zeigt nur das totale Unverständnis in geldtheoretischen Fragen. Die Zahlen, die in den erkenntnisfreien Gazetten kursieren sind, vornehm ausgedrückt, ein Schmarren.

                    • Stefan Pietsch 16. Januar 2019, 13:05

                      Fakt ist, dass die Putzfrau in der Schweiz 22.- Euro pro Stunde verdient.

                      Nö, gerade Sie, der bei Geldwerten immer den Standpunkt vertritt, alles wäre relativ, darf so etwas nicht behaupten. Die Dame verdient entweder 22€ zu heutigen Kursen oder 17€ zum Kurs von 2005. Der Unterschied ist allein der durch die Zentralbanken gemachte.

                      Wenn Sie in Genf in einen Apple Store gehen, um das neuste iPhone käuflich zu erwerben, wird dies möglicherweise 20% teurer sein als in Deutschland. Macht nichts, sagen Sie, dann kaufe ich es halt in Hannover.

                      Was machen Sie? Sie schauen allein auf den Gesamtpreis, Sie interessiert nicht der Nettowert ohne Umsatzsteuer, genauso wenig die die örtlichen Kosten, die eingeflossen sind. Auch sind Ihnen Wechselkurse egal. Das ist bei Dienstleistungen genauso. Die Stunde Putzen kostet in München ziemlich genau das Gleiche wie in Zürich. Der lokale Arbeitgeber, der die Putzhilfe seit 2005 beschäftigt schaut ja auch nicht, ob der Wechselkurs zur, sagen wir, Schweiz, gestiegen oder gesunken ist. In interessiert allein, wie die jährlichen Preissteigerungen für die Dienstleistung ausfallen. Hat die Dame in der Schweiz in den vergangenen 13 Jahren Lohnsteigerungen erfahren, die den Lohn von umgerechnet 17€ All-in auf 23€ All-in springen ließen? Nein.

                      Warum erwarten Sie das von einem deutschen Arbeitgeber? Dann kommen Sie mit dem Zins um die Ecke, obwohl kein Wort davon die Rede war. Dass sich der Wechselkurs so zugunsten der Schweiz verschoben hat, ist einzig der Geldwertstabilität der Notenbanken geschuldet. Sie haben in dieser Hinsicht ihren Job nicht gemacht, nämlich für Wechselkursstabilität nach außen zu sorgen.

                      Und warum haben sie das nicht gemacht?

                    • Stefan Pietsch 16. Januar 2019, 13:13

                      Gemessen an der Produktivität und der Inflationszielrate sind die deutschen Löhne aber um mindestens 20% zu niedrig.

                      Wie kommen Sie darauf?

                      Nebenbei: die Inflationszielrate interessiert niemanden. Oder gehen Sie in ein Geschäft und beschweren sich über den zu geringen Preis? „Oh, das Notebook ist günstiger geworden! Lieber Verkäufer, denken Sie an die Inflationszielrate!“

                      Wenn die Preise nicht gestiegen sind, sind sie nicht gestiegen, da können wir keinen kalkulatorischen Wert dranhängen. Denn am Ende gilt: der Lohnempfänger hat keine entsprechende Entwertung seines Entgelts erfahren. Daher kann ich auch nicht sagen, er hätte mehr bekommen müssen als Inflationsausgleich. Er muss ja auch keine höheren Preise zahlen.

                      Wo bildet sich in Ihren Überlegungen eigentlich der Abbau der Arbeitslosigkeit oder, wenn Ihnen das lieber ist, die Erhöhung der Erwerbsarbeit ab? Wenn die Löhne gemäß der Inflation und der Produktivitätssteigerung zunehmen, kann es definitionsgemäß keinen Spielraum für einen Abbau von Arbeitslosigkeit und Ausweitung der Erwerbsarbeit geben. Genau das ist aber seit 2005 passiert. Wie findet sich das in Ihren Überlegungen?

                    • popper 17. Januar 2019, 11:44

                      @Pietsch

                      Ihre Relativierungen sagen nicht viel über den Sachgegenstand aus

                      Nach einer Untersuchung der ETH Zürich betragen die Lebenshaltungskosten in der Schweiz mtl. 2.250.- CHF=1.990.- €. In Deutschland belaufen sich die Kosten laut Bundesministerium für Bildung und Forschung auf 2.480.- €/2.804.- CHF. Das heißt, die Putzfrau in Deutschland kann sich einiges weniger für ihre 17.-€*174 Std.=2.958.-€/3.344.-CHF leisten, als ihre Kollegin in der Schweiz (25.-CHF*174 Std.= 4.350.-CHF/3.847.-€.

                      Was ihre Einlassung zur Geldwertstabilität betrifft, was ich für einen völlig unadressierten und falschen Begriff halte, der Vorstellungen assoziiert, die nichts aussagen, ist die Schweiz ein Land, dass durch seinen Finanzplatz Gelder aus aller Welt anlockt, sodass der Franken immer in der Gefahr War/ist, „durch die Decke zu gehen“. Da der Devisenmarkt, diese Tendenz noch befördert, musste die SNB intervenieren und durch den Verkauf von Franken, den Wechselkurs auf ein für die schweizer Wirtschaft erträgliches wettbewerbsfähiges Preisniveau zu drücken. Das hat übrigens die Deutsche Bundesbank in den 60ziger Jahren ebenfalls in Hinblick auf den Dollar getan. Natürlich macht die Schweiz, wie alle Zentralbanken, daraus noch ein Geschäft, indem sie die Eurobestände wieder anlegt, bzw. Euro Anleihen davon kauft. Das heißt, entgegen ihrer Behauptung hat die SNB sehrwohl ihren Job getan. Das da bei einigen Leuten gleich wieder das Geraune über die Bilanzausweitung der Zentralbank losgeht, ist halt dem Unverständnis über unser heutiges Geldsystem geschuldet, das den Zentralbanken unbeschränkt die Möglichkeit verschafft, Zahlungsmittel zu emittieren, da es keiner Absicherung in irgendwas bedarf. Das ausgegebene Zahlungsmittel ist keine Forderung gegen die Zentralbank mehr, sondern das Zahlungsmittel sui generis. Würden das manche Dodel in Deutschland begreifen, würden sie nicht ständig die Leute mit ihren Horrorgeschichten über Target2 u.a.m. verrückt machen.

                    • Stefan Pietsch 17. Januar 2019, 12:29

                      Nach einer Untersuchung der ETH Zürich betragen die Lebenshaltungskosten (..).

                      Sorry, Herr Popper, das ist nicht Ihr Ernst. Was ist das, die Lebenshaltungskosten einer Person, eines Stammes, Ausgaben im Schweizer Land versus München? Bitte verlinken Sie die Studie, da die Ergebnisse schlicht absurd erscheinen. Jeder, der mal in Basel, Bern oder Zürich war, hat die Erfahrung gemacht, das wirklich alles bei den Eidgenossen teurer ist – bis hin zum Wohnen. Wo soll der Unterschied herkommen?

                      Nochmal: Sie rechnen nicht die tatsächlichen Kosten, denn hierzu müssten Sie die eigentlichen Kosten des Arbeitgebers einbeziehen. Und Sie drücken sich um die Frage, wie eigentlich mit den Währungsveränderungen seit 2005 umzugehen ist. Denn nur durch diese stellt sich Ihre Beispiel-Putzfrau heute so viel besser als wenn man den Vergleich 2005 herangezogen hätte.

                      Sie bleiben überhaupt viele Antworten schuldig. So hatte ich gefragt, wie Sie darauf kommen, dass die deutschen Löhne 20% zu niedrig angesetzt seien. Stattdessen werfen Sie Nebelkerzen. Sie führen lange aus, welche Geldpolitik in Bern gemacht würde, vergleichen aber gleichzeitig ohne jede Hemmung den Lohn einer Putzfrau in der Schweiz mit der in Deutschland.

                      Übrigens sind Ihre Ausführungen zur Geldpolitik in dieser Hinsicht irrelevant. Der gleiche Effekt gilt für den australischen Dollar, der ebenfalls seit 2005 um ein Drittel aufwertete. Wir können noch mehr Staaten außerhalb des Dollar/Euro-Raums (und Yen) nehmen, und es gilt meist der gleiche Effekt: wenn die Notenbank nicht massiv zur Stützung der Wirtschaft eingegriffen hat, haben die Währungen aufgewertet. Das ist der Preis der Rettungspolitik, den Sie immer bestreiten. Und den bezahlt im Zweifel auch die Putzfrau.

                    • popper 23. Januar 2019, 18:21

                      Das hier sind gesittete Debatten? Na ja. Auch da steht es jedem frei zu antworten oder zu schweigen. Sie sind offensichtlich noch zu sehr geprägt von der Vorstellung aus der Kindheit, wo Kinder auf fragen zu antworten hatten. Auch im Arbeitsleben wird dieser Grundfehler perpetuiert, weil Vorgestzte meistens keine Führungsqualitäten besitzen und meinen, sie könnten mit einer derartigen Attitüde bei ihren Mitarbeitern reüseiren. Autonome und authentische Menschen sind immer frei, zu entscheiden, ohne sich rechtfertigen zu müssen, warum sie so handeln, wie sie handeln. Außerdem habe ich oben sogar Gründe genannt, die mich veranlassen, im einen oder anderen Fall, nicht auf ihr Insistieren einzugehen.

              • Stefan Pietsch 14. Januar 2019, 19:10

                In den vergangenen 29 Monaten sind die Preise um 4,4% angestiegen, bei einem Abschluss von 6,1% behält der Bahn-Mitarbeiter also ein deutliches Plus übrig – bei einem Unternehmen, das praktisch keine Produktivitätssteigerungen aufweist.

                Des Weiteren machen Sie einen typischen Fehler beim statischen Denken: die Lohnerhöhung wird jetzt gezahlt, auf einen Schlag (bzw. in 2 Schritten) hat ein Lohnempfänger 6,1% mehr, während die Entwertung erst danach in kleinen Schritten eintritt. Erst am Ende der 29 Monaten beträgt das monatliche Plus nur noch 1,7%, heute jedoch 6,1%.

                Ihre Rechnung passt aber noch aus einem weiteren Grund nicht: neben der Tariferhöhung gibt es noch eine Einmalzahlung von 1.000€, was noch einmal bis zu 2% gerechnet auf die Laufzeit ausmachen kann. Insgesamt sind das also abzüglich der Inflation selbst bei Auslaufen des Tarifvertrages somit bis zu 3,7%. Das ist eine saftige Steigerung.

                • popper 16. Januar 2019, 10:30

                  @Pietsch

                  Ihre Rechnung ist schlicht hanebüchen. Sie können ja gerne genauer nachrechnen. Ich wollte ja nur einen Richtwert angeben: 6,1/29*12 = 2,52 p.a. Ihre nicht überprüften 2% Einmalzahlung ergeben 2/29*12 = 0,83%, Das wären dann insgesamt 3,35% p.a. In der gesamten Laufzeit kommt aber eine Inflationsrate von sagen wir durchschnittlich von 1,9% p.a. zum Abzug. Dann führt das zu einer jährlichen Reallohnsteigerung von 3,35% – 1,9% von 1,45% p.a. Das ist alles andere als üppig. Ihre 3,7% sind eine reine Fantasiezahl.

                  • Stefan Pietsch 16. Januar 2019, 11:44

                    Okay, Mathe für die Sekundarstufe:

                    Im Zeitpunkt Null erhält jemand eine Gehaltssteigerung von 6,1%. Wieviel höher liegt sein Einkommen am Punkt Null und am Punkt t+29? Antwort: jeweils im Index 106,1.

                    Soweit verstanden? Wenn die Preise (Monate 06/2016 – 11/2018) im Zeitpunkt 0 = 100 sind, der Preisindex bei t=0 107,6 beträgt und bei t+29 112,4, um wieviel Prozent sind die Preise in 29 Monaten gestiegen?

                    Antwort: Bei einem Preisindex von 104,4.

                    Frage: Wie groß ist die Differenz zwischen der Lohnsteigerung im Index 106,1 und dem Preisindex zum Zeitpunkt t+29?

                    Antwort: 3,7 (%). Das ist keine Phantasiezahl, sondern kalte Mathematik anhand realer Zahlen. Ihr(e) Fehler (Mehrzahl): Sie rechnen die Einmalerhöhung des Tarifs durch die Monate und rechnen das auf Jahresbasis um. Sie (wollen) also so tun als bekäme der Beschäftigte jeden Monat eine Gehaltserhöhung, statt eine schnelle Erhöhung. Dazu verhaspeln Sie sich noch, in dem Sie nicht berücksichtigen, dass jede Erhöhung dann wieder auf einem erhöhten Betrag aufbaut. Ihre Zahl von 2,52% sagt damit nichts aus, sie ist nicht einmal eine theoretische Größe.

                    Diese Aufgabe ist für einen Siebtklässler lösbar und zeigt damit, wie weit man sich oft vom Schulwissen entfernen kann mit zunehmenden Lebensjahren.

                    Nun komme wir noch zu der Einmalzahlung von 1.000€. Sie fließt einmal zu, erhöht aber nicht das Entgelt dauerhaft. Im Zeitpunkt t = 0 bedeutet dieser Betrag jedoch eine Steigerung des gesamten Entgelts über die Laufzeit von 29 Monaten bei einem Monatslohn von 1.800€ (29*1800) eine Erhöhung über die gesamte Laufzeit von 1,9%. Das bedeutet, bei t+29 liegt der Lohn des Beschäftigten – wenn er die 1.000 Euro auf ein Sparkonto legt und jeden Monat 1/29 abhebt – um 5,6%-Punkte über der Preissteigerung.

                    Ja, das kann man als üppig bezeichnen. Die Einkommensposition wurde netto deutlich verbessert.

                    • popper 16. Januar 2019, 16:57

                      @Pietsch

                      Ihre frechen Behauptungen zeigen doch nur, dass Sie entweder keine Ahnung von der Materie haben oder wieder nur Nebelkerzen werfen.

                      Ich war jahrelang bei Tarifabschlüssen der Gewerkschft deutscher Bühnenangestellter (GDBA) beteiligt und weiß im Gegensatz zu ihnen, von was ich rede.

                      Bei Prozentrechnungen in Tarifabschlüssen muss man genau wissen, worauf man sich bezieht. Denn bei Tarifabschlüssen rechnet man immer auf einen Zeitraum von 12 Monaten, sonst kann man überhaupt keinen Bezug herstellen zur jährlichen Produktivität und Inflationsrate. Und eine Einmalzahlung geht, wie Sie richtig feststellen, nicht ins Lohnniveau für die nächsten Jahre ein, spielt also keine besondere Rolle, da sie für Monate gezahlt wird, die zwischen dem Begin Laufzeit des TV und der ersten Lohnerhöhung liegen.

                      Im Falle des EVG Abschlusses sind das 9 Monate. Insoweit war meine Rechnung absolut zutreffend. Wogegen ihr Zahlenwerk eine Blamage und ein weiteres Zeugnis für ihre intellektuelle Unredlichkeit ist.

                      Der Kalauer mit den 1.000.- € auf dem Sparkonto und der mtl. Abhebung, ist ja mit verquertem Denken gar nicht mehr zu motivieren. Das ist Realsatire von einem anderen Stern und keine seriöse Erklärung für Tarifabschlüsse.

                    • Stefan Pietsch 16. Januar 2019, 17:21

                      Nun ja, die Replik zeigt ja eher, dass Sie mit der Mathematik auf Kriegsfuß stehen. Denn gegen den Abstand von Lohnentwicklung zu Inflation wissen Sie nichts zu sagen. Es bleibt dabei: nach 29 Monaten hat der Beschäftigte immer noch 6,1% in der Tasche, während sich sein Warenkorb lediglich um 3,7% verteuert hat. Dazu hat er 1.000 mehr in der Tasche, die ja irgendwie auch bewertet werden müssen. Sie tun so, als gäb’s die gar nicht.

                      Es spielt auch keine Rolle, ob ich heute 1.000€ auf ein Gehalt von 2.000€ bekomme und im nächsten Jahr weitere 1.000 Euro oder ob ich heute eine Gehaltserhöhung von 4,1% und im nächsten Jahr von 4,0% erhalte. In beiden Fällen fließt mir der exakt gleiche Betrag als zusätzliches Einkommen zu.

                      Denn bei Tarifabschlüssen rechnet man immer auf einen Zeitraum von 12 Monaten, sonst kann man überhaupt keinen Bezug herstellen zur jährlichen Produktivität und Inflationsrate.

                      Zur Erinnerung: darum ging es in Ihrer ursprünglichen Argumentation nicht. Sie behaupteten: Wenn, wie bei der Bahn, 6,1% auf eine Laufzeit von 29 Monate, dann kommt nach Abzug der In Inflation nicht viel rum.

                      Das ist und bleibt falsch. Da ist nix von Ein-Jahres-Periode. Nach 29 Monaten, ich wiederhole mich, liegt das Einkommen des Beschäftigten auch ohne Einmalzahlung deutlich über dem Eingangswert.

                      Sie vergessen immer: Die Tariferhöhung kommt sofort, das ist eine sofortige, drastische Einkommensverbesserung.

                    • CitizenK 16. Januar 2019, 19:06

                      Kurze Zwischenbemerkung: Eben in der Debatte zum Misstrauensvotum im britischen Parlament rühmte sich der Sprecher der Konservativen für …. „social justice“. (SCNR)

                    • popper 16. Januar 2019, 22:01

                      @Pietsch

                      Lassen Sie es einfach. Ihre mathematischen Übungen sind für die Bewertung der Tariferhöhung und ihre Reallohnentwicklung irrelevant. Sie konstruieren eine üppige Erhöhung, ich habe ihnen erklärt, wie man korrekt die Verteilung auf die 29 Monate berechnet. Da Sie dass nicht widerlegen können, flüchten Sie in Nebenschauplätze und vergleichen Äpfel mit Birnen.

                    • popper 17. Januar 2019, 08:54

                      @Pietsch

                      Als Nachtrag zu der Frage: Lohnabschlüsse, habe ich meine Unterlagen von damals nochmal rausgekramt. Die von mir verwendete Berechnungsformel nennt sich „Westrick-Formel“ und wird auch heute noch von tarifpolitischen Praktikern als Überschlagsrechnung verwendet. Sie dient im Verhandlungsgeschäft dazu, verschiedene Angebotsvarianten, die sich hinsichtlich Erhöhungszeitpunkt und Laufzeit unterscheiden, vergleichbar zu machen. Wenn Sie bei Verhandlungen mitgewirkt haben, müssten Sie diese Formel kennen und veranlassen, ihre abfälligen Bemerkungen über mathematische Kenntnisse bei anderen unterlassen, weil man ihren Winkelzügen nicht folgt.

                      Man kann dabei, um bei unserem Beispiel zu bleiben auch etwas anders rechnen als meine oben verwendete Formel, z.B.: 6,1%*29/29+(29-12)= 3,85% nominale Lohnerhöhung. Zieht man davon 1,9%/p.a. Inflation ab ergibt sich aufs Jahr eine Reallohnerhöhung von 1,95%. Sie können jetzt wieder ablenken und alles Mögliche miteinander vergleichen, Tatsache bleibt, meine Berechnung ist richtig und im Verhandlungsgeschäft der Tarifpartner gängig geübte Praxis. Um eine völlig exakte Berechnung durchzuführen, müsste man vom Betrachtungszeitraum und den monatlichen Lohnhöhen ausgehen und diese entsprechend auflisten. Da dieser Blog kein Seminar veranstaltet und es nicht darum geht, auf den Prozentpunkt genaue Berechnungen anzustellen, sondern um die Feststellung, dass 6,1% sich erst einmal viel anhören, aber unter Berücksichtigung der Laufzeit und der jährlichen Inflationsrate einen sehr viel geringeren realen Lohnanstieg ergeben, als in der Öffentlichkeit suggeriert wird.

                      Im Übrigen gilt als sogenannte „goldene Lohnregel“ Inflationszielrate+Produktivität. Und das für alle tariflichen Wirtschaftsbereiche. Der Versuch der Arbeitgeberseite, einzelne branchenspezifische Produktivitätsunterschiede herauszurechnen führt zu nachteiligen Fragmentierungen im gesamten Lohngefüge, mit der man die bisherige schädliche Lohnmoderation mit anderen Mitteln weiterführen will. Das kann man anders sehen, ist aber unabdingbar für die lohnabhängig Beschäftigten, angesichts der gegen null tendierenden Reallohnentwicklung der letzten zwanzig Jahre. Aber auch hinsichtlich der damit erkauften Wettbewerbsvorteile durch Lohndumping gegenüber der europäischen Nachbarn und der übrigen Welt, die allmählich beginnt, das sieht man an der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, sich zurecht dagegen zu wehren beginnen.

                    • Stefan Pietsch 17. Januar 2019, 09:22

                      Lieber Herr popper,

                      Sie bestimmen den Ton. Sie haben diesen in mehreren Kommentaren gegenüber CitizenK als auch mich sehr scharf angezogen. Dann brauchen Sie sich doch nicht zu wundern, wenn ich das auch sporadisch tue. Ich tue es nicht in der Breite, um nicht das Klima unnötig zu vergiften. Aber wenn Sie zu manchen Formulierungen dergestalt Ihre frechen Behauptungen zeigen doch nur, dass Sie entweder keine Ahnung von der Materie haben oder wieder nur Nebelkerzen werfen. greifen, müssen Sie mit Retourkutschen rechnen.

                      Man kann dabei, um bei unserem Beispiel zu bleiben auch etwas anders rechnen als meine oben verwendete Formel, z.B.: 6,1%*29/29+(29-12)= 3,85% nominale Lohnerhöhung. Zieht man davon 1,9%/p.a. Inflation ab ergibt sich aufs Jahr eine Reallohnerhöhung von 1,95%.

                      Wieso Inflation von 1,9%?! Im gerade abgelaufenen Jahr war sie mit 1,7% für hiesige Verhältnisse relativ hoch. Und danach kommen wir selbst nach Ihrer Formel heruntergebrochen auf 12 Monate auf eine Reallohnerhöhung von 2,1%. Das ist üppig, zumal Sie die 1.000€ so nonchalant unter den Tisch haben fallen lassen.

                      Für einen Job, eine Branche, ein Unternehmen, die nur wenig Potential für Produktivitätssteigerungen bieten, für ein Unternehmen, das staatsabhängig praktisch keine Gewinne produziert und investitionslahm ist, sind das sehr großzügige Zahlen gegenüber der Belegschaft, schließlich reden wir von realen Verbesserungen der Einkommenspositionen. Ein Bahnangestellter wird damit besser gestellt als z.B. ein Dienstleister in Chemnitz, der allerhöchstens den Erhalt seiner Position (Inflationsausgleich plus Produktivitätssteigerung) erwarten kann.

                      Im Übrigen gilt als sogenannte „goldene Lohnregel“ Inflationszielrate+Produktivität.

                      Die goldene Lohnregel lautete immer Inflation + Produktivität. Seit einigen Jahren erst ergänzen Linke das Wörtchen „Ziel“ rein. Das aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur so lange gilt, so lange in Deutschland eine Inflation unter der Zielmarke der Zentralbank gilt.

                      Ich halte das für ausgemachten volkswirtschaftlichen als auch tarifpolitischen Quatsch. Nehmen wir an, Deutschland bekäme in den nächsten beiden Jahren eine Inflation von 4%, da zum Ende des Konjunkturzyklus die Preise aufgrund der letzten Tarifsteigerungen nochmals anziehen. Produktivitätssteigerungen finden annahmegemäß nicht mehr statt, da bei einem drohenden Abschwung die Investitionen zurückgefahren werden.

                      In dieser Situation plädieren Sie für Lohnsteigerungen von 1,9% und damit für Reallohnsenkungen. Interessant. Die tarifpolitische Wirklichkeit ist eine andere. Im Jahr eines Abschwungs ziehen die Löhne meist nochmals kräftig an.

                      Ein Drittel des deutschen BIP resultieren aus Importen. Doch deutsche Arbeitgeber haben keinen Einfluss auf die Preisgestaltung von Importeuren und ein Drittel ist eine sehr wesentliche Einflussgröße. Ihre theoretische Vorgabe ist nun, deutsche Arbeitgeber hätten ggf. die Kosteneinsparungen, Produktivitätsgewinne oder auch nur Kampfpreise ihrer ausländischen Konkurrenten durch höhere Löhne (und damit Verschlechterung ihrer Wettbewerbsposition) auszugleichen. Nebenbei hätten sie die Schwankungen der Rohstoffpreise auf den Weltmärkten als auch die erratische Gebührenpolitik der Kommunen zu kompensieren.

                      All das steckt hinter Ihrer Idee mit der Zielinflationsrate.

                    • popper 17. Januar 2019, 16:53

                      @Pietsch

                      Lieber Herr Pietsch,

                      wir könnten uns jetzt auf die Suche machen und auflisten, wer ,wo, wie viele Invektive sich geleistet hat. dass Sie das von Zeit zu Zeit als Mittel gegenseitiger Unverhältnismäßigkeit benutzen, ist ja völlig in Ordnung, bringt uns in der Sache aber nicht weiter. In den meisten Fällen, bleiben wir uns nichts schuldig. Wenn Sie jedoch eine Rechnung aufmachen, die den Sachverhalt nicht klärt, sondern hinterlichtet und im Gegenzug, den Denkansatz der anderen Seite als mathematische (s) Fehlleistung oder Unvermögen hinstellen und sich darüber auch noch auf Kosten des anderen lustig machen, dann ist die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt.

                      Wenn Sie die Fähigkeit aufbringen könnten, andere Sachdarstellungen als Diskussionsgrundlage im Meinungsstreit zu akzeptieren und nicht den Ehrgeiz hätten, diese in Schubladen zu verräumen, indem Sie ad personam, was jedoch keinen Bezug mehr zum eigentlichen Streitthema hat. Was dagegen bei ihnen, wenn man Sie als Neoliberaler bezeichnet, nach eigenem Bekunden ja zutrifft.

                      Was die Inflation von 1,9% soll, na ja, das habe ich mal unter dem Aspekt, so wie Sie das ja ständig in anderen Bereichen mit Zahlen praktizieren, gegriffen, zumal im letzen Jahr, die Inflation schon mal bei 2,3% im November lag. Ok, 1,7%. Darüber streite ich nicht, das sind Peanuts, wo Sie natürlich nicht der Versuchung widerstehen können, das gleich zum unbedingten Kriterium auszuwalzen. So sind Sie halt, ich enthalte mich an dieser Stelle einer vertiefenden Spezifizierung, weil ich ja weiß, nur personifizierte Retourkutschen dürfen holzen.

                      Dass natürlich alle an der Wertschöpfung einen Anteil haben und deshalb eine einheitliche Teuerungsrate maßgeblich ist, gerät einem Grenzkostenfetischisten natürlich nicht in die Synapsen. Dem leuchtet nicht ein, dass die staatlichen Institutionen, aber auch andere Dienstleistungsbereiche ihm überhaupt erst ermöglichen, dass er sich von A nach B bewegen kann. Wie würden Sie den in ihr geliebtes Chile reisen, wenn nicht eine Unzahl von Dienstleistern ihnen eine Infrastruktur bieten, ohne die Sie sonst eventuell mit dem Paddelboot losschippern müssten.

                      Und die Zielinflationsrate ist Bestandteil der Taylor-Regel, haben Sie sicher schon mal was von gehört, besonders die G8-Staaten haben diese sich zur Erreichung ihrer geldpolitischen Ziele auferlegt. Sind das alles Linke. Da sieht man, wie leichtfertig Sie mit Schuldzuweisungen umgehen, weil ihnen offensichtlich der geldtheoretische Backgrount fehlt.

                      Man kann natürlich immer den Teufel an die wand malen und den worst case beschwören, obwohl wir bräuchten für die nächsten 20 Jahre 4% reale Lohnzuwächse, die wären doch prima, das würde den Binnenmarkt flott machen, der bis dato so flach wie eine Pfütze ist und sie würden die Handelsbilanzungleichgewichte in die Balance bringen, sodass Herr Trump keine Zölle auf deutsche Autos erheben müsste. Und auch der Süden Europas käme wieder auf die Beine, denn wenn wir teurer werden und die anderen billiger, dann reduzieren sich deren Schulden. Dann beenden wir eben das, was wir doch lange genug gemacht haben, unter unseren Verhältnissen gelebt.

                      Ja, ja, das Schielen auf die Import. Haben Sie mal geschaut, wo die teilweise herkommen. Im nicht geringem Maße aus deutschen Firmen im billigen Ausland. Das, was Sie da hervorheben sind nichts weiter als irreführende Partialbetrachtungen. Insoweit ist das Drittel von ihnen nicht quantifiziert, aber klingt zumindest gut.

                      Ihre mikroökonomische Brille, verhindert jede sachliche Analyse, weil Sie realitätsverweigernd, den Vorteil des einen zum Vorteil des anderen hochstilisieren. Es gab in den Südländern Bedarf, Lohnkosten einzusparen, die über der Produktivität und Inflationszielrate lagen, aber es gibt diesen Bedarf ebenso auf deutscher Seite, das Unterbieten durch Lohndumping endlich zu beenden. Das tun wir im unteren Bereich unserer Arbeitswelt nicht. Dort befindet sich die unteren 40% in unterbezahlten, prekären Arbeitsverhältnissen, von denen sich die Arbeitgeber durch Migration weitere Absenkungen des Lohnniveaus erhoffen.

                      Und kommen Sie mir nicht wieder mit ihrer Wert- bzw. Leistungstheorie, die doch nur verschleiern soll, dass sich dort inzwischen Unternehmen tummeln, deren Geschäftsmodell auf schierer Ausbeutung beruht. Wer eine Währungsunion will, muss sich fiskalpolitisch an seiner Produktivität und der Inflationszielrate messen lassen. Dass die anderen zu spät gemerkt haben, dass der notorische Merkantilist sich mit unlauteren Mitteln permanente Vorteile und Marktanteile verschafft, für die er später nicht mehr gerade stehen will, ist aus heutiger Sicht eine fatale Erkenntnis, die dazu führt, dass nach einem Scheitern der EWU, nie wieder jemand mit Deutschland eine Währungsunion eingeht. Und wenn Sie der Auffassung sind, dass unsere Rohstoffpreise zu sehr schwanken, dann plädieren Sie dafür, dass Spekulationen darauf beendet werden. Denn das eine wollen und das Andere nicht tun, ist widersprüchlich. Wettbewerbsfähigkeit ist ein relativer Zustand, den aus logischen Gründen nicht alle haben können. Außerdem sollte der Wettbewerb zwischen Unternehmen Stattfinden, nicht zwischen Staaten. Denn, was daraus folgt, sehen Sie ja, tun aber weiterhin so, als sei das die Folge entfremdeter Marktkräfte. Das, was Sie Marktprozesse nennen, kommt über Behauptungen nicht hinaus. Und ist nichts weiter als eine theoretische Marktkonstruktion, deren Vertreter sich einbildet, sie könnten sich weiterhin darauf berufen, dass die mangelnde Übereinstimmung mit der Realität, halt eben dann schlecht für diese sei. Dümmer geht’s nun wirklich nimmer.

                    • Stefan Pietsch 19. Januar 2019, 12:04

                      Lieber Herr popper,

                      der von mir unternommene Ausflug der persönlichen Angriffe bezog sich allein auf Ihre Beschwerde. Ohne Frage arbeite ich manchmal auch etwas grob, deswegen bin ich auch nicht empfindlich. Wir haben uns gegenseitig nichts zu entschuldigen, alles in Ordnung. 😉

                      Dass natürlich alle an der Wertschöpfung einen Anteil haben

                      Haben sie ja. Gerade die makroökonomischen Daten zeigen das.

                      Nun sind Sie aber noch einige Antworten schuldig geblieben, so die von Ihnen genannte Studie, die Frage, wie Sie darauf kommen, dass die Arbeitnehmer 20% unter Wert lägen oder wie Sie reagieren würden, wenn die Inflation in Deutschland über der Zielinflationsmarke läge. Bitte ignorieren Sie solche Nachfragen nicht.

                      Ja, ja, das Schielen auf die Import. Haben Sie mal geschaut, wo die teilweise herkommen.

                      Interessante Annahme. Wir exportieren nicht nur billig, wir importieren von uns selbst (!) auch noch billig. Was machen eigentlich die anderen?

                    • popper 23. Januar 2019, 11:05

                      Stefan Pietsch 16. Januar 2019, 11:44

                      …Wenn die Preise (Monate 06/2016 – 11/2018) im Zeitpunkt 0 = 100 sind, der Preisindex bei t=0 107,6 beträgt und bei t+29 112,4, um wieviel Prozent sind die Preise in 29 Monaten gestiegen?

                      Hier möchte ich noch nachtragen, dass ihr Rechenbeispiel nicht das adressiert, was von mir diskutiert wurde, sondern sich an etwas ausrichtet, was in Tarifverhandlungen nicht mehr zur Anwendung kommt. Ich habe das jetzt genauer recherchiert.

                      Sogenannte Indexierungsregeln, wie Sie sie in ihrer Rechnung präsentieren, sind nicht nur in der Vergangenheit zu Recht in Verruf geraten, sie sehen eine Indexierung der Löhne an eine rückwärtsgewandte Größe vor, wie der vergangenen Inflationsrate (die berühmte backward looking indexation wie etwa in der scala mobile in Italien). Wogegen meine Darstellung/Berechnung sich an der Produktivität und dem Inflations ziel orientiert, was dann auch zu realen Lohnsteigerungen verhelfen.

                      Übrigens ein weiteres Beispiel dafür, dass Sie mit Hilfe der Mathematik, vom Thema ablenken und so relevante Berechnungen und Tatsachen zu leugnen suchen.

                    • popper 23. Januar 2019, 11:21

                      Bitte ignorieren Sie solche Nachfragen nicht.

                      Vielleicht lernen Sie noch, dass jeder das Recht hat auf Fragen nicht zu antworten. Insbesondere, wenn sie in der Sache nicht weiterführen, weil deren Evidenz unbestreitbar ist und der anderen Seite nur dazu dient, das Verwirrspiel, um die Frage, wer hat recht, ins uferlose zu treiben. Gerade Sie mahnen eine Kultur von Frage und Antwort an, obwohl Sie so gut wie nie Streitgegenstände inhaltlich thematisieren und ihre Argumentation auf rudimentären Sätzen aufbauen und so jeden Sinnzusammenhang zerstören.

                    • Stefan Pietsch 23. Januar 2019, 12:52

                      Vielleicht lernen Sie noch, dass jeder das Recht hat auf Fragen nicht zu antworten.

                      Nicht in einer gesitteten Debatte. Stets nur zu sagen, was einem gefällt, dem Gegenüber aber die Runde über die Konsequenzen der eigenen Überlegungen verweigern, ist das, was Leute tun, die wohlgefallen wollen, aber nicht ein Problem adäquat debattieren.

                      Seriöse Arbeiten wie Studien verlangen das Beleuchten aller relevanten Aspekte. Die politische Agitation fokussiert sich stets nur auf das Eine.

                  • Stefan Pietsch 23. Januar 2019, 11:16

                    Wir werden an dem Punkt keine Einigkeit erzielen. Aber sind Sie zu der Konsequenz Ihrer Ansicht bereit und fordern bei Inflationsraten, die über der Zielmarke liegen, Lohnsenkungen? Die Frage haben Sie nun zweimal unbeantwortet gelassen.

                    • popper 23. Januar 2019, 11:48

                      Wir müssen keine Einigkeit über die Frage der Lohnentwicklung und der in Deutschland weiterhin verfolgten evidenten Lohndrückerei erzielen.

                      Aber sind Sie zu der Konsequenz Ihrer Ansicht bereit und fordern bei Inflationsraten, die über der Zielmarke liegen, Lohnsenkungen?

                      Das muss im Kontext einer Währungsunion gesehen werden. Gegenüber anderen Währungsräumen ist das weniger wichtig, weil hier durch Auf- bzw. Abwertung, preisliche Wettbewerbsungleichgewichte beeinflusst und abgebaut werden können.

                      In der EWU muss sich jeder nach seiner Produktivität richten und das Inflationsziel einhalten. Da aber Deutschland seit der Einführung des Euro sich in besonderem Maße, durch Unterbietung, nicht daran gehalten hat und dadurch enorme Handelsungleichgewichte in der EWU zu verantworten hat, müssten die deutschen Löhne viele Jahre über dem Inflationsziel liegen, bis die Handelsungleichgewichte einigermaßen ausgeglichen sind, d.h. Deutschland muss auf Jahre hinaus Inflation generieren, um den Binnenmarkt zu beleben. Insoweit würde ich ihre Frage von oben grundsätzlich bejahen, aber in der jetzigen Situation verneinen. Lohn- Tarifabschlüsse sollten auf 12 Monate begrenzt und Jahr für Jahr neu verhandelt und nominal um 5% steigen.

                    • Stefan Pietsch 23. Januar 2019, 13:04

                      Gegenüber anderen Währungsräumen ist das weniger wichtig, weil hier durch Auf- bzw. Abwertung, preisliche Wettbewerbsungleichgewichte beeinflusst und abgebaut werden können.

                      Die Quintessenz Ihres Kommentars ist: Aufwertung ist immer wichtig, ob ohne oder mit Währungsunion, Abwertung dagegen nicht. Das ist nicht systematisch.

                      Da aber Deutschland seit der Einführung des Euro sich in besonderem Maße, durch Unterbietung, nicht daran gehalten hat und dadurch enorme Handelsungleichgewichte in der EWU zu verantworten hat, müssten die deutschen Löhne viele Jahre über dem Inflationsziel liegen, bis die Handelsungleichgewichte einigermaßen ausgeglichen sind, d.h. Deutschland muss auf Jahre hinaus Inflation generieren, um den Binnenmarkt zu beleben.

                      Wieso ist Deutschland schuld, nicht jedoch die Mittelmeeranrainer, die gegen die Auflage ebenso verstoßen haben?

                      Das Wasser, das den Rhein runtergeflossen ist, lässt sich nicht zurückholen. Soweit Sie Flussgrößen wie die jährlichen Lohnsteigerungen betrachten, ist es egal, was vor 10 Jahren war. Es ist selbst in Ihrer geschlossenen Betrachtung nur relevant, wie im Jahr 2019 die Produktivitäten der Volkswirtschaften zueinander stehen. Leider sind Sie da die Dokumentation schuldig geblieben, wie Sie zu Ihren Annahmen kommen, z.B., dass die deutschen Löhne 20% unterbewertet seien. Genauso übersehen Sie, dass schon bei der Einführung des Euros und der Konvergenz der Währungen zueinander die Umrechnung der Kurse eher das Ergebnis von politischen Verhandlungen waren. Eine hier zu hohe Anrechnung der hochinflationären Südwährungen hätte in den Folgejahren zwingend eine Abwertung über die Löhne zur Folge haben müssen. Doch das Gegenteil geschah.

                      Zum Schluss: es ist volkswirtschaftlich etwas Neues, dass die Lohnentwicklung sich nicht mehr an konjunkturellen Schwankungen, Wachstumsschwächen und Entwicklung der Beschäftigung orientieren sollte. Auch das sind wichtige makroökonomische Größen, die wesentlich von der Lohnentwicklung determiniert werden.

                    • popper 24. Januar 2019, 12:01

                      Die Quintessenz Ihres Kommentars ist: Aufwertung ist immer wichtig, ob ohne oder mit Währungsunion, Abwertung dagegen nicht.

                      Verwechseln Sie bitte nicht ihre Quintessenz mit der tatsächlichen Quintessenz, die daraus zu ziehen ist. In einer Währungsunion können Staaten bei divergierendem Preisgefälle ihre Währungen nicht extern auf- oder abwerten. Dies geht nur durch relative Disinflationierung mit Hilfe von Lohnsenkung gegenüber anderen Ländern. Was ja genau das besagt, was ich geschrieben habe.

                      Wieso ist Deutschland schuld, nicht jedoch die Mittelmeeranrainer, die gegen die Auflage ebenso verstoßen haben?

                      Der deutsche Weg wäre gar nicht offen gewesen, wenn die Südstaaten in der gleichen Weise Lohndumping betrieben hätten wie Deutschland. Dann wäre die EWU schon lange Geschichte. Insofern stellt sich gar nicht die Frage nach der Schuld, sondern das Ergebnis zeigt, dass Deutschland diese ganzen handelsbilanztechnischen Schieflagen in der EWU verursacht hat, und, wie übrigens die meiste Zeit, ziemlich forciert Merkantilismus betrieben hat, was ja zu den ständigen Aufwertungen in Zeiten der DM führte. Die Abweichungen nach oben im Süden waren also die logische Folge der deutschen Lohnentwicklung, infolge von Hartz IV und sich permanent ausweitenden Niedriglohnsektor, was das Preisniveau im Markt weit unter den Verteilungsspielraum gedrückt hat. Hätten sich alle Länder der EWU an der eigenen Produktivität und dem Inflationsziel ausgerichtet, was Frankreich übrigens getan hat, hätte es niemals zu diesen einseitigen Verschuldungen und Handelsbilanzungleichgewichten kommen können.

                      Hinzu kommt noch, dass man sich genau anschauen müsste, welche Sektoren der Volkswirtschaft sich tatsächlich verschuldet hat. Es wird ja immer so getan, als wären es die Staatshaushalte gewesen, die sich verschuldet haben, was jedoch im Falle von Italien, Spanien, Portugal, oder auch Irland überhaupt nicht zutrifft. Hier waren nicht die Staatshaushalte, sondern die privaten Haushalte hoch verschuldet.

                      Was die Lohnentwicklung in Deutschland betrifft, ist ihr Insistieren einfach abwegig. Bei einer Produktivität von 1,5% und einem Inflationsziel von 1,9% liegt der Umverteilungsspielraum bei 3,4% p.a. Der wird nicht einmal bis dato ausgeschöpft, geschweige denn in den letzten 20 Jahren. Demnach erscheint eine aufgerechnete Minderquote von 1% p.a. mehr als realistisch, eher sind es mehr. Für diese klare Evidenz eine Dokumentation zu verlangen, ist schlicht ein unfreundlicher Akt. Aber ihre Motive sind nicht der Erkenntnisgewinn, sondern ihre Hoffnung aus einzelnen Passagen oder Satzteilen den süßen Honig ihrer lustvollen Gegenrede zu ziehen.

                      Das betrift auch die Konvergenzkriterien, die wenig aussagekräftig sind, wenn sie sich auf reale Konvergenzen beziehen und nicht auf nominale. Das dient dazu, sich (Deutschland) aus der Schusslinie zu nehmen. Wenn die Wechselkurse nicht mehr verfügbar sind, besteht die wichtigste Aufgabe der Wirtschaftspolitik darin, eine Divergenz der Lohnstückkosten und der damit verbundenen realen Abwertungen und Aufwertungen zu vermeiden. Die daraus resultierende reale Abwertung Deutschlands und die reale Aufwertung des Restes war der Kern der Krise und wird die Eurozone zerstören, wenn Deutschland nicht bereit ist, seine Fehldiagnosen zu ändern. Damit das ohne Deflation funktionieren kann, müssen in Deutschland die Löhne wieder wesentlich stärker zulegen als in den letzten fünfzehn Jahren und die Scheinerfolge des Lohndumpings müssen explizit aufgegeben werden.

                      (…)etwas Neues, dass die Lohnentwicklung sich nicht mehr an konjunkturellen Schwankungen, Wachstumsschwächen und Entwicklung der Beschäftigung orientieren sollte. Auch das sind wichtige makroökonomische Größen, die wesentlich von der Lohnentwicklung determiniert werden.

                      Ihr Hinweis am Schluss zeigt dem objektiven Betrachter, dass Sie nicht bereit sind, warum sei dahingestellt, eine authentische makroökonomische Analyse ihrem betriebswirtschaftlichen „Tunnelblick“ vorzuziehen. Etwas grundlegendes in der Makroökonomie ist, dass steigende Masseneinkommen die Grundlage von Profit sind. Nettoinvestitionen finden statt, wenn die Nachfrage steigt. Schon von Kalecki kann man lernen, dass sich die Höhe des Profits erst nach dem Verkauf der Waren unter vollständigem Wettbewerb auf dem Markt herausstellt. Für unsere heutige Zeit muss auf einen weiteren wichtigen Aspekt verwiesen werden: Kosten verursachende umweltpolitische Auflagen in Bezug auf Produktionsverfahren oder komplementäre Maßnahmen zur Schadstoffvermeidung etc. beeinträchtigen nicht die Summe der Profite, die an die Unternehmer gehen. Sie können sogar zu einer Steigerung der Profite führen, wenn die Unternehmer angesichts solcher Regulierungen vermehrt investieren müssen. Das heißt gute, hohe Löhne ermöglichen das, was Unternehmen wollen – Profit machen. Das geht eben dann nicht, wenn der Unternehmer-Sektor zum Nettosparer wird und auch noch glaubt niedrigere Löhne seien ein Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg. Das Gegenteil ist der Fall.

        • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 12:09

          Wenn Backwaren knapp wären kannst du drauf wetten dass der Preis der Brezel solange steigen würde bis nur noch ein so großer Teil sie kaufen kann, dass Equilibrium erreicht ist. Echt komisch, dass bei euch Gehälter zwar nach Angebot und Nachfrage nach unten total elastisch sein müssen, aber nach oben nicht. Da soll es dann immer der Staat richten.

          • Stefan Pietsch 9. Januar 2019, 12:29

            Nö. Das ist wieder Voodoo-Ökonomie. Je stärker der Preis eines Gutes steigt, desto mehr wird auch in die Suche nach Alternativen investiert. Das kannst Du doch schön bei der Debatte um Schiefergas sehen. So sind die Amerikaner an relativ hohen Gaspreisen und schwierigen Bezugswegen interessiert, damit ihr relativ teures Schiefergas konkurrenzfähig ist.

            Zu glauben, dass beliebige Lohnsteigerungen auf Nachfrager treffen, die wie ein Verdurstender in der Wüste alles nehmen und nicht nach Grenzgebieten und Oasen fanden, ist reichlich naiv.

            • popper 16. Januar 2019, 11:19

              @Pietsch

              Sie sollten vielleicht Herrn Grenell beraten, der hat nämlich das, was Sie hier euphemistisch zusammenschustern: So sind die Amerikaner an relativ hohen Gaspreisen und schwierigen Bezugswegen interessiert, damit ihr relativ teures Schiefergas konkurrenzfähig ist. sehr viel undiplomatischer ausgedrückt. Indem er genau das zum Ausdruck brachte, was ihre beschönigende Umschreibung gerade nicht beinhaltet, nämlich einen Beleg für ihren Hinweis: Je stärker der Preis eines Gutes steigt, desto mehr wird auch in die Suche nach Alternativen investiert. Mit dieser Heuchelei können Sie andere becircen, ihre Mitleser hoffentlich nicht.

              • CitizenK 16. Januar 2019, 12:55

                Auf der Nachfrageseite stimmt das doch. Wenn der Ölpreis steigt, werden Gasheizungen attraktiv.

                • popper 16. Januar 2019, 17:57

                  @ CitizenK

                  Das war aber nicht die Arbgumentation von @Pietsch, er stellte den Wechsel zum Schieferöl so da, als wäre er marktbasiert. Obwohl er im Falle der USA so läuft, dass an dem Bau der Pipline beteiligten Länder mit Sanktionen droht wird, wenn Sie nicht dabei mithelfen, den Bau der Pipline zu verhindern.

          • Erwin Gabriel 10. Januar 2019, 02:03

            @ Stefan Sasse 9. Januar 2019, 12:09

            Echt komisch, dass bei euch Gehälter zwar nach Angebot und Nachfrage nach unten total elastisch sein müssen, aber nach oben nicht. Da soll es dann immer der Staat richten.

            Wenn Du einen Wagen oder eine andere Ware kaufst, vergleichst Du die Preise und nimmst dann das günstigste Produkt? Wenn ich eine Stelle mit Niedriglohn nicht besetzen kann, erhöhre ich mein Angebot solange, bis es unrentabel wird.

            Wenn ich einen Auslieferungsfahrer suche, ist der Gehaltsspielraum durch den Preis gedeckelt, den ich für die Dienstleistung „Auslieferung“ verlangen kann. Ist die Person zu teuer und ich muss deshalb die Preise erhöhen, wandern die Kunden zur Konkurrenz.

  • R.A. 9. Januar 2019, 10:17

    1.) Alle mögen mich hassen, aber ich finde Trumps „Pocahontas“-Häme ziemlich amüsant für eine Politikerin, die sich einen native-Bonus konstruieren wollte. Ansonsten glaube ich nicht, daß sie noch eine große Rolle spielen wird – die Anti-Establishment-Welle ist noch lange nicht am Ende und wirkt heftig auch bei den Demokraten.

    2.) Die Beispiele zeigen sehr deutlich, wie falsch Stefans Einschätzung ist, Frauen in der Politik wären grundsätzlich benachteiligt und unbeliebt.
    Da kommen drei Kandidatinnen aus dem Nichts, haben kaum Vorerfahrung, kaum politische Connections und kaum Qualifikation – aber werden sofort gewählt. Weil sie Frauen sind. Und außerdem jung und mit Migrationshintergrund. Also die typische Sawsan-Chebli-Quoten-Karriere.

    3.) „Die Mehrheitsgesellschaft muss ja schließlich dann lernen …“
    Muß sie das? Warum? Mit welcher Berechtigung?
    Ich halte diese Erwartungshaltung für falsch und gefährlich. Weil sie aus einem latenten Mißtrauen gegen Einwanderung offene politische Ablehnung macht. Es ist völlig legitim, wenn Leute ihr gewohntes Umfeld und ihre Gewohnheiten nicht ändern wollen. Wenn jemand in dieses Umfeld kommen will, so muß er die Spielregeln akzeptieren – oder eben wegbleiben. Aber es gibt keine moralische oder rechtliche Grundlage, die „schon länger hier lebenden“ zu einer Änderung ihres Lebens zu zwingen.

    4.) „Ebenfalls spannend zu sehen sind die ersten Versuche, den europäischen Mächten die Kontrolle über die Kolonien zu entreißen.“
    Das sind nicht die ersten Versuche. Einer anderen Großmacht die Kolonien zu entreißen war schon vorher Praxis im Konkurrenzkampf.
    Die Franzosen unterstützten die US-Kolonisten im Unabhängigkeitskampf gegen England. England unterstützte die Südamerikaner im Unabhängigkeitskampf gegen Spanien.
    Und für die USA war die Hauptkonstante ihrer Außenpolitik bis zum Ende des zweiten Weltkriegs, die weltweite Vormacht Englands zu brechen. Wozu in erster Linie gehörte, England die Kontrolle über sein Empire zu nehmen. Im zweiten Weltkrieg ist das dann gelungen.
    Erst nachdem die USA England als Großmacht demontiert hatten konnte es zur heute gewohnten anglo-amerikanischen Allianz kommen – die in den Weltkriegen eher zufällig und mit gegenseitigem Mißtrauen funktionierte.

    9.) Das Erstaunliche an Habecks Verhalten ist, daß seine Fehler eben nicht beim typischen schnellen Reagieren in sozialen Netzwerken entstanden. Sondern das waren wohl vorbereitete Wahlkampf-Videos, die dann von seinem Team auch per Twitter etc. verbreitet wurden. Es ist eine völlig absurde Ausrede seine Formulierungen hätten irgendetwas damit zu tun, Twitter hätte auf ihn „abgefärbt“.

    11.) Leider wahr. Nach 1990 gab es eine Zeit, da konnte man sich für Rußland wirklich Hoffnungen machen. Aber Putin hat es wieder zu „Obervolta mit Atomraketen“ reduziert.

    • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 10:35

      1) Stimmt, der Umgang mit „Pocahontas“ ist ein weiterer sehr guter Grund gegen Warren.
      3) Das ist genau mein Punkt…Leute, seit einer Woche geht ihr hoch wie ein HB-Männchen wenn ihr von mir irgendwas lest was entfernt mit eurer verzerrten Wahrnehmung meiner Positionen zu tun hat und lest überhaupt nicht richtig, was eigentlich mein Argument ist. Langsam nervt es echt.
      4) Ich meinte auch Entkolonialisierung, das war ganz und gar nicht gängig. Und ja, ich zweifle nicht an den Motiven der USA.
      9) Ja, totaler Bullshit.
      11) Ja, die Renaissance war leider nur kurz. Kennst du dich da mehr aus? Hast du gute Lesequellen zu der Zeit oder willst vielleicht selbst was schreiben? Fände es super spannend!

      • R.A. 9. Januar 2019, 10:51

        3.) Na ja, im konkreten Fall sagst Du, daß beim Händegeben auch mal die Einwanderer nachgeben sollen. Aber grundsätzlich gehst Du schon davon aus, daß sich auch die Hiesigen anpassen müssen – und das halte ich für falsch.
        4.) Ich habe die Beispiele für Entkolonialisierung gegeben! Es gibt natürlich auch Beispiele, wo sich Großmächte gegenseitig Kolonien abgenommen haben. Die Entkoloniarisierung wählten sie nur, wenn die eigene Übernahme nicht möglich war.
        11.) Leider sind meine Kenntnisse zu lückenhaft, um das mehr auszuführen.

        • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 12:12

          3) Ich denke du kannst keine Integration ohne beiderseitige Anpassung haben. Wir haben ja zum Beispiel Essgewohnheiten von Einwanderern übernommen (Kebab, Pizza, etc). Wir verstehen, warum manche Muslime ein Kopftuch tragen und können das akzeptieren (bis auf einige extremistische Idioten). Wo die Grenzen verlaufen, muss eine Gesellschaft halt gegebenenfalls ausdiskutieren.
          4) Entkolonialisierung kann per definitionem nicht sein, dass die Dinger den Besitzer wechseln! Eine Entkolonialisierung fand überwiegend erst nach dem 2. Weltkrieg statt.
          11) Schade 🙁

          • Stefan Pietsch 9. Januar 2019, 12:40

            Ich denke du kannst keine Integration ohne beiderseitige Anpassung haben.

            Warum nicht. Migration ist doch keine gleichgerichtete Sache. In der Menschheitsgeschichte waren die Interessen fast immer asymmetrisch. Die einen (Migranten) wollen etwas unbedingt und migrieren aus absolut freiem Willen. Die aufnehmende Gesellschaft muss oft nolens volens Migranten aufnehmen. Es ist damit klar, dass die aufnehmende Gesellschaft etwas hat, was die Migranten auch gerne hätten. Warum sollte es dann eine bewusste Anpassung der aufnehmenden Gesellschaft geben?

            Nun ist es so, dass Frauen mit Kopftuch im Schnitt weniger gebildet und weniger erwerbsbereit sind. Ihr Nutzen, so man ihn in einer Ausweitung des Arbeitskräftepotentials definiert, ist damit gleich Null oder sogar negativ, wenn diese Personen an Sozialleistungen hängen. Es ist also ein guter Grund, sich gegen Frauen mit Kopftuch instinktiv zu wehren.

            Wir essen auch viel Indisch, Thailändisch, Vietnamesisch und Mexikanisch. Ja, wir essen sogar sehr viel Fast Food. Dies jedoch als Anpassungsritual an Migranten zu interpretieren, halte ich für außerordentlich weit hergeholt.

            • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 16:56

              Du kannst so viel du willst hinsitzen, die Arme verschränken und schmollen, aber es führt kein Weg dran vorbei, dass im „Great German Melting Pot“ zwangsläufig Bewegung von allen seiten erfolgen muss, wenn das je klappen muss. Etwas anderes anzunehmen ist reichlich naiv, wie du sagen würdest.

              • Stefan Pietsch 9. Januar 2019, 18:04

                Wir schreiben in Deutschland keine neuen Regeln. Wir werden auch nicht unsere Feiertagsstruktur ändern, die weitgehend mit den meisten EU-Ländern übereinstimmt. Und je mehr integriert werden müssen, desto straffer müssen die Regeln für alle sein.

                Investitionen in Sicherheit. Abgrenzung und Limitierung des Sozialen. Das sind die Schlagworte. Alles andere ist weltfremdes Gutmenschtum. Sagen die Leute mit Migrationshintergrund, die längst hier sind. Vielleicht solltest Du auf die mal hören.

                • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 22:17

                  Ah, endlich „Gutmensch“. Hat mir noch gefehlt für’s Bingo.

              • Erwin Gabriel 10. Januar 2019, 14:43

                @ Stefan Sasse 9. Januar 2019, 16:56

                …aber es führt kein Weg dran vorbei, dass im „Great German Melting Pot“ zwangsläufig Bewegung von allen seiten erfolgen muss ….

                Jetzt müssen wir nur noch über die Definition von „zwangsläufig“ einig werden. Beispielsweise ist das Leben in bestimmten Vierteln in Berlin, Köln und anderen größeren Städten schon recht bunt; andere Viertel werden so sehr von der „Kultur“ der Zugewanderten bestimmt, dass sich die Polizei kaum noch hintraut. Auf dem platten Land und in der Provinz kann man sich wiederum mit der kulinarischen Vielfalt von Berlin Friedrichshain keine goldene Nase verdienen.

                Aber all das entwickelt sich von selbst, mal schneller, mal langsamer. Was soll das also wieder, Wandel und Anpassung grundsätzlich zu verlangen oder gar vorzuschreiben? Dummes Zeug

                • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 15:31

                  Wenn du „bunt“ sofort mit „da traut sich kein Polizist hin“ übersetzt, ist dir da auch nicht zu helfen.

                  • Erwin Gabriel 11. Januar 2019, 12:22

                    @ Stefan Sasse 10. Januar 2019, 15:31

                    Was Du mir alles zutraust … geh‘ mal wieder wandern, das macht den Kopf frei… 🙂

                    Wenn du „bunt“ sofort mit „da traut sich kein Polizist hin“ übersetzt, ist dir da auch nicht zu helfen.

                    Zumindest Dir ist zu helfen – mit Aufklärung.

                    Ich sprach von „bunten“ Vierteln (Berlin Friedrichshain hatte ich ja genannt), von anderen Vierteln, wo sich die Polizei nicht hintraut, und vom platten Land – um mal so ein paar Eckpunkte über verschiedenen Grade der „Integrationstiefe“ abzustecken.

                    „Bunt“ heißt für mich also nicht „kriminell“

          • R.A. 9. Januar 2019, 14:15

            „du kannst keine Integration ohne beiderseitige Anpassung haben.“
            Kann man, das ist die historische Normalität. Eigentlich ist es fast immer so, daß die Einwanderer sich komplett anpassen und die Einheimischen ihr Leben nicht ändern müssen.

            Natürlich kann es vorkommen, daß die Einheimischen freiwillig irgendwelche Sachen übernehmen – gerade wenn es um Essen und Trinken geht. In China gehen die Leute auch begeistert zum Oktoberfest. Das ist aber keine Anpassung an die nicht vorhandenen deutschen Einwanderer.

            Die Spielregel für Einwanderer ist ganz generell: Take it or leave it. Die Einheimischen sind nicht verpflichtet, ihre Lebensweise in irgendeinem Punkt zu ändern. Und gerade weil diverse Politiker das in den letzten Jahren verlangt haben, hat es die (durchaus legitimen) Gegenreaktionen gegeben.

            „Wir verstehen, warum manche Muslime ein Kopftuch tragen“
            Verstehen kann man viel. Das bedeutet nicht, daß man sich als Einheimischer anpassen muß.

            „Wo die Grenzen verlaufen, muss eine Gesellschaft halt gegebenenfalls ausdiskutieren.“
            Nicht wirklich. Die Grenze ist klar: Unsere Spielregeln gelten, und die müssen wir nicht ändern, weil Einwanderer gerne ihre Regeln hätten.
            Der Versuch diese Grenze zu verschieben ist wesentliche Ursache der hohen AfD-Wahlergebnisse. In diese Richtung sollten wir nicht weitergehen.

            „Entkolonialisierung kann per definitionem nicht sein, dass die Dinger den Besitzer wechseln!“
            Natürlich. Deswegen habe ich die Beispiele USA und Lateinamerika genannt, das war echte Entkolonialisierung, lange vor dem zweiten Weltkrieg.

            • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 16:58

              Ja aber die USA wurden doch nicht Kolonialmacht in Brasilien?

              • Erwin Gabriel 10. Januar 2019, 14:59

                @ Stefan Sasse 9. Januar 2019, 16:58

                Ja aber die USA wurden doch nicht Kolonialmacht in Brasilien?

                Brasilien war nicht spanisch, sondern portugiesisch 🙂

                1819: Florida (von Spanien)
                1845: Texas (von Mexico)
                1846-1848/1953: Teile von Nordmexiko
                1870: Dominikanische Republik (von Spanien)
                1898: Puerto Rico, Guam, Philippinen (von Spanien)
                1898: Kuba (Protektorat, von Spanien)

                Darüber hinaus fast besatzungsähnliche Einflüsse in vielen lateinamerikanischen Ländern, etwa Chile (United Fruit Company), Panama etc

                • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 15:34

                  Klar, aber das ist ja eben alles keine Entkolonialisierung, das ist business as usual, nur mit Stars and Stripes.

                  • Erwin Gabriel 11. Januar 2019, 12:27

                    @ Stefan Sasse 10. Januar 2019, 15:34

                    Klar, aber das ist ja eben alles keine Entkolonialisierung, das ist business as usual, nur mit Stars and Stripes.

                    „Business as usual“ – nett gesagt. Wenn man so will, haben die USA weniger geschossen, dafür aber mehr mit Dollars „Influencer Marketing“ betrieben.

                    Ist nicht mehr die klassische Form von Kolonianismus, aber die Abhängigkeiten sind geblieben.

      • Erwin Gabriel 10. Januar 2019, 02:06

        Stefan Sasse 9. Januar 2019, 10:35

        …was entfernt mit eurer verzerrten Wahrnehmung meiner Positionen zu tun hat und lest überhaupt nicht richtig, was eigentlich mein Argument ist …

        Selber …

  • schejtan 9. Januar 2019, 10:59

    zu 7) insbesondere Fachkraeftemangel:

    Bonuspunkte gibt es fuer die Fuehrungskraefte, die sich darueber beschweren, dass die Leute ja zu anspruchsvoll sind, um die Arbeit zu den angebotenen Konditionen zu machen. Und ihre eigenen Gehaelter damit verteidigen, dass die Arbeit ja sonst niemand macht.

  • derwaechter 9. Januar 2019, 11:34

    „Das heißt konkret, dass sie zwei Möglichkeiten haben: entweder sie akzeptieren, dass in Deutschland dem anderen Geschlecht die Hand zu geben als höflich betrachtet wird und lassen es eben nur bei ihren eigenen Bekannten sein (was aber der Idee, dass Deutsche weniger respektwürdig sind, Vorschub leistet) oder sie müssen sich jedes Mal erklären („Tut mir Leid dass ich Ihnen nicht die Hand gebe, aber…“). Das ist anstrengend und nervig, aber das ist halt der Preis, den man bezahlen muss, wenn man solche Traditionen in einem Land behalten will, das sie nicht teilt.“

    Ich bin auch der Meinung, dass Integration keine Einbahnstraße ist aber in diesem konkreten Beispiel sehe ich überhaupt keinen Spielraum und keine zwei Möglichkeiten. Anderen Menschen selektiv nicht die Hand geben (in diesem Fall Aufgrund des Geschlechts) ist völlig inakzeptabel, da schlicht diskriminierend.

    • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 12:13

      Sag ich ja, damit stellst dich effektiv ständig außerhalb der Gesellschaft. Mein Punkt ist, dass das den Einwanderern keiner abnehmen kann. Ein normales Kopftuch zu akzeptieren kann man den Einheimischen dagegen IMHO zumuten.

      • derwaechter 9. Januar 2019, 12:44

        OK,. Ich hatte Deine Aussage so verstanden, dass Du das als zwei akzeptable Möglichkeiten ansiehst. Dass Du es mit anderen Worten auch in Ordnung findest, wenn jemand Frauen nicht die Hand gibt, Männern aber schon solange er die Konsequenzen, nämlich sich ständig zu erklären, trägt.

        • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 16:57

          Ich würde das sehr befremdlich finden. Und das würde mein Gegenüber vermutlich spüren.
          Aber: ich kann mich problemlos soweit anpassen, dass ich einer Muslima gegebenenfalls nicht die Hand reiche. Das ist echt kein Act.

          • derwaechter 9. Januar 2019, 20:06

            Na ja. Du bist doch sonst (meist völlig zu recht) auf Gleichberechtigung aus und zeigst an vielen Beispielen auf dass Frauen ungleich behandelt werden. Aber das ein Muslim dir die Hand geben würden der Lehrerin die neben dir steht aber nicht wäre kein Act?

            Ich fände das nicht nur „befremdlich“ sondern schlicht falsch.

            • Stefan Sasse 9. Januar 2019, 22:18

              Jein. Ich sehe es in dem Fall etwas anders als etwa so eine Burka oder so, weil es ja tatsächlich als Respektgeste gemeint ist.

              • derwaechter 10. Januar 2019, 08:50

                Jemanden nicht die Hand geben ist eine Respektgeste? Ich habe das Gefühl, dass ich hier irgendwas missverstehe.

                Vergleichbar aber andere Religion. Wie stehst du denn zu Mike Pence der mit Frauen nicht alleine sein will? Ist das auch ein Ausdruck von Respekt?

                • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 13:18

                  Aus seiner Sicht ja. Ich find’s kacke, hab ich hier drüber geschrieben: http://www.deliberationdaily.de/2017/07/wie-veraltete-etikette-sexismus-befoerdern/

                  • derwaechter 10. Januar 2019, 13:52

                    Eben

                    • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 15:30

                      Und ich bin ja auch dafür, das zu kritisieren! Ich bin der Überzeugung, dass es falsch ist und eine Trennung bewirkt und und und, genauso wie bei Pence. Aber wie bei diesem evangelikalen Spinner mir hier gewisse Leute im Blog gesagt haben, dass das alles Meinungsfreiheit und Grundrechte ist und dass man da tolerant sein muss (Stefan und Erwin etwa), so gilt das halt in gewissem Maß auch da. Es ist völlig wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass du die Leute mit einem schnoddrigen „Is in Deutschland halt so!“ zu einer 180°-Wende in ihrer ganzen Sicht auf das Zeug bewegen wirst. Deswegen ist meine Position: verstehen, warum sie es tun, deutlich machen, warum wir das anders sehen. Wandel durch Annäherung sozusagen 😉

                    • derwaechter 10. Januar 2019, 19:55

                      Das klingt gut! Man muss halt irgendwo Grenzen ziehen und Dinge nicht mehr tolerieren. Aber die Grenze ist nicht einfach zu ziehen.

                    • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 21:13

                      Darauf will ich raus. Und mit einem schnoddrigen „Weil ich halt will!“ wird das sicher nicht klappen. Dass man das ausgerechnet Mister „Der Staat kann Dinge nicht regeln, dass muss die freiheitliche Gesellschaft selbst tun“ sagen muss, ist bemerkenswert. Aber liberal sein ist halt immer einfach, wenn man zustimmt.

  • Erwin Gabriel 10. Januar 2019, 01:38

    @ Stefan Sasse

    zu 7) Chart of the day: Never believe corporations. Never.

    Es gibt nicht den geringsten Grund, einem Unternehmen auch nur ein Jota mehr Glaubwürdigkeit zuzugestehen. Es gibt eher gute Gründe, ihnen weniger zu geben, weil Politiker deutlich schärfer von den Medien überwacht werden als Unternehmenssprecher.

    „Weil, so schließt er messerscharf,
    nicht sein kann, was nciht sein darf“

    Manchmal bist Du einfach nur naiv.

  • Erwin Gabriel 10. Januar 2019, 02:18

    @ Stefan Sasse

    11) One Russian in Four Lacks an Indoor Toilet, One of Many Signs There are Now ‘Four Distinct Russias’

    … aber es klingt grundsätzlich realistisch (abgesehen vom alarmistischen Ton des Zerfalls des Landes).

    Ja, realistisch, aber nicht unbedingt überraschend. Russland ist das mit Abstand größte Land der Welt, und hat bezogen auf die Fläche sehr wenig Einwohner (8 pro km²; zum Vergleich: Deutschland hat 232 Einwohner pro km²). Ich nehme an, dass es das heiße fließende Wasser und die Toiletten eher in den Städten und nicht in der Steppe gibt.

    Ist aber überall so, wo raue Natur herrscht, etwa bei den Indios in den Anden.

    Was wiederum nicht zwangsläufig mit Trostlosigkeit zu tun haben muss, und soweit es meinem Halbwissen gegeben ist, kann ich diesen Eindruck von Dir nachvollziehen.

    • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 07:13

      Na, die beschreiben in dem Artikel ja auch explizit, dass die anderen Städte zerfallen und selbst der äußere Ring Moskaus Riesenprobleme hat. Das ist nicht nur das Thema vom flachen Land.

      • Erwin Gabriel 11. Januar 2019, 12:39

        @ Stefan Sasse 10. Januar 2019, 07:13

        Na, die beschreiben in dem Artikel ja auch explizit, dass die anderen Städte zerfallen und selbst der äußere Ring Moskaus Riesenprobleme hat. Das ist nicht nur das Thema vom flachen Land.

        Na, fahr mal nach Frankreich, nach Paris. Oder, in Deutschland, fahr nach Berlin, und schau Dir die äußeren Bezirke an, die noch nicht von den kapitalistischen Ausbeutern durchgenudelt wurden, oder schau Dir mal die Schulen an. Da findest Du auch eine erhebliche Abweichungen zu dem, wie es sein soll.

        Aber ich vermute, Du wolltgest auf Folgendes hinaus: Russland ist in jedem Falle nicht nur ärmer, sondern auch korrupter. Da geht es sicherlich deutlich krasser zu.

        • Stefan Sasse 11. Januar 2019, 14:25

          Der Artikel spricht von kein fließend Wasser, Heizung und Strom. Das ist schon noch mal ne andere Kategorie als Kreuzberg oder ein Banlieu.

  • kirkd 10. Januar 2019, 09:01

    zu 10) Why regulators went soft on monopolies

    Als Leitender Jurist in einem Multinational kann ich Dir sagen, dass das aktuell DAS Riesenthema im Kartellrecht ist. Zahllose Veröffentlichungen und Debatten drehe sich darum, dass der more economic approach aus den 80ern und 90ern nicht mehr geeignet ist, die Themen zu lösen, die die Netzwerk und Ecosystemwirtschaft aufwirft. Da wird einiges kommen und das verdient wirtschafts- und rechtspolitische Aufmerksamkeit.

  • Hias 10. Januar 2019, 14:54

    zu 7.) Fachkräftemangel

    Ich gebe Dir Recht, dass man auch Firmen und deren Verlautbarungen grundsätzlich kritisch sehen sollte. Aber was den Fachkräftemangel angeht, dieser ist in manchen Branchen bereits vorhanden und er verschärft sich von Jahr zu Jahr. Und das liegt nicht (nur) am Gehalt. Klar, bei Pflegern spielt der niedrige Lohn eine wichtige Rolle, aber hier in Südbayern haben selbst die großen Betriebe der Metall- und Elektrobranche Mühe Fachkräfte zu finden. Und deren Tarifvertrag zählt mit zum Besten was es gibt.
    Und ich empfehle einen Blick in die Statistik, es ist (auf den ersten Blick) erstaunlich, wo es überall eng wird:
    https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Fachkraeftebedarf-Stellen/Fachkraefte/BA-FK-Engpassanalyse.pdf

    Und bis auf Pfleger und (mit Abstrichen Physiotherapeuten) ist es eher nicht ein zu geringer Lohn.
    Der wichtigste Punkt beim Fachkräftemangel ist, dass eine Reihe von Faktoren fast gleichzeitig eintreffen, die das Thema schnell verschärfen. Darunter externe Faktoren wie die demographische Entwicklung, der Wunsch nach mehr Freizeit sowie die Tatsache, dass aus dem EU-Ausland (insb. Osteuropa) weniger Arbeitskräfte einwandern.
    Allerdings gibts auch eine Reihe von Faktoren, für die die Firmen selbst verantwortlich sind. Dazu würde ich zählen, dass man z.B. insbesondere in den 2000er Jahren die Ausbildungsplätze runtergefahren hat, oder dass man vor 2008 vergleichsweise schnell zum Mittel der Entlassung gegriffen hat. Zudem sind auch die ganzen Prozesse und Systeme v.a. der großen Firmen noch darauf ausgerichtet, dass es genug Bewerber gibt, ganz zu schweigen vom Denken vieler Personaler. Da fallen dann über 50-jährige, Bewerber, die nicht hundertprozentig passen oder die einen lückenhaften Lebenslauf vergleichsweise schnell raus, obwohl man händeringend Leute sucht.

    • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 15:34

      Ich will auch gar nicht behaupten, es liege NUR am Lohn. Aber der Fachkräftemangel wurde schon unter Schröder beschworen! Nur ein Beispiel: http://www.bpb.de/apuz/28210/fachkraeftemangel-bedroht-wettbewerbsfaehigkeit-der-deutschen-wirtschaft?p=all
      Die Verschleppung eines allseits bekannten Problems durch die SUPER EFFIZIENTE WIRTSCHAFT DIE SO VIEL BESSER IST ALS DER STAAT für rund 20 Jahre spricht eben nicht so sehr für das Genie der überbezahlten Vorstände.

      • Stefan Pietsch 10. Januar 2019, 16:30

        Nochmal: Was gedenkst Du zu tun, wenn Du der alleinige Steuermann wärst? Löhne verdoppeln – und was meinst Du, passiert dann? Ich hätte endlich gern eine Antwort auf diese zentrale Frage. Was meinst Du, warum seit Schröder die Erwerbsarbeit deutlich zugenommen hat? Wahrscheinlich, weil kein Bedarf da war…

        Nur mal so: der Staat hat so genial geplant, dass er heute keine Leute mehr für die Planung von Infrastrukturprojekten hat. Dabei ist der Personalstand in den letzten 20 Jahren gar nicht gesunken …

        • Hias 10. Januar 2019, 18:10

          >>>Dabei ist der Personalstand in den letzten 20 Jahren gar nicht gesunken<<<

          Dafür ist er erstens in den 10 Jahren davor gesunken, und zweitens hat sich die Struktur der Berufe verändert.

          • Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 08:55

            Lassen Sie uns mal gemeinsam überlegen, Anfang der Neunzigerjahre war doch etwas, Moment, ich google mal…

            Ich hab’s gefunden: Das Anschlussgebiet DDR, Neu-Deutsch Neue Bundesländer, wurde übernommen mit seinem etwas überdimensionierten Beamtenapparat. Wahrscheinlich wurde das gemacht, was oft bei Fusionen oder auch Übernahmen passiert: Auf die Hochzeit im Himmel folgt der Personalabbau auf Erden.

            Wenn der Staat 1991 ein paar Ingenieure zu wenig eingestellt hat, dann fehlen uns heute 54jährige Bauingenieure. Angesichts des hohen Krankenstandes im Öffentlichen Dienst gerade im Bereich der über 40jährigen und dem Streben nach Frühverrentungen, halte ich eventuelle (!) Versäumnisse im Jahr 1991 für überschaubar für unsere heutigen Probleme mit dem Staatssektor.

            Beim Staat verändert sich die Struktur von Berufen nicht. Da kann Ihnen heute ein Bauzeichner seine Stellenbeschreibung von 2002 zeigen, die ist maßgeblich für ihn.

            • Hias 11. Januar 2019, 11:51

              Okay, dann machen wir es mit Zahlen, Daten, Fakten:

              2001: 4,82 Mio Beschäftigte, davon 1,2 Mio in Teilzeit
              2008: 4,5 Mio Beschäftigte, davon 1,4 Mio in Teilzeit
              2017: 4,77 Mio Beschäftigte, davon 1,5 Mio in Teilzeit

              http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61714/oeffentlicher-dienst
              https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12910/umfrage/entwicklung-des-personalbestandes-im-oeffentlichen-dienst-in-deutschland/

              2001 ist definitiv lange nach den Privatisierungswellen (Post, Bahn, Telekom) und dem Stellenabbau in den neuen Bundesländern. Mit anderen Worten, der Staat hat tatsächlich Personal abgebaut und hat auch jetzt weniger als 2001 (zumindest in FTEs). Zwischenzeitlich sogar ganz ordentlich, aber dann ab 2008 wieder aufgebaut.

              Und mit der Veränderung der Struktur meine ich nicht, dass sich die einzelnen Stellenbeschreibungen geändert haben, sondern, dass ein Stellenabbau bei den Bauingenieuren einem Stellenaufbau z.B. bei Erziehern gegenübersteht, da habe ich mich falsch ausgedrückt, sry.

              • Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 12:13

                Das Erste, was mir an den Zahlen auffällt, ist nicht das Auf und Ab. Warum wird im Staatsdienst so die Teilzeit ausgeweitet?

                Ich bin ja generell skeptisch, ob die Zahl der Mitarbeiter in einer Organisation etwas über deren Qualität aussagt. Soweit ich mich auskenne – und das ist nicht sehr viel – ist der Staat für Leute, die die Kunst des Bauingenieurs besitzen, längst denkbar uninteressant. National und international tobt ein Kampf um diese immer noch nicht ausreichende Spezies. Vor Jahresfrist führte ich Gespräche mit Unternehmen aus der Industrie. Arbeitslose Bauingenieure würde es praktisch nicht geben, was von den Hochschulen käme, würde absorbiert. Jedes Unternehmen sei froh, wenn es so einen Kandidaten gewinnen könne, das entscheide über Wohl und Wehe von Bauunternehmen. Der Öffentliche Dienst mit seiner festgezurrten Tarifstruktur kann da nicht konkurrieren. Erst müssten die Entgelte für alle Beschäftigten deutlich angehoben werden, damit man anschließend um Absolventen werben könnte.

                Über die Jahre habe ich immer mal Stellenanzeigen des ÖD gesehen, dort ist immer (!) auch die Eingruppierung genannt. Doch die angebotenen Gehälter sind uninteressant für Leute, die sich am Markt bewegen und im Zweifel die Auswahl zwischen 2-4 Angeboten haben. Zudem rät jeder Personalberater von einer Tätigkeit beim Staat ab, das ruiniert die Karriereambitionen.

                • Erwin Gabriel 11. Januar 2019, 12:47

                  @ Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 12:13

                  Arbeitslose Bauingenieure würde es praktisch nicht geben, was von den Hochschulen käme, würde absorbiert. Jedes Unternehmen sei froh, wenn es so einen Kandidaten gewinnen könne, das entscheide über Wohl und Wehe von Bauunternehmen.

                  Volle Zustimmung.

                  Da kann man vielleicht auch ergänzen, dass jetzt die Bauindustrie in die Phase der Digitalisierung eintritt Stichwort „Building Information Modeling“, kurz BIM).

                  Die Bauingenieure, die jetzt von der Uni kommen, sind darin im Normalfall nicht ausgbildet. Diese Ausbildungsleistung wird dann in der Regel privat über eigene Weiterbildung oder in den Unternehmen erbracht.

        • Stefan Sasse 10. Januar 2019, 21:10

          Strohmannalarm!

      • Hias 10. Januar 2019, 18:05

        Oh, dass ein Mangel an Fachkräften kommen würde, das ist schon relativ lange klar.
        Nur, in den 1990er und 2000er Jahren hatten wir eine Massenarbeitslosigkeit, darunter noch viele gut ausgebildete Arbeitslose sowie mit Mittelosteuropa ein Billiglohnparadies direkt vor der Haustür. Gut ausgebildete Arbeitnehmer (v.a. im gewerblichen Bereich), stabile politische und rechtliche Rahmenbedingungen durch EU-Mitgliedschaft und aufgrund der kommunistischen Vergangenheit schwache Gewerkschaften. Da musste man schon sehr idealistisch sein, wenn man auf Produktion und Ausbildung in Deutschland setzte. Dies gilt umso mehr, da die internationale Konkurrenzsituation mit Abschluss der Uruguay-Runde und Gründung der WTO massiv zunahm.

        Das heißt nicht, dass man das nicht hätte machen können, aber damals hingen die Früchte halt sehr tief. Aber alles hat halt seine Konsequenzen. Von daher sollten die Unternehmen auch aufhören rumzujammern. Das ist halt so, den Zustand hat man selbst mit herbeigeführt, also muss man damit auch jetzt umgehen.

        Ja, die Wirtschaft ist in den weit überwiegenden Fällen besser (im Sinne von effizienter) als der Staat, sie ist auch besser darin, technologische Lösungen voranzutreiben. Aber bei gesellschaftlichen Problemen oder der Grundlagenforschung sollte man sich nicht auf die Wirtschaft verlassen.

      • Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 09:21

        Aber der Fachkräftemangel wurde schon unter Schröder beschworen!

        Vielleicht liegt das daran, dass wir immer noch eine wachsende Volkswirtschaft sind, die wegen der technischen Dynamik einen fast exorbitant wachsenden Bedarf an exzellent ausgebildeten Spezialisten hat, aber uns gleichzeitig seit Jahrzehnten den Luxus erlauben, Kinder nur als Add-on zu halten. Und unsere Migrationspolitik ist auch Mist, seit auch dieser Zeit schaffen wir es nur, ärmliche Analphabeten aus Hinterwaldländern anzuziehen, die hier eher ihre Vorstellungen von einer tradierten Familienbeziehung leben wollen als geistige Flexibilität unter Beweis zu stellen.

        Und dann meinen wir noch, das Kopftuch als Symbol der Freiheit und Liberalität akzeptieren zu müssen.

        • Stefan Sasse 11. Januar 2019, 09:31

          Ich weiß nicht, was du so alles meinst, aber vielleicht solltest du dich mit solchen Ideen mal untersuchen lassen.

          • Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 10:34

            Bevölkerungsentwicklung und Arbeitskräftebedarfe sind sehr langwierige Entwicklungen. Dies in mind, sollten wir uns fragen, warum nach Deutschland vor allem Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, dem Maghreb und dem arabischen Raum zuwandern, US-amerikanische Migranten aber so selten sind wie Briten, Luxemburger oder Skandinavier. Und wir sollten uns überprüfen, warum typischerweise das Bildungsniveau der Zuwanderer signifikant unter dem der einheimischen Bevölkerung liegt. Kanada, Australien, Großbritannien bekommen da eine wesentlich bessere Ausbeute der weltweiten Potentials hin.

            Das sind alles unbestreitbare Fakten. Für manches gibt es Gründe, für langfristige Anomalien jedoch weniger. Und warum Deutschland seit Jahrzehnten bei den Geburtenraten am Ende der Weltliste liegt, darauf finden auch Leute wie Du leider keine Antwort.

            • Stefan Sasse 11. Januar 2019, 12:23

              Klar hab ich darauf eine Antwort, aber du unterstellst mir ja lieber irgendwelche Positionen und reißt diese dann wortreich nieder. Habe ich schon Strohmänner erwähnt?

              Es war die CDU, die 16 Jahre lang unter Kohl beharrlich erklärt hat, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei und sich gegen eine Novelle des Einwanderungsgesetzes gewehrt hat. Sie hatte es auch zuvor unter Schmidt und Brandt blockiert. Als Rot-Grün sich an eine zägliche Reform machte, hieß es „Kinder statt Inder“. Erst unter Merkel hat sich hier was bewegt. Soviel dazu warum bisher nichts geschah. Es war aktive politische Blockade. Was wir gebraucht hätten wäre längst ein Einwanderungssystem gewesen, etwa mit Punkten wie Kanada oder so was. Hat man aber nie gemacht, weil wir sind ja kein Einwanderungsland. Und die Leute die hier sind integrieren und ausbilden geht ja auch nicht, weil die gehen ja bestimmt irgendwann wieder, und es kostet zuviel, und blablabla.

              • Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 12:47

                Habe ich schon Strohmänner erwähnt?

                Wenn ich das Wort höre, rattert in meinem Kopf ein Übersetzungsprogamm ab. Was bedeutet das, wie habe ich es im Kontext zu sehen? Ich bekomme damit keine instinktive Verbindung und so geht es mir mit zahlreichen der von Dir verwendeten Begriffe. Das ist so wie wenn in Unternehmen eine Sprache gesprochen wird, die kein Außenstehender versteht und die deswegen abgehoben wirkt.

                Es war die CDU, die 16 Jahre lang unter Kohl beharrlich erklärt hat, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei und sich gegen eine Novelle des Einwanderungsgesetzes gewehrt hat.

                Aus guten Gründen.

                Was wir gebraucht hätten wäre längst ein Einwanderungssystem gewesen, etwa mit Punkten wie Kanada oder so was.

                Das ist so die Argumentation aus Deiner Tutti-Frutti-Traumwelt. Für ein solches Gesetz hätten viele Konservative die Hand gereicht. Nur: das ist in unserem Land nicht mehrheitsfähig. So schreibt eine der führenden Parteien in Deutschland im Jahr 2017 zwar ellenlange Abhandlungen darüber, was Migranten alles geboten werden soll bis hin, dass es jederzeit auch willkommen ist, wenn sie in ihre Heimatländer zurückgehen (oder nach Jahren auch wiederkommen). Nur eins findet sich nicht: wie diese Edelmigranten denn auszuwählen sind.
                https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BUENDNIS_90_DIE_GRUENEN_Bundestagswahlprogramm_2017.pdf#page=111

                Und obwohl die SPD, ausgebreitet in einem Satz, von einer Partei, die sonst sehr viele Worte zu verlieren weiß, in ihrem Wahlprogramm auf das kanadische Modell verweist, findet sich dazu herzlich wenig im nun geltenden Einwanderungsgesetz. So viele Jahrzehnte Debatte, so wenig Ertrag. Im Vordergrund sind immer die den Multikulti-Fetischisten wichtigste Frage: wie kann den in der Welt Bedrängten ein sicherer Aufenthaltsstatus in Deutschland gewährt werden? Das ist der falsche Ansatz und der gute Grund, warum wir ein Einwanderungsgesetz ablehnen sollten.

                • Stefan Sasse 11. Januar 2019, 14:26

                  Deswegen hab ich dir die Erklärungen verlinkt, aber auf die hast du ja nur schnippisch reagiert.

                  Ich geb auf.

                  • Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 14:51

                    Welche Erklärungen? Ich bin den Baum durch, finde von Dir aber nur einen Link zu den Fachkräften.

                    Dass Deutschland im Grunde Blutzufluss von Migranten benötigt, habe ich nie bezweifelt. Aber wir haben ein Talent, die Falschen zu attrahieren und das noch als Erfolg zu feiern.

                    • Stefan Sasse 11. Januar 2019, 18:11

                      Strohmann meinte ich.

                      Ja. Und die Konservativen haben sich über 20 Jahre lang gewehrt, so was umzusetzen und haben es als Erfolg gefeiert. Und jetzt haben wir die Quittung.

    • CitizenK 10. Januar 2019, 16:56

      „dass man z.B. insbesondere in den 2000er Jahren die Ausbildungsplätze runtergefahren hat“

      Interessanter und wichtiger Punkt. Warum haben die Unternehmen, vor allem die Handwerker, früher so viel mehr ausgebildet (oft über den eigenen Bedarf hinaus), obwohl sich nicht sicher sein konnten, dass die „Ausgelernten“ im eigenen Betrieb arbeiten würden?

      Grundlage war das Bewusstsein, dass dies letztlich allen zugute kommen würde. Man könnte auch von einem Gemeinschaftsgefühl, von einer Verantwortung für das Ganze, sprechen. Die neoliberale Ideologie hat das zerstört. Gewinnmaximierung und Shareholder Value verträgt sich nicht mit Kosten, von denen auch andere profitieren. Jetzt wird gejammert.

      • Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 09:14

        Ihnen ist ein wichtiges Detail entgangen: seit über einer Dekade werden mehr Ausbildungsplätze angeboten als es Auszubildende gibt. Dennoch bleiben tausende junger Leute ohne Ausbildungsvertrag, häufig, weil sie aus freien Stücken verzichten, z.B. weil sie lieber Hartz-IV-Empfänger als Bäcker werden. Ich finde, wir sollten analog zur Gewerkschaftsidee von vor 10 Jahren überlegen, ob wir jungen Leuten nicht eine Abgabe auferlegen, wenn sie keiner Ausbildung nachgehen. Wir wäre das?

        Könnte der Rückgang an Ausbildungsberufen damit zusammenhängen, dass sich der Anteil der Studenten verdoppelt hat? Wieder gewinne ich bei dieser Argumentation den Eindruck, es gäbe eine „Junge-Menschen-Backmaschine“. Wie wir aber wissen (oder auch nicht), ist die Zahl der bis 25jährigen dramatisch seit den Achtzigerjahren geschrumpft. Es nützt wenig, in nostalgischen Erinnerungen zu schwelgen, wenn die damals 20-35 jährigen nicht dem Null-Bock gefrönt, sondern mehr miteinander rumgemacht hätten.

        Ich bezweifle ernsthaft, dass der 08/15-Handwerker Ahnung vom Begriff Shareholder Value hat. Ich selbst habe darüber ja nur begrenztes Wissen. Ich glaube auch nicht, dass der 08/15-Handwerker deswegen heute weniger Auszubildende hat. Ich glaube eher, dass es heute weniger junge Leute gibt und schon gar solche, die sich um 3:30 Uhr in eine Backstube stellen wollen. Nach meiner Wahrnehmung haben wir zwar auf dem Schwarzmarkt viele Anbieter, nicht aber auf dem regulären Märkt. Jeder Baubetrieb ist heute froh, wenn ein Kunde eine Rechnung haben will.

        Vielleicht definieren Sie mal den Begriff „Gewinnmaximierung“. Ich habe nämlich erhebliche Zweifel, dass vor allem diejenigen, die darüber klagen, Ahnung davon haben, was das ist und belegen könnten, dass dies praktiziert wird. Das ist nach meiner Beobachtung – und bitte klammern Sie ein paar DAX-Unternehmen aus, da unsere Wirtschaft zu 98% aus kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht – ein Begriff aus der volkswirtschaftlichen (sic!) Theorie, genauer der Microökonomie, wo man sich fragt, wo es je praktische Relevanz besaß.

        In dem Unternehmen, wo ich derzeit Dienst tue und das im Besitz eines PE steht, ist ein wichtiger Kunde im Bieterkampf verloren gegangen. Der Investor stimmt zu, auf jeglichen Gewinn zu verzichten, wenn wir dafür das Auftragsvolumen zurückbekommen. Dem muss ich wahrscheinlich mal den Begriff „Gewinnmaximierung“ erklären…

        • CitizenK 11. Januar 2019, 09:46

          Diese Gesichtspunkte spielen sicher eine Rolle. Gerade im Handwerk klagten die Meister auch schon früher über mangelnde Fähigkeiten (Grundrechenarten, Prozentrechnung) der Bewerber.

          Ich denke aber auch an Großbetriebe, die früher große Ausbildungsabteilungen hatten. Meine Jugendfreunde machten dort ihre „Lehre“, wie das damals hieß. Die meisten verließen das Unternehmen direkt danach oder nach wenigen Jahren, aus verschiedenen Gründen. Die Kosten der Ausbildung als Mittel der Nachwuchs-Gewinnung hatten sich für die Unternehmung also möglicherweise (s. unten) nicht gerechnet.

          Meine Vermutung ist, dass die Unternehmensleitungen damals noch von Grundüberzeugungen geleitet waren, die man heute vielleicht als korporatistisch bezeichnen würde oder als Überbleibsel von Zunft-Vorstellungen. Die aber auch ihre gesellschaftlichen Vorteile hatten.

          Ich gebe allerdings zu, dass von Arbeitnehmerseite auch geklagt wurde, dass Lehrlinge ausgenutzt würden, im 3. (oder bei anspruchsvollen Berufen im 4.) Lehrjahr schon volle Leistung brachten. Dann hätte die Ausbildung insgesamt den Ausbildungsbetrieb nichts gekostet.

          Mein Ansatz ist also wirtschafts- und ideengeschichtlich. Ihre Gesichtspunkte sind bedenkenswert.

          • Stefan Pietsch 11. Januar 2019, 10:51

            Nach meiner Beobachtung bilden auch Großunternehmen prinzipiell noch gerne aus, gerade in der heutigen Zeit. Im Vergleich zu „frei“ eingekauften jungen Leuten sind selbst Ausgebildete erstens vergleichsweise günstig und zweitens passgenau für das eigene Unternehmen. Kaufen Sie Mitarbeiter vom Markt, müssen Sie Monate investieren, damit diese die unternehmenseigenen Instrumentarien und Besonderheiten beherrschen.

            Mittelständler sind allerdings froh, wenn die Großkonzerne ihnen nicht alle Potentiale wegnehmen, denn für sie gelten die gleichen Argumente. Wer nicht genug Leute hat, um Nachwuchs auszubilden, muss sich später Arbeitskräfte vom Markt kaufen. Das ist vergleichsweise teuer. Zudem haben beim Daimler ausgebildete Fachkräfte ganz andere Ansprüche als jemand aus einem 1.000-Mann-Betrieb.

            Dazu kommt: je größer das Unternehmen, desto spezialisierter wird ausgebildet und je größer ist die Zahl von „Fachidioten“. Kleinere Unternehmen benötigen eher Allrounder. Der Maschinenbauer, für den ich zeitweise gearbeitet hatte, musste selbst Mechatroniker, Mechaniker und Elektriker ausbilden, da die Maschinen speziell waren. Der Bedarf wuchs stark in den letzten Jahren, da der Stamm der Techniker schnell alterte. Und bis Sie einen fertig ausgebildeten Techniker auf Kunden loslassen können und gar, bis dieser ein wichtiger Know-how-Träger ist, vergeht selbst bei den größeren Talenten ein Jahrzehnt. Umgekehrt ließen sich nicht Techniker vom Markt kaufen. Bei der Konkurrenz arbeiteten Mechaniker und Elektriker, die sehr viel stärker auf einzelne technische Komponenten spezialisiert waren und es unmöglich schien, diese auf die hauseigenen Maschinen anzupassen.

            Auch heute noch wird über Bedarf ausgebildet – wenn die Leute vorhanden. Der Grund ist sehr einfach: Fluktuation. Ein gewisser Prozentsatz verlässt vor Ausbildungsende oder kurz danach das Unternehmen. Würde man nur gemäß dem zahlenmäßigen Bedarf ausbilden, wären am Ende zu wenige übrig.

            Ihre Gesichtspunkte sind bedenkenswert.

            Danke.

            • Stefan Sasse 11. Januar 2019, 12:23

              Bei Mittelständlern verdient man halt auch massiv schlechter als bei Großkonzernen. Einmal mehr eine Gehaltsfrage, an der sich das entzündet. Wettbewerb! Angebot und Nachfrage! Dürften dir bekannt sein.

  • Rauschi 17. Januar 2019, 09:44

    Wie ein angeblicher Marktkenner die Wirkungsweise von Angebot und Nachfrage auf den Kopf stellt

    Zum Thema bessere Löhne bei «Fachkräftemangel» wurde von Herrn Pietsch einiges eingewandt, warum das nicht funktionieren würde, so zum Beispiel :
    1) Auch bei höheren Löhnen gäbe es die gesuchten Fachkräfte nicht auf dem Markt
    2) Bei höheren Löhnen wären die ungeeigneten Arbeitslosen immer noch ungeeignet
    Ist nicht falsch, aber überhaupt kein Argument gegen höhere Löhne, weil es den Mechanismus der Wirkung von Angebot und Nachfrage auf den Kopf stellt.
    Niemand würde behaupten, nur weil eine Ware teurer wird, gibt es dann automatisch und sofort mehr davon auf dem Markt. Erst der höhere Preis motiviert andere Anbieter, dieses Produkt selbst herzustellen oder zu importieren, also selbst anzubieten. Dann steigt das Angebot und im Nachgang wird der Preis wieder fallen.
    Vergleich, der sogenannte Schweinezyklus, sollte ja einem ökonomisch gebildeten Menschen bekannt sein:
    Schweinezyklus bezeichnet eine periodische Schwankung der Angebotsmenge und des Marktpreises. Arthur Hanau prägte 1927 in seiner agrarwissenschaftlichen Dissertation über Schweinepreise den Begriff „Schweinepreiszyklus“; der Begriff „Schweinezyklus“ ist in der Wirtschaftswissenschaft verbreitet.
    Der Begriff wird in den Wirtschaftswissenschaften im übertragenen Sinn für analoge Vorgänge auf anderen Märkten verwendet. Auf Arbeitsmärkten etwa führen hohe Gehälter oder allgemein gute Chancen in einem bestimmten Bereich zu einer steigenden Zahl von Studienanfängern, die dann nach mehreren Jahren gleichzeitig auf den Arbeitsmarkt drängen. Die schlechteren Job-Aussichten schrecken sodann neue mögliche Studienanfänger ab. Beispiele für solche Arbeitsmärkte in Deutschland sind der Ingenieurberuf und der Lehrerberuf.
    Auch bei der Produktion von Industriegütern wie zum Beispiel Computerchips kann der Schweinezyklus beobachtet werden: Hohe Preise für Speicherchips führen zu einem Anziehen der Investitionen und zeitverzögert zu einem Aufbau neuer Kapazitäten. Wenn die neuen Kapazitäten am Markt sind, entsteht ein Überangebot, das die Preise fallen lässt und zu verringerten Investitionen führt, bis die Nachfrage das Angebot, das wiederum nur zeitverzögert reagiert, wieder übersteigt. Auch auf Immobilienmärkten (vgl.: Immobilienuhr) oder bei der Förderung von Rohstoffen wie etwa Erdöl können sich Märkte nach dem Schweinezyklus verhalten.

    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schweinezyklus da ist auch eine interessante Grafik zu sehen
    Ich höre die Beschwerden wegen Fachkräftemangel nun schon seit über 10 Jahren, kann mir der Experte mal erklären, warum die Löhne in den Mangelberufen nicht gestiegen sind, was oben beschriebene Folgen zeigen würde? Mehr junge Menschen würden eine Ausbildung dort anstreben und nach einiger Zeit gibt es keinen Mangel mehr.
    Wer aber gleichzeitig das hohe Lied auf die «Akademiker» als die «Leistungsträger» singt und nur diesem ein menschenwürdiges Gehalt zugesteht, der braucht sich doch nicht zu wundern, wenn das Auswirkungen auf den Ausbildungswunsch der Jugend hat.
    Bei Mangel nach einer Abgabe für jugendliche Hartz IV Empfänger (der so einen Beruf wie Bäcker mangels Zukunftschancen nicht ergreifen will) zu rufen, zeigt, dass er die Realität nicht kennt.
    Beim ersten Verstoss gegen die Eingliederungsvereinbarung wird Jugendlichen der gesamte Satz auf 0 gekürzt, ist das dann nicht hart genug, soll der obendrein noch von seinem nicht vorhandenen Geld eine «Abgabe» zahlen?

    Ach ja, die Zusammensetzung der Unternehmen ist auch nicht auf dem neuesten Stand.
    Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen: 99,3%
    Anteil am Umsatz: 33,8%
    Anteil Grossunternehmen: 0.7%
    Anteil am Umsatz 66,2%
    Quelle: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/KleineMittlereUnternehmenMittelstand/Tabellen/Insgesamt.html
    Soviel zum Markt und angeblichen Wettbewerb

    Auch nach so langer Abstinenz hat sich niemand gefunden, dem das aufgefallen ist? Immer noch Filterblase und relativ unkritischer Umgang mit solchen Aussagen. Bin dann mal wieder weg.

    • CitizenK 17. Januar 2019, 10:16

      @ Rauschi

      Offenbar ist Dir nicht aufgefallen, dass uns das aufgefallen ist, weil Du nicht oder nur sporadisch dabei bist.

      Da wäre ein bisschen weniger Überheblichkeit durchaus funktional.

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