Die wichtigste Bundestagswahl seit 2005

Die Überschrift ist kein Witz. Diese Bundestagswahl ist von der Art der Weichenstellung, die hier betrieben wird, definitiv die relevanteste seit 2005, vielleicht sogar schon früher. Das scheint erst einmal widersinnig. Ohne ein mittelgroßes, unvorhersehbares Desaster wird Angela Merkel im September ihre Kanzlerschaft klar verteidigen. Zudem ist der Wahlkampf von allen Parteien ungefähr so spannend geführt wie eine Folge Schwarzwaldklinik. Das täuscht aber über die Bedeutung dieser Wahl hinweg. Wie passt das zusammen?

Es ist ein Allgemeinplätzchen, dass bei Bundestagswahlen nicht der Kanzler und meist auch nicht eine Partei, sondern Koalitionen gewählt werden. Das macht es aber nicht weniger wahr, und über die überflüssige Frage, ob eventuell Martin Schulz doch noch Gottkanzler werden könnte, wird das gerne vergessen. Die große Frage 2017 ist nicht, ob Merkel weiterregiert, sondern mit wem. Und das ist, anders als 2009 und 2013, tatsächlich bedeutsam. Denn der Koalitionspartner, egal wie groß er sein wird, wird in der Legislaturperiode 2017-2021 einen gewaltigen Einfluss haben – und Merkels potenzielle Koalitionspartner unterscheiden sich auf einigen Gebieten drastisch.

Es geht also um nicht weniger als um eine Richtungsentscheidung der Deutschland- und EU-Politik. Trotzdem versucht keine der Parteien, das auch nur im Mindesten zu thematisieren. Das hat Gründe. Die SPD etwa fürchtet, dass auf den Politikfeldern, wo ihr Einfluss am größten ist, ihre Position am deutlichsten vom allgemeinen Wählerwillen abweicht. Eine ähnliche Befürchtung treibt auch die Grünen um. Beide Parteien kämpfen daher auf Nebenkriegsschauplätzen und versuchen genügend Stimmen zu erhalten, um attraktive und starke Koalitionspartner zu sein – und gleichzeitig die FDP weit genug zu blockieren, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht. Die FDP ihrerseits behauptet von sich, sich in der Opposition neu erfunden zu haben und überhaupt nicht mehr die alte Mövenpickpartei zu sein. Jede inhaltliche Positionierung kann ihr nur schaden; sie ist glücklich damit, eine leere Projektionsfläche für all die GroKo-Enttäuschten zu sein, die sich zu fein für die AfD (eine rechtsextreme, in Teilen antisemitische und fremdenfeindliche Partei) sind und niemals irgendetwas Linkes wählen würden. Bleiben nur LINKE und AfD (deren Mitglieder gern zur Weinerlichkeit neigen, wenn man sie kritisiert), aber die werden schlicht ignoriert und spielen als Themenmacher keine Rolle.

Was also sind die Positionen, die Grüne, SPD und FDP so ungeheur ungern öffentlich diskutiert sehen wollen? Sie drehen sich um folgende Komplexe:

Europa: Hier sind die entscheidenden Fragen diejenigen, die sich um die zukünftige Gestaltung der EU drehen. Blockiert oder befürwortet Deutschland Reformen in Richtung einer einheitlicheren Finanzpolitik? Die Bedeutung dieser Frage kann kaum übertrieben werden. Die SPD ist der stärkste Befürworter, die FDP der stärkste Blockierer, die Grünen irgendwo in der Mitte.

Flüchtlinge: Hier geht es um die Frage, wie man mit den Flüchtlingen umgehen soll. SPD und Grüne befürworten tiefer greifende Reformen beim Einwanderungsrecht, während die FDP eher ein zweistufiges Verfahren anstrebt, das klar zwischen Flüchtlingen und Einwanderern trennt und letztere wirtschaftsfreundlicher gestaltet.

Steuerpolitik: Die SPD und Grünen wollen gerne die Steuern so reformieren, dass „die Reichen“ mehr zahlen und „die Menschen“ weniger. Bei der FDP sollen alle weniger zahlen und stattdessen Staatsausgaben gekürzt werden. Der Themenkomplex steht weniger für eine echte Steuerreform (das ist unrealistisch) sondern für die Mentalität, die im Umgang mit Mitteln der Steuerpolitik und staatlicher Eingriffe generell steht. Die FDP wird hier weniger zurückschneiden als blocken können, während SPD und Grüne eher ausbauen würden.

Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass die Wahl des Koalitionspartners dieses Mal wichtiger ausfallen wird als sonst. Das liegt vor allem daran, dass die Parteien klüger geworden sind und die gewachsene Bedeutung des Finanzministeriums erkannt haben. Egal mit wem Merkel koaliert, die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Partner das Finanzministerium besetzt, ist hoch. Und davon hängt eine Menge ab, denn dieses Amt – nicht das völlig überbewertete Außenministerium – ist die entscheidende Weichenstelle in der BRD und, vor allem, der EU.

Die oben angesprochene EU-Politik wird an den entscheidenden Stellen von den EU-Finanzministern betrieben. Ein SPD-Finanzminister oder ein FDP-Finanzminister verändern das Bild für alle Verhandlungen innerhalb der EU dramatisch; gleiches gilt in geringerem Ausmaß auch für die Spielräume der Ressorts und die Gestaltung des Bundeshaushalts. Aus meiner natürlich parteiischen Sicht ist eine schwarz-gelbe Koalition auf diesen Gebieten im besten Falle vier Jahre Stillstand, im schlimmsten ein Rückschritt, während ein SPD-Finanzminister die bestmögliche Option darstellt. Die Grünen sind da aktuell in einer undefinierbaren Mittelposition.

Das bestmögliche Ergebnis aus meiner Sicht ist daher die Fortführung der Schwarz-Roten Koalition mit einer SPD, die deutlich selbstbewusster auftritt und eine klare Agenda verfolgt. Aber dazu in späteren Artikeln mehr.

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  • Patrick 13. August 2017, 18:39

    Aber wo soll die selbstbewusste SPD den herkommen? Das halte ich für illusorisch. Und als Partner in der großen Koalition können die auch nicht Mal vier Jahre klarkommen und eine echte Alternative entwickeln.

    • Stefan Sasse 13. August 2017, 18:44

      Klar können die das. Das halte ich für einen der größten Irrtümer.

      • Logos 13. August 2017, 18:48

        Warum machts die SPD dann nicht? Wo bleibt das alternative Konzept? Was hält die SPD zurück?

        Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
        Damals wie heute gültig. Und kein Ende in Sicht.

      • Logos 13. August 2017, 18:58

        >i>Klar können die das.
        Klar ist nur das glatte Gegenteil.
        Und so neoliberal durchseucht, wie die Köpfe der SPD-Schergen (aka „Führungsriege“) sind, können die das eben NICHT.

        Das halte ich für einen der größten Irrtümer
        Selbstbetrug. Traumtänzerei.

        • Stefan Sasse 13. August 2017, 19:57

          Ich behaupte nicht dass die aktuelle Führungsriege das kann. Ich sage nur dass es nicht unmöglich ist. Ich sehe keinen Vorteil in der Opposition.

          • Rauschi 14. August 2017, 07:13

            Ich behaupte nicht dass die aktuelle Führungsriege das kann… Ich sehe keinen Vorteil in der Opposition.
            Den sehe ich allerdings, wie sollte denn sonst die Führungsriege ausgetauscht werden? Wenn die wieder in die Regierungsverantwortung kommen, wird das als Bestätigung der bisheriger Politik verkauft und es ändert sich genau nichts. Die SPD muss wohl erst richtig abstürzen, bevor da ein echter Politikwechsel mit anderem Personal angedacht werden kann. Wie sonst sollte das begründet werden? Bislang sind die immer nach dem Prinzip „never cange a winnig Team“ verfahren, höchste Zeit für die Opposition.

            Gruss Rauschi

            • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:01

              Wann immer ich dieses Argument höre, wiederhole ich gebetsmühlenartig zwei Jahreszahlen: 2009 und 2013. Vier Jahre Opposition. Was genau hat sich für die SPD da geändert? Warum sollte das dieses Mal anders sein? Die Fähigkeit zum Wandel an der Opposition festzumachen ist Unsinn. Das geht an der Regierung genauso.

              • Rauschi 14. August 2017, 15:38

                Das geht an der Regierung genauso.
                Das könnte sowohl in der Regierung als auch in der Opposition gehen, es kommt eben auf den Willen und den Druck von aussen an, ob sich etwas ändert.
                Es hat aber weder in der Regierung noch in der Opposition geklappt. Also, warum sollte es ausgerechnet jetzt anders sein?

                Gruss Rauschi

                • Stefan Sasse 14. August 2017, 15:43

                  Prinzip Hoffnung.

                  • Rauschi 14. August 2017, 15:56

                    Wann immer ich dieses Argument höre, wiederhole ich gebetsmühlenartig worauf beruht diese Hoffnung? Ich sehe nicht mal den Ansatz einer begründbaren Hoffnung, sorry.

                    Gruss Rauschi

              • Erwin Gabriel 14. August 2017, 20:42

                @ Stefan Sasse 14. August 2017, 13:01

                Die Fähigkeit zum Wandel an der Opposition festzumachen ist Unsinn.

                Zustimmung

                Das geht an der Regierung genauso.

                Das geht weder – noch

  • Ariane 13. August 2017, 20:02

    Ob die Wahl wirklich so wichtig ist, wird man wohl erst richtig danach sehen. Könnte ja immerhin auch ähnlich zur letzten Wahl ausgehen und da flog immerhin die FDP das erste Mal aus dem Bundestag, was immerhin historisch war.
    Deiner Analyse stimme ich großteils zu und würde mich auch dem Wunsch nach einer Fortführung der großen Koalition mit einer irgendwie stärkeren/klareren SPD anschließen.
    Allerdings sehe ich da doch mehrere Probleme – mal ganz abgesehen davon, dass die SPD irgendwie sowas wie der HSV unter den Parteien ist.
    Zunächst bin ich nicht überzeugt, dass die CDU das Finanzministerium aus den Händen gibt. Die wissen ja auch, dass das immer wichtiger geworden ist und die Leute lieben einen wie Schäuble, der auf dem Geld sitzt und auf die jetzige oder baldige schwarze Null verweist.
    Zum Zweiten frage ich mich auch, wo die SPD nun auf die Schnelle mehr Selbstvertrauen und mehr Klarheit hernehmen will. Nach dem überraschend furiosem Auftakt scheint der SPD-Wahlkampf eher vor sich hinzustümpern. Zudem ist es ja durchaus möglich, dass die CDU unter verschiedenen Koalitionspartnern wählen kann, was ihre Position stärkt und die SPD unter Druck setzt.
    Und drittens: selbst wenn das alles eintritt, bin ich nicht überzeugt, dass ein SPD-Finanzminister wirklich so eine gute Idee wäre, egal wieviel reale Macht damit verknüpft ist. Die SPD vertritt eine Position bzw eigentlich sogar mehrere, die vielen Bürgern zunächst mal nicht schmeckt und die daher gut und bestimmt verkauft werden muss. Die SPD ist nun aber eher keine Teflon-SPD und die BILD (und andere) hätten eine Steilvorlage, um sämtliche alten Klischees aus der Schublade zu holen. Sie könne nicht mit Geld umgehen, würde der EU das Finanzministerium schenken und wären irgendwie Landesverräter blablubb. Da ist es nun schon mehrmals passiert, dass die SPD schnurstracks alles fallen ließ und in die andere Richtung gerannt ist, was weder die BILD befriedet noch ihren Unterstützern gefällt.

    • Stefan Sasse 13. August 2017, 20:20

      Klingt mir alles nach Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Irgendwann musst du halt mal was riskieren. Ich meine, wie viel tiefer wollen sie noch sinken als gerade?

      • Ariane 13. August 2017, 20:52

        Ich meine, wie viel tiefer wollen sie noch sinken als gerade?
        Tjoa, also das denkt man beim HSV auch immer wieder und es geht doch wirklich auch immer noch einen Schritt tiefer.^^
        Imo ist das Problem, dass es gut möglich ist, dass die SPD mit einem Ergebnis von 25% ähnlich abschneidet wie letztes Mal. Das ist gut genug für eine GroKo und gut genug, dass das alte Personal dableibt und sich vllt noch halbherzig auf die Schulter klopft, weil man nicht abgestiegen ist nicht noch schlechter abgeschnitten hat. Für mehr Selbstbewusstsein, mehr Forderungen etc ist es aber nicht gut genug. Andererseits ist es aber auch nicht so mies, dass man wirklich mal tabula rasa macht, altes Perso und alte Ideen absägt und sich irgendwie neu erfindet.
        Ich kann mit den Alternativen wenig anfangen, aber ich hab das Gefühl, dass (zu)viele in der SPD mit diesem undankbarem Rumgewurschtel gar nicht so fürchterlich unzufrieden sind.

        • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:01

          Die HSV-Metaphern fliegen über mich als Fußball-Nichtinteressierter völlig hinweg^^

          • Erwin Gabriel 14. August 2017, 15:44

            Der HSV ist in der ersten Runde des Pokalwettbewerbs gegen den Vorletzten der dritten Liga rausgeflogen. Erschwerend für die Elf des HSV war, dass der Gegner fast 80 Minuten lang (nur) einen Mann weniger auf dem Platz hatte.

            Ein toller Trailer für „Diesmal steigen sie wirklich ab“ (Season 6).

            Ein sehr passender Vergleich mit der SPD!

            • Ariane 14. August 2017, 16:23

              Ach, das passt ganz unabhängig vom Pokal-Aus (musste bei Stefans Prinzip Hoffnung gleich wieder an den Vergleich denken)
              Die leben beide nun mal von der Historie und schwelgen in Nostalgie an vergangene, glorreiche Tage, während die aktuelle Situation immer Mist ist, das Führungspersonal absoluter Quark und zwischendrin irgendwelche Stunts, dass man am liebsten stundenlang den Kopf auf den Tisch schlagen will. Trotzdem glauben die Verantwortlichen und Fans immer daran, dass es jetzt aber mal wirklich besser wird (auch wenn die Hoffnung bisher regelmäßig enttäuscht wurde)

    • CitizenK 13. August 2017, 20:46

      „rgendwie Landesverräter blablubb“

      So sicher wie das Amen in der Kirche. Jede Übereinkunft mit Macron – ohne die in der EU nichts vorangehen wird – wird genau das bewirken: Den Vorwurf der „Vergemeinschaftung der Schulden mit den reformunfähigen und -unwilligen Südländern“. Aber dazu wird es nicht kommen: die CDU wird das Finanzministerium nicht abgeben.

      • Ariane 13. August 2017, 21:02

        Ich fände das gar nicht so verkehrt und vielleicht könnte die SPD sogar eher Druck ausüben und etwas in ihrem Sinne beeinflussen, wenn sie eben nicht direkt in der Kritik stehen. Ich kann mich aber an eine Gegebenheit erinnern, ich glaub in der Schuldenkrise. Da gab es eine ähnliche Situation vermutlich mit den Griechen und da kam Gabriel (oder ein anderer großer SPDler) plötzlich mit einem Artikel um die Ecke, der der CDU vorwarf nicht hart genug zu sein und man müsste noch mehr sparen usw. Also eigentlich völlig konträr zu ihrer Situation und ja, solche Stunts traue ich der SPD immer noch jederzeit zu.

        • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:04

          Deswegen muss das Personal auch weg. Wer auch immer die SPD nach September führt muss Säuberungen durchführen, da führt kein Weg vorbei.

      • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:03

        In einer GroKo kann die CDU schlecht den Landesverrätervorwurf auspacken. Und die AfD könnte als einzige das auf die Art angreifende Partei sogar dafür sorgen, dass 90% der Deutschen patriotisch die Reihen dahinter schließen. Ist eine Frage politischer Kommunikation.

  • Kning4711 13. August 2017, 20:03

    Wer wäre denn für Dich ein Kandidat der SPD für das Finanzministerium?

    Weder Gabriel, Schulz, noch Oppermann sind in der Vergangenheit mit finanzpolitischer Kompetenz aufgefallen. In den Ländern sieht es ähnlich düster aus. Blos nicht den Walter-Borjans aus NRW. Der hat als Kämmerer die Stadt Köln ruiniert und in NRW war der auch nicht viel besser…

    • Stefan Sasse 13. August 2017, 20:25

      Kompetenz eines Fachministers ist irrelevant. Niemand der da hin kommt kann den Job, den muss jeder lernen. Was du brauchst ist ein guter Politiker und ein guter Verwalter. Keine Ahnung, wer das in der SPD am besten kann. Aber grundsätzlich ist das weniger wichtig als die Entschlossenheit und der Blick aufs Ganze.

      • Kning4711 14. August 2017, 08:53

        Ich stimme Dir zu – den Job gilt es zu lernen. Ich würde mich aber schon wohler fühlen, wenn ein Finanzminister ökonomischen Sachverstand hätte. Er / Sie muss sicherlich kein VWL Professor sein, aber er sollte in der Lage sein den Unterschied zu verstehen zwischen Staatsfinanzen und Privatfinanzen. Hilfreich wäre auch wenn er auf Ballhöhe wäre, was aktuelle ökonomische Diskussionen angeht.
        Kurzum: Er / Sie sollte auf die eigene Urteilskraft vertrauen können um nicht ausschließlich abhängig zu sein
        von Beratern und Mitarbeitern.

        Finanzminister ist der anspruchvollste Job den man im Kaninett vergeben kann.

        Vielleicht täuscht auch mein Eindruck, aber die SPD hat offenbar unterlassen hier ein Gegengewicht aufzubauen. Um so schwerer wird es den so geschätzten Schäuble beerben zu können.

        • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:05

          Klar, ist ein Bonus. Aber das ist nicht der entscheidende Auswahlpunkt.

      • Stefan Pietsch 14. August 2017, 09:52

        Es ist sinnvoll, dass ein finanzwirtschaftlich versierter Jurist oder ein Finanzwissenschaftler den Job macht. Mit Grundschullehrern hatten wir nicht so gute Erfahrungen.

        Jedenfalls wird die Stelle international meist so besetzt und bei diesen Qualifikationen hat die SPD ein deutliches Defizit. Sigmar Gabriel hielt ich in der Besetzung für eine mittlere Katastrophe, das Gewicht von Thomas Oppermann ist nicht mit dem von Wolfgang Schäuble zu vergleichen. Und Borjan ist für die Union ein rotes Tuch und schon deswegen nicht durchsetzbar.

        Ansonsten hast Du bei den Sozialdemokraten jede Menge leichtgewichtige Sozialwissenschaftler und Sozialarbeiter. Mit solchen wird kein Krieg gewonnen, sondern bestenfalls die Verwundeten gezählt.

        • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:06

          Die SPD ist schon viel zu lange unattraktiv für solche Leute, das ist korrekt.

          Aber Schäuble hat sicher einiges an Sachverstand mitgebracht, ohne dass ihn das abhielt, eine Republik wie seine eigene Haushaltskasse zu führen. Das kann nur besser gehen.

          • Stefan Pietsch 14. August 2017, 13:17

            Wolfgang Schäuble ist Etatist. Das waren die meisten Finanzminister in Deutschland wie in den europäischen Partnerstaaten. Angelsachsen haben da einen anderen Ansatz.

            Ich bin mit Schäuble nicht glücklich, aber der nächste Finanzminister wird mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch wieder ein Etatist sein – es sei denn, er käme von der FDP. Ich erkenne wenig Sinn darin, einen hoch angesehenen Kameralisten durch einen leichtgewichtigen Kameralisten zu ersetzen.

  • Stefan Pietsch 13. August 2017, 20:52

    Ich finde Deine Annahmen abenteuerlich. Schon Deine Themen sind seltsam gesetzt. Die Abarbeitung der Flüchtlingskrise von 2015 ist ein Dauerthema von allen Gebietskörperschaften und der Sozialkassen, daran ändert eine irgendwie geartete Koalitionsmehrheit verdammt wenig. Europa wird die Grenzen weiter hochziehen, weil es dazu kaum eine realistische Alternative gibt. Dagegen übersiehst Du die großen finanzwirtschaftlichen Themen. Die Bund-Länder-Beziehungen sind nach Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 neu zu regeln. Sowohl Union wie SPD sind zu dem Schluss gekommen, dass alles andere als eine langsame Abschaffung des Solis nicht mehr durchsetzbar ist. Auch hier sind die Würfel weitgehend gefallen. Dazu kommt eine leichte Neujustierung der Einkommensteuer bzw. des Steuertarifs. Am Ende wird es wenig Unterschied machen, ob die FDP oder die SPD mitregiert. Nur eine rot-rot-grüne Regierung würde hier deutlich andere Prioritäten setzen.

    Du überschätzt völlig den Einfluss Deutschlands auf die Europa-Politik. Das beherrschende Thema bis zum Ende der Legislaturperiode wird der BREXIT sein, das bindet weitgehend die Kräfte. Der Rest muss sich darauf konzentrieren, die enormen Fliehkräfte einzubinden. Genug Gewicht haben hierzu wahrscheinlich nur Merkel und Schäuble, die SPD hat nur Leichtmatrosen. Nix gegen Schulz, aber er ist ein Übergangsparteivorsitzender. Einen europäischen Finanzminister wird es nicht geben, weil erstens die drittstärkste EU-Macht diesen nicht will und zweitens die gesamte Statik der gemeinschaftlichen Finanzpolitik damit neu justiert werden müsste. Die Energie dafür ist derzeit nicht vorhanden, siehe BREXIT.

    Nicht nur bei den Themen siehst Du aufgrund der Gegebenheiten (nicht politischer Vorlieben) ein falsches Gewicht, Du unterliegst auch bei den Parteien einer erstaunlichen Selbsttäuschung. Es erscheint ausgemachte Sache, dass ein Ergebnis von unter 25% die SPD in die Opposition katapultiert. Und genau das scheint gut einen Monat vor der Bundestagswahl ziemlich ausgemacht. Für die Sozialdemokratie ist aus historischen Gründen nur noch ein Ergebnis bis 27% realistisch, dazu müsste sie ein grandioses Finish hinlegen. Die Anhaltspunkte für so ein Szenario sehe ich nicht.

    Sollte es zu Schwarz-Gelb reichen (das sehe ich derzeit als das Wahrscheinlichste an), so wird der innerparteiliche Druck in beiden Parteien groß genug sein, diese eigentlich ungeliebte Koalition zu machen. Das Finanzministerium werden weder Sozialdemokraten noch Liberale bekommen. Die FDP konnte dies nicht mit einem Rekordergebnis durchsetzen, die SPD wird es nicht als Verliererin bekommen.

    Eine mögliche Konstellation lässt Du völlig außer acht, nämlich Jamaika. Es wäre wahrscheinlich die Konstellation, die den Grünen ein Bündnis mit der Union schmackhaft machen könnte.

    • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:07

      Ich sehe das nicht passieren, ehrlich gesagt. Wenn es Schwarz-Gelb nicht reicht, warum sollte Merkel Jamaika machen statt Schwarz-Rot? Welche Logik steht da dahinter?

      • Stefan Pietsch 14. August 2017, 13:14

        Weil die SPD nicht mehr in eine GroKo gehen wird, sollte sie wieder bei 25% Minus landen. Das scheint in der Partei ausgemacht, wenn ich die Hintergrundberichte richtig deute.

        Die Grünen haben sich vor 4 Jahren verweigert, nochmal kann sich die Partei, gerade bei einem schlechten Wahlergebnis (danach sieht es aus) nicht mehr leisten.

        • Stefan Sasse 14. August 2017, 15:45

          Da hast du bessere Quellen als ich. Bin gespannt!

          Klar, dass die Grünen das wollen ist offensichtlich. Die betteln ja. Mir ist unklar warum Merkel das machen sollte FALLS sie die Option Schwarz-Rot hat.

          • Ariane 14. August 2017, 16:26

            Och naja. Bei Jamaika würden Grüne und FDP sich sicher aneinander aufreiben, so dass Merkel und die Union bei der darauffolgenden Wahl ohne Wahlkampf 75% einfahren^^

            • Ralf 14. August 2017, 17:23

              Dreierkoalitionen sind fast immer instabil und der Waehler honoriert Instabilitaet normalerweise nicht. Gerade deshalb waehlt er ja Angela Merkel. Eine Koalitionsregierung im Dauerstreit wuerde die Opposition stark machen, zumindest gesetzt den Fall, dass die Opposition einen charismatischen Kandidaten hat, der fuer Kompetenz (und Ordnung) steht. Der SPD koennte nichts besseres passieren als Jamaika …

              • Stefan Sasse 14. August 2017, 20:47

                Das ist auch so eine Gewissheit, die immer und immer wieder wiederholt wird. Wir hatten noch nie eine auf Bundesebene. Es ist völlig unklar, ob die instabiler wäre oder nicht oder ob der Wähler das honoriert und wie.

                • Ralf 14. August 2017, 23:25

                  Wenn Dreierkoalitionen auf Laenderebene instabiler sind als Zweierkoalitionen, dann ist es plausibel anzunehmen, dass das selbe auch im Bund gilt. Die Annahme macht auch Sinn, denn offensichtlich ist es schwieriger Kompromisse unter Dreien zu finden als unter Zweien. Dazu kommt, dass insbesondere FDP und Gruene um eine aehnliche Klientel werben (wohlhabende, urbane Waehler) und sich wechselseitig stark gegeneinander profilieren. Dass das schnell zu Streit innerhalb der Koalition fuehren kann, ist offensichtlich.

  • Logos 13. August 2017, 23:14

    [ad hominem Attacken gelöscht. Ich hab die Faxen dicke. -Stefan]

  • Ralf 14. August 2017, 03:35

    Die SPD ist gegenwaertig enorm geschwaecht, Trend fallend, und es ist wohl wahrscheinlicher, dass zum ersten Mal in der Geschichte ein Ergebnis unter 20% erzielt wird, als dass die 30% erreicht werden. Eine so geschwaechte SPD waere in einer grossen Koalition nicht in der Lage Ansprueche zu stellen, da stimme ich In Dubio voll zu. Dass die Genossen das Finanzministerium bekaemen ist mehr als unwahrscheinlich. Und fuer die SPD sind diese ewigen grossen Koalitionen das Rezept fuer den Untergang. Als Juniorpartner kann man sich schlicht nicht profilieren. Anders als die kleinen Parteien, die wegen Nischenthemen gewaehlt werden und sich folglich auf Nischenthemen beschraenken koennen (Gruene -> Umwelt, FDP -> Bildung, LINKE -> Soziales), wird von einer Partei, die den Anspruch hat den Kanzler zu stellen ein umfassendes Programm erwartet. Als Juniorpartner bekommt die SPD aber keine Credits fuer Erfolge (die gehen an die Kanzlerin, mit der die Waehler und die Medien die Regierung identifizieren). Dafuer wird die SPD fuer Misserfolge mitverantwortlich gemacht. Schliesslich hat sie die Politik und Entscheidungen mitgetragen.

    Nein, wenn die SPD ueberleben will, muss sie so schnell wie moeglich raus aus der Regierung. Und hoffen dass sich die CDU irgendwie selbst zerlegt oder dass der Waehler Merkel irgendwann satt ist (Bei Kohl hat das 20 Jahre gedauert, also sollten die Genossen wohl etwas Zeit mitbringen). Bis dahin koennten die Sozialdemokraten vielleicht mal jemanden suchen, der das Charisma und die positive Zukunftsvision mitbringt, die ein Spitzenkandidat einfach braucht, wenn ein Wahlsieg realistisch erscheinen soll. Das waere dann wohl jemand, der das Gegenteil von Martin Schulz ist …

    • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:09

      Merkwürdig dass das 1966-1969 problemlos geklappt hat. Bezüglich Große Koalitionen sind einige „Wahrheiten“ und „Gesetzmäßigkeiten“ im Umlauf, die einfach nur Narrative sind, nicht mehr. Mit der aktuellen Politik der SPD und ihrer aktuellen Selbstdarstellung – klar. Aber erneut, wie oben gesagt, da hilft auch Opposition nichts!

      • Ralf 14. August 2017, 18:31

        Die Situation 1966-69 ist nicht wirklich vergleichbar. Die CDU hatte sich Ende 1969 nach 20 Jahren Regierungszeit voellig aufgebraucht und die SPD hatte mit Willy Brandt einen populaeren Heilsbringer. Zusammen genommen haben diese besonderen Umstaende den enormen strukturellen Nachteil, den der Juniorpartner in einer grossen Koalition hat, ueberkompensiert.

        Mein Punkt ist, dass eine kleine Partei, sagen wir die Gruenen, sich in einer Koalition auf ein Nischenthema konzentrieren kann, waehrend der grosse Koalitionspartner die Regie in den Hauptfeldern fuehrt. Kommt es zur naechsten Bundestagswahl, ist die kleine Partei lediglich fuer ihr Nischenfeld verantwortlich, weil die Waehler dieser Partei vornehmlich an diesem einen Nischenfeld interessiert sind. So kamen die Gruenen etwa relativ unbeschadet aus der Rot-Gruenen Koalition unter Schroeder heraus, da ihre Stammklientel sie in erster Linie bezueglich Fragen den Umweltschutz und den Verbraucherschutz betreffend in Verantwortung nahm. Und auf diesen Feldern hatte die Partei ordentliches geleistet. Fuer Hartz IV oder die sozialdemokratische Innenpolitik oder Finanzpolitik hingegen wurden die Gruenen nicht (oder weniger) verantwortlich gemacht. Sie konnten sich als Nischenpartei im Wahlkampf teilweise sogar offen dagegen stellen.

        Fuer einen Juniorpartner in einer grossen Koalition sieht das voellig anders aus. Eine Partei, die den Anspruch hat den Kanzler zu stellen, braucht breiten Appeal auf allen Politikfeldern und muss ein schluessiges Konzept von Aussenpolitik ueber Innenpolitik ueber Finanzpolitik bis hinein in die kleinen Nischenfelder vorzeigen. Deckt sich dieses Konzept mit dem, das die Regierung, in der sie Juniorpartner ist, bereits hat, bietet sie keine Alternative. Wenn der Waehler ein „Weiter so“ will, dann wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit die Partei des Regierungschefs waehlen, im gegenwaerigen Fall also CDU. Schlaegt der Juniorpartner in einer grossen Koalition hingegen ein radikal unterschiedliches politisches Gesamtkonzept vor, das dem der Regierung diametral widerspricht, muss er offen gegen die Regierung polemisieren, deren Teil er ist. Zurecht werden Medien und Waehler fragen, weshalb der Juniorpartner dann all die Politik auf so vielen Feldern mitgetragen hat, wenn er die Ansaetze doch alle fuer so grundfalsch haelt.

        In der Folge kann der Juniorpartner in einer grossen Koalition eigentlich nur verlieren. Laeuft es gut fuer das Land, wird in der naechsten Bundestagswahl der groessere Partner in der Koalition, also der, der den Kanzler stellt, gestaerkt. Der Juniorpartner hingegen verliert. Das werden wir in 2017 erleben. Laeuft es hingegen schlecht oder eher mager fuer das Land, verlieren beide Regierungspartner und die Opposition, also die kleinen Parteien, legen maechtig zu. Das haben wir z.B. 2009 erlebt. So oder so, der Juniorpartner in einer grossen Koalition verliert fast immer.

        • Stefan Sasse 14. August 2017, 20:49

          Ich verstehe die Argumentation und sie ist mir auch nicht neu. Aber ein Automatismus ist es nicht, und ich denke du überbewertest den (sicher vorhandenen) Juniorpartner-Nachteil.

  • Patrick 14. August 2017, 05:21

    Ich nehme an, dass Parteien insgesamt inklusive der SPD sich schwer tun, gute neue Leute zu finden. Anders kann ich mir nicht erklären,wieso diese Typen (sind es ja mehrheitlich) da rumgeistern. Schulz lobt jetzt wiederholt sogar schröder, und der sollte nun wirklich persona non grata sein.

    In meinen Augen hat die Spd das Problem vorauseilenden Gehorsams. Statt Profil zu haben und damit eineKlientel zu entwickeln, und dann in Verhandlungen Kompromisse einzugehen, nehmen sie Positionen ein und geben sie wieder auf, wenn nur jemand schief guckt. Dadurch merken alle bisweilen auf, weil die Tante was Gutes sagt, und haken sie dann ab. Ich weiß nicht, ob das noch die Idee der NeuenMitte ist oder der Versuch, eben als vermeintliche Volkspartei das ganzeVolk abzudecken, aber in meinem Bekanntenkreis bedeutet SPD enttäuschte Hoffnung. Ich sehe nicht, wie diese Partei jetzt selbstbewusst in eine Koalition gehen soll. Okay,lieber als die FDP, aber gut wäre das nicht, und ein Umdenken bedeutet das auch nicht, wenn man weiter Pfründe zu verteilen hat…

    • CitizenK 14. August 2017, 06:39

      „in meinem Bekanntenkreis bedeutet SPD enttäuschte Hoffnung“

      In meinem auch. Die SPD will es allen recht machen, der „Wirtschaft“ und den „kleinen Leuten“. Theoretisch als Brückenschlag oder Kompromiss gedacht, praktisch führt es in die Misere, weil man nicht weiß, wofür die Partei steht.

      Die Haltung zu Schröder bringt es auf den Punkt. Vielleicht ist es wie in der Wissenschaft. Das Neue setzt sich erst durch, wenn die Alten weg sind von der politischen Bühne. Wenn es also nichts wird mit Schwarz-Gelb oder -grün oder Jamaika, dann zieht sich das nochmal 4 Jahre hin.

      • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:12

        IMHO definieren die die „kleinen Leute“ zu eng. Konzentration zu stark auf Facharbeitern in den Großbetrieben.

        • CitizenK 14. August 2017, 13:46

          Wäre die SPD die streitbare Partei, für die sie sich hält, würde die mit Schröder anders umgehen. Flucht in die Arme Putins. Kurz regiert und dann alles vergeigt.

    • Stefan Sasse 14. August 2017, 13:12

      Schröder als persona non grata ist eine linke Obsession. Der Mann hat Wahlen gewonnen. Ich halte ihn auch für eine Figur von vorgestern, aber der schadet Schulz denke ich nicht.

      Wie die SPD IMHO vorgehen sollte schreib ich in den kommenden Tagen und Wochen in einer Artikelserie, aber die gestalte ich gerade noch aus…

      • Patrick 14. August 2017, 13:36

        Der Mann hat nach der gewonnenen Wahl aber auch regiert. Schröder heißt Hartz IV, heißt lupenreiner Demokrat Putin und heißt besoffen im Fernsehen sitzen…

        • Stefan Sasse 14. August 2017, 15:46

          Heißt auch: progressiver Wechsel nach Kohl, viele gute Reformen abseits der Agenda2010-Kacke, Nein zum Irakkrieg, Krisenmanagment (Oder-Flut). Das könnte man wenn man wöllte durchaus anders verkaufen.

          • CitizenK 14. August 2017, 19:24

            @ Stefan Sasse

            Linke Obsession? Schröder heißt auch: Clement und Riester und Mehdorn und Maschmeyer. Wiener Opernball mit dem VW-Boss, Cohiba und Armani.

            • Stefan Sasse 14. August 2017, 20:54

              Ich bin sicher kein Schröder-Fan. Ich denke nur, dass er eine linke Obsession dahingehend ist, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen ihn nicht für ein relevantes Thema hält.

              • Ralf 15. August 2017, 17:59

                Das stimmt wohl. Aber die Umfragen legen nahe, dass die ueberwiegende Mehrheit der Deutschen auch die SPD nicht fuer relevant haelt.

                Die Linken, deren Obsession Schroeder ist, sind die Minderheit, die gegebenenfalls bereit waere moeglicherweise die Sozialdemokraten zu waehlen, wenn sie das Gefuehl haette, dass die Partei sich glaubhaft von ihrer Vergangenheit distanziert hat.

                • CitizenK 15. August 2017, 20:05

                  So wenige sind das gar nicht. Ich denke, der Schulzhype belegt das.

                  • Stefan Sasse 16. August 2017, 09:18

                    Jupp.

                  • Ralf 16. August 2017, 18:45

                    Ich denke, der Schulzhype belegt das.

                    Der Schulzhype? Sie belieben zu scherzen, nehme ich an.

                    Wenn Sie einem Kind ein buntes neues Spielzeug in die Hand druecken, wird es sich 5 Minuten lang nur damit beschaeftigen und alle anderen Spielzeuge vernachlaessigen. Und anschliessend wird es sich wieder seinen Lieblingsspielzeugen zuwenden, es sei denn das neue Spielzeug uebt wirklich eine besondere Faszination aus.

                    Fuer den deutschen Waehler gilt aehnliches. Wenn die Medien jemanden ploetzlich hochpushen, einem Kandidaten enorm viel Aufmerksamkeit geben, ihn von Titelbild auf Titelbild auf Titelbild setzen, in jede Talkshow einladen und blumige Portraits schreiben, steigt das Interesse an diesem Kandidaten in der Waehlerschaft. Das hat mit einem soliden „SPD-Potential“ rein garnichts zu tun. Es ist eine Medienblase. Ein Medienhype. Kein Schulzhype.

                    Und nachdem der Hype vorueber ist, wenden sich die Waehler wieder ihrem Lieblingsspielzeug … pardon, … Lieblingskandidaten zu. Und der heisst ganz offensichtlich Merkel.

                    • CitizenK 16. August 2017, 19:53

                      @ Ralf
                      Der bärtige, nicht eben blendend aussehende Schulz ein „buntes Spielzeug“? Mit Verlaub, ein unsinniger Vergleich.

                      Eine typische, wenn auch sicher nicht repräsentative Reaktion in meinem Freundeskreis: Mit Schulz kommt ein Mann, der das Land so umgestalten will wie ich es mir vorstelle. Gemeint war: Gerechter (ich weiß, ich weiß: die In-Dubio-Fraktion möchte das gern zum Unwort erklären, aber es ist virulent).

                      Die Enttäuschung kam mit seinen Korrektürchen bei der Agenda und den Gemeinplätzen, die er von sich gab. Damit war klar: Schulz ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Wasch mich, aber mach mich nicht nass. Typisch SPD halt.
                      Als er dann konkreter wurde, hörte keiner mehr hin. Der Widerhall in den Medien war Folge, nicht Ursache.

                      Ich bleibe dabei: Es gibt eine relevante Zahl von Wählern, die wieder eine SPD wollen, in der es keine „Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten“ mehr geben muss. Schulz hat Hoffnungen geweckt und sie dann enttäuscht.

                    • Ralf 16. August 2017, 20:37

                      Mit Schulz kommt ein Mann, der das Land so umgestalten will

                      Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, worauf eine solche Einschaetzung basieren sollte. Auf der Realitaet der Schulz-Praesentation sicherlich nicht.

                      Ich hab mir damals zum Beispiel ganz am Anfang des Hypes das Anne Will-Interview angesehen. Schulz war der einzige Gast in der Sendung. Eineinviertel Stunden lang Gelegenheit um fuer ein Programm, fuer seine Inhalte, fuer seine Vision fuer das Land zu werben.

                      Nach 60 Minuten habe ich abgeschaltet. Es war einfach unertraeglich. Nicht ein Wort ueber Inhalte. Nicht ein Wort ueber die Zukunft. Noch nicht einmal ein Wort ueber die Vergangenheit. Einziges Thema: Wie hat Schulz von Sigmar Gabriel’s Rueckzug erfahren? Wie ist jetzt sein persoenliches Verhaeltnis zu Gabriel? Mag man ihn in der Partei? Traut er sich den Job als Bundeskanzler ueberhaupt zu? Wie geht es ihm, seit er weiss, dass er Spitzenkandidat werden wird? Ist es ein Vorteil oder Nachteil aus dem fernen Bruessel in die Bundespolitik zu kommen? Hat er damit gerechnet jemals als Spitzenkandidat nominiert zu werden? Und bla bla bla …

                      Nicht eine Minute ging es bei dem Schulzhype um die Zukunft des Landes. Die Medien waren im Sommerloch und brauchten dringend irgendeine Botschaft und die SPD kuerte einen Herausforderer. Dafuer war Schulz bunt genug, ob mit oder oder Bart. Und in der Politik geht es auch eher selten um gutes Aussehen. Ansonsten hiesse unsere Bundeskanzlerin vermutlich nicht Merkel sondern Koch-Mehrin.

          • Erwin Gabriel 14. August 2017, 20:54

            Zustimmung!

  • Patrick 14. August 2017, 15:12

    Um das noch Mal auszuführen: Wenn die SPD meine Stimme will, sollte sie zeigen, dass sie sich klar gegen Putin, Erdogan und Trump positionieren kann. Sie muss überzeugend soziale Politik umsetzen wollen – und da tatsächlich nicht (nur) für Fachkräfte bzw. Krankenschwestern. Und sie muss zeigen, dass sie diese Pöbeltendenzen der aktuellen internationalen Politik nicht mitmacht. All das torpediert Schröder. Schröder bedeutet, dass soziale Politik auf Kosten der Schwachen geht. Schröder bedeutet, dass die SPD kein Problem hat, sich als Stammtisch für echte Kerle zu begreifen.

    Und entsprechend sehen die Vorschläge dann ja auch aus. Ein Gespür für Progressive Ideen vermisse ich, eher wirkt es wie ein Programm, mit dem man gut in Verhandlungen mit der Union gehen kann. Wahlziel GroKo.

    • Stefan Pietsch 14. August 2017, 15:46

      Gibt es eine Partei, die Ihre Anforderungen erfüllt?

      Die SPD glaubt, dass sie für eine soziale Politik steht. Die FDP glaubt das übrigens auch.

      • Patrick 14. August 2017, 19:25

        Zu 100%? Natürlich nicht. Es gibt Parteien, die mit näher sind als andere, und die SPD ist mir näher als die Union und würde eher das Spektrum für mir näher Parteien öffnen. Darum wünsche ich mir eine starke SPD und hatte einfach mehr Hoffnungen in Martin Schulz, was dann auch erklärt, warum ich auf die SPD momentan so vehement reagiere.

        • Stefan Sasse 15. August 2017, 09:37

          In meinen Augen war Schulz beim Personal bei weitem nicht radikal genug.

    • Stefan Sasse 14. August 2017, 15:51

      Ich stimme dir völlig zu. Ich stimme nur nicht in den Pessimistenchor ein, der das als völlig unmöglich erklärt.

  • Erwin Gabriel 14. August 2017, 21:00

    @ Patrick 14. August 2017, 19:25

    …die SPD ist mir näher als die Union …

    praktisch jede Partei definiert sich über ein eigenes Programm: AfD, CDU, CSU, FDP, Grüne, Linke – alle haben eigene Themen (die CDU mehr, aber weniger spezifische als Grüne / Linke / AfD).

    Die SPD ist – meiner Wahrnehmung nach – die einzige Partei, die sich eher darüber definiert, wie sie zu anderen Parteien steht. Nicht so „x“ wie die Linke, nicht so „y“ wie die CDU, nicht so „z“ wie die Grünen.

    Derzeit steuert die SPD nach dem Kielwasser der anderen.

    PS: Und so einen depperten Wahlkämpfer wie Schulz habe ich lange nicht gesehen.

    • Stefan Sasse 15. August 2017, 09:38

      Das ist nicht alleine Schulz‘ Schuld. Der Wahlkampf wird vom Willy-Brandt-Haus gemacht. Ansonsten Zustimmung.

      • Erwin Gabriel 17. August 2017, 00:08

        @ Stefan Sasse 15. August 2017, 09:38

        Das ist nicht alleine Schulz‘ Schuld. Der Wahlkampf wird vom Willy-Brandt-Haus gemacht.

        Sehe ich genauso.
        Dennoch hatten Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder eine eigene Agenda, die zugegebenermaßen der eigenen Partei nicht durchgängig gefiel. Aber sie haben die Themen bestimmt und die Akzente gesetzt, und auch immer den Eindruck vermittelt, dsas Deutschland ihnen näher stand als die Partei.

        Bei Schulz kommt da gar nichts, ausser „gerecht“ (was ein Ideal, aber kein realisierbarer Zustand ist) und irgendwie „Umverteilung“.

        Ist das wirklich die Stelle, an der dem angesprochenen kleinen Mann der Schuh drückt? Keine konkreten Antworten auf Ausländer/Flüchtlinge, fehlender bezahlbarer Wohnraum in Ballungsgebieten, Rente, Gesundheit, Bildung, Sicherheit, Europa etc., nur wolkiges Gesabbel.

        Selbst wenn ich (ohne es gutzuheißen) verstehen kann, dass die Kanzlerin mit ausgesprochen ruhiger Hand regiert, kann ich überhaupt nicht verstehen, dass der Herausforderer noch harmloser und wolkiger agiert.

        Keine Ahnung, in welcher Blase die leben…

        • bevanite 17. August 2017, 11:39

          Die Themen bezahlbarer Wohnraum, Rente, Gesundheit oder Bildung haben sehr wohl etwas mit Gerechtigkeit zu tun und oftmals ist das, was Liberale oder Konservative oft als „Umverteilung“ abtun, eine hierfür sinnvolle Lösung. Bezüglich Sicherheit waere auch mal die Frage zu stellen, warum es bei vielen staatlichen Stellen (neben Lehrern und Erziehern u.a. auch bei Richtern und Polizisten) immer dünner aussieht. Scheinbar regelt der Markt doch nicht alles. Und es sind nunmal diese Themen, die die Leute wirklich betreffen. Sie waeren erstaunt, wie wenig das Thema Flüchtlinge die wirklich abgehaengten Leute tatsaechlich tangiert.

          • Stefan Pietsch 17. August 2017, 11:54

            Die Themen bezahlbarer Wohnraum, Rente, Gesundheit oder Bildung haben sehr wohl etwas mit Gerechtigkeit zu tun und oftmals ist das, was Liberale oder Konservative oft als „Umverteilung“ abtun, eine hierfür sinnvolle Lösung.

            Das gälte es mal näher zu erläutern. Die Fakten sprechen in der Tendenz eher für das Gegenteil.

            Bezüglich Sicherheit wäre auch mal die Frage zu stellen, warum es bei vielen staatlichen Stellen (neben Lehrern und Erziehern u.a. auch bei Richtern und Polizisten) immer dünner aussieht.

            Tja, Geld ist nicht immer die Antwort…

        • Stefan Sasse 17. August 2017, 12:16

          Das ist das was ich meinen SPD-Artikel letzthin beschrieben habe: Steinmeier, Steinbrück und Schulz haben alle keinerlei Hausmacht in der SPD. Die sind auf Biegen und Brechen abhängig von der Parteibürokratie, die bringen praktisch kein eigenes Personal, keine eigenen Strukturen mit.

  • Stefan Sasse 16. August 2017, 22:02

    Als weiteren Beleg meiner These zur Bedeutung für die EU: Brexit-Verhandlungen werden gerade k0mplett auf Eis gelegt bis (so die Hoffnung) die FDP an die Macht kommt von der man sich eine bessere Lösung erhofft als von der SPD.
    http://news.sky.com/story/next-phase-of-brexit-talks-likely-delayed-to-december-sky-sources-10991514

    • Stefan Pietsch 17. August 2017, 09:00

      Woraus versuchst Du gerade Honig zu saugen? Der einzige Satz in dem längeren Artikel sagt:

      Some in the UK Government anticipate that a possible change in Chancellor Angela Merkel’s coalition partner to the liberal Free Democrats will make the Brexit negotiations easier and „more business-like“ than the current Grand Coalition.

      Wir erfahren weder, was mit „einfacheren Verhandlungen“ noch mit „mehr wirtschaftsfreundich“ gemeint ist. Was ich wiederum aus eigener Anschauung sagen kann: Die Boomregion Rhein-Main profitiert schon jetzt vom BREXIT. Die EU hat ihre Strategie vorgezeichnet und publiziert. Dahinter stehen 27 EU-Mitgliedsstaaten. Es war bereits erstaunlich, dass sich die EU sehr schnell auf ein gemeinsames Vorgehen und Ziele einigen konnte. Noch erstaunlicher fände ich es, könnte eine kleine Pünktchen-Partei in Berlin die Brüsseler Welt aus den Angeln heben.

      Wow, das wäre doch echt ein Motiv, im September FDP zu wählen, eine echt wirkungsmächtige, durchsetzungsfähige Partei!

      • bevanite 17. August 2017, 11:41

        Nur dürfte der Lindner-Hype noch schneller zu Ende gehen als der Schulz-Effekt. Vertritt denn Lindner glaubhaft irgendwelche Inhalte?

        • Stefan Pietsch 17. August 2017, 11:52

          Anders als die meisten Politiker hat er danach sogar gelebt.

      • Stefan Sasse 17. August 2017, 12:14

        Du missverstehst mich. Die FDP wäre tatsächlich eine extrem wirkmächtige Partei (wie auch die SPD) auf dem Feld der Außenpolitik. Die Ansätze unterscheiden sich da radikal.

  • Erwin Gabriel 17. August 2017, 12:40

    @ bevanite 17. August 2017, 11:39

    Die Themen bezahlbarer Wohnraum, Rente, Gesundheit oder Bildung haben sehr wohl etwas mit Gerechtigkeit zu tun …

    Naja; Sie wissen ja, wo meine grundsätzlichen Probleme mit dem Begriff liegen. Umso mehr nervt mich das floskelhafte Herausposaune irgendwelcher Standard-Slogans, die weniger konkrete Vorschläge oder Lösungsansätze aufzeigen, sondern eher die Hilflosigkeit einer Partei offenbaren, die seit Jahren mitverantwortlich ist für die verkorkste Situation

    … und oftmals ist das, was Liberale oder Konservative oft als „Umverteilung“ abtun, eine hierfür sinnvolle Lösung.

    🙂
    Da mag ich nicht grundsätzlich widersprechen. Nur weil ich noch keinen sinnvollen Vorschlag gehört habe, muss das nicht heißen, dass es keinen gibt.

    Bezüglich Sicherheit wäre auch mal die Frage zu stellen, warum es bei vielen staatlichen Stellen (neben Lehrern und Erziehern u.a. auch bei Richtern und Polizisten) immer dünner aussieht. Scheinbar regelt der Markt doch nicht alles.

    Das sind in erster Linie Länder und Kommunen – das hat nichts mit „Markt“ zu tun.

    Sie wären erstaunt, wie wenig das Thema Flüchtlinge die wirklich abgehängten Leute tatsächlich tangiert.

    Sie wären erstaunt, wie viele der nicht wirklich abgehängten Leute durch den enormen Zuzug aus Nahost und Afrika und die Deklaration eines jeden weltweit Gebeutelten als „Flüchtling“ verunsichert sind.

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