Ich habe nun einige Faktoren benannt, die nicht verantwortlich dafür waren, dass der Wahlkampf verloren gegangen ist. Auch wenn der Wahlkampf bei weitem nicht so schlecht war, wie HRC seitens ihrer Kritiker gerne vorgeworfen wird, so war er doch weit entfernt von „gut“. Ich möchte im Folgenden genauer beleuchten, welche Faktoren nicht nur für Clintons Niederlage verantwortlich waren, sondern zudem auch noch entweder ihre Schuld waren oder in ihrer Macht zu neutralisieren gestanden hätten.
Der erste Faktor, um das gleich aus dem Weg zu bekommen, betrifft Wisconsin. Von den drei Staaten, die HRC am Ende die Präsidentschaft kosteten, war er nicht nur der knappste, sondern auch der vernachlässigste. Zwar hätten ein größereres Engagement Clintons und der (angenommene) Sieg in Wisconsin nichts am generellen Ergebnis gehindert. Aber anders als in Michigan und Pennsylvania war Wisconsin tatsächlich ein Staat, der – gemessen am Stand anderer Staaten und seiner Bedeutung, weniger gemessen am Engagement ihres Gegners – von Clinton vernachlässigt wurde. Sie hätte grundsätzlich mehr tun müssen, um ihn zu bekommen, und vielleicht etwas weniger in Staaten, die für ihren Sieg nicht nötig und eher „nice to have“ gewesen wären (wie etwa Georgia oder South Carolina).
Das Grundproblem für diese Argumentationslinie ist natürlich, dass die Daten für Clinton keine Veranlassung ergaben, Zeit und Geld in „sichere“ Staaten zu stecken. Hätte sie mit dem erwarterten Rahmen gewonnen – also ein popular-vote-Sieg von 4-6% – hätte sie sich zweifellos viel (berechtigte) Kritik ihrer Parteifreunde aus Staaten einholen müssen, die auf etwas Rückenwind gehofft hatten, um die ja zeitgleich anstehenden Wahlen im Repräsentatenhaus zu gewinnen. Denn man darf nicht vergessen, dass Hillary Clinton genau wie Donald Trump im Sommer 2016 die Chefin ihrer Partei war und auch eine Verantwortung für die Kongresskandidaten hatte. Trump ignorierte diese wie auch 2018 weitgehend, aber Clinton (die schon immer mit mehr Verantwortungsgefühl ausgestattet war) tat dies nicht. Dies schränkte ihre Freiheit für solche Entscheidungen auch etwas ein. – Dem unbenommen aber war Wisconsin sicher der Staat, in dem unabhängig von diesen Faktoren etwas mehr Aufmerksamkeit angesichts der demographischen Großtrends nicht geschadet hätte.
Ebenfalls ein Clinto-eigenes Problem war die geringe Wahlbeteiligung auf der linken Seite der demokratischen Koalition. Die Wählerschaft, die Bernie Sanders zu einem solch formidablen Gegner gemacht hatte – vor allem junge, studentische Wähler – tauchten am Wahltag in leicht unterdurchschnittlicher Zahl auf. Bei einem so knappen Ergebnis aber sind leicht unterdurchschnittliche Zahlen nichts, was man sich leisten kann, besonders wenn die Basis des Gegners deutlich überdurchschnittlich mobilisiert ist (was Clinton nicht wissen konnte, aber trotzdem…).
In Clintons Plattform gab es wenig direkten Raum für diese aufstrebende Wählerschaft. Wir werden auf ihre unklare Positionierung gleich noch ausführlicher zu sprechen kommen, aber wenn man bedenkt, welch zentrale Stellung die jungen Wähler für die Mobilisierung der Partei und den Wahlsieg 2018 haben würden und welche Bedeutung sie für Obama 2012 und besonders 2008 hatten, so war Clintons Versagen dabei auch nur zu versuchen, diese Wählerschicht zu erschließen, ein besonders auffälliges Manko. Exemplarisch lässt sich dies an der Wahl ihres Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Kaine festmachen. Dieser war im Endeffekt eine Kopie ihrer Stärken und Schwächen und anders als andere Kandidaten wie Elizabeth Warren wenig dazu angetan, sie für die rebellische Studentenschaft zu begeistern.
Direkt damit verbunden ist das bereits angesprochene Problem der hohen Zahl unentschiedener Wähler. Darin liegt die Hauptursache dafür, dass die Prognosen so unsicher waren, und es ist auch der Hauptgrund ihrer Niederlage. Um das zu erklären und die Ursachen zu klären müssen wir etwas ausholen. Als Obama sich 2012 um seine Wiederwahl bewarb, war sich 538 mit seinen Prognosen sicher, weil die Zahl unentschlossener Wähler unter 5% lag. Entwicklungen spät im Wahlkampf – etwa Obamas miserable Performance in der ersten Debatte – sorgten so zwar für Ausschläge in den Umfragen, die aber schnell wieder zum Ursprungswert zurückgingen. Die Erklärung dafür war der „revert to the mean„, den YouGov auch für 2016 vermutete. 2016 aber war die Zahl unentschlossener Wähler sehr hoch; die Ausschläge daher „echt“.
Der Grund dafür liegt unter anderem in den miserablen Beliebtheitswerten Clintons. Denn ansonsten wäre damit zu rechnen gewesen, dass wesentlich mehr Wähler sich deutlich von Trump abgestoßen fühlten. Ihre Beliebtheitswerte aber sorgten dafür, dass die Wahl zwischen Trump und der Alternative für viele unklar genug war, immer wieder zwischen den Polen hin- und herzulavieren. Diese Beliebtheitsprobleme Clintons haben mehrere Ursachen. Zum einen ist sie nicht sonderlich charismatisch; das ist auch nicht wirklich etwas, das sie ändern kann. Zum anderen ist sie ein Kandidat des Establishments in einer Anti-Establishment-Wahl; hierfür gilt das gleiche. Zum dritten fehlte ihr ein klares Narrativ, das sie zu einem Kristallisationspunkt für progressive Hoffnungen hätte machen können, viertens litt sie an einer Menge von Skandalen und fünftens hatte sie einen Ruf als kriegstreibende Falkin. Und diese letzten drei Punkte liegen durchaus in ihrer Verantwortung.
Beginnen wir mit dem mangelnden Narrativ. Hillary Clinton ist eine extrem policy-orientierte Person. Besuchte man während des Wahlkampfs ihre Homepage, fand man Seite um Seite detaillierter policy-Vorschläge, alle sauber auf Mach- und Finanzierbarkeit abgeklopft. Befragte man sie in Interviews, so war sie stets bereit, offensichtlich auswendig gelernte Stastiken, Fakten und Vorschläge auszubreiten. Nur war daran im Wahlkampf niemand interessiert. Wie ich in meiner Rezension zu ihrem Buch „What Happened“ schrieb, war es HRC nie möglich, sich auf eine Geschichte zu verlegen – nicht einmal in ihrem eigenen Buch zum Wahlkampf!
Dieses Manko ist der entscheidenste Fehler, den sie selbst beging, den er wirkt direkt auf die niedrige Wahlbeteiligung ihrer Basis zurück, die alleine für einen Sieg ausreichend gewesen wäre. An guten Ideen mangelte es hierbei eigentlich nicht. Clinton hatte ein Leitmotiv, das einen klaren Kontrast zu Trump im Speziellen und der GOP im Allgemeinen bot („Stronger Together„), das auch auf ihr bisheriges politsches Engagement und ihre ganze Persona zurückwirkte (vor allem auf ihr Buch „It takes a village„). Ihre ganze Lebensgeschichte, ihre ganze Persönlichkeit wären eigentlich ideal für diese Erzählung gewesen. Wären. Aber der Clinton-Wahlkampf schwenkte auf eine Art zwischen verschiedenen Themen und Schwerpunkten hin und her, bei der sich Martin Schulz gleich zuhause gefühlt hätte.
Auch als progressiver Leuchtturm eignete sich die HRC des Jahres 2016 schlecht. Dabei hatte sie in ihrer Karriere immer wieder mit radikaleren Vorschlägen für Eindruck gesorgt. Ich erwähnte bereits, dass sie in den Vorwahlen 2008 im Vergleich zu Obama die radikalere Kandidatin war (man denke nur an die Gesundheitsreform zu Beginn der 1990er Jahre und auch wieder im Wahlkampf 2008). Ein solches Thema, das auch Clintons Schwäche bei den jungen Wählern hätte beseitigen können, wurde in ihrem Wahlkampfteam hinter verschlossenen Türen auch ernsthaft diskutiert: das Universal Basic Income, also das Bedingungslose Grundeinkommen.
Statt das zu tun, was ein Wahlkämpfer mitten im Wahlkampf eigentlich tun sollte und sich zu fragen, ob das Thema mehr Wähler mobilisiert als demobilisiert, schuf Clinton einen Expertenstab aus Ökomomen unterschiedlicher Denkrichtungen, die verschiedene Konzepte durchrechneten und auf Machbarkeit überprüften. Am Ende war das Resultat, dass sie keine Möglichkeit sahen, das Konzept kostenneutral umzusetzen. Das sind Gedanken, die man sich macht, wenn man im Weißen Haus sitzt – nicht, während man rein will. Die Integrität Clintons arbeitete hier massiv gegen sie, und noch dazu völlig sinnlos. Sie hatte ohnehin keinen integren Ruf.
Auch auf anderen Gebieten hatte Clinton solche Probleme. So gehörten zu ihrem Programm solch populäre Forderungen wie paid family leave, also der in Europa völlig gängige Mutterschutz, als auch handelspolitische Themen wie die Schaffung eines pan-amerikanischen Energiemarkts. Diese Forderungen mögen auf Basis ihrer Qualität als policy alle ganz großartig sein, aber im Wahlkampf passen sie hinten und vorne nicht zusammen.
Stattdessen hatte Clinton von allem nur das Schlechteste: Statt sich auf einen Wahlkampf zu konzentrieren, der sich auf die Bedürfnisse von Frauen und Familien zu konzentrieren und selbst bei Republicans deutlich populäre Themen zu besetzen, blieb vom paid family leave einmal mehr nur das Label der geldverschwndenden Sozialistin. Vom panamerikanischen Energiemarkt, der Eckstein einer progressiven sicherheitspolitischen Konzeption hätte sein können, die auch noch Clintons Ruf als außenpolitischem Falken hätte neutralisieren können, blieb nur ein Zitat von „open borders„, das von den republikanischen parteiischen Medien – noch in der von FOX News gehosteten dritten Debatte mit Trump! – bewusst verzerrend gegen sie verwendet wurde.
Jedes einzelne Thema hätte einen Wahlkampf definieren können. Aber Clinton warf sie nach draußen, wie sie durch tagespolitische Ereignisse, Interviewfragen oder Debattenansätze gerade so auftauchten. Sie wechselte vom Policy-Wonk zur besorgten Großmutter zur Eisernen Lady 2.0 hin und her, wodurch sowohl ein Eindruck der Beliebigkeit als auch der Künstlichkeit entstand, den sie nie loswurde. Genau wie Mitt Romney 2012 hätte sie besser den Mut besessen, ihre genuine Persona als Präsidenten-Oma auszuspielen anstatt sich in Rollen zu werfen, die sie nicht überzeugend vertreten konnte (man denke nur an „Pokémon-GO to the polls!“ und andere peinliche Versuche, hip zu wirken). Hier waren sowohl sie als auch ihr Team offensichtlich beratungsresistent.
Ein schwerwiegendes Manko war außerdem ihre Wahnehmung als außenpolitischer Falke. Diese Wahrnehmung ist bis zur Karikatur hin übertrieben und vor allem gegen eine isolationistische Karikatur Donald Trumps gesetzt worden (man denke nur an Augsteins völlig behämmerten Leitartikel von der den Weltfrieden gefährdenden Clinton gegenüber einem Pazifisten Trump, die er mittlerweile zwar zurückgenommen hat, aber sher kleinlaut und ohne echte Einsicht). Aber Clinton ist in ihrem Interventionismus, anders als bei ihrem innenpolitischen Programm, deutlich rechts im demokratischen Mainstream. Das wurde ihr ja auch 2008 zum Verhängnis, als Obama ihre Unterstützung des Irakkriegs gegen sie verwendete – ein Muster, das Trump 2016 auch gegen sie wiederholen wurde und das Bernie Sanders im Vorwahlkampf ebenfalls gut nutzte.
Aber diese Wahrnehmung basiert eben auf leicht nachprüfbaren Fakten. Clinton unterstützte den Irakkrieg, und sie unterstützte ihn deutlich länger als andere „liberal hawks“ der Partei, etwa John Kerry. 2011 unterstützte und trieb sie sie Intervention der USA in Libyen. Gleichzeitig war sie es aber auch, die dem damaligen russischen Präsidenten Medwedew den Knopf zum „Neustart“ der amerikanisch-russischen Beziehungen überreichte, die für multilaterale Lösungen und eine Stärkung der UNO eintritt. Clinton war bemerkenswert schlecht darin, außenpolitische Konzeptionen vorzustellen und im Wahlkampf zu betonen, die den karikaturhaften Eindruck ihres Falken-Tums ausgeglichen hätten.
Dieser Faktor dürfte ihr vor allem bei der Mobilisierung der eigenen Anhänger geschadet und mit zu der vergleichsweise niedrigen Wahlbeteiligung der progressiven Basis beigetragen haben; bei den Republicans und den Moderaten dagegen war diese Haltung eher populär und sorgte dafür, dass einige prominente #NeverTrump-Republicans zu ihrer Wahl aufriefen (nicht, dass das viel ausgemacht hätte) und dafür, dass einige Wähler in den Vorstädten und beim Militär ihr gegenüber aufgeschlossener waren. Wegen des späten Schwungs dieser unentschlossenen Wähler nutzte ihr dies allerdings nichts.
Der schlimmste Faktor in Clintons Kontrolle aber war sicherlich ihre Beziehung zu Goldman Sachs. Clinton hatte 2008 im Vorwahlkampf bis zuletzt gegen Obamas zunehmend unausweichlicheren Sieg angekämpft. In den letzten Wochen vor dem Parteitag waren ihre Unterstützer zunehmend von der Fahne gegangen, wie das immer ist – aber wenig an ihren Wahlkampfkosten änderte. Clinton verschuldete sich in Millionenhöhe, um diese Wahlkampfkosten zu decken. Auch das ist im amerikanischen System nicht ungewöhnlich; die Verlierer der Vorwahlen auf demokratischer wie republikanischer Seite beenden ihre Vorwahlkämpfe jedes Mal mit Schulden in Millionenhöhe. Der Gewinner kann durch die Arrondierung der Parteiunterstützung diese Schulden abbezahlen – die anderen nicht. Üblicherweise erklären die Kandidaten den Bankrott ihrer Organisation und schaffen sich die Schulden so vom Hals. Clinton tat das nicht. Zu einem gewissen Teil spielte da sicher ihre persönliche Integrität eine Rolle; zu einem anderen, wesentlich größeren Teil dass sie 2016 wieder anzutreten plante.
Und da kommen ihre Reden ins Spiel. Um die Schulden abzubezahlen, gingen Clinton und ihr Mann (vor allem nach Clintons Rücktritt vom Außenministeramt 2012) auf eine Tour hochbezahlter Reden. Das ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich; ungewöhnlich war das Ausmaß: die Clintons hielten viele Reden, und sie waren gut bezahlt und hinter verschlossenen Türen. Diese Reden waren eine Notwendigkeit, um die Schulden abzubezahlen als auch die Kriegskasse neu zu füllen. Offensichtlich war es interessant genug, was die beiden zu sagen hatten (ich habe schon eingangs betont, dass Clinton in privaten Settings eine deutlich interessantere Person ist als bei klassischen Wahlkampfveranstaltungen), um das viele Geld zu rechtfertigen. Was Clinton sagte, weicht (wie 2012 auch bei Romney) auch genug vom Standardwahlkampf ab. Nicht zufällig stammen sowohl Romneys 47%-Fauxpas als auch Clintons gleichartiger Fehltritt vom „Basket of Deplorables“ aus solchen Reden hinter verschlossenen Türen. Die beiden Clintons waren in diesen Reden sehr erfolgreich – und legten die Saat ihres Untergangs.
Denn sowohl Bernies Kandidatur als auch Trumps späterer Wahlkampf nutzten diese Verwicklung Clintons mit der Wallstreet als hauptsächliches Mittel, um sie als Insider und Mainstream-Kandidat darzustellen, als Marionette eines mächtigen Establishments der Ostküstenelite (wobei Bernie und Trump völlig unterschiedliche Dinge damit meinten). Das war sehr erfolgreich, und es wäre niemals möglich gewesen, wenn Clinton nicht persönlich so stark verwickelt gewesen wäre. Obama bekam für den Wahlkampf ja auch Millionenspenden von der Wallstreet, aber ähnliche Angriffe seitens der Linken waren bei ihm deutlich weniger erfolgreich, schlichtweg weil bei ihm diese Verbindungen viel weniger persönlich waren als bei Clinton. Die schiere Existenz dieser Skandale ist, worüber Clinton die Kontrolle gehabt hat.
Und das ist, abschließend, auch der Teil des Emailskandals, an dem sie Schuld trägt. Wir werden im abschließenden Teil noch genügend auf die Emails eingehen. Aber die Tatsache, dass sie einen eigenen Emailserver aufsetzte, obwohl sie wusste, dass diverse entscheidende Leitmedien, allen voran die New York Times, ihr in gegenseitig tief empfundener Abneigung verbunden waren, obwohl sie wusste, dass ihre Gegner versuchen würden sie mangels echter Skandale an genau solchen technischen Feinheiten aufzuhängen und obwohl sie aus eigener leidvoller Erfahrung wusste, dass ohnehin – zu Recht oder Unrecht (*hust* zu Recht *hust*) – der verbreitete Eindruck existierte, dass die Clintons glaubten, nicht demselben Regelwerk wie alle anderen unterworfen zu sein, trotz all dieses Vorwissens setzte Clinton den Emailserver dennoch auf.
Oder besser, ließ ihn aufsetzen. Denn ihre Verteidigung – dass sie schlichtweg keine Ahnung von dem hatte, was da vor sich ging, weil sie sich mit der Technik nicht auskennt – ist absolut glaubhaft. Wer ihre geleakten Emails gelesen hat, in denen sie ihrer Mitarbeiterin im Nebenzimmer den Auftrag gibt, einen interessanten Artikel für sie auszudrucken, damit sie ihn später lesen kann, wird ihr das sofort abnehmen. Clinton ist ein technischer Analphabet; sie kann Emails schreiben und empfangen und möglicherweise einige Grundfunktionen von Microsoft Office bedienen, aber das war’s auch. Nur entlastet sie das nicht. Denn zum einen ist es im Jahr 2016 schon etwas peinlich, ein Internetausdrucker zu sein (auch wenn es, da sind wir wieder bei Narrativen, schön in ihre „Grandma Clinton“-Persona gepasst hätte), und zum anderen ist eine der entscheidenden Aufgaben eines Präsidenten, geeignetes Personal auszuwählen, das integer ist und auf das man sich verlassen kann. Und wenn Clinton Leute hat, die ihr so einen Server aufsetzen, und die als gewiefte und gut bezahlte politische Berater über all die obigen Faktoren Bescheid wissen, dann hat sie da einen Mangel an Urteilsvermögen bewiesen, der gegen sie spricht.
Nur war es nicht dieser Mangel an Urteilsvermögen, der im Emailskandal thematisiert wurde. Clinton tat alles, was ein Politiker im Umgang mit Skandalen tun muss, und dann ging sie die Extra-Meile, wie es ihre Art ist: Sie entschuldigte sich bei jeder Gelegenheit offen und vollumfänglich und übernahm die Verantwortung. Als Bernie Sanders in einer TV-Debatte im Oktober 2015 erklärte, dass „the whole country tired of hearing about your goddamn emails“ war, traf er damit durchaus ein verbreitetes Gefühl. Die Angelegenheit hätte hier enden und ein uninteressanter republikanischer talking point werden können, der auf Seiten der demokratischen Wählerschaft niemand interessierte. Davon gingen übrigens auch die Experten aus. Stattdessen wurde eine kleine Angelegenheit zur Sache auf Leben und Tod aufgeblasen und würde am Ende über diverse Umwege und dritte Faktoren zum Untergang ihrer Kandidatur führen, aus Gründen, die nicht in Clintons Macht lagen. Mit diesen Gründen werden wir uns im letzten Teil der Serie beschäftigen.
Tja, paßt wohl alles.
Wobei das mit dem Narrativ ohnehin der zentrale Schlüssel für jeden Wahlkampf ist und nur selten wirklich gelingt (Trumps „Make America great again“ war eine solche Ausnahme).
Ein gutes Narrativ zu finden ist besonders schwer, wenn man schon lange in der Politik ist und daher zu vielen vergangenen Positionen kompatibel sein muß – und wenn man eine Koaltion von divergenten Interessengruppen beisammen halten muß (derzeit z.B. das zentrale SPD-Problem).
Ich sehe eigentlich nicht, wie Clinton ein vernünftiges Narrativ hätte formulieren können. Sie war sowohl Erbin der Doppelamtszeit ihres Mannes wie der Doppelamtszeit von Obama. Sie hatte schon zu viele Rollen, um sich ein passendes Image geben zu können.
Es hätte wohl auch ohne Narrativ klappen können (klappt oft genug, weil der Gegner auch keins hat), die Wahl war ja knapp genug. Aber letztlich war die Wahl eben zu spät. Acht Jahre vorher wäre sie eine gute (und wohl auch erfolgreiche) Kandidatin gewesen, 2016 waren viele Hindernisse dazu gekommen, aber keine Pluspunkte.
Nah, ich denke schon dass Wahlgewinner das üblicherweise hinkriegen.
Obama 2012 hatte Ungleichheit als Riesenthema.
Obama 2008 war „Change we can believe in“.
Bush 2004 war ein „wir brauchen einen toughen Krieger in unsicheren Zeiten“.
Bush 2000 war „compessionate conservatism“
Clinton 1996 war „Ihr liebt doch alle den dritten Weg“
Clinton 1992 war „It’s the economy, stupid“
Bush 1988 sehe ich am wenigsten ein klares Narrativ.
Reagan 1984 war „It’s morning in America“.
usw.
Aber ja, HRC hatte es schwer, keine Frage. Sie hat sich aber in der Frage außerordentlich blöd angestellt.
Na ja, irgendeinen Slogan hat natürlich jeder. Aber das ist noch lange kein Narrativ, mit dem man diverse Themen zusammenbindet und einer Kampagne Sinn gibt.
Obama I mit „Yes, we can“ gehört da durchaus rein, wahrscheinlich auch Clinton I mit „It’s the economy, stupid“.
Aber bei Deinen übrigen Beispielen wissen doch nur noch Insider, daß das Wahlkampfthema gewesen sein soll. Und ich sage „gewesen sein soll“, weil auch die Wähler damals das nicht wirklich gemerkt haben.
Wie genau kommst du zu diesem Urteil? Gerade 2012 und 2000 sind eigentlich super Beispiele, die dagegen sprechen.
2000 habe ich nicht so mitbekommen, jedenfalls ist mir nicht aufgefallen, daß Bush mit diesem Narrativ wirksam gewesen wäre (und Narrativ bedeutet für mich deutlich mehr als ein normaler Wahlkampf-Slogan).
2012 war eine normale Wiederwahl. D.h. da standen die von den Demokraten gesehenen Erfolge Obamas im Vordergrund. Da war auch von Ungleichheit die Rede – aber ein echtes Narrativ kann ein Amtsinhaber daraus nicht machen. Sonst fragen zu Recht viele Wähler, warum er das erst nach vier Jahren merkt und was er eigentlich bisher dagegen gemacht hat (siehen SPD-Wahlkampf 2017).
Erneut, ich frage mich woher du diese Sicherheit nimmst.
2000 gelang es Bush, die komplette Idee von „konservativ“ neu zu definieren (unter dem Schlagwort „compassionate conservatism“). Wenn das kein Narrativ ist, weiß ich auch nicht. Dass nach 9/11 sich alles ganz anders entwickelte konnten die Wahlkämpfer ja nicht vorhersehen.
Und bei warum 2012 „ganz normal“ war, was 2016 hinten und vorne nicht gelang, ist mir unklar. Ich will eh mal was zu den SPD-Wahlkämpfen der letzten Jahre schreiben, aber deren Unfähigkeit ein Narrativ zu entwickeln ist ja entscheidend in ihrem Problem.
Hm, ich bin da eher bei R.A.
Bei mir sind auch nur Clinton I und Obama I im Gedächtnis geblieben. Ich denke mal, dass Du aber mit Bush recht hast. 9/11 passierte sehr früh in seiner Präsidentschaft und hat dann natürlich alles überlagert.
Es gibt in jedem Wahlkampf ein beherrschendes Narrativ. Die Frage ist nur, wer das zu setzen vermag. 2017 etwa war es die AfD. 2013 war es die CDU. 2009 war es die FDP. 2005 war es die SPD. 2002 war es auch die SPD, 1998 ebenso.
„Es gibt in jedem Wahlkampf ein beherrschendes Narrativ.“
Genau da haben wir ein unterschiedliches Verständnis „Narrativ“. Du meinst mehr ein dominantes Thema (gibt es wohl in jedem Wahlkampf, muß nicht von den Kandidaten kommen), ich meine eine Art sinnstiftende Erklärung (die kann nur von einem oder mehreren Wahlkämpfern kommen).
Ein Narrativ wie ich es meine wird immer versucht (repräsentiert durch einen Slogan), in der Regel gelingt es nicht wirklich (weil zu eingeengt oder nicht wirklich zur Lage / dem Kandidaten passend). In meinem Verständnis ist ein funktionierendes Narrativ selten, gibt einen erheblichen Vorteil, und wo es gelingt, wird es knappe Wahlen entscheiden.
Ja, das meine ich tatsächlich nicht. Ein griffiger Slogan existiert nicht immer, sogar meistens nicht, da gebe ich dir völlig Recht.
„ich frage mich woher du diese Sicherheit nimmst.“
Ich behaupte da keine Sicherheit, ich schildere nur meine Eindrücke. Und die sind ganz bestimmt deutlich vager und weniger kenntnisreich als Deine – was aber ein Vorteil sein kann, weil der US-Durchschnittswähler die meisten Details auch nicht mitkriegt.
Für mich gehört offenbar zu einem „Narrativ“ deutlich mehr als bei Dir – sonst hättest Du nicht die Einschätzung, ziemlich jeder Wahlgewinner hätte eines.
Für mich ist „Narrativ“ der seltene Fall, daß eine Wahlkampagne die wichtigsten Themen in eine Formel packt bzw. die Antworten an die Wähler daraus ableiten kann. Das „Make America great again“ war ziemlich gut verknüpft mit den verschiedenen Einzelpunkten der Trump’schen Agenda, egal wie kurios die sonst sein mochten. Das war wirksam, das hat mobilisiert, weil die Leute das verstanden haben.
Die meisten Wahlkämpfe gehen m. E. mit irgendeinem Gewinner aus, ohne daß eine Seite ein echtes Narrativ entwickeln konnte. Da ist meist nur die Frage, welcher politische Gemischtwarenladen weniger unattraktiv erscheint.
Mir sind halt von den US-Wahlkämpfen der letzten Jahrzehnte nur Clinton I, Obama I und Trump im Gedächtnis geblieben. Das kann schlicht daran liegen, daß mir Informationen fehlen. Aber ich schließe halt eher, daß die anderen Narrativ-Versuche offenbar nicht so durchschlagend waren.
Klar, das ist natürlich ein Faktor. Wobei man vorsichtig sein muss: manche griffigen Formeln entstehen erst in der Rückschau. Clinton I ist da ein super Beispiel dafür; „it’s the economy, stupid“ wurde erst NACH dem Wahlkampf berühmt, weil es von Analysten als Schlagwort bemüht wurde. Kurios, wie das manchmal abläuft.
Was Du schilderst, ist ein Mensch, der Anwalt, aber kein Politiker ist. Das fehlende Gespür für Trends, die Unfähigkeit, Images aufzubauen, die Ignoranz gegenüber Tretminen, die Liebe zu Details. Die Stärken davon machen Typen wie Anwälte oder Analytiker aus. Im Metier der Politik sind sie fehl am Platz. Und das ist die eigentliche Tragik eine höchst honorigen, ehrenwerten Frau, die den Großteil ihres Lebens ein Überflieger war und hohes Ansehen genoss.
@ Stefan Sasse on 8. Januar 2019
Du schreibst, ihr hätte das Image als Falke geschadet; sie war ein Falke.
Zu Goldmann Sachs: Ähnlich wie bei Steinbrück kann sich niemand vorstellen, solche Summen zu erhalten, ohne dass Verpflichtungen entstehen.
Zum Email-Skandal: Wenn eine Ministerin durch Gesetze dazu angehalten ist, ihre Korrespondenz so zu führen, dass sie nachvollziehbar ist (also über Regierungsserver), ist bereits der Entschluss, einen eigenen Email-Server aufzusetzen, der Skandal. Und ob die Leute, die den Server aufgesetzt haben, nun ahnungslos waren oder nicht, spielt keine Rolle, wenn Frau Clinton gebeten wird, eine Kopie ihrer Mails zu übergeben, und es lassen sich Löschungen und Vertuschungsversuche beweisen.
Wie auch immer, sie hatte es durchaus in der Hand zu gewinnen, und sie hat ihren Teil dazu beigetragen, dass sie verloren hat.
Hunderte von Leuten haben ihre Mails so geführt. Nur bei Clinton wurde es zum Skandal. Go figure.
Ja, meine Mama z.B. Die war aber nie Außenministerin der USA. Mann, Mann, Stefan: solche Rechtfertigungen sind doch albern.
Die Antwort ist albern. Es geht natürlich um andere Politiker und Amtsinhaber. Einfach mal googeln.
http://lmgtfy.com/?q=Politicians+with+private+email+servers
Die Suchergebnisse sind bei mir alle Verweise auf Hillary Clinton 🙂
Es gibt und gab zahlreiche Beispiele für private E-Mail „Accounts“, aber jedesmal wenn das Wort server ins Spiel kommt, ist es ein Verweis auf HRC.
Während zahlreiche Privtleute private E-Mail-Addressen nutzen und/oder private und geschäftliche Konten mischen, kenne ich nur sehr wenige Leute die überhaupt in der Lage wären einen eigenen Server aufzusetzen. Das macht man nicht mal eben „aus Versehen“, auch die technische Unkenntnis macht keinen Unterschied, denn das versteht man auch nicht miss, ganz im Gegenteil wirft das erst Recht den Verdacht auf, dass ihre Anordnung war eine Situation zu schaffen die es ihr ausdrücklich erlaubt E-Mails schreiben zu können, die nicht auf Grundlage des „freedom of information act“ aufbewahrt werden müssen…
Der Verdacht liegt nahe, dass das nicht gemacht wird um Privatsachen aus der Öffentlichkeit zu halten – denn genau dafür sind private Accounts ja da, sondern weil man eine Addresse will die einerseits Autorität verleiht, deren Kommunikation aber dennoch nicht an die Öffentlichkeit gelangen soll – persönlich vermute ich (aber wohl auch genug andere Leute) weiteres Eintreiben von Geldern…
Clinton hat von Technik keine Ahnung. Sie sollte weiter genau die Geräte in der Konfiguration nutzen, die sie kannte. Dieses Bedürfnis kennst du aus deinem eigenen Bekanntenkreis von wenig technisch versierten Leuten sicher auch. Nur hatte sie die Kohle um eine Firma zu beauftragen. – Die Emails sind ja mittlerweile alle bekannt. Im Gegensatz zu anderen Leuten hat sie ja die Regeln eingehalten und sie dann veröffentlicht. Und darin ist nichts von einer düsteren Verschwörung. Clinton hat sicherlich diverse Kontakte im Schattenbereich gehabt und ihre Connections zum Geldeintreiben benutzt, aber nicht per Mail.
Und andere Leute mit demselben Problem sind alle ihre Amtsvorgänger, besonders prominent Colin Powell, oder aktuell Ivanka Trump.
Clinton hat von Technik keine Ahnung.
Es gibt vom Gesetzgeber Regeln für einfache Leute wie z.B. Geschäftsführer, Vorstände, Steuerzahler etc. Wenn ich etwas nicht weiß, habe ich dafür Sorge zu tragen, mir das Wissen anzueignen und alles zu tun, um die gesetzlichen Vorgaben erfüllen zu können.
Plädierst Du für Recht, dass nur für Regierte, aber nicht Regierende gilt?
Nö. Ich erkläre ihr Fehlverhalten, ich entschuldige es nicht. Sie übrigens auch nicht. Ich möchte nur betonen, dass es keine krassen EVIL CLINTON Verschwörungstheorie braucht. Schlichte technische Blödheit tut es als Erklärung auch.
Es war ein Skandal. Punkt. Du hast erstens behauptet, bei anderen würde man so etwas nicht skandalisieren und zweitens: who cares?
Entweder es interessiert dich und du diskutierst mit, oder es interessiert dich nicht, aber dann brauchst du auch keine Posts schreiben in denen steht, dass es dich nicht interessiert.
Das „Who cares“ bezog sich nicht auf meine Meinung, sondern Deine Argumentation. Deine war erstens „kein Skandal“ und zweitens „wie kann das interessieren, wenn es doch jeder so hält? Nur weil die Frau auf den Nachnamen Clinton hört“. So ungefähr, habe ich das richtig dargestellt?
Meine Position ist genau entgegengesetzt.
@ Stefan Sasse 9. Januar 2019, 10:31
Nö. Ich erkläre ihr Fehlverhalten, ich entschuldige es nicht.
Das las sich irgendwie anders.
Schlichte technische Blödheit tut es als Erklärung auch.
Nein. Wenn ihr technisches Verständnis zum Aufsetzen eines Email-Server fehlt, hätte sie wie vorgeschrieben die offizielle Email-Adresse hernehmen können.
Sie hat aber einen eigenen Server aufsetzen lassen, was nicht ganz ohne Aufwand zu erledigen ist. Und wenn Sie fälschlicherweise – Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, wie es so schön heißt) angenommen hätte, dass sie das darf, und der beauftragte Typ nicht fit genug für die Sicherheit war, ist das Skandal genug.
Aber technische Unwissenheit erklärt nicht, dass sie nach Bekanntwerden des Vorgangs versucht hat, Mails vom Server verschwinden zu lassen. Das ist ein zweiter Skandal.
Sie hat den Server ja nicht selbst aufgesetzt. Clinton weiß ziemlich offensichtlich nicht mal, was ein Server macht und wie er funktioniert. Meine Vermutung ist, dass die irgendeinem Unterling den Auftrag gegeben hat, ihre Kommunikation aufzusetzen dass sie wie bisher weiterarbeiten kann. Und dass der dann die entsprechenden Schritte unternommen hat. Das war ziemlich beknackt von ihr, was sie ja auch öffentlich ungefähr zwölfzig Milliarden Mal zugegeben und sich ebenso oft entschuldigt hat.
@ Stefan Sasse 10. Januar 2019, 07:10
Sie hat den Server ja nicht selbst aufgesetzt.
Ich denke es mir. Dass das Teil unsicher war, werfe ich ihr nicht vor.
Das war ziemlich beknackt von ihr, was sie ja auch öffentlich ungefähr zwölfzig Milliarden Mal zugegeben und sich ebenso oft entschuldigt hat.
Nochmal: Sie hätte zum einen keinen Server gebraucht (aber, von mir aus, stimme ich zu: entschuldbare Blödheit).
Aber sie hat im Nachhinein versucht, Mails zu löschen. So etwas macht man nicht aus Versehen.
Ob nun privater Account oder privater Server ist m.E. nicht entscheident. Ausserdem gibt es sogar Beispiele mit eigenem Server.
„Former Florida Gov. Jeb Bush, a likely Republican presidential candidate, primarily used a personal email account on his own computer server when he was in office from 1999 to 2007“
@ derwaechter 9. Januar 2019, 08:49
Ob nun privater Account oder privater Server ist m.E. nicht entscheidend.
Ich finde, dass das ein Riesenunterschied ist, ob man als Minister gelegentlich statt der vorgeschriebenen Dienst-Email-Adresse seine von früher vorhandene private Email-Adresse nutzt (ob aus Versehen oder Bequemlichkeit), oder ob man extra einen eigenen Server aufsetzt, um die vorgeschriebene Dienst-Email umgehen zu können.
Klar, das ist ein absolutes No-Go.
Als Helmut Kohl das Kanzleramt verließ, wurde es durchaus als Skandal aufgefasst, dass vor der Übergabe der Regierungsgeschäfte staatliche Unterlagen geschreddert wurden und Kohl andere bei sich zu Hause aufbewahrte. Können Sie mir vielleicht den Unterschied erklären?
Daneben wird ein elementarer Verstoß gegen hoheitliche Regeln deswegen geheilt, weil Politiker (mit und ohne Ämter) dagegen verstoßen?
Es WAR ein Skandal. Es WAR falsch. Nur war es nicht das wichtigste, alles beherrschende Thema. Oder sind die Medien 1998 anderthalb Jahre kollektiv über Kohls Unterlagen hohlegedreht? Das hat ein, zwei News-Cylces beherrscht, und dann war gut. Und das hätte bei HRC auch gereicht.
@ Stefan Sasse 9. Januar 2019, 10:30
Es WAR ein Skandal. Es WAR falsch.
Zustimmung. Darüber hinaus war es Absicht und kein Versehen.
Nur war es nicht das wichtigste, alles beherrschende Thema.
Zustimmung. Und wäre es das einzige gewesen, hätte ich über soviel Blödheit (=zu glauben, dass man nicht drauf kommt), den Kopf geschüttelt.
War es halt nicht, und deswegen rutscht es immer wieder mit in die Aufzählung, auch bei Dir.
Sonst gab es halt praktisch nichts. Deswegen haben sie es ja totberichtet.
@ Stefan Sasse 10. Januar 2019, 07:11
Sonst gab es halt praktisch nichts.
Au weia
Da hat er schon Recht, siehe auch hier:
https://www.nytimes.com/2017/09/25/us/politics/private-email-trump-kushner-bannon.html
Der entscheidende Unterschied ist halt, dass es bei HRC zum Skandal wurde.
@ Hias 9. Januar 2019, 07:30
Der entscheidende Unterschied ist halt, dass es bei HRC zum Skandal wurde.
Clinton hat nicht „nur eine private Email-Adresse“ genutzt, sondern extra einen eigenen Server eingerichtet. Und sie hat versucht, Mails zu löschen, als sie nach Aufpoppen des Vorgangs gebeten wurde, ihren Schriftverkehr einzureichen.
Nach allem, was ich hier gelesen habe, ist HRC eine kluge Frau, die weiß, was und warum sie etwas tut.
Nur damit ich Ihren Post nicht falsch verstehe: Wollen Sie damit sagen, bei HRC war es Absicht, bei den anderen Dummheit?
@ Hias 10. Januar 2019, 06:30
Nur damit ich Ihren Post nicht falsch verstehe: Wollen Sie damit sagen, bei HRC war es Absicht, bei den anderen Dummheit?
Ich kann für den Einsatz privater statt der vorgeschriebenen dienstlichen Email-Adressen als Ursache Arroganz / Bequemlichkeit / Dummheit / Nachlässigkeit / Naivität oder ähnliche Kategorien anführen; das wären wohl bei den meisten, auch bei HRC, letztendlich „fahrlässige“ Sünden, die auch ohne unterstellbaren bösen Willen begangen werden können.
Nun nutzte HRC, bevor sie Außenministerin wurde, einen Blackberry mit einem privaten Email-Account; sie hatte sich an das Gerät gewöhnt. Von den Sicherheits-Fachleuten im Außenministerium wurde sie allerdings gebeten, ein anderes Gerät zu benutzen, da der Blackberry ein Sicherheitsrisiko darstellt. Trotz dieser Warnungen wollte HRC das Gerät weiter behalten, und ließ deshalb für den Email-Account ihres Blackberrys einen eigenen Email-Server in ihrem Haus einrichten. Darüber wurde das Außenministerium nicht offiziell in Kenntnis gesetzt. Und hier kommt man in den Übergangsbereich von „grobe Fahrlässigkeit“ und „Vorsatz“.
Über diesen privaten Email-Account für ihren unsicheren Blackberry hat sie dann Dokumente und Infos verschickt, die als „Vertraulich“ oder „Geheim“ hätten eingestuft werden müssen bzw. waren, die von HRC aber nicht entsprechend klassifiziert oder gesichert wurden.
Schon 2009 äußerte die unabhängige US-Behörde „National Archieves and Records Administration“ (NARA), als Nationalarchiv der USA für Dokumentierung, Schutz und Erhalt historischer und staatlicher Dokumente verantwortlich, Bedenken zu eventuellen Verstößen der Außenministerin gegen Dokumentations- und Aufbewahrungsvorschriften der Regierung. Gegen Ende ihrer Amtszeit erfolgte gemäß „“Freedom of Information Act“ eine Anfrage zum Schriftverkehr der Außenministerin, die vom Außenministerium mangels vorliegender Mails nicht beantwortet werden konnte. Dann veröffentlichte ein Hacker namens „Guccifer“ einen Teil der Mails mit klassifizierten Inhalten, die zum Teil an Leute geschickt wurden, die keine entsprechenden Sicherheitsfreigaben hatten.
Im Sommer 2014 wurden HRC und alle noch lebenden früheren Außenminister bis runter zu Madeline Albright (John Kerry war wohl der einzige Außenminister, der sich hier korrekt verhalten hat) aufgefordert, die dienstlichen Mails, die über die privaten Email-Accounts liefen, einzureichen.
2014 arbeiteten CHRCs Stabschefin Cheryl Mills mit zwei Anwälten daran, den Forderungen des Außenministeriums nachzukommen und die dienstlichen und privaten Mails zu trennen. HRC übergab über 30.000 Mails in ausgedruckter Form; weitere 32.000 Mails hielt sie mit der Begründung zurück, dass diese Mails privater Natur seien.
Anschließend erteilte Mills dem Provider des Email-Accounts den Auftrag, die Vorhaltezeit der Nachrichten auf 60 Tage zu begrenzen – alle älteren Mails (knapp 32.000) wären dann automatisch auf einen Schlag gelöscht worden. Aus irgendeinem Grund vergaß der Servicetechniker des Providers diesen Auftrag.
Anfang März 2ß015 wurde der private Email-Server von Hillary publik, als der Benghazi-Untersuchungsausschuss die entsprechenden Clinton-Mails untersuchen wollte. Stabschefin Mills reichte diese Anfrage an den Provider weiter, dem nun erst auffiel, dass er vergessen hatte, die anderen Mails automatisch löschen zu lassen (der Techniker bezeichnete das als seinen „Oh, Shit“-Moment). Er löschte daraufhin die Mails nachträglich. Man versuchte wohl, diese von HRC gelöschten Mails aus einem Backup wiederherzustellen, aber soweit ich weiß, ohne Erfolg.
Da nun niemand sagen kann, was sich auf den gelöschten Emails befand, behauptet HRC, es hätte sich um rein private (soll heißen, „nicht Außenministerium-relevante“ Emails) gehandelt, während Donald Trump, der sich gerade in den Rep-Primaries durchgesetzt hatte, genüsslich von „gewaltiger Vertuschung“ und „krimineller Energie“ sprach, da die Mails erst nach der Anfrage des Untersuchungsausschusses gelöscht wurden.
Nicht hilfreich war, dass HRC das Verfahren der privaten Emails als gängige Praxis erklärte (was zwar teilweise zutraf, aber den Sachverhalt nicht gesetzeskonformer machte). Außerdem erklärte, sie habe sich das im Außenministerium absegnen lassen, bzw. das Ministerium sei informiert gewesen. Das Außenministerium dementierte, und HRC konnte keinen entsprechenden Nachweis vorlegen. Auch ihre Aussage über Sicherheitsvorkehrungen wurden widerlegt. Eine Untersuchung ergab, dass Hillary und ihre Mitarbeiter keinerlei Vorkehrungen getroffen hatten, HRCs Email-Verkehr für die Regierung zu sichern. Clinton verwies auch auf angeblich noch laxeren Umgang anderer, etwa auf ihren Vorgänger Colin Powell. Eine Untersuchung ergab aber:
„The audit did note that former Secretary of State Colin Powell had also exclusively used a private email account. … But the failings of Clinton were singled out in the audit as being more serious than her predecessor.“
Sorry für die Länge und die Ausführlichkeit. Ich wollte nur darlegen, dass HRC schon ein bisschen mehr getan hat, als nur im Amt ihren privaten Email-Account weiter zu benutzen. Sie hat wie die meisten anderen Politiker auch versucht, sich herauszureden, hat nur zugegeben (und sich dafür entschuldigt), was nachgewiesen wurde, und wurde eben auch gelegentlich beim Lügen. Jeder einzelne Punkt mag nur eine Bagatelle sein, aber das Gesamtbild vom Versand geheimer Dokumente an Personen ohne entsprechende Freigabe bis hin zu den Mail-Löschungen nach der Anfrage des Untersuchungsausschusses zeichnen kein gutes Gesamtbild.
Erstaunliches Detailwissen. Allerdings muss ich ehrlicherweise sagen, für mich als Deutschen sind die Details mit welchen taktischen Kniffen Clinton sich vielleicht vor zwei Jahren noch irgendwie vor Trump in Ziel hätte retten können eher uninteressant. Das einzige was mich verwundert, wenn Clinton sowieso der klare Sieger gegenüber diesem Bernie Sanders war, warum macht sie dann solche Mätzchen bei der Kandidatenwahl – immerhin gegenüber einem Parteikollegen. Damit verprellt sie doch die Sanders-Anhänger, die bei einer fairen Auswahl sie vermutlich gewählt hätten und durch solche Fisimatenten verärgert, sie dann aus Wut vielleicht nicht wählen. Also wenn das mein Lieblingskandidat wäre for president und ich erfahre, der wurde von Hillary auf die linke Tour geschasst, ich würde mich sehr schwer tun, die dann als Belohnung noch zur Präsidentin zu wählen.
Da haben beide Seiten gleichermaßen mit harten Bandagen gekämpft – siehe etwa den absurden Streit um zwei Delegierte in Nevada:
https://www.politifact.com/nevada/statements/2016/may/18/jeff-weaver/allegations-fraud-and-misconduct-nevada-democratic/
Joa, mich interessiert das halt ^^ Mein Blog, meine Themen.
Naja, es geht um alles. Da ist keiner generös. Am Ende verlierst du doch wegen diesem einen Typen, wo du großmütig „scheiß drauf“ gesagt hast. Und du weißt nie, wie das aufgenommen wird. Sehen andere es als Schwäche und plötzlich profitiert der Gegner? Sicher ist nie etwas. Sanders musste nach dem Super Tuesday konsistent etwa 60% der Abgeordneten in jedem Staat gewinnen, das war fast unmöglich – fast. Aber wer weiß, was hätte alles für Chaos ausbrechen können. Nachher erreicht sie knapp die nötige Mehrheit nicht, und das Ding geht auf den Parteitag, wo nach einem Wahlgang alle Deligierten frei sind, von dem chaotischen Eindruck bei der Presse und so ganz zu schweigen…und Sanders kämpfte zu dem Zeitpunkt mit extrem harten Bandagen, da musste sie das zwangsläufig auch machen. Nein, das war verständlich und sinnvoll.