Die Produktivität rettet uns nicht vor der Überalterung

Laut Jörg Wellbrock auf dem Spiegelfechter ist die Alterung der Gesellschaft kein Problem:

„Angela Merkel tat in ihrer Rede das, was in jüngerer Zeit gern und häufig gemacht wird. Sie erstellte ein Szenario, in dem wenig Junge eine Vielzahl an Alten versorgen müssen. Die Rente mit 67 ist da aus ihrer Sicht nur folgerichtig. Tatsächlich ist es in der Vergangenheit aber immer wieder zu Herabsetzungen des Renteneintrittsalters gekommen. Und das, obwohl die Lebenserwartung steigt und der demografische Wandel nicht erst seit dem Demografiegipfel ein Thema ist. Der Statistiker Gerd Bosbach betont zudem, dass für die Bewertung der demografischen Auswirkungen der Faktor Produktivität herangezogen werden muss. Die ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen wie nie zuvor.

Das nenne ich „hoffen auf die Produktivitäts-Fee“ und es ist einfach falsch:

Arbeitsproduktivität 1971 - 2012

(Klick aufs Bild führt zur interaktiven Version)

Die arme Produktivität ist ein überstrapaziertes Tierchen. Sie muss für steigende Löhne sorgen, für sinkende Arbeitszeiten und jetzt auch noch für die Finanzierung des Rentensystems. Wer in einer alternden Gesellschaft auf steigende Produktivität hofft, der hat das Problem einer alternden Gesellschaft gar nicht verstanden.

Wenn die Gesellschaft im Schnitt älter wird, verändert sich nicht nur das Verhältnis zwischen der Anzahl der Erwerbstätigen und der Anzahl der Rentner, sondern natürlich auch die Jobs der Erwerbstätigen. Mehr Erwerbstätige kümmern sich um die Versorgung der Nichterwerbstätigen. Das heißt natürlich, dass der Gesundheits- und Pflegesektor wächst. Ein Sektor mit allgemein, aber insbesondere in Deutschland, sehr niedriger Produktivität (PDF). Das heißt immer weniger Erwerbstätige finanzieren die Renten der Nichterwerbstätigen und einen wachsenden Gesundheitssektor.

Eine alternde Gesellschaft spart weniger, konsumiert mehr und kann weniger investieren. Auch das heißt weniger Wachstum, weniger Produktivität. Zu guter Letzt ist eine alternde Gesellschaft eine Gesellschaft mit wachsender Ungleichheit. Einerseits sind Ältere wohlhabender als Jüngere und andererseits ist die Ungleichheit unter der älteren Bevölkerung selbst höher als unter einer jüngeren. Schließlich ist eine alternde Gesellschaft stärker an stabilen Preisen interessiert, als an Wachstum, das zu höherer Inflation führen könnte. Und nicht zu vergessen: Ältere Bürger sind die aktiveren Wähler und könnten bekommen, was sie wollen.

Kurz gesagt: Es wird keine Freude, in einem Land mit sinkenden Bevölkerungszahlen zu leben. Der einzige Lichtblick: die anderen Länder Nordwesteuropas haben ihre demographischen Probleme weitestgehend gelöst.

{ 12 comments… add one }
  • Mira 17. Mai 2013, 19:05

    @theophil

    Bezogen auf den letzten Absatz, wie haben diese Länder das Problem gelöst? Kannst du dazu noch was sagen, danke.

  • Marc 20. Mai 2013, 09:12

    Ich vermute, Herr Gerd Bosbach bezieht seine Aussagen auf einen historischen Kontext: mit den letzten Jahrzehnten wird daher vermutlich die Epoche der modernen Massenproduktion gemeint sein, die erst nach den beiden Weltkriegen in der Lage war, Wohlstand für alle zu produzieren. In der vorindustriellen Zeit war die Produktivität primär abhängig vom Klima oder katastrophalen Ereignissen wie Kriege. Früher gab es auch längere Phasen einer negativen Produktivitätsentwicklung, erst mit der Moderne wurde sie durch eine kontinuierliche Produktivitätssteigerung abgelöst, die nur durch kurze Phasen von Weltwirtschaftskrisen unterbrochen wird. Ein Blick in Bosbachs Artikel legt diese Sichtweise nahe. Dort findet man auch ein nettes Rechenbeispiel, welches ein kontinuierliches Produktivitätwachstum als Realität ansieht und nicht als Fabelwesen.

    • Theophil 20. Mai 2013, 19:09

      In diesem Sinne hätte er natürlich Recht, aber das enorme Produktivitätswachstum der Vergangenheit wäre (wie poppers Kommentar nahelegt) hier irrelevant. Diese Produktivität ist ja schon in unsere Löhne und Arbeitszeiten eingeflossen. Bosbachs Argument ist ja, das das zukünftige Produktivitätswachstum groß genug ist, um den sinkenden Anteil der Erwerbsbevölkerung zu kompensieren.

      Die Produktivität mag weiter steigen und tut das hoffentlich. Aber es müsste hier schon zu einer Trendwende kommen zurück zu stärkeren Produktivitätssteigerungen. Es scheint mir mehrere plausible Zusammenhänge zwischen höherem Durchschnittsalter und sinkendem Produktivitätswachstum zu geben. Ein wesentlicher Punkt, den ich oben nicht erwähnt habe: Der durchschnittliche Bildungsstand in Deutschland stagniert laut OECD.

      • Marc 21. Mai 2013, 08:47

        Es scheint mir mehrere plausible Zusammenhänge zwischen höherem Durchschnittsalter und sinkendem Produktivitätswachstum zu geben.

        Das glaube ich nicht, dann müsste Afrika ja turboproduktiv sein. Es ist doch logischer, dass das Produktivitätswachstum vom Entwicklungsstand abhängig ist: muss ich erst noch eine Infrastruktur aufbauen, sind enorme Wachstumsraten möglich, habe ich bereits eine gut funktionierende, ist nur noch ein geringes Wachstum möglich. Aber wenn wir wie in der obigen Zeitreihe den konstanten Produktivitätszuwachs, wie er zwischen 1980 und 2007 bestand, aufrecht erhalten können, reicht das aus, wie Bosbachs Rechnungen zeigen. Eine Nullproduktivität würde ja bedeuten, es gäbe keinerlei technische Neuerungen und es würde nur der Verschleiß ersetzt werden. Bei einer negativen Produktivität müsste man schon auf die absolut kranke Idee kommen, eine Schlüsseltechnologie zu drosseln … ah, jetzt verstehe ich m(

        • Theophil 21. Mai 2013, 09:02

          „Das glaube ich nicht, dann müsste Afrika ja turboproduktiv sein. „

          Vorsicht. Ich habe von Produktivitätswachstum gesprochen, nicht von absoluter Produktivität. Letztere hängt natürlich von unserem Entwicklungsstand ab und ist in Afrika sehr gering. Ersteres kann (!) dagegen in Afrika sehr hoch sein. Stichwort: Abnehmender Grenznutzen.

          Ein negatives „Wachstum“ der Produktivität ist sehr wohl möglich, selbst bei technologischem Fortschritt, z.B. wenn die Arbeitsbevölkerung in unproduktive Sektoren wechselt (oder wenn wirklich jeder Mann und Maus an die Werkbank wechseln würde). Das passiert in Großbritannien gerade: http://www.bbc.co.uk/news/business-19981498

  • popper 20. Mai 2013, 10:55

    Und Sie Theophil haben nicht verstanden, dass die alternde Gesellschaft ein Vehikel ist, mit dem Interessengruppen und Politiker den Menschen Märchen erzählen, die auf nichts anderem als Kaffeesatzleserei basieren. Die Modellrechnungen mit denen her operiert wird sind keine wissenschaftlichen Studien und missachten die sogenannte ceteris paribus Klausel. Sie „Prognosen“ dienten vor allem als ein politischer Hebel für einen radikalen Sozialabbau. Sie verschweigen auch, dass 2012 die deutsche Bevölkerung erneut zugenommen. Am Jahresanfang lebten 81,8 Millionen Personen und am Jahresende voraussichtlich etwa 82,0 Millionen. Nach acht Jahren Rückgang wird die Bevölkerungszahl damit das zweite Jahr in Folge steigen. Hätten Sie sich die Mühe gemacht Bosbachs Untersuchungen zu recherchieren, kämen Sie nicht zu solchen absurden (polemischen!?) Feststellungen. Hier ein Auzug und den dazugehörigen Link: http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/gbosbach_demogr.pdf

    Auszug aus:
    Gerd Bosbach
    „Demografische Entwicklung – kein Anlass zur Dramatik“:

    „Die wesentlichen Voraussetzungen und Modellannahmen für die Berechnungen sind:
    1. Bevölkerungsstand und -aufbau von heute
    2. Konstanz der Geburtenhäufigkeit von 1,4 Kindern pro Frau bis 2050 (Westdeutschland) Neue Bundesländer erst ab 2011
    3. Zunahme der Lebenserwartung
    Dazu wurden drei Varianten untersucht. Den meisten Veröffentlichungen, auch des Amtes liegt die mittlere Variante zugrunde. Danach wird die Lebenserwartung Neugeborener im Jahre 2050 rund 6 Jahre mehr betragen als heute (für Jungen 81,1 Jahre, für Mädchen 86,6 Jahre).
    4. Saldo zwischen Zu- und Abwanderungen von Ausländern nach bzw. aus Deutschland.
    Auch dort wurden drei Varianten berechnet, wovon die mittlere Variante mit einem jährlichen Wanderungsüberschuss nach Deutschland von 200.000 Personen Grundlage der meisten Publikationen ist. Das Statistische Bundesamt sagt zu seinen Berechnungen:
    „Weil die Entwicklung der genannten Bestimmungsgrößen mit zunehmendem Abstand vom Basiszeitpunkt 31.12.2001 immer unsicherer wird, haben solche langfristigen Rechnungen Modellcharakter. Sie sind für den jeweiligen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten keine Prognosen, sondern setzen die oben beschriebenen Annahmen um.“
    Die heutige Diskussion ist von einer statischen Betrachtungsweise geprägt. Die Leistungsfähigkeit eines heutigen Beschäftigten wird auch für das Jahr 2050 unterstellt. Nur so kann ein
    Anstieg der Zahl der zu ernährenden Rentner bedrohlich wirken. Damit wird komplett ausgeblendet, dass aufgrund des technischen Fortschritts ein Arbeitnehmer immer mehr herstellen kann. Wie hoch die Arbeitsproduktivität steigt, kann niemand voraussagen. Die Werte der letzten Jahrzehnte zu unterstellen, wäre nicht seriös.
    Um das Ausmaß von Produktivitätsentwicklung sichtbar machen zu können, beziehe ich mich im Folgenden auf die Prognosen der Herzog- und der Rürup-Kommission, rechne also weiterhin mit den niedrigen Zahlen der „Dramatisierer“. jährliche Steigerung der Arbeitsproduktivität ergibt eine Gesamtsteigerung 2001 bis 2050 1,25 % (Herzog-Kommission) um 84 % ;1,80 % (Rürup-Kommission) um 140 %
    Aufgrund dieser Leistungssteigerung von mindestens 84% bis 2050 ist jeder Beschäftigte, der seinen Anteil an der gestiegenen Produktivität auch erhält, in der Lage, etwas mehr für die Rentner und Kinder abzugeben, ohne selbst auf die Teilnahme am Fortschritt verzichten zu müssen. Eine Einschränkung, wie uns immer wieder eingeredet wird, ist wirklich nicht nötig.
    Zusätzliche Leistungen sind erwirtschaftbar, wenn über den Abbau der Arbeitslosigkeit das Potenzial der Erwerbsfähigen genutzt würde. Diese Steigerung sind bei den Daten in o.g.Tabelle nicht berücksichtigt.
    Eine vereinfachte Überschlagsrechnung soll verdeutlichen, wie immens die Wirkung von Produktivitätssteigerungen ist:
    Erhält heute ein Arbeitnehmer inkl. Sozialversicherungsanteil des Arbeitgebers 3.000 Euro, so zahlt er etwa 600 Euro (20%) für Rentner. Es verbleiben ihm also 2.400 Euro. Nach der niedrigeren Annahme der Produktivitätssteigerung um 1,25% (Herzog-Kommission) würden aus den 3000 Euro inflationsbereinigt 50 Jahre später 5.583 €. Bei einer Steigerung des Abgabe-Satzes für Rentner auf 30% verblieben dem Arbeitnehmer immerhin noch satte 3.908 € (plus 63%). Selbst bei einer völlig unrealistischen Verdoppelung des Beitrages auf 40% Rentenversicherung verblieben dem Arbeitnehmer mit 3.350 € noch 40 Prozent mehr als heute. Von „unbezahlbar“ also gar keine Rede, wenn die Produktivitätssteigerungen auch anteilig an die Arbeitnehmer ausbezahlt werden.
    Dabei ist noch nicht berücksichtigt: Anhebung des Renteneintrittsalters auf über 60 Jahre, Einsparungen durch die ca. 30% weniger Kinder und Jugendliche, Abbau der Arbeitslosigkeit. Und angenommen wurde nur die niedrigste der von den Fachleuten prognostizierte Produktivitätssteigerungen!“

    • Theophil 20. Mai 2013, 19:25

      Danke für das ausführliche Zitat. Mir war das Argument von Bosbach allerdings vorher bekannt. Es ignoriert allerdings die möglichen Zshg zwischen Durchschnittsalter und Produktivität, die sektorale Verteilung der Erwerbstätigkeit, die zusätzlichen Ausgaben für die KV und die Verteilung der Steuerlast zw Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen. In diesem Fall scheint mir ein „ceteris paribus“ Vergleich unseriös, denn ich bezweifle stark, dass die Veränderung zu einer alternden, kinderlosen Gesellschaft eine „ceteris paribus“ Veränderung ist. Bosbachs Argument hat weiterhin grundsätzliche politische Probleme:

      Wachstum der Arbeitsproduktivität fällt nicht vom Himmel und hängt auch nicht allein von technologischem Fortschritt ab sondern von der Kombination aus technologischem Fortschritt und Ausbildungsstand der Bevölkerung. Beide waren in der Vergangenheit komplementär. Das selbst erarbeitete Bildungsniveau des Einzelnen führt zu höherer Arbeitsproduktivität, deren Ergebnisse er an ziemlich gesunde und zunehmend gesundere Rentner abgeben muss. Im Ergebnis ergibt das eine Belastung von Steuern und SV von deutlich über 50%, die freiwillig gezahlt werden sollen. Wie entwickelt sich die Erwerbstätigenquote wohl bei so einer Abgabenlast? Unter welchen Bedingungen sollten sich junge Europäer unter den Bedingungen der Freizügigkeit dieser Solidargemeinschaft anschließen?

  • popper 21. Mai 2013, 08:56

    Verehrter Theophil, jetzt begreife ich erst, mit welch‘ kruden Vorstellungen Sie an den ganzen Fragenkomplex herangehen. Ihnen war das Argument von Bosbach bekannt? Dann haben Sie aber nichts davon verstanden
    „…Das selbst erarbeitete Bildungsniveau des Einzelnen führt zu höherer Arbeitsproduktivität, deren Ergebnisse er an ziemlich gesunde und zunehmend gesundere Rentner abgeben muss. Im Ergebnis ergibt das eine Belastung von Steuern und SV über 50%, die freiwillig gezahlt werden sollen…“ schreiben Sie.

    Das entspricht dem gängigen Unsinn, der seit Jahren vom Mainstream verkündet wird, um die Sozialsysteme zu diskreditieren. Die sachliche Grundlage fehlt gänzlich. Denn die vielen, die mit ihren Einkommen über den Bemessungsgrundlagen für RV, KV etc. liegen, beteiligen sich ohnehin nicht an deren Finanzierung. Außerdem sind die Steuern in Deutschland moderat. Ein Lediger mit einem Einkommen von 52.000 € zahlt gerade mal 26% Steuern. In der „Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ (VGR) ergibt sich die Arbeitsproduktivität aus dem Verhältnis von Ausbringungsmenge und eingesetzten Arbeitsstunden. Ihre Formel, hohe Bildung gleich hohe Produktivität ist makroökonomisch betrachtet abwegig. Es geht nicht um die Produktivität Einzelner, sonst würden Lehrer, Polizisten oder Krankenpfleger an der Verteilung des Produktivitätsfortschritts nie teilnehmen dürfen. Was ja in der Tarifpolitik auch schon genutzt wird, um selektive Lohnabschlüsse zu bewirken. Sie haben bis dato nicht ansatzweise verstanden, dass mehr als 70% der Renten über Beiträge finanziert werden und die staatlichen Zuschüsse die versicherungsfremden Leistungen bei weitem nicht ersetzt.

    Nicht „…ich bezweifle stark, dass die Veränderung zu einer alternden, kinderlosen Gesellschaft eine “ceteris paribus” Veränderung ist…“ moniert Bosbach, sondern die Modell-Berechnungen des Statistischen Bundesamtes beruhen auf ceteris paribus, da sie einen heutigen Zustand linear fortschreiben und von Interessenvertretern missbraucht werden, den Menschen zu suggerieren, dass unsere Gesellschaft in 40 Jahren sich so und so entwickelt hat. Das ist die Kaffeesatzleserei von denen Prof. Raffelhüschen, u.a. sprechen, und damit zu begründen suchen, dass die Rente sei nicht mehr finanzierbar und privater Vorsorge weichen müsse. Selbst, wenn man dem Glauben schenken würde, würde eine wie auch immer geartete demographische Entwicklung daran etwas ändern? Natürlich nicht. Die Kosten der Gesellschaft müssen aus dem was jetzt erarbeitet wird bezahlt werden. Die naive Vorstellung in einer Volkswirtschaft könnte man für die Zukunft etwas ansparen ist Unfug. Lesen Sie dazu das was Prof. Raffelhüschen in einem Vortrag vor Versicherungsvertretern sagt:

    „Die Rente ist sicher – sag ich Ihnen ganz unverblümt. (Gelächter unter den Versicherungsvertretern.) Die Rente ist sicher, nur hat kein Mensch mitgekriegt, dass wir aus der Rente schon längst eine Basisrente gemacht haben. Das ist alles schon passiert. Wir sind runter gegangen durch den Nachhaltigkeitsfaktor und durch die modifizierte Bruttolohnanpassung. Diese beiden Dinge sind schon längst gelaufen, ja, waren im Grunde genommen nichts anderes als die größte Rentenkürzung, die es in Deutschland jemals gegeben hat. (…) Aus dem Nachhaltigkeitsproblem der Rentenversicherung ist quasi ein Altersvorsorgeproblem der Bevölkerung geworden. So, das müssen wir denen erzählen! Also, ich lieber nicht, ich hab genug Drohbriefe gekriegt! Kein Bock mehr, irgendwie. Aber Sie müssen das, das ist Ihr Job!“

    Unter diesem Aspekt ist jeder Versuch, die Altersvorsorge weiter zu diskreditieren Wasser auf die Mühlen solcher Volksverdummer.

  • Theophil 21. Mai 2013, 09:10

    „Wenn die vielen, die mit ihren Einkommen über den Bemessungsgrundlagen für RV, KV etc. liegen, beteiligen sich ohnehin nicht an deren Finanzierung.“

    Das ist natürlich so nicht richtig. Deren Einkünfte aus der RV sind ebenfalls gedeckelt. Sie tragen also proportional bei. Eine Umverteilung in der RV gibt es nicht, das stimmt.

    „Ihre Formel, hohe Bildung gleich hohe Produktivität ist makroökonomisch betrachtet abwegig. Es geht nicht um die Produktivität Einzelner, sonst würden Lehrer, Polizisten oder Krankenpfleger an der Verteilung des Produktivitätsfortschritts nie teilnehmen dürfen.“

    Das ist einfach falsch: http://de.wikipedia.org/wiki/Opportunitätskosten

  • techniknörgler 21. Mai 2013, 11:11

    „Eine alternde Gesellschaft spart weniger, konsumiert mehr und kann weniger investieren. Auch das heißt weniger Wachstum, weniger Produktivität.“

    Ich glaube den ersten Satz können viele nich nachvolziehen. Beim zweiten Satz denken viele Linke anders: Wo sei das Problem, Konsumnachfrage ist doch auch Nachfrage, tut der Wirtschaft gut und gut ist.

    Das Investitionen die mögliche Produktivität von Morgen mitbestimmen ist vielen nicht klar oder wollen sie nicht hören, man bleibt auf seiner nachfrageorientierten Sichtweise fixiert. Die angebotsorientierte Sichtweise hält man für Rückständig und überholt.

    Deswegen sieht man auch keinen Nutzen in kapitalgedeckten Renteversicherungen, denn die Renten müssen ja immer aus der laufenden Produktivität bezahlt werden. Das die Höhe dieser Produktivität allerdings von heutigen Investitionen abhängt und in ein umlagefinanziertes System gesteckte Beiträge fast vollständig in den Konsum der Rentner, nicht aber in Investitionen wie kapitalgedeckte Verfahren(*), dass wird einfach ignoriert.

    Was sagen Sie dazu?

    Und warum ist die nachfrageorientierte Sichtweise bei der Linken so beliebt ist, würde mich auch interessieren.

    (*) hängt natürlich von der konkreten Anlage, da wird von linke Seite auch viel FUD betrieben. Aber „Investitionen“ in Staatsanleihen (vielleicht gar von PIIGS-Staaten) oder Banken die hauptsächlich in Staatsanleihen investieren sind natürlich eher mit Einzahlungen in ein Umlagesystem vergleichbar.

    • Marc 21. Mai 2013, 14:09

      Und warum ist die nachfrageorientierte Sichtweise bei der Linken so beliebt ist, würde mich auch interessieren.

      Bei mir ist es purer Egoismus: Angebote interessieren mich nur, wenn ich sie auch konsumieren kann. Was nutzt denn mir persönlich der Export? Schicken mir die deutschen Exportartikel zu Weihnachten vielleicht eine Postkarten? Nein.

      Ökonomie ist keine Einbahnstraße, auch eine gesteigerte Konsumnachfrage ist in der Lage, Investitionen bei den Unternehmen auszulösen. Oder besser: für ein gutes Investitionsklima ist nicht nur ein produktionsfreundliches Umfeld nötig, sondern es muss auch ein entsprechender Absatzmarkt vorhanden sein. Wird eines von beiden vernachlässigt, so wie derzeit, funktioniert es nicht.

  • popper 21. Mai 2013, 12:43

    @techniknörgler
    „Deswegen sieht man auch keinen Nutzen in kapitalgedeckten Renteversicherungen, denn die Renten müssen ja immer aus der laufenden Produktivität bezahlt werden. Das die Höhe dieser Produktivität allerdings von heutigen Investitionen abhängt und in ein umlagefinanziertes System gesteckte Beiträge fast vollständig in den Konsum der Rentner, nicht aber in Investitionen wie kapitalgedeckte Verfahren(*), dass wird einfach ignoriert.“

    Was Sie leider ignorieren ist, dass die kapitalgedeckte Rentenversicherung das Problem nicht löst. Es wird nämlich behauptet, das Kapitaldeckungsverfahren sei zukunftssicherer, weil die Finanzdienstleister die Beiträge zur privaten Vorsorge nicht direkt an die Rentner auszahlen, sondern diese auf dem Kapitalmarkt anlegen und einen Kapitalstock aufbauen. Nach der Pensionierung ruft der Rentner sein angelegtes Geld in monatlichen Raten vom Kapitalmarkt zurück. Behauptet wird, dass im Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung er dabei angeblich nicht die Einkommen der Erwerbstätigen belaste. Diese Behauptung ist grottenfalsch!

    Denn was geschieht wirklich, wenn der Rentner sein angespartes Kapital abruft?

    Das Finanzinstitut hatte das Geld an Erwerbstätige (Angestellte und Unternehmer) verliehen. Was die Kreditnehmer zurückzahlen müssen, können sie zum Zeitpunkt der Rentenauszahlung selbst nicht für andere Zwecke ausgeben. Das heißt im Klartext, die kapitalgedeckte Rente mindert also zum Zeitpunkt der Auszahlung das verfügbare Volkseinkommen! Die arbeitende Generation muss immer (auch beim Kapitaldeckungsverfahren) zusätzlich das Einkommen für die Rentner erwirtschaften.

    Das heißt aber nichts anderes als: Aller Sozialaufwand muss immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden. Und Beide Systeme reagieren etwa gleich auf Veränderungen der Demografie, der Erwerbsquote, der Produktivität und des Wirtschaftswachstums.

    Abgesehen von den zusätzlichen Kosten der privaten Altersvorsorge Die kapitalgedeckte Altersversorgung ist allerdings zusätzlichen Risiken ausgesetzt: Börsencrashs, Inflation und Wechselkursänderungen haben bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder Pensionsfonds vernichtet und private Altersvorsorgesysteme zusammenbrechen lassen.

    Die ganz schlauen argumentieren: Es wird behauptet, mit dem Kapitaldeckungsverfahren könne man die Belastung der Erwerbstätigen in der Rückzahlungsphase vermeiden, indem die Pensionsgelder im Ausland angelegt werden. Doch das ist mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. Auf lange Sicht drohen erratische, d.h. nicht voraussehbare Rentenzahlungen:

    Das birgt zusätzliche Risiken:
    • Wechselkursveränderungen können das Fondsvermögen entwerten.
    • Internationale Finanzkrisen können die Rentabilität mindern und Pensionsfonds kollabieren lassen (siehe die aktuelle Wertentwicklung von Anlagen in US-$).
    • Niemand kann garantieren, dass die angesparten Gelder von den Kreditnehmern produktiv investiert werden und später die erforderlichen Erträge erzielen. (Zumal
    die Finanzdienstleister selbst Elemente des Umlageverfahrenspraktizieren, d.h. die eingenommenen Gelder auch zur Zahlung von Renten verwenden.)
    • Die Annahme, andere Länder wären bereit, die Erträge der Investitionen der Anlegerländer über Jahrzehnte als Rente in diese zurückzutransferieren, ist
    (vorsichtig ausgedrückt) unrealistisch.

    Der Versuch, die Altersversorgung von Kapitalanlagen im Ausland abhängig zu machen, ist Symptom eines „Moral Hazard“. Denn die Profiteure der privaten Altersvorsorge kennen die Risiken genau – und setzen darauf, dass der Staat den Schaden begrenzen wird.

    Das sind die Realitäten, die man nicht ignorieren sollte.

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